354 Das nördliche Mähren und Schlesien. Diese unvollkommene Skizze der Industrie unserer Gegenden möge genügen, fehlt ja zu einer eingehenderen, erschöpfenden Dar stellung nicht allein der Raum in diesem Buche, es wären für eine solche auch keine genügenden Vorarbeiten vorhanden. Wenn wir erwägen, daß die Deutschen in Schlesien und im ganzen Gesenke nicht seit den ältesten Zeiten schon einem Volks stamme angehören, sondern von Colonisten aus verschiedenen Thei len Deutschlands abstammen, so will es uns scheinen, als ob von einem einheitlichen Volkscharakter nicht gut die Rede sein könnte. Allein die gemeinsame Arbeit und die gemeinsamen Schicksale, die geographische Lage des Oppaländchens, welche eine gewisse Abge schlossenheit zur Folge hat, haben eine allmähliche Verschmelzung der verschiedenen Elemente bewirkt und nicht nur einen gemein samen Dialekt, sondern auch einen eigenthümlichen schlesischen Provinzialgeist herausgebildet. Sein ganzer Charakter befähigt den Schlesier zu der bedeutungsvollen Rolle eines Vermittlers zwischen norddeutschem und süddeutschem Wesen, denn er ist weder ein kalter, allzu nüchterner Verstandesmensch, noch von leiden schaftlichem Gefühl und zu hitziger Phantasie, er ist nicht leicht lebig, sondern eher zu grübelndem Ernste geneigt, ihm ist ja kein leichtes Los gefallen, selbst unermüdliche Arbeit schützt ihn nicht immer vor Noth und Entbehrung. Darum hat er gelernt, sich mit wenigem zu bescheiden, er ist genügsam und anspruchslos, gut müthig, aber auch festen Sinnes, treu und beständig. Wie er mit Liebe an seiner Heimat hängt, die er durch harte Arbeit und unermüdlichen Fleiß zu einem blühenden, herrlichen Lande geschaf fen, so steht er in echter deutscher Treue zu seinem großen Vater lande, zu Österreich, und zu seinem Volke. Die nationalen Kämpfe haben in Schlesien glücklicherweise noch nicht jene Schärfe erreicht, wie in Böhmen und Mähren, aber die Verhältnisse haben doch auch den deutschen Schlesier gelehrt, auf der Wacht zu sein für feine Nationalität und kein theilnahmsloser Zuschauer zu bleiben, wo es für alle Deutschen gilt, die verlorene Position wieder zu erobern und die jahrhundertalte deutsche Culturarbeit und den Bestand der Deutschen in den Ländern gemischter Nationalität für