Aus den besetzten Gebieten Frankreichs 255 Aus dm besetzten Gebietm Frankreichs Nach den Mitteilungen der „Neuen Freien Presse", Wien, sind die folgenden auf Grund amtlicher Aufnahmen festgestellten französischen Gebiete vom deutschen Heere be setzt: Das Departement Ardennes vollständig, vom Departement Nord 70 Prozent, Aisne 50 Prozent, Meuse 30 Prozent, Meurthe und Pas-de-Calais 25 Prozent, Somme 16 Prozent, Marne 12 Prozent, Oise 10 Prozent, Vosges 2 Prozent. Im ganzen zehn Departe ments. Diese besetzten Landesteile haben einen Flächeninhalt von 2100000 Hektar und stellen 3,7 Prozent der Gesamtfläche Frankreichs dar. Nach der Zählung vom Jahre 1911 trugen sie eine Bevölkerung von 3255 000 Einwohnern, das sind 8.2 Prozent von der Gesamtbevölkerung Frankreichs. Der Verkaufswert soll 9500 Millionen Franken und der „innere Wert" 14300 Millionen betragen. Ueber die deutsche Verwaltung des Operations- und Etappengebietes ist schon früher das Wichtigste berichtet worden (III, S. 219). Hier sei zur Ergänzung nur noch auf einzelne Besonderheiten aufmerksam gemacht. Als es sich als dringend nötig herausstellte, die Bevölkerung der zerstörten oder gefähr deten Ortschaften des Kampfgebiets nach Frankreich zurückzubefördern, wurde nach Ver ständigung und mit der Unterstützung der Schweiz ein regelmäßiger Transport der sog. Evakuierten über Schaffhausen und Zürich nach Genf organisiert, der Anfang März 1915 begann und bis zum August 1915 weit über 60000 Evakuierte beförderte. (Vgl. den betr. Abschnitt in dem Kapitel „die Liebestätigkeit in der Schweiz" S. 314.) Das Verhältnis zwischen den deutschen Truppen und den zurückgebliebenen Bewohnern der eroberten Landesteile schildert ein aus Süddeutschland stammender Offi zier in einem Briefe, den er an seine in der Schweiz lebenden Angehörigen gerichtet hat, nach dem „Berner Bund" folgendermaßen: „Der Krieg ist selbstverständlich hart für das von uns besetzte Land, aber es ist Tat sache, daß wir die Bevölkerung schonen, soweit wir können, und niemand auch nur ein Haar krümmen; natürlich muß sich jeder der Ordnung fügen. Kommt je einmal gegen einen deutschen Soldaten etwas zur Anzeige, so wird gegen den Schuldigen mit sehr strengen Strafen vorgegangen. Gewalttätige Menschen gibt es in jeder Armee; bei uns aber werden alle zur Meldung kommenden Uebergriffe aufs strengste geahndet, so z. B. wenn Soldaten sich Gegenstände aus dem Besitz der dummerweise geflohenen fran zösischen Einwohner aneignen sollten; es wird denn auch jedes Paket, das nach Hause gesandt wird, vor der Absendung genau daraufhin geprüft. Notzucht — von der mir allerdings in sieben Monaten nur ein einziger Fall bekannt geworden ist — wird mit Zuchthaus bis zu zwölf Jahren bestraft. Obwohl in Deutschland Sparsamkeit in Lebensmitteln, wie Brot, Mehl usw., gesetzlich vorgeschrieben ist, lebt die französische Bevölkerung, soweit sie deutsche Einquartierung hat, zum großen Teile ganz von unseren Vorräten, mit anderen Worten: Offiziere und Soldaten teilen ihre Rationen an Fleisch, Brot, Kaffee usw. mit ihren Wirtsleuten; so z. B. kochen die Frau bei der ich wohne, und ihre Nachbarin, die ein kleines Kind hat, überhaupt nicht mehr, sondern „fassen" von uns Suppe, Gemüse, Fleisch und Kaffee; sie selbst aber lassen sich Milch, Eier und Butter bar und sehr gut von uns bezahlen. Nur was im großen requiriert wird, wie Vieh, Kartoffeln, Heu, Stroh usw., wird mit Bons bezahlt. Jeden Tag um ein Uhr mittags nach der Speisenabgabe an die Mann schaften sammeln sich vor unserer Kompagnieküche arme Weiber, Kinder und alte Männer an, und selten geht jemand weg, ohne seine warme Suppe mit Fleisch in seinem Topf mitzunehmen oder gleich auf der Stelle zu verzehren. Unsere Landsturmleute bestellen, obwohl sie säst jeden zweiten Tag aus Wache kommen, also nur eine, höchstens zwei