308 Die Wirkungen der ersten Kriegsereignisse aus Frankreich und England hat, um einige Kreditinstitute, die jedermann zu nennen weiß, und die die Ersparnisse Frankreichs äußerst gewagt angelegt haben, vor dem Konkurs zu bewahren. Das kommt nach Raphael Georges Levh, dem großen Nationalökonomen und Professor am College de France, in Bezug auf den Kredit Frankreichs einer verlorenen Schlacht gleich; nach dem Kriege, fügt er hinzu, wird man die schuldigen Finanzleute zur Verantwortung ziehen müssen. Mit dem Geldmangel wächst die Not. Die Nerven sind ohnehin durch die Tagesereignisse aufs äußerste gespannt. Da und dort trifft man auf verstörte Mienen, auf haßerfüllte oder verzweiflungsvolle Blicke. Auch erscheinen aufreizende Blätter von der Art des „Bonnet", obwohl sie von der Polizei alsbald unterdrückt werden. Das alles sind beunruhigende Zeichen, die bloß bei einem Sieg verschwinden würden." Denkt man an die finanzielle Kriegsrüstung Deutschlands, so wird man sich erst voll bewußt, welche wirtschaftliche Ueberlegenheit ein von der eigenen Arbeit lebendes und durch sie hochkommendes Volk über ein Volk hat, das andere für sich arbeiten läßt. „Frankreich," schreibt die „Frankfurter Zeitung", „hat sich immer stolz gerühmt, es sei der Bankier der ganzen Welt, weil es an alle Länder der Welt sein Geld auslieh, um sich dadurch politische Freundschaft und industriellen Absatz zu schaffen. Aber in Wirklichkeit war das ein Zeichen der Schwäche, nicht der Stärke. Denn Frankreich wurde so das Land der Rente, während Deutschland das Land der Arbeit war. In Deutschland wurde der überwiegende Teil der nationalen Ersparnisse Jahr für Jahr in neue Unternehmun gen, in industrielle Anlagen, in Handels- und Verkehrsgesellschaften gesteckt, während nur der Rest für Anleihen an das Ausland verfügbar blieb: so wuchs, durch die Arbeit, unsere Produktion und unser Wohlstand. In Frankreich fehlte für diese industrielle Ver wendung der Kapital-Ersparnisse die Unternehmungslust, die Energie und der diszipli nierte Arbeitswille. Darum muß Frankreich solche Schläge furchtbar empfinden: in einem Lande, in dem ein ungleich größerer Teil der Bevölkerung als bei uns von den Zinsen lebt, bedeutet das Ausbleiben großer Zinsteile direkt ein Unglück, den Verlust aller Einkommensmöglichkeiten für Unzählige." England im Kriege Von Emil Ludwig Niemand, der England wirklich kannte, hatte an das aktive Eingreifen Englands ge glaubt. Tatsächlich ist England unter den acht kriegführenden Staaten der einzige, der den Krieg vorerst „mit halbem Dampfe" führt. Ein englischer Krieg: das wäre ein See krieg großen Stiles — und den führt es bis heute nicht. Es ist zu berechnend, um seine Flotte zu riskieren, zu egoistisch, um im Notfälle dem Alliierten wahrhaft beizu springen, und viel zu kriegsungewohnt, um von innen heraus sich zur Austragung des Krieges genötigt zu fühlen. Denn niemand im englischen Volk ist begeistert für diesen Krieg. Dies Land, das bei so großer politischer Reife mit Revolutionen, das heißt mit der Gewalt nie recht fertig wurde und auch jetzt zwei Rebellenheeren mitten im Lande machtlos gegen überstand, hat durch die Jahrhunderte bewiesen, daß es das unmilitärischste in Europa ist — und eben darum so antagonistisch uns, seinem jetzigen Feinde. Hier hat sich denn auch zugetragen, was in keinem der acht kriegführenden Länder geschah: von unten und von oben her ist der Wille zum Kriege dementiert worden: noch bis zum 10. August haben auf Trafalgar-Square Zehntausende sich jeden Abend gesammelt und laut gegen diesen Krieg protestiert; noch um den 12. haben aus Oxford und Cambridge, den Stätten vornehmster englischer Kultur, Gelehrte großen Namens sich öffentlich gegen