956 Die Philosophie der Religion. - Ebendas. S. 143—146. faßt, immer wieder zurück auf die Unbegreiflichkeit des göttlichen Wesens und die Unerforschlichkeit seiner Rathschlüsse. Kurz gesagt: das religiöse Bewußtsein in der Form der Vorstellung ist voller Widersprüche; es bejaht und fordert die Vergeistigung der religiösen Anschauungen und bleibt doch in der Aeußerlichkeit derselben stecken und damit behaftet. Diese auf Schritt und Tritt widerspruchsvolle Vorstellungsart, in der unruhigen und schwankenden Mitte zwischen der äußerlichen Anschauung und dem begreifenden Denken, charakterisirt die Religion des gewöhn lichen Bewußtseins. Ein Object aber bleibt von allen Schwankungen des religiösen Bewußtseins unberührt: das absolute oder, wie Hegel an dieser Stelle sagt, „das ungeheure Object", Gott selbst. In der vollen, un- getheilten Hingebung an dieses Object wird man der eigenen Nichtig keit inne und entäußert sich aller Schwankungen und Reflexionen, welche das eigene Gemüth „verdünkeln". Die Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang. Diese Hingebung ist Glaube. „Die Kirche und die Refor matoren haben recht wohl gewußt, was sie mit dem Glauben wollten. Sie haben nicht gesagt, daß man durch das Gefühl, durch die Empfindung, afoftrjotc, selig werde, sondern durch den Glauben, so daß ich in dem absoluten Gegenstand die Freiheit habe, die wesentlich das Verzicht leisten auf mein Gutdünken und auf die particuläre Ueberzeugung enthält." Aus diesem Gesichtspunkte hat Hegel auch die pädagogische Frage nach der Lehrbarkeit der Religion dahin bejahen und beantworten wollen, daß der Religionsunterricht, was er allein vermöge, den Gottes glauben in der eben ausgesprochenen Bedeutung des Worts wecken und bekräftigen, dagegen die Einbildung auf den Werth der eigenen reli giösen Klügeleien und Reflexionen vernichtigen solle. Der Religions inhalt selbst ist gegeben; es handelt sich nur darum, daß er so, wie er gegeben ist, auch gewußt wird. Die absolute Autorität ist Gott, er ist auch der Grund des Glaubens als des Inhaltes der Religion, er hat den Menschen das Vorzustellende offenbart. Darin besteht der positive Religionsunterricht, mit dem sich das weiter forschende Bewußtsein freilich nicht zufrieden stellen kann, den es aber empfangen und sich angeeignet haben muß, um mit Grund und Fug weiter zu fragen. Wem hat Gott sich geoffenbart und wie?