Der Rückmarsch der 10. Armee. Die Zusammensetzung der Verbände war noch ungünstiger als bei der Heeresgruppe Kiew, weil der Prozentsatz an Landsturmtruppen infolge Wegziehung kriegsgliederuugsmäßig zu den Landwehr-Divisionen gehöriger Landwehr-Regimenter noch stärker war als in der Ukraine. Das Rückgrat bildeten auch bei der 10. Armee die aktiven Kavallerie-Regimenter — Garde- Reiter-Regiment, Leibhusareu-Brigade, Husaren-Regiment 3, Ulanen- Regiment 17. Auch die im allgemeinen aus jüngeren Leuten bestehenden Maschinen-Gewehr-Kompanien der Landwehr-Regimenter waren als kampffähig anzusehen. Die Herausziehung kriegsverwendnngsfähiger Offiziere und Mann- schaften hatte bei der Armee in demselben Umfang stattgefunden, wie bei den übrigen Osttruppen. Das Verhältnis des zu beherrschenden Raumes zu den verfügbaren Kräften war denkbar ungünstig. Allein die von den zweieinhalb Korps der Armee zu bewachende Demarkationslinie hatte eine Ausdehnung von etwa 400 Kilometern Luftlinie, die Entfernung bis zur Grenze des Militär- gouvernements Litauen schwankte zwischen 100 und 500 Kilometern. Für den Zustand der Truppen gilt im übrigen das für die Ukraine- trnppen Gesagte') mit der Einschränkung, daß das arme Weißrußland für den einzelnen Heeresangehörigen nicht dieselben Versuchungen bot wie die reiche Ukraine. Auch konnten sich auf dem flachen Lande und in den kleinen Städten des Armeegebiets keine so gefährlichen Agitationsherde bilden wie in Südrußland oder im Baltikum. Immerhin machten sich die Aus- Wirkungen der Revolution auch bei der 10. Armee geltend. Das Kriegs- tagebuch des Landwehrkorps schreibt hierüber am 26. November: „Im allgemeinen ist die äußere Haltung gut. Allerdings werden häufig befristete Anfragen wegen Abtransports in die Heimat gestellt und Mit- teilnngen gemacht, bis zu dem und dem Termin würde die Truppe ihren Dienst noch versehen, dann aber müsse unbedingt ihr Heimtransport erfolgen. Die Disziplin der Truppe ist infolge der Revolution stark gelockert. Die Vorgesetzten werden nur vereinzelt gegrüßt, das Tragen roter Abzeichen tritt an einzelnen Stellen weniger, an anderen mehr in Erscheinung. Die Ausführung unbedingt notwendiger Dienstverrichtungen läßt sich meist nur im Wege der Verhandlungen erreichen. Im allgemeinen wird ihre Aus- führung meist durch die einsichtigen Mitglieder der Soldatenräte erreicht. Die Truppe hält nur noch der Gedanke zusammen, daß jeder einzelne nur dann unversehrt in die Heimat gelangt, wenn alle ihre Pflicht weiter tun."