Die Kämpfe im Abschnitt Lille — Arras 121 Tätigkeit treten zu lassen, was beim Bewegungskriege naturgemäß unmöglich ist. Kurz und mit wenigen Worten gesagt, während der Kampf früher an einem Orte höchstens vier Tage dauerte, svielt er sich heute in ebensoviel Monaten an derselben Stelle ab." Episoden Das wahre Bild des Krieges Dr. Paul Grabein erzählt: „Ein Bild voll grausigen Schreckens aus den letzten Kämpfen in Nordsrankreich hat mir ein Augenzeuge geschildert, der vorn im ersten Schützengraben gelegen hatte. „Nach langem Artilleriekampf, der den deutschen Stellungen schwer zugesetzt und sie scheinbar ermattet hat, wagen die Franzosen im Morgengrauen den Sturm. Ihre Infanterie kommt herangesprungen in breitem Schwarm. Lautlos bleibt alles in unseren Schützenlinien. So setzen sie heran bis auf 150 Meter zu den Drahtverhauen, die unsere Stellung decken. Da plötzlich ein schrilles Kommando: „Feuer!" Und der Tod pfeift aus hundert Schlünden in die Menschenmasse hinein, die sich gerade im Drahtverhau verfängt. In ein paar Minuten stürzt zurück, von Angst geschüttelt, was noch am Leben ist und laufen kann. Aber in dem Drahtverhau hängen noch Hunderte von Franzosen, die nicht vor- und rückwärts können. Den ganzen Tag hindurch geht ihr Gewimmer, ihr Schreien um Hilfe hinüber zu unseren Leuten im Schützengraben. Doch als diese, von Mitleid getrieben, sich herauswagen, um die Unglücklichen aus den Drähten zu be freien, werden sie sofort vom feindlichen Artilleriefeuer überschüttet und müssen zurück, um ihr eigenes Leben zu retten. So bleiben notgedrungen die Aermsten da vorn ihrem Schicksal überlassen." Das ist der Krieg in Wahrheit. Nichts törichter als die gedankenlose Phrase vom „frisch-fröhlichen" Krieg, die sich so leicht am Biertisch daheim aussprechen läßt. Nur wer draußen an der Front war, kennt ihn wirklich mit all seinen Schrecken, und nur der auch vermag voll zu würdigen, was unsere Brüder da vorn leisten, die für Deutscb- lands heilige Sache streiten." Zwei Helden Die Blätter des feindlichen Auslands berichten von der Heldentat zweier deutscher Soldaten, die in dem Kampf zwischen Laventie und Bethune die rückhaltlose Bewunderung ihrer Feinde errangen. In diesem Gebiet, wo die Bodenverhältnisse und die Verteilung der Häuser die Auflösung der Schlacht in einzelne Gefechte sehr begünstigen, wurde um jeden Zoll breit Erde gekämpft; es entwickelten sich die hitzigsten Einzelkämpfe. So wurden an einer Stelle deutsche Schützengräben von überlegenen englischen Kräften, von indischen Truppen und zwei schottischen Regimentern angegriffen. Die Deutschen mußten sich zurückziehen, denn das Stück des Schlachtfelds, aus dem sie stritten, war völlig ab geschlossen und von ihren Truppen konnte ihnen keine Hilfe kommen. Alle hatten ihre Stellung verlassen; nur zwei deutsche Soldaten schossen noch immer. Als die feindlichen Massen sich auf sie stürzten, stellten sie sich Schulter an Schulter auf und brauchten ihre Bajonette mit einer so todesmutigen Entschlossenheit, daß sie 15 der Feinde außer Gefecht setzten. Kein Zuruf, sich zu ergeben fand bei ihnen Gehör; sie schienen fest entschlossen, an Ort und Stelle zu sterben. Immer näher rückten die Feinde; schon waren ihnen die Helme vom Kopf geschlagen und zahlreiche Bajonette richteten sich aus ihre Brust. Da sprang im letzten Augenblick ein englischer Offizier, dem diese über menschliche Tapferkeit Bewunderung einflößte, dazwischen und rettete ihr Leben. Auch ein Held Ein Kriegsteilnehmer erzählt der „Frankfurter Zeitung": „Bei den Kämpfen westlich von Lille wurde von einigen Kavalleristen ein französischer Infanterist eingebracht, der