Der flandrische Kriegsschauplatz 169 Die Kanadier bei Ppern In ganz Kanada, von der Ost- bis zur Westküste, wurden die Flaggen auf Halb mast gesetzt beim Eintreffen der Nachricht, daß in den Kämpfen um Ipern eine so große Anzahl von Kanadiern gefallen sei. Noch niemals war eine so tiefe Erschütterung durch das ganze Dominion Kanada gegangen. Erst jetzt gingen den Kanadiern die Augen auf: Sie begriffen nun, wie entsetzlich dieser Krieg ist und wie große Opfer er noch fordern wird bis zur Entscheidung. Nachdem der Generalissimus French seine amtliche Schilderung der Niederlage bei Ipern mit mehrwöchiger Verspätung veröffentlicht hatte (vgl. S. 154 f.), durfte auch der offenbar lange zurückgehaltene Bericht des bekannten Kriegsberichterstatters Percival London vom „Daily Telegraph" erscheinen. „Es muß gesagt werden," schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", „daß die packende Darstellung Londons ein weit klareres Bild von den Maikämpsen gibt als der Frenchbericht, und daß sie vieles bringt, was der General vergessen hat. Nach einer Einleitung, in der die berühmt gewordene Premiere der deutschen Gas zylinder einen großen Raum einnimmt, fährt London fort: „Der Rückzug der Franzosen dauerte fort, auch zwei Drittel der linken kanadischen Brigade wurden zurückgezogen und zu gleich erhielt Oberst Geddes den Befehl, auf irgendeine Weise Leute zusammen zu be kommen, um den Feind im offenen Raum zwischen dem Kanal und dem Walde westlich von Saint-Julien im Schach zu halten, d. h. an der Verbindungsstelle zwischen den un- begasten Franzosen und den Kanadiern. Die Brigade, die hier zusammengetrommelt wurde, war eine der buntscheckigsten, die es jemals gegeben hat. Sie bestand aus zwei Bataillonen Kanadiern, die bei Wieltje in Reserve gelegen hatten, und Abteilungen aus verschiedenen englischen Bataillonen. Nach Einbruch der Nacht wurde der Vormarsch angetreten, und der Wald, der zur äußersten Linken der neuen kanadischen Linie lag, gestürmt. Hier befanden sich vier 4,7 Zoll-Geschütze, die wir der französischen Rechten zur Verfügung gestellt hatten. Trotz aller Tapferkeit war es unmöglich, den Gegen angriff durch Fortbringen dieser Geschütze zu krönen. Am 23. April war die Lage äußerst kritisch. Ein französisches Armeekorps eilte zu unserer Hilfe herbei und das Kavalleriekorps nahte von Westen und Norden. Aber die Linie war nun einmal gebrochen, und die schwachen Kräfte des Obersten Geddes waren die einzigen, die zwischen dem zurückgegangenen linken Flügel der Kanadier und dem Kanal standen. Zudem hatte alle Tapferkeit der Kanadier und East Jorks den Verlust des Waldes nicht verhindern können, in dem der Feind seine Stellung ver stärkte. Noch stand allerdings die kanadische Linie ungebrochen; doch die Deutschen waren nach den günstigen Erfahrungen mit dem Gas entschlossen, es nochmals anzuwenden. Und lange brauchten die Kanadier nicht darauf zu warten . . . Am Freitagmorgen gegen vier Uhr erhob sich eine grünliche Wolke aus den deutschen Gräben, die nur etwa 150 Meter von den kanadischen entfernt waren. Diese waren, wie erwähnt, zurückgebogen und boten daher eine ausgezeichnete Zielscheibe für Flanken feuer, was sich die Deutschen sofort zunutze machten, als die Gaswolke die Kolonialen erreicht hatte. Die Wirkung war furchtbar. Die 48 er Hochländer und die Royalhoch länder von Montreal bekamen die ganze Wucht des Angriffs zu spüren. Die ersteren zogen sich auf einige Entfernung zurück, versuchten aber mutig, die Gräben zurückzu gewinnen. Die Royalhochländer blieben dagegen fest und hielten sich, obwohl krank und betäubt, den ganzen Morgen. Das feindliche Feuer war aber zu heftig, und obwohl die Wiederherstellung des linken Flügels die Lage zeitweilig gerettet hatte, mußte die Brigade am Nachmittag langsam den Wald räumen. Sie deckte aber immer noch das Dorf Saint-Julien.