Die Kämpfe in Lothringen, in den Vogesen und im Sundgau 241 Die Franzosen in den von ihnen besetzten Teilen des Elsaß Der Berichterstatter des Berner „Bund" bei der französischen Armee Dr. W. M-, dessen Sympathien für Frankreich nicht zweifelhaft sind, hat auf einer Fahrt in die von den Franzosen besetzten elsässtschen Landesteile schon den Geist des neuen Regiments ver spürt, der die entrissenen Landeskinder mit versöhnlicher Milde wieder an Frankreich ketten will. In diesem Bericht heißt es u. a.: „Wir waren nicht mehr weit vom Gipfel des Hohneck, einem der schönsten Aussichtspunkte der Vogesen, als einer von unsern Gefährten auf eine weiße hölzerne Stange zeigte, die an der Stelle des früheren Grenz pfahls stand, aber keinerlei Aufschrift trug. „Da wären wir also schon in Deutschland," meinte einer von uns gedankenlos. „Nein, Herr," versetzte unser Führer lächelnd, „Sie befinden sich immer noch in Frankreich." Dieses Gefühl, man braucht es eigentlich kaum erst zu sagen, herrscht ganz allgemein bei den französischen Truppen, die das Elsaß besetzt halten. Und es erklärt auch die Größe und die abschließende Bedeutung des Werks, das die Truppen in wenigen Monaten vollbracht haben. Militärischer Geist hat hier ein großartiges Wegnetz angelegt, mittelst dessen man auf fahrbaren Straßen die steilsten Gipfel erreicht und durch das die verschiedenen Täler miteinander in Verbindung stehen. Hauptzweck dieser Straßen war die Erleichterung der Verpflegung der Truppen; mehrere werden aber auch nach dem Abschluß des Friedens eine ganz hervorragende Bedeutung behalten, so die Straße, welche die Täler der Thur und der Fecht verbindet. Der Uebergang von der deutschen zur französischen Verwaltung hat sich sehr leicht vollzogen. Nach 1870 hatten nämlich die Deutschen die französische Verwaltungseinteilung beibehalten, so daß die neuen Herren gewissermaßen nur den unterbrochenen Gang ihrer Schreibereien wieder aufzunehmen brauchten. Ohne alle Ironie ist dies gemeint. Frank reichs Stärke besteht ferner darin, daß es mit dem festen Willen ins Land kam, nichts umzustürzen, alle ehrwürdigen Ueberlieferungen zu respektieren, kurz, die Bevölkerung durch Milde moralisch zu erobern. Dieses Bestreben zeigt sich in sehr vielen Kleinig keiten. Um der Bevölkerung klar zu machen, daß das republikanische Frankreich von 1915 im Grund eins ist mit dem kaiserlichen Frankreich von 1870, hat man überall, wo es anging, das Material von anno dazumal wieder verwendet. Die Wegweiser tragen wieder, wie einst, die Aufschriften „Departement du Haut-Rhin, route imperiale“. Auf den Siegeln gewisser Gemeindebehörden stehen wieder die alten Worte: „Empire frangais“, und die gleiche Aufschrift lieft man aus den Schulwandkarten. Bei alt und jung will man das Gefühl der Fortdauer wachrufen, die Seele des alten Elsaß wieder auferwecken. Der liberale Geist der neuen Herren macht sich hauptsächlich in der Sprachensrage bemerkbar. Die schlimmen Erfahrungen der Deutschen haben den Franzosen genützt, die nun auf diesem Gebiet an die vortrefflichen Ueberlieferungen des zweiten Kaiserreichs wieder anknüpfen. Ueberall werden die amtlichen Verfügungen deutsch und französisch angeschlagen, wie einst die Mobilmachungsbefehle und kaiserlichen Erlasse kurz vor dem Ausbruch des Krieges von 1870. Nirgends fühlt man die Absicht durch, als ob die deutsche Sprache geächtet werden sollte oder als wollte man aus die Bevölkerung einen Druck ausüben, das Deutsche aufzugeben. Gewiß hat in der Schule der Französisch unterricht die erste Stelle eingenommen, aber der Unterricht selbst wird allgemein auf deutsch erteilt. In allem und jedem zeigt sich die französische Herrschaft in der Kriegszone und bei nahe im Feuer des Feindes weniger streng, als die deutsche Verwaltung in Friedenszeit. Die militärische Gewalt hat keine anderen Strafen verhängt, als den Abschub in das Innere Frankreichs. Alle zweifelhaften Elemente, Zugewanderte oder „Ausgesöhnte", VöUerlrieg. VII. 16