OGHITSCHEWITSCH
BAND II
AUS RUSSISCHEN, MONTENEGRINISCHEN
B ROCKEN TB BLAG /BERLIN
í
DIE
AUSWÄRTIGE POLITIK
SERBIENS
1903 -1914
BAND II
DIPLOMATISCHE GEHEIMAKTEN AUS
RUSSISCHEN, MONTENEGRINISCHEN
UND SONSTIGEN ARCHIVEN
von
Dr m. boghitschewitsch
X
1 9 2 9
BRÜCKENVERLAG / BERLIN W 55
COPYRIGHT BY BRÜCKENVERLAG, BERLIN W 55, POTSDAMER STR 121 d
DRUCK VON JULIUS KLINKHARDT IN LEIPZIG
Vorwort zum II. Bande.
Eine zusammenfassende Veröffentlichung der sich auf die auswärtige
Politik Serbiens bis zum Ausbruche des Weltkrieges beziehenden Akten-
stücke aus den Staatsarchiven der für diese Frage in Betracht kommen-
den Staaten empfiehlt sich aus verschiedenen Gründen.
Die serbische Frage war es, die seit der Annexionskrise bezüglich der
Frage der Möglichkeit der Erhaltung des europäischen Friedens eine
große Rolle gespielt hat. Die serbische Frage war es, die zur Zeit der
Balkankriege die stete Gefahr europäischer Verwicklungen in sich barg.
(Adriazugang, Skutari, Albanien.) Die serbische Frage war es, welche
die unmittelbare Veranlassung zum Weltkriege gegeben hat. (Mord von
Sarajewo.)
Wenn man diese Tatsachen berücksichtigt, so muß jedem Forscher
nach den Ursachen des Weltkrieges ohne Rücksicht auf politische Er-
wägungen auf Grund des bis jetzt bekannt gewordenen Aktenmaterials
und zum besseren Verständnis dieser Frage, eine systematische Dar-
stellung derselben dringend geboten erscheinen. Dieses Aktenmaterial
steht bereits in einem solchen Umfange zur Verfügung, daß an einen
solchen Versuch geschritten werden kann.
Es ist zu wünschen, daß dieser von mir unternommene erste Versuch,
der sich mit Rücksicht auf den Mangel an Raum und Zeit nur auf die
allerwichtigsten Dokumente der verschiedenen Aktenpublikationen be-
schränken mußte, zur Auswertung weiterer Aktenstücke die Anregung
geben möge, zumal nach den bisherigen Erfahrungen in dieser Bezie-
hung nicht genug geschehen kann.
Voreingenommene, interessierte Leute und Forscher mit übertrie-
benen Skrupeln und mit dem Bestreben nach „absoluter“ Objektivität,
die ersteren in unbewußter oder vorbedachter, die letzteren in fast
krankhafter Weise, suchen nicht nach einem Entlastungs-, sondern
nach einem Belastungsmaterial einer an und für sich gerechten Sache.
Sie tun dies mit allen Mitteln der Kasuistik und gehen an den wirklich
maßgebenden großen Zusammenhängen in der Frage der Verantwortlich-
keiten am Kriege verständnislos vorüber.
Ein weiterer Grund für die Nützlichkeit dieser Aktenzusammenstel-
lung liegt darin, daß nur auf diese Weise ein wichtiger Teil des Akten-
materials aus den so umfangreichen Sammlungen weiteren Kreisen zur
V
eigenen Prüfung und Beurteilung bekanntgegeben wird, ein Material
in das bis jetzt nur Fachleute Einsicht genommen haben. Abgesehen von
Deutschland, wo schon jetzt ein größeres Interesse für diese Zusammen-
hänge festzustellen ist, spielen die Zweckmäßigkeitserwägungen dieser
Publikation vor allem für diejenigen Länder eine große Rolle, die durch
eine geschickte Propaganda und durch reichlich zu Gebote stehende
Mittel in der Hypnose einseitiger Schuld belassen und irregeführt wer-
den, vor allem aber gerade für die Gebiete des heutigen südslawischen
Staates, die sich in vollkommener Unkenntnis des gesamten Aktenmate-
rials befinden, und die durch Rechtfertigungsversuche, die als grotesk
zu bezeichnen sind, zur Nachprüfung ihrer bisherigen Ansichten ver-
anlaßt werden müssen. Schon auch aus diesen Gründen ergibt sich die
Nützlichkeit der Übersetzung der wichtigeren Aktenstücke in alle Kultur-
sprachen von selbst.
Die Akten der ausländischen Archive bieten eine wertvolle Ergänzung
zu den von mir im ersten Bande veröffentlichten serbischen Dokumen-
ten. Sie zeigen die innige Zusammenarbeit der russischen und serbischen
Diplomatie, die sich gegen Österreich-Ungarn richtet; in den serbischen
Akten unklare Zusammenhänge werden namentlich durch die russischen
Geheimakten in dankenswerter Weise aufgeklärt, manche Lücken wer-
den ergänzt, so manches Intrigenspiel aufgedeckt. Der präponderante
Einfluß der russischen Diplomatie in Belgrad tritt offen zutage. „Das
revolutionäre Archiv“ in Moskau enthält noch äußerst wertvolles Mate-
rial zum Verständnisse der serbischen Vorkriegspolitik, insbesondere
was die serbisch-russische Zusammenarbeit zur Bekämpfung Österreich-
Ungarns betrifft. Die amtliche Korrespondenz des russischen Gesandten
Hartwig in Belgrad konnte bis jetzt nur zu einem geringen Teile ver-
öffentlicht werden. Auch die amtliche russische Korrespondenz, die
sich auf den Thronwechsel von 1903 in Serbien bezieht, verdient be-
sondere Beachtung.
Die Sowjetregierung, die sich schon durch verschiedene Veröffentli-
chungen aus den russischen Archiven der Vorkriegszeit ein großes Ver-
dienst um die Erforschung der Kriegsursachen erworben hat, würde
sich ein weiteres unvergängliches Verdienst in dieser Beziehung erwer-
ben, wenn sie gerade die auf Serbien bezüglichen Aktenstücke des Archivs
des ehemaligen kaiserlich-russischen Ministeriums des Äußern selbst ver-
öffentlichen, oder wenigstens mit ihrer Genehmigung und unter ihrer
Kontrolle eine auszugsweise Veröffentlichung der wichtigsten Akten
von fachmännischer Seite zulassen würde. Es ist als eine erfreuliche Tat-
sache zu bezeichnen, daß sich die Sowjetregierung nach den neuesten
Mitteilungen zu weiteren Veröffentlichungen aus den ehemaligen zaristi-
schen Archiven des Ministeriums des Äußern entschlossen hat.
Die Sowjetregierung muß auch von ihrem Standpunkte aus ein Inter-
esse daran haben, daß die für den Weltfrieden so verhängnisvolle Wühl-
VI
arbeit der zaristischen und serbischen Diplomatie der Vorkriegszeit, die
neben anderen Ursachen ebenfalls zum Weltkriege führen mußte, und
die zum mindesten zur Beschleunigung desselben beigetragen und die
Veranlassung zum Weltkriege selbst gegeben hat, urbi et orbi und ohne
Rücksichten auf heutige soziale Einstellungen und politische Konstella-
tionen vor Augen geführt wird. Die große deutsche Aktenpublikation
und die bisher leider nur in geringem Umfange erfolgten Veröffent-
lichungen der Republik Österreich zeigen ebenfalls, daß auch Deutsch-
land und die ehemalige österreichisch-ungarische Monarchie schon lange\
vor Kriegsausbruch Kenntnis von dieser auf die Vernichtung der Donau-
Monarchie gerichteten Tätigkeit hatten, sie zeigen aber auch, daß man
sich der Folgen dieser gegen beide Staaten gerichteten Politik nicht zur
Genüge bewußt gewesen ist und sich im übertriebenen Vertrauen auf die
Möglichkeit der Erhaltung des Weltfriedens, trotz dieser ausgezeichneten
Informiertheit nicht getraut hat, zur richtigen Zeit die einzig richtigen
Konsequenzen daraus zu ziehen.
Was die beiden letzten Aktenstücke des II. Bandes (Aktenstück Nr. 980
und 981) betrifft, so fiel es mir schwer, mich dazu zu entschließen,
dieses betrübenden Schauspieles der Uneinigkeit und des gegenseitigen
Mißtrauens der beiden serbischen Vorkriegsstaaten und ihrer Dynastien
Erwähnung zu tun. Wenn es dennoch geschieht, so geschieht es nicht in
der Absicht Partei für den einen oder den anderen Teil zu ergreifen, son-
dern lediglich aus dem Grunde, weil es im Interesse der Erforschung der
Wahrheit bezüglich der wahren Kriegsursachen wichtig erscheint, daß
gerade von einer so maßgebenden Seite, das heute fast von der ganzen
übrigen Welt übereinstimmende Urteil, daß alle serbischen Regierungen
bis zum Jahre 1914 von einer Mitschuld an der propagandistischen und
terroristischen Tätigkeit intellektueller serbischer Kreise, die gegen den
Bestand der Donau-Monarchie gerichtet waren, nicht frei zu sprechen
sind, bestätigt wird. Gerade bezüglich dieser beiden Aktenstücke bin ich
seinerzeit von zuständiger Seite besonders darum ersucht worden, bei
ihrer Veröffentlichung zu erwähnen, daß die serbische Regierung vor
Kriegsende und als sich König Nikolaus von Montenegro in Neuilly be-
fand, durch die serbische Gesandtschaft in Paris und mit Hilfe im ser-
bischen Dienste stehender montenegrinischer Agenten, einen großen Teil
seiner persönlichen Geheimkorrespondenz entwenden ließ, worunter sich
auch die beiden von mir angeführten Schriftstücke befanden.
Am Schlüsse dieses zweiten Bandes habe ich die von mir selbst im
„Revolutionären Archiv“ zusammengestellte Inhaltsübersicht der Korre-
spondenz der russischen Gesandtschaft in Belgrad mit dem kaiserlich-
russischen Ministerium des Äußern aus den für die Vorgeschichte des
Weltkrieges so wichtigen Jahren 1909—1912 hinzugefügt, um einen
Überblick über das Betätigungsfeld der russischen Diplomatie in Bel-
grad zu geben, um auf die Wichtigkeit einzelner Materien, wie z. B. der-
VII
jenigen der serbisch-bulgarischen Verständigung hinzuweisen und um
eine chronologische Übersicht der sich in rascher Aufeinanderfolge ab-
spielenden und zum Weltkriege führenden wichtigen Ereignisse jener
Zeit zu ermöglichen. Mancher Leser dieser Protokolle wird in denselben
auf Fragen stoßen, die sein spezielles Interesse wachrufen und es möge
daher auch durch die Veröffentlichung dieser Protokolle eine weitere
Anregung zum weiteren Studium dieses für die Kriegsschuldfrage so
wichtigen Materials gegeben werden.
VIII
Nr. 4i8.
Der Botschafter in Wien Fürst zu Eulenburg
an den Reichskanzler Grafen von Bülow.1)
Ausfertigung.
Nr. 6. Wien, den 6. Januar 1901.
Ganz vertraulich.
Ich hatte gestern Gelegenheit, dem Grafen Goluchowski über die
Unterredung Euerer Exzellenz mit dem Botschafter Baron Aehrenthal
vertraulich Kenntnis zu geben und die Absicht einer Besprechung der
Vertreter Österreichs und Rußlands in Konstantinopel mit der dortigen
Regierung zu erwähnen.
Graf Goluchowski sagte mir, daß die Anregung von dem russischen
Botschafter bei der Pforte ausgegangen sei, anscheinend ohne besonde-
ren Auftrag von St. Petersburg. Baron Galice habe auf den eifrigen
Vorschlag des Botschafters zustimmend geantwortet; nachher sei aber
nichts weiter erfolgt, und anscheinend schlafe der Gedanke wieder ein.
Für das Interesse, das Euere Exellenz der Anregung entgegenbringen,
war Graf Goluchowski sehr dankbar.
Im ganzen fand der Minister die Aehrenthalsche Anschauung über
die Lage auf dem Balkan zu optimistisch. Graf Goluchowski zeigt
sich durch die Haltung der mazedonischen Komitees ernst beunruhigt
und hat mir zum erstenmal seit meiner Amtstätigkeit in Wien die
Lage auf dem Balkan in düsteren Farben geschildert.
Ich konnte zufällig durch eine Unterhaltung mit dem auf Urlaub hier
befindlichen österreichischen Vertreter in Bukarest Markgrafen Palla-
vicini konstatieren, daß der Graf dem Gesandten gegenüber in längerer
Besprechung den gleichen Ton angeschlagen hat.
Auch die Bestrebungen des Königs Alexander bezüglich eines Bünd-
nisses mit Rumänien erwähnte Graf Goluchowski, und zwar in einem
ziemlich wegwerfenden Ton, soweit er Serbien betraf. Ich konnte fest-
stellen, daß er die in dieser Frage von Anfang an eingenommene ab-
ratende Haltung des Gesandten Markgrafen Pallavicini durchaus ge-
billigt und diesen mit entsprechendem Auftrag versehen hat. Aus dem
verächtlichen Ton, den Graf Goluchowski gegenüber
!) Die große Politik Bd. 18 (I. Hälfte) Nr. 5443 S. n5ff.
1 Boghitschewitsch, Serbien n.
I
Serbien anschlug (es fiel sogar der Ausdruck „quantité négligeable“),
klang die volle Verstimmung der durch die Wendung
der Dinge in Belgrad1) erlittenen Schlappe. Ich gestattete
mir die naheliegende Bemerkung, daß man eine quantité nur dann als
négligeable zu betrachten pflegt, wenn man eine andere quantité an
ihre Stelle zu setzen habe. Graf Goluchowski erwiderte darauf mit der
Betrachtung, daß es im Interesse Rußlands läge, Bulgarien nicht zu
groß werden zu lassen — mit anderen Worten, daß man Rußland nicht
allzusehr in Bulgarien zu fürchten brauche. Dann aber erging sich
der Minister in starken Ausfällen auf die Haltung der russischen diplo-
matischen, offiziellen und nichtoffiziellen Agenten. Er wisse, daß
Botschafter Sinowiew eine fast unerhört grobe Sprache gegenüber
Bachmetiew führe — aber alles sei vergebens. Das Schüren und Intri-
gieren ginge unablässig weiter.
Ich habe den Eindruck, daß Graf Goluchowski den Gedanken hat,
die falsche Politik, die Österreich in Bulgarien spielte, angesichts der
Mißerfolge in Serbien wieder auszugleichen, und nun nicht recht weiß,
wie er dieses anfangen soll? Der mit Mißtrauen, Hohn und Spott
überschüttete Fürst Ferdinand ist nach den von ihm gemachten Er-
fahrungen nicht mehr so leicht vor den Wagen der Austria zu spannen.
Kann auch die österreichische „Krone“ mit dem russischen Rubel
konkurrieren? Ich möchte es bezweifeln.
Rumänien, das Graf Goluchowski als ein Schoßkind betrachtet, er-
füllt auch nicht mehr so ganz seinen Zweck, wenn Österreich nicht
zugleich Serbien zum Gängelbande führen kann.
„Wir erdrücken einfach Serbien,“ sagte mir Graf Goluchowski ein-
mal, „wenn es ernst auf dem Balkan wird, und Serbien etwa wagte,
andere Politik zu machen, als wir wollen.“ Das ist militärisch
vielleicht richtig gedacht, aber es soll ja gerade vermieden werden, daß
die Kanonen auf dem Balkan sprechen.
In einer Bemerkung konnte ich dem Grafen durchaus beipflichten.
Er sagte, daß das Beispiel Kretas* 2) allen denen im Kopfe stecke, die
jetzt in Mazedonien, Albanien oder wo sonst es im Türkischen Reiche
sei, Agitation betreiben. Ob es tatsächlich beunruhigende Nachrichten
aus Mazedonien sind, die den Grafen in die ungewohnte Besorgnis
bezüglich1 des Balkans brachten, oder ob die etwas lahm gewordene
österreichische Einflußsphäre dieses Gefühl der Beunruhigung hervor-
rief, werden Euere Exzellenz an der Hand der eingegangenen Meldun-
gen, die mir nicht alle zu Gebote stehen, besser beurteilen können als ich.
1) Die „Wendung der Dinge in Belgrad“ knüpfte sich an die Verlobung des Königs
Alexander mit Frau Dagra Maschin (Juli 1900), in deren Folge König Milan, Öster-
reichs Schützling, seine Stellung als Oberkommandierender niederlegte und das Ministe-
rium Georgewitsch durch das russenfreundliche Kabinett Jowanowitsch ersetzt wurde.
2) Vgl. dazu Bd. XII, Kap. LXXXI.
2
Aber es dürfte angesichts der hier waltenden Stimmjung vielleicht
angezeigt sein, gelegentlich eine Erörterung von Eventualitäten ein-
treten zu lassen, die man hier bezüglich Mazedonien in den Bereich
der Möglichkeit zu ziehen scheint.
P. Eulenburg.
Nr. 419-
Russisch-bulgarische Konvention vom Mai 1902.1)
Entwurf 1 2).
1.
Vorliegendes Übereinkommen verfolgt keine aggressiven Ziele, son-
dern ist nur als Gegenaktion zu der zwischen Österreich-Ungarn und
Rumänien abgeschlossenen Militärkonvention gedacht.
2.
Angesichts des im Artikel i Gesagten faßt das vorliegende Über-
einkommen nur eine Aktion gegen Österreich-Ungarn und Rumänien
ins Auge und darf weder gegen die Türkei noch gegen einen anderem
Balkanstaat gerichtet werden.
3.
Rußland wird mit allen seinen Kräften für die Erhaltung und Un-
antastbarkeit des bulgarischen Territoriums eintreten.
4-
Im Falle, daß Bulgarien oder Rußland oder diese beiden Staaten zu-
sammen von Österreich-Ungarn oder Rumänien oder von diesen bei-
den Staaten oder vom Dreibund angegriffen werden sollten, sind die
vertragsschließenden Staaten verpflichtet, alle ihre Kräfte und Mittel
für den Kampf mit den Angreifern einzusetzen, ohne irgendwelche
Opfer zu scheuen, um einen vollständigen Erfolg zu erzielen.
5.
Wenn Bulgarien nur von Rumänien bedroht werden sollte, werden
bulgarische Streitkräfte gegen Rumänien aufgeboten werden. In An-
betracht aber der Rumänien von Österreich-Ungarn versprochenen mo-
ralischen und sogar bewaffneten Unterstützung verpflichtet sich Ruß-
1) Russische Dokumente S. 12.
2) Aus den Aktenpublikationen Sieberts geht es in unzweideutiger Weise hervor, daß
es sich nicht bloß um einen Entwurf, sondern um einen abgeschlossenen Vertrag ge-
handelt hat. Vgl. Benckendorff Bd. II, Nr. Seite 121, Anmerkung. In diesem Zu-
sammenhänge wäre auch bezüglich der russisch-bulgarischen Konvention vom Dezember
1909 nachzuprüfen, ob sie bloß ein Entwurf oder aber ein Vertrag gewesen ist. D. V.
3
land, Bulgarien diplomatische Unterstützung zu gewähren; wenn aber
Österreich dazu übergehen sollte, Rumänien aktiven Beistand zu leisten,
so wird auch Rußland Bulgarien mit den zur Niederwerfung Österreichs
genügenden Kräften zu Hilfe eilen.
Wenn Österreich-Ungarn und Rumänien oder der Dreibund, ohne
den Krieg gegen Bulgarien zu beginnen, Rußland angreifen sollten, so
ist auch Bulgarien verpflichtet, seine Streitkräfte zu mobilisieren, sie
nach einem auszuarbeitenden Plan zu konzentrieren und, wenn Rußland
es verlangen sollte, den Angriff gegen die österreichisch-rumänischen
Truppen zu beginnen.
6.
Im Falle eines Krieges zwischen Rußland und Bulgarien einerseits
und Rumänien und Österreich-Ungarn oder dem Dreibund anderer-
seits wahrt Bulgarien strengste Neutralität der Türkei gegenüber und
wendet die äußerste Vorsicht im Verkehr mit ihr an, um nicht durch
einen Konflikt mit dieser Macht Komplikationen in der allgemeinen
Lage hervorzurufen.
In Anbetracht des Gesagten konzentriert Bulgarien seine Armee an
der Donau zur Aktion gegen Rumänien nach einem auszuarbeitenden
Plan, in dem es zur Beobachtung der Grenze und Aufrechterhaltung1
der Ordnung und Ruhe im Lande einen kleinen Teil seiner Kräfte
jenseits des Balkans zurückläßt.
7-
Die Pläne für die Mobilisierung und Konzentrierung der bulgarischen
Armee und ihrer Teile, ebenso wie die Pläne für die Verteidigung und
den Vormarsch gemäß der vom russischen Generalstab gestellten Auf-
gaben und Ziele, müssen vorher unter Leitung des russischen General-
stabes zusammen mit dem bulgarischen Kriegsministerium ausge-
arbeitet werden; sie werden von Seiner Kaiserlichen Majestät dem Kaiser
von Rußland bestätigt und, wenn notwendig, später durchgesehen, ver-
bessert und ergänzt werden.
8.
Der Oberbefehl über die Streitkräfte Rußlands und Bulgariens wäh-
rend des Krieges und die Leitung der Operationen, sei es, daß die rus-
sische und bulgarische Armee zusammen oder getrennt, d. h. auf ver-
schiedenen Kriegsschauplätzen operieren, steht in jedem Fall dem rus-
sischen Höchstkommandierenden zu. Seine Zarische Hoheit der Fürst
von Bulgarien behält die Rechte und den Titel eines Oberkommandie-
renden seiner Armee bei und wird diese persönlich befehligen. Wenn
aber Seine Hoheit wünschen sollten, dieses Amt einer anderen Persön-
lichkeit zu übertragen, so muß diese, wie auch der Chef des Stabes
der Armee nach vorheriger Verständigung mit dem russischen Kriegs-
4
ministerium und mit Billigung Seiner Majestät des Kaisers von Ruß-
land erwählt werden.
Zur Erleichterung des Verkehrs mit dem russischen Hauptquartier
wird dem Hauptquartier des Oberkommandierenden der bulgarischen
Armee ein General der russischen Armee und diesem ein Stabsoffizier
zugeteilt. Dem Kommandeur eines jeden Korps oder jeder besonderen
Abteilung der bulgarischen Armee wird ein russischer Stabsoffizier
attachiert. Alle diese Personen haben bei der Entscheidung von Fragen
operativen Charakters eine beratende Stimme.
Dem Hauptquartier des russischen Oberkommandierenden wird ein
von Seiner Zarischen Hoheit dem Fürsten von Bulgarien ernannter
bulgarischer General oder Stabsoffizier zugeteilt.
9-
Die Kampf- und Transportschiffe der russischen Flotte haben wäh-
rend der kriegerischen Ereignisse das Recht, alle bulgarischen Häfen
zu benutzen, sich in ihnen mit Verpflegungsgegenständen aller Art
zu versehen und Maßnahmen zu ihrer Sperrung und Verteidigung zu
ergreifen.
Die bulgarische Kriegs- und Handelsflotte wird der Verfügung des
Oberbefehlshabers der russischen Flotte völlig unterstellt; dieser ent-
scheidet alle — gemeinsamen oder getrennten — Aufgaben, die er für
nötig erachtet, nach eigenem Ermessen.
io.
Vorliegendes Übereinkommen tritt sofort nach seiner Unterzeich-
nung in Kraft und ist ein Staatsgeheimnis von besonderer Wichtigkeit.
(gez.) Generalmajor Shilinskij.
Nr. 420.
Serbisch-bulgarischer Vertrag von 1904.1)
Die Regierung Seiner Königlichen Majestät des Königs Peter I. von
Serbien und die Regierung Seiner Zarischen Hoheit des Fürsten Fer-
dinand von Bulgarien, von dem Bewußtsein der Gemeinsamkeit der
Schicksale ihrer verwandten und benachbarten Staaten tief durchdrungen
und von dem aufrichtigen Wunsch beseelt, ihren Völkern die Vorteile
einer friedlichen, politischen und kulturellen Entwicklung durch freund-
schaftliche und brüderliche Vereinigung dieser Völker zu sichern, —
haben folgendes Übereinkommen abgeschlossen: *)
*) Russische Dokumente S. 18.
5
1.
Jedes Land hat dem andern gegenüber zwecks Einfuhr der Erzeug-
nisse desselben (örtlicher Herkunft) seine Grenzen zu öffnen; beide
Länder haben den übrigen Ländern gegenüber eine gleiche Zollpolitik
zu führen, wobei angestrebt werden soll, diese Politik durch den Ab-
schluß eines Zollvereins zwischen beiden Staaten zu krönen.
2.
Der gegenseitige Austausch und Transit aller Erzeugnisse ist im
Gebiet des betreffenden Staates durch' entsprechende Herabsetzung der
Fracht- und Passagiertarife zu erleichtern.
3.
Die Post- und Telegraphengebühren sind den innerhalb des betref-
fenden Staates geltenden gleichzustellen und für den gegenseitigen tele-
graphischen Verkehr ist die Kyrillica einzuführen.
4-
Der gegenseitige Paßzwang ist aufzuheben und alle die Freiheit des
Verkehrs zwischen den Untertanen beider Staaten beengenden Hinder-
nisse sind zu beseitigen.
5.
Es ist eine Konvention abzuschließen, damit in jedem Staate zivil-
rechtliche Urteile des anderen Staates vollstreckt und Verbrecher und
Deserteure nach allgemeinem Recht (du droit oommun) gegenseitig
ausgeliefert werden können.
6.
Es ist eine Münzkonvention zum Zweck der unbehinderten Zirku-
lation der serbischen und bulgarischen Geldzeichen in beiden Staaten
abzuschließen, um die gegenseitigen Handelsbeziehungen zu erleichtern.
7-
Vorliegendes Übereinkommen darf nur nach vorhergehender Ab-
machung zwischen den beiden vertragschließenden Parteien veröffent-
licht werden und tritt mit dem Tage der Ratifikation in Kraft.
Abgeschlossen in Belgrad am 3o. März 1904*
Im Namen des serbischen Königreiches:
gez. General Sawa Gruitsch,
Nikola P. Paschitsch.
Im Namen des bulgarischen Fürstentums:
gez. D. Rizoff
Oberst im Generalstab Hesaptschijeff.
6
Nr. 421.
Ratifikationsurkunde zu dem am 30. März 1904
in Belgrad abgeschlossenen serbisch-bulgarischen
Übereinkommen.1)
vom
28. April
11. Mai
1904.
(Deutsche Übersetzung.)
Wir Peter I. von Gottes Gnaden und nach dem Willen des Volkes
König von Serbien.
Nach Durchsicht und Prüfung des in Belgrad am 3o. März 1904
zwischen Unseren Bevollmächtigten: General Sawa Gruitsch und
Nikolaus P. Paschitsch, die mit besonderen Vollmachten dazu aus-
gestattet waren und den Bevollmächtigten Seiner Zarischen Hoheit des
Fürsten Ferdinand I. von Bulgarien Dmitrij Rizoff und Oberst Chri-
stof or Hesaptschijeff, die ebenfalls mit besonderen in richtiger Form
ausgestellten Vollmachten versehen waren — abgeschlossenen „Freund-
schaftsvertrages zwischen dem Königreich Serbien und dem Fürstentum
Bulgarien“, der nachfolgende Bestimmungen enthält:
(Siehe den Text des Vertrages Aktenstück. Nr. 420.)
drücken Wir, nachdem Wir obenbezeichneten Vertrag sowohl seinem
ganzen Umfang als den in ihm enthaltenen einzelnen Artikeln nach für
nützlich erkannt haben, Unsere Billigung aus und bestätigen und rati-
fizieren ihn durch vorliegenden Akt, indem Wir Unser Königliches
Wort geben, ihn genau zu erfüllen und stets auf seine Erfüllung zu
achten, in keinem Falle den Vertrag zu verletzen, und keine Übertretun-
gen desselben zuzulassen, von welcher Seite oder auf welche Veranlas-
sung hin sie auch geschehen sollen. Zur Bestätigung des oben Gesagten
unterzeichnen Wir die gegenwärtige Ratifikation eigenhändig und fügen
Unser Königliches Siegel bei.
Gegeben in Unserer Residenz Belgrad am 28. April/11. Mai des Jah-
res 1904.
gez. Peter
Minister für auswärtige Angelegenheiten:
gez. Nikolaus P. Paschitsch.
x) Russische Dokumente S. 20.
7
Nr. 422.
Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.1)
Ausfertigung.
Nr. 29. Belgrad, den 28. Februar 1908.
In Bosnien beginnt sich1 eine Bewegung geltend zu machen, wie sie
wohl ausnahmslos in einem durch eine europäische Macht okkupierten
unkultivierten Lande in die Erscheinung tritt, sobald die zivilisatorische
Arbeit des Eroberers ihre Wirkung in weiten Kreisen auszuüben be-
ginnt. Mit der Kultur erwacht das Nationalbewußtsein und der Wunsch
der einheimischen Bevölkerung nach Beteiligung an der Verwaltung
und nach modernen Einrichtungen* 2).
Herr von Burian3) scheint geneigt, dieser Bewegung einigermaßen
Rechnung zu tragen, und wird dabei wohl von dem Gedanken geleitet,
daß es besser sei, die nationalserbische Bewegung — denn um diese han-
delt es sich in Bosnien — selbst zu leiten und der mehr und mehr sich
entwickelnden Bevölkerung die Richtung zu geben, als sie unter den
Händen der serbischen Agitatoren zu ergrimmten Gegnern Österreich-
Ungarns mit großserbischen Gelüsten werden zu lassen. Daß diese
Politik von dem katholischen Klerus und den Kroaten bekämpft wird,
die miteinander katholische und, was in diesem Falle dasselbe ist, kroa-
tische Propaganda treiben, liegt auf der Hand. Aber auch ein großer
Teil der bosnischen Beamtenschaft scheint mit ihrem obersten Chef in
Wien höchst unzufrieden zu sein, da dieselbe befürchtet, daß das System
Burian eine ihnen gefährliche Konkurrenz für ihre Stellen schaffen
werde. Auch mag ein guter Prozentsatz der Beamten prinzipiell mit
der Auffassung des Herrn von Burian nicht einverstanden sein.
Hier im Königreich Serbien, wo der großserbische Gedanke genährt
wird, verfolgt man bekanntlich den Lauf der Dinge jenseits der Drina
mit lebhafter Aufmerksamkeit und schürt nach Kräften. Die
!) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 8912 S. 3.
2) Über die großserbische Bewegung ist eine ganze Literatur entstanden. Den öster-
reichischen Standpunkt vertreten u. a. L. Mandl, Österreich-Ungarn und Serbien (1911),
L. v. Südland (Pilar), Die südslawische Frage und der Weltkrieg (1918), H. Friedjung,
Das Zeitalter des Imperialismus i884—1914, II, S. i63ff.; den antiösterreichischen
T. G. Masaryk, Der Agramer Hochverratsprozeß und die Annexion von Bosnien und
der Herzegowina (1909), im wesentlichen auch R. W. Seton-Watson, Die südslawische
Frage im Habsburger Reiche. Bemerkenswert ist das Urteil des ehemaligen serbischen
Geschäftsträgers in Berlin, M. Boghitschewitsch, der in seinem Buche „Kriegsursachen“
(S. 2 4) zugibt, daß die österreichischen Beschuldigungen gegen die großserbische Pro-
paganda größtenteils auf Richtigkeit beruhten, wenn sie auch gerichtlich, wie der be-
kannte Prozeß Fried jung zeigte, nicht zu erweisen waren.
3) K. u. K. Reichsfinanzminister, als solcher mit der Zentralleitung Bosniens und der
Herzegowina beauftragt.
8
Leiter der Bewegung scheinen sich aber augenblicklich in einer gewissen
Verlegenheit zu befinden, da sie sich unversehens in ihrem Kampf gegen
Herrn von Burian an der Seite der Katholiken und Kroaten finden,
ihrer erbitterten Gegner.
M. Ratibor.
Nr. 42 3.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow/)
Ausfertigung.
Nr. 84. Wien, den 21. März 1908.
In seinem Berichte vom 21. November v. J. hat der Kaiserliche
Konsul in Sarajewo1 2) bereits die innerpolitischen Verhältnisse im Okku-
pationsgebiet dargelegt und dabei im besonderen auf die großserbi-
sche Agitation hingewiesen, die sich dort neuerdings
in verstärktem Maße zeigt. Daß er in dieser Beziehung
nicht zu schwarz sieht, und daß hierin ein Moment von
großer Bedeutung für die Zukunft der dortigen Länder
und im weiteren Sinne der österreichisch-ungarischen
Monarchie liegt, steht außer Frage. Nach dem ganzen Ver-
halten, welches die österreichisch-ungarische Regierung dieser Bewegung
gegenüber bisher beobachtet hat, möchte es scheinen, als ob man hier
in Wien der Entwicklung der dortigen Verhältnisse nicht die Beach-
tung schenkt, die sie verdient, wenn man nicht etwa annehmen will, daß
man absichtlich die Dinge gehen läßt, um dann im geeigneten Augen-
blick mit Gewalt einzuschreiten und mit Blut und Eisen Ordnung zu
schaffen. Daß Österreich nicht gesonnen ist, auf Bosnien und Herze-
gowina und die seinerzeit durch die Okkupation dieser beiden Länder
inaugurierte Balkanpolitik zu verzichten, beweist neben dem neuerdings
für das Küstenland Dalmatien bekundeten vermehrten Interesse vor
allem die letzthin mit so großem Aufsehen von Baron Aehrenthal in
Szene gesetzte Balkanverkehrspolitik3).
Wenn man nun auch in Wien und in Pest darüber einig ist, daß die
okkupierten Länder nicht wieder von der Monarchie losgetrennt wer-
den dürfen, so herrscht doch über die zukünftige politische Gestaltung
der okkupierten Länder wie in so vielen anderen Fragen diesseits und
jenseits der Leitha durchaus kein Einverständnis. Diesen Umstand
haben sich die Großserben mit vielem Geschick zunutze gemacht, und
1) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 8913 S. 4—7-
2) Springer.
3) Gemeint ist das Sandschakbahnprojekt. Vgl. Bd. XXV Kap. CLXXXVII.
9
sie haben es verstanden, in den letzten Jahren, wo in der Doppel-
monarchie alle Kräfte von dem Kampfe um den Ausgleich absorbiert
und die Aufmerksamkeit von entfernter liegenden Angelegenheiten ab-
gelenkt war, die politische Lage ihrer Stammesgenossen im Okkupa-
tionsgebiet zu verstärken und dem großserbischen Gedanken neue An-
hänger zu gewinnen. Hierbei fanden sie die kräftige Unterstüt-
zung von seiten der Unabhängigkeitspartei in Ungarn*
die für ihre parteipolitischen Zwecke der Dienste der Serben, in Sara-
jewo, Agram und Belgrad zu bedürfen glaubte.
So ist es gekommen, daß von den drei in Bosnien und Herzegowina
ansässigen Nationalitäten die Serben heute die größte politische Macht
besitzen. Neben der autonomen Kultusverwaltung haben sie jetzt auch
das Recht erworben, im ganzen Lande politische Vertreter zu wählen
und Versammlungen abzuhalten. Die Sprache, die in diesen geführt
wird, ist aber nichts weniger als loyal, und die separatistischen Wünsche
der serbischen Partei treten dabei offen zutage. Wenn die Regierung
nicht beizeiten für ein genügendes Gegengewicht sorgt, so ist die Mög-
lichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß die Serben das Übergewicht
in dem Okkupationsgebiete erlangen, bei der einstigen staatsrechtlichen
Gestaltung dieser Länder dann ein kräftiges Wort mitsprechen und
der Zentralregierung vielleicht arge Verlegenheiten be-
reiten werden.
Bei dieser Sachlage kann es wohl als ein Fehler der bosnischen Re-
gierung bezeichnet werden, daß sie es nicht verstanden hat, das Bünd-
nis, welches in der letzten Zeit zwischen der serbischen und der moham-
medanischen Bevölkerung zustande gekommen ist, zu verhindern. Bei
diesem Bündnis handelt es sich für die Mohammedaner vornehmlich
um Religionsinteressen, die die bisher noch minderberechtigten Moslims
mit Hilfe der Serben gegen den gemeinsamen Feind, die katholischen
Kroaten, durchzusetzen bestrebt sind. Einen Beweis für dies
Bündnis und seine antikatholische und regierungsfeind-
liche Tendenz bot neuerdings der Fall Jeftanowitsch*
der in Bosnien viel Staub aufgewirbelt hat. Jef tano witsch,
einer der gefährlichsten großserbischen Agitatoren, der seinerzeit von
Baron Kallay1) des Landes verwiesen war, unter Herrn von Burian
aber zurückgerufen und zum Präsidenten der orthodoxen Kirchen-
gemeinde in Sarajewo ernannt wurde, hat in dieser Eigenschaft sich'
kürzlich geweigert, an dem Festbankett zu Ehren des neuernannten!
Metropoliten1 2) teilzunehmen, weil er mit dem Erzbischof Stadler und
dem Vertreter der Regierung nicht an einem Tisch sitzen wolle. Diese
Provokation des serbischen Agitators, die bei den Kroaten die größte
1) Vorgänger Baron von Burians als K. u. K. Reichsfinanzminister.
2) Eug. Letica.
IO
Erbitterung erregt hat, findet die volle Zustimmung des in Mostar er-
scheinenden Organs der bosnischen Mohamedaner „Musawat“.
Wenn hiernach im Interesse der loyalen katholisch-kroatischen Be-
völkerung des Okkupationsgebiets und weiter für die Zukunft des Lan-
des als Teil der Gesamtmonarchie die Politik der bosnischen Regierung
darauf gerichtet sein müßte, die Kroaten zu stärken und die Serben
möglichst zu isolieren, so hat andererseits Ungarn als Feind aller groß-
kroatischen Bestrebungen ein Interesse daran, die Kroaten in Bosnien
nicht zu mächtig werden zu lassen. Es glaubt, dies am sichersten durch
die Begünstigung der serbischen Partei verhindern zu können, und
hieraus erklärt sich das Entgegenkommen, welches Herr von Burian,
ein guter Ungar, den Serben in den letzten Jahren bewiesen hat.
Daß sich die serbisch-magyarische Intimität daneben auch gegen den
gemeinsamen „Feind“ Österreich richtet und von den Serben im Okku-
pationsgebiet in geschickter Weise für ihre Sonderpläne benutzt wird,
beweist ein kürzlich veröffentlichter Artikel des in Sarajewo erschei-
nenden Serbenorgans „Srpska Rjec“, in dem es heißt: „Die Magyaren
haben kein Interesse, daß Bosnien und Herzegowina den Kroaten oder
Österreichern in die Hände fallen. Die magyarische Unabhängigkeits-
partei, die selbst einen Kampf auf Leben und Tod gegen Österreicher
und Kroaten führt, hat sich offen dafür ausgesprochen, daß sie keine
Annexion Bosniens will, und daß ein freies Bosnien die beste Garantie
für ein freies Ungarn ist. Angesichts dessen sind Serbien und Bosnien
die natürlichen Bundesgenossen der Magyaren, und können wir mit
Sicherheit darauf zählen, daß wir in dem Kampfe für die vollständige
Selbständigkeit Bosniens und der Herzegowina bei den Magyaren die
weitgehendste Unterstützung finden werden.“
Es ist nicht verwunderlich, daß die großserbische Agitation
bei dem vorzüglichen Nährboden, den sie im Okkupa-
tionsgebiete gefunden hat, auch nach anderen benach-
barten Ländern über greif t. So ist sie neuerdings besonders auch
in Kroatien stärker hervorgetreten, wo sie in dem zwischen der Regie-
rung und der separatistischen Opposition entbrannten heftigen Ver-
fassungskampfe auf äußerst günstige Verhältnisse stieß und als serbisch-
kroatische Koalition ihren Tendenzen die Zweidrittelmajorität im neuen
kroatischen Landtag verschaffte.
Wenn nun auch der größere Teil des serbisch-kroatischen Koali-
tionskonglomerats nur die unionistische Ausgestaltung der ungarisch-
kroatischen Gemeinsamkeit, und zwar in extrem nationalkroatischem
Sinne, erstrebt, sind die Ziele des anderen, extremen Teils direkt auf
die Errichtung eines großen südslawischen Königrei-
ches gerichtet. Hierin steht die serbo-kroatische Koalition in schar-
fem Gegensätze zu der zweitgrößten Partei des kroatischen Landtages,
der Startschewitsch-Partei, deren Ideal ein selbständiges, von Ungarn
11
losgelöstes Kroatien ist, welches jedoch im Rahmen der österreichischen
Gesamtmonarchie verbleiben und in welchem die Führerschaft mit Aus-
schluß des serbischen Elements den Kroaten gesichert sein soll. Die
dieser Partei eigentümliche Feindschaft gegen alle großserbischen Präten-
tionen war bisher verkörpert in der Person ihres Leiters Dr. Frank.
In dem Umstand nun, daß dieser sich kürzlich veranlaßt gesehen hat,
die Parteileitung niederzulegen, kann man einen weiteren Erfolg der
großserbischen Idee erkennen.
Hier in Kroatien wird voraussichtlich auch der Schauplatz sein, auf
dem sich die großserbische Agitation der ungarischen Regierung —
deren jetzige Mitglieder sic großgezogen haben, als sie noch in der
Opposition standen — zunächst unangenehm bemerkbar machen wird.
Sie kann ihr mit Erfolg begegnen, wenn sie sich dazu versteht, ihre
Freunde von damals zu verleugnen und mit den nationalkroatischen
Elementen der Volksvertretung zu paktieren. Einen Beweis dafür, daß
die ungarische Regierung nicht blind ist für die Gefahren der groß-
serbischen Agitation in Kroatien liefert eine Rede des Ministerpräsi-
denten Dr. Wekerle im ungarischen Abgeordnetenhause, in der er offen
erklärt, daß man „von Belgrad nach Kroatien hinüberschiele“.
Die politischen Verhältnisse in den okkupierten Provinzen haben sich
infolge der zunehmenden serbischen Agitation in letzter Zeit unstreitig
schwieriger gestaltet. Solange die österreichische Regierung sich nicht
entschließen wird, selbständig Anteil an der bosnischen Politik zu
nehmen, sondern sie wie bisher unbekümmert um die Rückwirkungen,
die die politischen Fehler, die dort begangen werden, auf die Verhält-
nisse der Gesamtmonarchie eines Tages auszuüben geeignet sind, in den
Händen eines gemeinsamen Finanzministers beläßt, der — selbst kein
Mann von Tatkraft — die Dinge dort durch die ungarische Brille
ansieht, so lange wird eine den Interessen des Gesamt-
staates entsprechende Konsolidierung der Verhältnisse
dort schwerlich eintreten.
von Tschirschky.
Nr. 424.
Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.1)
Ausfertigung.
Nr. 65. Belgrad, den 26. Mai 1908.
Die serbischen offiziellen Kreise fahren fort, im Aus-
lande großserbische Propaganda zu treiben, und zwar
in erster Linie in Bosnien, Ungarn und Kroatien, wo
*) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 8916 S. 9ff.
12
augenblicklich größere Geldmittel aufgewendet werden
als für die Bewegung in Mazedonien. Gleichzeitig wird in
Serbien selbst für die Verbreitung der großserbischen Idee agitiert,
und die serbische Presse bringt fortgesetzt Artikel, in welchen sie die
ihre Österreich-Ungarn feindliche Gesinnung durch Angriffe gegen den
K. u. K. Gesandten Grafen Forgach bekundet.
Ich habe den Eindruck, daß König Peter und Herr
Paschitsch1) diese Bewegung schüren, um die Bevölkerung
von den unerquicklichen inneren politischen Verhältnissen nach Mög-
lichkeit abzulenken, und um im Lande sich populär zu machen, und
daß es eines äußeren Anstoßes zu ihrer Haltung nicht bedurfte. Ins-
besondere sind keinerlei Anzeichen dafür vorhanden, daß Herr Serge-
jew, der russische Gesandte, ein anständiger, dicker, ruhiger und jovialer
Herr, die serbischen Machthaber irgendwie encouragiert hätte. Frau
Sergejew, die Tochter des verstorbenen russischen Finanzministers
Wyschnegradski, liebt aber die Serben im allgemeinen und die Prinzen
des königlichen Hauses im besonderen und macht kein Hehl daraus.
Das hat auf den Gatten ein wenig abgefärbt. So mag bei den Serben
das Gefühl erweckt worden sein, daß ihre Haltung von russi-
scher Seite gebilligt wird.
Ein Beispiel für das Verhalten von Frau Sergejew: Das russische
und das italienische1 2) Gesandtenpaar machten dieser Tage einen Aus-
flug nach dem Dorfe Topola, wo der Großvater des Königs Peter,
der schwarze Georg, begraben liegt, der Komitadji aus dem Anfang
des vorigen Jahrhunderts, der als Befreier von dem Türken joch gefeiert
wird. Auf Vorschlag von Frau Sergejew wurde von dort ein gemein-
schaftliches Telegramm an Seine Majestät den König nach Belgrad
gesandt. Eine an Lächerlichkeit streifende Pose, über die bisher nichts
in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Die Absender mögen auch wohl
nachträglich das richtige Gefühl gehabt haben, denn sie haben ihre
Demonstration bei ihrer Rückkehr vor den Kollegen verborgen. Ich
erfuhr davon ganz zufällig. König Peter hat übrigens freundlich dan-
kend geantwortet.
Wenn überhaupt hier von russischer Seite augenblicklich gehetzt
worden ist, so könnte das allenfalls von dem ersten Sekretär der Ge-
sandtschaft3) in selbständigem Vorgehen geschehen sein. Das offizielle
Rußland dürfte trotz der Rücksichtnahme auf die panslawistische Emp-
findlichkeit noch für eine Reihe von Jahren kein Interesse daran haben,
ernste Störungen auf dem Balkan hervorzurufen, und vielmehr wün-
schen, die Entente mit Österreich-Ungarn aufrechtzuerhalten.
Zu dem erwähnten Telegramm sagte mir der österreichisch-unga-
1) Serbischer Ministerpräsident.
2) Marchese Guiccioli.
3) Evreimow.
i3
rische Gesandte: „Ob meine Kollegen sich lächerlich machen, kann mir
gleichgültig sein. Wenn sie aber zu der Erhaltung der Dynastie Kara-
georgewitsch in Serbien beitragen, so kann das Österreich nur will-
kommen sein. Eine Demonstration wie die des russisch-italienischen
Gesandtentelegrammes kann, wenn wie bekannt wird, dem Ansehen der
Krone in den Augen der Serben nur nützlich sein.
Hieran anknüpfend kam mein österreichisch-ungarischer Kollege auf
die Frage des Besuches des Königs von Serbien bei Seiner Majestät dem
Kaiser Franz Joseph1 zu sprechen und sprach die Vermutung aus, daß
nach Erledigung des serbisch-österreichisch-ungarischen Vertrages1)
eine Anfrage nach Wien gerichtet werden würde. Diese würde auf
eine starke Opposition stoßen, und er sei sich noch nicht im klaren
darüber, ob die Annahme des Besuches um diese Zeit schon ein Gebot
der politischen Notwendigkeit sei und deshalb seinem allergnädigsten
Herrn zu empfehlen sein würde, wenn der Besuch allerhöchst demselben
persönlich auch noch so peinlich wäre.
M. Ratibor.
Nr. 4з5.
Der Geschäftsträger in Wien Graf Brockdorff-
Rantzau an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.* 2)
Ausfertigung.
Nr. 201. Wien, den i4- August 1908.
Im Königreiche (und vormaligen Fürstentum) Serbien hegte man
von jeher großserbische Aspirationen, die zu den Machtver-
haltnissen und finanziellen Kräften dieses Staates in starkem Mißver-
hältnisse stehen. Bis zur Okkupation Bosniens und der Herzegowina
durch Österreich-Ungarn rechnete man in Belgrad auf die Erwerbung
der beiden Provinzen, und die damals in Serbien tonangebende national-
liberale Partei mit ihrem Führer, dem unstreitig bedeutenden Jowan
Ristitsch, nahm für Serbien die Rolle eines Piemont der Balkan-
halbinselinAnspruch, dessen Cavour Ristitsch zu werden gedachte.
Die Okkupation Bosniens und der Herzegowina war ein um so härterer
Schlag für die Chauvinisten in Serbien, als hierzu noch die Errichtung
*) Gemeint ist der im März 1908 zwischen Österreich-Ungarn und Serbien ab-
geschlossene Handelsvertrag, der aber wegen parlamentarischer Schwierigkeiten nur
provisorisch, erst bis Ende Dezember 1908, dann bis Ende März 1909, in Kraft trat.
Näheres darüber bei Bärnreither, Unsere Handelsbeziehungen zu Serbien, Öster-
reichische Rundschau, Bd. XXIX, S. 1 ff.
2) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 8919 S. 12—it\.
des Fürstentums Bulgarien kam. Seit der Okkupation der beiden Pro-
vinzen ist Österreich-Ungarn in Serbien verhaßt geworden, und dieser
Haß wurde keineswegs dadurch1 gemildert, daß König Milan, teils in
Erkenntnis der wirklichen Macht Serbiens, teils finanziell vom Wiener
Hof abhängig, die großserbische Bewegung niederhielt. Diese Politik
Milans hatte zur Folge, daß der Fürst von Montenegro die Führung
der großserbischen Bewegung an sich riß und die Blicke der serbischen
Chauvinisten im Königreich sowie aller serbischen unzufriedenen Ele-
mente in Bosnien und der Herzegowina, Dalmatien, Kroatien-Slawonien
und Ungarn sich nach Cetinje richteten.
Diese Verhältnisse dauerten bis zum Untergänge der Dynastie Obreno-
witsch. Seit der Thronbesteigung Peter Karageorgewitschs änderte sich
das Bild. Zur Festigung der Position seiner Dynastie be-
günstigte König Peter die großserbische Bewegung. Im
Jahre 1903 wurde in Belgrad der die Offiziere, Beamte und Parlamen-
tarier umfassende südslawisch-groß serbisch-propagandistische „S1 o-
wenski Jug“ (Slawischer Süden)1) gegründet, und von da ab ging es
mit dem „großserbischen Prestige“ des Fürsten Nikita abwärts. Heute
gravitieren sogar die serbischen Orthodoxen Dalmatiens nach Belgrad,
und die bekannte von Serbien aus inszenierte Bombenverschwörung ge-
gen den Fürsten Nikita2), mag sie auch weniger gefährlich gewesen sein,
als man in Cetinje behauptete, ist jedenfalls ein Beweis dafür, daß der
früher vom Vertrauen des Großserbentums getragene Fürst von Mon-
tenegros in den Augen der großserbischen Chauvinisten ein Hindernis
für ihre Zukunftspläne geworden war. „Kronzeuge“ im Cetinjer Bom-
benprozeß war bekanntlich1 ein gewisser Georg Nastitsch, ein etwa fünf-
undzwanzigjähriger Publizist aus Monstar und serbischer Orthodoxer.
Dieser Nastitsch, der im Cetinjer Prozeß sehr kompromittierend selbst
für höhe Belgrader Kreise aussagte, und von dem die südslawischen
Chauvinisten behaupten, er sei ein Spion Österreich-Ungarns und agent
provocateur des kroatischen Banus Rauch, hat kürzlich zu einem Hoch-
verratsprozesse den Anstoß gegeben, der sich in Agram abspielen wird.
Nastitsch, der gegenwärtig in Agram weilt, aber nicht als Verhafteter,
sondern als Zeuge, verfaßte in Budapest eine Broschüre „Finale“, in
der er erzählt, daß er als Anhänger der großserbischen Idee im Früh-
jahr 1907 nach Belgrad kam und dort an den Besprechungen des
„Slowenski Jug“ zwecks terroristischer Revolutionierung der okku-
pierten Provinzen, Kroatien-Slawoniens und Südungarns teilnahm; bei
diesen Besprechungen habe ein Verwandter des Königs Peter, Haupt-
mann Nenadowitsch, eine hervorragende Rolle gespielt. Nastitsch will
eifrig bei der Sache gewesen sein, solange er glaubte, daß die Aktion
*) Verein, der 1909 auf Verlangen Österreichs aufgelöst wurde. D. V.
2) Vgl* dazu H. Friedjung, II, S. 207 ff.; L. Mandl a. a. O. S. 36 ff.; Seton-
Watson a. a. O. S. 192 ff.
i5
sich ausschließlich gegen Österreich-Ungarn richten werde. Als aber
der 18. August des Vorjahres, an dem diese Aktion beginnen sollte,
verstrich, ohne daß etwas in der bezeichneten Richtung geschah, und
vielmehr angekündigt wurde, daß man gegen den Fürsten von Monte-
negro vorgehen werde, sei er, Nastitsch, nicht einverstanden gewesen.
Nastitsch begab sich nach Sarajewo und wurde später Kronzeuge im
Cetinjer Bombenprozesse, nachdem man in Montenegro tatsächlich
Bomben gefunden hatte.
In seiner Broschüre nannte Nastitsch verschiedene Persönlichkeiten
in Kroatien-Slawonien, lauter Serben, die an der Belgrader Verschwö-
rung beteiligt gewesen sein sollen. Gegen diese wurde als ungarische
Staatsangehörige und Bürger Kroatien-Slawoniens auf Veranlassung des
Banus Rauch die Untersuchung wegen Hochverrates eingeleitet. Es
sind bereits mehrere Verhaftungen vorgenommen, und zwar wurde
zuerst — am 7. August — der Konzeptspraktikant in Pragrade, Adam
Pribitschewitsch, verhaftet, der im Gefängnis einen Selbstmordversuch
machte. Nach neuesten Äußerungen des Agramer Oberstaatsanwaltes
wäre das Vorgehen der kroatischen Behörde nicht allein durch die
Nastitsch’sche Broschüre, sondern durch andere bedenkliche Symptome
veranlaßt worden. Jedenfalls bleibt Nastitsch als Belastungszeuge nach
wie vor im Vordergrund.
Die bisher Kompromittierten gehören der sogenannten kroatisch-
serbischen Koalitionspartei an; Banus Rauch ist dadurch in die Lage
versetzt, einen vernichtenden Schlag gegen diese ihm politisch äußerst
unbequeme Partei zu führen und die kroatisch-serbische Koalition zu
sprengen.
Im Auswärtigen Amte erklärt man einstweilen, für eine Beteiligung
des Königs Peter und des serbischen Kronprinzen an den Belgrader
Machenschaften keine Beweise zu haben; dagegen scheine das frühere
Kabinett Paschitsch und namentlich Paschitsch selbst stark kompro-
mittiert. Im übrigen müsse der Verlauf des Agramer Prozesses abge-
wartet werden.
Die serbische Regierung hat inzwischen eine amtliche Erklärung
veröffentlicht, in der jede Beziehung des königlichen Hofes und der
Regierung zu Nastitsch kategorisch in Abrede gestellt wird.
Das heutige „Vaterland“ will dazu aus Belgrader Hof kreisen vertrau-
lich erfahren haben, daß König Peter beabsichtige, in einem an Kaiser
Franz Joseph' gerichteten Handschreiben die Enthüllungen der Nastitsch-
schen Broschüre als gänzlich haltlos zu bezeichnen und dem Kaiser
die Versicherung vollkommener Loyalität seitens des serbischen Hofes
zu geben.
Br ockdorff-Rantzau.
16
Nr. 426.
Der Geschäftsträger in Belgrad Prinz Julius Ernst
zur Lippe an den Reichskanzler Fürsten vonBülow.1)
Ausfertigung.
Nr. 97. Belgrad, den 18. August 1908.
Mit großem Interesse werden hier allgemein die Enthüllungen des
Nastitsch1 2) besprochen.
Georg Nastitsch, ein junger bosnischer Serbe, aus Sarajewo gebür-
big, hatte sich hier in Serbien durch seine gegen die Jesuiten Wirtschaft
in Bosnien veröffentlichte Broschüre bekannt gemacht und dadurch die
Aufmerksamkeit der großserbischen Agitatoren in Belgrad auf sich ge-
zogen. Hierher gekommen, spielte er sich als Märtyrer seiner Ideen
auf und wurde als solcher von den großserbischen Enthusiasten mit
offenen Armen aufgenommen und in ihre Kreise, speziell in den Klub
„Slowenski Jug“ eingeführt.
Diesem Klub, dem als „slawischen Wohltätigkeits-
klub“ „zu humanistischen Zwecken“ von allen Seiten,
vom Hofe (der König zahlt 5oooo Dinar jährlich, und auch
der Kronprinz zahlt, soweit seine spärlichen Mittel es
erlauben) und von der Regierung reichliche Mittel zuflie-
ßen, gehören junge Offiziere, Kaufleute, Professoren und Studenten
an, denen die Vergrößerung ihres Vaterlandes zu einem „Großserbien“
als Ideal vorschwebt. Natürlich brauchen sie zur Erreichung dieses
Zieles Geld, und das fließt ihnen unter dem Titel der Wohltätigkeit zu.
In diesem Klub, den ein hiesiger Diplomat einen „Anarchistenklub“
nannte, wurde Nastitsch' in die revolutionären Ideen eingeweiht und von
den Umtrieben der Mitglieder in Kenntnis gesetzt, deren agitatorische
Tätigkeit sich über Mazedonien, Bosnien, die Herzegowina, Dalmatien,
Montenegro und ganz Südungarn erstreckt zu dem Zwecke, diese Teile
möglichst einmal Serbien einzuverleiben. Die Tatsache, daß Re-
gierung und Hof in enger Fühlung mit dem Klub stehen,
dessen Vorsitzende unter anderem der Skupschtinaprä-
sident zur Zeitdes Paschitschschen Regimes, Herr Ljuba
Jowanowitsch, und der bekannte Geograph Universitäts^
Professor Zwijitsch waren, zeigt, daß man in allen maß-
gebenden Kreisen von den Plänen und Absichten der
Klub mitglieder unterrichtet ist.
In diesem Kreise h'at sich Nastitsch über ein Jahr aufgehalten, und
1) ^ie große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 8921 S. 16—19.
2) Vgl. Nr. 8910. Das vorhergehende Aktenstück.
*7
2 Boghitschewitsch, Serbien n.
hier ist auch der Plan zur Fabrikation der Bomben gefaßt worden, die,
nach' ihrer Herstellung einige Zeit im Klublokal versteckt, später in
Montenegro Verwendung finden sollten.
Nicht einverstanden mit diesen ihm erst allmählich klar werdenden
Plänen gegen Montenegro, wandte Nastitsch Belgrad den Rücken, um
dann in dem Hochverratsprozesse in Cetinje — wie man glaubt gegen
Bezahlung — jene den serbischen Hof und die Regierung bloßstellen-
den Aussagen zu machen. Die hiesigen Zeitungen nahmen dies zum
Anlaß, sehr scharf über den „Verleumder“ Nastitsch herzufallen. Auf-
gereizt durch den Ton der serbischen Zeitungen, hat sich Nastitsch wohl
rächen wollen und zu diesem Zwecke seine Flugschrift „Finale er-
scheinen lassen.
Die öffentliche Meinung ist jetzt vollends empört über die denunzia-
torische Tätigkeit Nastitsch’s, durch welche er die südungarischen Ser-
ben und gleichzeitig die hiesige Regierung und den Hof hochverräte-
rischer Umtriebe bezichtigt. Indessen ist es auffallend, daß
in den vielen Artikeln, die über Nastitsch jetzt in der
serbischen Presse erscheinen, so gut wie nichts Posi-
tives zur Widerlegung seiner Behauptungen vorgebracht
wird1), sondern man sich nur in allgemeinen Redensarten über seine
Unglaubwürdigkeit bewegt und vor allem seine bodenlose Schlechtigkeit
hervorhebt, die ihn zu einem bezahlten Spion der ungarischen Regierung
hat werden lassen. Speziell wirft man ihm vor, daß er im Dienst des
Banus Rauch stände, der durch Kompromittierung der ungarischen
Serben hoffe, die Kroaten von den serbischen „Hochverrätern“ ab-
ziehen und dadurch die ihm äußerst unangenehme serbisch-kroatische
Koalition sprengen zu können.
Die hiesige Regierung ist eifrig bemüht, Nastitsch als einen Phan-
tasten hinzustellen, zu dem weder sie noch der Königlich Serbische Hof
irgendwelche Beziehungen hätte.
So sagte mir auch Herr Milowanowitsch, als ich mit ihm auf diese
Angelegenheit zu sprechen kam, daß Nastitsch durchaus nicht ernst
zu nehmen sei. Er sei ein junger Mensch, der sich mit anderen jungen
Leuten zusammengetan und deren phantastische Ideen als Absichten
des Hofes und der Regierung hingestellt hätte. Der von Nastitsch er-
wähnte Plan Serbiens, eine revolutionäre Bewegung gegen ein benach-
bartes Land vorzunehmen, sei vollständig absurd. Er wäre selbst ein-
mal Student gewesen, und er wisse, welche Ideale den Studenten vor-
schwebten — aber nie wäre von Kroaten die Rede gewesen. Auch die
Behauptung des Nastitsch, daß der beschuldigte Hauptmann Jascha
Nenadowitsch1 ein naher Verwandter des Königs sei, bestritt der Mi-
nister auf das entschiedenste. Der König sei nicht mit allen Mitgliedern
1) Genau so wie jetzt in der Frage der Verantwortlichkeit der serbischen Regierung
am Ausbruche des Weltkrieges. D. V.
18
der sehr verzweigten Familie Nenadowitsch verwandt, und diesen Haupt-
mann kenne der König nicht einmal.
Milowanowitsch suchte die ganze Angelegenheit so hinzustellen, als
handle es sich um unreife Pläne einiger konfuser Phantasten, die von
dem Denunzianten Nastitsch, sei es aus Rache, sei es zum Zwecke des
Geldgewinnes, enthüllt seienP
Nicht so harmlos sieht mein österreichischer Kollege die Enthül-
lungen an.
Legationsrat Franz sagte mir, die Angaben des Nastitsch hätten
seiner Regierung nichts Neues gebracht; im Gegenteil besäße sie
über die revolutionäre südslawische Organisation noch
viel mehr Material, als Nastitsch in seiner Broschüre
angebe. Sie wisse genau, daß die serbische Regierung
seit langem konspiriere und die Verschwörung mit allen
Mitteln unterstütze. Nur habe die österreichisch-ungarische Re-
gierung nicht offiziell gegen die Wühlereien vorgehen wollen, da sie
gehofft habe, daß schließlich alle Treibereien im Sande verlaufen wür-
den. Die Nastitschschen Enthüllungen wären ihr deshalb sehr unan-
genehm, weil sie dem Staatsanwalt die Verpflichtung auferlegt hätten,
von Amts wegen einzugreifen, und ihr damit die Möglichkeit genommen
sei, auf die nunmehl* ausschließlich gerichtliche Angelegenheit irgend-
einen Einfluß auszuüben. Die Regierung und ihre Organe ständen der
Einleitung des Prozesses vollkommen fern, sie sähe sogar mit einiger
Besorgnis dem Verlaufe des Prozesses entgegen, denn wenn etwas von
den Angaben des Nastitsch bewiesen würde, so würde das sicherlich
sehr ungünstig auf die politische Lage zurückwirken.
Als streng vertraulich teilte mir Legationsrat Franz noch mit, daß
der bisherige italienische Militärattache O. Zampolli dem serbischen
Generalstab einen Plan für einen Aufmarsch der serbischen Armee aus-
gearbeitet habe für den Fall, daß durch irgendwelche Konstellation
eine aktive Betätigung in großserbischem Sinne möglich würde. Gleich-
zeitig habe der italienische Militärattache einen Operationsplan der
italienischen Armee ausgearbeitet und der serbischen Regierung über-
geben, wonach Italien den Serben in ihrer Aktion behilflich sein wolle.
Als Dank für seine große Arbeit soll unter den serbischen Offizieren
eine Sammlung zu einem Geschenk für ihn veranstaltet sein.
Diese Bemerkung zeigt, wie orientiert die österreichische Regierung
über alle serbischen Machenschaften ist. Mag die Entrüstung der Ser-
ben über den Charakter des Nastitsch eine gerechte sein — seine Be-
hauptungen über den Bestand einer revolutionären süd-
slawischen Organisation sind jedenfalls wahr.
Serbischerseits wird man natürlich bemüht sein, die etwa durch den
Prozeß erwiesenen Behauptungen des Nastitsch als harmlose Tatsachen
hinzustellen. Es sind dann eben Ideen von Heißspornen gewesen, die
in der Unterstützung des Klubs seitens der Regierung und des Hofes
irrtümlich eine Billigung auch ihrer revolutionären Pläne gesehen und
sich deshalb zu solchen hätten verleiten lassen. Im äußersten Fall wird
der Klub selbst serbischerseits verantwortlich gemacht und dessen Auf-
lösung ebenso verfügt werden, wie die Einstellung seiner von ihm her-
ausgegebenen Zeitung kürzlich angeordnet worden ist. Österreich dürfte
mit einem solchen Ausgang der leidigen Affäre vielleicht zufrieden sein,
schon weil es dadurch den unangenehmen Folgen für die gegenseitigen
Beziehungen aus dem Wege gehen würde, die ein solcher Prozeß sonst
unvermeidlich1 mit sich bringen müßte.
Wie sehr übrigens die serbische Regierung befleißigt ist, durch Lie-
benswürdigkeit den schlechten Eindruck zu verwischen, den diese ganze
Begebenheit hervorgerufen hat, zeigt die Teilnahme des Kronprinzen
und des Ministers des Äußern an dem heute zur Feier des Geburtstages
Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph veranstalteten Gottesdienst.
Bei dem Empfang, der sich an denselben anschloß, wurde Herr Milo-
wanowitsch1 nicht müde, dem Geschäftsträger zu versichern, welche
große Verehrung er für den Kaiser habe, und wie er hoffe, daß die
„guten Beziehungen“ zwischen beiden Regierungen aufrechterhalten blei-
ben möchten. Der Geschäftsträger verfehlte nicht, auch seinerseits
mit schmeichelhaften Worten für Serbien und sein Könighaus zu er-
widern, sagte mir aber beim Weggehen, daß er lange nicht so gelogen
hätte, wie eben Herrn Milowanowitsch gegenüber mit diesen seinen
Schmeicheleien. Lippe.
Nr. 427.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an das Auswärtige Amt.l)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 291. Wien, den 28. September 1908.
Ganz geheim. (Aufgegeben am 29. September.)
Freiherr von Aehrenthal entwickelte mir heute eingehend die Euerer
Durchlaucht aus seinem letzten Briefe* 2) bekannten Pläne betreffend
Bosnien und Herzegowina. Er ersuchte mich im Anschluß hieran, Euerer
Durchlaucht mitzuteilen, daß die Umstände ihn dazu drängen könnten,
schon in allernächster Zeit mit deren Verwirklichung zu beginnen f).
Einerseits würden die Verhältnisse im Sandschak infolge der serbischen
Hetzereien von Tag zu Tag unhaltbarer, und außerdem habe er den Ein-
1) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 8g36 S.43.
2) Siehe Nr. 8934.
20
druck, daß Bulgarien demnächst mit der Unabhängigkeitserklärung
vorgehen werde1). Dem Fürsten Ferdinand, meinte der Minister, bliebe
angesichts der Stimmung im eigenen Lande auch wohl nichts anderes
übrig. Vor drei Jahren habe der Fürst schon den entscheidenden Schritt
tun wollen, gestützt auf die den Türken überlegene bulgarische Armee.
Damals sei er durch die Ermahnungen zur Ruhe von Wien und Peters-
burg aus davon abgehalten worden. Jetzt verlangt das Land einen greif-
baren Erfolg für die Opfer, die es für die Schaffung und Ausbildung
der Armee jahrelang gebracht habe. Werde aber die Unabhängigkeit
seitens Bulgariens erklärt, so könne er mit der Annexion Bosniens und
Herzegowina nicht länger zögern.
Freiherr von Aehrenthal führte dann weiter aus, er hoffe, daß die
Jungtürken einsehen würden, daß die Position der Türkei sich durch
definitive Ausscheidung der de facto jetzt schon losgetrennten Gebiete
von Bosnien-Herzegowina, Bulgarien und Kreta wesentlich bessern
werde*). Die Räumung des Sandschak bedeute eine wert-
volle Entschädigung für die Türken, besonders weil damit
auch die fortdauernde Beunruhigung durch die Idee des Vormarsches
Österreich-Ungarns auf Saloniki ein für allemal aus
der Welt geschafft würde-j~j-). Freiherr von Aehrenthal ist der
Ansicht, daß das Verhältnis Österreich-Ungams zur Türkei sich nach de-
finitiver Regelung der bosnisch-herzegowinischen Fragen viel besser
und vertrauensvoller gestalten werde fff), denn die militärische Besetzung
des Sandschak durch österreichische Truppen sei bisher ein Element
steter Gefahr gewesen. Der geringste Zwischenfall hätte die militärische
Ehre der Monarchie kompromittieren und zu den unerwünschten Kon-
sequenzen führen können. Die allgemeine militärische Aktionsfähigkeit
der Monarchie sei eine viel größere, wenn sie nicht mehr gezwungen
sein würde, diese Sackgasse zu verteidigen und dort den Gendarmen für
Europa zu spielen. Von diesem Gesichtspunkt betrachtet, würde die
neue Gestaltung der Dinge auch indirekt sich als ein Vorteil für Öster-
reich-Ungarns Verbündeten — Deutschland — darstellen, abgesehen
noch davon, daß Österreich dann an der Seite Deutschlands besser und
rückhaltloser offene Freundschaft mit der Türkei würde pflegen
können ffff).
Wie der Minister auf meine Frage äußerte, würde der erste Schritt
seiner Aktion darin bestehen, die Konvention betreffend der okkupierten
Provinzen in Konstantinopel zu kündigen.
Die Annexion der okkupierten Provinzen sei Öster-
reich-Ungarns Antwort auf die groß serbisch e Propa-
ganda, die von Belgrad aus betrieben werde**). Die Verhält-
nisse seien in letzter Zeit dort ganz unhaltbar geworden. Auch inner-
Vgl. dazu auch Kap. CXCIV.
21
halb der ausschlaggebenden österreichischen politischen Parteien fange
man an, die Annexion als notwendig zu betrachten. So sei zum Beispiel
heute eine Abordnung der Ghristlichsozialen bei ihm gewesen, um die
Annexion der okkupierten Provinzen zu empfehlen.
Über die Gestaltung des staatsrechtlichen Verhältnisses und der
Herzegowina zu den Ländern der Monarchie wollte sich Freiherr von
Aehrenthal noch nicht äußern. Doch habe ich Grund zu der Annahme,
daß die neuen Provinzen weder zu Österreich noch zu Ungarn geschlagen
werden, sondern wie bisher ein gesondertes, vom gemeinsamen Finanz-
ministerium administriertes Land bleiben sollen.
Über die erfolgte Zustimmung Rußlands und Italiens sind Euere
Durchlaucht, wie mir Freiherr von Aehrenthal sagt, bereits eingehend
unterrichtet. Tschirschky.
Bemerkungen des Fürsten von Bülow am Kopfe des Schriftstückes:
1) Seiner Majestät erst vorzulegen, nachdem der Ährenthalsche Brief an mich und
mein Brief dazu hei Seiner Majestät eingetroffen sein wird.
2) Seinerzeit an Botschafter Eomtantinopel» wenn dieser über die Angelegenheit
informiert wird. B.
Randbemerkungen des. Fürsten von Bfllbw:
*) Gut.
**) Richtig.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II. auf einem Duplikat der Entzifferung:
f) 6/X 08! das- hatte' mir aofbit telegrafiert werden müssen!
ff) die Ansicht; hat der Dieb nadh» nachdem er dem reichen Wanderer das schwere
Portemonnaie geraubt hat;!
fff) naiv! Erst rauhen dann, Freund, spielen.
ff ff) too late!
Schlußbemerkung des Kaisers:
Dieses Telegramm ist von höchster Wichtigkeit, und hättte sofort mir zur Kennt-
nis gebracht werden, müssen!
Nr. 4^8.
Kaiser Franz Joseph an Zar Nicolai II.1)
Wien, den 29. September (neuen Stiles) 1908.
„Mein teurer Freund!
Du kennst die Verhandlungen, die seit einiger Zeit von unseren Re-
gierungen geführt werden zum Zwecke der Festigung der Grundlagen
T) Die nachstehend veröffentlichten Briefe einschließlich der Fußnoten sind einem
Aufsatz von A. Saiontschkowski „Dm die Annexion von Bosnien und der Herzegowina“
in Heft 10 der vom Zentralarchiv in Moskau herausgegebenen historischen Zeitschrift
„Krasny Archiv“ entnommen. Saiontschkowski gibt in seinem Aufsatz eine kurze Vor-
geschichte der Ministerzusammenkunft von Buchlau und verbindet dann die einzelnen,
sich auf die Annexionskrise beziehenden Briefe der beiden Herrscher mit erläuterndem
Text. Da die Konzepte der Briefe des Zaren zum Teil von d/er* Hand Iswolskis ger-
schrieben sind, bezeichnet Saiontschkowski den nachstehenden Briefwechsel mit Recht als
„ein diplomatisches Duell“ zwischen Iswolski und Aehrenthal. Wir haben den Briefen
das von Saiontschkowski im Begleittext angegebene Datum jedesmal vorangestellt. Der
Begleittext ist hier nicht mit auf genommen.
April 1926. Die Schriftleitung der Zeitschrift „Die Kriegsschuldfrage“.
22
unseres Abkommens über die Orientfragen auf der genauen Festset-
zung der zukünftigen allgemeinen Richtlinien für die Politik, die wir
im gegenseitigen Einvernehmen auf dem Balkan befolgen müssen. Ich
brauche nicht darauf hinzuweisen, welche Bedeutung ich dem Erfolge
dieser Verhandlungen beimesse, da ich fest davon überzeugt bin, daß
ein Abkommen, wie es unsere Regierungen im Auge haben, am aller-
besten dem Monarchismus und dem Konservatismus nützen wird,
den Prinzipien, die uns im Interesse der Zukunft unserer Reiche so sehr
am Herzen liegen.
Indem meine Regierung an einer befriedigenden Lösung dieser so
überaus wichtigen Fragen arbeitete, mußte sie sich noch mit einem an-
deren Problem von besonderer Wichtigkeit befassen, dessen Lösung ohne
Gefährdung der friedlichen Entwicklung der Ereignisse in Gebieten an
meinen Grenzen nicht hinausgeschoben werden konnte.
Es handelt sich um die Lage von Bosnien und der Herzegowina.
Diese beiden Provinzen haben gegenwärtig dank den unablässigen Be-
mühungen meiner Regierung einen hohen Grad der geistigen und wirt-
schaftlichen Entwicklung erreicht, sie streben gesetzlich nach den
Wohltaten einer autonomen und konstitutionellen Re-
gierung1), woran meine Regierung nicht in der Lage ist, sie weiter
zu hindern, in Anbetracht der unvorhergesehenen Ereignisse, die sich
in der Türkei zugetragen haben* 2).
Es ist aber nicht möglich, an die Gewährung einer Verfassung für
Bosnien und die Herzegowina heranzutreten, bevor nicht die Frage der
zukünftigen politischen Stellung dieser Provinzen endgültig geregelt ist.
Somit ist scheinbar jener Augenblick herangekommen, auf denGiers3)
in seinem Telegramm an den Fürsten Lobanow1) vom 27. Februar 1884
anspielt, wo er von unvorhergesehenen Umständen spricht, welche die
österreichische Regierung veranlassen könnten, die in den beiden okku-
pierten Provinzen bestehende Lage abzuändem.
Tatsächlich, nicht Erwägungen des politischen Vorteils, sondern die
sich aus der allgemeinen Lage ergebende zwingende Notwendigkeit ver-
anlassen mich, zur Annexion von Bosnien und der Herzegowina zu
schreiten.
Im festen Vertrauen auf Deine erprobte Freundschaft und auf die
Stärke der unsere Reiche verknüpfenden traditionellen Bande bin ich
fest überzeugt, daß Du Dich wohlwollend zu dieser Maßnahme verhalten
wirst, zu der wir gezwungen sind und die Dein seliger Vater und Groß-
vater vorausgesehen und ohne Einwendung gebilligt haben.
Zum Beweise dessen, daß dieser Beschluß in keiner Weise den kon-
*) gesperrt gedruckten Worte sind von Nicolai II. unterstrichen.
2) Der jungtürkische Umsturz.
3) Außenminister unter Alexander III.
*) Russischer Botschafter in Wien zur gleichen Zeit.
23
servativen Grundlagen der österreich-ungarischen Politik widerspricht
und daß meine Regierung dem im Jahre 1897 aufgestellten Prinzip
des Desinteressements treu bleibt, möchte ich Dir nur sagen, daß ich
meine Regierung bevollmächtigt habe, gleichzeitig mit der An-
nexion von Bosnien und der Herzegowina auf militärische
und administrative Rechte, wie sie der Monarchie vom Berliner Trak-
tat im Sandschak Novibazar zugestanden sind, zu verzichten. Die un-
verzügliche Abberufung meiner dort gegenwärtig garnisonierenden Trup-
pen mag als Bestätigung dieses Verzichtes dienen.
Glaube bitte den Gefühlen inniger Freundschaft Deines Bruders und
Freundes Franz Joseph.“ *)
Nr. 429.
Aufzeichnungen des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes von Schoen.2)
Eigenhändig.
Berlin, den 8. Oktober 1908.
Der serbische Geschäftsträger hat mir die anliegende Note * * 8) vorge-
lesen und überreicht. Ich habe ihm nicht verhehlt, daß ich die Sprache
derselben für wenig angemessen halte, auch nicht sehe, welche beson-
deren serbischen Interessen und Rechte Serbiens durch die Annektie-
rung Bosniens und der Herzegowina verletzt seien. Meiner Ansicht nach
stelle der österreichisch-ungarische Schritt keineswegs eine materielle
Verletzung des Berliner Vertrages dar, während dies bezüglich der bul-
garischen Unabhängigkeitserkläxung zweifellos der Fall sei.
Ich könne nur zu ruhiger und korrekter Haltung raten und nament-
lich von jedem Säbelrasseln gegenüber Österreich-Ungarn dringend ab-
raten.
Anlage.
Der serbische Geschäftsträger Boghitschewitsch, Berlin,
an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Schoen.
Note. Ausfertigung.
Berlin, le 7 octobre 1908.
Le Gouvernement Royal de Sa Majesté le Roi de Serbie invoquant
d’une part les droits incontestables du peuple Serbe, qui sont le principe
mérne de Fexistence de la Serbie, et d’autre part les termes clairs et
précis de Farticle 2 5 du traité de Berlin, proteste de toute son énergie
contre la réunion de la Bosnie et de FHerzégovine avec les pays de la
*) Übersetzung aus dem Französischen
2) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 9091 S.25i.
8 ) Siehe Anlage.
monarchie des Habsbourgs proclamée aujourd’hui par le manifeste de
Sa Majesté l’Empereur et Roi d’Autriche-Hongrie. Le Gouvernement
Royal est persuadé que le traité de Berlin, d’autant plus que n’ayant pas
eu part à sa création, nous avons été obligés de le subir en tout qu’il
n’affectait notre sort, doit faire loi non seulement quand il impose des
devoirs et des obligations, entraîne des préjudices et exige des sacrifices
à la Serbie, mais aussi, et à plus forte raison, quand il offre une protec-
tion à [nos droits, au moins dans les étroites limites où les dispositions
du traité leur donnent une reconnaissance expresse. Le Gouvernement
Royal constate ensuite que, bien que les droits serbes aient obtenu au
Congrès de Rerlin une satisfaction incomparablement inférieure aux
sacrifices supportés durant la guerre par les deux états serbes, Serbie
et Monténégro, et bien que la Serbie ait néanmoins accompli jusqu’au
bout et plus scrupuleusement qu’aucun autre Etat toutes les obligations
lui incombant de par le traité de Berlin, aucun changement survenu
pendant les trente dernières années dans l’état de choses établi par ce
règlement international pour la péninsule balkanique n’a été fait au
profit de la nation serbe, tandis qu’au profit des autres se sont produites
de nombreuses et graves atteintes et modifications. Cette persuasion,
ainsi que la constatation de ces faits, inspirent au Gouvernement Royal
Serbe l’espoir que les puissances signataires du traité de Berlin répon-
dront à l’appel qu’il leur adresse aujourd’hui pour réclamer justice et
protection contre cette nouvelle et flagrante violation qui s’accomplit
unilatéralement en vertu du droit du plus fort, poursuivant satisfaction
de ses seuls intérêts sans égard aux atteintes profondes portées ainsi aux
sentiments, aux intérêts et aux droits du peuple serbe.
La Serbie ne saurait dans le cas présent obtenir pleine satisfaction
autrement que par le rétablissement complet de la situation faite à la
Bosnie et à l’Herzégovine par le traité de Berlin. Si cette solution est
considérée comme absolument impossible, le Gouvernement Royal faisant
appel aux sentiments d’équité des puissances signataires du traité de
Berlin, demande pour la Serbie une compensation correspondante1), afin
de maintenir les garanties indispensables à son existence d’état indépen-
dant et de rétablir pour la nation serbe en général les conditions d’exi-
stence dans la mesure tout au moins où elles étaient assurées par le
traité de Berlin. M. Boghitchévitch.
*) Der Gedanke an eine Kompensation für eine eventuelle Annexion Bosniens und
der Herzegowina soll dem serbischen Minister des Äußern Milowanowitsch schon am
4* September durch Iswolski in Karlsbad suggeriert worden sein. Henry Wickham
Steed, The Hahsburg Monarchy (igiß), p. 247- Das wird im wesentlichen bestätigt
durch den Bericht des serbischen Gesandten in Paris, Wesnitsch, vom 5. Oktober
(Boghitschewitsch, Kriegsursachen, S. i5a), wonach Milowanowitsch hei seiner
Karlsbader Unterredung mit Iswolski selbst der Ansicht gewesen wäre, daß
im Fall des österreichischen Verzichtes auf den Sandschak (und
von Grenzberichtigungen für Serbien) die Annexion Bosniens für dieses
annehmbar sei.
2 5
Nr. 43o.
Freiherr von Aehrenthal an den Legationssekretär
Franz in Belgrad.*)
Telegramm: Wien, den 8. Oktober iqo8.
Herr Simitsch übergab heute im Auswärtigen Amte in Ausführung
eines erhaltenen Auftrages eine in den heutigen Morgenblättern bereits*
erwähnte Protestnote der serbischen Regierung gegen die Annexion von
Bosnien und der Herzegowina.
Dieses Schriftstück wurde nicht übernommen, jedoch dem Herrn
Gesandten überlassen, dasselbe vorzulesen.
Herrn Simitsch wurde erwidert, der Protest der serbischen Regie-
rung könne mangels eines „Rechtstitels“ nicht entgegengenommen
werden.
Darauf schien Herr Simitsch vorbereitet gewesen zu sein, bemerkte
jedoch, seine Regierung könnte nicht umhin — angesichts der allge-
meinen Erregung in Serbien — gegen die Annexion zu protestieren.
Hieran anknüpfend wurde dem Herrn Gesandten entgegnet, daß die
serbische Regierung gut daran täte, beschwichtigend auf die erregte
Stimmung in ihrem Lande hinzuwirken, denn Maßnahmen, wie z. B. die
der Einberufung der Reserven könnten den gegenteiligen Effekt haben.
Der serbische Gesandte erklärte, indem er versuchte diese Maßnah-
men als keineswegs gegen die Monarchie gerichtet darzustellen, daß an-
gesichts der schon durch die Unabhängigkeitserklärung Bulgariens, so-
wie durch1 die Annexion geschaffenen Situation und die hieraus ent-
standene Erregung im Königreiche eine gewisse militärische Bereit-
schaft unerläßlich erschien, daß aber mit der Einberufung der Reser-
ven außerdem nur die Ausfüllung der durch die am i4- d. M. statt-
findende Entlassung von ausgedienter Mannschaft entstehenden Lücken
bezweckt würde.
Daß Serbien an eine militärische Unternehmung gegen uns denke,
sei völlig ausgeschlossen.
Nr. 431.
Graf Berchtold an Freiherrn von Aehrenthal.* 2)
Telegramm: St. Petersburg, den 8. Oktober 1908.
Ich’ habe heute das Memorandum betreffs Annexion von Bosnien und
der Herzegowina Herrn Tscharykow verlesen und ihm Abschrift hinter-
lassen.
x) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. 9, S. 9.
2) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. 10, S. 10.
26
Ministergehilfe nahm Mitteilung mit Bemerkung entgegen, die Kaiser-
liche Regierung betrachte unsem Schritt als aus unserem freien Willen
hervorgegangene Aktion, deren Motivierung vollkommen anerkannt
werde, durch welche aber Berliner Vertrag modifiziert erscheine, daher
Entscheidung der Mächtekonferenz zustehe.
Nr. 432.
Der Geschäftsträger in Belgrad Prinz Julius Ernst
zur Lippe an den Reichskanzler Fürsten vonBülow.1)
Ausfertigung.
Nr. 107. Belgrad, den 8. Oktober 1908.
Herr Milowanowitsch, der einen sehr niedergeschlagenen Eindruck
macht, verhehlte mir heute nicht, daß er mit großer Sorge den nächsten
Tagen entgegensehe. Die Annexion von Bosnien und Herzegowina habe
das serbische Volk an seiner verwundbarsten Stelle getroffen. Die Er-
regung sei in der Bevölkerung nach wie vor sehr groß, und man könne
nicht wissen, wohin sie führen werde. Mit großer Spannung sieht der
Minister der für übermorgen anberaumten außerordentlichen Tagung
der Skupschtina entgegen, denn er befürchtet, wohl nicht mit Unrecht,
daß die Mehrzahl der Abgeordneten durch das Volk aufgehetzt, ener-
gische Maßregeln gegen den „dem serbischen Volke angetanen Affront“
verlangen werde. Infolgedessen würde es wahrscheinlich zu einem Ka-
binettswechsel kommen, da das jetzige Ministerium sich vor die Un-
möglichkeit gestellt sähe, sein aufgestelltes Programm durchzuführen.
Ein Zeichen der Unzufriedenheit mit seiner Leitung der Geschäfte
hat Herr Milowanowitsch heute schon über sich ergehen lassen müs-
sen. Eine große Volksmenge demonstrierte vor dem Ministerium des
Äußern, bewarf dessen Fenster mit Steinen und entsandte eine Ab-
ordnung zu Milowanowitsch, die ihre Mißbilligung über seine bisherigen
Schritte in der Annexionsfrage aussprach und von ihm verlangte, dem
Willen und Wunsche des Volkes energischer Ausdruck zu geben.
Herr Milowanowitsch ist der Ansicht, daß den Wünschen des Volkes
nicht nachgegeben werden darf, und er wird, falls die Skupschtina
kriegerische Absichten haben und deshalb mit dem bisherigen Verhalten
der Regierung nicht einverstanden sein sollte, gern sein Portefeuille nie-
derlegen. Er glaubt aber, daß auch eine andere Regierung sich auf wag-
halsige Unternehmungen nicht wird einlassen wollen, und hofft, daß
das Volk, wenn es seine Wünsche von dem neuen Ministerium gleich-
falls nicht erfüllt sieht, zur Besinnung und Beruhigung kommen wird.
1) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 9097 S. 255 ff.
37
Allein, man könne noch nichts prognostizieren; alles hänge von der
Haltung der Skupschtina ab. Für den Fall, daß auch diese, von der
Volksstimmung hingerissen, die Regierung zu extremen Maßnahmen
drängen sollte, sieht Herr Milowanowitsch sehr dunkel in die Zukunft.
Auf meine Frage, was die serbische Regierung mit der in ihrer Pro-
testnote an die Signatarmächte verlangten Kompensation meinte, er-
widerte Herr Milowanowitsch, daß sie bestimmte Wünsche nicht habe
Vorbringen wollen. Die habe mit dem Protest die Aufmerksamkeit der
Großmächte auf die jetzt gegenüber dem Berliner Vertrage völlig ver-
änderten Verhältnisse aufmerksam machen und mit dem Wunsche
nach Kompensation das Gerechtigkeitsgefühl der Großmächte nach der
Richtung hin erwecken wollen, daß Serbien für seine bisher stets beb
zeigte Ruhe und Einsicht jetzt auch auf eine Art Entschädigung An-
spruch hätte. Einen bestimmt formulierten Wunsch hätte sie aus Be-
scheidenheit nicht gestellt.
Meiner Ansicht nach wollte die serbische Regierung mit der Protest-
note hauptsächlich dem eigenen Lande gegenüber zeigen, daß sie die
Hände nicht in den Schoß lege, und damit gleichzeitig auf die Ge-
müter beruhigend einwirken.
Bezüglich1 der Kompensation hört man hier vielfach die Ansicht, daß
Serbien die von Österreich1 verlassenen Gebiete im Sandschak erhalten
möchte.
Auf meine Frage, was erfolgen würde, wenn die Großmächte Ser-
biens Wunsch nach einer Kompensation nicht erfüllten, zuckte der
Minister nur mit den Achseln und meinte, das sei absolut nicht vorher-
zusagen.
Herr Paschitsch macht sich wieder sehr bemerkbar, und es ist
nicht ausgeschlossen, daß, falls wegen des Ernstes der Lage ein neues
Kabinett aus den stärksten Kräften aller Parteien gebildet werden sollte,
er in dasselbe eintritt.
Ob er aber nach seinen früheren Agitationen in Bosnien ein kal-
mierendes Element sein wird, erscheint sehr zweifelhaft. Lippe.
Nr. 433.
Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von
Marschall an das Auswärtige Amt.*)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 344. Therapia, den 9. Oktober 1908.
Der serbische Gesandte Nenadowitsch, den ich gestern auf der
Pforte traf, sagte mir mit vor Aufregung zitternder Stimme: „Die
1) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 9095 S. 245.
28
Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Österreich-Ungarn ist
der Tod Serbiens. Sie ist der Vorläufer der Annexion Serbiens durch
Österreich-Ungarn oder durch Bulgarien, mit dem das Wiener Kabinett
konspiriert hat, um uns zu vernichten*). Aber wir haben bereits mo-
bilisiert und werden den letzten Blutstropfen vergießen, um unser Land
zu retten oder doch mit Ehren unterzugehen. Was man in Wien von
großserbischer Propaganda in Bosnien sagt, ist reiner Schwindel.
Nastitschx) war nichts als ein ,„agent provocateur“, aber jetzt wird die
großserbische Propaganda entstehen.
Wir sind nur klein und schwach, aber wir sind revolutionär. Nicht
nur in Bosnien, sondern auch' in Ungarn, wo einundeinhalb Millionen
Serben wohnen, wird jetzt eine serbische Bewegung losgehen, die Öster-
reich schon schwere Zeiten bereiten wird.“ Marschall.
*) Randbemerkung Kaiser Wilhelms II.: Das dürfte Ährenthals Programm sein!
Nr. 434.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an das Auswärtige Amt.* 2)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 3i5. Wien, den 10. Oktober 1908.
Sektionschef von Müller bestätigt mir Blättermeldung, daß er An-
nahme serbischer Protestnote wegen Annexion Bosniens und Herzego-
winas verweigert habe. Der Protest sei eine Anmaßung Serbiens, meinte
der Sektionschef, da es weder den Berliner Vertrag mitunterzeichnet,
noch sonst irgendeinen Titel zur Einmischung in diese Frage habe3).
Tschirschky.
Randbemerkung von Schoen:
Ich habe Szögyenyi vertraulich erzählt, was ich dem serbischen Geschäftsträger bei
Überreichung der Note gesagt. Der Botschafter war sehr befriedigt und hat es nach
Wien berichtet. v- Sch.
!) Siehe Aktenstück Nr. 425.
2) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 9096 S. 254.
3) Vgl. Nr. 9091 abgedruckt S.3i.
29
Nr. 435.
Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor
an das Auswärtige Amt.1)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. Belgrad, den i5. Oktober 1908.
Die Vertreter Englands* 2), Italiens3), Rußlands4) und Frankreichs5)
mahnen hier gleichmäßig zur Besonnenheit, die beiden ersteren von
Anfang an unter Inaussichtstellung einer Belohnung für das serbische
Wohlverhalten ohne zu präzisieren, was Serbien geboten werden würde6).
Russischer Vertreter hat später ähnliche Sprache geführt. Italienischer
Gesandter Marquis Guicioli, der einen Tag herkam, um vor Abreise auf
japanischen Posten sein Abberufungsschreiben zu überreichen, hatte bei
dem Abschiedsdiner in dem hier üblichen Toast von den Rechten Ser-
biens gesprochen und verglich Serbien mit Piemont.
Österreichischer Gesandter7), der bisher auf Befehl auf Urlaub ge-
blieben, kehrt nächste Woche zurück. Österreichischer Geschäfts-
träger8) ignoriert die bei Straßenumzügen immer wiederholten Belei-
digungen Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph und Österreich-
Ungarns und ist bestrebt, durch seine Berichterstattung möglichst zu
kühler Auffassung der Situation in Wien beizutragen.
Ratibor.
*) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9098, S. 257.
2) J. R. Whitehead.
3) Geschäftsträger Marchese Cambiaso.
4) B. Sergejew.
5) L. Descos.
6) Näheres über die englische Stellungnahme zu dem Kompensationsgedanken erhellt
aus einem Berichte des serbischen Geschäftsträgers in London Gruitsch vom 10. Ok-
tober (Deutsches Weißbuch betreffend die Verantwortlichkeit der Urheber am Kriege,
S.83ff.). Danach billigte Sir Ch. Hardinge nicht nur die serbischen Wünsche be-
züglich der Adriabahn und der Einräumung besserer ökonomischer Bedingungen im
künftigen Handelsverträge, sondern er setzte auch dem Vorschläge territorialer Kon-
zessionen in Bosnien — Gruitsch sagte geradezu: da Österreich auf so leichte Art zu
einer so großen territorialen Erweiterung komme, so könne es ihm nicht schaden, wenn
ein Teil dieses so billig erworbenen Territoriums Serbien zufalle — keinerlei Wider-
spruch entgegen. Auch öffentlich setzte sich die englische Regierung für die serbi-
schen Wünsche ein, wenigstens hieß es in einer am i5. Oktober erlassenen amtlichen
Kundgebung: „Es besteht Hoffnung, daß Mittel gefunden werden, um den Wünschen
der kleineren Balkanstaaten entgegenzukommen, mit dem Vorbehalt, daß dies nicht auf
Kosten der Türkei geschieht." Über Iswolskis Stellung zur Kompensationsfrage während
seines Londoner Aufenthaltes erfährt man Näheres aus dem Berichte Gruitschs vom
i3. Oktober. Boghitschewitsch, Kriegsursachen, S. 160. Vgl. auch Kap. CXCVI,
Nr. 9040.
7) Graf Forgach.
8) Franz.
So
Nr. 436.
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes von Schoen.1)
Konzept.
Berlin, den 20. Oktober 1908.
Der serbische Minister des Auswärtigen, Herr Milowano witsch* 2), be-
suchte mich heute und trug mir vor, daß Serbien, dem in den letzten
Jahren die Gunst des Schicksals wenig gelächelt habe, unter den gegen-
wärtigen Verhältnissen die Erfüllung längst gehegter Wünsche zu er-
reichen hoffe. Dieselben gingen dahin, von der Großmut Österreich-
Ungarns einen kleinen Streifen Landes, höchstens ein Zehntel von Bos-
nien und der Herzegowina darstellend *{*), welcher eine natürliche Ver-
bindung zwischen Serbien und Montenegro bilde und ihm somit ein
débouché nach dem Adriatischen Meer eröffnen würde, zu erlangen. Er
glaubte durch einen solchen Großmutsakt seitens der österreichisch-
ungarischen Monarchie würde die Grundlage für ein dauerndes sehr
freundschaftliches Verhältnis zwischen der Monarchie und Serbien ge-
schaffen werden. Andernfalls würde das serbische Volk, das wie alle
slawischen Völker zum Pessimismus neige, in die Stimmung der Ver-
zweiflung geraten. Auch nach türkischer Seite würde Serbien gern
einen geringen Gebietzuwachs erlangen; wenn dies aber nicht angängig,
zum mindesten das Recht zur Durchführung einer Eisenbahn durch
den Sandschak nach Montenegro, eine Bahn, die auch militärisch be-
nutzt werden könnte.
Ich habe Herrn Milowano witsch, der, wenn er mich auch nicht direkt
um Befürwortung seiner Wünsche bat, so doch andeutete, daß er die-
selbe dankbar erkennen würde, keinen Zweifel darüber gelassen, daß
ich eine vermittelnde Rolle in diesen Fragen nicht annehmen könne fff)
und auch von einer Stellungnahme unsererseits zu den serbischen Wün-
schen absehen müsse. v. Schoen.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms IL: auf einer Abschrift:
*f) Verrückt!
“D Ausgeschlossen!
■•fl*) Richtig!
*) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9100, S. 258.
2) Der serbische Außenminister besuchte eben damals die Kabinette von Rom, Berlin
und London.
3i
Nr. 437.
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes von Schoen.1)
Reinschrift.
Berlin, den 2 3. Oktober 1908.
Der österreichisch-ungarische Botschafter teilt mir mit, er sei beauf-
tragt, Herrn Iswolski hier zu sagen und dann uns mitzuteilen, Österreich-
Ungarn könne sich auf den von Rußland befürworteten Wunsch Ser-
biens nach1 Überlassung eines Streifen Landes am Südrande von Bosnien
und der Herzegowina angesichts der großserbischen Bewe-
gung und der frechen Provokationen von serbischer Seite
unter keinen Umständen einlassen* 2). Baron Aehrenthal sei
indessen bereit, Serbien vertragsmäßig einen Verkehrsweg durch Bos-
nien und die Herzegowina nach der Küste sowie nach sonstigen ökono-
mische Vorteile zuzusichern. Ebenso sei er bereit, wie seinerzeit schon
in Buchlau angedeutet, die nach § 29 des Berliner Vertrags auf Monte-
negro ruhende Belastung aufzugeben f). v. Schoen.
*■) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9101, S. 25g.
2) Tatsächlich hat Iswolski, der vom 24.—26. Oktober in Berlin weilte, in seinen
Unterredungen mit Fürst Bülow und Staatssekretär von Schoen (vgl. Kap. CXCVI,
Nr. 9064 und 9065) sich für eine territoriale Kompensation Serbiens — „ein kleiner
Streifen Landes am Südrande Bosniens“ — eingesetzt. In seinen gleichzeitigen Ge-
sprächen mit dem gerade in Berlin weilenden serbischen Außenminister Milowane-
witsch ging Iswolski wesentlich weiter. In dem Berichte Milowanowitschs vom 25. Okto-
ber heißt es darüber: „Wir verabredeten, die Forderung der Territorialkompensation
für Serbien und Montenegro bis zu den äußersten Grenzen der Möglichkeit aufrecht-
zuerhalten. in zweiter Linie zu versuchen, daß das in Frage stehende Territorium an
die Türkei abgetreten werde, welche es an Serbien übertragen solle; äußerstenfalls,
wenn man davon absehen müsse, um so mehr darauf zu dringen, daß Bosniern und die
Herzegowina ein autonomes Ganzes werden, daß für Serbien, die Verbindung mit dem
Adriatischen Meer und ein offenes Gebiet bezüglich des Sandschak Novibasar ge-
sichert werden.“ Boghitschewitsch, Kriegsursachen S. 162. Interessant sind auch die
weiteren Ausführungen Iswolskis zu Milowanowitsch, die deutlich erkennen lassen,
welche Rolle Serbien schon damals in seinen politischen Zukunftsplänen spielte:
„Iswolski verurteilt unablässig auf das schärfste Österreich-Ungarn, das bei Rußland und
den Westmächten alles Vertrauen verloren habe; er äußerte seine Überzeugung und
Hoffnung, daß dieses Vorgehen bald sich an Österreich-Ungarn blutig rächen werde:
die österreichische Frage werde infolgedessen bald akuter werden als die türkische;
seine Politik sei darauf gerichtet, unter Liquidierung aller russischen Fragen außer-
halb Europas Rußland wieder seinen europäischen Zielen zuzuführen; Serbien sei in
dieser Politik ein wichtiger Faktor als Zentrum der Südslawen. Bosnien sei jetzt nach
den Stimmungen Rußlands und Westeuropas weniger verloren für Serbien, selbst wenn
die Annexion anerkannt werden sollte; die ersten Schritte zur Verwirklichung seiner
nationalen Aufgaben werde Serbien dennoch nach dem Sandschak' Novibasar und Bos-
nien hin unternehmen. Jetzt müsse ein Zusammenstoß vermieden werden, da weder
militärisch noch diplomatisch das Terrain vorbereitet sei. Rußland müßte Serbien,
wenn es einen Krieg hervorriefe, preisgeben, so daß es unterliegen würde, obwohl dies
der schwerste Schlag wäre nicht blos für die russischen nationalen Gefühle, sondern
auch für die russischen Interessen und Zukunftspläne f)“.
f) Schlußbemerkung Kaiser Wilhelms II.:
Das wird wohl für Iswolski ein schlechter Trost sein.
32
Nr. 438.
Der Botschafter in Rom Graf Monts
an das Auswärtige Amt.1)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. i34. Rom, den 2З. Oktober 1908.
Zu siebentem Programm-Vorschlag* 2) bemerkt Herr Tittoni nach-
träglich, daß Serbien unter keinen Umständen einen terri-
torialen Zuwachs bekommen darf. Doch scheine ihm eine
Entschädigung des wirtschaftlich von Österreich-Ungarns Agrariern tat-
sächlich beeinträchtigten Landes durch effektiven Bau der Donau-
Adria-Bahn angezeigt, deren Trace nach Aufgabe des Sandschaks nur
durch türkisches Gebiet geht, und für welche Italien, Rußland, Frank-
reich und England Zinsgarantie übernehmen müßten. Für Montenegro
wäre auf Aufhebung von Artikel 29 zu bestehen, was aber andererseits
vollkommen hinreichende Genugtuung wäre. Monts.
Nr. 4З9.
Der Botschafter in Rom Graf Monts
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.3)
Ausfertigung.
Nr. in. Rom, den 26. Oktober 1908.
(pr. 28. Oktober.)
Mein russischer Kollege4) hatte seinen viermonatlichen Urlaub unter-
brochen, um dem Besuch beizuwohnen, den Herr Iswolski in Desio 5)
abstattete. Von dort begab er sich nach Paris und Biarritz, von wo
ihn ein Telegramm aus Petersburg vor einigen Tagen auf seinen
Posten zurückberief. Der mit mir die besten Beziehungen unterhaltende
Botschafter teilte mir einige vielleicht wissenswerte Details über die
jetzige politische Lage und die russischen Dinge mit:
In Petersburg herrschte trotz allen Zeitungsgeschreis eine absolut
friedliche Stimmung, man brauche Geld und Ruhe, beides wäre nur
bei Fortdauer des Friedens zu erhalten. Die Meerengenfrage wolle man
zurzeit ruhen lassen. Herr Iswolski wäre wenig gut beraten gewesen,
als er diese Angelegenheit angeschnitten.
Der Botschafter kritisierte hierauf das Verhalten seines Chefs, nota-
bene eines nahen Verwandten von ihm. Herr Iswolski hätte, als er in
!) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9102, S. 260.,
2) Der siebente Punkt des englisch-russischen Konferenzvorschlags besagte: „Avan-
tages à procurer à la Serbie et au Monténégro.“ Vgl. Kap.CXGVI, Nr. go45.
3) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 9076 S. 219 ff.
4) Muravview N. У.
б) Vgl. Кар. СХСШ Nr. 894i Fußnote ***.
3 Boghitschewitsch, Serbien II.
33
Buchlau die Nachricht von der bevorstehenden Annektierung Bosniens
erhielt, sofort nach Petersburg zurückgehen müssen, um sich mit den
dortigen leitenden Kreisen über die einzunehmende Haltung zu abou-
chieren. Statt dessen habe er sein Reiseprogramm innegehalten und auf
dieser Rundfahrt bisher anscheinend nur Mißerfolge eingeheimst. Was
er in London erreichte oder nicht erreichte, wisse er, Murawiew, nicht,
aber aus Paris wäre der Minister wenig befriedigt und ohne selbst gute
Eindrücke zu hinterlassen geschieden. Vielleicht erginge es ihm in Ber-
lin besser, wie er, Murawiew, überhaupt das größte Gewicht auf gute
deutsch-russische Beziehungen lege.
Der Botschafter knüpfte hieran einen Exkurs über die Mißverständ-
nisse zwischen Baron Aehrenthal und verschiedenen Ministern und
meinte, die Ministerreisen wären immer ein sehr zweischneidiges Ding.
Für das Publikum erschiene zwar regelmäßig das bekannte, nur noch
die Heiterkeit der Auguren erregende offizielle Communiqué der vollen
Übereinstimmung und größten Befriedigung, ernste Abmachungen aber
ließen sich nur im Wege schriftlicher Niederlegung und durch die
betreffenden Botschaften erreichen. Wenn also, so fuhr Herr Mura-
wiew fort, sein Chef aus Berlin nichts mitbringe, so wäre es um ihn
geschehen. Herr Iswolski sei unleugbar sehr intelligent und hoch-
gebildet, leider nur laste auf ihm als große Hypothek exzessive Reiz-
barkeit und Eitelkeit. Ein tadelnder Zeitungsartikel koste ihm die Nacht-
ruhe. In seinen Kombinationen sei er zu subtil und knifflich, so daß
er oft den Wald vor Bäumen und das Einfachste nicht sehe. Alle seine
Handlungen zielten nur auf Hebung seines persönlichen Prestiges. Die
eventuelle Nachfolge würde Herrn Tscharykow zufallen, der nicht die
geistige Kultur von Iswolski habe und auch intellektuell tief unter ihm
stände. Dazu käme ein Stich ins Slawophile. Jedenfalls habe er, selbst
nur als Vertreter des Ministers, sich1 seiner Stelle nicht gewachsen ge-
zeigt, denn wie man auch über Österreichs Politik denke, das Ministe-
rium des Äußern in Petersburg hätte unter allen Umständen dafür sor-
gen müssen, daß Graf Berchtold von Seiner Majestät dem Kaiser Alex-
ander1) sofort empfangen wurde. Diese Unhöflichkeit akzentuiere sich
jetzt noch1 schärfer, wo ein montenegrinischer Emissär, Zeitungsnach-
richten zufolge, sofort Zutritt beim Zaren gefunden.
Der Botschafter besprach dann die Stellung des Herrn Tittoni. Der-
selbe habe zwar du plomb dans ses ailes, würde aber doch bis auf wei-
teres auf seiner Stelle sich halten. Herrn Giolitti sei die Schwächung
dieses gefährlichen Rivalen keineswegs unangenehm, wenn er ihm auch
gegenwärtig unentbehrlich wäre.
Eine Sanierung des bosnischen coup de canif in den Berliner Vertrag
auf irgendeine Weise erachtet der Botschafter für unerläßlich. Nach
den Erfahrungen von Algeciras dürfte eine eventuelle Konferenz aber
1) Verschrieben für Nikolaus.
34
nur mit engstem, genau vorher festgelegtem Programm abgehalten wer-
den, so daß sie lediglich als Registrierungsmaschine sich darstellt. In
der Konsulta schiene man sehr zu wünschen, daß eine italienische Stadt
zum Ort der Prozedur gewählt wird. Tatsächlich würde schließlich eine
der vielen italienischen Provinzhauptstädte ganz geeignet sein. Gegen
Paris wäre man, wenn auch natürlich nicht offen, selbst in St. Peters-
burg, schon weil die Repräsentanten der alten Monarchie nicht gute
Gäste der radikalen Republik sein könnten. An London denke wohl
auch niemand im Ernst. Berlin halte sich klugerweise so zurück, daß
schon aus diesem Grunde unsere Hauptstadt nicht in Betracht käme.
In Konstantinopel säße der zu Exekutierende, in Wien der Verbrecher,
so bliebe wohl nur Florenz oder Neapel übrig.
Ich1 möchte annehmen, daß Herrn Murawiews Tage hier gezählt sind.
Er ist unleugbar ein bedeutender Mensch, und wird seine Regierung
kaum auf lange Zeit diese Kraft hier brach liegen lassen. Meine Frage,
ob er nicht einmal seinem Vetter Iswolski folgen würde, verneinte der
Botschafter, er habe nicht Lust, den für lange Zeit ganz verfahrenen
Wagen der russischen Politik aus dem Schlamm zu ziehen. Ob die
Trauben sauer sind? Oder ob Herr Murawiew noch immer einen Meu-
chelmörder fürchtet? Denn als ehemaliger Oberstaatsanwalt und Justiz-
minister scheint er auch jetzt noch einer der von den russischen Revo-
lutionären am tiefsten gehaßten Männer zu sein. Freilich hat er sich
schon diesen Sommer auf einige Zeit nach Petersburg gewagt, wie
auch die strenge Bewachung der hiesigen russischen Botschaft und des
Botschafters selbst nachgelassen hat. Monts.
Nr. 44o.
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.1)
Ausfertigung.
Nr. 483. St. Petersburg, den i. November 1908.
Nach meiner gestern vormittag erfolgten Rückkehr vom Urlaub hatte
ich noch am Abend eine lange Unterredung mit Herrn Iswolski, der:
mich zu sich hatte bitten lassen. Ich fand den Minister in einer ge-
drückten und elegischen Stimmung. Seine Äußerungen klangen in bittere
Klagen darüber aus, daß seine auf Herstellung möglichsten Einverneh-
mens zwischen den Mächten gerichteten Bemühungen verkannt und seine
Arbeit zur Erhaltung und Festigung des Friedens durch Österreich-
Ungarns Vorgehen in einer Weise gestört worden seien, welche ernste
Gefahren für die nächste Zukunft in sich berge. Rußlands Stellung im
gegenwärtigen Augenblick sei eine äußerst schwierige. Nach wie vor
!) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. go85 S. 235 ff.
35
werde aber die Erhaltung des Friedens das Ziel der russischen Politik
bleiben. Eine solche Politik werde nicht leicht sein, denn man werde
in der nächsten Zeit mit vielen unsicheren Faktoren rechnen müssen.
Daß die Serben einen ooup de tete machen würden, glaube er nicht.
Auch könne er mir auf das bestimmteste versichern, daß auf den Kron-
prinzen von Serbien hier sehr energisch in beruhigendem Sinne einge-
wirkt werde. Die Erbitterung gegen Österreich-Ungarn in Serbien sei
aber eine derartige, daß man sich auf heftige Ausbrüche dieser Stim-
mung wohl gefaßt machen müsse. Wer bürge nun dafür, daß Öster-
reich-Ungarn nicht einen solchen Anlaß als Vorwand ergreifen werde,
um die Situation durch' ein Einrücken in Serbien noch mehr zu kom-
plizieren? Herr Iswolski fuhr fort, seine Besorgnisse für die nächste
Zukunft würden noch dadurch erheblich verstärkt, daß wir anschei-
nend geneigt seien, von vorneherein alles gutzuheißen, was Österreich-
Ungarn zu tun gedenke. Eine solche Haltung Deutschlands gehe aller-
dings weit über das Maß von Verpflichtungen hinaus, welche uns, wie
er bisher angenommen habe, durch unseren Bündnisvertrag mit Öster-
reich-Ungarn auferlegt seien.
Ich entgegnete dem Minister, er könne zunächst versichert sein, daß
auch' unsere Politik in erster Linie auf Erhaltung des Friedens gerichtet
sei. Bis jetzt fehle jedes Anzeichen dafür, daß Österreich-Ungarn es zu
einem kriegerischen Konflikt treiben wolle. Jedenfalls würde es uns
gewiß fernliegen, Öl ins Feuer zu gießen, vielmehr würden wir, wenn
sich die Notwendigkeit dazu ergeben sollte, unsere Stimme zweifellos
zugunsten des Friedens erheben. Augenblicklich aber handele es sich
nur darum, daß russischerseits von uns eine Handlungsweise gegenüber
Österreich-Ungarn verlangt werde, die in der Tat mit einer strengen und
loyalen Auffassung des Bündnis Verhältnisses schwer vereinbar erscheine.
Wir hätten uns im Prinzip mit dem Konferenzgedanken einverstanden
erklärt, vorausgesetzt, daß unser Verbündeter diesen Gedanken akzep-
tiere. Es heiße aber doch sehr weit gehen, uns zuzumuten, daß gerade
wir für die Diskussion der von Österreich-Ungarn für undiskutierbar
erklärten bosnischen Frage in der Konferenz eintreten und somit dazu
beitragen sollten, Österreich-Ungarn gewissermaßen als Angeklagten vor
dem europäischen Gerichtshof zur Verantwortung zu ziehen.
Gegen diesen Vergleich protestierte der Minister lebhaft, indem er
auf den Berliner Kongreß hinwies, in welchem Rußland keineswegs
als Angeklagter erschienen sei, aber seine Teilnahme nicht verweigert
hätte, trotzdem es nach einem siegreichen Feldzug und gestützt auf
einen mit der Türkei bereits abgeschlossenen Vertrag auf einem besseren
Rechtsstandpunkt gefußt habe, als jetzt Österreich-Ungarn. Ich be-
schränkte mich darauf zu erwidern, daß die gegenwärtige Lage Öster-
reich-Ungams mit der Lage Rußlands im Jahre 1878 wohl kaum
verglichen werden könne. Was die andere Frage betreffe, führte ich
36
weiter aus, bezüglich deren wir uns den Wünschen des Herrn Iswolski
gegenüber ablehnend verhalten müßten, nämlich die Frage von Kompen-
sationen für die kleinen Balkanstaaten, so werde unsere Haltung in
dieser Frage uns nicht nur durch unser Verhältnis zu Österreich-Ungarn,
sondern auch durch unseren Wunsch, die Türkei in ihrem jetzigen
Besitzstände erhalten zu sehen, und durch unsere Friedensliebe diktiert.
Durch die Annexion Bosniens und der Herzegowina sei
in Wirklichkeit der status quo auf der Balkanhalbinsel
nicht verändert worden. Kompensationen an Serbien und Monte-
negro seien aber nur auf Kosten der Türkei denkbar. Ein Beginn der,
Aufteilung der Türkei würde aber in unseren Augen eine große Gefahr
für den Frieden Europas bedeuten.
Auf unsere allgemeine Haltung zu Rußland und Österreich-Ungarn
übergehend, bat ich darauf den Minister, mich ihm gegenüber ganz
offen aussprechen zu dürfen. Wenn er in Berlin für seine Wünsche
einer kühleren Aufnahme begegnet sei, als er vielleicht erwartet habe,
so wundere mich1 das nicht. Ich könne ihm nicht verschweigen, daß
die Haltung Rußlands während der letzten Jahre in unseren leitenden
Kreisen einige Enttäuschung hervorgerufen habe. Daß unsere Politik
nicht durch irgendwelche antirussische Stimmung oder Vorurteile von
vorneherein beeinflußt werde, wisse er ebenso gut wie ich. Seine Ma-
jestät der Kaiser, unser allergnädigster Herr, habe vom Beginn seiner
Regierung an stets gezeigt, welchen Wert er auf die Pflege der tradi-
tionellen Beziehungen zu Rußland lege. Wiederholt habe allerhöchst-
derselbe Rußland die Hand entgegengestreckt, in die Rußland nur ein-
zuschlagen brauchte. Auch Euere Durchlaucht seien bekanntlich stets
ein Freund Rußlands gewesen. Ebenso ist der Herr Staatssekretär von
Schoen von freundschaftlichen Gefühlen für Rußland beseelt. Dieser
Stimmung in unseren leitenden Kreisen habe Rußland unsere äußerst
wohlwollende Haltung während des japanischen Krieges und während
der Revolution zu verdanken, eine Haltung, die bis an die äußersten
Grenzen des Zulässigen gegangen und oft auf heftigen Widerspruch
seitens der öffentlichen Meinung in Deutschland gestoßen sei. Seine
Majestät der Kaiser, unser allergnädigster Herr, sei bei dieser Haltung
von dem Wunsche beseelt gewesen, Rußland zu zeigen, daß es in Stun-
den der Not von Deutschland nicht nur nichts zu fürchten habe, son-
dern auf Freundschaftsdienste zählen könne. Seine Majestät hatten dabei
gehofft, daß die russische Politik dieser Haltung später Rechnung
tragen und auf diese Weise die alten vertrauensvollen Beziehungen zwi-
schen Petersburg und Berlin wiederhergestellt werden würden.
In dieser Hoffnung sehe sich unser allergnädigster Herr jetzt ge-
täuscht. Rußland habe sich seit dem japanischen Kriege schrittweise
gerade derjenigen Macht genähert, welche zum großen Teil die Schuld
an den russischen Mißerfolgen im fernen Osten trage. Durch seinen
3 7
Anschluß an die anglo-französische Entente cordiale habe es ein erheb-
liches Gewicht in die Wagschale der Gruppe geworfen, welche schon
wiederholt ihren Einfluß in einem den deutschen Interessen entgegen-
gesetzten Sinne geltend gemacht habe. Angesichts dieser Situation bleibe
Deutschland jetzt nichts übrig, als sich um so enger an seinen Bundes-
genossen anzuschließen und für die Interessen desselben noch mehr
einzutreten, als es durch den Buchstaben des Bündnisvertrages an sich
genötigt gewesen wäre. Die uns gegenüberstehende Gruppe sei zu mäch-
tig, als daß wir nicht darauf Bedacht nehmen müßten, alles zu ver-
meiden, was das Vertrauen Österreich-Ungarns in unsere Loyalität zu
erschüttern geeignet sein könnte. Ich betonte, daß ich in diese meine
Worte keinerlei Rekriminationen legen, vielmehr lediglich die Situation,
mit der wir bis jetzt zu rechnen hätten, beleuchten wollte. Die russische
Politik habe zwischen Deutschland und der anglo-französischen Gruppe
zugunsten der letzteren gewählt, weil sie geglaubt habe, den russischen
Interessen damit besser zu dienen. Das sei ihr gutes Recht, man könne
sich aber hier nicht darüber wundern, daß Deutschland aus dieser Sach-
lage die Konsequenzen ziehie und Bedenken trage, Rußland im gegen-
wärtigen Augenblick Dienste zu leisten, zu welchen es sich bei einer
anderen Konstellation vielleicht in gewissem Maße hätte bereit finden
lassen können.
Herr Iswolski wollte zunächst bestreiten, daß eine allgemeine poli-
tische Annäherung Rußlands an England stattgefunden hätte. Man habe
sich nur über verschiedene Fragen in Zentralasien geeinigt, welche den
Keim zu Konflikten enthalten hätten und dadurch eine stete Gefahr
für den Frieden gewesen wären. Man spreche ihm immer von Reval.
Habe er aber nicht vor dieser Zusammenkunft deutlich genug erklärt,
daß dieselbe keine feindliche Spitze gegen Deutschland haben solle?
Er könne immer nur von neuem mit seinem Ehrenwort versichern, daß
in Reval keine weiteren politischen Vereinbarungen getroffen worden
seien. Habe denn der russische Kaiser nicht wie andere Monarchen
auch das Recht, Besuche, und in diesem Falle sogar einen ihm seit Jah-
ren geschuldeten Gegenbesuch zu empfangen. Il faut dire que la politi-
que allemande est bien intolérante.
Ich1 konnte hierauf nur erwidern, daß die Entrevue und besonders
der Lärm, der um dieselbe gemacht worden sei, in der ganzen Welt
als eine Besiegelung des anglo-französisch-russischen Einvernehmens
aufgefaßt worden sei.
Herr Iswolski frug dann, ob ich ihm, abgesehen von der Haltung der
russischen Presse, die sehr zu Unrecht ihm immer zur Last gelegt werde,
einen Punkt nennen könne, in welchem sich die russische Politik der
deutschen unfreundlich gezeigt habe. Ich wiederholte zunächst, daß es
nicht meine Absicht gewesen wäre, Rekriminationen zu erheben, wenn
er aber diese Frage schön auf werfe, so wollte ich ihm nur die Namen:
38
Algeciras, Bagdadbahn, Persien nennen. Wegen Algeciras lehnte der Mi-
nister jede Verantwortung ab, weil er zu jener Zeit noch nicht Minister
gewesen sei. Er wolle nicht bestreiten, daß bei diesem Anlaß vielleicht
einige „Ungeschicklichkeiten“ vorgekommen wären. Auf die Frage der
Bagdadbahn ging der Minister weiter nicht ein. Dagegen beteuerte er,
daß er bezüglich Persiens nur Vorgänge habe rechtzeitig zur Sprache
bringen wollen, welche das jgute Einvernehmen zwischen beiden Mächten
hätten stören können. „Immerhin,“ so fuhr der Minister fort, „ich kann
in Ihren Worten nur eine Bestätigung dessen erblicken, was ich in
Berlin nur zu deutlich gefühlt habe. Jedenfalls werde ich nicht ver-
fehlen, dem Kaiser, meinem Herrn, über unsere Unterredung wortgetreu
Bericht zu erstatten.“
Der Minister erging sich dann noch in einigen retrospektiven Be-
trachtungen über die Vorgänge der letzten Jahre, wobei er immer wieder
darauf zurückkam, daß der eigentliche Schuldige an der jetzigen Situa-
tion Baron Aehrenthal sei. Als bemerkenswert möchte ich eine Äuße-
rung erwähnen, die Herr Iswolski im Laufe dieser Betrachtungen tat.
Er erinnerte an das erste längere Gespräch', welches er im Sommer 1905
in Kopenhagen nach der Begegnung von Björkoe mit Seiner Majestät
unserem allergnädigsten Herrn zu führen die Ehre gehabt habe. „Ihr
Kaiser hat mir damals ein politisches Programm entwickelt, dessen
Verwirklichung den Frieden Europas auf eine felsenfeste Basis gestellt
haben würde. Leider ist die Ausführung dieses Programmes an Ihren
Differenzen mit Frankreich bezüglich Marokkos gescheitert.“
Zum Schluß möchte ich noch hervorheben, daß diese ganze Unter-
redung nicht einen Augenblick aus dem Rahmen einer sachlich ruhigen
Aussprache heraustrat. Herr Iswolski verfiel während derselben nicht
ein einziges Mal in den erregten, aggressiven Ton, den er sonst zuweilen
anzuschlagen für gut findet. F. Pourtales.
Nr. 44i.
Zar Nicolai II. an Kaiser Franz Joseph.*)
22. Oktober
Zarskoje Selo, den 4 Novem^r *9<>8
„Mein teurer Freund!
Die tiefe und innige Freundschaft, die ich zu Dir hege, verbietet mir,
Dir den überaus schweren Eindruck zu verbergen, den die Angliederung
der Deiner Regierung vom Berliner Traktat anvertrauten Provinzen Bos-
nien und Herzegowina auf mich gemacht hat, und — was besonders
betrüblich ist — die Angliederung auf dem Wege eines selbstherrlichen
Akts.
x) Abgedruckt in der Zeitschrift „Die Kriegsschuldfrage“, April 1926. Vgl. S.22.
39
Ich möchte die Bedeutung der Dir gegenüber von meinem Großvater
und Vater übernommenen Verpflichtungen keinem irgendwie gearteten
Zweifel unterziehen, ich will auch nicht die Frage auf werfen, ob das
von Dir erwähnte besondere Dokument dem bis heute bestehenden Ab-
kommen entspricht — ich beschränke mich nur auf die Feststellung,
daß die Stellung Bosniens und der Herzegowina, die Österreich-Ungarn
vom Berliner Traktat zur Okkupation übergeben waren, nur durch einen
Beschluß der Signatarmächte dieses Traktats geändert werden kann.
Dieser Gesichtspunkt entspricht vollkommen dem auf der Londoner
Konferenz aufgestellten und von Österreich-Ungarn feierlich anerkann-
ten Prinzip, daß kein Staat sich von den Verpflichtungen des Vertrages
lossagen oder seine Bestimmungen abändem kann, ohne daß hierzu die
vertragschließenden Parteien ihr volles Einverständnis erklären.
Indem ich auf Deine Freundschaft und das Dir innewohnende hohe
Gerechtigkeitsgefühl baue, gebe ich der Überzeugung Ausdruck, daß Du
auch1 in vorliegendem Falle mit der Notwendigkeit der Anwendung dieses
Prinzips vollkommen einverstanden bist.
Was mich1 anbetrifft, so bin ich von Herzen bereit, der Festigung
der monarchischen und konservativen Grundlagen zu dienen, die für
Rußland und Österreich-Ungarn so ungemein wohltätig sind, und ich
werde alle Anstrengungen machen, um diese Schwierigkeiten freund-
schaftlich zu lösen und die unsere Reiche verbindenden traditionellen
Bande enger zu knüpfen.
Glaube bitte der innigen Freundschaft Deines Bruders und Freundes
Nicolai.“ x)
Nr. 442.
Der stellvertretende Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes Gesandter von Kiderlen2 3 * * * *) an den Gesandten
in Belgrad Prinzen von Ratibor.8)
Telegramm. Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Freiherm
von Griesinger.
Nr- 28. Berlin, den 10. November 1908.
Der russische Botschafter hat hier angeregt, es möchten die
Vertreter der Großmächte in Belgrad diejenigen Maßnahmen im ein-
2) Übersetzung aus dem Französischen.
2) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9110, S.267.
3) Der Gesandte in Bukarest von Kiderlen leitete in Vertretung des erkrankten
Staatssekretärs von Schoen die Geschäfte des Auswärtigen Amtes von 7.—3o. Novem-
j908* Auch nach der Rückkehr des Staatssekretärs auf seinen Posten verblieb
Kiderlen zur Hilfeleistung im Auswärtigen Amt bis zur Beendigung der bosnischen Krise
V** aP1* ' ’ ?r *n dieser Zeit gerade die wichtigsten Schriftstücke konzipiert und
überhaupt im Auswärtigen Amt die eigentlich leitende Rolle gespielt. Vgl. dazu
E.Jäckh, Kiderlen-Wächter, der Staatsmann und Mensch (1924), II, 5 ff. Kiderlen
4o
zelnen feststellen, durch welche die dortige Regierung auf
eine Provokation Österreich-Ungarns hinarbeitet, und
unter deren Aufzählung in identischer Form eine ernste Mahnung und
Verwarnung an serbische Regierung richten. Ew. pp. bitte ich, sich
hierüber mit Ihren Kollegen ins Benehmen zu setzen und einer der-
artigen Demarche sich anzuschließen1).
Nr. 443.
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtalès
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.*)
Ausfertigung.
Nr. 5o2. St. Petersburg, den i3. November 1908.
(Abgegeben am i4- November.)
Der serbische ehemalige Ministerpräsident Paschitsch, der in Beglei-
tung des Kronprinzen Georg hierhergekommen war, ist vorgestern von
Seiner Majestät dem Kaiser Nikolaus empfangen worden* 1 2 3) und wird
in einigen Tagen die Heimreise nach Belgrad antreten. Wie Herr
Iswolski mir gestern versicherte, ist Herr Paschitsch in gleicher Weise
wie der Kronprinz sehr ernst auf die Gefahren hingewiesen worden,
in welche Serbien sich durch eine Abenteuerpolitik begeben würde.
„Man kann uns,“ so lauten die Worte des Ministers, „nicht vorwerfen,
daß wir nicht alles getan haben, um Serbien von unbedachten Schritten
zurückzuhalten.“ Allerdings fügte Herr Iswolski hinzu, sei
auf Herrn Paschitsch nicht viel Verlaß: „Ce n’est pas un
selbst schreibt über seine Berliner Tätigkeit in einem; Briefe an die ihm nahestehende
russische Diplomatenfrau Marina de Jonina vom 7. März 1909 (Jäckh a.a.O. II, 24ff.);
«Je peux le dire que tout le travail du Ministère m’incombe, je suis encombré toute la
journée de personnes qui demandent des informatioins, et les Ambassadeurs ont aussi
pris la mauvaise habitude de s’adresser à moi au lieu d’aller voir le Ministre en, titre
qui ne fait rien et qui ne sait' rien. Ma situation est très délicate, au fond je ne suis
qu’un «aide» au ministère et en réalité tout le travail et toute la responsabilité sont entre
mes mains et même le chancelier ne s’adresse que directement à moi !» Diese Dar-
stellung wird, wie der Befund der Akten ergibt, weder dem Fürsten von Bülow noch
dem Staatssekretär von Schoen gerecht.
1) Soweit Verfasser damals in der Lage war, verschiedene Ansichten über den Einfluß
einzelner Persönlichkeiten im Auswärtigen Amte kennenzulernen, beruhte nach der
damaligen Auffassung der angesehensten Mitglieder des diplomatischen Korps Herrn von
Kiderlens angeführte Behauptung auf Richtigkeit. Obwohl bei vielen, seines schroffen
und ironischen Wesens, hinter dem sich aber ein verständnisvolles Empfinden und große
Herzensgüte verbarg, unbeliebt, genoß er seiner Fähigkeiten wegen hohe Achtung und
da er auch stets wußte, was er wollte und seinen Willen durchzusetzen verstand, war
er gerade von denjenigen, die Geradheit und Offenheit nicht liebten, sehr gefürchtet.
Der Inhalt seiner Konzepte und Weisungen bestätigt diese Auffassung ebenfalls zur
Genüge.
2) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9112, S. 268.
3) Vgl. dazu auch das Telegramm Paschitschs vom 12. November 1908 (Boghitsche-
witsch a.a.O., S. i49f-)* Demnach hätte der Zar zu dem serbischen Minister u.a. ge-
sagt, die bosnisch-herzegowinische Frage werde nur durch einen Krieg entschieden
werden.
homme sûr.“ Es sei daher wohl möglich, daß er, nach Hause zurück-
gekehrt, in einem von den ihm hier erteilten Ratschlägen sehr abwei-
chenden Sinne wirken werde. Jedenfalls aber werde Rußland dafür
ebensowenig verantwortlich gemacht werden können, wie für die Un-
vorsichtigkeiten des Kronprinzen.
Im allgemeinen sprach sich Herr Iswolski wieder sehr besorgt über
die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien aus, auf welche
er die gegenwärtige Spannung in der allgemeinen Lage hauptsächlich
zurückführt. „Nicht daß sich die Reziehungen zwischen Österreich-
Ungarn und Rußland verschärfen könnten, ist meine Hauptsorge, son-
dern vielmehr, daß an der ungarischen Grenze irgend etwas Unvor-
hergesehenes passiert.“ Der Minister äußerte dabei ernste Befürchtungen,
daß Österreich-Ungarn nur auf einen geeigneten Vorwand warte, um in
Serbien einzurücken. Meinen Einwand, daß die herausfordernde Haltung
Serbiens schon Vorwände genug geboten haben würde, wenn das
Wiener Kabinett wirklich nach solchen suche, wollte er nicht gelten
lassen. Es gebe, wie er meinte, eine einflußreiche Partei in Wien, welche
den Einmarsch in Serbien wünsche. Der friedlich gesinnte Kaiser Franz
Joseph sei allerdings gegen jedes kriegerische Unternehmen, es sei aber
sehr fraglich, ob der Monarch der Aktionspartei noch lange Wider-
stand leisten werde. „Bei Baron Aehrenthal,“ fügte Herr Iswolski bitter
hinzu, „muß man auf alles gefaßt sein. Ich kann Sie versichern, daß
ich, wenn ich das Ministerium einmal auf einige Stunden verlasse, in
der steten Angst lebe, bei meiner Rückkehr irgendeine Alarmnachricht
vorzufinden. Der Zustand nervöser Spannung, in der sich Europa gegen-
wärtig befindet, ist nachgerade unerträglich und kann nicht andauern.“
Ich beschränkte mich darauf zu erwidern, ich könnte mir nicht den-
ken, daß man in Belgrad so kopflos sein würde, sich in ein kriege-
risches Unternehmen einzulassen, ohne der russischen Unterstützung
sicher zu sein. Ich sei daher überzeugt, daß Seine Majestät der Kaiser
von Rußland und seine Regierung, indem sie den serbischen Thron-
folger und die anderen serbischen Abgesandten zur Ruhe ermahnten und
vor unbedachten Schritten warnten, dem europäischen Frieden einen
großen Dienst erwiesen hätten. Was Österreich-Ungarn betreffe, so
würde es mir schwer, an dessen kriegerische Absichten zu glauben.
Der Minister wies demgegenüber auf die beiderseitigen Rüstungen hin
und spottete darüber, daß man sich in Österreich-Ungarn überhaupt
um die angeblichen militärischen Vorbereitungen Serbiens kümmere.
Als ich darauf erwiderte, daß man sich nicht darüber wundern könne,
wenn Österreich-Ungarn angesichts der drohenden Haltung Serbiens
einige Vorsichtsmaßnahmen an seine Grenze zu treffen für nötig halte,
meinte der Minister, die militärische Leistungsfähigkeit Ser-
biens sei so gering anzuschlagen, daß Österreich-Ungarn gar
keine großen Anstrengungen zu machen brauche. Wenn das Wiener
4a
Kabinett es wirklich zum Konflikt treiben wolle, so würde die öster-
reichisch-ungarische Armee mit einem ernsten Widerstande überhaupt
nicht zu rechnen haben: „Ce ne serait pas une guerre, ce serait un simple
mouvement militaire.“ Ich hatte dabei von neuem den Eindruck, daß,
so unangenehm man hier ein militärisches Vorgehen Österreich-Ungarns
gegen seinen serbischen Nachbarn auch empfinden würde, ein Ein-
greifen Rußlands zugunsten Serbiens außerhalb jedejr
Wahrscheinlichkeit liegt. Wenn auch die Wogen des Pansla-
wismus gegenwärtig wieder höher gehen, so glaube ich doch, daß die
Gründe, welche Rußland in diesem Augenblick nötigen, auf jede krie-
gerische Politik zu verzichten, zu gewichtige sind, als daß die Regie-
rung sich in eine Richtung drängen lassen dürfte, deren Gefahren sie
deutlich erkennt, und die sie daher bis jetzt offenbar nicht einschla-
gen will. Man ist sich hier ganz klar darüber, daß ein Krieg den
finanziellen Ruin Rußlands und ein Wiederauflodem der Revolution
mit unabsehbaren Folgen bedeuten könnte1).
F. Pourtales.
Nr. 444.
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.9)
Ausfertigung.
Nr. 5o5. St. Petersburg, den i4- November 1908.
Auftragsgemäß habe ich Herrn Iswolski ein Exemplar des seine
Vorschläge für ein Konferenzprogramm enthaltenden Memorandums3)
mit den Abänderungen und Zusätzen der kaiserlichen Regierung über-
geben. Bei Entgegennahme dieses Schriftstückes betonte der Minister,
er nehme an, sich im Einverständnis mit Euerer Durchlaucht zu befin-
den, wenn er diesen Gedankenaustausch als einen ganz vertraulich zwi-
schen beiden Regierungen gepflogenen ansehe*). Herr Iswolski be-
merkte dann, daß er vom Wiener Kabinett noch kein Wort über dessen
Stellungnahme zu dem auch dorthin mitgeteilten, in London vereinbar-
ten Entwurf zu dem Konferenzprogramm vernommen habe. Wenn er
auch keinen Zweifel darüber habe, daß in den beiden Hauptpunkten:
bezüglich der Annexion und der Kompensationsfrage, auf einen ab-
x) Vgl. jedoch Iswolskis eigene Äußerung zu dem -russischen Botschafter in Paris,
Nelidow, vom 5. November: ,,Es bleibt die Gjefahr eines austro-serbischen Konfliktes,
des gefährlichsten von allen. Wir tun und wir werden alles in unserer Macht Stehende
tun, um einem solchen Konflikte vorzubeugen; aber wenn er ausbrechen sollte, so
würde in demselben Augenblicke die Möglichkeit eines allgemeinen Krieges in nächste
Nähe gerückt.“ B. v. Siebert, Diplomatische Aktenstücke zur Geschichte der Entente-
politik der Vorkriegsjahre S. 73.
2) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. gi3i, S.291.
3) Siehe Nr. 9129. In unserer Aktensammlung nicht enthalten.
43
lehnenden Standpunkt der österreichisch-ungarischen Regierung gerech-
net werden müsse, so sei ihm eine direkte Äußerung in dieser Beziehung
österreichisch-ungarischerseits noch nicht zugegangen**). Er frage sich,
was Baron Aehrenthal mit dieser Verzögerung bezwecke. Auf die
Schwierigkeiten übergehend, welche sich aus der zu erwartenden Stel-
lungnahme Österreich-Ungams und aus unserem Standpunkt zu dem
Programmentwurf ergeben würden, meinte der Minister, man dürfe
nicht aus dem Auge verlieren, daß bei dem gegenwärtigen vertraulichen
und vorbereitenden Gedankenaustausch die Mächte noch keineswegs in
die Lage kämen, offiziell zu den Hauptfragen, wegen welcher der Kon-
ferenzgedanke aufgetaucht sei, Stellung zu nehmen***). Auch wenn die
Vorberatungen für ein Konferenzprogramm zu keiner Einigung führ-
ten, so würden die Kabinette doch nicht darum herumkommen, sich
zu der Frage der durch' die Annexion Bosniens und der Herzegowina,
beziehungsweise durch die Unabhängigkeitserklärung Bulgariens er-
folgten Verletzung von Artikeln des Berliner Vertrages zu äußern. Der
Minister schien andeuten zu wollen, daß Rußland nach den gegenwärtig
noch im Gang befindlichen vertraulichen Pourparlers offiziell Schritte
bei den einzelnen Kabinetten tun würde, um diese zu einer offiziellen
Stellungnahme zu der bosnischen Frage zu veranlassen. Wie sich der
Minister die weitere Entwicklung der Dinge denkt, ging aus seinen
Äußerungen nicht ganz klar hervor, er wollte auch offenbar vermeiden,
seine Gedanken in eine zu präzise Form zu kleiden. Was ihm vorschwebt,
ging aber deutlich aus der Äußerung hervor: „Man wird ja sehen, ob
Rußland mit seiner Auffassung allein dasteht, daß ein durch einen
internationalen Vertrag geschaffener Zustand nicht von einer Macht
allein zu ihren Gunsten umgestoßen werden kann.“
Die Eventualität eines Nichtzustandekommens der Konferenz scheint,
wie aus den Äußerungen des Herrn Iswolski und des Herrn Stolypin
hervorgeht, zurzeit in den Bereich der Erwägungen der leitenden Per-
sönlichkeiten gezogen zu werden. Die panslawistischen und ser-
bischen Kreise arbeiten offen darauf hin, die Konfe-
renz scheitern zu lassen, um auf diese Weise zu erreichen, daß
die Frage der Anerkennung der Annexion Bosniens und der Her-
zegowina eine offene bleibt. Ihre Hoffnungen gründen sich dar-
auf, daß Rußland, welches durch die Macht der Verhältnisse jetzt
zu einer mehr oder minder passiven Rolle verurteilt ist, in einigen
Jahren in der Lage sein wird, den Serben in einer wirk-
sameren Weise zu helfen als jetzt. Als ich neulich mit dem ser-
bischen Gesandten1), mit dem ich persönlich auf sehr gutem Fuße stehe,
die Lage besprach1, gab dieser ganz deutlich zu verstehen, daß, wenn
Serbien die verlangten territorialen Kompensationen nicht erhalten könne, *)
*) D. Popowitsch.
44
er vor allem auf ein Offenlassen der bosnischen Frage Wert legen
müsse. Solange die Annexion nicht von allen Mächten anerkannt sei,
bleibe immer noch Hoffnung auf Erfüllung der serbischen Wünsche.
Wer könne wissen, wie in fünf oder zehn Jahren die Lage Europas
aussehen werde? „Das heißt also soviel,“ warf ich ein, „daß Sie Ihre
Hoffnung auf eine allgemeine europäische Konflagration setzen?“ Der
Gesandte antwortete auf die Frage nur mit einem Achselzucken. Auf
meine weitere Bemerkung, daß mir in einer solchen Politik eine große
Gefahr nicht nur für den europäischen Frieden, sondern
noch viel mehr für die Existenz Serbiens zu liegen scheine, gab
der Gesandte dies vollkommen zu, er fügte aber hinzu, die Stimmung in
Serbien sei derart erregt, daßi, falls jetzt mit oder ohne Konferenz die
Annexion Bosniens und der Herzegowina anerkannt würde und die „be-
rechtigten“ Wünsche auf Kompensation dabei keine Berücksichtigung
fänden, seine Landsleute, so toll dieses Unternehmen, wie er vollkommen
einsähe, auch sei, sich schwer davon abhalten lassen würden, zur Selbst-
hilfe zu greifen. E. Pourtales.
Randbemerkungen des Fürsten von Bülow:
*) Gewiß.
**) Warum solche Eile?
***) Verhandlungen von Kabinett zu Kabinett erscheinen ungefährlicher und aus-
sichtsvoller als eine Konferenz ohne vorhergegangene völlige und wörtliche Einigung
unter den Kabinetten.
Nr. 445.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an das|Auswärtige Amt.1)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 4io. Wien, den 20. November 1908.
Geheim.
Britischer Geschäftsträger2) hat Auftrag seiner Regierung erhalten,
sich mit den Vertretern Deutschlands, Rußlands, Frankreichs und
Italiens ins Einvernehmen zu setzen wegen Mitteilung der diesen Mäch-
ten auf deren jüngste Vorstellungen in Belgrad von der serbischen Re-
gierung erteilten Antwort. Text dieser Antwort hat englischer Geschäfts-
träger jedem der Vertreter übergeben.
Italienischer und französischer Botschafter haben daraufhin um tele-
graphische Instruktionen ihrer Regierungen gebeten.
England scheint damit der Sache den Charakter eines Kollektiv-
schrittes der Mächte unter seiner Führung bei der K. und K. Regierung
geben zu wollen.
!) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9119, S.275.
2) L. D. Carnegie.
45
Militärattache hat heute im Generalstab die Unrichtigkeit der in der
serbischen Antwort in betreff der Bildung von Banden abgegebenen Ver-
sieh erung festgestellt *).
Tschirschky.
Nr. 446.
Kaiser Franz Joseph an Zar Nicolai II.2)
Wien, den
24. November
7. Dezember
1908.
„Mein teurer Freund!
Es war mir eine große Freude, durch den Großfürsten Michael den
Brief zu erhalten, in dem Du meines Jubiläums gedacht hast; das trau-
rige Ereignis, welches Deinen Bruder im Kreise der Angehörigen zu-
rückhielt 8), hat mich aufrichtig betrübt. Was Deine Wünsche anbe-
trifft, denen sich auch die Kaiserin anzuschließen wünschte, so haben
sie die gefühlvollsten Seiten meines Herzens berührt. Deine Freund-
schaft, die Du mir schenkst, ist mir aus vielen Gründen teuer, und ich
schätze sie besonders in einem Augenblicke, da ich nach einer sechzig-
jährigen Regierung voller Sorgen und Arbeit nicht ohne Erregung die
Etappen dieser Regierung in meinem Geiste vorüberziehen lasse.
In dieser verflossenen Zeitspanne haben die Beziehungen zwischen un-
seren Herrscherhäusern (trönes) eine wichtige Rolle gespielt. Ich habe
mich bemüht, sie zu stärken, nicht nur aus dem Gefühl der Anhänglich-
keit heraus, sondern auch aus Pflicht meinen Völkern gegenüber.
Entgegen meinen persönlichen Sympathien mußte ich bald nach mei-
ner Thronbesteigung erkennen, daß die mit dem Schicksal sowohl Ruß-
lands wie auch' meiner Monarchie zusammenhängenden Fragen nicht
mit Hilfe einer offenen Bündnispolitik geregelt werden konnten; die
!) In einem Bericht des Militärattaches Graf Kageneck Nr. 69 vom 20. November
heißt es darüber:
„Die auf die gemeinsame Demarche der Großmächte in Belgrad erteilte Antwort
Serbiens, in der die Regierung die kriegerischen Vorbereitungen und jede Bandeu-
hildung ableugnet, wird im k. und k. Generalstab mit Recht als der Wahrheit hohn-
sprechend bezeichnet.
Heute zeigt man mir, mit der Bitte strengster Geheimhaltung, im Evidenzbureau
eine Skizze, in der nach den letzten Nachrichten; die Standorte der serbischen Banden
eingezeichnet sind. Von der Drinamündung ab bis einschließlich Sand -
schak sind 17 organisierte serbische Banden in der Nähe der öster-
reichischen Grenze festgestellt. Man kennt auch die Namen der meisten
Führer. Die Stärke jeder Bande beläuft sich auf 3o Gewehre, Ausrüstung i4o Pa-
tronen pro Gewehr, ferner 5o Bomben und einige Kilogramm Dynamit. Einzelne Ban-
den sollen noch nicht fertig ausgerüstet sein.“
2) „Kriegsschuldfrage“ April 1926. Siehe S.22.
8) Der Tod des Großfürsten Alexej Alexandro witsch.
46
nationalen und geographischen Bedingungen beider Reiche waren zu
verschieden, als daß es möglich gewesen wäre, immer zur Erreichung
ein und desselben Endzieles Hand in Hand zu gehen. Mit mir erkannten
auch Deine Vorfahren, daß der Gegensatz in den Bestrebungen unserer
Völker uns zu ständiger Wachsamkeit verpflichtete und uns den Gedan-
ken einflößte, die Folgen dieses Gegensatzes mit Hilfe fester Freund-
schaftsbande und des Vertrauens zwischen unseren Häusern auszu-
gleichen.
Ich habe dieses Prinzip zur Grundlage meiner Politik gemacht, die in
der Ausnutzung aller der Interessenannäherung unserer Staaten förder-
lichen Umstände bestand, sowie andererseits in der wohlwollenden und
ruhigen Betrachtung der Unstimmigkeiten, die bei einem Zusammen-
prall der Interessen entstehen könnten.
Diese von Deinen Vorgängern geteilte Politik ist für Rußland nicht
resultatlos verlaufen; sie hat es vor Gefahren bewahrt und ihm positive
Vorteile verschafft. Sie gestattete Alexander II., den Krieg mit der
Türkei zu beginnen und die Früchte des Sieges nicht nur zum Wohle
Rußlands, sondern auch zum Wohle der Völkerschaften des Balkans
zu pflücken.
Ich brauche Dich nicht an die Gefahrenmomente zu erinnern, die
zeitweilig anläßlich der Balkanfrage während der Regierung Deines
seligen Vaters entstanden. Unser guter Wille hat in dieser Zeit der erreg-
ten öffentlichen Meinung und ihrer unruhigen Ansprüche (velléités) die
Oberhand behalten.
Auch später hat Deine erleuchtete (éclairée) Freundschaft uns dazu ge-
bracht, durch das Abkommen vom Jahre 1897, das berufen war, die
europäische Politik auf den Balkan zu richten, einen großen Schritt vojy
wärts zu tun. Scheinbar stand dieses Abkommen als der Beginn einer
neuen Politik im Gegensätze zu den bisherigen Traditionen; in Wahr-
heit bedeutete es aber nur die Entwickelung jener Beziehungen, die
durch zwanzigjährige Prüfungen erprobt waren.
Zu meiner Befriedigung gab mir diese Annäherung die Möglichkeit,
eine Politik des freundschaftlichen Einvernehmens mit Rußland zu füh-
ren. Nicht nur, daß ich mich jenes Dokuments, das Österreich-Ungarn
die volle Freiheit gab, seine wirtschaftlichen Interessen auf dem Balkan
zu entwickeln, nicht bedient habe, nein, auch in der Zeit, da Du im fer-
nen Osten einen schweren Krieg führtest, und in der Zeit der darauf
für Rußland folgenden Unruhen habe ich diese materiellen Interessen
verleugnet, nur um Dich auch nur vor dem Schatten irgendeiner Un-
ruhe Europa gegenüber zu bewahren.
Jetzt endlich, als ich im Bestreben, den verwundbarsten Punkt meiner
Länder zu schützen, es für meine Pflicht hielt, entscheidende Maß^-
nahmen in bezug auf Bosnien und die Herzegowina zu treffen — Maß>-
nahmen, die auch in unseren früheren Verpflichtungen figurieren, als
47
Gegengewicht gegen den territorialen Zuwachs und den Einfluß des rus-
sischen Reiches —, habe ich, treu den Traditionen meiner Politik,
Dein Reich meinem Projekt angegliedert, ihm wesentliche Vorteile
einräumend.
Du schreibst in Deinem Brief vom 22. Oktober (4- November), daß
Du Dich verpflichtet fühlst, bezüglich des Textes, auf den meine Re-
gierung sich zur Verteidigung meiner letzten Handlungsweise berufen
könnte, zu warnen. Glaube mir, mein teurer Freund, daß es mir nicht
in den Sinn gekommen ist, mich dieser Dokumente zur Rechtfertigung
meines Schritts vor Europa und vor Dir zu bedienen. Ebensowenig habe
ich in dieser Unterhaltung mit Dir im Sinne, auf Dein Urteil hinsicht-
lich meiner Diplomatie einzuwirken. Ich wünsche nur, Du sollst wissen,
daß ich im vorliegenden Falle Dir gegenüber meine unveränderliche
Loyalität bewahrt habe, nichts unternommen habe, was nicht früher
von Deinen Vorfahren und kürzlich auch von Deiner Regierung gebilligt
worden ist, die mir vorgeschlagen hat, meine Besitzungen über die von
mir festgesetzten Grenzen auszudehnen. Ich muß Dir sagen, daß das
Mißtrauen, das Du meinen Absichten entgegenbringst, mich betrübt
hat, und daß es bei Erwähnung jener Grundlagen, von denen ich nicht
abzuweichen denke, zu Tage getreten ist; meiner Ansicht nach hätten
diese Grundlagen wohl einem Gegner gegenüber erwähnt werden kön-
nen, nicht aber gegenüber einem aufrichtigen Freunde, der sich für
Deine Interessen und Deine Wünsche eingesetzt hat, bevor er zu Maß-
nahmen griff, deren Vorteil einerseits auf das Prestige Deines Reiches,
wie andererseits auf die Sicherheit des Meinigen, ein wirken muß.
Muß ich Dir denn wirklich sagen, daß ich das Mittel des fait accompli
auf Grund ernster Erwägungen gewählt habe? Es liegt doch auf der
Hand, tdaß die Türkei, und unter den obwaltenden Umständen auch
einige andere Staaten, mir eine Absage erteilt oder zum mindesten mit
ihrer Einverständniserklärung gefeilscht hätten, wenn ich sie vorher
darum angegangen hätte. Die Druckmittel, die gegenwärtig Österreich-
Ungarn gegenüber angewandt werden, wären gleich angesetzt worden,
und die Aufrollung dieser Frage hätte von seiten der kleinen slawischen
Staaten viel stärkere Proteste hervorgerufen, als die, mit denen ich es
jetzt nach vollendeter Tatsache zu tun habe. Wahrscheinlich hätte man
zu den Waffen greifen müssen, und zwar in einer Angelegenheit, deren
Endziel der Aufschub blutiger Zusammenstöße auf dem Balkan ist.
Deine erneute brüderliche Handlungsweise, teurer Freund, für die
ich Dir nochmals meine Dankbarkeit ausdrücke, gibt mir Gelegenheit,
Dir meine Auffassung von der auf mir ruhenden heiligen Pflicht darzu-
legen, wie die Überzeugungen, von denen ich mich habe leiten lassen
während meiner Regierung, deren Jubiläum ich eben gefeiert habe, und
während meines langen von gottgesandten Prüfungen erfüllten Lebens.
Ich wollte Dich meiner Treue zu den Prinzipien, von denen ich mich
48
bis heute haben leiten lassen, versichern, sowie meines festen Entschlus-
ses, ihnen auf dem Wege, den ich mir seiner Zeit erwählt habe, treu
zu bleiben. Möge Gott Dein Vertrauen zu mir und Deine Freundschaft
im Interesse unserer Throne und unserer Völker erhalten.
Glaube bitte den Gefühlen der innigen Anhänglichkeit Deines Bruders
und Freundes
Franz Joseph.1)
Nr. 447.
Der österreichisch-ungarische Minister des Äußern
Freiherr von Aehrenthal an den Reichskanzler
Fürsten von Bülow.* 2)
Privatbrief 3). Ausf ertigung.
Wien, den 8. Dezember 1908.
Durch Herrn von Tschirschky und Szögyenyi stehen wir in fort-
laufendem Gedankenaustausche, auf Grund dessen ich mit Befriedigung
konstatiere, daß wir uns in allen Haupt- und Nebenfragen der gegen-
wärtigen politischen Verwicklung in vollster Übereinstimmung befin-
den. Nichtsdestoweniger lege ich großen Wert auf die Aufrechterhal-
tung unserer direkten Korrespondenz, die mir, von ihrem praktischen
Werte ganz abgesehen, zu einem wirklichen persönlichen Bedürfnis
geworden ist.
Ich will nunmehr auf den sehr interessanten Inhalt Ihres Schreibens
vom 3o. Oktober4) zurückkommen, für welches ich Ihnen gleich nach
dessen Empfang durch Herrn von Tschirschky meinen wärmsten Dank
abstatten ließ.
Zunächst will ich meine lebhafte Freude und Befriedigung für die
im Schreiben aufgenommene Wiederholung der Zusicherung ausspre-
chen, daß Deutschland in der bosnischen Frage fest zu Österreich-
Ungarn steht. Sie haben die so wertvolle Erklärung über die bundes-
freundliche Haltung des Deutschen Reiches noch durch die weitere
wichtige Mitteilung verstärkt, daß Sie sich weder durch die Besorgnis
des Herrn Clemenceau noch durch etwaige russische Maßnahmen an
der deutschen Ostgrenze beeinflussen lassen werden.
x) Original in französischer Sprache.
2) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9145, S.3i2.
3) Es werden hier nur diejenigen Teile des Aehrenthalschen Schreibens mitgeteilt,
die den Zwiespalt mit Iswolski und die etwaige Rückwirkung der Krise auf den Drei-
bund, insbesondere das Verhältnis zu Italien, betreffen. Die ausgelassenen Teile des
Schreibens, die die österreichischen Beziehungen zur Türkei und zu Serbien behandeln,
sind abgedruckt in Kap. CCI, Nr. 9243 und Kap. GXGVII, Nr. 9127.
*) Siehe Kap. CXCVI, Nr. 9079.
4 Boghitscliewitscli, Serbien. II.
4g
Seit dem Besuche Herrn Iswolskis in Berlin hat der Konferenz-
gedanke sozusagen keinen Fortschritt gemacht. Das Kabinett von
St. Petersburg hat sich darauf beschränkt, uns die Konferenzpunkte
ohne nähere Erörterung mitzuteilen. Wir haben darauf die Ihnen be-
kannte Antwort erteilt. Herr Iswolski hat unsere Stellungnahme zum
Konferenzprogramm mit einer seinen persönlichen Gefühlen ange-
paßten sophistischen und sehr zugespitzten Argumentation beantwortet.
In seinem betreffenden Aide-mémoire, das Szôgyényi Ihnen mit unserer
Antwort übergeben wird1), konstatiert Iswolski zunächst die Notwendig-
keit eines Einvernehmens über alle Punkte des Konferenzprogrammes.
Im unmittelbaren Anschlüsse hieran und im Widerspruche mit diesem
Gedanken verlangt er vollkommene Diskussionsfreiheit bei der Erörte-
rung der bosnischen Frage. Dieser Anspruch wird durch eine sehr
ausführliche Berufung auf das Londoner Protokoll vom Jahre 1871
zu erhärten gesucht.
In Übereinstimmung mit Ihrer Auffassung habe ich es nicht für
nötig gehalten, eine besondere Eile bei der Beantwortung des russischen
Mémoires an den Tag zu legen. Unser Standpunkt ist unverändert
derselbe, daß wir eine Konferenz nur dann akzeptieren können, wenn
über alle Punkte ein vorgängiges Einvernehmen zwischen den Mächten
hergestellt sein wird, mit anderen Worten, wenn der Erörterung im
Schoße der Konferenz im vorhinein gewisse feste Grenzen durch Auf-
stellung entsprechender Formeln gezogen werden. Ich habe es für nötig
gefunden, Herrn Iswolski darauf aufmerksam zu machen, daß eine
uneingeschränkte Diskussion auch für Rußland nicht
genehm sein und jedenfalls nicht die Garantie für eine rasche und
befriedigende Lösung der der Konferenz zugewiesenen Aufgabe bieten
könnte. Infolge des hartnäckig gegen uns betriebenen türkischen Boy-
kottes* 2) hat die frühere Niedergeschlagenheit Iswolski’s einer zuver-
sichtlichen, direkt unfreundlichen Haltung uns gegenüber Platz ge-
macht. Ich gebe mich daher keiner Illusion über die Aufnahme hin,
welche mein jüngstes Memoire bei dem Leiter der auswärtigen Ange-
legenheiten Rußlands finden wird, wiewohl aus Äußerungen maß-
gebender Persönlichkeiten in London und Paris gefolgert werden kann,
daß diese beiden Kabinette hinsichtlich der Sicherung des Konferenz-
gedankens durch Aufstellung entsprechender, vorher zu vereinbarender
Formeln beinahe auf demselben Standpunkte stehen wie wir.
Mit Rücksicht auf die aufgewühlte Stimmung an der Newa und die
ims direkt feindliche Persönlichkeit Herrn Iswolskis erschien es mir
dringend erwünscht, mich über die Dispositionen Kaiser Nikolaus* zu
vergewissern. Graf Berchtold erhielt den Auftrag, gelegentlich der Über-
reichung des Jubiläumkreuzes gegenüber dem Kaiser die gegenwärtige
*) Vgl. Nr. 9134, Fußnote und Nr. 9144, Fußnote.
2) Vgl. dazu Kap. CCI.
5o
politische Situation zu berühren. Der höchste Herr ging bereitwilligst
darauf ein und, wie Sie der mitfolgenden brieflichen Relation des Bot-
schafters1) entnehmen werden, die ich Sie durch Szögyenyi mir ge-
legentlich zurückzustellen bitte, lauteten die Zusicherungen des Kaisers
recht befriedigend. Die Frage ist nur, ob die geringe Festigkeit Kaiser
Nikolaus’, der gewiß von guten Intentionen für uns beseelt ist, gegen-
über den perfiden Ausstreuungen seines Ministers des Äußern und
gegenüber dem Geschrei der panslawistischen Presse standhalten wird.
Zum Zwecke der vollständigen Aufklärung Kaiser Nikolaus* und auch1
um auf gewisse, nicht sehr freundschaftliche Hinweise zu reflektieren,
welche in höchstdessen Schreiben nach der Notifikation der Annexion
Bosniens enthalten waren, hat sich mein allergnädigster Herr ent-
schlossen, ein längeres, sehr freundschaftlich gehaltenes, aber zugleich
unseren Standpunkt in bestimmter Weise betonendes Schreiben nach
Petersburg zu richten. Von diesem Schreiben möchte ich mir einen
gewissen Effekt auf die weitere Haltung der russischen Regierung im
Sinne eines Entgegenkommens erwarten. Aus diesem Grunde habe
ich bisher von den Waffen, die mir zur Verfügung stehen,
um die verlogene Politik Herrn Iswolskis zu entlarven,
so gut wie keinen oder doch nur einen sehr diskreten Ge-
brauch gemacht. Ich glaube, daß diese Zurückhaltung politisch
vollständig motiviert ist durch die Rücksichtnahme auf die fernere Ge-
staltung unserer Beziehungen zu Rußland. Außerdem haben gewisse
Indiskretionen in einem ungarischen Blatte* 2) und die jüngsten Ent-
hüllungen des Herrn Milowanowitsch in der „Nowoje Wremja“3) das
Thema der Mitwisserschaft des Herrn Iswolski an der Annexionspolitik
über jeden Zweifel erhoben.
*) Hier nicht abgedruckt.
2) Es handelt sich dabei um einen Leitartikel des „Neuen Pester Journals", vom
24. November 1908, der Enthüllungen über die Reichstädter Punktationen von 1876,
die russisch-österreichischen Geheimverträge von 1877 unä über den Berliner Vertrag
von 1878 enthielt.
3) Nach einer telegraphischen Meldung des Belgrader Korrespondenten der „Nowoje
Wremja" von Anfang Dezember hätte Iswolski noch vor seinem Besuche in Buchlauj
zu Milowanowitsch gesagt, Österreich beabsichtige Bosnien zu annektieren und er sehe
keine Möglichkeit, dies zu verhindern; das einzige, was möglich bleibe, sei, entspre-
chende Kompensationen für Serbien und Rußland ins Auge zu fassen. Tatsächlich hat
Iswolski dem serbischen Außenminister schon im September 1908 in Karlsbad Yon der
bevorstehenden Annexion Bosniens und der Herzegowina Kenntnis gegeben. Mit
Iswolski ist Milowanowitsch damals selbst der Auffassung gewesen, daß im Hinblick auf
die Räumung des Sandschaks die Annexion für Serbien annehmbar sei. Bericht des
serbischen Gesandten in Paris Wesnitsch vom 5. Oktober 1908, Boghitschewitsch,
Kriegsursachen (1919), S. IÖ2; vgl. Kap. CXCVII, Nr. 9091, S.2Ö2, Fußnote. Am
25. Oktober hatte dann Milowanowitsch in Berlin eine neue Zusammenkunft mit
Iswolski, bei der dieser die Hoffnung aussprach, daß die Annexion sich bald an
Österreich-Ungarn blutig rächen werde; fürs erste freilich müsse ein kriegerischer
Zusammenstoß vermieden werden, da weder diplomatisch noch militärisch, das Terrain
vorbereitet sei. Bericht Milowanowitsch’s vom 25. Oktober 1908, Boghitschewitsch
a. a. O., S. 161 ff.
5i
-2
Italien betreffend haben Sie in Ihrer heutigen Rede1), zu der ich
Sie herzlichst beglückwünsche, und für deren die Unterstützung un-
serer Politik betreffende Ausführungen ich Ihnen wärmstens danke,
das sehr richtige Wort ausgesprochen, indem Sie das Dictum Nigras
zitierten, daß Italien nur entweder als Freund oder als Gegner Österreich-
Ungarns gedacht werden könne. Die letzte Kammerdebatte stand unter
dem Zeichen des Unmutes, daß Italien in der gegenwärtigen Krise
keine besondere Rolle spielen oder Kompensationsansprüche anmelden
könne. Darin zeigt sich die Wirkung unserer militärischen Stellung
an der italienischen Grenze, an der wir festhalten müssen, dabei aber
selbstverständlich immer von dem Restreben geleitet, die Differenzen
zwischen uns und Italien auszugleichen. Giolitti hat zu meiner großen
Refriedigung nebst einem warmen Eintreten für den Dreibund sich auch
speziell den von mir wiederholt ausgesprochenen Satz zu eigen gemacht,
daß nämlich die Differenzen zwischen uns und Italien keine solchen
sind, daß sie nicht mit einigem guten Willen überbrückt werden könnten.
Trotz des Eintretens Giolittis für den Dreibund und des Umstandes,
daß unsere Allianz bis zum Jahre 1914 dauert, ist die Frage in den
gegenwärtigen ernsten Zeiten wohl am Platze, ob wir uns im Notfälle
auf diesen unseren Dritten im Runde wirklich werden verlassen kön-
nen. Ihre Ansicht darüber zu hören, wäre mir von großem Interesse.
Bekanntlich sind alle unsere Vorbereitungen für den Fall eines euro-
päischen Konfliktes auf der Grundlage des Dreibundvertrages auf gebaut.
Ich möchte die Ansicht aussprechen, daß es vielleicht nicht überflüssig
wäre, wenn im Laufe des Winters General von Moltke und General der
Infanterie von Conrad über eine solche Eventualität in einen schrift-
lichen Gedankenaustausch miteinander treten könnten, welcher die Sup-
position einer Neutralität Italiens in Betracht ziehen würde. Wenn Sie
meine Ansicht richtig finden, so würde ich nach Einholung der Be-
fehle Seiner Majestät meines allergnädigsten Herrn mit General der i)
i) Am 8. Dezember 1908 hatte Fürst Bülow sich im Reichstage über die außen-
politische Lage in einer größeren Rede ausgelassen. Er unterstrich in ihr neben der
Zurückhaltung Deutschlands in orientalischen Dingen die „Treue zu: dem uns verbün-
deten Österreich-Ungarn“. Allerdings klang ein leises Monitum, durch, wenn Fürst
Bülow hervorhob: „Wir sind von der Absicht der österreichisch-ungarischen Regierung,
die Okkupation Bosniens und der Herzegowina in eine Annexion zu verwandeln, un-
gefähr gleichzeitig mit Italien und Rußland unterrichtet worden. Der Zeitpunkt und
die Form der Annexion waren uns allerdings vorher nicht bekannt. Ich denke nicht
daran, das dem Wiener Kabinett übel zu nehmen. Offen gestanden: Ich bin ihm sogar
dankbar dafür. Die österreichisch-ungarische Monarchie kann und muß selbständig be-
urteilen, welche Fragen für sie Lebensfragen sind und wie sie solche Lebensfragen be-
handeln will. Dann aber betont Fürst Bülow: „Wir haben keinen Augenblick gezögert,
nicht nur nichts zu tun, was den österreichisch-ungarischen Interessen hinderlich wäre,
sondern auch diese Interessen nach Möglichkeit zu unterstützen.“ Im weiteren Verlauf
seiner Rede berührt Fürst Bülow auch die österreichisch-italienischen Beziehungen
unter Hinweis auf einen Ausspruch des früheren italienischen Botschafters in Wien
Graf Nigra: Italien könne mit Österreich-Ungarn nur verbündet oder befeindet sein,
und auf eine dreibundfreundliche Rede des italienischen Ministerpräsidenten Giolitti.
52
Infanterie von Conrad das Nötige besprechen, damit er sich mit seinem
Kollegen in Berlin in Verbindung setze. Um meinen Gedanken heute
präzis auszudrücken, möchte ich noch hinzufügen, daß ich nicht glaube,
daß im Falle eines russischen Angriffes auf Österreich-Ungarn Italien
sein Wort brechen und sich an die Seite unserer Gegner stellen würde1).
Aehrenthal.
Nr, 448.
Zar Nicolai II. an Kaiser Franz Joseph.1 2)
Zarskoje Selo, den 4*/I7* Dezember 1908.
„Mein teurer Freund!
Ich war tief gerührt von den herzlichen Ausdrücken Deines Briefes
und fühle meinerseits das Bedürfnis, offen mit Dir über die Beziehungen
zu sprechen, die gegenwärtig zwischen unseren Reichen bestehen; leider
ist in diesen Beziehungen in der letzten Zeit eine Änderung eingetreten,
die mich tief betrübt. Du weißt, wie ich stets dem Abkommen3 * *),
unserem gemeinsamen und persönlichen Werk, ergeben war; hat es
doch im Laufe von 10 Jahren den friedlichen Gang der Ereignisse auf
dem Balkan sichergestellt.
Und wenn gegenwärtig dieser Zustand dem Gefühl allgemeiner Auf-
regung gewichen ist, so ist Rußland selbstverständlich hierfür nicht
die Ursache.
In vollständiger Übereinstimmung mit meinem Willen ist meine Re-
gierung pedantisch den Handlungen treu geblieben, die wir gemeinsam
in Mazedonien unternommen haben; es ist Deinem Außenminister Vor-
behalten geblieben, unserem Abkommen den ersten Schlag zu versetzen.
Muß1 ich Dir die betrüblichen Ereignisse des letzten Winters ins Gedächt-
nis rufen?
Während ich vollkommen überzeugt war, daß wir in Anbetracht der
freundschaftlichen Verhandlungen unserer Minister in Wien in vollstän-
digem Einvernehmen handeln werden, ist Baron Aehrenthal unvermutet
von unserer Linie abgewichen; ohne uns zu verständigen, präsentierte
er sein Projekt der Sandschakbahn und ließ den von unseren Kabinetten
gemeinsam ausgearbeiteten Plan der juristischen Reformen in Maze-
donien fallen.
Du weißt, wie sehr ich bemüht war, einen Bruch unseres Einver-
nehmens zu vermeiden. Um es wiederherzustellen, befahl ich Iswolski
in diesem Herbst mit Baron Aehrenthal zu verhandeln. Dieser entwickelte
1) Zu den letzteren Ausführungen Aehrenthals vgl. Fürst Bülows Mitteilung an Bot-
schafter Tschirschky vom i5. Dezember in Nr. 9156.
2) „Kriegsschuldfrage“ April 1926.
3) Das Abkommen von 1908. (Soll wohl 1897 heißen! Vgl. Pribram: „Die
politischen Geheimverträge Österreich-Ungarns 1879—1914“. Seite 78 ff. Die
Schriftleitung der „Kriegsschuldfrage11.)
53
während der Verhandlungen neue Pläne, die nur den normalen Ver-
lauf der Dinge und das gute Einvernehmen zwischen beiden Reichen
stören mußten. Nichtsdestoweniger bemühte sich mein Außenminister,
von den friedlichsten Bestrebungen beseelt, Mittel ausfindig zu machen,
mit deren Hilfe die Annexionsfrage, die er zwecks einer freundschaft-
lichen Lösung aufzurollen im Auge hatte, erledigt werden könnte.
Vor allem lenkte Herr Iswolski seine Aufmerksamkeit auf die Er-
regung, welche diese Frage nicht nur in Rußland, sondern auch unter
den Balkanvölkerschaften auslösen mußte; dann wies er ihn auf die
Bedingungen hin, unter denen wir ungeachtet aller bei dieser Frage
bevorstehenden Schwierigkeiten in der Lage wären, Österreich-Ungarn
gegenüber eine freundschaftliche Haltung einzunehmen; er erklärte ihm
offen, daß wir von der These, an der wir immer festgehalten haben,
nicht abgehen können, nämlich der These, daß die Annexion von Bos-
nien und der Herzegowina eine allgemein-europäische Bedeutung hat und
nur mit dem Einverständnis der Mächte gelöst werden kann; es wurde
sogar der Ort und die Zeit einer solchen Konferenz erörtert. Schließ-
lich erhielt Iswolski von Baron Aehrenthal die Zusicherung, daß er
rechtzeitig von dem Entschlüsse Deiner Regierung verständigt werden
wird. Ich wiar vollkommen überzeugt, daß der Gedankenaustausch zwi-
schen beiden Ministern mir vorher zur Prüfung vorgelegt werden
muß1), worauf das von ihnen im Entwurf fertig gestellte Abkommen
meine Bestätigung erhalten wird.
Ohne aber meine Antwort abzuwarten, hat Baron Ährenthal uns vor
die vollendete Tatsache gestellt, nachdem er uns hiervon nur 2 4 Stunden
vordem verständigte und sich nicht im geringsten an die von meinem
Minister formulierten Ein wände kehrte; alles dieses hinderte ihn zudem
nicht, zu erklären, daßi er in vollem Einvernehmen mit uns handelt.
Gleichzeitig verbreiteten Deine Gesandten im Auslande die Ansicht, daß
die Annexion die Mächte nichts angehe und daß Österreich-Ungarn
an einer Konferenz nicht teilnehmen werde.
Du weißt, welchen Sturm diese schroffe Handlungsweise in ganz
Europa erregte. Baron Aehrenthal, der so viele Jahre unter uns gelebt
hat* 2), mußte die Erregung der öffentlichen Meinung voraussehen, die
hierdurch in Rußland hervorgerufen worden ist und die meiner Regie-
rung so viel Schwierigkeiten gemacht hat und noch fortgesetzt macht.
Du, mein teurer Freund, wirst es gleichfalls verstehen, wie sehr ich
persönlich durch die Handlungsweise Deines Ministers gekränkt (froissé)
worden bin. Ungeachtet dessen, hat mein Kabinett unablässig alles unter-
nommen, um die Gemüter in Rußland, wie auch unter den Balkanvölkern
zu beruhigen. Inmitten aller dieser Schwierigkeiten ist mein Kabinett
*) Nach der Zusammenkunft mit Aehrenthal bereiste Iswolski ,die europäischen
Hauptstädte, während Österreich diese Zeit zur Annexionserklärung benutzte.
2) Er war Botschafter in Petersburg.
54
auch nicht einen Augenblick seiner friedlichen und korrekten Haltung
untreu geworden, und mit schmerzlichem Erstaunen habe ich von den
Methoden erfahren, die Baron Aehrenthal uns gegenüber angewandt hat.
Er ist fähig gewesen, allem diplomatischen Brauch entgegen, anderen
Kabinetten ohne unser Einverständnis Geheimdokumente mitzuteilen,
die kürzlich zwischen unseren Kabinetten gewechselt worden sind.
Einige von ihnen beziehen sich auf die mit unserem Geheimabkommen
vom Jahre 1897 *■) zusammenhängenden früheren Verhandlungen,
welches Abkommen ich als einen zwischen Dir und mir persönlich ab-
geschlossenen Pakt ansehe, an dem unsere Minister nur in der Eigen-
schaft von Zeugen teilgenommen haben. Übrigens war es mir schon
bekannt, daß Baron Aehrenthal noch vor dem obigen Fall einem auslän-
dischen Kabinett ein auf dasselbe Abkommen bezügliches Dokument
mitgeteilt hat.
Ich kann nicht umhin, mein teurer Freund, in dieser Handlungsweise
Deines Ministers einen Mangel an Achtung mir gegenüber zu erblicken.
Unter solchen Umständen sind Geheimverhandlungen nicht möglich,
und ich war gezwungen, meinem Außenminister zu befehlen, in Zukunft
den Beziehungen zwischen beiden Kabinetten einen streng offiziellen
Charakter zu verleihen.
Ich versichere Dir, mein teurer Freund, daß alle diese betrüblichen
Ereignisse, die Gefühle meiner tiefen Verehrung für Dich und den
aufrichtigen Wunsch, das gute Einvernehmen zwischen unseren Rei-
chen wieder ganz hergestellt zu sehen, in keinem Fall erschüttern. Ich
schreibe Dir diese Zeilen, nicht nur mit dem Gefühl tiefer Betrübnis,
sondern auch mit großer Befürchtung für die Zukunft.
Es ist natürlich nicht an mir, darüber ein Urteil abzugeben, ob die
Politik Deines Außenministers Deinem Reiche derartige Vorteile ge-
geben hat, daß sie in ihren Ausmaßen die dadurch hervorgerufenen
Erregungen aufwiegen. Ich muß Dich aber fragen, ob diese Politik
sich auf die schon verursachte Unruhe beschränken wird, oder ob wir
uns am Vorabend von Verwickelungen befinden, die dem allgemeinen
Frieden noch gefährlicher werden können. Nach den mir zugegangenen
Nachrichten trifft Deine Regierung militärische Maßnahmen in einem
Umfange, die darauf schließen lassen, daß sie sich zu einem in nächster
Zeit möglichen Konflikt mit Deinen südlichen Balkannachbarn vor-
bereitet. Erfolgt ein solcher Zusammenstoß, so wird eine gewaltige Em-
pörung nicht nur auf dem Balkan, sondern auch in Rußland die Ant-
wort sein, und Du kannst Dir die außerordentlich schwierige Lage
vorstellen, in der ich mich dann befinden würde. Verhüte Gott eine
derartige Perspektive, die jeder Möglichkeit, die guten Beziehungen
zwischen Rußland und Österreich-Ungarn zu erhalten, ein Ende macht
und Europa in einen allgemeinen Krieg stürzen kann.
x) Fußnote 3. S. 53.
55
Ich' meinerseits werde stets den Gefühlen und Prinzipien treu blei-
ben, von denen ich mich in den Beziehungen zu Dir habe leiten lassen
und die mir für die Erhaltung des Friedens und der monarchischen
Institutionen so unerläßlich erscheinen. Ich flehe zu Gott, mir bei
meinen Bemühungen zu helfen und mir Dein Wohlwollen zu erhalten,
das mir unendlich1 teuer ist und das ich fortgesetzt als das sicherste
Mittel zur Aufrechterhajtung guter Beziehungen zwischen unseren
Reichen ansehe.
Glaube, bitte, an die Gefühle aufrichtiger Zuneigung Deines Bruders
und Freundes Nicolai.“1)
Nr. 449-
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.1 2)
Ausfertigung.
Nr. 17. St. Petersburg, den 16. Januar 1909.
Bei einer längeren vertraulichen Unterredung, die ich gestern mit
Herrn Iswolski hatte, gewann ich den Eindruck, daß dem Minister zwar
in mancher Hinsicht die sich hier mehr und mehr geltend machende
Detente willkommen ist, daß er aber das Feuer der Spannung zwischen
Rußland und Österreich-Ungarn nicht ganz ausgehen lassen möchte.
Er hat hierfür meiner Überzeugung nach keinen anderen Grund als die
stille Hoffnung, seinen Gegner, den Freiherm von Aehrenthal, schließ-
lich noch zu Fall zu bringen und auf diese Weise wenigstens eine Ge-
nugtuung zu erlangen, nachdem seine Politik der letzten drei Monate
sonst keine Erfolge zu verzeichnen gehabt hat und sie wohl auch wei-
terhin die von manchen hiesigen Kreisen gehegten Hoffnungen enttäu-
schen dürfte.
Anknüpfend an das Zustandekommen der Vereinbarung zwischen der
österreichisch-ungarischen Regierung und der Türkei3) begann ich das
Gespräch mit dem Hinweis auf das vom Wiener Kabinett bei den Ver-
handlungen mit der Pforte gezeigte Entgegenkommen, welches den
deutlichen Beweis liefere, daß Österreich-Ungarn, wenn irgend möglich,
die schwebenden Differenzen auf friedlichem Wege zu lösen wünsche*.
So müsse sich denn meiner Ansicht nach auch ein Weg finden lassen,
um die sonst noch vorhandenen Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen.
Die von allen Seiten zutage tretende aufrichtige Friedensliebe scheine mir
für das neu beginnende Jahr günstige Aussichten zu eröffnen.
Herr Iswolski entgegnete, er könne diese optimistische Auffassung
1) Original in französischer Sprache.
2) Die Große Politik Bd. 26 (II. Hälfte), Nr.qiqi, S.3q6ff.
3) Näheres darüber in Kap. XXI.
56
nicht teilen. In einem längeren Vortrag, der zum weitaus größten Teil
die bekannten Klagen gegen die österreichisch-ungarische Politik, zum
Teil aber auch einige neue interessante Gesichtspunkte zum Ausdruck
brachte, behandelte der Minister das alte Thema: Freiherr von Aehren-
thal sei jetzt der Störenfried in Europa. Solange dieser Minister am
Ruder bleibe, müsse man sich auf alles gefaßt machen. Man könne mit
ihm nicht verhandeln, weil er seine Zusagen nicht halte, weil er im
diplomatischen Kampfe zu unehrlichen Mitteln greife usw. usw. Der
Minister führte dann weiter aus:
„Wie hätte alles sich anders entwickeln können, wenn man auf dem
Boden der russisch-österreichischen Entente geblieben wäre! Das war
meine Politik, der ich als Schüler des Fürsten Lobanow aus vollster,
innerster Überzeugung anhing. Als mir Freiherr von Aehrenthal bei
seinem Amtsantritt versicherte, daß er ganz auf dem Boden dieser En-
tente stände, als ich darauf in Swinemünde die Überzeugung gewann,
daß die Ententepolitik der vollen Billigung und Unterstützung Deutsch-
lands sicher sei, und als es mir endlich auch gelungen war, durch die
bekannten Abkommen über Spezialfragen Zentralasiens Rußland nach'
der englischen Seite hin sicherzustellen, da glaubte ich, im Herbst 1907
meinem kaiserlichen Herrn eine längere Reihe friedlicher und auf dem
Gebiete der auswärtigen Politik ruhigere Jahre in Aussicht stellen zu
können, welche Rußland die Möglichkeit gewährt haben würden, die dem
Lande durch den Krieg und die Revolution geschlagenen Wunden zu
heilen und sich ganz der friedlichen Arbeit seiner Erneuerung hinzu-
geben1). Alle diese Aussichten sind durch die Politik eines leichtsinnigen
und unaufrichtigen Staatsmannes, den wir jahrelang hier für einen
Freund Rußlands gehalten haben, zunichte geworden. Vergessen Sie
eines nicht: Die orientalische Frage kann überhaupt nicht
anders als durch einen Konflikt gelöst werden. Diesen
Konflikt auf weite Zeit hinausgerückt zu haben, war das Verdienst der
Mürzsteger Entente. Diese Entente ermöglichte es dem St. Petersburger
und Wiener Kabinett, über jede auf tauchende Frage des nahen Orients
sofort in Fühlung zu treten und ihr durch einen vertraulichen Gedanken-
austausch jede gefährliche Spitze abzubrechen. Eine solche Entente be-
ruhte aber auf gegenseitigem Vertrauen. Es widersprach ihrem Geiste
daß einer der beiden Teile sich stillschweigend auf Kosten des anderen
Vorteile auf der Balkanhalbinsel sicherte. Mit dem Augenblick, wo das
Wiener Kabinett mit dem Sandschakbahnprojekt eine aktive Balkan-
politik begann, war es mit der Entente vorbei und die Gefahr eines
Konfliktes, ohne den, wie ich nochmals betonen möchte,
eine Lösung der orientalischen Frage nicht möglich ist,
wurde wieder bedeutend näher gerückt. Vielleicht wird dieser Konflikt
erst in fünf oder zehn Jahren ausbrechen, aber er ist unvermeidlich, und
1) Was für eine Heuchelei! D.Y.
5?
die Schuld daran, die einzige Möglichkeit seiner Vertagung
auf unbestimmte Zeit zerstört zu haben, trifft allein
den Freiherrn von Aehrenthal. Auch die deutsch-russischen
Beziehungen mußten notwendigerweise durch die Aehrenthalsche Politik
leiden. Die Folge dieser Politik war, daß wir uns in der mazedonischen
Reformfrage1) England nähern mußten, nachdem uns Österreich ge-
rade in dieser Frage, um seine eigenen Vorteile wahrzunehmen, im
Stich gelassen hatte. Es folgten dann die bekannten Ereignisse des ver-
gangenen Sommers und Herbstes, und jetzt sind wir so weit gekommen,
daß Österreich-Ungarn uns überall und auf allen Gebieten die kleinlich-
sten und gehässigsten Schwierigkeiten bereitet. Das Wiener Kabinett
zeigt uns nicht nur das geringste Entgegenkommen, sondern es beobach-
tet uns gegenüber eine geradezu feindselige Haltung. Ich will nicht
wieder eine Bitte aussprechen, aber ich kann Ihnen nur sagen: Deutsch-
land würde der Sache des Friedens einen großen Dienst leisten, wenn
es Österreich-Ungarn riete, seine feindselige Haltung (sa politique
hostile) gegen Rußland zu ändern. Es gewinnt immer mehr den An-
schein, als ob Freiherr von Aehrenthal es zum Kriege treiben wolle. Uns
liegen auch Nachrichten vor, nach denen Österreich-Ungarn nicht allein
an der serbischen, sondern auch an der russischen Grenze rüstet.“
Ich versuchte zunächst, den Minister über die angeblichen aggressiven
und kriegerischen Pläne Österreich-Ungarns zu beruhigen, indem ich ihn
versicherte, daß man bei uns an solche Pläne nicht glaube. Er solle be-
denken, daß die Annexion Bosniens nicht zum mindesten durch die groß-
serbische Agitation* 2) notwendig geworden sei, sich als eine Defen-
sivmaßregel darstelle. Der status quo auf der Balkanhalbinsel sei durch
die Annexion nicht geändert worden. Nichts stehe also dem im Wege,
daß man zu einer konservativen und friedlichen Politik im Sinne der
Mürzsteger Entente auf der Basis der Erhaltung des status quo zurück-
kehre. Die Erneuerung und Erstarkung der Türkei, an der alle euro-
päischen Mächte Interesse zeigten, sei durchaus geeignet, eine solche
Politik zu begünstigen. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten seien, wie
man hoffen müsse, vorübergehender Natur und müßten, wenn von
allen mit gutem Willen daran gearbeitet würde, zu überwinden sein.
Auch könne nicht zugegeben werden, daß alle Schwierigkeiten erst mit
dem Sandschäkbahnprojekt begonnen hätten und auf die Politik Öster-
reich-Ungams zurückzuführen seien. Schon im Herbst 1907 seien die
Meinungsverschiedenheiten über das mazedonische Reformprogramm
recht scharf zum Ausdruck gekommen. Die Annexion Bosniens ebenso
wie die Unabhängigkeitserklärung Bulgariens und die neuerdings wegen
Kreta, entstehende Bewegung seien nicht die Folge der Aehrenthalschen
Politik, sondern der jüngsten Umwälzungen in der Türkei.
!) Vgl. dazu Bd.XXV, Kap. CLXXXVIII.
2) Vgl. darüber Kap. CXCII.
58
Meine Versuche, Herrn Iswolski zu beruhigen, hatten nur wenig Er-
folg. Er blieb dabei, daß ich zu optimistisch sei. Von seinem ceterum
censeo, daß Baron Aehrenthal an allem, was Europa jetzt beunruhige
allein die Schuld trage, war er nicht abzubringen.
Am interessantesten von den Äußerungen des Ministers war wohl die
Bemerkung, daß die orientalische Frage nur durch einen Konflikt, der
jetzt wieder in größere Nähe gerückt sei, gelöst werden könne. Es kam
dabei die Ansicht derjenigen Politiker zum Ausdruck, welche einsehen,
daß Rußland gegenwärtig nichts anderes tun kann, als sich mit den ge-
gebenen Tatsachen abfinden, die aber hoffen, daß etwa in fünf
bis zehn Jahren Rußland sich wieder so weit gekräftigt
haben wird, um bei dem „unvermeidlichen Konflikt“
seine Ziele im nahen Orient zu erreichen.
F. Pourtales.
Nr. 45o.
Kaiser Franz Joseph an Zar Nicolai II.1)
Wien, den i5./2 8. Januar 190g.
„Mein teurer Freund!
Die Mühe, die Du Dir im Brief vom 17. (3o.) v. M. gemacht hast,
indem Du alle Argumente, die Deine Regierung gegen meine aufzuzählen
für nötig befunden hat, persönlich anführst, zeigt mir, wie gewaltig
Dein Interesse an der gegenwärtigen Politik ist. Ich sehe, wie stark
Dich die Meinungsverschiedenheiten, die im Zusammenhang mit den
kürzlichen Unterredungen zwischen unseren Ministern entstanden sind,
beeindruckt haben; ich erinnere mich an analoge Konflikte, deren
Zeuge ich seinerzeit gewesen bin. Ich bin immer der Ansicht gewesen,
daß derartige Streitigkeiten zwischen Staatsmännern am besten ohne
Einmischung der Monarchen erledigt werden; die Erfahrung hat mich
mehr als einmal gelehrt, ihnen gegenüber duldsam und zurückhaltend
zu sein.
Du wirst nichts dagegen haben, wenn ich die von Dir auseinander-
gesetzten Meinungsverschiedenheiten nicht erörtere, sondern mich dar-
auf beschränke, auf einige Dich und mich persönlich betreffende Stel-
len Deines Briefes hinzuweisen.
Vor allem war ich überrascht, von Dir zu erfahren, Baron Aehrenthal
habe im vergangenen Herbst Deinem Außenminister gegenüber „neue
Pläne, die den normalen Gang der Ereignisse nur stören konnten,
präsentiert . . .“ Diese neuen Pläne (es handelt sich zweifellos um die
Annexion von Bosnien und der Herzegowina) waren in den allgemeinen
Vorschlägen enthalten, mit denen Dein Minister zwei Monate vor der
Zusammenkunft in Buchlau Baron Aehrenthal überrascht hat. Mein
x) „Kriegsschuldfrage“ April 1926.
59
Minister, der sich nicht gestattet hätte, die Projekte Iswolskis ohne
meine Einwilligung zu kritisieren, war fest überzeugt, daß dieser von
Dir bevollmächtigt war, sie mitzuteilen.
Mein teurer Freund, ich kann Dir meine Verwunderung nicht ver-
hehlen, daß diese Vorschläge Dir nicht vorher zur Billigung vorgelegt
worden sind und Dir erst nach vollendeter Tatsache bekanntgeworden
sind in Form einer unerwarteten und unzeitgemäßen Mitteilung. Du
mußt wissen, daß nach dem ursprünglichen Plan Deines Ministers die
Maßnahme, die ich später Bosnien und Herzegowina gegenüber zur
Anwendung gebracht habe und deren Notwendigkeit ihm zur Durch-
sicht vorgelegt worden war, sich auf den Sandschak von Nowibasar er-
strecken sollte, während ich mich meinerseits verpflichtete, mich zu
Handlungsweisen, die Du zum Zwecke der Öffnung der Meerengen für
Deine Kriegsschiffe unternehmen solltest, wohlwollend zu verhalten
und ihnen meine moralische Unterstützung zu gewähren.
Dieser Teil des Programms ist aus mir unbekannten Motiven nicht
zur Ausführung gelangt; ich bitte Dich, mein teurer Freund, mir
immerhin zu glauben, daß meine Regierung daran vollkommen unbe-
teiligt ist, und selbst heute wissen wir nichts darüber. Baron Aehrenthal
verdient somit in diesem Punkt keineswegs Deine Unzufriedenheit.
Ferner wäre es mir lieb, wenn Du Dein Urteil über meinen Mi-
nister, betreffend die große Unbescheidenheit, die er sich angeblich
durch die behauptete Veröffentlichung unseres Abkommens vom Jahre
1897 Dir gegenüber hat zuschulden kommen lassen, revidieren wür-
dest. Die unmittelbare Kenntnisnahme der Dokumente, die Dir augen-
scheinlich nicht vorgelegt worden sind, wird Dich auch hier davon
überzeugen, wie ich es getan habe, daß kein uns beide betreffendes
Geheimnis, kein einziges Detail unseres Geheimabkommens aus jener
Zeit durch Mitteilungen Baron Aehrenthals an ausländische Kabinette
der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist. Im Gegenteil, der Minister
hat bei der durch die Macht der Umstände nötig gewordenen Beleuch-
tung der Resultate unserer Verhandlungen Beweise seiner Zurückhaltung
und Bescheidenheit gegeben.
Der dritte Punkt Deines Briefes endlich betrifft mich direkt und
hat mich im höchsten Grade erstaunt. Ich kann es gar nicht verstehen,
wie man Dir die Sachlage und die Stimmung auf dem Balkan derartig
hat verheimlichen können, daß Du meine Haltung Serbien und Mon-
tenegro gegenüber als aggressiv ansiehst.
Die Erregung, die in diesen Gebieten herrscht, gebiert die verschie-
densten und widersprechendsten Gerüchte, die unverzüglich und mit
großer Sorgfalt nachgeprüft werden müssen. Die Ratgeber, welche
darauf verzichten, ihre Nachrichten aus klaren Quellen zu schöpfen,
und sie, bevor sie Dir vorgelegt werden, sorgfältig zu sichten, geben sich
meiner Ansicht nach keine Rechenschaft darüber, welche Verantwor-
60
tung sie auf sich nehmen und welchem Risiko sie die politische Lage
aussetzen.
Mein Verhalten zu den serbischen Ländern ist mir seit dem Herbst
von meiner Pflicht und Vorsicht vorgeschrieben worden in Anbetracht
der alle Bevölkerungsklassen dieser Länder, die verantwortlichen Ver-
treter der Regierung nicht ausgenommen, durchdringenden leidenschaft-
lichen und haßerfüllten Feindseligkeit. Ich habe nie daran gedacht,
ihre selbständige Existenz anzutasten und hege keine Eroberungsabsich-
ten, die ihnen Schaden verursachen könnten. Ich habe im Gegenteil
beschlossen, mit fester Hand der Möglichkeit von Angriffshandlungen
Widerstand zu leisten, Handlungen, zu denen sie die zunehmende Frech-
heit treiben könnte bei ihren phantastischen Träumen, die ihnen leider
nicht nur von einer Seite eingegeben werden.
Man wird kein Beispiel finden, daß eine um ihr Prestige und ihre
Interessen besorgte Großmacht eine solche Langmut gezeigt hat, wie wir
sie gegen die schamlose Provokation unserer kleinen Nachbarn üben.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß Überlegung und gesunder
Verstand letzten Endes die Oberhand behalten werden gegenüber jenen
Verblendungen, die sonst diese Völker den schlimmsten Zufällen zu-
führen können.
Mein Geschäftsträger in Petersburg hat mir die gnädigen Worte mit-
geteilt, die Du an ihn anläßlich des Neuen Jahres zu richten die Güte
hattest; zum Teil habe ich sie auch auf mich bezogen, und ich danke
Dir von Herzen. Mögen die von Dir in wenigen Worten ausgedrückten
Gefühle und Wünsche eine gute Vorbedeutung sein.
Glaube, bitte, den Gefühlen. inniger Freundschaft Deines Bruders
und Freundes Franz Joseph.“
Nr. 451.
Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.1)
Ausfertigung.
Nr. 3o. Belgrad, den 3o. Januar 1909.
Der Kaiserliche Botschafter in St. Petersburg schreibt in einem sei-
ner Berichte über eine Unterredung mit Herrn Iswolski* 2): „Am inter-
essantesten von den Äußerungen des Ministers war wohl die Bemerkung,
daß die orientalische Frage nur durch einen Konflikt, der jetzt wieder
in größere Nähe gerückt sei, gelöst werden könne. Es kam dabei die An-
sicht derjenigen Politiker zum Ausdruck, welche einsehen, daß Ruß-
!) Die Große Politik Bd. 26 (II. Hälfte), Nr. 9871, S.5g5.
2) Vgl. Kap.CC. Nr. 9191. Vgl. Aktenstück Nr. 449-
land gegenwärtig nichts anderes tun kann, als sich mit den gegebenen
Tatsachen abfinden, die aber hoffen, daß in etwa fünf bis zehn Jahren
Rußland sich wieder so weit gekräftigt haben wird, um bei dem un-
vermeidlichen Konflikt' seine Ziele im nahen Orient zu erreichen.“
Diese Äußerungen decken sich genau mit der Auffas-
sung des Herrn Paschitsch und bestärken mich in der
Ansicht, daß seine momentane Zurückhaltung als ein
Zeichen dafür anzusehen ist, daß die serbische Regie-
rung einen friedlichen Ausweg aus der heutigen Krisis
sucht, Und daß er, wenn seine Parteigänger es ihm gestatten, es ande-
ren überlassen will, aus der Sackgasse mit heiler Haut herauszukommen,
um „etwa in fünf bis zehn Jahren“ wieder in Aktion treten
zu können.
Es wird sich demnächst zeigen, ob das serbische Memorandum geeig-
net sein wird, die Spannung zu lösen. Wenn Herr Iswolski den Konflikt
tatsächlich jetzt vermeiden will, muß man das annehmen.
M. Ratibor.
Nr. 45a.
Der Generalkonsul in Sofia Gesandter Freiherr von
Romberg an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.1)
Ausfertigung.
Nr. 33. Sofia, den 19. Februar 1909.
Geheim. (pr. 2 3. Februar)
Der Kriegsminister General Nicolajew hat dem hiesigen österreichisch-
ungarischen Militärattache etwa folgendes eröffnet: Er könne ihm leider
über die zwischen ihnen besprochene Frage der Militär konvention nichts
Neues sagen, da er in letzter Zeit gar keine Gelegenheit mehr gehabt
habe, den Fürsten zu sprechen. Die Situation habe seit der höchst be-
dauerlichen Annahme des russischen YermittlungsVorschlages eine für
die geplante Annäherung sehr ungünstige Entwicklung genommen.
In ihrer Kurzsichtigkeit habe die Regierung, nur um aus der Geldklemme
herauszukommen, den russischen Vorschlag angenommen, ohne zu be-
denken, welche Gefahren sie dadurch für Bulgarien herauf beschwöre.
Die Russen brauchten Rulgarien nur in Zeiten von Mißernten oder son-
stigen finanziellen Verlegenheiten einige Male die Zinsen zu stunden und
würden dann wieder in der Lage sein, hier einen ausschlaggebenden
Einfluß auf die Politik auszuüben. Noch, fuhr der Kriegsminister fort,
sei ja aber nichts verloren, da noch keine endgültigen Vereinbarungen
getroffen seien; er hoffe, der Einfluß Deutschlands und Österreich- i)
i) Die Große Politik Bd. 26 (II. Hälfte), Nr. 9339, S. 562.
62
Ungarns in Konstantinopel werde stark genug sein, um die Türken zur
Ablehnung des russischen Vorschlags zu veranlassen, und Bulgarien
würde dann auf dem deutschen und österreichischen Geldmarkt die
nötigen Mittel finden, um seine Angelegenheiten mit der Türkei zu
ordnen.
Was speziell Serbien anbetreffe, so müsse er sagen, daß bei der
jetzigen Sachlage ein Zusammengehen Bulgariens mit Österreich-Un-
garn gegen Serbien nicht mehr denkbar erscheine; allerdings würde
sich die jetzige Regierung ebensowenig zu einem Anschluß an Serbien
gegen Österreich-Ungarn bereit finden lassen. Eine Zankowistische oder
selbst Geschowistische Regierung würde aber auf russisches Geheiß ohne
weiteres eine Allianz mit Serbien abschließen.
General Nicolajew, der zwar kein großer Staatsmann noch Stratege ist,
aber ein ehrlicher Soldat mit durchaus vernünftigen Grundanschauun-
gen, besitzt leider nicht den nötigen Einfluß, um seinen Ansichten Gel-
tung zu verschaffen. Romberg.
Nr. 453.
Aide-mémoire.1)
Unsigniertes Konzept.
Berlin, den 21. Februar 1909.
D’ordre de Sa Majesté l’Empereur et Roi auquel la proposition du
Gouvernement a été soumise j’ai l’honneur de vous transmettre la réponse
suivante :
Le Gouvernement Impérial est très heureux de constater que la pro-
position du Gouvernement de la Grande-Bretagne (de la République
Française) est dictée par le même désir, dont n’a cessé de s’inspirer le
Gouvernement Impérial, d’écarter autant que possible tout danger de
complications en Orient et notamment tout ce qui pourrait amener un
conflit entre l’Autriche-Hongrie et la Serbie.
Le Gouvernement Impérial est entièrement d’accord avec le Gou-
vernement de la Grande-Bretagne (de la République Française) dans
le but pacifique visé dans la proposition. A son grand regret il se trouve
dans l’impossibilité d’adhérer à la manière proposée de procéder.
Une action tendant à écarter les différends existants entre l’Autriche-
Hongrie et la Serbie, devrait de l’avis du Gouvernement Impérial
s’exercer à Belgrade plutôt qu’à Vienne. C’est de la
Serbie d’où partent les provocations. Des menaces de
guerre ont été prononcées dans les cercles officiels et non-officiels
de la Serbie pour une question qui ne concerne pas le Royaume Serbe.
!) Die große Politik Bd. 26 (II. Hälfte}, Nr. g383, S. 607 ff.
63
La situation du Royaume n’a été altérée ni au point
de vue de ses intérêts matériels ni au point de vue de ses
droits par le fait que l’occupation illimitée des deux
provinces ottomanes par l’Autriche - Hongrie a été trans-
formée en droit de propriété. On comprend difficile-
ment comment de ce fait il résulterait pour la Serbie un
droit à des «compensations».
Nous ne pouvons demander à l’Autriche-Hongrie de faire, par l’en-
tremise d’autres Grandes Puissances, des avances et des promesses à la
Serbie qui l’a menacée et la menace encore d’actes d’hostilité. En cédant
à une pareille proposition, l’Autriche-Hongrie s’exposerait à l’apparance
de se plier devant une pression.
L’Autriche-Hongrie a déclaré à différentes reprises ne pas vouloir
attaquer la Serbie; elle a prouvé la sincérité de cette déclaration et sa
ferme décision de s'y conformer par la longanimité avec laquelle elle est
jusqu’ici restée impassible aux nombreuses provocations serbes. La
transquillité et la paix ne sont menacées que par la Serbie. Les menées
et les menaces dans lesquelles la Serbie continue à se plaire, sont
seules de nature à créer une situation intolérable pour la grande mon-
archie voisine et forcer cette dernière à user du droit qu’a incontestable-
ment chaque puissance, de rétablir l’ordre et la tranquillité sur ses fron-
tières. Si la Serbie ainsi qu’elle le déclare, veut, en dépit de l’attitude
de son Gouvernement, de son parlament et du successeur au trône, réelle-
ment la paix il n’y a pas lieu de craindre un conflit, étant donné la dé-
claration solennelle de l’Autriche-Hongrie confirmée par son attitude,
de ne pas vouloir attaquer la Serbie.
L’Autriche-Hongrie s’étant même montrée disposée à accorder cer-
tains avantages économiques à la Serbie le Gouvernement Impérial
estime qu’il y aurait lieu dans l’intérêt même de las Serbie, de faire une
démarche à (Belgrade pour demander à la Serbie de donner des garan-
ties contre la continuation de son attitude provocatrice envers l’Au-
triche-Hongrie, de conformer ses faits et gestes aux assurances paci-
fiques quelle vient encore de donner aux Puissances et de s’adresser
ensuite directement à l’Autriche-Hongrie pour discuter les avan-
tages économiques que celle-ci voudrait lui accorder.
Une demarche à Belgrade serait d’autant plus efficace si toutes les
puissances et notamment la Russie y participaient1).
x) Das Aide-mémoire, das laut Aktenvermerk durch den Staatssekretär Freiherm
von Schoen den Botschaftern von England und Frankreich ,am 22. Februar vorgelesen
wurde, trägt zahlreiche Korrekturen von der Hand des,Reichskanzlers und des Staats-
sekretärs; als sein geistiger Urheber galt in diplomatischen Kreisen offenbar (vgl. v.
Siebert, Diplomatische Aktenstücke zur Geschichte der Ententepolitik der Vorkriegs-
jahre, S. 76 f.) der Gesandte von Kiderlen, von dem das Konzept auch paraphiert wurde.
64
Nr. 454-
Telegramm des russischen Außenministers an den
russischen Gesandten in Belgrad
Petersburg, den i4-/27- Februar 1909.
Nr. 2 5i.
In Beantwortung der beiden Mitteilungen, die uns der serbische Ge-
sandte am 10. und i3. Februar gemacht hat, bitte ich Sie, folgendes zur
Kenntnis der Königlichen Regierung zu bringen. Wir nehmen mit Be-
friedigung davon Kenntnis, daß die serbische Regierung ihrem Ent-
schlüsse treu bleibt, den von ihr eingenommenen friedlichen Standpunkt
nicht zu verlassen, alles zu vermeiden, was zu einem bewaffneten Kon-
flikt zwischen Serbien und Österreich führen könnte, und keine mili-
tärischen Maßnahmen an der Grenze zu treffen. Wir sind über-
zeugt, daß die vitalen Interessen Serbiens, dem wir von
jeher die größte Sympathie entgegenbringen, diese
Richtlinie mit Notwendigkeit auferlegen, die auch ein-
zig der augenblicklichen allgemeinen Situation ent-
spricht. Wir haben uns andererseits überzeugen können, daß die
Mächte nicht geneigt sind, die Idee einer territorialen Vergrößerung
Serbiens zu unterstützen. Die königliche Regierung muß hieraus fol-
gern, daß alle Anstrengungen, die Mächte zur Unterstützung ihrer dahin-
gehenden Forderungen zu bewegen, ergebnislos bleiben werden und daß
Serbien sich die Sympathien der Mächte nur erhalten kann, wenn es
darauf verzichtet, auf Forderungen zu bestehen, die zu einem bewaff-
neten Konflikt mit Österreich führen müßten. Es ist uns ein Bedürfnis,
die königliche Regierung zu warnen, sich einer solchen Gefahr aus-
zusetzen. Wir hoffen, daß Serbien, wie es soeben erklärt hat, seinen
Verpflichtungen, dem Rate der Großmächte zu folgen, treu bleiben wird.
Wir glauben gleichzeitig, daß die serbische Regierung unter den obwal-
tenden Umständen diesen Mächten deutlich erklären müßte, daß sie
auf ihre territorialen Forderungen verzichte und sich in allen schweben-
den Fragen auf die Entschließungen der Mächte verlasse. Diese könn-
ten dann alle ihre Anstrengungen darauf richten, die serbischen Inter-
essen wahrzunehmen. Abschrift nach Cetinje mitgeteilt.
Is wolski.
*) Benckendorff Bd. I, Nr. 22, S.47*
5 Boghitsche witsch, Serbien II.
65
Nr. 455.
Inhaltsangabe eines Telegrammes des russischen Aus-
senministers an den russischen Gesandten in Belgrad.x)
Petersburg, den i4«/27* Februar 1909.
Nach dringendem Anraten, Serbien solle sich zu einem Verzicht
auf territoriale Kompensationen entschließen, heißt es: Es ist kaum
anzunehmen, daß die bosnisch-herzegowinische Frage in nächster
Zukunft gelöst werden wird; unser Standpunkt ist nach wie vor der-
selbe: er hat in unserem Zirkular vom 9. Dezember Ausdruck gefunden;
eine allgemeine Einigung aller Mächte auf der Konferenz ist kaum
möglich; die Annexion wird nicht formell sanktioniert werden; Pa-
schitschs Wunsch wird nicht erfüllt werden. Was eine Bahn durch
türkisches Territorium anlangt, werden wir bei den Verhandlungen
mit der Türkei energisch darauf bestehen.
Nr. 456.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister.2)
Belgrad, den '2 März 1009-
Ich habe mich Milowanowitsch gegenüber im Sinne Ihres Tele-
grammes ausgesprochen. Der von uns der königlichen Regierung gege-
bene Rat wird im Ministerrat besprochen, und die Entscheidung mir
morgen mitgeteilt werden. Aus meiner Unterredung mit dem Außen-
minister habe ich den Eindruck, daß die Regierung nachgibt. In seiner
Antwort wird mir Milowanowitsch, soviel ich bisher beurteilen kann,
wahrscheinlich mitteilen, daß Serbien nicht die Absicht hat,
irgendwelche kategorische Forderungen territorialer
oder wirtschaftlicher Natur zu stellen, so daß es folglich
gar nicht nötig hat, auf die ersteren zu verzichten. Serbien legt sein Ge-
schick ganz in die Hände der Großmächte, indem es im voraus ihre
Entscheidung annimmt und es ihnen überläßt, zu entscheiden,
ob man die serbisch-bosnische Frage gleich lösen oder
diese Lösung auf einen günstigeren Zeitpunkt verschie-
ben solle. Jetzt schon direkte Verhandlungen mit Österreich aufzu-
nehmen, hält er nicht für ratsam. Gemäß erhaltenen Instruktionen ha-
ben die Vertreter Frankreichs, Englands und Italiens Milowanowitsch
nach meinem Besuch bei ihm mitgeteilt, daß ihre Regierungen sich der
russischen Ansicht anschließen. S e r g e j e w.
Benckendorff Bd. I, Nr. 28, S.48.
2) Benckendorff Bd. I, Nr. 27, S.5i.
66
Nr. 457.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister.1)
Belgrad, den
18. Februar
3. März I9°9,
Nr. 1. Milowanowitsch ist es nur mit großer Mühe geglückt, seine
Kollegen zu der Annahme des in meinem gestrigen Telegramm dar-
gelegten Standpunktes zu bewegen. Der Text der Antwort der könig-
lichen Regierung auf die russische Mitteilung über die Notwendigkeit
eines serbischen Verzichtes auf territoriale Kompensationen ist in mei-
nem Telegramm Nr. 2 wiedergegeben. Wenn Eure Exzellenz diese Ant-
wort als der augenblicklichen Lage entsprechend ansehen, so möchte
Milowano witsch auf Grund dieses Textes eine Zirkularnote an die Groß-
mächte erlassen, indem er sich dabei auf die freundschaftlichen Vorstel-
lungen der russischen Regierung bezieht. Nachdem meine Kollegen von
der Absicht des serbischen Außenministers Kenntnis genommen haben,
finden sie diese Antwort annehmbar, obwohl sie nicht ohne Grund
voraussehen, daß Österreich-Ungarn, welches direkte Verhandlungen
mit Serbien zu führen wünscht, mit dieser Antwort außerordentlich
unzufrieden sein wird. Bei der Übergabe der Antwort bat mich Milowa-
nowitsch Eurer Exzellenz mitzuteilen, daß die serbische Regierung,
indem sie sich zu einem für das Land so schweren Verzichte entschloß,
unseren Wünschen entgegenzukommen suchte, daß sie aber die Hoff-
nung nicht verliere, daß die russische Regierung ihrerseits die schon
früher übernommene Verpflichtung erfüllen werde und nicht die Ab-
sicht habe, ihre Unterschrift unter die Annexion zu setzen. Der Ton
der Presse Österreich gegenüber ist bedeutend gemäßigter geworden.
Die Unzufriedenheit richtet sich hauptsächlich gegen uns.
S e r g e j e w.
Nr. 458.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister.2)
-p. 1 , , 18. Februar
Belgrad, den g M„rz 1909-
Nr. 2. Text der serbischen Antwort.
„Von der Annahme ausgehend, daß das Verhältnis Serbiens zu
Österreich-Ungarn nach der Proklamation der Annexion Bosniens und
!) Benckendorff Bd. I, Nr. 29, S. 56.
2) Benckendorff Bd. I, Nr. 3o, S.57.
67
der Herzegowina in rechtlicher Hinsicht normal geblieben ist, hat die
königliche Regierung durchaus nicht die Absicht, einen Krieg mit der
benachbarten Monarchie hervorzurufen, und wünscht durchaus nicht,
die rechtlichen Beziehungen zwischen den beiden Mächten und ihre
Haltung korrekter Nachbarschaft zu modifizieren. Sie verlangt auch
durchaus nicht von Österreich-Ungarn als Folge der bos-
nisch-herzegowinischen Frage irgendeine Kompensa-
tion territorialer, politischer oder wirtschaftlicher Na-
tur. Sofern die bosnisch-herzegowinische Frage als eine interne öster-
reichisch-ungarische oder als eine österreichisch-türkische Frage be-
trachtet wird, enthält sich Serbien jeder Einmischung. Serbien hat
seine Stimme erhoben und hat seinen Standpunkt in dieser Frage dar-
gelegt nur solange und nur insoweit, als diese Frage einen europäischen
Charakter behält1). Folglich, wenn die Signatarmächte des Berliner
Vertrages zugeben, daß die bosnisch-herzegowinische Frage durch das
österreichisch-türkische Abkommen gelöst ist, oder wenn diese Signatar-
mächte aus irgendeinem Grunde sich indiesem Augenblicke
über die Frage nicht äußern wollen, so wird Serbien ihrem Beispiel
folgen und sich in Zukunft jeder Diskussion enthalten. Wenn hin-
gegen die Mächte die Prüfung der Fragen, die mit der Anerkennung
der Annexion und der neuen Fassung des Artikels 2 5 des Berliner Ver-
trags Zusammenhängen, in ihre Hände nehmen, so wird Serbien ihnen
als einem kompetenten Tribunal seinen Standpunkt unterbreiten, in-
dem es vollkommen und ohne Vorbehalt ihrer hohen Einsicht und
Billigkeit vertraut. Was die militärischen Rüstungen Serbiens anlangt,
so stehen sie in keinem Zusammenhang mit der bosnisch-herzego-
winischen Krise, sondern werden durch unsere allgemeinen Bedürfnisse
bedingt, was schon durch die Tatsache bezeugt wird, daß sie auf Grund
eines Gesetzes stattfinden, das noch vor der Proklamation der Annexion
erlassen wurde. Was die militärischen Maßnahmen anlangt, die die
Vorbereitung der Mobilisation und die Sicherung unserer an Österreich-
Ungarn grenzenden Gebiete betreffen, so ist Serbien bereit, die Rüstun-
gen, obwohl sie einen durchaus defensiven Charakter tra-
gen1 2) und aufs äußerste Minimum beschränkt sind, zu unterbrechen
und rückgängig zu machen, wenn Österreich-Ungarn seinerseits bereit
ist, die normale militärische Lage an seiner serbischen Grenze wieder-
herzustellen, — oder aber, wenn die Mächte uns garantieren wollen,
daß Österreich-Ungarn uns nicht angreifen wird.“ Sergejew.
1) Diese Note strotzt vor Überhebung und Kasuistik. D. V.
2) Und die Bandenbildung an der bosnischen Grenze? Vgl. Aktenstück Nr. 444
S. 44 Anm.'i. D. V.
68
Nr. 459.
Freiherr von Aehrenthal an die K. u. K. Missionen in
St. Petersburg, Berlin, London, Paris, Rom, Konstan-
tinopel, Bukarest, Sofia, Belgrad, Cetinje und Athen.1)
Telegramm: Wien, den 3. März 1909 (18. Febr. a. St.).
Nach verschiedenen Symptomen und Meldungen zu schließen, schei-
nen einige Kabinette die Auffassung zu hegen, daß wir, sobald einmal
Serbien seine Forderungen politischer Kompensationen fallen gelassen
haben würde, bezüglich der wirtschaftlichen Vorteile, die wir uns be-
reit fänden, dem Königreiche einzuräumen, in einen Gedankenaustausch
mit den Mächten eintreten sollten. Wir hätten seinerzeit unser Einver-
ständnis damit erklärt, daß in das Programm der beabsichtigten Balkan-
konferenz die avantages économiques à accorder à la Serbie et au
Monténégro aufgenommen würden, und müßten also konsequenterweise
auch über diesen Punkt mit den Mächten verhandeln.
Gegenüber dieser Auffassung ist darauf hinzuweisen, daß sämtliche
Mächte mit Einschluß Rußlands, den von uns gewählten Modus proce-
dendi gutgeheißen und dem zugestimmt haben, daß zunächst über die
schwebenden Fragen Verhandlungen zwischen den direkt interessierten
Mächten gepflogen würden. Wir sind in dieser Weise unter dem ein-
mütigen Beifalle Europas* 2) bezüglich Bosniens und der Herzegowina
vorgegangen und haben heute die Kabinette von dem Abschlüsse unserer
direkten Verhandlungen mit der Türkei offiziell in Kenntnis gesetzt.
Serbien gegenüber wollen wir, wenn es auf seine politischen Kom-
pensationsforderungen verzichtet und uns direkt davon in Kenntnis ge-
setzt hat, eine korrekte freundnachbarliche Haltung bei gleichzeitiger
Einstellung seiner Rüstungen beobachten zu wollen, dieselbe Politik
befolgen. Wir sind demnach auch bereit, über die Regelung der wirt-
schaftlichen Beziehungen zwischen uns und Serbien in direkte Ver-
handlungen mit dem Königreiche einzutreten.
Ich bemerke, daß uns ein anderer Weg schon deshalb nicht gangbar
erscheint, weil die Entschließungen, zu denen wir und Serbien in den
das Königreich interessierenden wirtschaftlichen Fragen des Handels-
vertrages oder des Bahnanschlusses gelangen werden, Ausflüsse der
Souveränität sind, die nicht von einer Einwirkung dritter Staaten ab-
hängig gemacht werden können.
x) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. 121, S. 88.
2) Etwas euphemistisch ausgedrückt angesichts der damaligen politischen Lage
Österreichs, das sich nicht einmal der aufrichtigen Zustimmung Deutschlands erfreuen
konnte. D. V.
69
Nr. 46o.
Freiherr von Aehrenthal an Graf Forgach in Belgrad.1)
Telegramm: Wien, den 5. März 1909 (20. Febr. a. St.).
Ich ersuche Euer Hochgeboren, der königlich serbischen Regierung
im Namen der k. u. k. gemeinsamen Regierung die nachfolgende Er-
klärung in Form einer offiziellen Note abzugeben:
«Le Gouvernement Impérial et Royal commun d’Autriche-Hongrie se
voit à son regret dans la nécessité de porter à la connaissance du Gou-
vernement Royal Serbe ce qui suit:
En présence de l’attitude observée depuis quelque temps par le Gou-
vernement Royal Serbe il parait impossible aux deux Gouvernements
de la Monarchie Austro-Hongroise de soumettre au vote des parlements
à Vienne et à Budapest le traité de commerce conclu l’année dérnière
et dont le terme de ratification est du reste déjà échu.
En communiquant ce qui précède au Gouvernement Serbe le Gou-
vernement Impérial et Royal commun se plait à éspérer que la Serbie,
se rendant au conseil des Puissances, changera son attitude au sujet de
la Bosnie et de l’Herzegovine et exprimera en même temps son intention
bien arrêtée de reprendre avec l’Autriche-Hongrie des rapports de bon
voisinage. Le Gouvernement Impérial et Royal commun n’attend qu’une
communication dans ce sens pour ouvrir avec le Gouvernement Royal de
nouvelles négociations sur les rélations de commerce et de trafic entre la
Monarchie et le Royaume de Serbie.»
Gelegentlich der Übergabe dieser Note wollen Euer Hochgeboren dar-
auf hinweisen, daß die Eröffnung, mit der Sie beauftragt seien, als
ein Akt des Entgegenkommens unsererseits aufzufassen sei* 2), da wir
hierdurch gewissermaßen die Konversation mit dem serbischen Kabinett
eröffnen und ihm Gelegenheit zu einer Aussprache bieten. Sie wollen
ausdrücklich hervorheben, daß unser Schritt nicht als eine mise en
demeure anzusehen sei, daß die serbische Regierung Zeit habe, sich die
Sache zu überlegen und daß wir keine sofortige Antwort verlangen.
Eines sei aber jedenfalls klar, daß die aktuellen wirtschaft-
lich en Fragen auf dem direkten Wege zwischen der Mon-
archie und Serbien verhandelt werden müßten, wenn
unsere Beziehungen zu Serbien wieder normale werden
sollen.
!) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. 124, S. 90.
2) Eine eigentümliche Auffassung! D. V.
70
Nr. 461.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Belgrad1)
Nr. 296.
Petersburg, den
22. Februar
7. März
I9°9*
Ich beziehe mich auf meine Telegramme Nr. 288 und 292. Um den
Anschein zu vermeiden, daß Serbien sich solchen direkten Verhand-
lungen mit Österreich-Ungarn entziehen will, die gewöhnlich den Gegen-
stand von Verhandlungen zwischen zwei Nachbarstaaten bilden, wäre es
erwünscht, zu dem zweiten Satze der serbischen Zirkularnote, der mit
den Worten „politisch oder wirtschaftlich“ endigt, die Worte hinzu-
fügen: „indem die Regierung nach wie vor bereit ist, zusammen mit
dem Wiener Kabinett die Fragen zu prüfen, die die wirtschaftlichen
Beziehungen zwischen den beiden Staaten betreffen“. Die serbische
Regierung würde dadurch Europa einen neuen Beweis
ihrer friedlichen Absichten geben. Es scheint uns sehr wich-
tig, daß Milowanowitsch diesen Vorschlag annimmt, hauptsächlich im
Hinblick auf die Ankunft von Forgach, der wie die Presse mitteUt,
Verhandlungen mit dem Belgrader Kabinett zu führen beauftragt ist.
Teilen Sie dies Milowanowitsch mit. Unsere weiteren Bemerkungen
werden wir Ihnen bald mitteilen.
Is wolski.
Nr. 462.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Belgrad2)
Nr. 3oi.
Petersburg, den
22. Februar
7. März
I9°9-
Nach Berücksichtigung der verschiedenen Erwägungen, welche den
Inhalt der serbischen Zirkulamote bestimmen müssen, glauben wir,
daß die Note in endgültiger Fassung folgendermaßen lauten sollte: „Von
der Annahme ausgehend, daß vom rechtlichen Standpunkt aus die
Beziehungen Serbiens zu Österreich-Ungarn nach der Proklamation der
Annexion Bosniens und der Herzegowina normal geblieben sind, hat die
königliche Regierung durchaus nicht die Absicht, einen Krieg mit der
*) Benckendorff Bd. I, Nr, 34, S.61.
2) Benckendorff Bd.I, Nr. 35, S.62.
71
benachbarten Monarchie hervorzurufen und auch nicht den Wunsch,
diese juristischen Beziehungen zu ändern, und ist entschlossen, ihren
Verpflichtungen guter Nachbarschaft Österreich-Ungarn gegenüber nach-
zukommen. Indem sich Serbien jeder Einmischung in eine Frage ent-
hält, deren Lösung den Signatarmächten des Berliner Vertrags zukommt,
in deren Gerechtigkeitssinn es volles Vertrauen hat, verlangt Serbien
auch nicht von Österreich-Ungarn als Folge der bosnisch-herzegowi-
nischen Frage irgendeine Kompensation, sei es territorialer, politischer
oder wirtschaftlicher Natur, indem es nach wie vor bereit ist, zusammen
mit dem Wiener Kabinett die Fragen zu prüfen, die sich auf die wirt-
schaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern beziehen.“ Geben
Sie gleichzeitig Milowanowitsch zu verstehen, daß man in Anbetracht
der Entspannung, die sich in der allgemeinen Situation zu vollziehen
scheint, zur Annahme berechtigt ist, daß das Wiener Kabinett davon
absehen wird, an Serbien eine Anfrage wegen der Rüstungen zu rich-
ten, und daß folglich eine solche Erwähnung in der serbi-
schen Zirkularnote unzeitgemäß und sogar gefährlich
erscheint. Wenn jedoch ein derartiger Schritt von seiten der öster-
reichisch-ungarischen Regierung erfolgen sollte, so könnte die königliche
Regierung unter Berufung auf die erwähnte Zirkularnote Rußland und
die anderen Mächte von diesem Schritt in Kenntnis setzen, um von
ihnen neue gute Ratschläge einzuholen. Es versteht sich von selbst,
daß die Zirkularnote an alle Signatarmächte, Österreich einbegriffen,
gerichtet sein muß. Ich bitte Sie, obiges zur Kenntnis der serbischen
Regierung zu bringen und uns von ihrer Entscheidung zu benach-
richtigen. Unseren Nachrichten zufolge ist Graf Forgach beauftragt
worden, mit der serbischen Regierung über ein Handelsabkommen zu
verhandeln. Aehrenthal hat bei dieser Gelegenheit geäußert, es läge ihm
fern, Serbien erniedrigen zu wollen, auch soll die Mission Forgach’s
durchaus nicht den Charakter eines Ultimatums haben; andererseits
sei es wünschenswert, daß Serbien nicht zu lange zaudere, da das Er-
löschen des Handelsvertrages eine provisorische Verlängerung nötig
macht; was die wirtschaftlichen Verhandlungen zwischen beiden Län-
dern anbelangt, so könnten sie auf ein späteres Datum verschoben
werden. Aehrenthal hat hinzugefügt, er wolle in keiner Weise einen
Druck auf die serbische Regierung in dieser Frage ausüben. Angesichts
dieser Versicherung hoffen wir, daß die serbische Regierung die Eröff-
nungen des österreichischen Vertreters nicht ablehnen wird, indem sie
sich anläßlich dieser Verhandlungen auf den Boden normaler kom-
merzieller Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien stellt.
Is wolski.
72
Nr. 463.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Belgrad.1)
^ . . . 2 3. Februar
Petersburg, den 81909-
Reden Sie Milowanowitsch zu, die russische Redaktion anzunehmen.
Serbien braucht nicht mit der Erklärung zu zögern, daß es sich in die
Annexionsfrage nicht einmischen wolle. Juristisch ist dies der einzig
unanfechtbare Standpunkt und bedeutet nicht, daß Serbien damit das
Recht verliert, zu gegebener Zeit die Mächte mit seinen Wünschen be-
kannt zu machen. Unsererseits können wir nur wiederholen,
daß die Tatsache der Annexion letzten Endes unsere Zu-
stimmung nicht erhalten wird.
Iswolski.
Nr. 464.
Herr Simitsch, königl. serbischer Gesandter in Wien,
an Freiherrn von Aehrenthal. *)
Vienne, le io mars 1909 (25. Febr. a. St.).
D’ordre de mon Gouvernement j’ai l’honneur, Monsieur le Ministre,
de Vous communiquer ce qui suit:
La Serbie, considérant qu’au point de vue du droit sa situation à
l’égard de l’Autriche-Hongrie, après la proclamation de l’annexion de
la Rosnie-Herzégovine, est restée normale, n’a aucune intention de provo-
quer la guerre contre la Monarchie voisine et ne désire modifier en rien
envers elle ses rapports juridiques, continuant à remplir, sur la base
de la réciprocité, ses devoirs de bon voisinage et à entretenir avec elle,
comme par le passé, les relations rentrant dans le domaine des intérêts
d’ordre matériel.
S’étant toujours soumise au point de vue que la question bosno-
herzégovinienne est une question européenne et qu’il appartient aux Puis-
sances Signataires du Traité de Berlin à décider relativement à l’annexion
et à la nouvelle rédaction de l’article XXV du Traité de Rerlin, la Serbie,
confiante en la sagesse et l’équité des Puissances, leur remet, sans
réserve, comme au tribunal compétent, sa cause, sans réclamer, par con-
séquent, de l’Autriche-Hongrie, de ce chef, aucune compensation, soit
territoriale, soit politique ou économique.
*) Benckendorff Bd. I, Nr. 36, S. 63.
^Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. i3i.
73
Nr. 465.
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.1)
Entzifferung.
Nr. 97. St. Petersburg, den 10. März 1909.
(pr. 12. März)
Iswolski hat gestern meinem österreichischen Kollegen seine Genug-
tuung ausgesprochen, daß der von Rußland im Interesse des Friedens
bei der serbischen Regierung unternommene Schritt in Wien günstig
aufgenommen worden sei. Der Minister hat weiter seiner Befriedigung
über die Antwort der serbischen Regierung Ausdruck gegeben, aus...1 2 3)
zu ersehen sei, daß Serbien kriegerische Verwicklungen vermieden zu
sehen wünsche, keine feindselige Politik gegen Österreich-Ungarn treiben
und keinerlei Ansprüche auf Kompensation territorialer, ökonomischer
oder politischer Art Österreich-Ungarn gegenüber geltend machen wolle.
Russische Regierung habe nunmehr in Belgrad der Hoffnung Ausdruck
gegeben, daß das Belgrader Kabinett keinen Anstand nehmen werde,
in vorstehendem Sinne auch direkt in Wien Erklärungen abzugeben.
Pourtales.
Nr. 466.
Freiherr von Aehrenthal an Graf Forgach in Belgrad. ®)
Telegramm: Wien, den 11. März 1909 (26. Febr. a. St.).
Monsieur Simic m’a remis aujourd'hui le texte de la déclaration serbe
en ajoutant qu’il était heureux d’être le porteur d’un message de paix.
Le Ministre de Serbie, en répondant à une question de ma part,
affirma qu’il s’agissait d’une circulaire adressée aux Puissances; j’ai
donc constaté que la communication qu’il venait de me faire n’était pas
la réponse à la note que le Comte Forgach avait remise au Gouvernement
Royal, réponse que le Cabinet de Vienne continuait donc à attendre.
Monsieur Simié s’étant efforcé de démontrer que le contenu de la
communication répondait à notre point de vue, je lui ai donné à entendre
que — si certains passages de la note serbe semblaient à première vue
1) Die Große Politik Bd. 26 (II. Hälfte), Nr. 9424» S. 652.
2) Zifferngruppe fehlt. Wahrscheinlich: der.
3) Österreichisches Rotbuch 1909. Nr. i33.
74
répondre à nos justes demandes — je regrettais de ne pouvoir en dire
autant de l’ensemble de la note. J’ai ajouté que je considérais toutefois
la communication serbe comme un premier pas dans une meilleure
voie, espérant que la réponse que nous attendions encore de Belgrade
marquerait d’avantage les bonnes dispositions mises en avant par le
Gouvernement Royal.
Was die kritische Würdigung des Zirkulars von unserem Stand-
punkte aus betrifft, so möchte ich die folgenden Bemerkungen hier an-
schließen:
Der erste Satz «La Serbie, considérant qu’au point de vue du droit
sa situation à l’égard de l’Autriche-Hongrie, après la proclamation de
l’annexion de la Bosnie-Herzégovine, est restée normale» kann wohl nur
besagen „die Rechtslage Serbiens sei uns gegenüber durch die Annexion
nicht geändert worden“, mit anderen Worten, „Serbien könne aus dem
Titel der Annexion einen Rechtsanspruch nicht geltend machen“. Dieser
vollkommen korrekte Standpunkt ist bedauerlicherweise in den weiteren
Ausführungen, besonders im zweiten Teile des Zirkulars, nicht fest-
gehalten. In diesem nämlich wird allerdings gesagt, daß Serbien keiner-
lei Kompensation von uns verlange, gleichzeitig aber erklärt, daß dies
nur deshalb geschehe, weil Serbien seine Sache den Mächten als dem
kompetenten Forum anheimgebe, von dem es eine „Entscheidung“ der
„bosnisch-herzegowinischen Frage“ noch erwarte.
Diese Formulierung ist, wie Euer Hochgeboren bekannt, mit unserem
Standpunkte unvereinbar; wir sehen die erfolgte Angliederung Bosniens
und der Herzegowina mit der Unterzeichnung des Protokolls in Kon-
stantinopel als im Wesen bereinigt und als eine Angelegenheit an, die
materiell nicht diskutiert werden kann. Die formale Behandlung aber
geht eben nur die Signatarmächte an und kann Serbien nicht weiter
interessieren.
Aus der hier besprochenen Fassung des zweiten Teiles des Zirkulars
geht deutlich die Tendenz hervor, die Angelegenheit der Annexion
„offen“ zu lassen und einem bedingungslosen Verzicht auf den bis-
herigen serbischen Standpunkt auszuweichen.
Die in der Note enthaltenen Zusicherungen betreffs eines freund-
nachbarlichen Benehmens erscheinen dadurch in einem eigentümlichen
Licht, daß nicht von einer Änderung, sondern von einer Fortsetzung der
bisherigen Haltung gesprochen wird.
Euer Hochgeboren wollen die vorstehenden Konsiderationen in Ihren
Gesprächen mit den serbischen Ministern verwerten.
75
Nr. 467.
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes Freiherrn von Schoen.1)
Eigenhändig.
Berlin, den 11. März 1909.
Der serbische Geschäftsträger* 2) hat mir heute die anliegende Note3)
überreicht, deren Inhalt durch die Presse schon bekannt ist.
Es scheint mir sehr fraglich, ob die Note in Wien mit Befriedigung
aufgenommen wird. Serbien erklärt zwar, daß es von Österreich-Ungarn
keinerlei Kompensationen, weder politische noch wirtschaftliche, ver-
langt, spricht aber hiermit nicht ausdrücklich den Verzicht auf solche
überhaupt aus. Es legt die Lösung der schwebenden Fragen, dem rus-
sischen Ratschlag gemäß, in die Hände der Mächte, also einer Kon-
ferenz... Auch enthält die Note keine Zusicherung der Abrüstung,
spricht vielmehr von Gegenseitigkeit, sagt also mit anderen Worten:
„Wenn Österreich-Ungarn abrüstet, rüsten wir auch ab.“ Endlich dürfte
die Note eine Ablehnung direkter Verhandlungen über wirtschaftliche
Fragen bedeuten, da sie ja alles in die Hände der Mächte legt.
v. Schoen.
Nr. 468.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an das Auswärtige Amt.4)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 55. Wien, den 11. März 1909.
Freiherr von Aehrenthal bat mich heute zu sich, um mit mir die
serbische Zirkularnote zu besprechen. Er findet in ihr manches Be-
friedigende, wenn sie auch noch nicht als genügend zu bezeichnen sei.
Jedenfalls betrachte er sie als „le commencement de la conversation“
*) Die Große Politik Bd. 26 (II. Hälfte), Nr. 9422, S. 65o.
2) Boghitschewitsch.
3) Siehe den Text der serbischen Note vom 10. März im österreichisch-ungarischen
Rotbuche: Diplomatische Aktenstücke betreffend Bosnien und die Herzegowina 1908—
I9°9» S. 94- Über die Entstehung der Note, deren Wortlaut von Iswolsky bis ins ein-
zelnste inspiriert war, vgl. v. Siebert, Diplomatische Aktenstücke a. a. O., S.84ff.
4) Die Große Politik Bd.26 (II.Hälfte), Nr.9423, S.56i.
76
um so mehr, als der serbische Gesandte1) bei ihrer Übergabe sie als
eine Friedensbotschaft bezeichnet habe. Der Minister hat sich in vor-
stehendem Sinne dem serbischen Gesandten gegenüber ausgesprochen* 2).
Vermutlich würden die Ministerpräsidenten auf die Zirkularnote ant-
worten, und seiner Ansicht nach wäre es gut, wenn sie gegenüber dem
darin vertretenen Standpunkt, daß „une décision“ der Mächte über die
Annexion von Serbien noch erwartet werde, zum Ausdruck brächten,
daß nach erreichter Übereinstimmung zwischen Österreich und der
Türkei eine Entscheidung der Mächte nicht mehr zu erfolgen habe, und
daß materiell die Frage damit bereits entschieden sei*). Die for-
melle Sanktion durch die Mächte stehe allerdings noch aus, und ob
diese in Form eines Notenaustausches oder durch Delegierte am grünen
Tisch herbeigeführt werde, sei ihm gleichgültig.
Er beabsichtige vorerst auf die Note keine Antwort zu geben, denn er
habe begründete Aussicht, daß Serbien demnächst Österreich eine prä-
zisere Mitteilung werde zukommen lassen. Der Minister las mir ein
langes Telegramm des Grafen Forgach vor über eine Unterredung, die
dieser mit Nowakowitsch gehabt hat. Der serbische Ministerpräsident
hat dabei eine recht verständige Sprache geführt und betont, daß
Aehrenthal aus der serbischen Zirkularnote ein nach Lage der Verhält-
nisse in Serbien gewiß großes Entgegenkommen und den Willen zur
Anpassung an den österreichischen Standpunkt erblicken werde. Mit
dem ersten Schritt hatte das Ministerium nicht weiter gehen können.
Nowakowitsch hat dabei dem Grafen Forgach angedeutet, daß er über
die von seiten Rußlands in der Annexionsfrage Österreich gegenüber
eingegangenen 'Verpflichtungen genau orientiert sei. Nowakowitsch hat
dem Grafen Forgach dabei eine an Österreich zu richtende präzise Ant-
wort für die nächste Zeit in Aussicht gestellt und vorgeschlagen, den
Text dieser Antwort in vertraulicher Besprechung mit Graf Forgach
festzustellen. Aehrenthal wird den Grafen anweisen, diesen Gedanken
entgegenkommend aufzunehmen und in diskreter Form die bezüg-
lichen Verhandlungen mit dem serbischen Ministerpräsidenten zu
führen**).
Tschirschky.
*) Randbemerkung Kaiser Wilhelm II.: Richtig.
**) Schlußbemerkung des Kaisers: Erfreulich.
*) G. Simitsch. Vgl. Aktenstück Nr. 464-
2) Vgl. auch die ausführliche Würdigung der serbischen Note in dem Erlaß Frei-
herrn von Aehrenthals an Graf Forgach vom n. März. Österreichisch-ungarisches
Rotbuch: Diplomatische Aktenstücke betreffend Bosnien und die Herzegowina 1908—
ïQog, S.95f. Vgl. Aktenstück Nr. 466.
77
Nr. 46 g.
Aufzeichnung des Gesandten im Auswärtigen Amt
von Kiderlen.x)
Eigenhändig.
Berlin, den 12. März 1909.
Der österreichisch-ungarische Botschafter hat mir einen Erlaß des
Barons Aehrenthal vorgelesen, wonach er dem serbischen Gesandten bei
Empfang von dessen Zirkulamote gesagt hat, die Note enthalte Gutes
und Schlechtes. Der Eingang besage, daß Serbien aus der Annexion
keine rechtlichen Ansprüche abzuleiten habe, das sei gut. Unzulässig
dagegen sei die Behauptung, daß die Frage der Annexion auch noch
in materieller Hinsicht der Diskussion der Mächte unter-
liege. Die materielle Seite sei durch das österreichisch-türkische Ab-
kommen geregelt; die noch erforderliche formelle Sanktion durch
die Mächte gehe Serbien, das am Berliner Vertrag nicht teilgenommen,
nichts an. Baron Aehrenthal hoffe noch auf eine befriedigende Ant-
wort aus Belgrad auf seine dortige Demarche.
Nach Mitteilung des Grafen Forgach läßt eine Äußerung des Mi-
nisters Nowakowitsch darauf schließen, daß Serbien noch eine be-
sondere Antwort auf die österreichische Demarche geben will, und
daß er, der serbische Minister, bereit ist, über deren Redaktion mit
Graf Forgach zu verhandeln.
Baron Aehrenthal hat den Grafen Berchtold angewiesen, Herrn
Iswolski zu sagen, er werde der serbischen Regierung einen Dienst
erweisen, wenn er ihr klar mache, daß für sie die Annexionsfrage
durch das österreichisch-türkische Abkommen erledigt sei und die for-
melle Anerkennung durch die Großmächte, die noch ausstehe, sie
nichts angehe. Mit einem solchen Rat in Belgrad spreche Rußland
in keiner Weise seine eigene formelle Zustimmung aus.
Graf Berchtold soll je nach dem Entgegenkommen, das er bei
Herrn Iswolski finde, mehr oder minder deutlich darauf hinweisen,
daß Baron Aehrenthal schließlich gezwungen sein würde, sein Mate-
rial über Iswolskis Zustimmung zur Annexion nicht nur in Belgrad,
sondern auch in London und Paris zu verwerten* 2).
Aus Szögyenyis direkte Frage, ob ich eine solche Verwertung für
nützlich halte, erwiderte ich, wir müßten das Urteil darüber Baron
Aehrenthal überlassen; ich persönlich würde dafür halten, diesen Trumpf
möglichst lange nicht aus der Hand zu geben. Kiderlen.
D Die Große Politik Bd. 26 (II. Hälfte), Nr.o423, S. 65i.
2) Vgl. dazu Kap. CCIV, Nr. 9435.
78
Nr. 470.
Telegramm des russischen Geschäftsträgers in Sofia
an den russischen Außenminister.
Sofia, den
28. Februar
i3. März
I9°9-1)
Wie mir der serbische Geschäftsträger mitteilte, ist der serbische
Außenminister Milowanowitsch mit seinem zweitägigen Aufenthalt in
Sofia sehr zufrieden. Aus seinen Unterredungen mit dem Zaren, den
Ministern und anderen politischen Persönlichkeiten hat er den Eindruck
gewonnen, daß beide Staaten gemeinsame politische In-
teressen haben, die auf die Notwendigkeit einer engeren Verbin-
dung hinweisen. Der Zar erwähnte ihm gegenüber den unauslösch-
lichen Eindruck, den ihm seine Petersburger Reise gemacht habe, und
wies darauf hin, daß die militärische Kraft und das lebhafte Interesse
für das Schicksal der südslawischen Staaten in Petersburg wieder auf-
lebe.
Alles was vom serbischen Außenminister persönlich gesagt worden
ist, stimmt mit dem oben Ausgeführten überein.
Strandtman.
Nr. 471-
Der serbische Gesandte Simitsch in Wien
an Freiherrn von Aehrenthal.2)
Vienne, le i5 mars 1909 (2. März a. St.).
D’ordre de mon Gouvernement, j’ai l’honmeur de communiquer à
Votre Excellence la réponse suivante du Gouvernement Royal à la
communication que la Légation Impériale et Royale d’Autriche-Hongrie
lui a faite le 6 de ce mois:
Le Gouvernement Royal a exposé dans sa dépêche circulaire du 2 5
février (10 mars) qui a été remise au Gouvernement Impérial et Royal,
de même qu’aux Gouvernements de toutes les autres Puissances signa-
taires du Traité de Berlin, son point de vue dans la question bosno-
herzégovinienne et il a à cette occasion constaté que la Serbie, oonsi-
1| Benckendorff, Bd. I, Nr. l\2, S. 68.
2) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. i38.
79
dérant que les rapports juridiques entre elle et F Autriche-Hongrie sont
restés normaux, désire continuer à remplir envers la Monarchie voisine,
sur la base de la réciprocité, les devoirs de bon voisinage et à ¡entretenir
avec elle les relations dérivant des intérêts mutuels d'ordre matériel.
Le Gouvernement Royal est, par consequént, d’avis qu’il serait le
plus conforme, tant aux intérêts matériels des deux parties qu’aux liens
crées par le traité, signé l’année dernière, qui a déjà reçu la force de
la loi en Serbie, que les Gouvernements de la Monarchie soumettent à
l’approbation des Parlements de Vienne et de Budapest ce traité de
commerce quoique le délai prévu pour sa ratification ait déjà expiré.
L’acceptation de ce traité par les Parlements aurait en même temps
présenté le moyen le plus sûr pour éviter toute interruption des re-
lations conventionelles. Son rejet par les Parlements aurait servi
soit à fixer un point de départ certain à des négociations éventuelles
en vue d’un nouveau traité, soit au contraire à faire constater que les
tendances des Parlements, avec leurs courants agraires, conseillent
d’abandonner en général toute idée de faire un traité au tarif conven-
tionel entre la Serbie et l’Autriche-Hongrie.
Au cas où l’Autriche-Hongrie, par suite de 1’insuffisance de temps
ou pour des raisons d’ordre parlementaire, n’aurait pu faire passer par
les Parlements, jusqu’au 18—3i mars, le traité de commerce que la
Serbie a conclu avec elle, le Gouvernement Royal se tiendrait prêt à
accepter si elle lui était proposée, une nouvelle application provisoire de
ce traité jusqu’à la date du 18—3i décembre de cette année.
Nr. 472.
Freiherr von Aehrenthal an Graf Forgach in Belgrad.r)
Telegramm: Wien, den i5. März 1909 (2. März a. St.).
Bei der Entgegennahme der serbischen Note seitens Herrn Simie habe
ich mich darauf beschränkt zu konstatieren, daß ihr Inhalt unbefrie-
digend sei; ich habe hierbei darauf hingewiesen, daß der durch die
Überreichung unserer Note in Belgrad gemachte Schritt allgemein als
ein Entgegenkommen der k. und k. Regierung, von dem man eine Klä-
rung der Situation erhofft habe, auf gef aßt worden sei; durch die ser-
bische Antwort, welche unserer Frage vollständig ausweicht, wären je-
doch die Chancen einer Verständigung zwischen Wien und Belgrad wie-
der wenig günstig geworden.
1) Österreichisches Rotbuch 1909 . Nr. 139.
80
Nr. 473.
Graf Forgach an Freiherrn von Aehrenthal.*)
Telegramm: Belgrad, den 16. März 1909 (3. März a. St.).
Die letzte serbische Note wird von hiesiger Presse einstimmig gebil-
ligt und die Regierung aufgefordert, ihre bisherige Haltung beizubehal-
ten und jedwede weitere Forderung Österreich-Ungams abzulehnen.
Nr. 474.
Freiherr von Aehrenthal an die k. u. k. Missionen in
London, Paris, Rom, Berlin, St. Petersburg, Konstan-
tinopel, Bukarest, Sofia und Cetinje.
Telegramm: Wien, den 16. März 1909 (3. März a. St.).
Mein gestriges Telegramm hat Euer Exzellenz von meiner Beurteilung
der serbischen Note Kenntnis gegeben.
Graf Forgach meldet, daß sein englischer, französischer, deutscher
und italienischer Kollege den serbischen Schritt übereinstimmend be-
dauert haben und die Textierung des fraglichen Schriftstückes bemän-
geln. Die Note sei ihnen unerwartet und stünde im Gegensätze zur
Sprache der serbischen Minister, auf deren Grundlage sie ihren Regie-
rungen Meldungen in ganz entgegengesetztem Sinne erstattet hätten.
Nr. 475.
Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.* 3)
Ausfertigung.
Nr. 66. Belgrad, den 16. März 1909 (3. März a. St).
Der serbische Ministerpräsident Nowakowitsch besuchte gestern den
österreichisch-ungarischen Gesandten, gab die friedlichsten Versiche-
rungen ab und bat um das „Wohlwollen“ des Gesandten, erklärte aber
1) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. i4o.
3) Österreichisches Rotbuch 1909. Nr. i4i.
*) Die Große Politik Bd.26 (II. Hälfte), Nr. 9443, S.677.
6 Boghitschewitsch, Serbien II.
81
gleichzeitig, daß die serbische Regierung von ihrem in der Zirkular-
depesche eingenommenen Standpunkt nicht abgehen könne. Ähnlich
äußerte sich mir gegenüber der Minister des Äußern Milowanowitsch.
Graf Forgäch hat, wie er mir erzählt, Herrn Nowakowitsch keinen
Zweifel über den schlechten Eindruck gelassen, den die serbische*
Antwort nach Wien auf ihn persönlich gemacht habe, und hat ihm
nicht verhehlt, daß er die Lage für äußerst ernst halte.
Die Vertreter Frankreichs, Englands und Italiens zeigen sich von der
serbischen Antwort sehr unangenehm berührt, da ihnen, wie sie sagen,
von den beiden genannten serbischen Ministem andere Angaben über
den voraussichtlichen Text gemacht worden wären. Der russische Ge-
sandte hält sich seit einigen Tagen verborgen.
Es heißt, daß in dem Ministerrat, in welchem die Antwort festgesetzt
worden ist, König Peter und Herr Milowanowitsch für eine andere Fas-
sung eingetreten seien, schließlich aber dem Drängen des jungradikalen
Kultusministers Ljuba Stojanowitsch und des altradikalen Finanzmini-
sters Protitsch, der leidenschaftlichen Feinde Österreich-Ungarns, nach-
gegeben hätten.
Bezeichnend für das Vorgehen der serbischen Minister ist die Tat-
sache, daß noch letzten Freitag Herr Milowanowitsch dem österreichisch-
ungarischen Gesandten sagte, er werde mehrere Entwürfe für die nach
Wien zu richtende Antwortnote anfertigen lassen und sie mit ihm be-
sprechen, sodann aber nichts mehr von sich hören ließ, bis er am Sonn-
tag abend die Abschrift der bereits nach Wien abgesandten Antwort in
die österreichisch-ungarische Gesandtschaft schickte.
M. Ratibor.
Nr. 476.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister.1)
Belgrad, den 4*/I7* März 1909.
Die Lage verschärft sich. Die Nachrichten, die hier über verstärkte
militärische Rüstungen Österreichs eintreffen, können Serbien veran-
lassen, zu ähnlichen Maßnahmen zu greifen. Diese würden von Öster-
reich jedenfalls als Herausforderung angesehen werden. Andererseits
ist die königliche Regierung auf Grund der von Forgäch abgegebenen
Erklärung überzeugt, daß Österreich in seiner nächsten Mitteilung offen
verlangen wird, Serbien solle vor allem die bosnisch-herzegowinische
*) Benckendorff, I, Nr. 5o, S. 76.
82
Frage auf Grund des österreichisch-türkischen Protokolls für erledigt
erklären, um sich auf diese Weise die Teilnahme an der Konferenz
zu erleichtern. Serbien wird jedenfalls ebenso wie früher antworten,
und dann würde der Zusammenstoß unvermeidlich sein. Simitsch’
glaubt, daß der einzige Ausweg aus dieser kritischen Lage darin be-
steht, daß die Großmächte auf die eine oder andere Weise Österreich
verhinderten, direkt mit Serbien zu verhandeln. Der Minister glaubt,
daß dies z. B. durch einen Kollektivschritt der Mächte in Belgrad er-
reicht werden könnte, wobei dem Belgrader Kabinett vorgeschlagen
würde, abzurüsten. Diesem Verlangen würde die Regierung bedingungs-
los nachgeben und auf diese Weise Österreich in eine äußerst schwie-
rige Situation Europa gegenüber versetzen. So sonderbar diese Ansicht
des Ministers auch erscheinen mag, halte ich es dennoch für meine
Pflicht, sie Ihnen mitzuteilen. S e r g e j e w.
Nr. 477-
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Belgrad.*)
Petersburg, den 4-/I7- März 1909.
Die Antwort der serbischen Regierung auf die Mitteilung Forgachs
hat in Wien nicht befriedigt. Auch die anderen Mächte sind der An-
sicht, daß die Antwort den jetzigen Verhältnissen nicht entspricht.
Man muß annehmen, daß Österreich jetzt noch energischere Forderun-
gen an Serbien stellen wird. Wir sind sehr erstaunt, daß das Bel-
grader Kabinett, obwohl es augenscheinlich im Prinzip die Notwendig-
keit, Österreich nachzugeben, eingesehen hat, unserm Rat nicht ge-
folgt ist, sich mit Forgäch über die endgültige Antwort zu verständigen,
die Österreich befriedigt hätte. Man darf nicht vergessen, daß das
Wiener Kabinett bei jeder neuen Forderung seine Ansprüche erhöht,
und daß auf diese Weise unsere Aufgabe, Serbien nach Möglichkeit
bei den diplomatischen Verhandlungen mit den Mächten zu helfen,
außerordentlich erschwert wird. Wie wir schon erklärt haben, kann die
serbische Antwort, unter dem Drucke von Zwangsmaßregeln gegeben,
auch wenn in ihr ein kategorischer Verzicht auf Bosnien
und die Herzegowina enthalten ist, doch nicht eine ent-
scheidende Bedeutung für das Schicksal dieser Provin-
zen haben. Diese Frage muß ausschließlich von den Mächten ent-
schieden werden, und ihre Ansicht hängt nicht vom Standpunkte der
*) Benckendorff, Bd. I, Nr. 5i, S. 77.
83
serbischen Regierung ab, sondern stützt sich, wie in Belgrad wohl be-
kannt, auf Fragen des Rechts und die Notwendigkeit, unter den Mäch-
ten ein Einvernehmen zu erzielen. Teilen Sie dies der serbischen Re-
gierung mit und sprechen Sie ihr gegenüber die Erwartung aus, daß sie
diese Erwägungen bei der Redaktion der endgültigen Antwort auf die
Mitteilung in Betracht ziehen wird, die Forgach wahrscheinlich in näch-
ster Zeit machen wird.
Is wolski.
Nr. 478.
Freiherr v. Aehrenthal an Graf Mensdorff in London.*)
Telegramm: Wien, den 19. März 1909 (6. März a. St.).
Im Aufträge seiner Regierung ist Sir F. L. Cartwright vor zwei
Tagen hier erschienen und hat mir erklärt, die englische Regierung miß-
billige die serbische Antwort auf unsere Demarche. Sowohl Rußland wie
England hätten gewünscht, daß ein Passus, betreffend die Abrüstung,
in die serbische Note aufgenommen werde. Im übrigen sei der eng-
lische Gesandte in Belgrad eingeladen worden, die dem russischen Ver-
treter in Belgrad in letzter Zeit aufgetragenen Schritte, um Serbien
zu einem dezidierten Einlenken zu bestimmen, auch seinerseits zu un-
terstützen.
Der Herr englische Botschafter hatte weiters den Auftrag, mir mitzu-
teilen, daß die englische Regierung bemüht sei, die serbische Regierung
zur Abgabe einer uns konvenierender Erklärung zu veranlassen, und hat
einen Wortlaut vorgelegt, der sich mit der im Telegramm Euer Exzel-
lenz vom 16. d. M. angeführten Mitteilung Sir E. Greys im großen und
ganzen deckt.
Ich habe Sir F. L. Cartwright für die freundschaftliche Message sei-
ner Regierung gedankt. Was seine Mitteilung über den englischerseits
proponierten Inhalt einer eventuellen serbischen Deklaration anbelangt,
habe ich bemerkt, daß mir dieselbe schon deshalb nicht genügen könne,
weil darin von der Notwendigkeit der serbischen Abrüstung nicht die
Rede sei.
Gestern abend ist Sir F. L. Cartwright neuerdings bei mir erschienen
und hat mir eröffnet, daß, seine Regierung beschlossen habe, sich in
Belgrad bestens dafür zu verwenden, daß die serbische Regierung an
uns eine Erklärung richte; im Hinblick auf meine Weigerung, den von
Sir E. Grey vorgeschlagenen Wortlaut anzunehmen, frug mich der Herr
Botschafter, was für ein Wortlaut für eine serbischerseits an uns zu
1) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. i5o.
84
richtende Note annehmbar wäre, damit er diesen seiner Regierung tele-
graphisch mitteilen könne. Von mir wünsche die englische Regierung
nur die Zusicherung, daß wir, solange die englische Demarche im Zuge
sei, eine Attacke Serbiens unterlassen würden.
Diese neuerlichen Eröffnungen des englischen Botschafters habe ich
dankend und mit dem Bemerken zur Kenntnis genommen, daß ich ihm
die gewünschte Versicherung, wir würden, solange die englische De-
marche im Zuge sei, Serbien nicht den Krieg machen, gerne erteile.
Auch den Entwurf einer Erklärung, die die englische Regierung in Bel-
grad vertreten würde, würde ich ihm in kürzester Zeit zukommen lassen.
Was unser Verhältnis zu Serbien im allgemeinen anbelange, so könnte
ich ihm erklären, daß Österreich-Ungarn niemals beabsichtigt habe,
die Integrität und Unabhängigkeit des Königreiches zu bedrohen; solche
Absichten bestünden auch jetzt und ebenso auch für die Zukunft nicht.
Was wir von Serbien verlangen, ist die aufrichtige Rückkehr zu einer
Politik korrekter freundnachbarlicher Beziehungen zu uns. Eines müsse
ich aber betonen, nämlich, daß wir nicht in der Lage wären, die Pour-
parlers fortzusetzen, wenn man uns in Zusammenhang mit der serbi-
scherseits abzugebenden Erklärung etwa, wie dies wahrscheinlich von
Belgrad intendiert werden dürfte, zumuten sollte, gleichzeitig auch
unsere notwendig gewordenen militärischen Vorkehrungen einzustellen.
Selbstverständlich werden wir letztere, die uns große materielle Opfer
auf erlegen, rückgängig machen, sobald uns seitens Serbiens eine be-
friedigende Erklärung vorliegt.
Nr. 479.
Freiherr v. Aehrenthal an Graf Mensdorff in London.l)
Telegramm: Wien, den 19. März 1909 (6. März a. St.).
Der von mir heute dem englischen Botschafter übergebene Entwurf
für eine Erklärung der serbischen Regierung lautet wie folgt:
«La Serbie reconnaît qu’elle n’a pas été atteinte dans ses droits par
le fait accompli crée en Bosnie-Herzégovine. Elle déclare, qu’ayant
appris l’arrangement survenu à Constantinople entre l’Autriche-Hongrie
et l’Empire Ottoman, par lequel le nouvel état de choses se trouve
matériellement réglé, elle abandonne l’attitude de protestation et d’oppo-
sition qu’elle a observée à l’égard de l’annexion depuis l’automne der-
nier, et elle s’engage en outre à changer le cours de sa politique actuelle
envers l’Autriche-Hongrie pour vivre désormais avec cette dernière sur
le pied d’un bon voisinage.
x) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. i5i.
85
Conformément à ses déclarations pacifiques, la Serbie ramènera
son armée à letat du printemps de 1908, en ce qui concerne son orga-
nisation, sa dislocation et son effectif. Elle désarmera et licenciera ses
volontaires et ses bandes, et elle empêchera la formation de nouvelles
unités irrégulières aux frontières de T Autriche-Hongrie et de la Turquie.»
Nr. 48o.
Herr von Szôgyény an Freiherrn von Aehrenthal.1)
Telegramm: Berlin, den 24. März 1909 (11. März a. St.).
Als ich Staatssekretär heute besuchte, empfing er mich mit der so-
eben aus Petersburg eingetroffenen Nachricht, daß Herr Iswolski dem
Grafen Pourtalès Erklärung abgegeben habe, «que la Russie déclarerait
formellement son adhésion sans réserves à l’abolition de l’article XXV
du Traité de Berlin, dans le cas où l’Autriche-Hongrie s’adresserait à
elle en vue de la reconnaissance du protocole austro-hongrois-turc».
Nr. 481.
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes Freiherrn von Schoen.*)
Reinschrift.
Berlin, den 26. März 1909 (i3. März a. St.).
Der serbische Geschäftsträger bat mich im Aufträge seiner Regierung,
wir möchten in Wien dahin wirken, daß von der serbischen Regierung
nicht solche Erklärungen verlangt würden, welche auch zwar für den
Augenblick, aber nicht für die Zukunft beruhigend wirken könnten,
und in Serbien eine tiefe Erbitterung gegen Österreich-Ungarn hinter-
lassen müßten. Ganz vertraulich sagte mir der Geschäftsträger noch,
an allem Unheil sei, das erkenne man jetzt in Serbien, Herr Iswolski
schuld. Er sei es, der schon lange vor Verkündung der Annexion Herrn
Milowanowitsch den Gedanken territorialer Kompensationen beigebracht
habe. Auch seien die letzten serbischen Antwortnoten, die so unglück-
liche Aufnahme gefunden, gewissermaßen von Petersburg aus diktiert
worden, wenn auch Herr Iswolski das jetzt in Abrede stelle.
v. Schoen. * 2
*■) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. 157.
2) Die Große Politik Bd. 26 (II. Hälfte), Nr. 9480, S.713.
86
Nr. 48a.
Die königlich-serbische Gesandtschaft in Wien
an das k. u. k. Ministerium des Äußern.x)
Vienne, le i8/3i mars 1909.
Sc référant à la note antérieure du Gouvernement serbe au Gouverne-
ment austro-hongrois du i3 et. et de façon à dissiper tout malentendu
qui pourrait en être le résultat, le Ministre de Serbie a reçu l’ordre de
fournir les explications suivantes au Ministère Impérial et Royal des
Affaires Etrangères:
«La Serbie reconnaît quelle n’a pas été atteinte dans ses droits par
le fait accompli crée en Bosnie-Herzégovine et qu’elle se conformera
par conséquent à telle décision que les Puissances prendront par rapport
à l’article XXV du Traité de Berlin. Se rendant aux conseils des Grandes
Puissances la Serbie s’engage dès à présent à abandonner l’attitude de
protestation et d’opposition qu’elle a observée à l’égard de l’annexion
depuis l’automne dernier, et elle s’engage en outre à changer le cours
de sa politique actuelle envers l’Autriche-Hongrie pour vivre désormais
avec cette dernière sur le pied d’un bon voisinage.
Conformément à ces déclarations et confiante dans les intentions paci-
fiques de l’Autriche-Hongrie la Serbie ramènera son armée à l’état du
printemps de 1908, en ce qui concerne son organisation, sa dislocation
et son effectif. Elle désarmera et licenciera ses volontaires et ses bandes,
et elle empêchera la formation des nouvelles unités irrégulières sur son
territoire.»
Nr. 483.
Freiherr von Aehrenthal an Graf Forgâch.2)
Telegramm: Wien, den 3i. Mârz 1909 (18. Mârz a. St.).
Veuillez remettre au Gouvernement Serbe la note verbale suivante:
«Le Gouvernement Impérial et Royal ayant reçu la note de la Léga-
tion Royale de Serbie à Vienne en date du 3i mars prend acte bien
volontiers des déclarations du Gouvernement Royal de Serbie quant à
l’attitude qu’il est décidé à observer désormais vis-à-vis de la Monarchie.
En se félicitant de pouvoir reprendre avec le Gouvernement Royal des
relations de bon voisinage, le Gouvernement Impérial et Royal commun
d’Autriche-Hongrie, fidèle au point de vue exposé dans la note de la
Légation Impériale etRoyale en date du 5mars cr., est prêt à ouvrir immé-
Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. 169.
Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. 170.
87
diatement avec le Gouvernement Royal de nouvelles négociations sur les
relations commerciales entre la Monarchie et le Royaume de Serbie.
La Légation Impériale et Royale a reçu à ce sujet des instructions
précises l'autorisant à se mettre sans délai en rapport avec le Gouverne-
ment Royal en vue de remplacer par un autre le régime économique
expirant le 3i de ce mois.»
Nr. 484.
Telegramm des russischen Gesandten in Sofia
an den russischen Außenminister.x)
Sofia, den 3./i6. April 1909.
Der serbische Gesandte hat heute dem Ministerpräsidenten erklärt,
das Belgrader Kabinett halte es für wünschenswert, in einen Meinungs-
austausch mit Bulgarien hinsichtlich der türkischen Ereignisse zu tre-
ten, um eine gemeinsame Aktion zum Schutze der gegenseitigen In-
teressen einzuleiten. Dieselbe Mitteilung hat Milowanowitsch dem bul-
garischen Vertreter in Belgrad gemacht. Malinow hat geantwortet, es
sei schwierig, zur Zeit in dieser Hinsicht einen Beschluß zu fassen,
da die ganze Aufmerksamkeit der bulgarischen Regierung augenblick-
lich auf die Frage der Anerkennung der Unabhängigkeit gerichtet sei.
Trotzdem würde er gerne weitere Erklärungen haben und bäte Milo-
wano witsch, er solle ihm seine Ansicht über die türkischen Ereignisse
und seine Auffassung von einer gemeinsamen Handlungsweise mit-
teilen.
Nr. 485.
Sir F. L. Cartwrigt, königlich großbritannischer Bot-
schafter in Wien, an Freiherrn von Aehrenthal.2)
Vienna, April I7th, 1909 (4. April a. St.).
In reply to the communication which the Austro-Hungarian Am-
bassador in London made to Sir Edward Grey on the 3rd instant,
I have the honour to inform Your Excellency that His Majesty’s Go-
vernment give their consent to the suppression of Article XXV of the
Treaty of Berlin.
!) Benckendorff Bd. I, Nr. 70, S. 102.
2) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. i85.
88
Nr. 486.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Sofia.1)
Petersburg, den 5./i8. April 1909.
Die serbische Regierung hat uns gebeten, ihre Bemühungen zu unter-
stützen, mit Bulgarien Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen;
in der türkischen Krise einzuleiten. Unsern Standpunkt ersehen Sie
aus meinem Telegramm an unseren Belgrader Gesandten. Meinerseits
bitte ich Sie, diesen Standpunkt bei den weiteren Verhandlungen zwi-
schen Bulgarien und Serbien im Auge zu behalten. Obwohl ich aus den
Worten des hiesigen bulgarischen Gesandten schließen kann, daß seine
Regierung bereit ist, die Frage engerer Beziehungen zu Serbien ernst-
lich in Erwägung zu ziehen, so müssen wir dennoch infolge der in dieser
Frage gemachten Erfahrungen an dem Erfolge derartiger Verhand-
lungen bis zu einem gewissen Grade zweifeln. Jedoch haben wir Grund,
diesmal größeren Erfolg zu erwarten, da man in Bulgarien die volle
Unterwerfung Serbiens unter Österreich befürchtet, die für Bulgarien
die unmittelbare und gefährliche Nachbarschaft mit Österreich-Ungarn
zur Folge haben würde; andererseits hat mir der bulgarische Gesandte
die Überzeugung ausgesprochen, daß Bulgarien jetzt eine völlige Eini-
gung mit Serbien in der mazedonischen Frage erreichen könne. Aus
all diesem geht hervor, wie vorsichtig die Verhandlungen zwischen Ser-
bien und Bulgarien geführt werden müssen, wobei auch wir nicht allzu
aktiv hervortreten dürfen.
Is wolski.
Nr. 487.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Belgrad.2)
Petersburg, den 5./i8. April 1909.
Wir haben stets den Gedanken einer Annäherung zwischen Bulgarien
und Serbien mit dem größten Wohlwollen verfolgt und eine gemein-
same Handlungsweise dieser beiden Mächte zur Vermeidung von Miß-
verständnissen, die den gemeinsamen slawischen Interessen gefährlich
werden könnten, gewünscht.
Benckendorff Bd. I, Nr. 71, S. 102.
2) Benckendorff Bd. I, Nr. 72, S. io3.
89
Ich habe in diesem Sinne mit dem hiesigen bulgarischen Gesandten
gesprochen, der mir versichert hat, daß auch Bulgarien solidarisch mit
Serbien zu handeln wünscht. Ich teile dies unserem Gesandten in Sofia
mit, da Paprikoff die Absicht hat, sich mit dieser Frage nach seiner
Rückkehr nach Sofia zu beschäftigen. Es ist erwünscht, daß Serbien
in der türkischen Krise die Selbstbeherrschung bewahrt und vor allem
nicht Österreich-Ungarn durch seine Handlungen oder unvorsichtige
Verhandlungen mit Bulgarien den Vorwand gibt, sich aktiv in die tür-
kische Frage einzumischen. Sprechen Sie in diesem Sinne vertraulich
mit Milowanowitsch.
Is wolski.
Nr. 488.
Fürst Umssoff, kaiserlich russischer Botschafter
in Wien, an Freiherrn von Aehrenthal.1)
Vienne, le 6/19 avril 1909.
Le soussigné, Ambassadeur de Russie, d'ordre de son Gouvernement,
a l'honneur d'informer Son Excellence le Baron d’Aehrenthal, Ministre
des Affaires Etrangères, que le Gouvernement Impérial Russe, ayant
reçu la note de l’Ambassadeur d'Autriche-Hongrie à St. Petersbourg,
en date du 21 mars/3 avril a. c., donne son consentement à la suppres-
sion de l'article XXV du Traité de Berlin.
Nr. 489.
Herr Crozier, Botschafter der französischen Republik
in Wien, an Freiherrn von Aehrenthal.* 2)
Vienne, le 19 avril 1909 (6. April a. St.).
L’Ambassadeur de la République Française à Vienne a l’honneur de
faire savoir à Son Excellence le Baron d’Aehrenthal, Ministre Impérial
et Royal des Affaires Etrangères, qu'en réponse à la communication
faite le 3 de ce mois par le Chargé d’Affaires d’Autriche-Hongrie à
Paris, le Gouvernement Français donne son adhésion à la suppression
de l’article XXV du Traité de Berlin.
*) österreichisches Rotbuch 1909, S. 186.
2) Österreichisches Rotbuch 1909, Nr. 187.
9°
Nr. 490.
Bericht des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister.
Belgrad, den i4./27- April 1909.
Nr. 34.
Die serbischen Sympathien für Bulgarien treten seit der Beendigung
des serbisch-österreichischen Konfliktes immer stärker zutage. Die.
Presse spricht immer lauter von der Notwendigkeit einer Annäherung
der beiden Länder auf der Grundlage der allgemeinen slawischen In-
teressen. Dieser Standpunkt wird auch von der serbischen Regierung
geteilt. Die Eröffnungen, die in diesem Sinne von dem bulgarischen
Vertreter in Belgrad gemacht worden sind, sind sehr beifällig auf genom-
men worden. Trotzdem haben die schon begonnenen Verhandlungen
noch zu keinem positiven Resultat geführt — nicht einmal der Umriß
eines Abkommens zwischen den beiden slawischen Staaten ist festge-
stellt worden. Es wäre am natürlichsten, das frühere Abkommen als
Grundlage zu benutzen, welches schon vollkommen ausgearbeitet war,
schließlich aber infolge österreichischer Einwirkung nicht durchgeführt
wurde. Auf alle Fälle erscheint es wünschenswert, die Annäherung
ganz allmählich durchzuführen, indem man jetzt mit weniger wichtigen
Fragen anfängt, z. B. der Verbesserung der Eisenbahnverbindungen,
der Geldeinheit usw. Fragen politischer Art würden die ersten Ver-
handlungen erschweren und das endgültige Resultat unnötigerweise in
Frage stellen.
Aus meinen Unterredungen mit Milowanowitsch ersehe ich, daß die
serbische Regierung befürchtet, daß man bei den Verhandlungen ge-
fährliche und schwierige Besprechungen über Mazedonien und die dort
herrschende Feindschaft zwischen serbischen und bulgarischen Elemen-
ten nicht wird vermeiden können.
Der Außenminister versicherte mir jedoch, daß den serbischen Kon-
suln in Mazedonien der Befehl gegeben worden ist, sich jeder Ein-
mischung in die dortigen Unruhen zu enthalten und nötigenfalls im Ein-
vernehmen mit den bulgarischen Agenten zu handeln.
Dieser Standpunkt der serbischen Regierung ist in der Erwägung
begründet, daß es augenblicklich unzweckmäßig wäre, in Mazedonien
nationale Fragen aufzuwerfen. Serbien hat die Absicht, sich aller aktiven
Maßnahmen zu enthalten. Das Kabinett Nowakowitsch will jetzt ganz
korrekt handeln.
Sergejew.
*) Benckendorff Bd. I, Nr. 73, S. io4.
9r
Nr. 4gI.
Telegramm des russischen Gesandten in Sofia
an den russischen Außenminister.1)
Sofia, den
2i. April
4. Mai
1909-
In feierlicher Audienz habe ich heute als erster der hiesigen aus-
ländischen Vertreter König Ferdinand mein Beglaubigungsschreiben
übergeben. In einer darauffolgenden einstündigen Unterredung hat der
König in den wärmsten Ausdrücken von der Unterstützung gesprochen,
die Bulgarien in unserem Souverän gefunden hat, und wies hierbei auf
die bulgarische Bereitschaft hin, die zwischen Rußland und Bulgarien
bestehenden herzlichen Beziehungen weiter zu entwickeln. Der Gedanke
einer weiteren Annäherung zwischen beiden Ländern werde jetzt in
Sofia besprochen und der König hoffe, daß auch ich mich hieran be-
teiligen werde. Da ich keine Instruktionen in dieser Hinsicht bekommen
habe, ich aber aus den Worten des bulgarischen Außenminister schließe,
daß die Frage eines politischen Abkommens zwischen Rußland und
Bulgarien im Prinzip beschlossen sei, so antwortete ich dem König in
allgemeinen Ausdrücken und wies darauf hin, daß es wünschenswert
sei, daß Paprikoff konkrete Vorschläge ausarbeite. Auf diese Weise,
scheint es mir, würden wir bei Verhandlungen in einer günstigen Po-
sition sein.
Sementowski-Kurillo.
Nr. 492.
Telegramm des russischen Außenministers an den
russischen Gesandten in Sofia.2)
Petersburg, den ^ ~ 1909.
Ihr Telegramm vom 21. April erhalten. Alles, was Sie König Fer-
dinand hinsichtlich des in Aussicht genommenen politischen Abkom-
mens gesagt haben, findet unsere Zustimmung. Sie können weiter sagen,
daß die russische Regierung mit Vergnügen konkrete Vorschläge von
seiten Bulgariens prüfen und in Betracht ziehen wird.
Is wolski.
*) Benckendorff Bd. I, Nr. 74, S. io5.
2) Benckendorff Bd. I, Nr. 75, S. 106.
92
Nr. 4g3.
Bericht des russischen Gesandten in Belgrad an den
russischen Außenminister.1)
Belgrad, den 12./2 5. Mai 1909.
Nr. 38.
Soweit mir bekannt, hat die bulgarische Regierung auf den ser-
bischen Vorschlag ausweichend dahin geantwortet, daß der Text des
alten Handelsvertrages zwischen Serbien und Bulgarien zum Aus-
gangspunkte der bevorstehenden Verhandlungen gemacht werden solle.
Ohne eine direkte Absage zu geben, hat die bulgarische Regierung ange-
deutet, sie ziehe es vor, diese ganze Frage einstweilen noch aufzuschie-
ben. Es ist jedoch zu bemerken, daß gerade auf dieser konkreten Grund-
lage eine erste Annäherung hätte stattfinden können, um sodann realere
Formen anzunehmen. Die Serben wünschen die Verhandlungen als
Gleichberechtigte zu führen, während Bulgarien augenscheinlich die
serbischen Vorschläge bloß anzuhören wünscht und selbst keine Vor-
schläge macht, was in hiesigen Regierungskreisen verletzend wirkt. Des-
halb erscheint die Möglichkeit einer Annäherung, obwohl bei der jetzi-
gen politischen Lage die günstigen Vorbedingungen gegeben sind, recht
problematisch, wenigstens für die nächste Zukunft.
Serge jew.
Nr. 494.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.* 2)
Ausfertigung.
Nr. 191. Wien, den 3o. Mai 1909.
Vertraulich.
Mein Gewährsmann hat aus der hiesigen russischen Botschaft von
einer vertraulichen Instruktion Kenntnis erhalten, welche die serbische
Regierung an ihren Vertreter in Sofia, Herrn Swetislaw Simitsch, ge-
richtet hat, und worin derselbe angewiesen wird, alle seine Bemühungen
darauf zu konzentrieren, daß das Verhältnis zwischen Serbien und Bul-
garien sich so intim als möglich gestalte und jede Meinungsverschieden-
heit zwischen den beiden Regierungen aus dem Wege geräumt werde.
In der Note heißt es unter anderem:
*-) Benckendorff Bd. I, Nr.. 77.
2) Die Große Politik Bd. 27 (I. Hälfte), Nr. 9727, S. 157.
93
m
„Herr Simitsch solle sich vor Augen halten, daß die serbische Re-
gierung auf dem Standpunkte stehe: der Balkan den Balkanvölkern,
und daß sie deshalb eine Verständigung mit den anderen Balkan-
staaten anstrebe, um jede fremde Invasion gemeinsam und solidarisch
abwehren zu können.
Serbien sei bereit, zu diesem Behufe mit Bulgarien nicht nur eine
Zollunion, sondern auch eine Militärkonvention abzuschließen, wobei
seiner Ansicht nach dem Fürstentume Montenegro der Beitritt offen-
gehalten werden sollte.
Was die Abgrenzung der beiderseitigen nationalen Einflußphären in
Mazedonien betrifft, so sei Serbien jederzeit erbötig, hierüber mit Bul-
garien in eine Auseinandersetzung einzutreten, und hege es von vorn-
herein die Überzeugung, daß bei gegenseitiger freundschaftlicher und
loyaler Gesinnung eine Verständigung in dieser Frage ohne jede Schwie-
rigkeit auf der Basis der tatsächlichen Verhältnisse zu erzielen sein
wird.
Herr Simitsch solle den Inhalt und die Informationen dieser Instruk-
tionsnote als streng vertraulich behandeln und sich derselben nur inso-
weit bedienen, als sie ihm als Anhaltspunkte und als Richtschnur für
seine Pourparlers mit der bulgarischen Regierung zu dienen haben...“
von Tschirschky.
Nr. 495.
Bericht des russischen Gesandten in Belgrad an den
russischen Außenminister.1)
r» i 26. Mai
Belgra4 den "aTtaf 19°9-
Nr. 44.
Die serbisch-bulgarischen Verhandlungen sind immer noch auf einem
toten Punkte. In serbischen Regierungskreisen schreibt man diese be-
dauerliche Verzögerung weniger der ablehnenden Haltung der bul-
garischen Regierung, als der persönlichen Einwirkung König Fer-
dinands zu.
Diese Ansicht wird durch den Umstand bekräftigt, daß der bul-
garische König bei einer ganzen Reihe von Anlässen deutlich gezeigt
hat, daß er den serbischen Bestrebungen nicht entgegenkommen will.
So z. B. hat er bei seiner Durchreise durch Belgrad nach Venedig seine
Zustimmung zu einem offiziellen Empfange in Serbien nicht gegeben
und statt in Belgrad den königlichen Zug in dem ungarischen Grenz-
städtchen Semlin anhalten lassen. Wie ich von Milowanowitsch erfahre,
enthielt der Wortlaut der Rede, die Simitsch2) bei der Übergabe halten
*) Benckendorff Bd. I, Nr. 82, S. ii5.
2) Sweta Simitsch, Gesandter in Sofia, nicht zu verwechseln mit dem Gesandten
in Wien Georg Simitsch. D. V.
94
I
sollte, ursprünglich die Worte: „Die slawische Solidarität, die Stimme
des Blutes, die gemeinsamen Leiden und Hoffnungen und mehr als
alles das — der unerschütterliche Glaube an unser Schicksal lassen uns,
den bulgarischen Erfolg als eine wichtige Unterlage unserer gemein-
sammen Zukunft begrüßen.“ Das bulgarische Kabinett hat gegen diese
Worte Einspruch erhoben und deren Streichung verlangt. Der serbische
Vertreter hat sich deshalb mit einer Begrüßung in allgemein gehaltenen
Ausdrücken begnügt.
Diese Ereignisse geben der serbischen Regierung Veranlassung anzu-
nehmen, daß Bulgarien in seiner Rücksichtnahme auf Österreich zu
weit gehe und dadurch die Annäherung zwischen den beiden Bruder-
völkern, die augenblicklich so wünschenswert ist, unmöglich macht.
S e r g e j e w.
Nr. 496.
Vertrauliche serbische Mitteilung
an die russische Regierung1)
28. Juli
vom ------------ IQOQ.
ii. August
Damit die Frage der serbisch-bulgarischen Beziehungen richtig be-
urteilt werden könne, seien in diesem kurzen Exposé die wichtigsten,
für diese Beziehungen charakteristischen Tatsachen angeführt. Es ent-
hält zwei Perioden: 1. Die Epoche vom russisch-japanischen Kriege bis
zur türkischen Revolution. 2. Die Epoche von den April-Ereignissen bis
zur Gegenwart.
1.
Während des russisch-japanischen Krieges wurde zwischen Serbien
und Bulgarien eine Art Entente abgeschlossen. Obgleich aber unter der
Regierung R. Petrows (bis zum Herbst 1906) die serbisch-bulgarischen
Beziehungen wenigstens dem Schein nach ihren früheren freundschaft-
lichen Charakter beibehalten haben, konnte man doch schon eine be-
trächtliche Erkaltung beobachten. Nach der Regierungsübernahme durch
D. Stanciow und besonders nach seiner Wiener und Berliner Reise ver-
loren diese Beziehungen ihren intimen Charakter vollständig und waren
in den Jahren 1907/08 sogar dermaßen gespannt, daß zu gewissen
Zeitpunkten (Mai und Juni) Serbien Gefahr lief, von Bulgarien ange-
griffen zu werden.
Sogleich nach dem Regierungsantritt Stanciows kündigte die bul-
*■) Benckendorff Bd. I, Nr. g3, S.iäoff. Siehe Bd.I Aktenstück Nr. 121.
95
garische Regierung das Geheimabkommen, demzufolge der alte serbisch-
bulgarische Handelsvertrag von 1897 bis zum Abschluß eines defin-
tiven Handelsvertrages in Kraft bleiben sollte. Dieser Entschluß der
bulgarischen Regierung hatte einen derart starken Rückgang der ser-
bischen Ausfuhr nach Bulgarien (1907) und des Transits durch Burgas
und Varna zur Folge, daß die Serbien im Jahre 1906 gewährten Er-
leichterungen illusorisch wurden. Zur gleichen Zeit begannen in der
bulgarischen Presse die Angriffe gegen Serbien und seine mazedonische
Politik. Das bulgarische Pressebüro kolportierte alle Erfindungen, die
die Wiener Presse über Serbien und sein königliches Haus verbreitete,
indem es die öffentliche Meinung Bulgariens auf diese Weise gegen
Serbien aufreizte. Der Vorfall der Lehrerin Minka Naumow (Frühjahr
1907), auf gebauscht und ausgebeutet, hatte die öffentliche Meinung
Bulgariens im höchsten Grade erregt; der Kriegsminister General Sawow
drohte Serbien in einem Gespräch mit dem italienischen Militärattach6
sogar mit dem Kriege. Zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen
kam es aber nicht, obwohl die Angriffe gegen Serbien im Mai und Juni
ihren Höhepunkt erreicht hatten. Als sich die Angriffe in der zweiten
Jahreshälfte etwas gelegt hatten, wurde die feindliche Stimmung an-
dauernd durch tendenziöse Nachrichten über die serbischen Banden in
Mazedonien und die Massenausweisung serbischer Arbeiter aus Bulgarien
genährt.
Die zu Anfang 1908 erfolgte Regierungsübernahme durch die Demo-
kraten zeichnete sich durch keinerlei Besserung der serbisch-bulgarischen
Beziehungen aus, da diese den Stambulowisten als ausgesprochene, den
Serben feindliche Nationalisten folgten. Die Demokraten verliehen ihrer
feindlichen Stimmung einen noch schärferen Charakter. Eine Reihe
von vollkommen erfundenen Dingen — der Leichentransport des Gene-
rals Petrov, die geisteskranke Lehrerin Iliewa, die Angriffe auf die
Militärmagazine, die Vergiftung des Wassers in den Wasserleitungen
Sofias, die serbische Propaganda in Mazedonien — alle diese Dinge dien-
ten als Mittel, um einen Sturm von Angriffen gegen Serbien, wie dies
im Jahre 1907 der Fall war, hervorzurufen; selbst der bulgarische
Außenminister enthielt sich nicht offener Drohungen.
Die Mißstimmung Bulgariens gegen Serbien hat gleichviel, welches
die Motive sind, die dafür angeführt werden, nur den einen Grund: Die
Bulgaren wissen, daß Serbien das einzige Hindernis für ihre These, die
mazedonische Frage sei eine ausschließlich bulgarische Frage, bildet.
Je mehr das serbische Element seine Lebenskraft beweist, desto mehr
wächst die Erregung der Bulgaren.
Während sich die gespannten Beziehungen auf diese Weise durch
derartige unsinnige und unbegründete Angriffe kundtaten, erhielt die
austrophile Tendenz der bulgarischen Außenpolitik einen immer ent-
schiedeneren Charakter. In dieser Epoche, besonders nach der Regie-
rungsübernahme durch Baron Aehrenthal, gewannen die Beziehungen
Bulgariens zu Österreich-Ungarn an Herzlichkeit.
Die türkische Julirevolution brachte im Grunde genommen keine Än-
derung in den serbisch-bulgarischen Beziehungen, doch verloren diese
ihre Schärfe und nahmen einen kühl-korrekten Charakter an. Das kon-
stitutionelle Regime in der Türkei und die lokalen Ereignisse (Ergebung
der Banden, Verbrüderung der Nationalitäten) veränderten das Bild der
mazedonischen Frage; die Beziehungen Bulgariens zu Österreich be-
hielten ihren Charakter, und das ist wichtig. Die Ereignisse des ver-
gangenen Herbstes haben sogar bewiesen, daß diese Beziehungen noch
enger geworden sind. Das österreichisch-bulgarische Zusammengehen,
das sich bei der Unabhängigkeitserklärung Bulgariens und der Annexion
Bosniens offenbart hatte, war keine Improvisation, sondern stellte das
Ergebnis einer zweijährigen von Bulgarien sowie von Österreich-Ungarn
geleisteten Arbeit dar.
2.
Serbien, das immer viel Sympathie für die Frage der bulgarischen
Unabhängigkeit hatte, ergriff, indem es auf alles, was sich zwischen ihm
und Bulgarien ereignet hatte, den Schleier der Vergessenheit warf, so-
gleich nach den letzten Aprilunruhen in Konstantinopel die Initiative
zu einem Abkommen mit Bulgarien für den Fall, daß die Unruhen den
Status quo gefährden sollten. Die serbischen Demarchen wurden auf
diplomatischem Wege, als auch durch die Presse gemacht, und diese
Arbeit stellte den Hauptgegenstand des vertraulichen Schriftwechsels
zwischen den Belgrader Ministern und der serbischen Gesandtschaft in
Sofia während der letzten drei Monate dar. Diese Korrespondenz zeigt
jedoch klar, daß die bulgarischen offiziellen Kreise sich mit der bloßen
Entgegennahme der Erklärungen begnügt haben und ihrerseits auch
nicht das geringste Zeichen eines guten Willens zu einer, sei es wirt-
schaftlichen, sei es politischen Annäherung gaben. Dazu einige Beispiele:
Gelegentlich einer Unterredung, die Paprikow während des Aufent-
haltes des Königs Ferdinand in Wien (der das Gerücht von einer ge-
meinsamen österreichisch-bulgarischen Aktion hervorrief) mit dem ser-
bischen Minister führte, erklärte der erstere, daß die Ententen zwischen
den Balkanstaaten wenig praktische, unausführbare und sogar gefähr-
liche Wünsche darstellen.
Als Antwort auf einen Artikel der „Samouprawa“ (offiziöses ser-
bisches Organ), der von der Notwendigkeit einer serbisch-bulgarischen
Entente sprach, veröffentlichte das offiziöse bulgarische Blatt „Pre-
poretz“ einen Artikel, dessen Ton und ungenaue wie illoyale Argumen-
tation die feindliche Stimmung gegen Serbien kundtat. In diesem Ar-
tikel wurde offen erklärt, daß das einzige Hindernis für eine serbisch-
bulgarische Entente die serbische Politik in Mazedonien sei, daß Serbien
auf Mazedonien verzichten müsse, und daß die serbische Politik eine
7 Boghitscbewitsch, Serbien II
97
„Eroberungspolitik", während die Bulgariens eine „Befreiungspolitik"
sei.
Ein weiterer charakteristischer Fall. In dem ursprünglichen Wort-
laut der Rede, die der serbische Gesandte anläßlich der Übergabe
seines neuen Beglaubigungsschreibens halten sollte, und die Milowano-
witsch selbst redigiert hatte in der Absicht, die Auffassung der ser-
bischen Regierung über die serbisch-bulgarischen Beziehungen zu prä-
zisieren, mußte der wichtigste Satz gestrichen werden, da die zuständi-
gen Kreise in Sofia ihn zu stark ausgeprägt fanden.
Bulgarien hat auf den diplomatischen Schritt ausweichend und
auf die Annäherungsversuche der Presse aggressiv geantwortet; ferner
beginnen charakteristische Erscheinungen zwischen Wien und Sofia
sich kundzutun. Als Beispiel könnte angeführt werden: der verlängerte
Aufenthalt des Königs, des Ministerpräsidenten, des Kriegsministers
und des Exarchen in Wien, sodann die häufigen Zusammenkünfte Ma-
linows mit den österreichischen Diplomaten. Auch müssen die Ideen
erwähnt werden, die von den Regierungskreisen nahestehenden Personen
zu der Zeit propagiert wurden: „Die Türkei kann nicht reformiert und
wieder verjüngt werden, und Serbien muß seiner Existenzbedingungen
beraubt werden. Bulgarien muß, der gegenwärtigen politischen Lage
Rechnung tragend, die Balkanprobleme im Einklang mit Österreich
regeln, wenn es nicht aller seiner Errungenschaften in Mazedonien ver-
lustig gehen will." Wahrscheinlich hat das in Sarajewo erscheinende
offiziöse Organ „Die Bosnische Post" mit einem von Lobreden auf
König Ferdinand und das bulgarische Volk strotzenden Artikel den An-
stoß zu diesem politischen Kurs gegeben mit der deutlich hervortreten-
den Tendenz, Bulgarien einer Politik entgegenzuführen, die es in einen
Konflikt mit allen Balkannationen verwickeln wird. Die Griechen und
Serben, heißt es in diesem Artikel, seien der bulgarischen Propaganda
in Mazedonien gegenüber vollkommen machtlos, und gerade in Ma-
zedonien sei es, wo die jungtürkische Regierung auf die Probe gestellt
werden wird. Die Bulgaren gäben sich über ihre Macht und ihre Auf-
gabe Rechenschaft, und das sei der Grund dafür, daß die Politiker von
Belgrad, Athen und Konstantinopel in Schrecken versetzt werden, wenn
sie ihren Blick auf die geographische Karte und das zukünftige bul-
garische Reich vom Wardar bis zur Mündung der Maritza, aufs Ägäische
Meer und vielleicht noch bis zum Marmarameer richteten. Der Artikel
schließt mit einer Voraussage über die Zukunft der Balkanhalbinsel. Die
Zukunft, heißt es da, werde in erster Linie von Bulgarien und dann erst
von der Türkei abhängen. Letzteres auch nur, wenn die jungtürkische
Regierung Mazedonien vor einer neuen, noch intensiveren Intervention
rette. Mazedonien sei ein Gebiet, wo die panottomanischen Jungtürken
und die Panbulgaren entweder Freunde werden müßten oder die einen
sich den anderen zu fügen haben würden.
98
Die Bedeutung dieses Artikels erscheint noch größer, zumal das bul-
garische Pressebüro ihn in alle Zeitungen von Sofia lanciert hat und
die etwas später in der „Neuen Freien Presse“ abgegebenen Erklärungen
Malinows mit den wichtigsten Ideen dieses Artikels vollkommen über-
einstimmen.
Anläßlich eines Artikels der „Nowoje Wremja“, in dem es hieß,
daß Bulgarien die Absicht hatte, das Maximum an Erleichterungen für
seine Viehausfuhr beim Abschluß eines Handelsvertrages mit Öster-
reich zu verlangen, um auf diese Weise gleichzeitig einer Lösung der
sehr peinlichen Frage in den österreichisch-serbischen Handelsvertrags-
verhandlungen beizutragen, hat Malinow einem Wiener Journalisten er-
klärt, daß Bulgarien beim Abschluß eines Handelsvertrages mit Öster-
reich-Ungarn sich nur von seinen eigenen Interessen würde leiten lassen.
Nicht um Malinow einen Vorwurf zu machen, wird dies angeführt,
sondern weil es charakteristisch ist, daß Malinow es für nötig erachtet
hat, selbst in Wien zu erklären, daß man den Artikel der „Nowoje
Wremja“ nicht in dem Sinne auslegen solle, daß zwischen Serbien und
Bulgarien auf dem Gebiete der Handelsvertragsverhandlungen Solidari-
tät herrsche. Aus den oben angeführten Tatsachen geht hervor, daß
die serbischen Bemühungen in den zuständigen bulgarischen Kreisen
nicht nur keine günstige Aufnahme finden, sondern daß die alten, von
der bulgarischen Regierung gemachten Schwierigkeiten auch jetzt noch
bestehen. Glücklicherweise muß man feststellen, daß alle bulgarischen
Politiker mit der offiziellen Politik Bulgariens nicht solidarisch sind,
und daß ernste Staatsmänner sogar einen absolut entgegengesetzten
Standpunkt bezüglich der Fragen vertreten, die einen direkten Einfluß
auf die Natur und Entwicklung der serbisch-bulgarischen Beziehungen
haben. Dies läßt hoffen, daß die serbisch-bulgarische Entente nicht
unmöglich sein wird.
Angesichts dieser Lage der Dinge war Serbien genötigt, sich jeglicher
weiteren Aktion, die seiner Würde widersprechen würde und nicht nur
unnütz, sondern auch gefährlich wäre, zu enthalten. Von jetzt ab, wo
jegliche diplomatische Verhandlungen und jegliche Pressepolemik auf-
gehört haben, scheint sich in Bulgarien ein gewisser Umschwung be-
merkbar zu machen, vorläufig nur in der Presse, doch ist es möglich,
daß er später auch in den offiziellen Kreisen zu beobachten sein wird.
Serbien wünscht aufrichtig und hofft, daß dieser Umschwung ange-
sichts der politischen Situation auf dem Balkan wie auch der bul-
garischen Interessen eine bestimmtere Form annehmen wird, es sei
denn, daß Bulgarien sich nicht schon definitiv an Österreich gebunden
hat. Jedenfalls bietet der gegenwärtige Moment den befreundeten Mäch-
ten die günstige Gelegenheit, um ihren ganzen Einfluß bei der bul-
garischen Regierung für die Verwirklichung der in Frage stehenden
Idee einzusetzen.
99
Nr. 497.
Streng vertraulicher Brief des russischen Außen-
ministers an den russischen Geschäftsträger in Sofia1)
Nr. 759. Petersburg, den 3./i6. August 1909.
Ich habe Ihre letzten politischen Berichte erhalten, die die wichtige
Frage der jetzigen Richtung der bulgarischen Außenpolitik erörtern.
Ihre Nachrichten stimmen mit dem überein, was mir auch von serbischer
Seite mitgeteilt worden ist. Wenn man Ihren Brief mit der serbischen
Mitteilung vergleicht, so kann man nicht umhin, eine gewisse Überein-
stimmung der darin mitgeteilten Nachrichten zu erblicken. Von beiden
Seiten ist auf den bedeutungsvollen Umstand hingewiesen worden, daß
die bulgarische Regierung den Wunsch geäußert hat, aus dem Beglau-
bigungsschreiben des serbischen Gesandten in Sofia sollten die Worte
ausgelassen werden, welche die engen Beziehungen zwischen den beiden
slawischen Völkern erwähnten.
Sehr bedeutsam ist die auch aus anderer Quelle bestätigte Erwähnung
von Verhandlungen zwischen Bulgarien und Österreich, deren Charak-
ter uns bisher noch nicht genügend bekannt ist. Man kann übrigens
mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß außer rein kommer-
ziellen Fragen, wovon Ihre Unterredung mit Sallabascheff zeugt, auch
solche politischer Natur besprochen wurden, und zwar wohl kaum in
einem für Rußland sehr freundschaftlichen Sinne.
Was jedoch Ihren Hinweis auf die Möglichkeit einer Aufteilung Ser-
biens anbelangt, so erscheint uns eine solche Annahme unwahrschein-
lich, da Bulgarien wohl kaum wünscht, der direkte Nachbarstaat Öster-
reich-Ungarns zu werden.
In Anbetracht all dieser Umstände kann die russische Regierung der
neuen Richtung der bulgarischen Politik nicht teilnahmlos gegenüber-
stehen und ich bitte Sie, einen diesbezüglichen vertraulichen Meinungs-
austausch mit dem bulgarischen Außenminister herbeizuführen. Sie
können das Ihnen hiermit zur Verfügung gestellte Material benutzen,
ohne jedoch zu erkennen zu geben, aus welcher Quelle es stammt, um
dem Minister in freundschaftlicher Weise zu erklären, einen wie un-
günstigen Eindruck auf uns einerseits die geheimnisvollen Beziehungen
zu Wien machen und andererseits die unliebenswürdige Haltung dem
benachbarten slawischen Staate gegenüber. Wir lassen natürlich nicht
die Möglichkeit zu, daß während des Bestehens der bekannten gegen-
seitigen Verpflichtungen zwischen Rußland und Bulgarien letzteres
wirklich die Absicht habe, Österreich gegenüber Verpflichtungen ein-
zugehen, die in den umlaufenden Gerüchten erwähnt werden; doch * IOO
^ Diplomatische Aktenstücke S. ifo—143 und Benckendorff Bd. I, Nr. 94, S.137
mit einigen Textänderungen.
IOO
finden wir, daß die russische Regierung, ohne sich in die inneren An-
gelegenheiten des Königreichs einmischen zu wollen, das Recht hat zu
verlangen, daß Bulgarien, dem Rußland soeben einen so wichtigen
Dienst erwiesen hat, größere Offenheit an den Tag legt.
Wir erwarten Ihren ausführlichen Bericht über den Inhalt Ihrer
Unterredung mit dem Minister und über den von Ihnen hierbei ge-
wonnenen Eindruck. I s w o 1 s k i.
Nr. 498.
Der Erste Sekretär bei der Botschaft in Wien
Graf Brockdorff-Rantzau an den Reichskanzler
von Bethmann Holl weg. *)
Ausfertigung.
Nr. 3o8. Wien, den 11. September 1909.
Der Gewährsmann der kaiserlichen Botschaft hat Einsicht in das
Resümee einer vertraulichen Note erhalten, die der serbische Minister
des Äußern Dr. Milowanowitsch anläßlich seiner Wiederübernahme
der Geschäfte an die serbischen Missionen im Auslande gerichtet hat.
In dieser Note wird, meinem Gewährsmann zufolge, im wesentlichen
nachstehendes ausgeführt:
Die auswärtige Politik Serbiens steht vor großen und ernsten Auf-
gaben. Die momentane Ruhe darf nicht über den Ernst der inter-
nationalen Lage täuschen, und insbesondere darf man sich in Serbien
keiner Täuschung darüber hingeben, daß der ganze Komplex der
Balkan- und Orientfragen in Bewegung geraten ist, und daß sich Serbien
mit seinen schwachen Kräften angesichts einer Situation befindet, die
alle seine Interessen und sogar seine Existenz berührt, und durch die
es gezwungen wird, vor keinen Anstrengungen und vor keinen Opfern
zurückzuschrecken.
Der Staatsstreich der Jungtürken, die Annexion Bosniens und der
Herzegowina, die Souveränitätserklärung Bulgariens, die Rebellion der
Albanesen, die Gärung in Mazedonien, das Aufwerfen der kretischen
Frage sowie der Dardanellenfrage, die Lancierung der Balkanföde-
ration auf der einen Seite und des österreichischen Trialismus auf der
anderen Seite — alle diese Erscheinungen sind ausnahmslos lauter Sym-
ptome. die in ganz unzweideutiger Weise erkennen lassen, daß das
ßalkanproblem eine Lösung fordert, und daß es ein wahrhaft verbreche-
rischer Optimismus von Serbien wäre, wenn es sich der Illusion hin-
geben wollte, daß die Gefahr einer gegen das Königreich gerichteten
Lösung des Balkan- und Orientproblems nicht vorhanden ist. IOI
1) Die Große Politik Bd.27 (I. Hälfte), Nr. 9781, S.161.
IOI
Es bleibt daher für die leitenden serbischen Staatsmänner Pflicht,
mit dieser Gefahr und dieser Möglichkeit ernstlich zu rechnen.
Namentlich ist es für Serbien von der größten Wichtigkeit, seinen
Platz an der Seite jener Gruppierung der europäischen Mächte zu
suchen, die eine solche Lösung des Balkan- und Orientproblems be-
günstigt, mit der Serbien einverstanden sein kann, weil sie seine Existenz
und seine Zukunft nicht gefährdet.
Während seiner jüngsten Anwesenheit in verschiedenen europäischen
Hauptstädten, erklärte Herr Milowanowitsch weiter, habe er von leiten-
den Staatsmännern mannigfache Versicherungen der Sympathien und
der Freundschaft für Serbien erhalten. Auch während seines Kurauf-
enthaltes in Marienbad sei ihm das Glück zuteil geworden, aus dem
Munde des Königs von England sehr schmeichelhafte und ermutigende
Worte für die Zukunft Serbiens zu vernehmen1).
In seiner Unterredung mit dem Grafen Aehrenthal habe er ebenfalls
den Eindruck gewonnen, daß dieser sympathische und freundschaft-
liche Gesinnungen für Serbien hege, und daß er nicht nur in bezug auf
den Handelsvertrag, sondern auch in allen anderen wirtschaftlichen und
finanziellen Fragen den serbischen Interessen in weitestem Umfange
entgegenzukommen bereit wäre — alles dies aber selbstverständlich nur
unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß Serbien sich entschließen
könnte, den Platz zu akzeptieren, den ihm die Balkanpolitik des Wiener
Kabinetts zugedacht hat.
Denjenigen, in deren Händen das serbische Volk die Leitung seiner
Geschicke gelegt hat, bleibe es überlassen, darüber schlüssig zu werden,
ob Serbien sich mit der Rolle abfinden kann, die ihm im Rahmen der
österreichischen Balkanpolitik Vorbehalten ist, ohne seiner ererbten und
traditionellen nationalen Mission2) untreu zu werden, und ohne seine
ganze staatliche Zukunft sowie die Zukunft des gesamten serbischen
Volksstammes für immer zu komprimittieren.
Die Klugheit werde es vielleicht gebieten, zu diesen und ähnlichen
prinzipiellen Fragen nicht früher Stellung zu nehmen, als bis der
entscheidende Moment gekommen sei.
Auch die Frage, ob Serbien und die anderen Balkanvölker dazu be-
rufen sind, entsprechend dem leitenden Gedanken der englischen Politik
an der Seite der Ententemächte Europa und den Weltverkehr vor dem
Egoismus Deutschlands zu schützen3), müsse gleichfalls als eine solche
angesehen werden, die noch zu keiner Entscheidung dränge und keines-
wegs dazu nötige, vorzeitig die Karten aufzudecken4).
Wohl aber dürfe Serbien schon jetzt nicht müßig zusehen, wenn
Griechen und Bulgaren Vorteile zu erlangen suchen5), die den serbischen
Staat und das serbische Element in eine prekäre Lage zu bringen ge-
eignet sind.
Der status quo am Balkan habe das natürliche Gleichgewicht zwischen
102
den verschiedenen historischen Elementen6) zur Voraussetzung; wenn
dieses Gleichgewicht zerstört wird, könne auch der Status quo nicht
mehr aufrechterhalten werden.
Die bosnische Annexion habe hauptsächlich deshalb so große Auf-
regung hervorgerufen, weil man allgemein befürchte, daß sie das Gleich-
gewicht am Balkan über den Haufen werfen werde7); die Aufregung
begann erst dann zu schwinden, als das Wiener Kabinett die bestimm-
testen Versicherungen gab, daß es keine weiteren Expansionen auf der
Balkanhalbinsel anstrebt...
Für den Botschafter
Brockdorff-Rantzau.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
1) Unter englischem Szepter!
2) Quatsch.
3) Also das ist ihm in Marienhad gesagt worden!
Ein ganz charmanter Herr der Onkel E(duard) VII!
4) Gemischt sind sie also schon!
ß) Aha!
6) INur wenn diese „Historischen Elemente“ was taugen!
7) Das ist das Fazit der Dinereinladungen in Marienbad!
Nr. 499-
Der Geschäftsträger in Wien Graf Brockdorff-Rantzau
an den Reichskanzler von Bethmann Holl weg.1)
Ausfertigung.
Nr. 32 2. Wien, den 6. Oktober 1909.
Herr Tscharykow scheint bereits eifrig damit beschäftigt zu sein, dem
Gedanken der Gründung eines Balkanbundes praktisch näherzutreten.
Die Argumente, mit denen er für diesen Gedanken bei den einzelnen
Balkanstaaten arbeitet, unterscheiden sich allerdings wesentlich von den
Gesichtspunkten, die Herr Tscharykow dem kaiserlichen Herrn Botschaf-
ter in Konstantinopel vorgetragen hat (Erlaß Nr. i4i5 vom 16. v. M.)* 2).
Wie ich von gutinformierter Seite vertraulich höre, hat Herr Tschary-
kow der Regierung in Belgrad durch die serbische Gesandtschaft in
Konstantinopel unlängst dringend empfohlen, sich jeder Provokation
Österreichs zu enthalten und ohne jedes Geräusch an der Herstellung
x) Die Große Politik Bd.27 (I. Hälfte), Nr. 9782, S.i63.
2) Ygl. Nr. 9730, Fußnote.
ro3
eines guten Einvernehmens mit den anderen Balkanstaaten und mit der
Türkei zu arbeiten. Nur dies sei der Weg, auf dem sich „eine natür-
liche Barriere“ gegen das Vordringen jeder fremden Herrschaft auf der
Balkanhalbinsel aufrichten lasse. Wenn die serbische Regierung all ihre
Aufmerksamkeit auf dieses Ziel konzentriere, könne sie auf die nach-
drücklichste Unterstützung Rußlands und aller mit Rußland befreun-
deten Mächte rechnen. Er selbst betrachte die Aufrichtung dieser natür-
lichen Barriere als eine der Hauptaufgaben seiner Mission in Konstan-
tinopel. Die Belgrader Regierung müsse im wohlverstandenen Interesse
Serbiens diesem Ziele alle anderen Fragen unterordnen.
Brockdorff - Ra n t z a u.
Nr. 5oo.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister. *)
Belgrad, den i5./28. Oktober 1909.
Ich benutzte eine private Zusammenkunft mit Paschitsch und Nowa-
kowitsch, um mich ihnen gegenüber Ihrer Instruktion gemäß auszu-
sprechen. Beide sagten, sie verstünden die Wichtigkeit der Annäherung
an Bulgarien, sie (die Minister) hätten aber bei der Besprechung der
Angelegenheit Bedenken getragen, auf den König, der sich durch die
Nichterwiderung seines Besuches durch König Ferdinand tief verletzt
fühle, einzuwirken. Dieses Gefühl der Kränkung werde hier von sehr
vielen geteilt. Der König hätte sich zudem infolge seines Gesundheits-
zustandes nicht ohne ein gewisses Risiko ins Gebirge begeben können
und in Kruschewatz allein auf die Rückkehr seines Gastes von der
Exkursion warten müssen. Nach dem Eindruck, den Nowakowitsch ge-
wonnen hat, sei König Ferdinand mit der ihm zuteil gewordenen Liebens-
würdigkeit sehr zufrieden gewesen und habe dem Thronfolger große
Aufmerksamkeiten geschenkt. Der König, der nur von seinem Hof-
gefolge begleitet gewesen sei, habe beiläufig politische Fragen berührt,
wobei er erwähnte, daß Bulgarien viel Veranlassung zur Unzufriedenheit
mit Österreich hätte.
Hartwig.
*) Benckendorff Bd. I, Nr. io3, S. 147.
Nr. 5oi.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethman Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. 351. Wien, den 3o. Oktober 1909.
Ganz geheim.
Weder Graf Aehrenthal noch der Herzog von Avarna haben bisher
eingehende Nachricht über die Entrevue von Racconigi erhalten. Das
einzige, was der italienische Botschafter bisher dem Grafen Aehrenthal
hierüber mitgeteilt hat, ist ein kurzes Telegramm, datiert vom Tage
nach der Ankunft des russischen Kaisers. Dieses Telegramm hat aber
genügt, um eine ziemlich tiefgehende Verstimmung bei dem Grafen
zu verursachen und seinem Mißtrauen gegenüber Herrn Tittoni und
Italien neue Nahrung zu geben.
Herr Tittoni läßt durch dieses Telegramm — von dem mich der
Herzog von Avarna Einsicht nehmen ließ — dem Grafen Aehrenthal
sagen, die Bedeutung der Besprechungen mit Herrn Iswolski liege in
der Tatsache, daß sie sich in betreff des Balkans über folgende zwei
Punkte geeinigt hätten: erstens Aufrechterhaltung des status
quo, zweitens, für den Fall, daß der status quo nicht zu halten sein
würde, „les deux états favoriseront le développement des
états balkaniques suivant le principe de la nationalité“* 1 2 3 * 5).
Graf Aehrenthal bemerkte hierzu, die beiden hätten also abgemacht,
das Fell der Türken einfach unter die Balkanstaaten zu verteilen. Er
wolle nun dieser Mitteilung des Herrn Tittoni keine allzu große prak-
tische Bedeutung beimessen, aber es sei doch ein sonderbares Vorgehen
des italienischen Ministers, daß in dem Augenblick, wo er mit Öster-
reich-Ungarn sich dahin einigen wolle, im Falle der Änderung des
Status quo das Prinzip der Nichtintervention zu befolgen, dieser gleich-
Die Große Politik BdL 27 (I. Hälfte), №.9788.
2) Der Text des in Racconigi abgeschlossenen „Accord Russo-Italien" lautete:
1. La Russie et l’Italie doivent s’employer en première ligne, au maintien du statu
quo dans la Péninsule des Balkans.
2. Pour toute éventualité qui pourrait se produire dans les Balkans, elles doivent
appuyer l’application du principe de nationalité, par le développement des Etat$ Bal-
kaniques, à l’exclusion de toute domination étrangère.
3. Elles doivent s’opposer par une action commune, à tout agissement en sens con-
traire aux fins ci-dessus; par „action commune" on doit entendre une action diplo-
matique, toute action d’ordre différent devant naturellement demeurer réservée à une
entente ultérieure.
4- Si la Russie et l’Italie voulaient stipuler pour l’Orient Européen des accords
nouveaux avec une tierce puissance, en dehors de ceux qui existent actuellement, cha-
cune d’elles ne le ferait qu’avec la participation de l’autre.
5. L’Italie et la Russie s’engagent à considérer avec bienveillance, l’une les intérêts
russes dans la question des Détroits, l’autre les intérêts italiens en Tripolitaine et Cyré-
naique. Vgl. Livre noir I, 357 s*
io5
zeitig mit dem russischen Minister über die Art und Weise einer Inter-
vention für den gleichen Fall eine Einigung treffe. Er werde, wie ge-
sagt, zunächst Herrn Tittoni nicht um Aufklärung bitten, jedoch zur
Wahrung seines Standpunktes dem italienischen Botschafter schriftlich
folgende Erklärung machen:
Er betrachtet die Verhandlungen in Racconigi lediglich als „un
échange de vues“, nachdem der Abschluß des in Vorbereitung befind-
lichen Abkommens zwischen Österreich-Ungarn und Italien von der
Voraussetzung ausgehe, daß Italien keinerlei Vereinbarung mit Rußland
habe, weder schriftlich noch mündlich. Er konstatiere weiter, daß in
betreff der von Österreich-Ungarn und Italien für den Fall der ÏSicht-
aufrechterhaltung des status quo einzuhaltenden Politik in letzter Zeit
keinerlei Vereinbarung getroffen worden sei, mit Ausnahme der in dem
Abkommen über Albanien enthaltenen Bestimmungen. Er wolle weiter
schon jetzt bemerken, daß er gegenüber der Öffentlichkeit und bei Be-
antwortung etwaiger Fragen in den Delegationen erklären werde, in
Racconigi sei nichts verhandelt worden, was mit dem Dreibunde im
Widerspruch stände oder gegen die österreichisch-ungarischen Interes-
sen gerichtet wäre.
Dieses Schriftstück, von dem mir Graf Aehrenthal auf meine Bitte
Abschrift gegeben hat, die ich hier gehorsamst beizufügen mir erlaube,
hat Graf Aehrenthal tatsächlich dem Herzog von Avama übergeben mit
dem Bemerken, es sei ausschließlich für ihn, den Botschafter, bestimmt;
es habe den Zweck, ihm volle Klarheit über seinen, des Grafen Aehren-
thal, Standpunkt zu verschaffen. Mir gegenüber hat Graf Aehrenthal
hinzugefügt: Reagiert Herr Tittoni auf diese Feststellung meines Stand-
punktes nicht, so bin ich für die Zukunft gedeckt, und ich habe der
österreichisch-ungarischen Monarchie, wie es meine Pflicht ist, die volle
Freiheit des Handelns für den Fall des Eingreifens anderer Mächte bei
Unruhen am Balkan gewahrt.
Der Herzog von Avarna besprach heute die ganze Sache eingehend
mit mir, bat mich aber ausdrücklich, seine Äußerungen als nur per-
sönlich gemacht betrachten zu wollen. Dem Botschafter ist es nicht
entgangen, daß seine Mitteilung über den Inhalt der Unterredung in
Racconigi an Graf Aehrenthal des letzteren Mißtrauen erregt hat. Er
gestand mir, daß er das in gewissem Sinne begreife. Herr Tittoni sei
Herrn Iswolski gegenüber entschieden weiter gegangen, als in dem be-
absichtigten Abkommen mit Österreich vorgesehen sei. Die „fried-
liche Entwicklung der Balkanstaaten“ sei ja allerdings ein von Öster-
reich, Italien und Rußland längst anerkannter Programmpunkt. Dieser
Passus figuriere ja auch in dem offiziellen Communiqué aus Racconigi
und habe nirgends Anstoß erregt. Wenn aber Herr Tittoni für den
Fall, daß der status quo nicht aufrechtzuerhalten sein
werde, die Entwicklung der Balkanstaaten nach dem Nationalitäten-
106
prinzip ins Auge fasse, so sei das allerdings ganz etwas anderes und
bedeute ein direktes Eingreifen der beiden Staaten bei etwa ausbrechen-
den Unruhen am Balkan im Gegensatz zu dem bisher als maßgebend be-
zeichneten Prinzip der Nichtintervention. Der Herzog von Avarna be-
merkte weiter mit Recht, daß der Gedankenaustausch zwischen Herrn
Tittoni und Herrn Iswolski nicht nur über die österreichisch-italienischen
Verabredungen hinausgehe, sondern mit ihnen auch noch in einem an-
deren Punkte in Widerspruch stehe. In Absatz I der österreichisch-
italienischen Abmachungen werde stipuliert, daß, falls Österreich par
la force des choses dazu geführt werden sollte, den Sandschak oder ein
anderes Stück türkischen Gebietes zu besetzen, Italien das Recht auf
Kompensationen haben solle. Es werde damit deutlich gesagt, daß
Italien gegen eine Besetzung türkischen Gebietes durch Österreich prin-
zipiell nichts einzuwenden habe, sich vielmehr für diesen Fall das
gleiche Recht vorbehält. Diese Abmachung widerspreche demnach direkt
dem zwischen Herrn Tittoni und Herrn Iswolski festgelegten Prinzip,
daß das türkische Gebiet gegebenenfalls unter die Balkanstaaten verteilt
werden solle. Hinsichtlich des Sandschaks sei die Sache noch drasti-
scher. Wenn die Verteilung seinerzeit nach dem Prinzip der Nationalität
erfolgen solle, so müsse der Sandschak, der von Serbien als serbisches
Territorium dauernd reklamiert wird, auch Serbien zufallen oder zwi-
schen Serbien und Montenegro verteilt werden. Es liege auf der Hand,
daß der oben zitierte erste Absatz in die österreichisch-italienische Ab-
machung gerade deshalb aufgenommen worden sei, weil man auch
italienischerseits eine solche Lösung der Sandschakfrage als mit den
vitalen Interessen Österreichs für unvereinbar hielt.
Der Herzog von Avarna wird nun das ihm vom Grafen Aehrenthal
übergebene Schriftstück — da es ausdrücklich nur für ihn bestimmt
ist — Herrn Tittoni nicht einsenden, seinem Minister aber dessen Inhalt
mit einem eingehenden Kommentar von sich aus mitteilen. Der Bot-
schafter meinte noch, er hätte es vorgezogen, wenn Graf Aehrenthal
statt dieser mehr indirekten Kritik gegen das Vorgehen des Herrn Tittoni
durch die Feststellung seines eigenen Standpunktes von Herrn Tittoni
einfach Aufklärung verlangt hätte. Ich möchte aber glauben, daß Graf
Aehrenthal von seinem Standpunkt aus richtig gehandelt hat. Einem
offiziellen Ersuchen um Aufklärung gegenüber hätte sich Herr Tittoni
leicht durch einige Phrasen herausreden können; dadurch aber, daß
Graf Aehrenthal dem italienischen Botschafter gegenüber schriftlich
seinen Standpunkt in der Sache fixiert hat, ist er in der Lage, sich, falls
italienischerseits nichts dagegen eingewendet werden sollte, jederzeit dar-
auf zu berufen und eventuell am letzten Ende durch Publikation die
italienische Regierung in die Enge zu treiben.
Graf Aehrenthal meinte am Schlüsse unseres Gespräches in etwas
elegischem Tone, seine Stellung bei diesen Verhandlungen mit Herrn
Tittoni sei keine leichte. Einerseits wolle er den Faden nicht abreißen
und gebe sich alle erdenkliche Mühe, dem italienischen Minister auf den
gewundenen Pfaden seiner, wie es ihm scheinen wolle, recht kompli-
zierten Politik zu folgen, auf der anderen Seite habe er aber das Gefühl,
daß er unausgesetzt mit Unaufrichtigkeit auf der anderen Seite zu rech-
nen habe. Er werde aber in der Geduld nicht nachlassen.
Ich brauche schließlich nicht ausdrücklich zu betonen, daß ich mich
bei allen Besprechungen mit Graf Aehrenthal und dem Herzog von
Avarna über den vorliegenden Gegenstand ausschließlich zuhörend ver-
halte und jeden Ratschlag oder jede Stellungnahme nach der einen
oder der anderen Seite hin vermeide. Beide Herren empfinden aber
sichtlich das Bedürfnis, sich über ihre Sorgen einem Dritten gegenüber
auszusprechen, und so wenden sie sich vertrauensvoll an mich. Im In-
teresse unserer Stellung im Dreibunde ist dies meines gehorsamsten Er-
achtens nur zu begrüßen.
von Tschirschky.
Nr. 5o2.
Telegramm des russischen Geschäftsträgers in London
an den russischen Außenminister.x)
London, den 17./3o. Oktober 1909.
Nr. 213.
Soeben hat mich der serbische Minister des Auswärtigen Milowano-
witsch besucht. Er rechnet bestimmt damit, daß der Besuch in Racconigi
für Serbien günstige Folgen haben werde. Aus seinen Unterredungen
mit Grey und Hardinge hat er denselben Eindruck gewonnen, über den
ich in meinem Briefe vom i4./27* Oktober über die von Italien jetzt
eingenommene internationale Lage berichtet habe. Milowanowitsch zwei-
felt daran, daß Österreich-Ungarn sich zu irgendeinem neuen Schritte
entschließen werde, um die Bedeutung der Zusammenkunft in Racconigi
abzuschwächen, wie Grey dies bis zu einem gewissen Grad zu befürch-
ten scheint. — Er ist geneigt, in der halboffiziellen Reise des bulgari-
schen Königs nach Serbien den ersten Schritt von seiten Seiner Majestät
zu erblicken, um zwischen den beiden benachbarten Königreichen engere
Beziehungen herzustellen.
1) Benckendorff Bd. I, Nr. io5, S. i4g.
.108
Etter. 1
Nr. 5o3.
Vertrauliches Schreiben des russischen Geschäfts-
trägers in London an den Außenminister.1)
London, den
21. Oktober
3. November I9°9*
Am 17./30. Oktober habe ich Ihnen telegraphisch über den Eindruck
berichtet, den der serbische Außenminister während seines Londoner
Besuches aus seinen Unterredungen mit Grey und Hardinge über die
Stellung Italiens in der internationalen Politik gewonnen hat. Im all-
gemeinen ist ihm dasselbe gesagt worden, wie mir von seiten Hardings.
Milowanowitsch gegenüber scheint aber Grey ganz besonders auf die
Möglichkeit hingewiesen zu haben, daß von seiten Österreichs ein
Schritt erfolgen könne, um den nachhaltigen und günstigen Eindruck
abzuschwächen, den der Besuch des russischen Kaisers am italienischen
Hofe überall hervorgerufen hat.
Diese Befürchtungen scheinen Milowanowitsch übertrieben zu sein;
es erscheint ihm unwahrscheinlich, daß Aehrenthal sich zu irgendeinem
aktiven Schritt entschließen wird.
Der serbische Minister hat mir nicht gesagt, weshalb er nach London
gekommen ist; Hardinge jedoch, den ich gestern gesehen habe, er-
klärte mir, er und Grey fänden Milowanowitsch etwas unruhig, viel-
leicht auch ein bißchen unternehmungslustig. Es sei ihnen unverständ-
lich, weshalb er hier in London die Frage aufgeworfen habe, daß der
Endpunkt der zukünftigen adriatischen Eisenbahn mehr nach Süden
verlegt werden solle. Man habe ihm geantwortet, daß England kein
direktes Interesse an dieser Angelegenheit habe, die eher Rumänien
interessiere, mit dem sich ja Serbien verständigen solle. Außerdem habe
der serbische Minister den Wunsch geäußert, man solle die zukünftige
Lage des Sandschaks von Novibazar genau bestimmen, um eine mög-
liche Besitzergreifung durch Österreich zu verhindern. Hardinge sagte
mir nicht, was Grey erwidert hat, doch scheint die Antwort negativer
Natur gewesen zu sein, da er mir gleichzeitig mitteilte, daß Tittoni sich
mit einem ähnlichen Ersuchen an den englischen Botschafter in Rom
gewandt hätte. Tittoni, der dem zwischen Italien und Rußland in
Racconigi getroffenen Abkommen über die Erhaltung des Status quo
auf dem Balkan Rechnung trägt — einem Abkommen, dem England
und Frankreich beigetreten sind — scheint es für möglich zu halten,
auch die anderen Staaten, d. h. Österreich und Deutschland, aufzu-
fordern, diesem Abkommen beizutreten.
Hardinge nannte Tittoni einen „äußerst nervösen“ Menschen und gab
io9
*) Benckendorff Bd. I, Nr. 106, S. i4{).
mir zu verstellen, daß die Anregung einer solchen Frage hier für un-
zeitgemäß und gefährlich gehalten wird.
Es will mir scheinen, daß man hier mit dem Milowanowitsch gemach-
ten Hinweis auf die Stellung Italiens und die möglichen Absichten
Österreichs nicht nur bezweckte, Serbien von einem unbedachten Schritte
zurückzuhalten, sondern auch Italien veranlassen wollte, aus der ab-
wartenden Stellung nicht herauszutreten. In Wirklichkeit hält man wohl
auch hier irgendeinen Schritt Aehrenthals als Entgegnung auf die Zu-
sammenkunft in Racconigi für kaum wahrscheinlich...
Etter.
Nr. 5o4.
Instruktionen des russischen Außenministers an die
russischen Vertreter in Sofia, Belgrad und Cetinje
anläßlich der Monarchenbegegnung in Racconigi.*)
Petersburg, den
22. Oktober
4. November
I9°9*
Die Zusammenkunft unseres Kaisers mit dem König von Italien hat
als ein bedeutsames Ereignis die Aufmerksamkeit der ganzen politischen
Welt auf sich gelenkt, und dies ganz besonders im Hinblick auf die
Beziehungen zwischen den Regierungen Europas, wie sie von der Po-
litik der letzten Jahre bestimmt worden sind.
Da es keinem Zweifel unterliegt, daß die Balkanstaaten in dieser
Zusammenkunft einen wichtigen Faktor der weiteren Entwicklung der
Balkanpolitik erblicken werden, halte ich es für nötig, Ihnen einige
nähere Instruktionen zukommen zu lassen.
Der Kaiser hat es im vergangenen Herbst für nötig erachtet, dem
italienischen Hof einen Gegenbesuch zu machen, nachdem König Victor
Emanuel ihn vor einigen Jahren in Peterhof auf gesucht hatte. Die Bande
aufrichtiger Freundschaft, welche die beiden Höfe und die beiden Re-
gierungen und Länder verbinden, sind in dem Empfange, der unserem
Kaiser zuteil geworden ist, deutlich zum Ausdruck gekommen. Aus dem
Wortlaut der Reden, die in Racconigi gehalten worden sind, werden
Sie ersehen, daß die immer enger werdenden Beziehungen zwischen
beiden Ländern sowohl vom König von Italien als auch vom Kaiser
hervorgehoben wurden, wobei gleichzeitig auf die beiderseitigen Bestre-
bungen, den allgemeinen Frieden zu erhalten hingewiesen wurde.
Dieser Grundgedanke, auf Balkanfragen angewandt, soll Ihnen zur
Richtlinie in allen Ihren Gesprächen mit den dortigen politischen Füh-
!) Benckendorff Bd. I, Nr. 108, S. i54-
HO
rern dienen. Hierbei wollen Sie beachten, daß während der Beratungen
in Racconigi über Balkanfragen sowohl Rußland als auch Italien auf
das bestimmteste erklärt haben, daß sie es für durchaus nötig halten,
den augenblicklichen Status quo in der Türkei und die Unabhängigkeit
und die normale friedliche Entwicklung der übrigen Balkanstaaten zu
schützen. Beide Regierungen werden alle ihre Anstrengungen auf die
Erreichung dieses Zieles richten.
Sie werden sich wohl vollkommen Rechenschaft darüber abgeben,
wie wichtig die soeben angeführte Erklärung ist. Die Balkanstaaten
müssen sich davon überzeugen, daß eine Verletzung der augenblick-
lichen politischen Lage auf dem Balkan weder die Zustimmung noch
die Unterstützung Rußlands oder Italiens finden werden, daß die Po-
litik der beiden Großmächte aber gleichzeitig das Ziel verfolgt, das künf-
tige Schicksal der Balkanstaaten und ihre unabhängige Existenz zu
sichern. Dies kann natürlich die genannten Balkanstaaten nur in dem
Bewußtsein bestärken, daß sie vor irgendwelchen äußeren Angriffen
sicher sind, und daß sie alle ihre Kräfte auf die ruhige Entwicklung
ihres Staatslebens konzentrieren können.
Als Beschützerin aller slawischen Interessen auf dem Balkan hat
Rußland stets versucht, in den Balkanvölkern das Bewußtsein zu wecken,
daß sie sich zum allgemeinen Wohl so eng wie möglich zusammen-
schließen müssen. Dies wird auch in Zukunft unser Bestreben sein;
doch kann dies in vollem Maße nur dami erreicht werden, wenn die
Balkanstaaten selbst uns in diesen Bestrebungen unterstützen, und des-
halb begrüßen wir mit der größten Befriedigung jedes Anzeichen einer
Annäherung zwischen ihnen. Die Zusammenkunft in Racconigi ist diesen
Bestrebungen unbedingt günstig und wird zur weiteren Kräftigung und
Entwicklung des Grundsatzes unserer Politik im nahen Osten — »der
Balkan für die Balkanstaaten“ — beitragen.
Iswolski.
Nr. 5o5.
Vertrauliches Schreiben des Geschäftsträgers in Rom
an den russischen Außenminister.*)
1909-
•p. 1 27. Oktober
Rom, den —------------ n
9. November
In einem Gespräch mit mir wies mich der bulgarische Gesandte in
Rom auf Milowanowitsch als einen eifrigen Verfechter der Idee der An-
näherung Bulgariens an Serbien hin. Ich benutzte die Ankunft des ser-
bischen Ministers in Rom, um ihn zu besuchen und nachzuprüfen,,
*) Benckendorff Bd. I, Nr. m, S.i6off.
II i
inwieweit die Worte Rizows der wirklichen Stimmung Milowanowitschs
entsprechen. Letzterer empfing mich sehr zuvorkommend und teilte
mir während des etwa einstündigen Gespräches mit, er sei hierher-
gekommen, um den Boden für die Reise König Peters nach Rom vor-
zubereiten, für die möglichst schnelle Verwirklichung des Adriabahn-
Projekts zu sorgen und schließlich in Erfahrung zu bringen, welchen
Einfluß die Zusammenkunft in Racconigi auf das Schicksal der Balkan-
staaten ausüben wird. Bei Tittoni, den er schon sehr lange kennt, hätte
er einen wärmeren Empfang gefunden als je zuvor. „Wir haben Serbien
die Möglichkeit garantiert, sich mindestens im Laufe der nächsten
5o Jahre friedlich zu entwickeln und zu festigen. Doch wird unsere
Hilfe Serbien nur in dem Falle von Nutzen sein, wenn es auch selbst
an seinem eigenen Ausbau mitarbeitet,“ so sagte ihm Tittoni. Letzterer
verpflichtete sich auch ihm gegenüber die Garantierung jenes für den
Rau der transbalkanischen Eisenbahn erforderlichen Teils der Anleihe
in der Kammer durchzubringen, den Italien übernimmt, und versprach
ihm auch, daß König Peter nach Abstattung seines Besuches an Seine
Kaiserliche Majestät den Zaren ein willkommener Gast sein werde.
Etwas Ähnliches, jedoch in weniger liebenswürdiger Form, mußte Milo-
wanowitsch auch in Berlin hören, wo man ihm einfach sagte, daß der
Weg nach Berlin über Wien führe.
Was die Annäherung zwischen Bulgarien und Montenegro *) anbelangt,
deren vereinte Streitkräfte eine halbe Million Bajonette ausmachen
würden — eine zweifellose achtunggebietende Macht, da sie berufen
wäre, bei sich zu Hause zu operieren —, bestätigte mir Milowanowitsch,
was ich schon von Rizow gehört hatte. Auch er ist der Auffassung,
daß der gemeinsame Verzicht auf Eroberungsgelüste in Mazedonien der
Festigung des Friedens auf dem Balkan dienen könne, doch glaubt er
nicht an die Dauerhaftigkeit der bestehenden Ordnung in der Türkei.
Ihren Zerfall betrachtet er als eine Frage der nicht zu fernen Zukunft,
und deshalb scheint ihm eine Art „pacte de désintéressement“ nur eine
ausschließlich temporäre Bedeutung haben zu können. Nur ein Ab-
kommen über die Teilung Mazedoniens für den Fall der Liquidierung
der ottomanischen Herrschaft in Europa könnte seiner Meinung nach
positive Ergebnisse zeitigen. Er meint, daß es nicht schwer sein dürfte,
zu einem Abkommen über die Zuteilung von Ländern nicht nur an
Serbien, Bulgarien und Montenegro, sondern auch an Griechenland zu
gelangen, die sich durch Stammverwandtschaft zu diesen Staaten hin-
gezogen fühlen. Noch mehr beunruhigt ihn der Gedanke an den Sand-
schale. Nachdem die Österreicher den letzteren nunmehr verlassen
hätten, drohe er, ein Herd von Unruhen auf dem Balkan zu werden,
denn die Türken, für die der Sandschak vorläufig kein Interesse biete,
und die ihn als eine Art „Zugabe“ betrachteten, würden im Falle
*■) Soll wohl heißen: Serbien.
11 2
eines serbischen Angriffs nicht die Macht besitzen, um sich daselbst zu
behaupten. Milowanowitsch ist der Meinung, daß nur die Zustimmung
Österreichs zur Aufteilung des Sandschaks unter Serbien und Monte-
negro den Beweis dafür liefern könnte, daß die Habsburger Monarchie
keine weiteren Eroberungspläne auf dem Balkan hat. Denn, wenn auch
Österreich seine Truppen aus dem Sandschak zurückgezogen habe, so
sehe man bis jetzt noch nichts, was die Schlußfolgerung gestatte, daß
es bereit sei, für alle Zukunft auf ihn zu verzichten. Nichtsdestoweniger
mußte mir Milowanowitsch darin beistimmen, daß der gegenwärtige
Augenblick nach dem Abschluß des Abkommens von Racconigi, das die
Erhaltung des status quo auf dem Balkan zum Ziele hat, für eine erneute
Aufrollung der heiklen Sandschakfrage kaum geeignet sei. Wie ich in
der Konsulta gehört habe, berührte er in seinem Gespräch mit Tittoni
die Sandschakfrage nicht, obwohl er sie bei seiner Unterredung in Lon-
don sowie mit Pansa1) in Berlin erwähnt hatte. Zum Schluß äußerte
Milowanowitsch seine Befriedigung über die bevorstehende Zusammen-
kunft mit Ihnen, wenn er Anfang Dezember den König Peter nach
Rußland begleiten wird.
Korff.
Nr. 5o6.
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes Freiherrn von Schoen.* 2)
Abschrift.
Berlin, den 2З. November 1909.
Der italienische Botschafter sagte mir, aus der ihm abschriftlich
zugegangenen Korrespondenz zwischen Herrn Tittoni und dem Herzog
von Avarna habe er entnommen, daß Graf Aehrenthal in der Tat nicht
angenehm davon berührt gewesen, daß in Racconigi3 * * * * 8) zwischen Herrn
Iswolski und Herrn Tittoni davon gesprochen worden, „für den Fall,
daß der status quo im Balkan nicht aufrechterhalten werden könne,
de favoriser le développement des Etats Balkaniques d'après le principe
des nationalités“.
x) Italienischer Botschafter in Berlin.
2) Die Große Politik Bd. 27 (I. Hälfte), Nr.9733, S. i64-
3) Über den Besuch des Zaren in Racconigi (24. Oktober) und die dort gepflogeneu
italienisch-russischen Verhandlungen siehe Kap. CCXIV. Vgl. auch die Instruktionen,
die Iswolsky am 4- November 1909 den Vertretern Rußlands in Sofia, Belgrad und Ce-
tinje anläßlich der Monarchenbegegnung in Racconigi gab, bei v. Siebert, Diploma-
tische Aktenstücke, a. a. O. S. 456 f. In ihnen kam doch keineswegs der Grundsatz der
Nichteinmischung, sondern im Gegenteil der Wille Rußlands und Italiens, „das künftige
Schicksal der Balkanstaaten und ihre unabhängige Existenz zu sichern“ zum Ausdruck.
8 Boghitschewitsch, Serbien II.
'113
Nach italienischer Auffassung, fügte Herr Pansa hinzu, bedeute
dieser Gedanke nichts anderes als eine weitere Bekräftigung des Grund-
satzes der Nichtintervention. Gehe der Status quo auf der Balkanhalb-
insel in die Brüche, so sei die natürliche Entwicklung eben die, es den
Balkanstaaten zu überlassen, ihren Platz nach dem Nationalitätenprinzip
zu behaupten. Die beiden Mächte, Italien und Rußland, würden sich
nicht einmischen und keine Vorteile für sich beanspruchen. Hierin
liege also ein weiteres Moment der Friedenssicherung.
Übrigens gehe aus der Tatsache, daß Herr Tittoni jenes Programm
der nationalen Entwicklung in Wien habe mitteilen lassen, genugsam
hervor, daß er und Iswolski absolut keinen Hintergedanken hätten.
Ich habe Herrn Pansa nicht verhehlt, daß ich es verständlich finde,
wenn jenes Programm, das doch mehr oder weniger auf ein Patroni-
sieren eines Balkanbundes durch Rußland und Italien hinauslaufe, in
Wien wenig Beifall finde. Uns wäre es lieber gewesen, die Existenz
desselben nicht auf Umwegen zu erfahren.
(gez.) v. Schoen.
Nr. 507.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister1)
vom 13./26. November 1909.
Auf dem Wege nach Sofia kam der König von Bulgarien gestern
in Zivil in Belgrad an und verweilte einige Stunden als Gast des Königs
Peter im Schlosse. Der Besuch trug einen privaten Charakter, doch
führte König Ferdinand eine längere Unterredung mit Paschitsch und
Milowanowitsch. Der Besuch kam hier für alle ganz unerwartet, machte
jedoch überall einen sehr günstigen Eindruck. Seine Majestät hat ge-
ruht, mich in einer ganz privaten Audienz äußerst gnädig zu empfan-
gen. Der König sprach die Hoffnung aus, daß seine Zusammenkunft
mit dem von ihm hochgeschätzten König Peter in Petersburg werde
gebilligt werden. Nachdem sich der König nach den Gründen des Miß-
trauens der Serben den Bulgaren gegenüber erkundigt hatte, bemerkte
er, daß die Prätentionen der Serben ungerechtfertigt seien, und daß die
Bulgaren eher Veranlassung hätten, sich über die Serben zu beschweren.
Der König beklagte sich besonders über die serbische Presse, die die
bulgarische Regierung systematisch beleidige. Außerdem sagte der König,
sei es äußerst gefährlich, mit den Serben irgendwelche Verhandlungen
*) Benckendorff Bd. I, Nr. 123, S. 174.
zu führen, da sie kein Geheimnis wahrten und alles nach Wien mit-
teilten. Seine Majestät gab auch seiner Hoffnung Ausdruck, daß ich
zur Schlichtung aller Mißverständnisse zwischen Serbien und Bulgarien
hierselbst beitragen werde. Ich sagte darauf, daß dies eine der
wichtigsten mir von der kaiserlichen Regierung gestell-
ten Aufgaben sei. Zum Schluß beauftragte mich der König, ihn
Euerer Exzellenz zu empfehlen, wobei er hinzufügte, daß er sich hier
im Sinne seines letzten Gesprächs mit Ihnen während seines Aufent-
haltes in Petersburg ausgesprochen hätte.
Hartwig.
Nr. 5o8.
Der Botschafter in Kontantinopel Freiherr von Mar-
schall an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1)
Entzifferung.
Nr. 354. Pera, den 27. November 1909.
Der serbische Gesandte Herr Nenadowitsch, der mich gestern be-
suchte, sprach mir unter Hinweis auf die heute in der türkischen Kam-
ser stattfindende Interpellation über die gegenwärtigen serbisch-bul-
garischen Beziehungen und die Aussicht eines Balkanbundes. Die Be-
ziehungen zwischen beiden Ländern hätten, nachdem Rußland einen
bezüglichen Wunsch*) ausgesprochen, sich etwas gebessert, dagegen
stehe die mazedonische Frage mit den daraus entspringenden Divergenzen
einer intimeren Gestaltung derselben dauernd entgegen. Was den Balkan-
bund betreffe, den Rußland anstrebe, so könne sich Serbien an einem
solchen nur unter der Voraussetzung beteiligen, daß dieser nicht
gegen die Türkei gerichtet sei, die Türkei vielmehr daran teil-
nehme**). In diesem Sinne scheine nach den in Belgrad abgegebenen Er-
klärungen auch Rußland den Bund aufzufassen. Dagegen bestehe kein
Zweifel, daß Bulgarien umgekehrt an dem Balkanbund nur dann ein
Interesse habe, wenn derselbe ohne und gegen die Türkei geschlossen
werde. Bei einem Balkanbund mit solchen Tendenzen würde Serbien
lediglich die Rückendeckung für Bulgarien bilden, damit dieses un-
gehindert seine großen bulgarischen Pläne durchführen könne. Zu einer
solchen Rolle könne man sich serbischerseits nicht hergeben. Besser
sei die Erhaltung des status quo als die Schaffung eines großen Bul-
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
*) Der Rat zum Bund. 1
**) Gegen Österreich. 1 I
x) Die Große Politik Bd. 27 (I. Hälfte), Nr. g734, S. i65.
gariens, welches Serbien in die Gefahr bringt, von zwei mächtigen Nach-
barn erdrückt zu werden und Kompensationsobjekte für dieselben zu
bieten.
Das Verhältnis Serbiens zu Österreich-Ungarn habe sich in der
letzten Zeit etwas gebessert. An der Transversalbahn Donau-Adria
habe Serbien, nachdem es seinen Export über Nisch sichergestellt habe,
weniger Interesse als früher, wo man lediglich auf den Weg über Öster-
reich-Ungarn angewiesen gewesen ist.
Marschall.
Nr. 509.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.
Ausfertigung.
Nr. 379. Wien, den 3o. November 1909.
Über die derzeitige Lage in Serbien erfährt mein Gewährsmann auf
der hiesigen russischen Botschaft nachstehendes:
„Wir haben hier in der letzten Zeit wiederholt Herren von unserer
Belgrader Gesandtschaft zum Besuch gehabt, und diese haben uns über-
einstimmend die Lage in Serbien als eine ziemlich befriedigende ge-
schildert. Unser neuer Gesandter in Belgrad ist erfolgreich bemüht,
die leitenden politischen Persönlichkeiten in Serbien vor inneren Kom-
plikationen zu warnen. Desgleichen empfiehlt er ihnen dringend, jedem
Konflikt mit Österreich-Ungarn oder der Türkei sorgfältig aus dem
Wege zu gehen. Endlich legt er es ihnen wärmstens ans Herz, die
Beziehungen zu Bulgarien so herzlich und so intim als möglich zu
gestalten.
In diesen drei Punkten ist momentan gewissermaßen das ganze
Aktionsprogramm unserer Gesandtschaft in Belgrad enthalten.
Wenn die Serben mit Klugheit und Ausdauer in diesem Rahmen ver-
harren, so werden ihnen die vorteilhaften Konsequenzen von selbst als
reife Frucht in den Schoß fallen. Herr Nikolaus Paschitsch hat natür-
lichen Esprit genug, um diese Intentionen der russischen Diplomatie
wohl zu verstehen und sich ihnen zu akkomodieren.
Tatsächlich läßt es sich auch bereits konstatieren, daß nach allen
diesen drei Richtungen ein état amélioré eingetreten ist. Nicht nur hat
Herr Milowanowitsch hier einen guten Eindruck gemacht, sondern er
hat auch seinerseits den Eindruck gewonnen, daß Graf Aehrenthal ein *)
*) Die Große Politik Bd. 27 (I. Hälfte), Nr.9736, S.169.
Il6
besseres Verhältnis nicht nur zum Königreiche Serbien, sondern auch
zum Serben tum überhaupt anstrebt, und daß er die serbophoben Velle-
ità ten weder in Agram noch auch in Sarajewo vollständig zu billigen
scheint. Und daß in den serbisch-bulgarischen Relationen ein Um-
schwung zum Besseren initiiert wurde und in wirksamster Ausgestal-
tung begriffen ist, läßt sich schon sozusagen mit den Händen greifen
und hat bereits aufgehört, ein diplomatisches Geheimnis zu sein.
Der Angelpunkt in dem Verhältnis zwischen Serbien und Bulgarien
liegt in der mazedonischen Frage, und hier befindet sich auch die
Hauptschwierigkeit, die überwunden werden muß. Es handelt sich
darum, zu einer loyalen Verständigung darüber zu gelangen, was in
Mazedonien serbisch und was bulgarisch ist, und daß jeder Teil seine
nationale Propaganda aus der Sphäre zurückzieht, die nicht als die
seine deklariert wurde.
Es sind schon wiederholt Versuche gemacht worden, ein Einver-
ständnis betreffs der Abgrenzung der nationalen Sphäre in Mazedonien
zwischen Serben und Bulgaren herbeizuführen. Aber diese Versuche
scheiterten, teils an der chauvinistischen Unnachgiebigkeit, welche auf
beiden Seiten herrschte, und teils weil die mazedonische Frage das
Terrain bildete, auf welchem die meisten europäischen Mächte gegen-
einander manövrierten.
Jetzt aber hat die serbische Regierung einen neuen Verständigungs-
vorschlag betreffs Mazedoniens in Sofia vorgelegt, welcher nach der
Versicherung kompetenter Personen große Chancen dafür bieten soll,
daß man nach Vornahme einiger Amendierungen schließlich doch zu
einer Einigung über die so lange vergeblich gesuchte Demarkations-
linie zwischen diesen beiden slawischen Nationalitäten Mazedoniens ge-
langen wird.
Es versteht sich von selbst, daß alle diese Bemühungen von unserer
Diplomatie mit ihrem ganzen Einflüsse in der nachdrücklichsten Weise
unterstützt werden, und man kann daher nicht ohne eine gewisse Be-
rechtigung auf ein völliges Reüssieren derselben hoffen.“
von Tschirschky.
Nr. 5io.
Der Botschafter in Ronstantinopel Freiherr von Mar-
schall an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.
Entzifferung.
Nr. 36o. Pera, den 4« Dezember 1909.
Vor einigen Tagen hat der erste Dragoman der russischen Botschaft,
Herr Mandelstam, im Cercle d’Orient, dem vornehmsten Klub der
Hauptstadt, ein größeres Diner gegeben, zu welchem er Herrn von Tscha-
rykow, einige jungtürkische Minister und eine Anzahl von Abgeordneten,
welche dem Komitee angehören, darunter den Chefredakteur des
„Tanin“ Hussein Dschahid, eingeladen hatte. Nach dem Essen hat Herr
von Tscharykow den Anwesenden einen vertraulichen Vortrag über die
Notwendigkeit des Balkanbundes gehalten.
Vor zwei Tagen ist dann im „Tanin“ ein von Hussein Dschahid ge-
zeichneter Artikel erschienen, welcher den Balkanbund bespricht und
dabei die Vermutung ausspricht, daß Rußland den Bund begünstige,
um „dem Vordringen des Germanismus“ Einhalt zu gebieten. Dabei
vertritt Hussein Dschahid die Ansicht, daß das Streben Rußlands, die
Balkanstaaten zu verbünden, eine Folge von Racconigi sei, wo zwischen
Rußland und Italien die Erhaltung des Status quo verabredet worden sei.
Bei einem akademischen Gespräch über die auswärtige Lage habe
ich heute Rifaat Pascha mein Erstaunen darüber ausgedrückt, daß das
„Vordringen des Germanismus“ wieder in einzelnen türkischen Blättern
spuke, nachdem doch dieser Gedanke — abgesehen von geographischen
und ethnographischen Gründen — schon durch den Verzicht Österreich-
Ungarns auf seine Rechte im Sandschak gründlich widerlegt sei. Der
Minister antwortete mir, „das rühre daher, daß die Notwendigkeit, sich
gegen den Germanismus zu schützen, die russische Begründung für
den Balkanbund bilde“. Dabei hat mir Rifaat seine Stellung zu diesem
Projekte dahin präzesiert: „Wenn die kleinen Balkanstaaten sich mit
uns alliieren wollen, so mögen sie uns Vorschläge machen. Wir werden
dieselben dann prüfen. Aber eine Initiative werden wir nicht ergreifen.
Das würde nicht der Stellung einer Großmacht entsprechen. Ein wirk-
liches Interesse haben wir lediglich an vertrauensvollen Beziehungen
zu Rumänien, welches gegenüber den groß bulgarischen Bestrebungen
ein natürliches Gegengewicht bildet.
Ich habe dem Minister zugestimmt.
Marschall.
Nr. 5n.
Russisch-bulgarische Militärkonvention.
(Dezember 1909.)
Entwurf.
Sehr geheim.
Die kaiserlich russische Regierung und die königlich bulgarische Re-
gierung haben es in beiderseitigem Interesse für gut gehalten, folgenden
Geheimvertrag abzuschließen.
*) Die Große Politik Bd. 27 (I. Hälfte), Nr. 9737, S. 170.
Il8
Artikel i.
Im Falle eines gleichzeitigen bewaffneten Zusammenstoßes Rußlands
mit Deutschland, Österreich-Ungarn und Rumänien oder mit Österreich-
Ungarn und Rumänien, ebenso im Falle eines bewaffneten Zusammen-
stoßes Rußlands mit der Türkei — ungeachtet dessen, wer die Initiative
zu diesen Zusammenstößen ergriffen haben sollte — verpflichtet sich
Bulgarien, auf Verlangen der russischen Regierung, seine gesammten
Streitkräfte sofort zu mobilisieren, kriegerische Aktionen nach vorher
ausgearbeiteten Plänen sofort einzuleiten und sie nicht vor der vollstän-
digen Erreichung der durch unten bezeichnete Pläne vorgesehenen Ziele
einzustellen, in jedem Falle aber nicht eher, als bis die russische Re-
gierung ihre Zustimmung dazu gegeben haben sollte.
Artikel 2.
Wenn Österreich-Ungarn im Verein mit einer anderen Macht Bul-
garien angreifen sollte, ohne von diesem herausgefordert worden zu
sein, so verpflichtet sich Rußland, Bulgarien aktiven bewaffneten Bei-
stand zu leisten.
Artikel 3.
Wenn die Türkei gegen Bulgarien kriegerische Aktionen eröffnen
sollte, ohne von diesem Staat provoziert zu sein, so verpflichtet sich
Rußland, die nötige Anzahl von Truppen des kaukasischen Militär-
bezirks und, wenn es sich als notwendig erweisen sollte, auch des
Odessaer Militärbezirks zu mobilisieren, damit die Lage der bulgarischen
Armee auf dem europäischen Kriegsschauplätze auf jede Weise erleich-
tert werde. Indem sich Rußland die Freiheit weiterer Aktionen vorbe-
hält, übernimmt es auf jeden Fall die Verpflichtung, Bulgarien aktiven
bewaffneten Beistand zu leisten, wenn in einem Kriege Bulgariens mit
der Türkei noch eine andere Macht sich gegen Bulgarien wenden sollte,
die von Bulgarien ebenfalls nicht provoziert worden ist.
Artikel 4-
Im Falle eines günstigen Ausganges des bewaffneten Zusammen-
stoßes mit Österreich-Ungarn und mit Rumänien oder mit Deutsch-
land, Österreich-Ungarn und Rumänien verpflichtet sich Rußland, Bul-
garien die größtmögliche Unterstützung zu gewähren, um die Vergröße-
rung des bulgarischen Territoriums um den zwischen dem Schwarzen
Meer und dem rechten Ufer der unteren Donau liegenden Landstrich
mit bulgarischer Bevölkerung zu erreichen. Außerdem verspricht Ruß-
land, die Wünsche Bulgariens betreffs möglichster Regulierung der
übrigen Grenzen des bulgarischen Königreichs auf diplomatischem
Wege aktiv zu unterstützen. Außerdem erhält Bulgarien ein Anrecht
auf einen Teil der Kontribution, der seiner Teilnahme an den Kriegs-
operationen mit bewaffneten Kräften und seinen Ausgaben entspricht.
Artikel 5.
In Anbetracht dessen, daß die Verwirklichung der
hohen Ideale der slawischen Völker auf der Balkanhalb-
insel, die dem Herzen Rußlands so nahe stehen, nur nach
einem günstigen Ausgange des Kampfes Rußlands mit
Deutschland und Österreich-Ungarn möglich ist, über-
nimmt Bulgarien die feierliche Verpflichtung, sowohl in diesem Falle,
als auch im Falle des Beitritts Rumäniens oder der Türkei zu der Koa-
lition der oben genannten Mächte, die größten Anstrengungen zu
machen, um jegliche Anlässe zu einer weiteren Ausdehnung des Kon-
fliktes zu beseitigen. Was dagegen die in Bundes- oder freundschaft-
lichen Beziehungen zu Rußland stehenden Mächte betrifft, so wird die
bulgarische Regierung diesen gegenüber eine entsprechend freund-
schaftliche Haltung einnehmen.
Artikel 6.
Im Falle eines günstigen Ausganges des bewaffneten Zusammenstoßes
mit der Türkei verpflichtet sich Rußland, den Wünschen Bulgariens
betreffs Vergrößerung des Territoriums des bulgarischen Königreiches
um die Landstriche mit überwiegend bulgarischer Bevölkerung, an-
nähernd in den Grenzen, die durch den in San Stephano
am 19. Februar 1878 zwischen Rußland und der Türkei
abgeschlossenen Präliminarvertrag festgelegt sind, die
größtmöglichste Unterstützung zu gewähren.
Artikel 7.
Wenn die Ergebnisse des Krieges in den Fällen, die in den Artikeln 1,
2 und 3 des vorliegenden Vertrages vorgesehen sind, nicht vollständig
den gestellten Zielen entsprechen, übernimmt Rußland die Verpflichtung,
sein Möglichstes zu tun, um Bulgarien in seinen jetzigen Grenzen zu
erhalten und eine Bulgarien eventuell auferlegte Kontribution nach Mög-
lichkeit zu beschränken.
Artikel 8.
Unmittelbar nach Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages werden
der russische Kriegsminister und der bulgarische Kriegsminister oder
eigens dazu ausgewählte Persönlichkeiten von den betreffenden Regie-
rungen bevollmächtigt, die gemeinsamen Ziele der Streitkräfte beider
Staaten auf den an Bulgarien grenzenden Kriegsschauplätzen zwecks
Erreichung eines möglichst vollständigen und schnellen Erfolges fest-
zustellen. Mit der Zeit können diese Ziele, wenn die Umstände es not-
wendig machen sollten, Änderungen unterzogen werden, aber nur nach
gegenseitiger Vereinbarung. Die detaillierten Pläne der vorläufigen
Kriegsvorbereitungen werden in innerhalb der allgemein festgestellten
Aufgabe von dem bulgarischen Kriegsministerium selbständig ausge-
120
arbeitet, aber mit unbedingter Beobachtung der Grundforderung, daß
die Hauptmasse der bulgarischen Streitkräfte gegen den allgemeinen
Feind verwendet wird. Im Interesse der Sache wird die bulgarische Re-
gierung den russischen Militärattache in Bulgarien über alle Vorbe-
reitungsarbeiten und alle in den Einzelheiten vorgenommenen Ände-
rungen stets auf dem laufenden halten.
Artikel 9.
Nach Eröffnung der Feindseligkeiten geht die bulgarische Armee
völlig selbständig vor, indem sie sich von den vorher verabredeten
Zielen leiten läßt, von denen nur mit Einverständnis des russischen
Oberbefehlshabers oder nur im Falle von höherer Gewalt abgewichen
werden darf. Wenn im Verlaufe des Krieges der russische Oberbefehls-
haber es für nötig halten sollte, die ursprünglich gestellten Ziele zu
ändern, so ist die bulgarische Armee verpflichtet, den entsprechenden
Direktiven nachzukommen. Nur bei vollständiger Erfüllung dieser für
den Erfolg des Krieges so notwendigen Forderung ist der vorliegende
Vertrag mit allen seinen Folgen für Rußland verbindlich.
Artikel 10.
Im Falle gemeinsamer Operationen der russischen und bulgarischen
Armee auf einem und demselben Kriegsschauplatz fällt das Ober-
kommando dem russischen Oberbefehlshaber zu. In allen übrigen Fällen
steht bei gemeinsamen Operationen verschiedener Truppenabteilungen
das Kommando dem Befehlshaber der dem Range nach höher stehenden
militärischen Einheit zu (in der Reihenfolge: Bataillon, Regiment, Bri-
gade, Division, Korps und Heeresabteilung). Bei Vereinigung der
Truppenabteilungen desselben Ranges erhält der im Range höher-
stehende Kommandeur den Oberbefehl.
Artikel 11.
Dem Stabe des Oberbefehlshabers der bulgarischen Armee wird ein
eigens ernannter General oder Oberst aus dem russischen Generalstabe
als militärischer Hauptbevollmächtigter zugeteilt. Er wird der einzige
Vermittler für die gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden Ober-
befehlshabern sein. Die russische Regierung behält sich das Recht vor,
auch in kleineren Kräfteeinheiten der bulgarischen Armee Militärbevoll-
mächtigte zu unterhalten, die sämtlich unmittelbar dem Hauptbevoll-
mächtigten unterstehen, bei der Entscheidung der verschiedenen strate-
gischen oder anderen Fragen, in denen die gegenseitigen russisch-bul-
garischen Interessen auf irgendeine Weise Zusammenstößen können,
steht ihnen eine beratende Stimme zu. Der bulgarische Kommandeur
entscheidet die Fragen selbständig nach eigenem Gutdünken, er hat
indes nicht das Recht, eine schriftliche Motivierung zu verweigern, falls
seine Entscheidung im Widerspruch mit der Meinung des russischen
Militärbevollmächtigten stehen sollte. In den wichtigsten Fällen steht
die endgültige Entscheidung der betreffenden Frage prinzipiell dem
russischen Oberbefehlshaber zu. Der russische Hauptmilitärbevollmäch-
tigte und die Militärbevollmächtigten sind von den betreffenden Stäben
über alle Operationen, Pläne und Absichten vollständig unterrichtet zu
halten.
Artikel 12.
In der Frage der Ernennung des Höchstkommandierenden der bul-
garischen Armee — falls der König von Bulgarien den Oberbefehl nicht
selbst zu übernehmen wünschen sollte — sowie in der Frage der Wahl
des Chefs des Stabes des Höchstkommandierenden verpflichtet sich
die bulgarische Regierung, sich mit der russischen Regierung im voraus
zu verständigen.
Artikel i3.
Die verbündeten Truppen genießen die gleichen Rechte und allseitige
Unterstützung von seiten der russischen und bulgarischen Militär-
und Zivilbehörden, ohne daß hierbei ein Unterschied in bezug auf das
Territorium gemacht wird, auf dem die Truppen operieren; diese Be-
dingung bezieht sich auf die Einquartierung, Requisitionen aller Art,
das Sanitäts-, Post- und Telegraphenwesen u. a. m. Außerdem über-
nimmt die bulgarische Regierung die Verpflichtung, den russischen
Militär- und Marinebehörden alle vorhandenen See- und Hafenanlagen
vollständig zur Verfügung zu stellen.
Artikel 14-
Der vorliegende Vertrag gilt für die Dauer von fünf Jahren und
von da ab bis zum Ablauf eines Jahres gerechnet vom Tage der Kün-
digung des Vertrages durch eine der vertragschließenden Parteien.
Artikel i5.
Vorliegender Vertrag gilt als geheim, beide Regierungen verpflichten
sich, alle von ihnen abhängigen Maßnahmen zu seiner Geheimhaltung
zu treffen.
Artikel 16.
Wenn der vorliegende Vertrag seine Gültigkeit verlieren sollte, so
müssen die Originalexemplare vernichtet werden; das russische Exem-
plar in Gegenwart des bulgarischen außerordentlichen Gesandten und
bevollmächtigten Ministers in Petersburg und das bulgarische Exem-
plar in Gegenwart des russischen außerordentlichen Gesandten und
bevollmächtigten Ministers in Sofia oder in Gegenwart der Vertreter
derselben. Es versteht sich von selbst, daß beide Regierungen die mo-
ralische Verpflichtung übernehmen, den Inhalt desselben auch nach
dessen Vernichtung geheimzuhalten.
122
Nr. 5i2.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenministerx)
20. Januar
vom—---------iqio.
2.Tebruar
Die aus dem Ausland kommenden Nachrichten über eine bevor-
stehende Annäherung zwischen Rußland und Österreich haben liier
ungeheueres Aufsehen erregt. Die Agitation verschärft sich mit jedem
Tage und ruft in politischen und Regierungskreisen sowie in der Ge-
sellschaft große Beunruhigung hervor. In Zeitungsartikeln, sogar den
offiziellen, wird die Ansicht vertreten, daß im Falle einer Versöhnung
der beiden Monarchien Serbien das Opfer sein wird, da es Österreich
zur vollen Versklavung überlassen werden würde. Aus diesem Anlaß
ist ein besonderer Ministerrat einberufen worden, und man wendet sich
an mich von allen Seiten mit ängstlichen Fragen. Ich glaube, es wäre
nötig, einige beruhigende Erklärungen abzugeben, wenn Sie dies für
möglich halten. In diesem Falle bitte ich, mich zu benachrichtigen, in
welchem Sinne ich mich hier aussprechen kann.
Hartwig.
Nr. 5i3.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Belgrad* 2)
22.Januar
vom - - ----- iqio.
4. r ebruar
Ihr Telegramm vom 20. Januar erhalten. Unsere Verhandlungen mit
Österreich brauchen bei der serbischen Regierung gar keine Besorgnisse
zu erwecken. Es handelt sich weder um eine Teilung in Interessensphä-
ren, noch in der einen oder anderen Form um die Rückkehr zum frü-
heren Einverständnis, sondern nulr um die Wiederaufnahme normaler
diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Kabinetten. Unser
Hauptziel ist die bestmögliche Erhaltung des status quo auf dem Balkan
und die friedliche Entwicklung und Unabhängigkeit der Balkanstaaten.
Sie können dies dem Belgrader Kabinett vertraulich mitteilen. Ich habe
in diesem Sinne schon mit dem serbischen Gesandten gesprochen.
Iswolski.
2) Benckendorff. Bd. I. Nr. i58, S.229.
2) Benckendorff. Bd.I. Nr. 162, S.234.
123
Nr. 5i4.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Sofia*)
vom i5./28. September 1910.
Sie liaben recht getan, Malinow in Anbetracht der zwischen der Türkei
und Rumänien abgeschlossenen Militärkonvention auf die Notwendigkeit
einer Annäherung mit Serbien hinzuweisen. In demselben Sinne habe
ich mit dem hiesigen bulgarischen Gesandten gesprochen und hinzuge-
fügt, daß derartige Gerüchte beweisen, wie vorsichtig die bulgarische
Politik in den jetzigen unruhigen Zeiten sein muß. Meinerseits muß ich
hervorheben, daß man in Paris trotz der Behauptung Paleologues das Be-
stehen einer türkisch-rumänischen Militärkonvention nicht als erwiesen
erachtet. Ich teile diese Ansicht der französischen Regierung, halte aber
die Lagte für Bulgarien trotzdem für nicht minder gefährlich. Die Hal-
tung der rumänischen Regierung in Balkanfragen ist deutlich hervor-
getreten, und das schwache Dementi, das der Militär-Konvention ent-
gegengesetzt wird, bestärkt uns in unserer Ansicht über die Absichten
Rumäniens im Falle eines bewaffneten Zusammenstoßes zwischen Bul-
garien und der Türkei.
Sasonow.
Nr. 5i5.
Geheimbericht des russischen Gesandten in Sofia
an den russischen Außenminister* 2)
vom 12./25. November 1910.
Nr. Ö2.
Das Geheimschreiben Euerer Exzellenz vom 4. Oktober d. J. Nr. 848,
das bestimmte Instruktionen enthält, den jetzigen Augenblick zu benutzen,
um die bulgarische Regierung zu einer Annäherung an Serbien zu ver-
anlassen, ist hier gleichzeitig mit meiner Rückkehr aus dem Urlaub ein-
gegangen. Deshalb hat unser Geschäftsträger diesen Brief nicht beant-
worten können, und diese Aufgabe fällt naturgemäß mir zu. Nach ge-
nauer Prüfung der hiesigen Situation erlaube ich mir, Euerer Exzellenz
die folgenden Erwägungen zu unterbreiten.
Aus der langen Reihe meiner Berichte weiß die Kaiserliche Regierung,
daß ich während meiner dreijährigen Tätigkeit in Sofia nichts unterlas-
*) Benckendorff. Bd. I. Nr. 290, S. З62.
2) Benckendorff. Bd.I. Nr. Зоб, S. 388.
124
sen habe, um aufrichtige und dauerhafte Beziehungen zwischen Bul-
garien und Serbien herbeizuführen. Im Laufe der zahlreichen Unter-
redungen, die ich nicht nur mit Mitgliedern der Regierung, sondern -auch
mit dem König selbst und verschiedenen Parteiführern gehabt habe,
habe ich alle diejenigen Beweisgründe vorgebracht, welche auf die Not-
wendigkeit feiner Annäherung der beiden slawischen Staaten hinweisen.
Abgesehen von dieser, von mir persönlich ausgehenden Einwirkung, hat
auch der Ministerpräsident Malinow während seiner Anwesenheit in Pe-
tersburg vom Außenminister selbst eine deutliche und erschöpfende Dar-
legung unseres Standpunktes gehört. Alle diese Versuche haben jedoch
bis jetzt zu keinem praktischen Ergebnis geführt, und man kann mit
Sicherheit sagen, daß wir unter den gegenwärtigen Verhältnissen auch
jetzt keinen Erfolg in dieser Hinsicht werden erzielen können.
Man darf nicht vergessen, daß die Bulgaren praktisch veranlagte Leute
sind, und dem Ministerium wird es bekannt sein, daß der jetzige bul-
garische Ministerpräsident sich in der Politik als einen Realisten be-
zeichnet hat. Wenn man sich auf diesen Standpunkt stellt, so muß ein
Übereinkommen mit Serbien unnütz erscheinen: es kann Bulgarien nichts
geben, denn an und für sich vermag es nicht dazu beizutragen, Bulga-
rien die Verwirklichung seiner nationalen Aspirationen zu erleichtern.
Dann muß man im Auge behalten, daß der bestimmende Faktor der bul-
garischen auswärtigen Politik König Ferdinand ist, der sich vor allem
von persönlichen Erwägungen leiten läßt. Dieser Umstand hat die be-
ständigen Schwankungen hervorgerufen, die sich in letzter Zeit ganz be-
sonders deutlich in den bulgarisch-serbischen Beziehungen gezeigt haben.
Unter solchen Umständen wird es nötig sein, die Politik Bulgariens sozu-
sagen zu kanalisieren, wobei wir natürlich darauf Bedacht haben müssen,
daß die Richtung, die wir der bulgarischen Politik zu geben suchen, im all-
gemeinen der serbischen entspricht. Soviel ich weiß, haben sich die ser-
bischen politischen Führer endgültig auf Rußlands Seite
gestellt und befinden sich folglich auch auf dem Wege einer Annähe-
rung an Frankreich und England. Diese Formel müßte auch von Bulga-
rien angenommen werden. Zu diesem Zwecke wird es nötig sein, letzteres
zu überzeugen, daß es, indem es diese Formel annimmt, sich damit auch
die restlose Verwirklichung des nationalen Ideals sichert. Unter solchen
Umständen wird es auch König Ferdinand schwer sein, von diesem Weg,e
abzuweichen, ohne befürchten zu müssen, daß ein solches Abweichen
als Verrat ausgelegt werden wird, für den er sich persönlich wird verant-
worten müssen; und diese Furcht wird ihn zurückhalten. Seine ganze
frühere Haltung der mazedonischen Bewegung gegenüber ist der beste
Beweis dafür. Aber, um der Entwicklung der Dinge diese Richtung zu
geben, ist es notwendig, daß auch wir die von uns zu verfolgenden Ziele
genau umschreiben und die Mittel hierzu vorbereiten unter der Bedin-
gung natürlich, daß unsere Politik, wie ich schon früher betont habe,
125
einen „nationalen und slawischen“ Charakter trägt. Wenn wir auf die
eine oder andere Weise hier bewiesen haben, daß Rußland sich end-
gültig auf diesen Standpunkt gestellt hat, dann wird es leicht sein, eine
Vereinigung der slawischen Balkanstaaten herbeizuführen, denn dann
werden sie alle ein allgemeines, grundsätzliches Interesse daran haben.
Aus diesem Grunde habe ich öfter darauf hingewiesen, daß die Eini-
gung der Balkanvölker nur möglich ist, wenn Rußland
die ganze An gelegenheit in seine eigenen Hände nimmt;
andernfalls werden alle Bestrebungen zu keinem Ergebnis führen.
Dies ist meine prinzipielle Ansicht. Zu Einzelheiten übergehend, muß
ich offen sagen, daß ich unter Berücksichtigung der augenblicklichen
Lage die Reise des bulgarischen Ministerpräsidenten nach Belgrad nicht
für wünschenswert halte. Es kann kein Zweifel bestehen, daß diese Reise
als eine Antwort auf die türkisch-rumänische Verständigung ausgelegt
und dazu benutzt werden wird, das Mißtrauen zu Bulgarien seitens seiner
nächsten Nachbarn, der Türkei und Rumäniens und dann auch das Miß-
trauen zu Serbien seitens Österreichs und der Türkei zu verschärfen.
Öl ins Feuer zu gießen, haben wir keinen Grund; das entspricht auch
nicht unseren Wünschen. In dieser Hinsicht wird schon genug gearbeitet.
Die Frage der Annäherung zwischen Bulgarien und Serbien müssen wir
vorsichtig anfassen ohne Lärm und ohne Demonstration. Die Reise
Malinows wäre gerade eine solche Demonstration und könnte nur Scha-
den anrichten. Natürlich äußere ich diese Ansicht nur als eine der augen-
blicklichen Lage angepaßte Erwägung, prinzipiell habe ich nichts gegen
sie, halte sie aber nur dann für möglich, wenn sie nichts anderes be-
deutet als einen einfachen Höflichkeitsakt. Ich kann außerdem nicht
umhin zu bemerken, daß der jetzige bulgarische Ministerpräsident trotz
aller seiner guten Eigenschaften mir nicht als die geeignete Persönlich-
keit erscheint, so heikle Verhandlungen zu führen.
Ich habe meine erste Unterredung mit dem Ministerpräsidenten dazu
benutzt, die Frage der bulgarisch-serbischen Beziehungen zu berühren.
Malinow versuchte mich zu überzeugen, daß diese Beziehungen „freund-
schaftliche“ seien; aber es wollte mir scheinen, daß er selbst dies kaum
glaubt. Außerdem habe ich in demselben Sinne mit dem Chef des Ge-
heimkabinetts gesprochen, der den Inhalt unserer Unterredung dem
König (mitgeteilt hat. Auf diese Weise habe ich alles augenblicklich Not-
wendige getan(; jaber, wie gesagt, man muß den Dingen auf den Grund
gehen, und der Grund sind jene allgemein radikalen Erwägungen, welche
ich ganz offen oben dargelegt habe, und welche das Resultat meiner
dreijährigen hiesigen Tätigkeit sind.
Sementowski-Kurillo.
126
Nr. 5i6.
Vertraulicher Bericht des russischen Botschafters in
Wien an den russischen Außenminister1)
vom 2./15. Februar 1911.
Nachdem ich mit größter Aufmerksamkeit und Objektivität die Be-
richte unserer Vertreter in Sofia und Belgrad sowie unseres Geschäfts-
trägers in Konstantinopel gelesen habe, komme ich zu dem Schluß, daß
alle von der serbischen Regierung aus geheimen Quellen geschöpften
Nachrichten nur unter Vorbehalt auf genommen werden können. Die
schwache Seite der Serben ist ihr ständiges Bedürfnis nach politischen
Intrigen, sie sammeln eine Unmenge allerunwahrscheinlichster Nach-
richten, die ausschließlich den Zweck verfolgen, keine guten Beziehungen
Rußlands zu den Mächten zuzulassen, zu denen Serbien selbst in schlech-
ten Beziehungen steht. Die ganze Atmosphäre Belgrads ist mit unge-
rechtfertigter Empfindlichkeit derartig gesättigt, daß man mit diesem
Umstand .rechnen muß. Die serbische Regierung will nicht zulassen, daß
Rußland auf irgendeiner Grundlage ein Übereinkommen mit Österreich
abschließt; wenn nicht die serbische Regierung, so lenkt der serbische
Generalstab unsere Aufmerksamkeit auf die perfidesten Absichten Öster-
reichs. In diesem Augenblicke, da die Beziehungen Serbiens zur Türkei
lange nicht befriedigend sind, besteht in den Augen der Serben kein
Zweifel, daß die Türkei ein Abkommen mit Österreich geschlossen hat.
Ich teile vollkommen die Ansicht unseres Geschäftsträgers in Konstan-
tinopel, daß Österreich-Ungarn zur Zeit keine Absichten auf den Sand-
schak hat. Zu diesem Schluß komme ich sowohl infolge der wieder-
holten bestimmten Erklärungen des österreichischen Außenministers in
den Delegationen, daß Österreich nicht die Absicht hat, die Politik terri-
torialer Erwerbungen auf dem Balkan fortzusetzen, als auch auf Grund
der Erwägung, daß nur auf diese Weise eine Übereinstimmung mit Ruß-
land erzielt werden kann, welche für Österreich ein direktes politisches
Bedürfnis ist.
Die für Österreich wünschenswerte Annäherung an Frankreich ist auch
nur unter diesen Bedingungen möglich.
Die Vereinigung aller slawischen Nationalitäten muß natürlich das
Endziel der russischen Politik sein, aber man fragt sich, wie soll man es
erreichen, jetzt, da König und Regierung in Bulgarien ein solches Miß-
trauen Serbien und seinem Regenten gegenüber an den Tag legen.
Ich hahte es für meine Pflicht zu erklären, daß ich ganz wie unser
Geschäftsträger in Konstantinopel der Ansicht bin, wir müssen die Not-
wendigkeit, ein neues Abkommen mit Wien zu treffen, ernstlich ins
!) Benckendorff. Bd. II. Nr. 358, S. 44.
I2J
Auge fassen, um soweit als möglich auf friedliche Weise unsere Inter-
essen zu schützen. Es liegt ausschließlich der Kaiserlichen Regierung ob,
zu beurteilen, wann der günstige Augenblick für ein solches neues Balkan-
übereinkommen gekommen ist. Ich habe nur die Verpflichtung, die
Balkanintrigen unwirksam zu machen, die gegen ein solches Abkommen
gerichtet sind, und die uns leicht und gegen unseren Willen zu einem
völligen Bi'uche mit Österreich führen könnten. Giers.
Nr. 517,
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister *)
26. Februar
vom------^-----iQii.
11. Marz
Der hiesige bulgarische Gesandte hat seinen Monarchen auf dessen
Rückreise aus Wien begrüßt und mir vertraulich mitgeteilt, er habe aus
seiner Unterredung mit König Ferdinand die feste Überzeugung gewon-
nen, daß Seine Majestät von seiner Zusammenkunft mit dem österreichi-
schen Kaiser sehr wenig befriedigt sei, da dieselbe zu keinem Resultate
geführt habe. Der Ansicht des bulgarischen Gesandten nach wird dies
zur Erkaltung der Beziehungen zwischen beiden Staaten führen und
einen starken Umschwung zugunsten der russophilen Politik zur Folge
haben. Die Richtigkeit meiner Folgerungen, sagte Toschew, wird sich
vielleicht schon in nächster Zeit erweisen. Hartwig.
Nr. 5i8.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den stellvertretenden russischen Außenminister* 2)
20. März
vom ----t—ri-iQii.
2. April v
Der König von Montenegro hat hierher mitteilen lassen, daß er den
Standpunkt der serbischen Regierung teile sowohl hinsichtlich der all-
gemeinen politischen Lage, als auch hinsichtlich der Ziele der gemein-
samen serbischen und montenegrinischen Politik. Der König nimmt von
der serbischen Antwort Kenntnis; diese Antwort soll als Grundlage eines
Abkommens zwischen beiden Staaten dienen. Hartwig.
1) Benckendorff. Bd. II. Nr. 373, S. 60.
2) Benckendorff. Bd.II. Nr. 386, S.75.
128
Nr. öig.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den stellvertretenden russischen Außenminister*)
vom i4-/27* Mai 1911.
Nr. 80.
Wenn Sie nichts dagegen haben, beabsichtige ich, nach Sofia zu
fahren, um daselbst zusammen mit unserm Gesandten in einen Meinungs-
austausch mit den bulgarischen Ministern und Danew zu treten, die ich
schon seit langem kenne. Dies würde hier einen guten Eindruck machen
und vielleicht die Verhandlungen zwischen Bulgarien und Serbien weiter
fördern. Hartwig.
i Nr. 5ao.
Telegramm des stellvertretenden russischen Außen-
ministers an den russischen Gesandten in Sofia3)
a5. Juni
vom-OdT1911-
Wenn Sie es aus örtlichen Erwägungen für nötig halten, so haben wir
keine Bedenken, daß Sie im Einvernehmen mit der bulgarischen Regie-
rung durch die Presse die Gerüchte von einer Militarkonvention des
Jahres 1902 als apokryph3) bezeichnen. Neratow.
*•) Benckendorff. Bd. II. Nr. 4o5, S. 102.
2) Benckenderff. Bd. II. Nr. 419, S.121.
3) Daß die Militärkonvention tatsächlich bestanden hat, geht aus folgenden Tele-
gramm hervor:
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen Botschafter in London
vom 16./29. Januar 1913. — Nr. i36.
Gleichlautend nach Paris.
Sehr geheim und ganz vertraulich.
Ich bitte Sie, in vertraulicher Weise den Außenminister von folgendem zu ver-
ständigen: Da seinerzeit das Bestehen einer Militärkonvention zwischen Österreich und
Rumänien festgestellt wurde, haben Rußland und Bulgarien im Jahre 1902 einen Ver-
trag geschlossen, auf Grund dessen Bulgarien sich verpflichtet hat, uns im Falle eines
Krieges mit einer der Dreibundmächte zu Hilfe zu kommen, während wir uns unserer-
seits verpflichteten, Bulgarien die territoriale Integrität zu garantieren. Dieser Ver-
trag nützte bis jetzt ausschließlich uns, da Bulgarien durch ihn gebunden war. Von
uns wurde weiter nichts verlangt, als das, was wir Bulgarien aus politischen und.
psychologischen Gründen nicht hätten verweigern können, selbst wenn kein Vertrag
bestanden hätte. Heute jedoch in Anbetracht der drohenden Haltung Rumäniens haben
wir es für nötig erachtet, in Bukarest durch unseren dortigen Gesandten eine freund-
schaftliche Warnung auszusprechen, über die Sie ebenfalls dem Minister in vertrau-
licher Weise berichten können. Wir halten es unsererseits für sehr wünschenswert,
daß die Kabinette von Paris und London ihrerseits auf Bukarest einwirken.
S asonow.
129
9 Bogliitachewitscli, Serbien n.
Nr* Ö2I.
Der russische Botschafter in Paris
an den stellvertretenden russischen Außenminister. *)
Brief. Paris, den 6./19. August 1911.
Sehr geehrter Herr Anatol Anatoliewitsch!
Ich schreibe Ihnen in aller Eile zwei Worte, um Sie zu benachrich-
tigen, daß ich mit dem heutigen Finanzkurier einen Brief an V. P. Iio-
kowtzow sende, in dem ich ihm vorläufig ganz privatim die Bitte xmter-
breite, mich angesichts der herannahenden internationalen Krise mit aus-
reichenden materiellen Mitteln zu versehen, um auf die hiesige Presse
einzuwirken: Nur mit den allergrößten Anstrengungen ist es mir soeben
gelungen, irrtümliche Interpretationen der gerade in diesem kritischen
Augenblick erfolgten Unterzeichnung des Vertrages mit Deutschland
über Persien zu verhindern. Aber dies ist nur ein ganz zufälliger Erfolg*
und es wäre sehr wichtig, ein dauerndes und sicheres Mittel zu besitzen,
um den wichtigsten hiesigen Organen, die fast alle nur „klingenden
Argumenten zugänglich sind, die gewünschte Richtung zu geben. Man
braucht sich nur daran zu erinnern, welch bedeutende Rolle zur Zeit der
bosnischen Krise die geschickte Verteilung von österreichischem Gelde
spielte, die Graf Khevenhüller an die französische Presse vornahm. Ich
bitte V. P. Kokowtzow, mir zu antworten, ob er meine Bitte in diesem
Augenblick für exzeptionell hält. In diesem Falle werde ich nicht ver-
fehlen, ihm meine Erwägungen über die Höhe der notwendigen Summen
und über die Art der Verwendung zukommen zu lassen. Wenn Sie meine
Bitte für gerechtfertigt halten, erlaube ich mir zu hoffen, daß Sie es
nicht zurückweisen werden, sie bei V. P. Kokowtzow zu unterstützen. Ich
möchte Sie bitten, mich telegraphisch von der prinzipiellen Zustimmung
oder Ablehnung des Finanzministers zu informieren, damit ich durch
den nächsten Kurier die entsprechenden Erläuterungen übersenden kann.
Ihr aufrichtig ergebener
Iswolski.
Nr. Ö22.
Der russische Botschafter in Paris
an den stellvertretenden russischen Außenminister.* 2)
Brief. Paris, den i3./26. September 1911.
Ich habe häufig mit Tittoni über Tripolis gesprochen, da seine An-
sicht von um so größerem Interesse ist, als er die italienische Politik ganz
1) Iswolski. Bd. I. Nr. n3, S. i34.
2) Iswolski. Bd. I. Nr. ia4, S, i48.
i3o
genau kennt und einen unbestreitbaren Einfluß auf Viktor Emanuel aus-
übt. Er sagte mir, daß er persönlich die Entwicklung dieser Angelegen-
heit nicht für zweckmäßig halte, daß er aber glaube, die Regierung sei
unter dem Druck der öffentlichen Meinung gezwungen gewesen, zu
aktiven Maßnahmen zu greifen. Auf meine Frage, welches die Haltung
der Verbündeten Italiens sein werde, gab Tittoni mir zur Antwort, daß,
wie er mir vor drei Jahren in Racconigi schon sehr vertraulich mitgeteilt
habe, die Abmachungen des Dreibundes eine besondere Bestimmung ent-
hielten, nach der Deutschland und Österreich verpflichtet sind, Italien in
Tripolis Handlungsfreiheit zu lassen. Die Einfügung dieser Bestimmung
sei von Italien bei der letzten Erneuerung des Bundes gefordert worden.
Italien werde deshalb auf keinen Widerstand von dieser Seite stoßen.
Was nun Österreich im besonderen anbetrifft, so glaubt Tittoni nicht,
daß es irgendeine Kompensation, zum Beispiel in der albanischen Frage,
fordern könne, da zwischen Italien und Österreich ein Spezialvertrag über
Albanien bestehe, der die Tripolisfrage nicht berühre.
Ich habe meinerseits Tittoni nicht meine Befürchtungen verhehlt, daß
militärische Maßnahmen Italiens in Tripolis auf die allgemeine Lage im
nahen Orient zurückwirken könnten. Im besonderen sei zu befürchten,
daß das gegenwärtige Regime in Konstantinopel sich nicht halten könne
und irgendein Balkanstaat interveniere, was wieder zu einem neuen
Schritt vorwärts von seiten Österreich-Ungarns führen könne.
Tittoni antwortete, daß das jungtürkische Regime sich als unzuläng-
lich erwiesen habe, und daß man sein Verschwinden, das voraussichtlich
auch ohne Tripolis eintreten würde, kaum zu bedauern brauche. Was
die Balkanstaaten anbetreffe, so sei Serbien an der Aufrechterhaltung
der Türkei interessiert; Montenegro könne man stets zurückhalten, und
es bliebe nur Bulgarien. Er wisse aber, daß Rumänien sich verpflichtet
habe, keinen bulgarischen Angriff auf die Türkei zu gestatten. Schließ-
lich, fügte er hinzu, sei die italienische Flotte stark genug, um die Ent-
sendung türkischer Truppen nach Tripolis zu verhindern. Die Türkei
wird also ihre militärische Stellung auf dem Balkan nicht schwächen, und
in dieser Beziehung wird keine Änderung der allgemeinen Lage statt-
finden. Was nun endlich Österreich betreffe, so werde es kaum selb-
ständig vorgehen, und eine Intervention von seiner Seite könne nur in
Verbindung mit den allgemeinen Ereignissen auf dem Balkan stattfinden.
Deshalb hält es Tittoni für wünschenswert, daß unter den jetzigen Um-
standen ein beständiger Meinungsaustausch zwischen Rom, St. Peters-
burg und Wien gepflogen wird, da man nur hierdurch ein unvorher-
gesehenes Vorgehen Österreichs verhindern könne.
Iswolski.
i3i
Nr. 5a3.
Der Gesandte in Sofia von Below-Saleske
an das Auswärtige Amtx)
Telegramm: Entzifferung.
Nr. 22. Sofia, den 3o. September 1911.
Italienischer Gesandter1 2) hat heute hiesiger Regierung von der seitens
Italiens an die Türkei erfolgten Kriegserklärung3) offiziell Kenntnis ge-
geben.
In Vertretung Geschows4) erklärte Finanzminister Theodorow dem
1) Die Große Politik. Bd.33. Nr. 12 033, S.3.
2) Graf Bosdari.
3) Vgl. dazu Bd. XXX.
4) Der bulgarische Ministerpräsident und Minister des Äußern Geschow, der beim
Ausbruch des italienisch-türkischen Krieges in Vichy weilte, nahm auf der sofort an-
getretenen Rückreise die Gelegenheit wahr, um sich am 4- Oktober bei dem französi-
schen Außenminister de Selves und am 7. Oktober in Wien bei Graf Aehrenbhal zu
erkundigen, ob der Krieg lokalisiert bleiben und nicht Komplikationen auf dem Balkan
zur Folge haben würde. Auf die Mahnung des Grafen Aehrenthal, daß Bulgarien das
Beispiel der großen Mächte befolgen und sein Möglichstes tun möge, um den Frieden
zu bewahren, erging sich Geschow in Versicherungen der bulgarischen Friedensliebe.
Das hinderte ihn jedoch nicht, noch in Wien einen tätigen Anteil an den Verhand-
lungen zu nehmen, die inzwischen sein Stellvertreter Theodorow mit Serbien behufs
Bildung eines Balkanblocks begonnen hatte, und zwar, wie Geschow am 8. Oktober zu
dem russischen Botschafter in Wien Nikolaus yon Giers sagte, auf energisches Be-
treiben der russischen Vertreter in Sofia und Belgrad hin. Über Geschows Stellung-
nahme meldete Giers am 8. Oktober nach Petersburg (Diplomatische Aktenstücke zur
Geschichte der Ententepolitik der Vorkriegsjahre ed. B. v. Siebert, S. IÖ2): „Ge-
schow gibt sich vollkommen Rechenschaft, daß ein derartiger Balkanblock, in diesen
unruhigen Zeiten gebildet, Österreich gegen Bulgarien und Serbien aufbringen muß,
und hinter Österreich würden in diesem Falle Rumänien und die Türkei stehen. Ehe
er sich zu einem solchen Schritt entschließt, möchte Geschow wissen, auf welche Garan-
tie von seiten Rußlands Bulgarien rechnen könne.“ Die Antwort Giers, die zwar die
Beobachtung der strengsten Neutralität als das allgemeine Interesse Rußlands hin-
stellte, aber doch jede Annäherung der Balkanstaaten begrüßte und wegen der Frage
der Garantien auf die russischen Vertreter am Balkan als die kompetenten Organe für
solche Verhandlungen verwies, scheint von Geschow als eine Ermutigung zu weiterem
Vorgehen aufgefaßt worden zu sein. Jedenfalls trat er auf seiner Weiterreise am
11. Oktober selbst in Verhandlungen mit dem serbischen Ministerpräsidenten Milowano-
witsch über den Abschluß eines bulgarisch-serbischen Vertrages, der unter anderem
eine „alliance offensive contre la Turquie en vue d’affranchir la Macédoine et la
Vieille Serbie dans les circonstances jugées propices par les deux parties“ in Aussicht
nahm. Der serbische Ministerpräsident verlangte in dieser Unterredung ungeniert die
Aufteilung der befreiten Gebiete unter Serbien und Bulgarien und die Liquidation der
Türkei überhaupt; ja er zog bereits den Zerfall Österreich-Ungarns in den Kreis seiner
Berechnungen: „Ah oui! Si, en même temps que la liquidation de la Turquie, la
désagrégation de l’Autriche-Hongrie pouvait survenir, la solution serait grandement
simplifiée: la Serbie obtiendrait la Bosnie et l'Herzégovine, comme la Roumanie
obtiendrait la Transylvanie.“ Aber gerade die großen Ansprüche Serbiens verhinderten,
daß die Verhandlungen zwischen Bulgarien und Serbien, mit deren Fortführung Ge-
schow von König Ferdinand beauftragt wurde, so bald zum Abschluß kamen. Erst als
die russischen Vertreter in Sofia, die immer wieder zum Abschluß drängten, damit
drohten, daß Rußland sich sonst das Recht wahren müsse, nach seinen Interessen zu
handeln, kam es am i3. März 1912 zur Unterzeichnung des Vertrages, der die Grundlage
des späteren Balkanbundes wurde. Vgl. für die ganze Genesis des Vertrages vom i3.März
das aufschlußreiche Werk von Geschow (Guécboff) L’Alliance Balkanique p. i4ss.
l32
Grafen Bosdari, daß die bulgarische Regierung die tripolitanische Frage
als außerhalb ihres Interessenkreises liegend betrachte, und daß in dem
Verhältnis Bulgariens zur Türkei gegenwärtig keine Änderung eintrete.
Below.
Nr. 5a4.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg. * *)
^ . , , 18. September
Be,grad’den i. Oktober I911’
Ohne Nummer.
Wegen der Verschärfung der Tripolisfrage hatte ich gestern eine
längere Unterredung mit Milowanowitsch2), welcher, beunruhigt durch
das italienische Ultimatum, sich über dasselbe bei mir erkundigte und
seine Befürchtung über neue Verwicklungen auf dem Balkan aussprach.
Ich bemühte mich in Übereinstimmung mit dem Zirkulartelegramm
Euerer Exzellenz diese Befürchtungen des Ministers zu zerstreuen, indem
ich darauf hin wies, daß die Erhaltung des Friedens auf dem Balkan
von den slawischen Staaten selbst abhänge, für deren Interessen der
türkisch-italienische Konflikt keine Bedrohung bedeute.
Milowanowitsch gab mir bezüglich der Haltung Serbiens vollkommen
beruhigende Versicherungen.
Was meine Ansicht betrifft, so unterliegt es keinem Zweifel, daß
Serbien prompt allen Weisungen der kaiserlichen Regie-
rung folgen wird, bis zur äußersten Möglichkeit Ruhe zu wahren
und von seiner Seite braucht man am wenigsten ein aktives Hervor-
treten zu befürchten, denn es braucht Frieden und hat es auch vorläufig
nötig, gute Beziehungen zur Türkei zu unterhalten. Wie ich aber mehr-
mals mitgeteilt habe, wird keine serbische Regierung beim Eintreten fol-
gender Ereignisse das Volk zurückzuhalten in der Lage sein:
a) Im Falle der Besetzung Mazedoniens durch die Bulgaren, b) Im
Falle eines Aufstandes und des Aufloderns des Fanatismus im Wilajet
Kossowo, c) Im Falle des Einrückens österreichischer Truppen in den
Sandschak.
Die letztere Eventualität befürchtet die serbische Regierung am mei-
sten, und eine solche Furcht vor einer Aktion Österreichs unter dem
Vorwände der Erhaltung des status quo auf dem Balkan ist nicht ohne
Grund. Heute morgen besuchte mich Paschitsch, der die Befürchtungen
und Versicherungen Milowanowitschs bestätigte. Er erinnerte daran, daß
Österreich während der albanischen Unruhen verschiedene militärische
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 17.
*) Damals Ministerpräsident und gleichzeitig Minister des Äußern.
i33
Maßnahmen ergriffen und auch jetzt 80000 Mann kriegsmäßig aus-
gerüstet an der bosnisch-herzegowinischen Grenze konzentriert habe. Ich
erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, daß bei Erörterung der
möglicherweise eintretenden Ereignisse diesem Umstande besondere Be-
achtung zukommen müsse. Hartwig.
Nr. 5a5.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.x)
0 „. , iq. September
Sofl*' ItfcET ,!l"'
Nr. 65.
Heute teilte mir Todoroff* 2) ganz vertraulich folgendes mit: Das
bulgarische Kabinett rechnet damit und hofft, daß der Konflikt der
Türkei mit Italien auf die Tripolisfrage beschränkt bleiben wird. Das herbe
Bewußtsein der Erniedrigung kann jedoch in der Türkei binnen kurzem
innere Erschütterungen hervorrufen, die für die christlichen Staaten
und Nationalitäten auf der Balkanhalbinsel gefährlich werden können.
Mit Rücksicht darauf und infolge der von mir Todoroff am 16. d. M.
erteilten Ratschläge hat das Kabinett beschlossen, jetzt schon ein mög-
lichst aufrichtiges Einverständnis mit Serbien auf der Grundlage einer
gütlichen Abgrenzung der Interessensphären auf der Balkanhalbinsel
und beiderseitiger Einigung zwecks Erhaltung des Status quo gegen alle
äußeren Angriffe, so auch von seiten der Türkei, falls dieselben diesen
Interessen zuwiderlaufen würden, anzustreben. Todoroff hatte in diesem
Sinne schon heute eine erste Besprechung mit dem serbischen Ge-
schäftsträger3) und hat Geschoff und König Ferdinand gebeten, ihre
Rückkehr nach Sofia nicht allzusehr hinauszuschieben. Außerdem ist
Rizoff4) nach Belgrad in vertraulicher Mission gesandt worden. Ge-
schoff hat auf seiner Rückreise durch Belgrad5) Milowanowitsch eine
Zusammenkunft im Eisenbahnwagen vorgeschlagen. Todoroff bemerkte,
daß König Ferdinand zweifellos alle diese Maßnahmen billigen, aber
wahrscheinlich seine definitive Zustimmung davon als Hauptbediqgung
abhängig machen wird, daß im äußersten Notfälle die verbündeten
Serben und Bulgaren auf die Unterstützung und Hilfe Rußlands rechnen
können. Für Bulgarien könnte diese Hilfe sich in der Hauptsache auf
eine Rückendeckung gegen einen rumänischen Angriff beschränken.
x) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 18.
2) Finauzminister, Vertreter des auf Urlaub befindlichen Ministers des Äußern
Geschoff.
3) Milo jewitsch.
4) Bulgarischer Gesandter in Rom.
ß) aus Wien.
*34
Ich erwiderte Todoroff, daß ich mich beeilen werde, diese Mitteilungen zu
Ihrer Kenntnis zu bringen, daß ich aber die Tatsache selbst der Verständi-
gung mit Serbien nur gutheißen kann, jedoch mit dem be-
sonderen Vorbehalt, daß diese Verständigung als das
nächstlieg ende Ziel die Erhaltung des status quo auf
dem Balkan habe. Ich beurteile das oben Angeführte folgender-
maßen: Der König steht diesem Plane nicht ferne — vgl. die Mit-
teilungen Fitschews1) an den französischen Gesandten —, ist aber noch
zu keinem endgültigen Entschluß gelangt; das Kabinett ist aufrichtig
dafür, und meine Argumente verfehlen nicht ihre Wirkung. Die Ver-
ständigung Bulgariens mit Serbien enthält nur ein gefährliches Element
— die Versuchung, sich ihrer zu einem Angriffe zu be-
dienen. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, daß sich eine solche
günstige Gelegenheit zur Beseitigung der so betrüblichen serbisch-bul-
garischen Feindschaft, wie im jetzigen Augenblicke, vielleicht nicht
wieder bieten wird. An uns ist es zu entscheiden, was für uns wün-
schenswerter ist: Das Fehlen der dargelegten, übrigens nur mutmaßlichen
Gefahr oder aber die Verständigung zwischen Serbien und Bulgarien,
selbstverständlich unter der Garantie unseres Einflusses? Wenn die
serbisch-bulgarische Verständigung wünschenswert erscheint, so ist es
erforderlich, mir, ohne Zeit zu verlieren, die Bedingungen zu präzisieren,
unter denen Rußland bereit ist, die Verständigung gutzuheißen und auf
Grund welcher die vertragschließenden Teile auf unsere Unterstützung
rechnen können. Ich halte es für meine Pflicht, vor falschen Gerüchten
zu warnen. Es tauchen z. B. gegenwärtig in Serbien Nachrichten von
einer gegen die serbischen Interessen gerichteten Verständigung zwischen
Österreich und Bulgarien auf. Todoroff sagte mir, daß er aus zuver-
lässiger Quelle wisse, daß diese Gerüchte nach Belgrad und an die
hiesige serbische Mission von türkenfreundlich gesinnten Bulgaren ver-
breitet werden. Nekljudow.
Nr. 5a6.
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow,
Petersburg, an den russischen Gesandten Nekljudow
in Sofia.2)
St. Petersburg, den
2i. September
Oktober
1911.
Nr. i4oi.
Ihr Telegramm Nr. 65 habe ich erhalten. Wird in Belgrad mitgeteilt.
Wir bewillkommen aufrichtig Bulgarien und Serbien angesichts ihrer
Bemühungen, zu einer gütlichen Abgrenzung ihrer Interessensphären
1) Chef des bulgarischen Generalstabes.
2) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 24.
i35
und mit Rücksicht auf die verwickelte äußere Lage zu einer Verständi-
gung zu gelangen. Gleichzeitig stimmen wir ihrem einschränkenden
Vorbehalte bei bezüglich des nächstliegenden Zweckes des Übereinkom-
mens _ das Ineinklangbringen der beiderseitigen Interessen in den
Grenzen der Erhaltung des gegenwärtigen Status quo. Tatsächlich
würde ein eigenmächtiges Vorgehen der slawischen Staaten von uns
nicht nur nicht gebilligt werden, sondern es würde unserer Ansicht nach
auch für diese Staaten ein Unglück bedeuten, da es Gegenaktionen
seitens Österreich-Ungarns hervorrufen und auch rechtfertigen
würde. Anders stünde es freilich damit, wenn dies als eine Folge einer
provozierenden Aktion seitens der Türkei geschehen würde. Wir hoffen
jedoch, daß in einem solchen Falle beide Staaten uns um unseren Rat
fragen werden, und wir wären in einem solchen Falle bereit, die Sachlage
gemeinsam mit ihnen zu prüfen. Zu ihrer persönlichen Information
füge ich noch hinzu, daß wir unsere Maßnahmen von den etwa beab-
sichtigten Schritten Österreichs abhängig machen müssen. Neratow.
Nr. 527.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.x)
„ . , . 23. September
Belgrad, den 6 (^totor- >9*>-
Nr. 147. Abschrift nach Sofia.
Bezugnehmend auf das Telegramm Nr. 65 von Nekljudow erachte ich
es für meine Pflicht, ergänzende Angaben und einige Einwendungen zu
machen. Vor allen Dingen wird in diesem Telegramm das Dilemma be-
handelt, ob man eine serbisch-bulgarische Annäherung zulassen oder ob
man sie verhindern soll? Meiner Meinung nach kann die Antwort nur
eine positive sein. In dem gegenwärtigen Augenblicke würden beide
Staaten das größte Verbrechen Rußland und dem Slawentum gegenüber
begehen, wenn sie auch nur im geringsten diesbezüglich zögern würden.
Von den Befürchtungen, die Nekljudow erwähnt, kann keine Rede sein,
und Todoroff hat die Sachlage ganz richtig dahingehend beurteilt, wenn
er behauptet, daß die Verständigung abgesehen von der Abgrenzung der
Interessensphären den „Schutz“ der gegenseitigen Interessen für den
Fall zukünftiger Verwicklungen im Auge hat, was ein aktives Hervor-
treten für die nächste Zukunft ausschließt, worauf sich übrigens
Serbien ohne Zustimmung Rußlands nicht einlassen
würde. Die Anregung zu den jetzigen Verhandlungen ist nicht so sehr
von den bulgarischen Ministem als von Rizoff ausgegangen, der als
eifriger Anhänger dieser Annäherung bekannt ist. König Ferdinand hat 1
1) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 21.
i36
sich Österreich zu Gefallen einer solchen Annäherung immer widersetzt,
und die bulgarische Regierung hat sich zu selbstverständlichen Kon-
zessionen den Serben gegenüber in Mazedonien nicht entschließen kön-
nen, aus Furcht vor der Rache des mazedonischen Komitees. Die Ver-
antwortung diesen Komitees gegenüber hat jetzt Rizoff auf sich selbst
genomimen und hat versprochen, auf dieselben einzuwirken. Das hat
Todoroff bewogen, Rizoff die vertrauliche Mission zu übertragen, das
Terrain in Belgrad zu sondieren. Rizoff hat mit mir, mit Pasehitsch
und mit Milowanowitsch gesprochen. Meine Rolle bestand hauptsächlich
darin, den Boden vorzubereiten betreffs der Abgrenzung der Einfluß-
sphären, des ewigen Steines des Anstoßes. Einige Resultate wurden
auch erzielt, und Rizoff ist heute früh hoffnungsvoller nach Wien ge-
fahren. Er wird sich bemühen, Geschoff und König Ferdinand ge-
neigt zu machen und den letzteren zu bewegen, endlich einmal von der
Politik des Lavierens zwischen Österreich und Rußland abzubringen.
Die Vorbehalte, die Todoroff vom König erwartet, erscheinen mir völlig
unwahrscheinlich. Es handelt sich ja doch um eine gegenseitige Ver-
ständigung zwischen Serbien und Bulgarien und durchaus nicht um eine
russisch-serbisch-bulgarische Konvention, wo durch besondere Stipulie-
rungen auch die Rolle Rußlands festgesetzt wird. Unter diesen Um-
ständen erscheint es kaum wünschenswert, die Details für unsere Hilfe
und Unterstützung den Bulgaren mitzuteilen. Eine solche Mitteilung
würde in Wirklichkeit die Serben und Bulgaren zu einem aktiven Ein-
schreiten aufmuntem und würde Rußland in den Augen der auf der
Balkanhalbinsel interessierten Mächte kompromittieren. Weder Ser-
bien noch Bulgarien dürfen ihre gegenseitige Verständigung von einer
vorhergehenden Verpflichtung unsererseits ihnen gegenüber abhängig
zu machen. Meiner Ansicht nach muß die Ausarbeitung der einzel-
nen Bestimmungen des Abkommens vollkommen den beiden slawischen
Staaten überlassen werden. Erst dann ist der Vertragsentwurf der
kaiserlichen Regierung zur Begutachtung vorzulegen, die sich endgültig
und für alle Fälle die Führung vorbehält und in den ihr erforder-
lich erscheinenden Fällen auch Hilfe leistet. Hartwig.
Nr. 528.
Der russische Botschafter Giers in Wien
an den russischen Außenminister.1)
Nr. 42.
Sehr vertraulich.
Wien,
den
2 5. September
8. Oktober
I911-
Der bulgarische Ministerpräsident Geschoff besuchte mich heute und
teilte mir den Inhalt seiner Gespräche mit, die er mit den Außenmini-
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 24.
Stern Frankreichs und Österreichs gehabt hat. Beide schienen ihm opti-
mistisch und haben ihm gesagt, daß Italien, um die tripolitanische Frage
schnell zu liquidieren, darauf eingehen wird, die nominelle Souveränität
der Türkei in Tripolis anzuerkennen und ihr eine Geldentschädigung zu
zahlen. Sodann sagte mir Geschoff, daß Nekljudow und Hartwig
energisch auf den Abschluß eines Bündnisses zwischen Bulgarien und
Serbien unter dem Protektorate Rußlands dringen. Geschoff ist sich
vollkommen darüber klar, daß ein derartiger Balkanblock, in diesen un-
ruhigen Zeiten gebildet, Österreich gegen Bulgarien und Serbien auf-
bringen muß, und hinter Österreich würden in diesem Falle Rumänien
und die Türkei stehen. Ehe sich Geschoff zu einem solchen Schritt
entschließt, möchte er wissen, auf welche Garantien von seiten Ruß-
lands Bulgarien rechnen könne. Geschoff fügte hinzu, es sei ihm be-
kannt, daß Nekljudow nach Davos zu Sasonow gefahren sei, um ihm
darüber zu referieren. Ich habe Geschoff geantwortet, daß eine An-
näherung zwischen Bulgarien und Serbien von uns nur begrüßt wer-
den kann. Der Zusammenschluß des orthodoxen-slawischen Elementes
bedeute eine große Macht, aber ich könne ihm nichts über die Garantien
eines solchen Bundes sagen, da die unsern Gesandten in Sofia und Bel-
grad zu diesem Zwecke gegebenen Instruktionen mir unbekannt seien.
Unsere Vertreter auf dem Balkan seien die einzigen kompetenten Organe
für solche Verhandlungen. Ich könne ihm daher nur raten, die Rück-
kehr Nekljudows nach Sofia abzuwarten. Außerdem sei heutzutage
unser gemeinsames Interesse — die Beobachtung der strengsten Neutra-
lität. „Dies ist möglich,“ erwiderte mir Geschoff, „wenn auf der Balkan-
halbinsel alles ruhig bleibt, und wir werden keinesfalls ohne Wissen Ruß-
lands irgend etwas unternehmen.“ Giers.
Nr. 52g.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.*)
^ . 1 1 25. September
„ „ Belsr"1' de““8OTtob5 ■»,I-
Nr. 56.
In meinen Geheim-Telegrammen hatte ich die Ehre, dem kaiserlichen
Ministerium über die allgemeine Beunruhigung zu berichten, die sich
Serbiens bei der ersten Nachricht über den türkisch-italienischen Konflikt
bemächtigt hatte.
Ich muß zugeben, daß diese Stimmung schon aus dem Grunde voll-
kommen berechtigt war, weil zur gleichen Zeit fast die ganze europäische
Presse sich über die schrecklichen Folgen des ausgebrochenen Konfliktes
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 22 ff.
i38
in übereinstimmender Weise geäußert hat, und die Möglichkeit, ja sogar
die Wahrscheinlichkeit eines Umsturzes in der Türkei prognostizierte.
Was hätte in einem solchen Falle der Umsturz des neugeschaffenen
Regimes in Konstantinopel anderes als die vollkommene Anarchie auf
der ganzen Balkanhalbinsel zu bedeuten?
Für Serbien, wie auch teilweise für die anderen kleinen Staaten ergab
sich von selbst das schwer zu lösende Dilemma: Soll man im Gegensätze
zu den schrecklichen Vorzeichen sich ab wartend verhalten und es da-
durch darauf ankommen lassen, von den Ereignissen überrascht zu
werden? Oder soll man vielmehr die unumgänglich erforderlich erschei-
nenden Maßnahmen treffen, die zur Wahrung der eigenen Interessen
nötig erscheinen und auf diese Art einen günstigen Vorwand für den
betreffenden Staat zum Einschreiten suchen, zwecks Wiederherstellung
des gestörten Status quo auf der Balkanhalbinsel.
Die hier erhaltenen Nachrichten über das Bestreben der Großmächte,
alles in ihrer Macht Liegende zu tun, um die militärischen Operationen
zu lokalisieren, haben die Besorgnisse der Belgrader Regierung zerstreut
und haben auf die politischen Kreise und die öffentliche Meinung
günstig gewirkt.
Gleichzeitig habe ich die mir im Telegramme Euerer Exzellenz über-
mittelten Nachrichten aus Cetinje, Athen und Sofia dazu benützt, um
anläßlich einer Audienz bei König Peter seinen pessimistischen An-
sichten entgegenzutreten.
Der feste Entschluß der serbischen Regierung, die Ruhe und den
Frieden auf der Balkanhalbinsel nicht zu stören, ruft in oppositionellen
Kreisen äußersten Unmut hervor, und es werden Stimmen laut, die die
Mobilisierung der Armee dringend verlangen. Die österreichisch-freund-
lich gesinnte Presse überhäuft die Minister mit Vorwürfen, insbesondere
Milowanowitsch, den sie scharf angreift, indem sie ihn der Feigheit,
Sorglosigkeit und Kurzsichtigkeit bezichtigt, einer Kurzsichtigkeit, die
der Minister des Äußeren bereits anläßlich der Annexionskrise zur Ge-
nüge bewiesen hat. Nach der Ansicht dieser Blätter bereitet sich gegen
Serbien ein neuer Schlag, nämlich die Wiederbesetzung des Sandschaks
durch Österreich-Ungarn vor.
Man ist jedoch an diese Hetze der österreichischen provokatorischen
Agenten schon seit langem gewöhnt, und dieselbe macht deshalb keinen
besonderen Eindruck.
Dennoch wäre es unrichtig zu glauben, daß sich die Aufregung in
Serbien bereits gelegt hat, was auch schon aus diesem Grunde nicht der
Fall sein kann, weil die Gefahr tatsächlich noch nicht vorüber ist, was
täglich durch Dutzende von einlaufenden Telegrammen bewiesen wird.
Für Serbien besteht, wie ich bereits des öfteren zu berichten die Ehre
hatte, eine dreifache Gefahr: Ein Aufstand im Wilajet Kossovo, die
gewaltsame Aneignung Mazedoniens durch Bulgarien und der Ein-
marsch österreichisch-ungarischer Truppen in den Sandschak Novibazar.
Bei der gegenwärtigen so komplizierten Lage ist es jedoch schwer zu
sagen, welcher von den drei Fällen der wahrscheinlichere ist.
Darüber kann jedoch kein Zweifel bestehen, daß in allen drei Fällen
das serbische Heer genötigt sein wird, die Grenze zu überschreiten.
Hartwig.
Nr. 53o.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburgi1)
Nr. i58. Belgrad, den i./i 4. Oktober 1911.
Die von mir in meinem Telegramm Nr. i55* 2) gemeldete Durchreise
des bulgarischen Ministerpräsidenten durch Belgrad ohne vorherige Be-
nachrichtigung, die auch Milowanowitsch erstaunt hat, erwies sich als
eine wohlüberlegte Vorsicht Geschoffs, der zur Ablenkung der Aufmerk-
samkeit irgendeinen Bulgaren unter seinem Namen vorausfahren ließ.
Geschoff selbst traf unter strengem Inkognito am nächsten Tage in
Belgrad ein und fuhr mit dem von ihm verständigten Milowanowitsch
bis zur Station Jagodina, wobei sie sich über die serbisch-bulgarische
Verständigung unterhalten haben. Milowanowitsch hat den besten Ein-
druck empfangen3).
Dieses Mal haben die Bulgaren augenscheinlich die dringende Not-
wendigkeit erkannt, mit Serbien Hand in Hand zu gehen. Geschow ver-
sicherte, daß nunmehr auch König Ferdinand zu dieser Überzeugung
gelangt ist. Die beiden Minister haben in großen Zügen die Grund-
bedingungen des Abkommens skizziert, das den Charakter eines De-
fensiv- und Offensivbündnisses tragen wird. Defensiv — beim Über-
fall irgendeiner Macht auf einen der vertragschließenden Teile, offen-
siv bei Entstehen von Verwicklungen auf dem Balkan, die ihre In-
teressen unmittelbar berühren. Was die Abgrenzung der Interessen-
sphären anbetrifft, so verzichten die Serben im voraus auf irgendwelche
Ansprüche im Wilajet von Saloniki; die Bulgaren auf das Wilajet
von Skutari und den nördlich Schar-Planina gelegenen Teil von Uesküb.
Die strittigen Einzelheiten werden dem Schiedsspruch Rußlands unter-
breitet. Milowanowitsch verwies ausdrücklich auf die Notwendigkeit,
die Verhandlungen unter der ständigen Aufsicht Rußlands
zu führen und ein drittes Exemplar des Vertrages offiziell der kaiser-
x) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 3o. Übersetzung in der „Kriegsschuldfrage“ 1925,
S.795.
2) Telegramm Nr. i55 fehlt in den Akten.
3) Über die Besprechung Geschows mit Milowanowitsch cfr. das Buch von I. E. Ge-
schow „Der Balkanbund“ Seite i4, Ausgabe 1915.
liehen Regierung zu überreichen. Geschoff sagte, daß das auch sein und
seiner Partei Wunsch sei. Zum Vermittler der streng vertraulichen Briefe
ist auf den Wunsch Geschoffs der serbische Gesandte in Sofia, Spalaiko-
vvitsch, ausersehen. Eine vorzügliche Wahl. Während der Unterhaltung
versuchte Milowanowitsch auf jede Art festzustellen, ob sich hinter der
unerwarteten Bereitwilligkeit des Königs Ferdinand zur Verständigung
nicht eine in Wien ausgearbeitete Falle verbirgt; er fand aber hierfür
nicht den geringsten Anhaltspunkt. Geschoff behandelte die Angelegen-
heit offensichtlich mit voller Aufrichtigkeit, ohne zu verbergen, daß Bul-
garien vor allem heimliche Anschläge von rumänischer Seite fürchtet.
Unter dem Eindruck seines kürzlichen Besuches in Bukarest bemühte
sich Milowanowitsch, Geschoff zu beruhigen und darauf hinzuweisen,
daß das serbisch-bulgarische Abkommen die beste Garantie auch gegen
Anschläge dieser Mächte sei. Zwecks Berichterstattung über
das oben Dargelegte erschien Milowanowitsch bei mir in Begleitung Pa-
schitschs, welcher als Führer der herrschenden radikalen Partei die vor-
bereitenden Besprechungen des Ministerpräsidenten mit Geschoff gut-
hieß. Die Zusammenkunft dieser beiden ist vollständiges Geheimnis ge-
blieben.
Hartwig.
Nr. 53i.
Der russische Geschäftsträger Obnorski, Cetinje,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.1)
Nr. i45. Cetinje, den i./i4. Oktober 1911.
Nach der vor einigen Tagen erfolgten Rückkehr aus Antivari, berief
mich König Nikolaus ins Schloß und eröffnete mir, daß er nach einer
Woche mit seinen Truppen im Sandschak einrücken werde und daß sich
dann alle Ratschläge von seiten Rußlands erübrigen würden. Ich er-
widerte Seiner Majestät, daß mir diese Erklärung vollkommen unver-
einbar erscheine mit den fortgesetzten Vorstellungen seitens der kaiser-
lichen Regierung über die Notwendigkeit für Montenegro, sich jeder
selbständigen Aktion gegen die Türkei zu enthalten, und besonders im
Hinblick auf die kategorische Versicherung, sich nicht in den türkisch-
italienischen Krieg einmischen zu wollen, die in Abwesenheit des Königs
in dessen Namen der Außenminister Gregowitsch mir gegenüber abge-
geben habe. Ich fügte hinzu, daß ein solcher Schritt auf jeden Fall
eine überaus energische Verurteilung und Ablehnung von seiten aller
Mächte und insonderheit von Rußland erfahren würde. Der König
schwieg eine Minute und sagte mir dann plötzlich, daß er nur gescherzt
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 3i „Kriegsschuldfrage“ a. a. O. S. 797.
habe und Montenegro nichts gegen den Status quo unternehmen werde.
Wie ich später erfahren habe, hat der König am nämlichen Tage eine
gleiche Äußerung auch gegen die Gesandten von Serbien und Bulgarien
getan und auch hier sie nachher als Scherz bezeichnet. In Anbetracht
dessen halte ich es für richtig, das kaiserliche Ministerium von diesem
zum mindestens eigenartigen Anfall von Lustigkeit des montenegrinischen
Herrschers in Kenntnis zu setzen. Der König ist heute in Begleitung
des Ministerpräsidenten, des Kriegsministers, des Generals Martinowitsch
und einer großen Suite nach Grachow abgereist, von wo aus er nach
Nikschitsch weiterreist.
Obnorski.
Nr. 532.
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow,
Petersburg^ an den russischen Gesandten in Sofia.x)
Nr. i48g. Petersburg, den a./i5. Oktober 1911.
Telegramm Nr. 71. Mitgeteilt nach Paris, London, Berlin, Wien, Kon-
stantinopel, Rom.
Wollen Sie Herrn Geschow vertraulich folgendes sagen.
Betreffs seines Schrittes bei den Großmächten, bezüglich zu verlangen-
der Garantien seitens der Türkei, daß auch ihre Versicherungen aufrich-
tig sind, werden wir mit den anderen Kabinetten in einen Meinungsaus-
tausch treten.
Im gegenwärtigen Augenblicke können wir jedoch bereits die Über-
zeugung aussprechen, daß die Türkei nicht daran denkt, Bulgarien anzu-
greifen. Denn sie hätte davon selbst im Falle eines militärischen Erfolges
gar keinen Vorteil, da ihr das entscheidende Wort darüber nicht zustehen
würde. Deshalb warnen wir die bulgarische Regierung, sich nicht zu
sehr vom Gedanken leiten zu lassen, mit Rücksicht auf die Möglichkeit
eines etwaigen türkischen Überfalles und im Glauben an das Vorteil-
hafte einer solchen Handlungsweise, als erste mit den Kriegsoperationen
gegen die Türkei zu beginnen. Sollte eine solche Neigung in bulgarischen
Kreisen bestehen, so muß die Frage aufgeworfen werden, ob denn auch
Bulgarien in einem solchen Falle einer Rückendeckung sicher ist und ob
bereits ein diesbezügliches Einvernehmen mit Serbien besteht, welches im
Falle einer militärischen Aktion nach dem Süden sich zweifellos einem
Angriffe seitens Österreich-Ungarns ausgesetzt sehen würde. Eine nicht
genügend überlegte Aktion Bulgariens würde, indem sie Unruhen in
Mazedonien, Albanien und allgemeine Verwicklungen unter den ver-
schiedenen lokalen Elementen der verschiedenen Stämme herbeiführt, * 42
1) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 3i.
l42
unabwendbar zur Wiederbesetzung des Sandschaks seitens Österreichs
führen sowie zur Besetzung weiterer Bezirke durch die österreichische
Armee, was letzten Endes ein Zusammentreffen Bulgariens mit Öster-
reich-Ungarn bedeuten würde* was für die zukünftige Entwicklung Bul-
gariens äußerst gefährlich wäre.
All das Angeführte veranlaßt uns unsere Ratschläge zur Ruhe fort-
zusetzen in der Überzeugung, daß Bulgarien nur auf Grund der Fort-
setzung der auf sich übernommenen planmäßigen Hand-
lungsweise Gewinn ziehen wird, eine Handlungsweise, die in vollem
Maße ihre grundlegenden nationalen Interessen, sogar auch bezüglich
der mazedonischen Frage, sichert. Neratow.
Nr. 533.
Der stellvertretende Minister des Äußern, Neratow,
Petersburg, an den russischen Gesandten Nekljudow
in Sofia. *)
Nr. 1492. St. Petersburg, den a./i5. Oktober 1911.
Mit Rücksicht auf die kritische Wendung, welche die Zustände in
Bulgarien zu nehmen drohen, ist es sehr wichtig, auf ganz zuverlässige
Weise festzustellen, welche Eindrücke Geschow aus Wien mitgenommen
hat. Er ist dort länger geblieben, als ursprünglich geplant war, und ist
auf dem Rückwege der versprochenen Zusammenkunft mit Milowano-
witsch aus dem Wege gegangen. Es ist daher wohl angebracht, sich zu
fragen, ob nicht Österreich aus egoistischen Motiven Bulgarien zu einem
aktiven Eingreifen treibt, um dann den Sandschak zu besetzen und Ser-
bien zu vernichten. Geruhen Sie bitte diese Eindrücke genau in Er-
fahrung zu bringen, da wir davon unser weiteres Verhalten in dieser Frage
abhängig machen müssen. Neratow,
Nr. 534.
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow,
Petersburg, an den russischen Botschafter Swerbejew
in Berlin.*)
Nr. i499- St. Petersburg, den 2./i5. Oktober 1911.
Nach verschiedenen Anzeichen ist die Möglichkeit einer Übereinstim-
mung des Verlangens Bulgariens einer Garantie seitens der Mächte mit
den aktiven Plänen Österreich-Ungarns auf dem Balkan nicht ausge-
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 32.
2) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 33.
i43
schlossen. Es wäre daher sehr wünschenswert, die Absichten des Wiener
Kabinetts zu erläutern. In dieser Beziehung halte ich Berlin für ge-
eignet, da man dort im Prinzip weder mit der aggressiven Politik Aehren-
thals, noch mit der Möglichkeit einer stärkeren Einmischung in die tür-
kischen Angelegenheiten sympathisiert. Die Erklärungen in diesem Sinne
könnte man in eine nicht offizielle Form kleiden, als rein persönlich
Ihrer Initiative entsprungen und daher ohne Erwähnung der Instruk-
tionen aus Petersburg. Über das Ergebnis ersuche ich um telegraphische
Nachricht. N e r a t o w.
Nr. 535.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.1)
Nr. 80. Sofia, den 11./24. Oktober 1911.
Nr. 1. Während einer dreistündigen nächtlichen Zusammenkunft im
Eisenbahnwagen haben Geschow und Milowanowitsch einen freund-
schaftlichen Meinungsaustausch über das serbisch-bulgarische Bündnis
gehabt. Geschow legte nach dem Diktate Milowanowitschs die von
den Serben vorgeschlagenen Grundlinien des Bündnisses schriftlich
nieder. Einer der Artikel sieht die Möglichkeit offen-
siver Maßnahmen in Mazedonien und Alt-Serbien vor. Die-
ser Artikel gefällt weder Geschow noch seinen Kollegen, weil sie noch
nicht jede Hoffnung auf das Bestehen gut-nachbarlicher Beziehungen
zur Türkei aufgegeben haben und mit der Möglichkeit einer weitgehen-
den Autonomie für Mazedonien und Alt-Serbien rechnen. Ich stimmte
dieser Auffassung zu und schlug Geschow als Ausdruck meiner ganz
persönlichen Meinung einen anderen Text vor, der ihm auf den ersten
Blick gefiel, über den er aber noch zur Zeit nachdenkt. Beide Texte be-
finden sich im dritten Telegramm. Geruhen Sie mir Ihre Ansicht über
dieselben mitzuteilen. Geschow ist über seinen Vortrag beim König Fer-
dinand vom Sonnabend sehr zufrieden. Der König hat alle Schritte
für das Zustandekommen der Verständigung mit Serbien gebilligt und
dem Kabinett volle Handlungsfreiheit bei der Textierung der Grund-
linien des Bündnisses erteilt. Im Gegensätze zu meiner Annahme ver-
binden die Bulgaren bis jetzt die Frage des Bündnisses mit Serbien nicht
mit der Frage einer Rückendeckung gegen Rumänien durch uns, doch
hat sich Geschow nachdrücklich zweimal dahin geäußert, daß die Bul-
garen das Bündnis nur abschließen werden, wenn Rußland allen Ver-
tragsartikeln zustimmt und wenn ihm der Wortlaut von beiden Teilen
zugesandt wird. Nekljudow.
x) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 38.
Nr, 536.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.1)
Nr. 82 1 2 3). Sofia, den 11./24. Oktober 1911.
Die von Milowanowitsch vorgeschlagenen Grundlinien des Überein-
kommens sind: 1. Ein Defensivbündnis ohne Einschränkungen gegen
jeden Angreifer Bulgariens oder Serbiens. 2. Ein Defensivbündnis gegen
jeden, der die Hand nach Mazedonien, Altserbien oder den nördlichen
Teil Albaniens ausstreckt. 3. Ein Offensivbündnis: I. zum Zwecke
der Befreiung Mazedoniens und Ältserbiens bei einem nach Ansicht
beider vertragschließenden Teile geeigneten Umstande; II. zum Zwecke
der Einstellung der Anarchie oder der Metzeleien in Provinzen, wo beide
Teile oder der eine Teil von ihnen seine Interessen verletzt sieht.
Die von Nekljudow vorgeschlagenen Grundlagen des Bündnisses lau-
ten: Serbien und Bulgarien schließen ein enges Bündnis zum Zwecke:
1. einer gegenseitigen Verteidigung der beiden Staaten gegen jeden Staat,
der sie angreift; 2. Erhaltung des Status quo in den an die beiden Staa-
ten grenzenden türkischen Provinzen gegen Versuche, diesen Status quo
durch Territorialerwerb oder durch andere Mittel zu verletzen; 3. Schutz
der Lebensinteressen der Nationalitäten in den erwähnten türkischen Pro-
vinzen durch von einem der vertragschließenden Teile zu ergreifende
Maßnahmen, welche vollkommen dem Grade der Gefahr, welche die
Lebensinteressen der betreffenden Nationalität bedroht, entsprechen
müssen.
Beide vertragsschließenden Teile werden sich glücklich schätzen, wenn
diesem Bündnisse auch die übrigen Balkanstaaten beitreten. —
Nekl j udotw.
Nr. 537.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg. *)
Nr. 83. Sofia, den I2./2Ö. Oktober 1911.
Endlich hat der österreichische Gesandte die Instruktion bezüglich der
mündlichen Erklärung, deren Formel Sie in ihrem Telegramm vom
6. Oktober angegeben haben, erhalten. Der englische Gesandte hat jedoch
noch keine diesbezüglichen Instruktionen bekommen. Die abzugebende
1) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 39.
2) Übersetzung aus dem Französischen.
3) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 4o.
10 Boghitschewitsch Serbien II.
*45
Erklärung, welche ohnedies bereits zu spät erfolgen wird, ist für Ge-
schow, den die Opposition wegen seines Schrittes bei den Großmächten,
den sie als erniedrigend und obendrein wirkungslos betrachtet, heftig
anklagt, sehr wünschenswert. Inzwischen wird die Sobranje am Sams-
tag eröffnet und für Geschow wäre es sehr wichtig, diese ganze oppo-
sitionelle Intrige zu zerstreuen, Im gegenwärtigen Augenblicke müssen
wir auf jede Art das Kabinett Geschow unterstützen. Deswegen bitte
ich dringend um die Erlaubnis, die Erklärung bis Samstag abgeben zu
dürfen, einem Schritte, dem sich, wie ich in Erfahrung gebracht habe,
die drei anderen Gesandten gerne anschließen werden. Ich weiß auch,
daß die englische Verzögerung nicht auf besonderen Erwägungen des
englischen Kabinettes oder seines hiesigen Vertreters beruht. Meine aus-
gezeichneten Beziehungen zu dem letzteren bieten dafür eine Garantie,
daß kein Mißverständnis daraus entstehen wird.
Nekljudolw.
Nr. 538.
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow,
Petersburg, an den russischen Gesandten Nekljudow
in Sofia.x)
Nr. i632. Petersburg, den 17./30. Oktober 1911.
Die Nummern 80, 81, 82 erhalten.
Bevor ich dem Inhalte nach zu einem abschließenden Urteile gelange,
möchte ich die Einwendungen Geschows bezüglich ihres Textes wissen,
von deren Möglichkeit Sie Erwähnung tun. Persönlich bin ich der An-
sicht, daß es für uns besser wäre, von eigenen bestimmten Stipulierungjen
des Vertrages abzusehen, indem wir die Formulierung selbst ausschließ-
lich den vertragschließenden Teilen überlassen.
Was nun die Details betrifft und in Anbetracht der wünschenswerten
Möglichkeit, auch die Türkei und die übrigen Staaten einzubeziehen,
würde ich vorschlagen bezüglich des Artikels 2 anstatt der Worte, „in
den Provinzen, die an die beiden Länder grenzen“ allgemeiner gefaßt nur
die Worte, „an den Grenzen“ zu gebrauchen.
Bezüglich des dritten Punktes hege ich die Befürchtung, daß der Aus-
druck ,„Lebensinteressen“ sehr leicht beiden Teilen Veranlassung geben
wird zu Meinungsverschiedenheit, die für die ganze Sache nur schäd-
lich sein können. Neratow,
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 4o.
i46
Nr. 53g.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.x)
Nr. 171.
_ . , , 20. Oktober
Belgrad, den —=r=----=— iqii.
D 2. November v
Der serbische Gesandte in Konstantinopel teilt mit, daß der russische
Botschafter nachdrücklichst rät, daß Serbien durch irgendeinen kon-
kreten Schritt seinen guten Willen beweisen möge, zu einem Über-
einkommen mit der Türkei zu gelangen, um die allgemeinen Interessen
der Balkanstaaten zu wahren. In den hiesigen Kreisen hat dies einige
Verwirrung verursacht. Die serbische Regierung hat nämlich in den
letzten Jahren nicht wenige Beweise ihrer aufrichtigen Freundschaft der
Türkei gegenüber gegeben, sowie ihrer Bereitwilligkeit, gut-nachbarliche
Beziehungen zu unterhalten, ohne aber im Gegensätze dazu die geringste
Neigung seitens der Türkei zu bemerken, etwas zum Schutze der serbi-
schen Bevölkerung in den Gebieten ihres Reiches zu tun. Indem die ser-
bische Regierung, auf den Hinweis der kaiserlichen Regierung hin, den
festen Entschluß gefaßt hat, auch weiterhin dieselben freundlichen Be-
ziehungen zur Türkei zu unterhalten, halten es die Serben kaum für zeit-
gemäß in Konstantinopel irgendwelche Bündnisanträge zu machen, wo
man die Bedeutung einer engeren Annäherung an die Slawen nicht be-
greifen will. Was mich betrifft, so kann ich diesem Stand-
punkte der serbischen Regierung nur beistimmen. Seitens
der Türkei und nicht seitens Serbiens müßten vollkommen klare und
aufrichtige Schritte zwecks einer Annäherung erfolgen. Ein durch
nichts veranlaßter serbischer Schritt würde bei den Türken mit Über-
hebung, in der Absicht geschehen, sich einschmeicheln zu wollen, auf-
genommen werden. Außerdem bin ich der Ansicht, daß der von
Tscharikow der serbischen Regierung so nachdrücklich vorgeschlagene
Schritt in Sofia Mißtrauen erregen und unbedingt eine schädliche Wir-
kung auf die serbisch-bulgarische Annäherung, die für die Slawen und
für Rußland viel wichtiger ist, als ein sehr problematischer Balkanbund
mit den Jungtürken an der Spitze, die ihren Mangel an Weitsichtigkeit
bewiesen haben, ausüben würde.
Hartwig. *)
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 4a.
147
Nr. 54o.
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow,
Petersburg, an den russischen Gesandten Hartwig in
Belgrad.1)
Nr. i694. Petersburg, den i9h.
Mit Rücksicht auf die in der Presse verbreiteten Behauptungen von
einem Drucke Rußlands im Sinne der Bildung eines Balkanbundes unter
Mitbeteiligung der Türkei, halte ich es für die Pflicht zu erklären, daß
das Prinzip der gegenseitigen Annäherung der Balkanvölker von uns
nach wie vor für richtig angesehen wird. Was die Modalitäten selbst
betrifft, so überlasse ich eine endgültige Formulierung der Initiative
der sich zu Verabredenden. Ich meine, daß dieselbe den Gedanken nicht
ausschließt, daß auch die Türkei zu einem solchen Übereinkommen zu-
gezogen werden kann.
In diesem Sinne sprechen wir uns auch in Sofia aus.
Neratow.
Nr. 54i.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg. *)
Nr. 172.
Belgrad, den
22. Oktober
4. November I^11
Streng vertraulich.
Bald nach der Rückkehr des Königs Ferdinand wandte sich Geschow
zweimal an den serbischen Gesandten in Sofia mit der Erklärung, daß
die möglichst schnelle Inangriffnahme der Verhandlungen über das
projektierte serbisch-bulgarische Abkommen wünschenswert sei. Nach
Kenntnisnahme berief Milowanowitsch sofort Spalaikowitsch. Nach ein-
gehender Prüfung der Sachlage mit Paschitsch und anderen Politikern
händigte Milowanowitsch dem gestern nach Sofia zurückgekehrten Spa-
laikowitsch den ersten Entwurf des geplanten Abkommens, welcher als
Ausgangspunkt der Verhandlungen mit der bulgarischen Regierung
diente, aus. Bei der vertraulichen Mitteilung des Inhalts des Entwurfes
bat Milowanowitsch inständig um strengste Geheimhaltung. Der Inhalt
ist in großen Zügen folgender: Nach der üblichen Einleitung von der
die Könige Peter und Ferdinand bewegenden gegenseitigen Freundschaft
folgen die elf projektierten Artikel in nachstehender Reihenfolge:
1) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 43.
2) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 43 ff.
i48
Art. i. Im Falle dem Gebiete einer der vertragschließenden Parteien
der Angriff irgendeiner dritten Macht droht, verpflichtet sich die andere
Partei unverzüglich und ohne alle Vorbehalte, dem Bundesgenossen mit
allen ihr zur Verfügung stehenden militärischen Kräften zu Hilfe zu
kommen.
Art. 2. Im Falle eine der europäischen Mächte (um nicht zu sagen
Österreich), die offenkundige Absicht an den Tag legt, einen Teil des
Balkanterritoriums sich anzueignen oder zu okkupieren, sei es auch nur
zeitweise, und diese ihre Aktion von einer der vertragsschließenden Par-
teien als hinreichender Anlaß zur Eröffnung der Feindseligkeiten —
casus belli — angesehen wird, so ist die andere Partei, wie in Art. i,
verpflichtet, dem Bundesgenossen mit ihrer Kriegsmacht zu helfen.
Art. 3. Wenn eine der Parteien die Lage auf dem Balkan
zur Verwirklichung der nationalen Aufgaben als günstig
ansieht, so ist sie gehalten, sich vor Beginn der Aktion
mit der anderen Partei ins Benehmen zu setzen. Kommt eine
Einigung nicht zustande, so wird die Angelegenheit dem Schiedssprüche
Rußlands unterbreitet, dessen positive oder negative Entscheidung für
beide Teile bindend ist. Wenn Rußland es ablehnt, eine klare Entschei-
dung zu treffen, so kann die widerstrebende Partei die Aktion auf eigenes
Risiko beginnen, doch ist die andere verpflichtet, wohlwollende Neutrali-
tät zu wahren, die Armee zu mobilisieren, und im Falle die Türkei Unter-
stützung seitens einer dritten Macht erfährt, zur Hilfeleistung bereit zu
sein. Die Hilfeleistung des Bundesgenossen ist aber obligatorisch, wenn
eine der Parteien infolge von Massenmetzeleien oder Ausbruch des Fana-
tismus und der Revolution in den Serbien und Bulgarien benachbarten
Provinzen gezwungen ist, der Türkei den Krieg zu erklären.
Art. 4* In allen oben genannten Fällen sind die von den Bundes-
genossen eroberten Gebiete zeitweilig als gemeinsamer Besitz anzusehen;
Serbien verzichtet aber im voraus zugunsten Bulgariens auf das Wilajct
von Adrianopel und Teile von Kossowo südlich der Schar-Planina; Bul-
garien seinerseits überantwortet Serbien das Wilajet von Skutari und
Kossowo nördlich der Schar-Planina. Hinsichtlich der Teilung der Wila-
jets von Bitolj und Skutari werden die vertragschließenden Parteien
den gnädigen Schiedsspruch des Zaren erbitten.
Art. 5. sieht den Abschluß einer Militärkonvention vor, die als ein
integrierender Bestandteil des Abkommens zum 3i. Januar 1912 aus-
gearbeitet sein muß.
Art. 6. Das Abkommen bleibt in Kraft bis zum 3i. Dezember 1916
mit den üblichen Vorbehalten über Aufhebung und Fortdauer.
Art. 7. Das Abkommen wird in zwei Exemplaren in serbischer und
bulgarischer Sprache durch die Unterschrift der beiden Monarchen be-
stätigt und von den Außenministern gegengezeichnet; für die Militär-
konvention kommen die Unterschriften besonderer Militärbevollmächtig-
ter dazu.
Art. 8. Ein drittes Exemplar des Abkommens und der Militärkonven-
tion wird mit einer französischen Übersetzung der kaiserlichen Regierung
zur geneigten Kenntnisnahme überreicht mit der Bitte, die Allerhöchste
Genehmigung zur Bestätigung des Art. 4 zu erwirken.
Art. 9. Beide Teile genehmigen nach vorhergehender Rücksprache den
zukünftigen Anschluß zweier Staaten an das vorliegende Abkommen,
und zwar Montenegros und Griechenlands.
Art. 10. Die Bekanntgabe der genannten Konvention ist nur nach
der von jeder der beiden Parteien eingeholten Genehmigung Rußlands
zulässig.
Art. 11. Alle Meinungsverschiedenheiten über den Wortlaut und Sinn
des vorliegenden Abkommens werden dem Schiedsspruch Rußlands
unterbreitet.
Ich erlaube mir zu bemerken, daß das im Vorstehenden skizzierte
Projekt des Abkommens zu Bedenken wohl kaum Anlaß gibt,
besonders, wenn man in Betracht zieht, daß das nach Art. 3 zulässige
aktive Vorgehen bei einer den Slawen günstigen Konstellation, deren Ein-
treten bei dem von innen heraus sich vorbereitenden Zerfall der Türkei
vorauszusehen ist, durch den bei der kaiserlichen Regierung obligatorisch
einzuholenden Rat eine genügende Einschränkung erfährt.
Hartwig.
Nr. 542.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg. *)
„ , 23. Oktober
Nr. 63. Belgrad, den 5 November I911,
„Was die slawischen Staaten anbetrifft, so verhalten die sich, wie man
zugeben muß, ziemlich gleichgültig zu allen periodisch auftauchenden
Gerüchten von der sich vorbereitenden und angeblich schon eine kon-
krete Form annehmenden Balkanföderation; die leidenschaftliche Agi-
tation für die gewaltige Bedeutung eines Bündnisses mit der Türkei für
die Slawen erscheint ihnen wenig überzeugend, wenn sie auch selbst-
verständlich unter gewissen Voraussetzungen, besonders unter dem Druck
von seiten Rußlands, diesem Kurs keinen Widerstand entgegensetzen
werden. Aber keineswegs aus dem Grunde, weil sie sich von der An-
näherung an die Türkei wer weiß was für Vorteile versprechen, sondern
einzig und allein in der Überlegung, daß sie dadurch eine Atempause
*) Krasany Archiv Tom. VIII, S. 45 ff.
i5o
in den auf dem Balkan chronisch entstehenden Unruhen erreichen, Zeit
gewinnen, um dann nach Sammlung ihrer Kräfte von innen heraus zu
gegebener Zeit die endgültige Abrechnung mit ihrem Erb-
feind zu halten. Einen anderen Standpunkt zu der Konföderation
können die Slawen nicht einnehmen. Nicht an uns ist es, ihnen das zum
Vorwurf zu machen; denn meines Erachtens nach kann auch Rußland
die erwähnte politische Kombination nicht anders beurteilen.
In der Tat, worin besteht denn der geheime Sinn und die Bedeutung
der Politik Rußlands im Nahen Orient? Meiner Ansicht nach verfolgt
sie zwei klare, vollkommen bestimmte Endziele:
1. Erreichung der überkommenen Ideale für die von
ihr zum selbständigen Leben erweckten slawischen Völ-
kerschaften, was die entsprechende Aufteilung des gesamten türki-
schen Besitzes auf der Balkanhalbinsel unter diese Völkerschaften zur
Voraussetzung hat, und
2. Verwirklichung auch der eigenen Jahrhunderte alten historischen
Aufgabe: Festen Fuß zu fassen an den Ufern des Bosporus,
dem Eingangstor des „Russischen Sees“.
Es fragt sich nun, ob man in Anbetracht der genannten Aufgaben
Rußlands und der slawischen Staaten im Nahen Orient die Balkanföde-
ration unter Führung der Türkei als ein stabiles lebendiges politisches
System, das die Interessen ihrer Glieder vollständig sicherstellt, ansehen
kann — augenscheinlich nicht. Man kann in ihr nur eine temporäre,
abwartenden Charakter tragende Kombination sehen, deren Zulässig-
keit nur aus der Unmöglichkeit für Rußland und die Slawen resultiert,
gegenwärtig das zu erreichen, was sie später oder früher
unbedingt doch erreichen müssen. In einer völlig anderen Lage
befindet sich die Türkei. Für sie und nur für sie bedeutet die Föderation
einzig und allein Vorteile, so sonderbar das auch nach dem Obengesagten
auf den ersten Blick erscheint. Ja, die Balkanföderation ist für die Tür-
kei vorteilhaft, erstens, weil sie dadurch die Liquidation ihrer europäi-
schen Besitzungen in weite Feme rückt, und zweitens, und das ist die
Hauptsache, weil sie, indem durch das Bündnis mit den Slawen von dem
der Status quo auf dem Balkan sichergestellt und auf diese Weise die
wohlwollende Neutralität Rußlands gewonnen wird, imstande ist, frei über
ihre Streitkräfte zu verfügen, um andere Teile ihres Reiches gegen räu-
berische Zugriffe angeblicher Freunde und Beschützer der Jungen Tür-
kei zu verteidigen. Unglücklicherweise oder vielmehr zum
Glück hat man das in Konstantinopel niemals verstehen
wollen. Alle Anregungen und Zureden, mit den Balkanstaaten ein
Bündnis abzuschließen, haben die Jungtürken mit einem zweideutigen
Spiel beantwortet. Die Konföderation in ihrer Hand würde zu einer
Art „Diversion“, zu einer Kriegslist im Augenblick der Gefahr dienen.
Sie würden sich, um Europa zu schrecken, den Anschein geben, als ob
sie schon ganz bereit seien, jeden Augenblick die Föderation zu bil-
den und ...nach Abwendung der Gefahr sich offen zu den Feinden
Rußlands und des Slawentums stellen. So verfuhren die Jungtürken
während der Annexionskrisis, zur Zeit der Zuspitzung der albanischen
Bewegung; so verfahren sie augenscheinlich auch jetzt nach Beendigung
der Tripolisschwierigkeiten. Aus diesen Gründen gestatte ich mir, die
Balkanföderation mit der Türkei an der Spitze als eine überaus
problematische Kombination zu bezeichnen, mit der man
bis zu einem gewissen Grade natürlich sympathisieren kann, an deren
Verwirklichung man aber nicht glauben kann, solange im türkischen
Reich die jungtürkischen Komitees herrschen.
Mit diesem Gesichtspunkt wird unser Botschafter in Konstantinopel
wohl kaum einverstanden sein, schreibt ihm doch fast die ganze euro-
päische Presse — mit wie viel Recht, weiß ich nicht — eine sehr aktive
Rolle zu, um die Türken einem Bündnis mit den Balkanstaaten geneigt
zu machen. Es fragt sich nur, wie Hofmeister Tscharykow seine Sym-
pathie gegenüber der Konföderation mit den Ansichten in Einklang
bringt, die er in den durch den letzten Kurier in meine Hände gelangten
Depeschen ausspricht? So vergleicht unser Botschafter im Telegramm
vom 17. Oktober Nr. 95 das türkische Reich mit einem „verfaulten
Hause“, das auch die nach den Kriegsberichten keineswegs sehr starken
italienischen Schläge umwerfen können. Weiter sagt Hofmeister Tscha-
rykow in Nr. 94 vom selben Datum, daß die Schwächung der Türkei
durch fremde Hände für die russischen Interessen „gar nicht unschäd-
lich“ ist.
Sowohl die eine wie die andere Behauptung erschüttert doch von
Grund aus die Bedeutung und den Nutzen des so hartnäckig propagierten
Systems einer Annäherung zwischen der Türkei und den slawischen
Staaten. Und tatsächlich, welches Ziel, welchen Nutzen kann die Bil-
dung dieser Föderation haben, wenn sie auf einem solchen, schon bei
der kleinsten Berührung zusammenbrechenden Fundament auf gebaut
wird? Und welchen Vorteil haben wir ferner davon, die Türkei durch
slawische Bündnisse zu stärken, wo doch im Gegenteil ihre Schwächung
für uns nicht schädlich ist? Es lohnt sich, über diese Fragen ernstlich!
nachzudenken; besonders, wenn man berücksichtigt, daß nach den Wor-
ten des Hofmeisters Tscharykow die türkische Presse (und wohl nicht
nur diese allein) bestrebt ist, die Schuld an dem gegenwärtigen Elend
auf Rußland abzuwälzen, und daß bei der augenblicklichen Stimmung
der türkischen Muselmänner irgendein nichtiger Anlaß genügen würde,
um der angesammelten und ohnmächtigen Erbitterung gegen Italien
und Deutschland die Richtung gegen Rußland, den einzigen Nachbar
der Türkei aus der Zahl der Großmächte zu geben.
Ja, das ist so die jungtürkische Logik! Eine der Dreibundmächte hat
rieh vor gar nicht so langer Zeit selbstherrlich zwei türkische Provinzen
1S2
im Nahen Orient angeeignet und die schnell mit diesem Verlust ver-
söhnte Türkei dokumentiert ihren Ärger und Zorn gegen Rußland durch
den offenen Übergang in das Lager seiner Feinde. Nunmehr raubt eine
andere Macht dieses Bundes unter schweigender Zustimmung des dritten
Bundesgenossen am hellichten Tage der Türkei ihre afrikanischen Be-
sitzungen, und diese zögert nicht, wiederum Rußland dafür verant-
wortlich zu machen und droht sogar damit, gegen dasselbe den moham-
medanischen Fanatismus zu entfachen!
Und bei dieser Perspektive fordert man von Rußland eine wohlwol-
lende Schirmherrschaft bei der Bildung der Balkanföderation. Und
dabei merkt man nichts, daß die Türken irgendwelche offenen, ent-
schlossenen Schritte in dieser Richtung unternehmen. Nach Zeitungs-
nachrichten und Telegrammen wurde in türkischen Regierungskreisen
dunkel von irgendwelchen neuen Bündnissen gemunkelt, während gleich-
zeitig die mohammedanische Geistlichkeit den Heiligen Krieg gegen
Rußland und die Ausrottung der Giauren — Untertanen des Sultans —
predigt.
Aber wie es auch sein mag, wenn hohe politische Überlegungen die
Annäherung der slawischen Staaten an die Türkei wünschenswert er-
scheinen lassen, so — ich wiederhole es — werden sich die Serben
dem nicht widersetzen. Aber, wie ich bereits die Ehre hatte zu
telegraphieren, hält die königliche Regierung es für überaus gefährlich,
gegenwärtig mit irgendwelchen Bündnisvorschlägen an die Türkei heran-
zutreten, wie das Hofmeister Tscharykow dem serbischen Gesandten in
Konstantinopel geraten hat.
Bei dem offensichtlich ablehnenden Verhalten der Bulgaren gegenüber
der projektierten Konföderation würde jeder Fühler der Serben in
Byzanz das Mißtrauen Sofias wachrufen und der Sache des serbisch-
bulgarischen Abkommens schaden, was doch seiner politischen Bedeutung
nach berufen ist, eine neue Epoche in der Geschichte des
Slawentums einzuleiten. Hartwig.
Nr. 543.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.1)
Nr. 86.
Sofia, den
24. Oktober
6. November
I911*
Die Telegramme Nr. i632 und 1688 habe ich erhalten.
In Ausführung Ihrer Instruktion ist es mir ohne besondere Mühe ge-
lungen, Geschow und durch ihn auch die übrigen Kabinettsmitglieder
*) Krassny Archiv Tom. IX, S. 3.
i53
von der unbedingten Notwendigkeit, die Verständigung mit Serbien in
ein enges, auf die Erhaltung des Status quo gerichtetes Defensivbündnis
zu fassen, zu überzeugen. Diesem Bündnis könnte sich zudem Griechen-
land. leicht anschließen. Gleichzeitig brachte Spalaikowitsch aus Bel-
grad das ganze Projekt des Bündnisvertrages mit, dessen Art. 3 ein-
gehend den Angriffskrieg gegen die Türkei vorsieht und
regelt, während Art. 4 die Teilung der eroberten türkischen Provinzen
zum Gegenstand hat. Spalaikowitsch teilte mir das ganze Projekt „in
extenso“ mit; mit der nächsten Sendung werde ich Ihnen Auszüge zu-
gehen lassen. Ich erklärte Spalaikowitsch kategorisch, daß Rußland von
irgendwelchen Angriffsaktionen oder Aufteilungsplänen der Türkei auch
nichts hören will und daß das Bündnis zwischen Serbien und Bulgarien
ein rein defensives und auf die Erhaltung des Status quo gerichtetes
sein muß. Ich brachte dies auch Geschow gegenüber zum Ausdruck, der
übrigens mit mir vollkommen einverstanden war. Spalaikowitsch persön-
lich schenkte meinen Ausführungen willig Gehör und verhieß, Belgrad
um ein neues, unseren Wünschen entsprechendes Projekt anzugehen.
Nekl j udow.
Nr. 544.
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow,
Petersburg, an den russischen Gesandten Hartwig in
Belgrad.*)
Nr. i747. St.Petersburg,
Wird nach Sofia mitgeteilt. Ihr Telegramm Nr. 172 erhalten. Die
Balkanstaaten müssen in Anbetracht des von der westeuropäischen Presse
wegen der Gerüchte über die Balkanföderation erhobenen Lärms außer-
ordentlich vorsichtig in ihren gegenseitigen Beziehungen und Unter-
redungen sein. Das von Ihnen mitgeteilte Projekt des serbisch-bulgari-
schen Vertrages bedarf hinsichtlich des Inhaltes und besonders der Form
einige Abänderungen. Ganz abgesehen davon, daß der Art.3 Serbien und
Bulgarien ungleiche Rollen zuteilt, indem man vom ersteren schwer ein
selbständiges Hervortreten erwarten kann, basiert die ganze Redaktion
des Vertrages, besonders Art. 4 auf der Idee kriegerischer Aktionen und
gewaltsamer Aneignungen, während doch derselbe Gedanke in Form
von Abgrenzung der kulturellen Einflußsphären ausgedrückt werden
könnte, was nicht direkt gegen die Türkei gerichtet erscheinen und sich
mit der Formel von der Erhaltung des Status quo vollauf decken würde.
*) Krassny Archiv Tora. IX, S. 3.
In diesem Sinne sind auch an Nekljudow Weisungen ergangen, die
nach seiner Mitteilung, sowohl bei Geschow wie auch bei Spalaikowitsch
Widerhall gefunden haben.
Neratow.
Nr. 545.
¡1* Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.*)
Nr. 179. Belgrad, den 1./14. November 1911.
Nach allen vorhandenen positiven Unterlagen beabsichtigen weder
Serbien noch Bulgarien das Abkommen speziell zu aggres-
siven Zwecken anzuwenden. (?1) Bei den persönlichen Unter-
redungen Geschows mit Milowanowitsch stellte sich heraus, daß beide
Staaten ihre Aufgabe vor allem in der Erhaltung des gegenwärtigen Zu-
standes und in dem gegenseitigen Schutz ihres Besitzes gegen Angriffe
von außen sehen; nur bei einer von der gesamten europäischen Presse
für möglich gehaltenen Zuspitzung der Dinge auf dem Balkan ist ein
aktives Hervortreten zulässig und auch nur mit Einwilligung und
Billigung von seiten Rußlands. Ich erlaube mir darauf hinzuweisen,
daß ein solcher von Rußland gebilligter Vorbehalt der beiden Staaten
auch für uns wichtig ist, damit die Staaten, von den Ereignissen
wie im Jahre 1908 überrascht, sich durch ihre Politik nicht gegen-
seitig Abbruch tun. Das Telegramm Ew. Exzellenz ist vor Empfang
meiner Depesche Nr. 64 abgegangen, in welchem die vorgenommene
Änderung des Art. 3 mitgeteilt wurde, und zwar in dem Sinne, daß
die Festsetzung der Aktionsfälle voll und ganz Rußland überlassen
bleibt. Ich bemerke noch, daß ich am Anfang des Art. 3 eine wichtige
Einschränkung ausgelassen habe: „Wenn gegen den Willen der Parteien
der Status quo auf dem Balkan zu ihrem Schaden gestört wird, wenn
eine der Parteien . . .“, welcher Satz gerade auf das Streben der Par-
teien den Status quo bis zur äußersten Möglichkeit aufrechtzuerhalten
hinweist. Der mit dem vorhergehenden in enger Verbindung stehende
Art. 4 regelt die Verteilung der Eroberungen, die gegen den Willen beider
Parteien durch die im Art. 3 vorgesehenen besonderen Umstände hervor-
gerufen werden. Als Grundlage für die Angrenzung der Sphären dienen
die kulturellen, wirtschaftlichen und nationalen Aufgaben. Wenn man
überhaupt die Frage vom örtlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, so halte
ich es für meine Pflicht, die Überzeugung auszusprechen, daß die Elimi-
nierung des Artikels über die gegenseitige Hilfe bei besonderen Um-
ständen das Abkommen in den Augen der beiden Staaten wertlos macht;
*) Krassny Archiv Tom. IX, S. 4-
sie werden dann wieder eine feindliche Haltung gegeneinander einneh-
men und dadurch der von außen kommenden unterirdischen Agitation
gegen die slawischen und folglich auch die russischen Interessen ein
weites Feld eröffnen . . .1).
Nr. 546.
Der russische Botschafter in Paris
an den stellvertretenden russischen Außenminister.* 2)
Nr. 78. Paris, den 8./21. November 1911.
Vorigen Donnerstag ist der König von Serbien in Paris eingetroffm,
um dem Präsidenten der französischen Republik einen offiziellen Besuch
abzustatten.
Bekanntlich sollte die Reise König Peters bereits im letzten Frühjahr
stattfinden, mußte aber, obwohl Seine Majestät sich bereits unterwegs
befand, wegen des Unfalls des Kriegsministers M. Berteaux auf dem
Flugplätze verschoben werden.
Der Empfang, der dem König in Frankreich zuteil wurde, zeichnete
sich nicht nur durch die bei Empfängen fremder Souveräne übliche rein
offizielle Feierlichkeit aus; die Presse wie auch die öffentliche Meinung
verliehen dem Besuch Seiner Majestät einen besonders herzlichen Cha-
rakter. In diesen letzten Monaten, in denen der französische Patriotismus
infolge ernster auswärtiger Verwicklungen fast täglich harten Proben
unterworfen war, mußte die Ankunft des serbischen Souveräns, der
seine militärische Erziehung in Frankreich genossen, der in der fran-
zösischen Armee gedient hat und 1870 bei der Verteidigung französischen
Bodens verwundet wurde, zweifellos in höchstem Maße dazu beitragen,
Begeisterung und allgemeine Sympathie auszulösen.
Man hatte für Seine Majestät prachtvolle Räume im Palais des Außen-
ministeriums hergerichtet und als ganz besondere Aufmerksamkeit in
seinem Zimmer die Möbel aufgestellt, die den Saal schmückten, in dem
Napoleon I. die Abordnung des Großvaters des Königs, des Begründers
der Dynastie Karageorgewitsch, empfangen hatte.
Das Programm für den Aufenthalt Seiner Majestät, das im voraus
durch ein Protokoll in allen Einzelheiten festgelegt war, enthielt offi-
zielle Besuche beim Präsidenten der Republik und bei den Mitgliedern
der Regierung, Empfang der auswärtigen Vertreter und der serbischen
Kolonie, Diners in den Champs-Elysees und auf der serbischen Gesandt-
schaft, einen Besuch im Rathaus, in der Militärschule von Saint-Car,
wo der König erzogen worden ist, und eine Galavorstellung in der Oper.
*) Eigenhändige Randbemerkung Nikolai II. mit Blaustift: „Im Prinzip hat Hartwig
recht. Diese Frage interessiert mich außerordentlich/'
2) Iswolski. Bd. I. Nr. iÖ7, S. 178.
i56
Bei dem Essen in den Champs-Elysées am Abend der Ankunft des
Königs tauschten Seine Majestät und der Präsident der Republik freund-
schaftliche Toaste aus, deren Text ich Ihnen im Zeitungsausschnitt zu
übersenden die Ehre habe.
Obgleich der König von dem serbischen Außenminister H. Milowano-
witsch begleitet war, liegt keinerlei Grund zu der Annahme vor, daß
die Reise Seiner Majestät besondere politische Zwecke verfolgt habe.
Am Tage seiner Abfahrt von Paris, am letzten Sonntag, wohnte der
König dem Gottesdienst in der russischen Kirche bei, wo er von mir und
den Mitgliedern der Botschaft, sowie vom serbischen Gesandten, Wes-
nitsch, offiziell empfangen wurde.
Iswolski.
Nr. 547.
Der russische Botschafter in Paris
an den stellvertretenden russischen Außenminister, *)
Brief. Paris, den io./23. November 1911.
Während der serbische König hier war, hatte ich eine sehr interessante
Unterredung mit Milowanowitsch. Der Minister begann damit, mich mit
größter Bestimmtheit der friedlichen Absichten Serbiens zu versichern.
Es beabsichtige keineswegs die jetzigen Verwickelungen im nahen Orient
auszunutzen. Andererseits beunruhigten ihn außerordentlich die weit-
gehenden Pläne, mit denen sich Österreich-Ungarn, wie seine Nach-
richten melden, trage. Österreich-Ungarn sei wegen des Widerstandes,
auf den seine Balkanpolitik in Serbien und Bulgarien stoße, entschlossen,
ein großes autonomes albanisches Reich zu verwirklichen. Zu diesem
Zweck verwende es große Summen, um in Europa Sympathien für die
albanische Nationalität zu erwecken, die für eine politische Entwicklung
ungemein befähigt ist. Die künftige Unabhängigkeit Albaniens soll sich
bis zum Wardar erstrecken und einen großen Teil Mazedoniens um-
fassen. Es versteht sich von selbst, daß dieses Reich unter österreichi-
schem Protektorat stehen soll und bestimmt ist, die slawischen Staaten,
d. h. Serbien und Bulgarien zurückzudrängen. Was Montenegro be-
trifft, so meint Milowanowitsch, daß es gewagt sei, Österreich zu folgen.
Der Lohn dafür soll in einem Teil des Sandjak und in einigen albani-
schen Gebieten mit Skutari bestehen. Milowanowitsch versichert, daß man
in Bulgarien endlich begriffen habe, welche Gefahr dem Slawentum von
seiten Österreichs drohe, (?) und daß jetzt die Verhandlungen über eine
serbisch-bulgarische Annäherung weit erfolgreicher fortgeschritten seien
und Aussicht hätten, ans Ziel zu gelangen. Rußland sei über diese Ver-
*) Iswolski. Bd. I. Nr. 161, S. i83.
Handlungen auf das genaueste unterrichtet. Auf meine Frage, welche
Stellung Rumänien einnehmen werde, wenn die serbisch-bulgarischen
Interessen mit den österreichischen zusammenstießen, antwortete Milo-
wanowitsch, er sei überzeugt, daß Rumänien auch keine Ursache habe
zu wünschen, daß Österreich tiefer in den Balkan eindringe. Rumänien
sei in betreff Serbiens und Bulgariens durch keine Vereinbarungen an
Österreich gebunden, und im Falle einer Liquidierung der europäischen
Türkei könne es sich mit einer Grenzberichtigung bei Silistria begnügen.
Milowanowitsch sagte, er wisse bestimmt, daß Österreich sich in Bosnien
und in der Herzegowina so verstärkte, daß es jeden Augenblick zu einer
Aktion wie 1908 bereit sein könne, indem die dort stehenden Truppen
auf Kriegsfuß gebracht werden.
Iswolski.
Nr. 548.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.*)
Nr. 182. Belgrad, den 10./23. November 1911.
Gestern hatte ich eine lange Unterredung mit Milowanowitsch.
Der Empfang König Peters in Paris hat alle Erwartungen übertroffen,
was Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit betrifft. Überall und in allem
empfand man die Gefühle immer größerer Sympathien Frankreichs zu
Serbien, seit der Annexionskrise, dessen friedliche Politik auf völlige
Billigung Frankreichs stieß. Gaillaux, Delcasse Barrere, de Selves und
andere politische Persönlichkeiten, mit denen Milowanowitsch gesprochen
hatte, hielten Serbien für einen wichtigen politischen Faktor und aner-
kannten die kulturelle Bedeutung Serbiens auf dem Balkan. Frank-
reich ist in völliger Übereinstimmung mit Rußland be-
reit, in jeder Beziehung zwecks Realisierung der natio-
nalen Aufgaben Serbiens mitzuwirken. Nach den Worten
des Ministers ist man in Paris sehr skeptisch bezüglich einer Balkan-
föderation, dagegen sympathisiert man sehr mit dem Gedanken eines
serbisch-bulgarischen Bündnisses und sieht in demselben einen ernst-
lichen Schutz gegen das deutsch-österreichische Vordringen. Was das
Bündnis selbst betrifft, so hatte Milowanowitsch mit Rizoff und Stant-
scheff diesbezügliche Unterredungen und dieselben hatten von König
Ferdinand und Geschow besondere Instruktionen erhalten. Mit Aus-
nahme der Abgrenzung der Sphären ist das Bündnis schon fast per-
fekt. Um auch diese Schwierigkeiten zu überwinden, will die serbische
Regierung in den nächsten Tagen eine Konferenz einberufen, an der
*) Krassny Archiv Tom. IX, S. 7.
i58
auch Spalaikowitsch teilnehmen soll zum Zwecke der Festsetzung des
äußersten Minimums der serbischen Forderungen, Milowanowitsch hofft,
daß die neue Demarkationslinie in Sofia angenommen werden wird und
daß dadurch das große slawische Werk zu einem glück-
lichen Ende gebracht wird. Hartwig.
Nr. 549.
Der russische Gesandte in Sofia an den Gehilfen des
russischen Ministers des Äußern in Petersburg.1)
Sofia, den 12./25. November 1911.
Privat, streng konfidentieil.
Hochgeehrter Anytoly Anatoliewitsch1 2)!
Während meines Besuches in Davos bei S. D. Sasonow machte ich ihm
von einer sehr geheimen Angelegenheit Mitteilung. Die Frage ist derart
geheim oder richtiger delikat, daß ich nicht wagte, über dieselbe zu
schreiben, vielmehr beabsichtigte ich Ihnen bei unserem Zusammen-
treffen in Petersburg mündlich davon Mitteilung zu machen, wohin ich
nach der Hochzeit meiner Tochter auf zwei Tage kommen wollte. Da
jedoch die Hochzeit in Sofia stattgefunden hat, und ich es nicht für
möglich erachte, mich gegenwärtig von meinem Posten zu entfernen,
so bin ich gezwungen, zum „Pergament und Griffel“ zu greifen, um
Ihnen diese Mitteilung in Form des gegenwärtigen, völlig privaten und
gänzlich konfidentiellen Briefes zu machen.
Die Sache ist folgende: Vor ungefähr zwei Monaten sondierte mich
König Ferdinand, erst durch den Finanzminister Theodorow und dann
durch seinen geheimen Sekretär Dobrowitsch über die Möglichkeit, in
Rußland für ihn persönlich eine Anleihe von zirka 3 Millionen Francs,
natürlich zu günstigen Bedingungen, aufzunehmen. Ich hörte schon
früher, daß die persönlichen Vermögensverhältnisse des Königs durchaus
nicht glänzend seien; einerseits hat er zuviel in Bulgarien zusammen-
gekauft und gebaut, andererseits hat die Prinzessin Klementine, die in
Bulgarien ohnehin sehr viel verausgabt hatte, um den Thron ihres
Sohnes zu sichern, in ihrem Testament wider Erwarten keine besonderen
Vergünstigungen zugunsten ihres Lieblings gemacht, welcher daher nach
dem Tode seiner Mutter nicht mehr als 600 bis 700 Tausend Francs
im Jahre einnimmt. Was den Besitz anbelangt, den der König in Bul-
garien erworben hat, so stellt er allerdings einen recht bedeutenden
Wert dar (wie man mir sagte, über 4 Millionen Francs), doch hat er
davon nicht nur kein Einkommen, sondern er kostet ihm alljährlich ganz
1) Russische Dokumente. S. 54.
2) Neratow.
i59
erhebliche Summen. Von diesem Besitz kann nur der herrliche Tannen-
wald in Tschamkoria eine alljährlich wachsende, bedeutende Einnahme
bringen, und das auch nur dann, wenn der Prozeß des Königs mit der
Samokowschen Gemeinde wegen eines Teils des Waldes entschieden und
eine regelrechte Exploitation eingeführt sein wird.
Inzwischen ist die Schuld des Königs an die Volksbank auf 2 Millionen
Francs angewachsen und kostet 7 Prozent Zinsen. Zudem ist es für
König Ferdinand recht erniedrigend, alljährlich der Bank Wechsel zu
prolongieren und von diesem Emissionsinstitut, das aber eigentlich nicht
staatlich ist, gewissermaßen abzuhängen; auch ist die Höhe der Zinsen
sehr drückend 200000 Francs jährlich.
In Anbetracht dessen wäre König Ferdinand uns sehr verbunden, wenn
Sie ihm ein Darlehen von 3 Millionen Francs zu 4 Prozent plus 1/2 Pro-
zent Tilgung geben könnten, — als Sicherheit würde sein Vermögen in
Bulgarien dienen.
Ein solches Darlehen könnte nur durch Vermittlung irgendeiner rus-
sischen Privatbank, hinter der der russische Fiskus stände, realisiert
werden, wie das bei dem Darlehen von 4 Millionen an die Belgrader
Offiziersversammlung1) gemacht wurde, um die Schulden des Korole-
witsch Georg zu bezahlen.
Es ist selbstverständlich, daß unser Fiskus dabei gewisse Lasten tragen
müßte, die aus der Erhöhung des Zinsfußes erwachsen würden: wahr-
scheinlich 5 Prozent statt 4 Prozent, d. h. auf 3 Millionen Francs Dar-
lehen im ganzen 3oooo Francs (11000 Rubel) jährlich. Diese Ausgabe
ist so gering, daß es sich nicht verlohnt, von ihr zu reden, es bleibt
also nur die Frage, ob das Darlehen kein zu großes finanzielles Risiko
in sich bergen würde und ob es in politischer Hinsicht zweckmäßig wäre.
Was die erste Frage anbelangt, so glaube ich, daß unsere Bürgschaft
für die Schuld König Ferdinands keine Gefahr für uns darstellt. König
Ferdinand ist immerhin nicht König Milan und auch nicht Korolewitsch
Georg, zudem ist das Vermögen, welches er als Sicherheit für die Schuld
stellen will, schon gegenwärtig von beträchtlichem Wert, und in einigen
Jahren wird es noch wertvoller sein.
Was die politische Zweckmäßigkeit betrifft, so ist diese Frage kom-
plizierter und besonders sehr delikat. Zu glauben, daß wir König Fer-
dinand vermittels der Gewährung eines Darlehens von 3 000 000 Francs
kaufen Lönnen, wäre naiv und auch nicht würdig. Zudem wäre ein
Mensch, der mit seinem politischen Einfluß Handel treibt, ob er Inhaber
eines Thrones ist oder demselben nahesteht, gewiß fähig, seine Gläu-
biger einfach zu betrügen, wie das Milan ja einmal getan hat.
Trotzdem würde ein Entgegenkommen unsererseits ohne jedes
Feilschen, um die Geldschwierigkeiten des bulgarischen Hofes zu be-
*) Gemeint ist der Offiziersverein (Oficirska Zadraga).
160
heben, fraglos von einer Steigerung unseres Einflusses auf den König
begleitet sein. Im gegebenen Augenblick steht König Ferdinand gerade
auf dem Scheidewege zwischen uns und Österreich; da er sich eher uns
nähert, so könnte ein ihm persönlich erwiesener Dienst einen weiteren
Schritt zu unseren Gunsten bedeuten.
Darum trete ich für die Erfüllung des Wunsches Seiner Majestät ein.
Jedoch muß das Darlehen, wenn man bei uns darauf eingeht, meines
Erachtens unbedingt, wie schon erwähnt, ohne jegliches Feil-
schen, weder auf politischem noch auf finanziellem Gebiet gewährt
werden, und zwar in der gewünschten Höhe, zu den angebotenen Be-
dingungen, schnell, gänzlich konfidentiell und liebenswürdig, d. h. so wie
es unter „Gentlemen“ üblich ist. Hierdurch werden wir den König Fer-
dinand in seinen eigenen Augen heben und solche moralische Dienste
werden häufig noch höher bewertet als materielle.
In jedem Fall aber, d. h. ob wir auf diese Kombination eingehen oder
nicht, ist es unbedingt erforderlich, daß vor der Allerhöchsten Genehmi-
gung niemand etwas von alledem erfährt, außer Ihnen, dem Staatssekre-
tär Kokowzew, mir und im äußersten Fall noch drei, vier völlig ver-
trauenswürdigen Personen.
In Erwartung einer möglichst baldigen und geneigten Ansicht über den
Gegenstand dieses Briefes bitte ich Sie, den Ausdruck meiner Hoch-
achtung und aufrichtigen Ergebenheit entgegennehmen zu wollen.
gez. Mekljud'ow.
Nr. 55o.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an den stellvertretenden russischen Außenminister
2Q. November
vom —pr-----r— iQH.
12. Dezember
Nr. 98. •
König Ferdinand hat bis gestern Geschoff nichts über seine Unter-
redungen in Wien gesagt. Dagegen sagte er Daneff, daß er mit dem
„alten und kranken“ Kaiser über Politik nicht gesprochen habe. Mit
Aehrenthal hat er lange gesprochen, wobei dieser die Absichten Bul-
gariens zu erfahren suchte und dem König erklärt haben soll, im Prinzip
und unter gewissen Bedingungen würde Österreich nichts einwenden,
wenn Bulgarien seine Grenzen in der Richtung nach Mazedonien hin er-
weitern würde. Der König hat hierauf ausweichend geantwortet. Er hat
bemerkt, daß Aehrenthal und die Wiener politischen Kreise äußerst be-
unruhigt und unsicher sind. König Ferdinand hat in den letzten Monaten * 6
!) Krassny Archiv Tom IX S. 12.
l6l
.11 Boghitschewitsck., Serbien II.
beständige und aufrichtige Beziehungen zu Daneff unterhalten und damit
seine Zurückhaltung Geschoff gegenüber sozusagen unterstreichen wol-
len. Daneff teilte mir mit, daß, soviel er habe beobachten können, König
Ferdinand sich in den letzten Wochen immer mehr von dem dauernden
engen und energischen Zusammengehen Rußlands, Frankreichs und Eng-
lands überzeugt habe, desgleichen davon, daß die Kräfte dieser drei
Mächte denen Deutschlands und Österreichs überlegen seien. Diese Er-
kenntnis kann, wie Daneff und Geschoff es hoffen, den König bewegen,
sich endgültig einem Abkommen mit Serbien und Rußland zuzuwenden;
und dann wird es für ihn und Bulgarien kein Zurück mehr geben. Ich
hege dieselbe Hoffnung, fürchte aber immer noch, daß die sozusagen
organische Unentschiedenheit des unbedingt neurasthenischen Monarchen
schließlich doch die Oberhand gewinnt; auch fürchte ich, daß die außer-
gewöhnlichen Gunstbezeugungen, die dem überzeugtesten Russophilen
Daneff vom König erwiesen werden, schließlich damit enden, daß
Geschoff sich zurückziehen mußi, und daß dadurch die augenblicklich
außerordentlich starke Koalition der Zankowisten und Narodniki ge-
schwächt wird. Nekljudow.
Nr. 55i.
Der Geschäftsträger in Belgrad Graf von Kanitz
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.x)
Ausfertigung.
Nr. 88. Belgrad, den 28. Dezember 1911.
Wie ich aus sicherer Quelle erfahre, haben verschiedene Albanesen-
häuptlinge bei der hiesigen Regierung angefragt, ob sie im Frühjahr
nötigenfalls in Serbien Asyl finden würden. Man hat ihnen geantwortet,
sie könnten einer gastlichen Aufnahme sicher sein. Man würde sie aber
entwaffnen und — solange die Unruhen andauerten — an der Rückkehr
nach Albanien hindern.
Der russische Gesandte, Herr von Hartwig, bestätigte mir die Richtig-
keit dieser Nachricht. Nach seiner Ansicht wäre dieses Mal Italien der
Störenfried, der die Albanesen über Montenegro mit Waffen versorge,
während Österreich daran arbeite, den Ausbruch von Unruhen zu hin-
dern1 2). Rußland sei ebenfalls aufs lebhafteste an der Erhaltung der
1) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12049.
2) Anders urteilte in einem Briefe an Sasonow vom i5. Januar 1912 (v. Siebert,
Diplomatische Aktenstücke, a. a. O., S. 307) der russische Botschafter in Konstanti-
nopel Tscharykow, der aus einer von Montenegro in Wien betriebenen Anleihe den
Schluß zog, daß Österreich die russischen Verlegenheiten in China und Persien aus-
nutzen wolle, um wieder aktiv auf dem Balkan aufzutreten: „Wie dem aber auch sei,
die unmittelbare Gefahr muß man in der kriegerischen Stimmung Montenegros er-
blicken.“
Ruhe auf dem Balkan interessiert und habe, wie er mir aufs bestimm-
teste versichern könne, die Parole ausgegeben, auf dem ganzen Balkan
in diesem Sinne zu arbeiten. In Cetinje habe das bereits wie ein kalter
Wasserstrahl gewirkt1). Graf Kanitz.
*) Daß Rußland damals wirklich bestrebt war, Montenegro von unbedachtem Vor-
gehen zurückzuhalten, wird bestätigt durch die Berichterstattung des serbischen Ge-
sandten in Petersburg Popowitsch. Am 16. Dezember sagte Sasonow nach einem Be-
richte Popowitschs vom 17. Dezember (Weißbuch betreffend die Verantwortlichkeit
der Urheber des Krieges, S. io3): „Er fürchte, daß zum Frühjahr wiederum unge>-
ordnete Zustände in Albanien und Mazedonien Platz greifen. Er fürchte ,die kleinen
Intriganten' wie Montenegro, das schon aus Eifersucht gegenüber Serbien und in dem
Wunsche, dieses zu überflügeln, auf die Möglichkeit eines Vorteils lauern und zu dien
sein Behufe Verwicklungen in Albanien hervorrufen könne. Natürlich habe Rußland
Mittel und Wege, dem Könige Nikolaus derartige Gelüste zu verleiden, aber es sei
nicht ausgeschlossen, daß von einer anderen Seite Versuchungen an Montenegro heran-
treten.“ In einem weiteren Berichte Popowitschs vom 2. März 1912 heißt es, dem
König Nikolaus, der kurz zuvor in Petersburg geweilt hatte, seien energische Rat-
schläge erteilt, sich ruhig zu verhalten und sich nicht in irgendwelche Abenteuer einzu-
lassen. „Der König versprach, den Rat zu befolgen, und gab die Versicherung, nichts
gegen die Interessen Rußlands zu tun. Er sagte Herrn Sasonow, er stehe Rußland wie
der Soldat seinem Vorgesetzten gegenüber und wiederholte einige Male auf russisch
das Wort »Verstanden'. Ich bin — sagte er — in Montenegro König, aber Ruß-
land gegenüber der Vollstrecker von dessen Anordnungen.“ (A. a. O., S. 106.) Ganz
ebenso hatte sich übrigens auch Geschow gegenüber dem russischen Botschafter von
Giers in Wien am 8. Oktober 1911 ausgedrückt: „Auf der Balkanhalbinsel werden
wir iedenfalls nichts tun, ohne Rußland vorher in Kenntnis zu setzen.“ (v. Siebert.
Diplomatische Aktenstücke, a. a. 0., S. i53.) Obgleich Rußland also sicher sein
konnte, die Balkanstaaten jederzeit zügeln zu können, wenn es nur wollte, hielt es doch
für geboten, sich mit dem alliierten Frankreich ins Einvernehmen zu setzen, „dans la
prévision de complications prochaines en Orient“. Am 3i. Januar 1912 sagte Saso-
now nach einem Telegramme Botschafter Louis’ vom 1. Februar zu diesem: „Le
danger est dans les Balkans. Il est visible en Macédoine; il va sans doute le devenir
en Albanie. Il n’est que temps d’agir si nous voulons prévenir des conflagrations qui
pourront s’étendre rapidement et soulever les plus graves questions. Les Turcs ont
été aussi imprévoyants en Albanie qu’en Macédoine. Ils n’ont pu venir à bout de
l’insurrection de l’année dernière qu’en promettant aux tribus certains avantages, mais,
sauf quelques secours en argent, ils n’ont rien fait de ce qu’ils avaient promis. Ne
pourrions-nous pas signaler au Gouvernement ottoman les inquiétudes que cette
situation nous fait concevoir?" Französisches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques,
I, 5 s. In Frankreich ging man bereitwilligst auf die „Konversation“ ein, während Sir
E. Grey sich einer solchen zwar nicht versagen wollte, aber einen Meinungsaustausch
ohne Deutschland und Österreich für bedeutungslos erklärte (Telegramm Paul Cam-
bons an Poincaré vom 3. Februar, Französisches Gelbbuch a. a. O., I, 7). Am il\. Fe-
bruar überreichte dann Sasonow dem französischen Botschafter Louis einen Frage-
bogen, der eine Verständigung über die Eventualitäten 1. einer inneren Krisis in der
Türkei, 2. eines aktiven Vorgehens Österreich-Ungarns im Sandschak bzw. in Alba-
nien, 3. eines kriegerischen Konfliktes zwischen der Türkei und einem der Balkan-
staaten (Montenegro, Serbien, Griechenland, Bulgarien) für erwünscht erklärte. Die
Diskussion über den Fragebogen (siehe dessen Wortlaut im französischen Gelbbuch
a. a.O., 1,9) und Aktenstück Nr. 561 zog sich zwischen Petersburg und Paris bis in den
Spätfrühling hin; sie blieb ohne wesentliches Ergebnis, weil Sasonow, der den franzö-
sischen Alliierten auch über die sehr aktive Rolle, die Rußland bei dem Zustande-
kommen des bulgarisch-serbischen Bündnisses vom i3. März 1912 spielte, erst nachträg-
lich auf klärte, sich über seine letzten Absichten ausschwieg. Am 12. April äußerte sich
Botschafter Louis darüber in einem Schreiben an Poincaré (Ernest Judet, Georges Louis,
p. 180) nicht ohne Bitterkeit: „La Russie ouvre la conversation sur ses visées secrètes,
lorsqu’elle entrevoit des possibilités d’action, et elle rentre dans le silence lorsqu'elle a
constaté qu’il y a peu de chances d’entente." Auch Poincaré, empfindlich verletzt
Nr. 55a.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister. *)
Telegramm Nr. 192. Paris, den 15./28. Dezember 1911.
Ich habe schon vor einigen Tagen mit Louis ein ernstes Gespräch
über die geplante österreichische Anleihe gehabt, worüber Ihnen Demidow
morgen den Bericht bringen wird. Auf meinen Antrieb wird hier dagegen
bereits eine Zeitungskampagne geführt, die mit einem Artikel von
Chéradame im „Petit Journal“ vom 26. Dezember begann. Es ist sehr
zu wünschen, daß die russischen Zeitungen dieser Frage ihre Aufmerk-
samkeit zuwenden. Iswolski. * I,
darüber, daß Sasonow ihn bezüglich der Balkanverhandlungen nicht von vornherein
eingeweiht hatte (vgl. sein Telegramm an Louis vom 8. April, Französisches Gelb-
buch a. a. O., I, 20), sah sich zu einer kategorischen Sprache gegenüber dem Alliier-
ten genötigt. Ein Telegramm an Louis vom 21. April (Französisches Gelbbuch a.a.O.,
I, 23) besagte: „Ainsi que yous l’indiquait mon télégramme du 9 avril, il est ¡indispen-
sable que le Gouvernement russe formule ses vues sur les diverses hypothèses spéci-
fiées dans son questionnaire du i4 février. La conclusion de l’accord serbo-bulgare et
la récente démonstration de l'escadre italienne devant les Dardanelles ne nous permet-
tent pas d’accepter que M. Sazonoff se dérobe davantage à une conversation dont il a
pris lui-même l’initiative.“ Es kam dann noch zu einer Erörterung der Frage, was
die beiden Alliierten tun sollten, falls Österreich-Ungarn zu einer Wiederbesetzung
des Sandschaks schreite; doch wurde selbst russischerseits anerkannt, daß kein Grund
zum Verdacht bestehe, daß Österreich zur Zeit ein solches Projekt verfolge. Poin-
caré konnte nicht umhin, bei diesem Anlasse zu betonen: ,,I1 ne suffit pas que la
vigilance des Agents français et russes s’exerce à Vienne; il n’est pas moins nécessaire
qu’elle s’applique à dépister les intrigues des Etats balkaniques, dout l’activité turbu-
lente risque d’entrainer, par contre-coup, une action de l’Autriche-Hongrie dans le
Sandjak. L’appel à l’Europe devrait se produire aussitôt que le statu quo de la
Péninsule serait menacé par le fait d’un des Etats slaves; ce serait trop tard de n’en
appeler à l’Europe que, pour répondre à une action subséquente du Cabinet d©
Vienne.“ (Telegramm an Louis vom i3. Mai 1912, Französisches Gelbbuch a.a.O.,
I, 2Ö). Die Richtigkeit dieser Bemerkungen vermochte Sasonow nicht abzustreitert,
aber er zeigte deutlich, daß ihn die Haltung des französischen Alliierten nicht be-
friedigte (Telegramm Louis’ vom 24. Mai, Französisches Gelbbuch a. a. O., I. 27),
und so setzte er den Meinungsaustausch nicht weiter fort. An seine Stelle trat ein
neuer Meinungsaustausch zwischen Frankreich, Rußland und England über die Be-
rufung einer Konferenz zum Zweck der Beendigung des türkisch-italienischen Krie-
ges. Auch diese Konversation (vgl. darüber Bd. XXX, Kap. GOXXXIX) ließ zunächst
lebhafte Meinungsverschiedenheiten zwischen Sasonow und Poincaré erkennen, führte
aber doch zu dem Akkord vom 2Ö. Juni 1912.
*) Iswolski. Bd. I. Nr. 17p, S. 199.
164
Nr. 553.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg. *)
Nr. 198. Belgrad, den 16-/29. Dezember 1911.
Der serbische Gesandte in Sofia ist zwecks Beratung über das serbisch-
bulgarische Abkommen hierher berufen worden. Heute nacht kehrt Spa-
laikowitsch auf seinen Posten zurück mit einer endgültigen Instruktion,
die auf folgendes herausläuft: 1. Auf beiderseitigen Wunsch werden die
Art. 3 und 4 aus dem allgemeinen Text entfernt und bilden eine beson-
dere aus zwei Abschnitten bestehende Geheimanlage zum Ver-
trage. 2. Was die Abgrenzung der Sphären in dem allein noch stritti-
gen Teil im Nordosten, d. h. von der allgemeinen Reichsgrenze bis zum
Wardar anbetrifft, so sind die Serben bereit, die letzte bulgarische
Variante mit einer geringfügigen Abänderung anzunehmen, und zwar:
Statt von Neradow in gerader Linie nach Südwesten zu verlaufen, geht
der Grenzstrich nach Süden, überschreitet den Kriwaflußi bei Petraliza
und Mostaniza, von wo er Kratowo umgehend nach Südwesten über
Shiwalewo, Turalewo und Gradschte zum Wardar verläuft. Die vor-
liegende serbische Variante überläßt den Bulgaren die von ihnen so ge-
wünschten Flecken Egri-Palanka und Kratowo und gewährt den Serben
einen im Vergleich zur Variante von Geschow nur wenig größeren Teil
des Owtschje Polje. 3. Die vorliegende Variante bedeutet die letzte und
äußerste Konzession der Serben; weiter können sie nicht entgegenkom-
men. Sollten die Bulgaren ablehnen, so schlägt die serbische Regierung
vor, den Artikel vom Hohen Schiedsgericht anzuwenden, das sich dann
mit der strittigen Ortschaft in dem letzten bulgarischen und jetzigen
serbischen Projekt zu befassen hätte.
Nachdem Milowanowitsch mir die Spalaikowitsch erteilte Instruktion
mitgeteilt hatte, bat er mich, die kaiserliche Regierung zu bitten, einen
entsprechenden Druck auf Sofia auszuüben. Ich halte es für meine
Pflicht, diese Bitte warm; zu befürworten, denn wie ich erfahren
habe, sind erstlich einmal mehrere Teilnehmer der Beratung mit Pa-
schitsch an der Spitze gegen die neue Konzession an die Bulgaren und
Milowanowitsch hat die Sache auf seine Verantwortung hin unternom-
men; und zweitens haben die Bulgaren an dem unbedeutenden Teil des
Owtschje Polje nicht das geringste Interesse, während er umgekehrt
für die Serben von ungeheuerer strategischer Bedeutung ist, da er die
natürliche Deckung gegenüber Uesküb darstellt. Diese letzte Anschauung
ist schließlich auch vom russischen Standpunkt nicht von der Hand
zu weisen, wenn man in Betracht zieht, daß Serbien berufen sein
1) Krassny Archiv Tom. IX, S. i5.
i65
kann, bei den kommenden Ereignissen die Rolle unseres
Vorpostens zu spielen. Spalaikowitsch hat den Eindruck, daß
Geschow fortgesetzt den heißen Wunsch hegt, den Vertrag möglichst
schnell zu unterschreiben, und der gütlichen Lösung der Angelegenheit
keine Hindernisse in den Weg legt. Der letzte Grenzvorschlag stammt
augenscheinlich vom König Ferdinand, und in diesem Falle dürfte nur
eine Frage der persönlichen Eitelkeit entstehen. Hartwig.
Nr. 554.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.1)
Nr. 201. Belgrad, den 17./3o. Dezember 1911.
In Ergänzung zu meinem Telegramm Nr. 198.
Gestern besuchte mich Paschitsch und verständigte mich vertraulich
davon, daß er sich nachdrücklich den neuen Konzessionen Bulgarien
gegenüber in der Frage der Interessensphären widersetzt habe. Wenn
das von Milowanowitsch auf eigene Verantwortung gemachte letzte ser-
bische Angebot von den Bulgaren abgelehnt wird, so beweist das seiner
Ansicht nach die geheime Absicht König Ferdinands, die Verhandlungen
zum Abbruch kommen zu lassen. Ich verständige Nekljudow.
Hartwig.
Nr. 555.
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow,
Petersburg, an den russischen Gesandten Nekljudow
in Sofia.9)
at o cx n x 1 i 18. Dezember 1011.
Nr. 2182. St. Petersburg, den---=----------—
1. Januar 1912.
Mitteilung an Belgrad.
Nachdem uns Hartwig über die Spalaikowitsch mitgegebenen letzten
Instruktionen unterrichtet hat, hoffen wir von Herzen, daß in Anbetracht
der Geringfügigkeit der von den Serben gewünschten Zuteilung gegen-
über dem bulgarischen Projekt und der Befriedigung der gegenseitigen
Wünsche im übrigen auf der einen Seite, und der Bedeutung der erstreb-
ten Aufgabe und des günstigen Momentes auf der anderen Seite —
beide Staaten auf der Basis des letzten serbischen Vorschla-
ges zu einer schnellen gegenseitigen Einigung gelangen
werden. Neratow. 1 2
1) Krassny Archiv Tom. IX, S. 16.
2) Krassny Archiv Tom. IX, S. 17.
166
Nr. 556.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.1)
Nr. io5.
Sofia, den
24-Dezember 1911.
6. Januar 1912.
Aus seinen Gesprächen mit Fitscheff und Nikiforoff hat Oberst Ro-
manowski den Eindruck gewonnen, daß man auch in militärischen
Kreisen auf das Bündnis mit Serbien viel Wert legt. Zu gleicher Zeit
hat unser Militärattache festgestellt, daß vom topographischen Stand-
punkte das linke Ufer des Unterstroms des Schwarzen Drims und die
Hälfte des Dorfes Struga die rationelle Grenze für Bulgarien wäre, denn
sonst wäre die Abgrenzung eine vollkommen unnatürliche. Deswegen
werden die Bulgaren kaum die Forderungen der Serben bezüglich Stru-
gas annehmen. Bis heute haben mir sowohl Geschow wie Spalaikowitsch
des öfteren gesagt, daß hinsichtlich einer Abgrenzung westlich vom
Wardar kein Hindernis besteht und daß sich der ganze Streit nur um
Uesküb dreht. Hier haben die Bulgaren die Richtigkeit der letzten Vor-
schläge Milowanowitschs eingesehen. Die Nichtübereinstimmung bezüg-
lich der Abgrenzung Strugas war für sie eine unangenehme Über-
raschung. Ich hätte mich vollkommen in diesem Sinne Spalaikowitsch
gegenüber geäußert, wenn ich nicht hätte befürchten müssen, daß in
Belgrad Paschitsch und jene, die dem Übereinkommen nicht besonders
freundlich gegenüberstehen, diese Gelegenheit benützt hätten, um das
Werk von Milowanowitsch und Spalaikowitsch zu vernichten.
Nekljudow.
Nr. 557.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.8)
Nr. 107.
Sofia, den
29. Dezember 1911.
11. Januar 1912.
Bezugnehmend Telegramm Nr. io5.
Romanowski hat Spalaikowitsch davon überzeugt, daß es gerecht wäre,
den Bezirk Struga sofort abzugrenzen, indem man den Bulgaren einige
Werst vom linken Ufer des Schwarzen Drim, bis zu seiner Mündung in
den (Ochrida-) See, abtritt, und indem man für sich das ganze rechte
Ufer mit dem rechten Teile der Stadt behält. Spalaikowitsch hat Milo-
x) Krassny Archiv Tom. IX, S. 18.
s) Krassny Archiv Tom. IX, S. 18.
167
wanowitsch telegraphiert und ihn um seine Einwilligung gebeten, auf
dieser Basis die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Milowano-
witsch antwortete, daß Spalaikowitsch im Zusammenhänge damit die
diesbezüglichen Vorschläge von bulgarischer Seite nach Belgrad mitteilen
solle und die serbische Regierung werde daraufhin ihre Antwort erteilen.
Offensichtlich beabsichtigt Milowanowitsch, meinen, Romanowskis und
Spalaikowitschs Vorschlag zu unterstützen, er fürchtet sich jedoch der
Opposition Paschitschs. Ich ersuche Sie dringend um ihre Unterstützung
in Belgrad. Ich halte die Sache für sehr dringend. Nekljudow.
Nr. 558.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg. *)
Nr. 2. Belgrad, den 6./19. Januar 1912.
Ich beziehe mich auf das Telegramm vom 22. Dezember Nr. 206. Nach-
dem Milowanowitsch Geschows Vorschlag, die schon früher festgelegte
Grenze des südwestlichen Teiles des Grenzgebietes am Ochridasee, welche
die Bulgaren nach Norden rücken wollten, zu revidieren, abgelehnt hat,
hofft man in Sofia anscheinend von den Serben nach früheren Erfah-
rungen, doch noch irgendwelche Konzessionen zu erlangen. Geschow
kommt in seinen Unterhaltungen mit Spalaikowitsch immer wieder auf
diesen Punkt zurück. Spalaikowitsch hat demgegenüber unbeirrt auf fol-
gende Punkte hingewiesen: 1. Die Notwendigkeit, eine stabile Grenze
mit Bulgarien entlang der natürlichen Wasserscheide zu ziehen; und
2., was die Hauptsache ist, die Lebensnotwendigkeit für die Serben nörd-
lich vom Ochridasee ein „Hinterland“ zu haben, eine feste Basis in
slawischer Erde zur Abwehr des Ansturms feindlicher albanischer Stämme
und zum Schutz des für Serbien ein Lebensinteresse bedeutenden Weges
zur Adria. In diesen Tagen hat Geschow schließlich Spalaikowitsch neue
Varianten betreffend die Grenzzone mitgeteilt, die, wie sich herausstellt,
voll und ganz von unserem Militärattache in Sofia aus-
gearbeitet worden sind. Dieses direkte Eingreifen des Oberst Ro-
manowsky in die Details der serbisch-bulgarischen Streitigkeiten wider-
spricht dem Grundgedanken der kaiserlichen Regierung, die Ausarbei-
tung der einzelnen Formeln den vertragschließenden Parteien allein zu
überlassen, und ist Ursache keines geringen Mißverständnisses geworden.
Er hat z. B. das gesamte Projekt den Bulgaren als einen für beide
Staaten obligatorischen „russischen“ Vorschlag vorgelegt.
x) Krassny Archiv Tom. IX, S. 19.
168
In diesem Sinne hat sich Geschow gestern gegenüber dem nach Belgrad
ahreisenden Spalaikowitsch ausgesprochen und die Schwierigkeiten bei
der weiteren Erörterung der Grenzzone von Ochrida betont, nachdem
sowohl der Kriegsminister Nikiforoff und König Ferdinand es für ihre
Pflicht gehalten haben, sich unverzüglich dem russischen Vorschlag zu
fügen. Dabei enthält die den genannten berechtigten Forderungen der,
Serben keineswegs Rechnung tragende Variante Romanowskys grobe
Mängel in technischer und strategischer Hinsicht.
Sehr aufgeregt besuchte mich Paschitsch heute und erklärte das ge-
nannte Projekt als völlig unannehmbar für die Serben. Die letzteren
haben nichtsdestoweniger die Hoffnung auf einen befriedigenden Aus-
gang noch nicht aufgegeben, wenn Eure Hohe Exzellenz es für opportun
halten würde, in Sofia der Auffassung von dem Vorhandensein eines
russischen Vorschlages, als welcher die völlig private Anschauung unse-
res Militäragenten ausgegeben wird, entgegenzutreten. Ich erlaube mir
zu bemerken, daß* die Verbindlichkeit des letzteren um so weniger zu-
lässig ist, als dadurch bis zu einem gewissen Grade der Oberste Schiedsi-
spruch, an den zu appellieren beide Parteien vielleicht gezwungen sein
werden, vorweggenommen würde. Ich erbitte schleunigst Instruktionen,
um einen Abbruch der serbisch-bulgarischen Verhandlungen zu vermeiden.
Hartwig.
Nr. 55p.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.3)
Nr. 6. Sofia, den 17./30. Januar 1912.
Im Hinblick auf die bevorstehende Ankunft des serbischen Thronfol-
gers habe ich heute und gestern Geschow überredet, Schluß zu machen
und die Grenzregelung zwischen Bretanitza und Struga einer späteren
Entscheidung Rußlands zu überlassen. Der Ministerrat hat aber diese
Kombination abgelehnt. Ich halte es für meine Pflicht darauf hinzuwei-
sen, daß die sogenannte „Romanowskygrenze“ keineswegs unseren Vor-
schlag darstellte, sondern eine von mir durch unseren Militärattache zu-
gunsten der Serben erwirkte Konzession. Von weiterer! Konzessionen
wollen die Bulgaren auch nichts mehr hören. In Anbetracht dessen
wiederhole ich, daß ich die ganze Sache für endgültig gescheitert ansehe.
Nekl j udow.
1) Krassny Archiv Tom. IX, S. 21.
Nr. 56o.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.1)
3o. Januai
Nr-17. Belgrad, den^-^^ 1912.
In Anbetracht der Beendigung der Ministerkrisis wird die serbische
Regierung nunmehr die Verhandlungen mit Bulgarien wieder auf nehmen
und ich bin, was Serbien anbetrifft, von dem glücklichen Ausgang über-
zeugt, dem} in Belgrad mißt man dem Abkommen große politische Be-
deutung für die Zukunft der beiden Balkanstaaten bei. In diesen Tagen
unterhielt ich mich mit unserem in der Suite des Großfürsten Andrei
Wladamirowitsch hier eingetroffenen Militärattache in Sofia, der, nach-
dem er die kürzlichen serbisch-bulgarischen Meinungsverschiedenheiten
in anderer Beleuchtung kennengelernt hat, sich der Anschauung nicht
verschließen konnte, daß der serbische Standpunkt mit den allslawischen
und damit auch den russischen Interessen mehr übereinstimmt. Weil
nämlich, wie ich fortgesetzt gemeldet habe, die Serben voll und ganz
bereit sind, die endgültige Abgrenzung der Einflußsphären der kaiser-
lichen Regierung zu überlassen, während die Bulgaren, wie Oberst Ro-
manowsky bemerkte, bestrebt sind, das russische Schiedsgericht zu um-
gehen. Dies erscheint mir als ein sehr wichtiges Symptom. Ich halte
es für nötig festzustellen, daß zwischen Milowanowitsch und Paschitsch
keine Meinungsverschiedenheit in der Abkommenfrage besteht. Man
kann nur von einer Inkommensurabilität der Verantwortung sprechen.
Für jeden zu kühnen Schritt des Außenministers ist nur der Führer
der Altradikalen verantwortlich, während Paschitsch natürlich der Oppo-
sition und unseren sonstigen Feinden keine Wiaffen in die Hand geben
¡möchte gegen die russophile Partei, die sich auf Rußland stützt und
sich in der Außenpolitik von diesem leiten läßt. Wie dem auch sei, die
Serben wollen einen neuen Beweis ihres Verständigungswillens geben und
unsere Ratschläge befolgen. In den dem morgen nach Sofia abreisenden
Spalaikowitsch mitgegebenen Instruktionen sind mehrere versönliche
Formeln betreffend die strittige Ochridagrenze enthalten. Sollten die
Bulgaren nicht nachgeben, so wollen sich die Serben sogar zur An-
nahme der RomanowskyVariante verstehen, um nur das
Abkommen zum Abschluß zu bringen.
Hartwig. 1
1) Krassny Archiv Tom. IX, S. 21.
170
Nr. 561.
Questionnaire remis le 14 février 1912 par le Ministre
des Affaires étrangères de Russie à l’Ambassadeur
de France.1)
Il serait désirable de s’entendre sur la manière de voir et d’agir en
vue des éventualités suivantes:
a) Une crise intérieure (gouvernementale) en Turquie,
b) Une démarche active de l’Autriche (Sandjak, Albanie),
c) Un conflit armé entre la Turquie et une Puissance balkanique (Mon-
ténégro, Grèce, Bulgarie).
Les questions pratiques qui s’y rapportent et qu’il s’agirait d’étudier
sont:
Jusqu’où laisserait-on aller les événements?
De quels moyens moraux dispose-t-on pour influencer les acteurs
directs des événements éventuels ci-dessus indiqués?
Par quelles mesures pratiques pourrait-on appuyer une action diplo-
matique?
Nr. 562.
Der russische Botschafter in Paris Iswolski
an den Minister des Äußern Sasonow.a)
Paris, den 16./29. Februar 1912.
. . . Herr Poincaré hat mehrere Male an mich die Frage gerichtet,
was mir bekannt sei von dem Meinungsaustausche über die Balkanange-
legenheiten, der laut Zeitungs- und aus anderen Quellen stammenden
Nachrichten .zwischen Ihnen und dem Wiener Kabinett stattgefunden
hat; dabei hat er mich noch einmal an seine Bereitwilligkeit erinnert,
beinahe jede Minute mit uns in Verhandlungen über diese Angelegen-
heiten einzutreten, und gab mir zu verstehen, daß er von unserer Seite
eine ebensolche Inkenntnissetzung über unsere Verhandlungen mit Wien
erwartete, wie er von dem Londoner Kabinett nach der Reise Lord Halda-
nes nach Berlin erhalten habe. Ich schreibe Ihnen das alles mit vollster
Aufrichtigkeit, denn mir scheint, daß es für Sie überaus wichtig ist, die
von Herrn Poincaré bei seinem Regierungsantritt zum Ausdruck ge-
brachten Vorsätze zu wahren und ihnen entgegenzukommen. Der jetzige
Ministerpräsident und Minister des Äußern ist eine überaus große Per-
sönlichkeit und sein Kabinett erweist sich als die stärkste Koordination
für eine lange Reihe von Jahren . . . * 7
*) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 12.
2) Deutsches Weißbuch 1919. S.122.
I7I
Nr. 563.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.*)
Nr. 24.
Sofia, den
20. Februar
4- März
I912*
Das Schicksal des serbisch-bulgarischen Bündnisvertrages entscheidet
sich in diesen Tagen. Ich denke Montag abzureisen, wenn das Bündnis
bis dahin bereits unterzeichnet sein wird, und wenn nicht eine Absage des
Königs seine anderen Neigungen offensichtlich machen wird.
Nekljudow.
Nr. 564.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.2)
Nr. 25.
Sofia, den
28. Februar
i3.März
I912-
Spalaikowitsch hat heute ein Exemlpar des von König Peter und Milo-
wanowitsch unterschriebenen Vertrages mitgebracht. Am Donnerstag,
dem Todestage des Zarbefreiers, wird König Ferdinand seinerseits das
wichtige Dokument über das serbisch-bulgarische Abkommen unterzeich-
nen. Ich reise Sonnabend. Eine Kopie des Dokuments und das serbische
Projekt der Militärkonvention bringe ich mit. Wenn Sie gestatten,
bleibe ich einen Tag als Gast Hartwigs in Belgrad3).
Nekl j udow.
Nr. 565.
Der russische Gesandte Nekljutow, Sofia,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg. *)
Nr. 26. Sofia, den i./i4.März 1912.
Gestern hat Zar Ferdinand das Dokument des serbisch-bulgarischen
Abkommens und die Geheimanlage, enthaltend die mazedonische Inter-
essengrenze und die beiderseitige Absicht, eine serbisch-bulgarische Mili- 72
*) Krassny Archiv Tom. IX, S. 22.
z) Krassny Archiv Tom. IX, S. 22.
8) Am Rande befindet sich eine Notiz Nikolai II.: „Gut“.
4) Krassny Archiv Tom. IX, S. 22.
I72
tärkonvention abzuschließen, unterschrieben. So ist das wichtige von
Sementowsky und Hartwig begonnene Werk glücklich vollendet worden.
Die formale Verbindung zwischen den beiden Balkanstaaten ist her-
gestellt. Es bedarf aber noch viel Umsicht und Mühe, um eine auf-
richtige und enge Verbindung zwischen den beiden Völkern und Höfen
zu schaffen. Gestern wurde ich vom König empfangen. Ich reise mor-
gen. Den Sonnabend will ich in Belgrad verbringen. Die Kopien der
unterschriebenen Dokumente habe ich bei mir.
Nekljudow.
Nr. 566.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in London.1)
Telegramm Nr. 58o. St. Petersburg, den 17./30. März 1912.
Persönlich.
Ich telegraphiere nach Paris:
Zwischen Serbien und Bulgarien ist mit unserem Willen ein Bündnis
abgeschlossen worden zu gegenseitiger Verteidigung und zum Schutze
der gemeinsamen Interessen für den Fall der Veränderung des Status
quo auf dem Balkan oder des Angriffes einer dritten Macht auf eine der
vertragschließenden Parteien. Geschow und der serbische Gesandte in
Sofia, Spalaikowitsch, haben das Zustandekommen dieses Vertrages dem
englischen Gesandten in Bulgarien, Ironside, mitgeteilt. Ich bitte Sie,
einen Ihrer Ansicht nach richtigen Zeitpunkt zu benutzen, um Poincare
obiges mündlich zu seiner persönlichen Information mitzuteilen, indem
Sie ihn auf die allerernsteste Weise darauf aufmerksam machen, daß der
Abschluß des Bündnisses unbedingt geheimgehalten werden muß. Sie
können hinzufügen, daß, da eine besondere Geheimklausel beide Seiten
verpflichtet, die Ansicht Rußlands einzuholen, ehe sie zu aktiven Maß-
nahmen schreiten, wir der Ansicht sind, daß wir auf diese Weise ein
Mittel in Händen haben, auf beiden Seiten einzuwirken und daß wir
gleichzeitig eine Schutzmaßregel getroffen haben, um uns
der Erweiterung des Einflusses einer größeren Macht
auf dem Balkan zu widersetzen.
Sasonow.
x) Iswolski. Bd. II. Nr. 243, S. 76.
Nr. 567.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
Nr. 91.
vom
19. März
i. April
I912*
Ihr Telegramm Nr. 58o erhalten. Da Ironside* 2 3) auf dem laufenden
ist, halte ich es für nötig, Grey gegenüber diese Frage in vertraulicher
Weise zu erwähnen. Wenn ich keine anderen Instruktionen erhalte,
will ich es in einigen Tagen tun.
Nr. 568.
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères
à MM. les Ministres de France à Sofia et à Belgrade.8)
Paris, le i er avril 1912.
L’Ambassadeur de Russie est venu me dire, á titre très confidentiel,
et de la part de son Gouvernement, que la Bulgarie et la Serbie «ont
conclu, ces jours-ci, deux accords secrets. Par le premier de ces accords
les deux Etats balkaniques s’engagent à se porter secours mutuellement
en cas d’agression et à maintenir le statu quo dans les Balkans. Par le
deuxième il conviennent de ne rien entreprendre sans avoir pris l’avis
de la Russie.
Efforcez-vous très discrètement de contrôler cette affirmation. Il
m’importerait surtout de savoir si l’engagement relatif au statu quo no
comporte pas un engagement subsidiaire, vis-à-vis de la Russie, pour le
cas où le statu quo serait rompu.
Raymond Poincaré.
x) Benckendorff. Bd. IL Nr. 682, S. 338.
2) Englischer Gesandter in Sofia.
3) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 21.
174
Nr. 56g.
M. de Panafieu, Ministre de France à Sofia,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaire étrangères.1)
Sofia, le 3 avril 1912.
Par mon télégramme de ce jour, j’ai confirmé succinctement à Votre
Excellence l’existence de l’accord secret récemment conclu entre la Bul-
garie et la Serbie dont l’Ambassadeur de Russie à Paris lui a donné con-
naissance.
Le Président du Conseil étant actuellement souffrant et ne recevant
pas, je n’ai pu avoir aucune conversation avec lui à ce sujet, et il m’a
paru inutile de m’adresser à une autre personnalité bulgare qui vrai-
semblablement n’eût pas été en situation de me renseigner. Mais j’ai eu
l’occasion de causer longuement avec le Chargé d’Affaires de Russie et,
prenant texte de quelques paroles, qui m’avaient été dites quelques jours
auparavant par mon Collègue de Serbie1 2), je lui ai demandé s’il était
au courant du rapprochement qui semblait s’être opéré entre les deux
pays voisins. Le Prince Ouroussoff ne fit aucune difficulté à me ré-
pondre, et quoique j’aie pu discerner au début du moins de notre entre-
tien, une certaine réticence, je suis arrivé à lui faire préciser quelques points.
Il n’a pu se douter que j’étais renseigné sur le fait lui-même, car,
m’ayant demandé à plusieurs reprises de garder pour moi les indications
qu’il me donnait, il était dans la plus complète ignorance de la démarche
qui avait été faite auprès de votre Excellence par M. Iswolsky et dont je
n’ai pas cru d’ailleurs devoir lui parler.
Le Chargé d’Affaires de Russie m’a déclaré tout d’abord que, dès
l’arrivée au pouvoir de M. Guéchofft, il y a un an, il avait eu l’occasion
d’entretenir ce dernier de l’intérêt pour les Etats balkaniques de trouver
un terrain d’entente sur les questions macédoniennes et d’unir leurs
efforts dans un but commun, au lieu de se combattre et de se nuire
mutuellement au grand bénéfice de la Turquie. Mais à ce moment les
exhortations du représentant de l’Empereur, qui ne faisait que suivre les>
vieilles traditions de la politique russe, ne trouvèrent aucun écho auprès
du nouveau Président du Conseil, quelque bien disposé que fût celui-ci
à l’égard de la Russie. M. Guéchoff estima que le moment n’était pas.
venu et qu’un accord de ce £enre pourrait être considéré, s’il était connu,
comme dirigé contre la Turquie ou l’Autriche.
Quelques mois après éclatait la guerre italo-turque, et c’est à cet
événement qu’est dû le rapprochement bulgaro-serbe. Sous les auspices
1) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 24-
2) Spalaikovitch.
17^
de la Russie, des conversations s'ouvrirent et aboutirent assez rapidement
à un accord. Les deux Puissances se sont engagées à se prêter un mutuel
appui dans le cas d'agression et à maintenir le statu quo dans les Bal-
kans. Elles ont spécifié que toute rivalité en Macédoine prendrait fin et
qu'une entente amiable s'établirait pour toutes les questions d'écoles,
d’églises, de religion. J’ai cru comprendre qu'elles auraient même
délimité leur sphère d'action réciproque. L’accord qui est intervenu à
ce sujet remonte au mois de février ou au plus tard aux premiers jours
de mars.
Ainsi que je l'ai fait connaître à Votre Excellence, des pourparlers
sont en cours en vue de faire participer la Grèce à cet accord; ils
seraient en bonne voie et leur conclusion ne saurait tarder.
Des indications que m’a données le Chargé d'Affaires de Russie, il
ne ressort pas clairement que les deux Puissances aient pris l'engagement
formel «de ne rien entreprendre sans avoir pris l'avis de la Russie». Le
Président du Conseil bulgare s’est engagé personnellement et à plusieurs
reprises à ïie rien fairei, à ne rien décider sans prévenir de ses intentions
le Gouvernement russe, mais le Prince Ouroussoff est plustôt porté à
croire que si des mesures sérieuses sont prises, il ne sera pas consulté
préalablement, mais simplement avisé.
Mon collègue de Russie est persuadé que le moment est particulière-
ment favorable pour les Etats balkaniques de régler la question macé-
donienne et de réaliser ainsi leurs aspirations nationales. L'Italie est
obligée de brusquer les choses pour sortir de l'impasse dans laquelle elle
se trouve et qui risque de la ruiner pour une longue période d'années,
et il esrt à présumer qu'elle tentera une action soit contre les Dardanelles,,
soit contre Salonique. Si cette dernière éventualité se produisait, le Prince
Ouroussoff est d'avis que la Bulgarie et la Serbie, considérant que cette
action romprait le statu quo, n'hésiteraient pas à prendre leurs précau-
tions, c'est à-dire à franchir la frontière ottomane, et à avancer dans
les villayets macédoniens. La Grèce et le Monténégro les imiteraient, et,
devant cette attitude, la Turquie se verrait vraisemblablement obligée de
céder. La rupture du statu quo n'étant pas de leur fait, la Russie ne
pourrait pas abandonner à leur sort les peuples slaves qu'elle a libérés
il y a trente-cinq ans; elle devrait même, si une menace leur était
adressée de Vienne, dire au Gouvernement austro-hongrois que, dans le
cas où des mesures militaires seraient prises par lui, à l’égard du Sand-
jak par exemple, il devrait compter sur son opposition.
Dans l'esprit du Chargé d'Affaires de Russie, par le fait même qu'une
des Puissances de la Triple Alliance est en guerre avec la Turquie,
l'Autriche et l’Allemagne se trouveraient dans l'impossibilité d?agir effica-
cement pour venir au secours de la Turquie et la situation des Puissances
de la Triple Entente se trouverait très avantagée.
Le Prince Ouroussoff s'est complu dans des considérations de cet
176
ordre qui relèvent plustôt du domaine spéculatif que de la réalité des
faits. Il m’a parlé incidemment de la politique de M. Sazonoff, dont
les tentatives infructueuses en faveur de l’Italie auraient eu pour but
de l’engager à se détacher de la Triple Alliance, et comme lui, il m'a
paru nourrir à l’égard de la Turquie des sentiments de médiocre sym-
pathie. Le Prince Ouroussoff est encore jeune dans la carrière; il est
naturel qu’il souhaite assister à de grands événements et qu’il désire voir
s’ouvrir un nouveau chapitre de l’histoire d’Orient où la Russie puisse
écrire quelques pages glorieuses.
Je ne veux donc pas attacher à ces propos une importance plus con-
sidérable qu’il ne convient, mais de sa conversation je détache les affir-
mations suivantes qui me paraissent dignes d’êtres soulignées: actuelle-
ment la Bulgarie et la Serbie sont parfaitement calmes, elles n’ont aucun
projet et ne feront rien pour rompre le statu quo. Le Gouvernement
bulgare, en particulier, n’entretient aucun rapport avec l’organisation
macédonienne, <et s’il n’est pas disposé à contrarier ou à empêcher l’exé-
cution de ses projets, du moins il ne les encourage en aucune façon. Il
sait pertinemment, d’autre part, que s’il voulait partir en guerre contre la
Turquie, il ne serait soutenu par aucune Puissance et qu’il se lancerait
dans cette aventure à ses risques et périls. Mais s’il arrivait que le statu
quo fût rompu par une tierce Puissance, que l’Italie, par exemple, entre-
prit une action contre le territoire de la Turquie d’Europe, notamment
à Salonique, il serait presque impossible d’empêcher les Etats balkaniques
de faire avancer leurs troupes et, au besoin, ils soutiendraient les agita-
teurs de tout ordre en Macédoine, en vieille Serbie, en Albanie, afin d’y
entretenir des troubles et des révoltes.
A. de Panaf ieu.
Nr. 570.
M. Georges Louis, Ambassadeur de France à Saint-
Pétersbourg, à M. Raymond Poincaré, Président du
Conseil, Ministre des Affaires étrangères.1)
Saint-Pétersbourg, le 5 avril 1912.
M. Sazonoff m’a dit qu’il avait tout lieu de croire que, ni à Vienne,
ni à Berlin, on ne connaissait les arrangements récemment intervenus
entre la Serbie et la Bulgarie. Il considère qu'il y aurait de sérieux in-
convénients à ne pas les tenir secrets quant à présent. Il n’en a entre-
tenu que le Gouvernement français. Dans son Département, trois fonc-
tionnaires seulement en ont connaissance.
*) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 25.
12 Boghitschewitsch, Serbien II.
177
A mes questions sur la teneur de ces arrangements, le Ministre a
répondu:
1. Qu’il ne sagit, bien entendu, que d’une alliance strictement défen-
sive entre les deux parties contractantes;
2. Oue les Puissances d’où pourrait venir l’agression ne sont pas
nommées;
3. Que le premier arrangement ne contient pas de discernement con-
cernant le cas où il y aurait rupture du statu quo sans agression, et que
le second arrangement, qui porte que les parties contractantes ne doivent
rien entreprendre sans l’avis de la Russie, s’appliquerait à ce cas.
M. Sazonoff a ajouté: «Remarquez que la Russie n’a pris elle-même
aucun engagement.» «Mais que ferez-vous, lui ai-je demandé, dans les
cas prévus par votre questionnaire du i4 février?» — «Il va de soi, m’a
répondu le Ministre, que S’il y avait soit rupture du statu quo, démarche
active de l’Autriche en Albanie ou dans le Sandjak, soit agression d’une
puissance contre l’un des petits Etats balkaniques, notre opinion publique
s’agiterait et nous ne pourrions rester indifférents. C’est tout ce que
l’on peut dire à l’avance. La portée de notre intervention, les démarches
à effectuer ou les mesures à prendre dépendraient des circonstances.
En tout cas, nous entrerions en conversation avec vous avant toute dé-
cision.» Comme je rappelais que nous avions nous-mêmes toujours inter-
prété notre alliance en ce sens que toute initiative non prévue par le
pacte primitif impose aux deux aliés l’obligation préalable de se con-
certer dans ce cas, le Ministre des Affaires étrangères m’a dit qu’il ne
pouvait y avoir aucun malentendu et que la remise de son questionnaire,
de même que la communication qu’il venait de nous faire au sujet de
l’arrangement serbo-bulgare, étaient des preuves évidentes de ses in-
tentions.
Je me suis référé, en outre, aux entretiens qui ont eu lieu en décembre
1895, janvier 1896, entre le Prince Lobanof et M. de Montebello. M. Sa-
zonoff en avait certainement connaissance.
Le Ministre a repris: «Heureusement la situation se présente sous un
jour beaucoup moins inquiétant qu’il y a deux mois; l’Autriche a fait
des déclarations satisfaisantes et rien n’indique actuellement qu’elle
veuille agir en Albanie ou rentrer dans le Sandjak. Je m’en tiens à ces
constatations sans préjuger l’avenir. L’horizon s’est également éclairci
du côté de la Turquie. Les jeunes Turcs paraissent avoir compris les
périls que leurs divisions, en présence de l’étranger, faisaient courir à
l’Empire et à leur parti. Ils se sont ressaisis, leur succès électoral semble
certain, et la crise intérieure, envisagée dans mon questionnaire, n’appa-
rait plus comme probable. D’autre part, le rappel de M. Tcharikoff a
été pour les Jeunes Turcs un avertissement salutaire. Assim bey m’a
envoyé son secrétaire intime pour me dire, de sa part, en présence de
l’Ambassadeur de Turquie, que l’amitié de la Russie lui était plus pré-
178
cieuse que tout. La Porte nous a donné les apaisements nécessaires en
ce qui concerne Ourmia. Enfin, j’ai été frappé de la confiance avec
laquelle Busani, membre chrétien du Comité Jeune-Turc, m’a parlé des
efforts que ferait son parti pour assurer aux Chrétiens de toute race en
Macédoine un meilleur traitement.»
Il résulte bien nettement de cet exposé qu’il y a, dans les rapports
russo-turcs, comme me l’a dit Turkhan pacha dans une conversation ré-
cente, une détente très marquée.
M. Sazonoff pense que l’on peut envisager des perspectives encore
meilleures au point de vue russe. Il a en effet ajouté: «On a traité de
chimérique l’idée d’une fédération balkanique,, mais vous voyez qu’elle
est en marche. Je n’exclus pas, dans l’avenir, la possibilité d’une adhésion
de la Turquie elle-même.»
En terminant, le Ministre m’a prié de nouveau de vous dire qu’il
désirait que nos conversations restassent secrètes.
Ces conclusions se dégagent de ce que m’a dit M. Sazonoff :
1. Il adhère à notre interprétation de l’alliance, en ce sens que toute
initiative non prévue par le pacte primitif doit être précédée d’une con-
versation entre les deux Gouvernements: s’il y a entente, l’alliance pro-
duit ses effets; dans le cas contraire, l’initiative est aux seuls risques
du Gouvernement qui la prend.
2. La Russie ne poursuit aucune aventure dans les Balkans. Elle veut
le maintien du statu quo, et c’est pour cela qu’elle s’attache avant tout à
contenir d’une part l’Autriche et, d’autre part, la Turquie. J’ai toujours
indiqué que c’était le véritable objectif de son rapprochement avec l’Italie.
C’est aussi celui de la fédération balkanique qu’elle essaie de réaliser.
Dans les deux cas, elle emploie les mêmes méthodes: entente italo-russe
se transformant en une entente austro-hongroise-italienne-russe; entente
des petits Etats balkaniques entre eux, à laquelle on offrirait à la Turquie
d’adhérer ultérieurement.
Et toutes ces ententes se feraient sur la base du statu quo.
3. Mais si ces efforts échouaient, si le statu quo ne peut être maintenu,
la Russie ne laissera jamais régler en dehors d’elle les grandes questions
de l’Orient.
Ces conclusions ressortent si clairement du langage de M. Sazonoff et
sont en même temps si conformes à l’intérêt comme aux traditions de la
politique russe que nous pouvons, à mon avis, les considérer comme
traduisant exactement la pensée du Gouvernement impérial. Il me semble
non moins certains que notre intérêt, à tous les points de vue, serait
de donner à la Russie notre complet concours pour le maintien du
statu quo.
C’est seulement en recherchant un semblable terrain d’entente entre
les deux Gouvernements et en continuant nos conversations dans des
ï79
conditions de pleine confiance, qu'il nous sera possible d'agir sur la
Russie en temps utile, si les événements viennent à prendre une allure
inquiétante.
GeorgesiLouis.
Nr. 571.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in Paris.1)
Telegramm Nr. 63o.
St. Petersburg, den
2.4. März
6. April
I9Ï2.
Persönlich.
Zu meinem außerordentlichen Erstaunen erfuhr ich, daß G. Louis
augenscheinlich in einem chiffrierten Telegramm von Poincare mit dem
Inhalte der Mitteilung bekanntgemacht worden ist, die Sie dem franzö-
sischen Ministerpräsidenten auf Grund meines Telegrammes Nr. 58o
mündlich gemacht hatten, während doch diese Mitteilung nur zu seiner
persönlichen Inkenntnissetzung als Haupt einer verbündeten Regierung
und als Beweis unseres Vertrauens bestimmt war. Belieben Sie die Auf-
merksamkeit Poincares darauf zu richten, daß ein derartiges Verhalten
zu einem erstgradigen internationalen Geheimnis ernste Befürchtungen
für die Möglichkeit der ferneren Bewahrung dieses Geheimnisses er-
weckt.
Sasono w.
Pfr. 572.
Staatssekretär von Kiderlen an König Carol von
Rumänien über das Geheimnis des Balkanbundes.4)
Berlin, 15. April 1912.
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König,
Allergnädigster König und Herr!
Euer Königlichen Majestät wage ich es auch in diesem Jahre persön-
lich meine alleruntertänigsten und treugehorsamsten Wünsche zu Aller-
höchstdero Geburtsfeste zu Füßen zu legen in dankbarer Erinnerung an
die mir von Euer Majestät so vielfach erwiesene Gnade und wohlwol-
lende Gesinnung. Ein Jahr voll ernster Ereignisse liegt aufs neue hinter
Euer Majestät, und zu meinem größten und aufrichtigsten Bedauern * 2
1) Iswolski, Bd. II. Nr. a48, S. 79.
2) Ernst Jaeckh, Kiderlen-Wächter, Der Staatsmann und Mensch. II. Bd. S. i85f£.
180
habe ich vernommen, daß Euer Majestät Gesundheit in letzter Zeit
wieder zu wünschen übrig ließ. Ich möchte deshalb vor allem meine
ehrfurchtsvollen Wünsche dahin aussprechen, daß Gott Euer Majestät
Kraft und Gesundheit auch fernerhin verleihe zur Erfüllung Höchstdero
schwerer Herrscherpflichten und weiter, wie bisher, den Stern über Euer
Majestät gesegnete Regierung walten lasse, der bald ein halbes Jahr-
hundert für das Land Rumänien und für die Ruhe Europas so Großes
geleistet hat.
v Wenn mir Euer Majestät allergnädigst eine politische Betrachtung ge-
statten wollen, so möchte ich die politische Lage im Orient als nicht so
bedrohlich bezeichnen, wie dies vielfach geschieht — namentlich weil
Rußland weder ein Interesse noch — offensichtlich — auch den Wunsch
hat, im Orient Komplikationen hervorzurufen oder auch nur zu dulden.
Dies scheint mir schon aus der fast krampfhaften Art hervorzugehen, in
der sich die russische Regierung bemüht, den Frieden zwischen Italien
und der Türkei wiederherzustellen. An einen nahen Erfolg dieser Be-
mühungen kann ich schwer glauben; wir machen aber alles optima fide
mit, damit es nicht hinterher wieder heißt, das böse Deutschland habe
die schönsten Friedensbestrebungen der anderen Mächte am Erfolg ge-
hindert.
Die eifrigen Friedensbemühungen Rußlands, so sehr wir sie mit
Freuden begrüßen, dürften doch vielleicht auf einer Überschätzung des
Einflusses beruhen, den der Stand des italienisch-türkischen Zwistes auf
die Ruhe im Balkan hat. Da die Türkei durch eine Fortdauer des so-
genannten „Krieges“ wegen Tripolitaniens nur wenig in direkte Mit-
leidenschaft gezogen wird, und da sie insbesondere aus diesem Anlaß
auch noch nicht einen Mann vom Balkan wegzuziehen genötigt war,
dürfte — meines unmaßgeblichen Erachtens — der Einfluß der Fort-
dauer des „Kriegszustandes“ auf die allgemeine Lage im Balkan kein
allzu großer sein. Ob die Ruhe dort aufrechterhalten wird, dürfte viel-
mehr im wesentlichen von Rußlands Verhalten abhängen und von den
Balkanstaaten selbst, die aber kaum gegen eine direkte Order aus Peters-
burg losschlagen werden. Dabei wird eine ausschlaggebende Rolle, wie
bisher, stets in der Hand Euer Majestät bleiben.
Es ist auffallend, daß — wie ich aus manchen Anzeichen ersehe —
auch nach Aehrenthals Tod, dem nun einmal die bosnische Sache nicht
vergeben werden konnte, das Mißtrauen gegen Österreich-Ungarns Pläne
im Orient in St. Petersburg anhält. Man versieht sich dort offenbar
seitens dieser Monarchie allerlei aggressiver Pläne, insbesondere gegen
Serbien, vielleicht auch Albanien.
Wir haben in dieser Beziehung soeben eine sehr charakteristische
mündliche Mitteilung aus absolut sicherer Quelle erhalten. Es ist zwi-
schen Bulgarien und Serbien unter den direkten Auspizien von Rußland
ein geheimer Bündnisvertrag abgeschlossen worden. Der Vertrag ist be-
181
stimmt, „zu gemeinsamer Verteidigung und zum Schutze der beiderseiti-
gen Interessen für den Fall einer Verletzung des Status quo auf der Bal-
kanhalbinsel, sowie für den Fall, daß eine dritte Macht auf eine der
beiden verbündeten Mächte einen Überfall unternimmt“.
Der Zweck, den Rußland bei Vermittlung des Vertrags verfolgt hat,
geht aus einer ihm anhängenden Klausel hervor, nach der sich die beiden
Vertragschließenden gegenseitig verpflichten: „vor irgendeinem aktiven
Vorgehen die Meinung Rußlands einzuholen“.
Mit Rücksicht auf unsere absolut sichere, aber ebenso geheim zu
haltende Quelle, die wir unter gar keinen Umständen kompromittieren
dürfen, ist uns absolute Verschwiegenheit nach außen hin auferlegt. So-
bald ein Durchsickern der Nachricht irgendwie auf uns hindeuten würde,
könnte unsere Quelle in Gefahr geraten. Ich bedauere das insofern, als
wir wissen, daß auf Geheimhaltung gerade in Petersburg der allergrößte
Wert gelegt wird. Vielleicht erfahren Euer Majestät aus Sofia oder Bel-
grad etwas, das als dortige Indiskretion in die Öffentlichkeit dringen
könnte, zur Verbesserung der Beziehungen unter den drei Verschwörern
würde das sicher nicht beitragen I
Ich nehme aber an, daß auch diese Abmachungen von Rußland nur
als Mittel gedacht sind, die Balkanstaaten in der Hand zu behalten und deren
eigenmächtiges Vorgehen zu verhindern. Der wesentlichste Einfluß auf
Bulgariens Verhalten wird nach wie vor der Politik Euer Majestät ver-
bleiben.
Von unserer geheimen Nachricht habe ich weder Euer Majestät Ge-
sandten am hiesigen Hofe noch den Kaiserlichen Vertreter bei Euer
Majestät unterrichtet. Ich habe es aber doch für meine Pflicht gehalten,
Euer Majestät Allerhöchst persönlich von dem bemerkenswerten Vor-
gänge ehrfurchtsvoll Kenntnis zu geben.
Unsere Besprechungen mit England schreiten nur sehr langsam vor-
wärts. Sie werden aber in offener und freundschaftlicher Weise weiter-
geführt. Wir denken, zunächst mit Verständigungen auf kolonialem
Gebiet den Anfang zu machen.
Möge trotz aller unruhigen und friedensstörenden Elemente im Balkan
auch in diesem Jahre Euer Majestät Land und uns allen der Frieden
erhalten bleiben! Er dürfte gerade auch für Rumänien erwünscht sein,
über dessen zunehmende Prosperität in den letzten Jahren ich in alter
Anhänglichkeit mit so viel Freude nur Günstiges erfahren habe; nament-
lich höre ich mit Bewunderung von der zunehmenden Kapitalkraft des
Landes, einem weiteren Erfolge der ausdauernden Fürsorge Euer Maje-
stät für Allerhöchstdero Land, zu dem ich meine alleruntertänigsten
Glückwünsche ausspreche.
Euer Majestät wollen mir allergnädigst gestatten, die Gefühle, die
mich bei Allerhöchstdero Geburtsfest bewegen, nochmals in die ebenso
ehrfurchtsvollen, wie aus dankbarem und treuanhänglichem Herzen kom-
182
menden Wünsche zusammenzufassen, die ich für Euer Majestät und
Ihrer Majestät der Königin Gesundheit und Wohlergehen, sowie für das
fernere Gedeihen des ganzen Königlichen Hauses und des Landes Ru-
mänien hege.
In treuer und dankbarer Anhänglichkeit und in tiefster Ehrfurcht
verharre ich als
Euer Königlichen Majestät alleruntertänigster,
treugehorsamster Diener
Kid'erlen.
Nr. 573.
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères, à M. Georges Louis,
Ambassadeur de France à Saint-Pétersbourg/)
Paris, le i3 mai 1912.
Au cours de ma dernière audience diplomatique, l'Ambassadeur de
Russie m'a entretenu du questionnaire secret dont le Ministre des
Affaires étrangères de l’Empereur vous a saisi le i4 février dernier.
La réoccupation du Sandjak de Novi-Bazar par l’Autriche-Hongrie
est, de toutes les éventualités, celle que le Gouvernement impérial estime
la plus urgente à examiner pour les deux Puissances alliées. Une note,
qui m’a été remise par M. Iswolsky, précise en ces termes la pensée du
Gouvernement russe: «Après les assurances verbales et écrites données,
à plusieurs reprises, par le Cabinet de Vienne, il n’y a pas lieu de
soupçonner celui-ci de nourrir actuellement un pareil
projet. M. Sazonoff est persuadé que si l’Autriche entreprend une
action dans le sens susindiqué, elle ne le fera pas spontanément, mais en
guise de réponse à une infraction quelconque du statu quo, soit en
Albanie, soit du côté des Etats slaves.» La conclusion de M. Sazonoff
est que la France et la Russie devraient s’entendre «à l’effet de soumettre
l’affaire et ses causes déterminantes à la délibération collective de
l’Europe». Les deux Puissances alliées s’efforceraient ensuite d’associer
l’Angleterre à leur entente. M. Sazonoff exprime enfin le vœu que les
Représentants de la France et de la Russie à Vienne exercent une
vigilance particulière afin de ne pas se laisser surprendre par une
initiative de l’Autriche-Hongrie «et de pouvoir, le cas échéant, rendre en
temps utile le Cabinet de Vienne attentif aux conséquences de son action».
J’ai répondu à M. Iswolsxy que j’acquiesce pleinement à la proposi-
tion du Gouvernement impérial. «Toutefois, ai-je ajouté, il ne suffit pas
*) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 35.
i83
que la vigilance des Agents français et russes s’exerce à Vienne; il n’est
pas moins nécessaire qu’elle s’applique à dépister les intrigues des Etats
balkaniques, dont l’activité turbulente risque d’entrainer, par contre-coup,
une action de l’Autriche-Hongrie dans le Sandjak. L’appel à l’Europe
devrait se produire aussitôt que le statu quo de la Péninsule serait menacé
par le fait d’un des Etats slaves; ce serait trop tard de n’en appeler à
l’Europe que pour répondre à une action subséquente du Cabinet de
Vienne.»
M. Iswolsky a reconnu la justesse de mon argumentation et m’a pro-
mis de la faire connaître au Ministre des Affaires étrangères de l’Em-
pereur. Vous voudrez bien vous en inspirer pour vos entretiens avec
M. Sazonoff. Raymond Poincaré.
Nr. 574.
M. Jules Cambon, Ambassadeur de France à Berlin,
àM.Raymond Poincaré,Président du Conseil,Ministre
des Affaires étrangères.1)
Berlin, le i5 mai 1912.
Le Chargé d’affaires de Serbie1 2) qui rentre de Belgrade est venu me
voir. Il m’a parlé de la situation des Balkans. Les agitations qui com-
mencent en Albanie sont inquiétantes, mais d’après lui l’accord le plus
complet existe entre la Serbie, la Bulgarie et la Grèce. Ces puissances
seraient résolues à ne rien faire qui puisse troubler les Balkans, mais
elles agiraient de concert si la situation était modifiée.
Jules Cambon.
Nr. 575.
M. de Saint-Aulaire, Chargé d’affaires de France à
Vienne, à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.3)
Vienne, le 16 mai 1912.
J’ai pris connaissance avec beaucoup d’intérêt des renseignements très
confidentiels que Votre Excellence a bien voulu m’adresser le 8 de ce
mois sur la conclusion de deux accords secrets entre la Serbie et la
Bulgarie.
1) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 36.
2) Boghitchévitch.
3) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 37.
i84
J'ai l’impression que ces accords ne sont pas soupçonnés à Vienne.
Je crois même que, si fe bruit s’en répandait, on commencerait par le
trouver dénué de toute vraisemblance. En effet, tous les collègues ou
fonctionnaires du Ballplatz avec qui j’ai pu m’entretenir, en termes
très généraux, des rapports de la Serbie et de la Bulgarie, estiment que
leur rivalité en Macédoine exclut la possibilité d’un rapprochement entre
elles. Tel est notamment l’avis exprimé par l’Ambassadeur de Russie,
qui m’a paru ignorer l’existence desdits accords. Peut-être, le Gouverne-
ment russe, redoutant l’effet que leur révélation produirait ici, a-t-il jugé
plus prudent de ne pas en instruire son Ambassade à Vienne.
Comme l’écrit notre Ambassadeur à Constantinople, ces accords ont
peu d’importance en eux-mêmes, l’expérience démontrant qu’ils ne ré-
sisteraient pas à l’épreuve des faits. Mais, le jour où ils seront connus,
l’Autriche-Hongrie y verra plus qu’une tentative de revanche de la Russie
contre l’annexion de la Bosnie-Herzégovine. Si ces accords n’étaient que
cela, ils devraient être publics; or le mystère qui les entoure leur donnera
le caractère d’une sombre machination contre le Cabinet de Vienne. Les
relations austro-russes deviendront alors aussi difficiles qu’en 1908.
Selon le degré de tension qui en résultera, nous devrons ou non nous en
féliciter. Pour concilier, en effet, l’intérêt de la paix générale et celui qui
s’attache pour nous à nourrir l’alliance franco-russe par la rivalité
austro-russe, nous devons souhaiter voir les rapports des Cabinets de
Vienne et de Saint-Pétersbourg se maintenir à égale distance entre l’en-
tente et la crise.
On peut regretter que les accords serbo-bulgares aient été conclus sous
les auspices de la seule Russie et que la France et l’Angleterre en aient
seulement été avisées. Leur intervention leur eût assuré un droit de
contrôle et une garantie contre la politique obscure et fébrile de M. Sa-
zonoff. D’un autre côté, mieux vaut, je crois, ne pas être associé à la
responsabilité d’une pareille politique. En outre, la prudence nous con-
seille de rester en dehors de toutes tractations politiques avec le Tsar
Ferdinand. En nous y mêlant, nous nous exposerions à souffrir de sa
duplicité plus que nous ne serions à même d’y remédier.
C’est du moins la conclusion qu’impose le souci de nos bonnes rela-
tions avec l’Autriche. A ce point de vue, je signalerai l’intérêt qu’il y a,,
si, comme l’indiquent certaines informations, un emprunt bulgare doit
être conclu à Paris, à éviter l’apparence de tout lien entre cette opéra-
tion et la politique russo-bulgaro-serbe.
18S
Saint-Aulaire.
Nr. 576.
Telegramm des russischen Aussenministers an den
russischen Botschafter in London1)
vom 16./29. Mai 1922.
Nr. ioi3.
Ich erfahre aus ganz geheimer Quelle, Sir R. Rodd habe nach einer
Unterredung mit Grey Imperiali erklärt, die englische Regierung werde
keine Initiative zur Beendigung des Krieges ergreifen, doch sei sie sehr
geneigt, sich mit Deutschland zu verständigen, wenn eine derartige Ini-
tiative von Berlin aus erfolgen sollte. Ich bitte Sie, ganz vertraulich fest-
stellen zu wollen, ob diese Nachricht richtig ist.
Sasonow.
Nr. 577.
Streng vertrauliches Schreiben des russischen Außen-
ministers an den russischen Gesandten in Sofia2)
vom 17./3o. Mai 1912.
Die Ankunft einer besonderen bulgarischen Mission, an deren Spitze
sich Danew befand, nach Jalta, hat mir die Möglichkeit gegeben, mich
mit ihm über die hauptsächlichsten internationalen Bulgarien berühren-
den Fragen auszusprechen.
Danew hat die Unteiredung mit ziemlich bewegten Ausführungen be-
gonnen. Er wies darauf hin, wie schwer es infolge der großen Finanz-
last für Bulgarien sei, sich in beständiger Kriegsbereitschaft zu befinden,
ohne dabei die Möglichkeit zu haben, die Schwierigkeiten, mit denen
jetzt die Türkei zu kämpfen habe, auf diplomatischem Wege auszu-
nutzen. Eine ganz schnelle Lösung der jetzigen unbestimmten Lage in
Mazedonien sei deshalb sehr wichtig für Bulgarien, weil infolge der tür-
kischen Maßnahmen in diesem Gebiete das dortige bulgarische Element
immer mehr an Boden verliere. Angesichts dieser Lage stellten sich viele
in Bulgarien die Frage, ob es nicht die infolge ihrer nationalen Zusam-
mensetzung zu Bulgarien strebenden türkischen Gebietsteile mit Waffen-
gewalt an sich bringen solle. Es ist mir nicht schwer gefallen, Danew
zu beweisen, wie wenig ein aktives Vorgehen Bulgariens und die sich
hieraus ergebenden allgemeinen Verwicklungen auf dem Balkan der rus-
sischen öffentlichen Meinung und unserer Regierung gefallen würden,
und wie unwahrscheinlich es sei, daß die Ereignisse für Bulgarien im
x) Benckendorff. Bd. II. Nr. 616, S. 876.
*) Benckendorff. Bd. II. Nr. 618, S. 377ff.
186
Falle eines allgemeinen Zusammenstoßes eine günstige Wendung näh-
men. In den folgenden Unterredungen habe ich Danew in dieser Be-
ziehung etwas ruhiger gefunden.
Was die unmittelbaren russisch-bulgarischen Beziehungen anlangt,
speziell den Abschluß einer Militärkonvention zwischen Rußland und
Bulgarien, so versuchte Danew mich davon zu überzeugen, wie wün-
schenswert es sei, das Wilajet von Adrianopel in die Bulgarien überlassene
Interessensphäre mit einzubeziehen. Ich erwiderte, daß Adrianopel nicht
zum Gebiet Bulgariens, wie es im Vertrage von San Stefano umgrenzt
worden wäre, gehöre, und daß außerdem im Falle der Verwirklichung
der bulgarischen nationalen Bestrebungen Adrianopel seine jetzige Be-
deutung eines türkischen Vorpostens verlieren werde, da in diesem Falle
die Türkei selbst zu einer Macht zweiten Ranges herabsinken werde.
Sodann bat Danew, wir sollten möglichst bald unsere Zustimmung ?ur
Abänderung der Kapitulationen geben, wobei es zu wünschen wäre, daß
Österreich uns in dieser Frage nicht zuvorkomme. Ich habe mich einer
bestimmten Antwort enthalten und nur angedeutet, daß eine günstige
Lösung dieser Frage teilweise von Bulgarien selbst abhinge.
Ferner hat Danew verlangt, wir möchten den Abschluß eines Zoll-
bundes mit Serbien fördern, desgleichen einen engen kameradschaft-
lichen Verkehr zwischen den Offizieren der russischen und bulgarischen
Armee zulassen. Ich habe die Erfüllung dieser beiden Wünsche in Aus-
sicht gestellt. Danew beklagte sich über die angebliche Unaufrichtigkeit
französischer Regierungs- und Finanzkreise in der Frage einer großen
bulgarischen Anleihe in Paris. Ich habe versprochen, die bulgarischen
Bestrebungen durch unseren Botschafter in Paris unterstützen zu lassen,
und seitdem haben in der Tat die Erklärungen Iswolskis günstige Re-
sultate für Bulgarien gezeitigt. Sodann besprachen wir die Beziehungen
Bulgariens zu den andern Balkanstaaten. Hinsichtlich Rumäniens be-
tonte Danew mit Unwillen, daß alle Versuche, die gegenseitigen Be-
ziehungen vertrauensvoller und freundschaftlicher zu gestalten, erfolglos
geblieben seien, und daß Bulgarien zu zweifeln anfange, ob es je möglich
sein werde, ein solches Resultat zu erzielen. Immerhin würden zwischen
beiden Königreichen Verhandlungen in der speziellen Frage der Donau-
schiffahrt geführt, um zu versuchen, den beständigen österreichischen
Einmischungen vorzubeugen. Übrigens erwähnte Danew, daß Österreich
bereit sei, einen bulgarischen Vertreter in der Donaukommission zuzu-
lassen, der Zulassung eines serbischen Vertreters jedoch seine Einwilli-
gung verweigere.
Mit Griechenland führe Bulgarien schon seit einiger Zeit Verhandlun-
gen über den Abschluß eines defensiven Bündnisses, welches sich jedoch
nicht auf die Möglichkeit eines Konfliktes zwischen Griechenland und der
Türkei Kretas wegen beziehe. Danew gab zu, daß es außerordentlich
schwer sei, eine Einigung in der Frage der Abgrenzung der gegen-
187
seitigen Interessensphären in Mazedonien za erzielen; ebenso biete die
Kirchenfrage Schwierigkeiten. Er fügte hinzu, daß Bulgarien diese
Verhandlungen geheim hielte, und daß Griechenland seinerseits
keine Kenntnis von dem Bestehen eines serbisch-bulga-
rischen Bündnisses habe. Ich habe natürlich diese Zurückhaltung
unter den obwaltenden Verhältnissen gebilligt.
Hinsichtlich Montenegros besprachen wir die Möglichkeit, dieses Land
an dem serbisch-bulgarischen Bündnisse teilnehmen zu lassen. Ich be-
tonte, daß ich ein solches Vorgehen für einen Fehler halten würde, da
zwischen Montenegro und Serbien offene Feindschaft bestehe, und ein
jeder politischer Vertrag unaufrichtig sein würde, abgesehen davon, daß
ein derartiges Bündnis sofort Österreich bekannt werden würde.
Sehr interessant war für mich die kategorische Behauptung Danews,
daß Österreich im Jahre 1908 versucht habe, Bulgarien auf seine Seite
hinüberzuziehen, und zwar durch das Versprechen der Überlassung Maze-
doniens und die Hoffnung, Serbien unter sich aufzuteilen. Die Bulgaren
hätten diese Eröffnung zurückgewiesen, und in dieser Beziehung sei das
bulgarische Volk mit dem König durchaus einig. Überhaupt hätte König
Ferdinand in letzter Zeit seine Gefühle zu Serbien und König Peter
verändert. S a s o n o w.
Nr. 578.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an den Minister des Äußern Sasanow in Petersburg.1)
22. Mai
—7----r- IOI2.
4. Juni y
Streng vertraulich.
Wie ich seinerzeit die Ehre hatte mitzuteilen, sind die Chefs der ser-
bischen und bulgarischen Generalstäbe Ende des vergangenen Monats
nach Bukowo bei Negotin zur Beratung über eine serbisch-bulgarische
Militärkonvention gereist. Der erste Entwurf dieser Konvention, der von
der serbischen Regierung ausgearbeitet und von Herrn Spalaikowitsch
Herrn Geschow vorgelegt worden war, fand grundsätzlich keine Ein-
wände seitens der Bulgaren; Schwierigkeiten tauchten nur bei der Frage
des gemeinsamen Kommandos auf aus Gründen, die ich aus-
führlich in der Depesche vom 24. April Nr. 23 hervorgehoben habe.
Die Beilegung dieser Schwierigkeiten ist den höchsten und kompeten-
testen Offizieren beider Armeen übertragen worden.
General Putnik und Generalmajor Fitschew haben ihre Aufgabe mit
Erfolg gelöst und der neu von ihnen ausgearbeitete Entwurf der Kon-
x) Russische Dokumente. S. 289.
Nr. 29.
Belgrad, den
188
vention ist bereits am 29. des verflossenen April unterzeichnet worden.
Die serbische sowohl wie auch die bulgarische Regierung waren mit der
Arbeit der genannten Generale durchaus zufrieden. Selbstverständlich
zögerte König Peter keinen Augenblick, einen so wichtigen Kriegsakt zu
ratifizieren. Dann aber kamen lange Tage und Wochen, während derer
die serbische Regierung mit nicht geringer Unruhe den endgültigen
Beschluß König Ferdinands in dieser Sache erwartete.
Wie Spalaikowitsch berichtete, führt der bulgarische Monarch in
letzter Zeit ein äußerst zurückgezogenes Leben und verbringt bisweilen
ganze Wochen auf seinem Gut, wohin sogar die Minister zum Vorträge
nicht zugelassen werden. Dadurch erklärte Geschow die Verzögerung
der Ratifikation, versicherte jedoch, daß er nicht daran zweifle, daß der
König seine Zustimmung geben werde, und daß er nur den ausführlichen
Bericht des Generals Fitschew über die Beratungen in Bukowo erwarte.
Dieser Tage endlich erhielt die serbische Regierung aus Sofia die
Nachricht, daß die Ratifikation der Militärkonvention erfolgt sei. Das
bulgarische Exemplar ist von dem gestern in Belgrad eingetroffenen
Herrn Spalaikowitsch herübergebracht worden. Der Vorsitzende des
Ministerrats hat mir dieses Aktenstück behufs Anfertigung
einer Abschrift liebenswürdigerweise übergeben; diese
Abschrift beeile ich mich in russischer Übersetzung Eurer Hohen Exzel-
lenz zur geneigten Kenntnisnahme zu überreichen.
Um Zeit zu ersparen, habe ich persönlich eine wörtliche Übersetzung
nur von den ersten 8 besonders wichtigen Artikeln und dem letzten, dem
XIV. Artikel, angefertigt. Die übrigen Artikel (vom IX. bis XII.), die
sich auf nebensächliche Fragen beziehen, werden nur kurz referiert.
Auf diese Weise ist das Freundschafts- und Bündnisabkommen zwi-
schen Serbien und Bulgarien, das unerreichbar schien, in vollem Um-
fange glücklich verwirklicht worden.
Empfangen Sie, sehr geehrter Herr, die Versicherung meiner tiefsten
Hochachtung und Ergebenheit.
gez. Nik. Hartwig.
Nr. 579.
Der russische Botschafter in Paris an den russischen
Außenminister.x)
Streng vertraulicher Brief.
Paris, den
24. Mai
6. Juni
Í9Í2.
Der bulgarische Finanzminister Todorow hat einige Tage hier zuge-
bracht, um mit der französischen Regierung und den französischen Ban-
ken die geplante Anleihe zu besprechen. Gemäß den erhaltenen Weisun-
189
x) Iswolski. Bd. II. Nr. 317, S. i4o.
gen habe ich in dieser Beziehung ihn sehr unterstützt und Todorow hat
Paris sehr befriedigt verlassen.
Während die französische Regierung bei dem vorigen Versuche, eine
Anleihe ,auf dem Pariser Markte abzuschließen, besondere Sicherheiten
von Bulgarien verlangte, haben Poincare und Klotz jetzt den Banken in
dieser Frage ganz freie Hand gelassen. Todorow hat diese kitzliche
Frage offenbar ganz befriedigend gelöst. Es wurde weiter beschlossen,
daß die Anleihe im Oktober ausgegeben wird, daß' aber schon vorher
die Banken der bulgarischen Regierung die erforderlichen Vorschüsse
geben werden.
Am Tage vor seiner Abreise aus Paris hat Todorow mich besucht, um
mir für die geleistete Unterstützung warm zu danken. Dabei hat er aus
eigener Initiative die Lage im nahen Orient berührt und mir folgende
Erwägungen vorgelegt, die mich durch ihre Wichtigkeit und Offenheit
betroffen machten:
Er ist überzeugt, und diese Ansicht wird auch von den anderen Mit-
gliedern der bulgarischen Regierung geteilt, daß eine schnelle Beendi-
gung des italienisch-türkischen Krieges ganz und gar nicht im Interesse
Bulgariens Hege. Der gegenwärtige Streit dürfte letzten Endes die beiden
Staaten außerordentiich schwächen, und beide gehören zu den Mächten,
die grundsätzhch dem Slawentum und den slawischen Balkanstaaten
feindhch sind. Die Führer aller politischen Parteien Bulgariens sind der
Ansicht, eine ähnliche Konjunktur werde sich auf lange
hinaus nicht wiederholen, und Bulgarien würde infolgedessen
einen unverzeihHchen Fehler begehen, wenn es keinen Versuch unter-
nähme, diese Gelegenheit zur Erreichung seiner historischen Ziele aus-
zunutzen. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die bulgarische Regierung
gegen eine Konferenz zum Versuch, dem itahenisch-türkischen Konflikt
ein Ende zu machen. Eine Konferenz werde erst notwendig sein, wenn
die Ereignisse sich weiter entwickelt hätten und die Fragen auf getaucht
sein würden, deren Lösung von Europa abhänge.
Diese Haltung Bulgariens dem Kriege gegenüber braucht, nach To-
dorow, in Rußland keine Unruhe zu erwecken. Die Regierung Geschows
sei stark genug abwarten zu können, bis ein günstiger Augenblick sich
biete. Die bulgarische Regierung erblicke ihre unmittelbare Aufgabe
darin, einen Aktionsplan gemeinsam mit den anderen Balkanstaaten
aufzustellen. Das Bündnis mit Serbien sei der erste Schritt in dieser
Richtung. Augenblicklich müßten alle Anstrengungen gemacht werden,
um zu erreichen, daß Rumänien sich nicht dem Vorgehen Bulgariens
nach Süden widersetze, und Todorow glaubt, es werde möglich sein, um
den Preis einer Grenzberichtigung bei SiKstria zu diesem Ergebnis zu
gelangen.
Außerdem fänden in diesem Augenblick Besprechungen mit Griechen-
land statt, die höchstwahrscheinlich zu einer Vereinigung der Interessen
Bulgariens und Griechenlands führen würden. Die bulgarische Regie-
rung sei fest entschlossen, keine Schritte zu tun, die Rußland gegen
seinen Willen zu militärischen Maßnahmen veranlassen
würden, aber andererseits müsse Rußland Bulgarien die Freiheit
lassen, gemäß dem Lauf der Ereignisse und etwa sich bietenden, gün-
stigen Umständen diesen oder jenen Beschluß zu fassen, ohne die Mög-
lichkeit eines gemeinsamen Vorgehens mit Italien aaszuschließen, das
bereits Andeutungen in diesem Sinne gemacht habe.
Bulgarien gebe zu, daß Konstantinopel und die Meerengen dem spe-
ziellen Interessenkreis Rußlands angehörten und ziehe die Möglichkeit
in Betracht, daß wir uns solange fernhalten könnten, als diese Interessen
nicht berührt würden. Das würde sogar für Bulgarien vorteilhaft sein,
weil eine abwartende Haltung Rußlands auch Österreich
verhindern würde, sich in die Angelegenheiten zu mi-
schen: die allgemeine Klärung der Lage würde Sache Europas sein,
voraussichtlich auf einem Kongreß oder einer Konferenz, wo Rußland
nicht nur von Frankreich und England, sondern auch von Italien unter-
stützt werden würde.
Vorstehendes gibt so genau wie möglich die langen Auseinandersetzun-
gen Todorows wieder. Nachdem ich ihm aufmerksam zugehört hatte,
antwortete ich ihm, daß ich mich eines grundlegenden Urteils enthalten
wolle, Ihn aber darauf aufmerksam machen möchte, wie schwierig es
sei, seinen Plan auszuführen, besonders in betreff Österreichs, das sich,
selbst wenn wir passiv blieben, kaum einer aktiven Intervention enthalten
würde. Auf meine Frage: „Was hält König Ferdinand von diesem
Plan?“ antwortete Todorow, der König habe in der letzten Zeit die
wahrhaften historischen Aufgaben Bulgariens begriffen
und sei mit seinem Volk und seiner Regierung eines Sinnes. Den Beweis
dafür bilde seine Einwilligung in das bulgarisch-serbische Bündnis. An-
dererseits dürfen wir es nicht aus den Augen verlieren, daß er im kri-
tischen Augenblick jede Hand ergreifen wird, die ihm Hilfe anbietet.
Das aber müßten wir notwendig im Auge behalten.
Die Gedanken, die mir Todorow darlegt, verdienen, wie mir scheint,
um so mehr Beachtung, als er, wie ich weiß, eines der tätigsten und ein-
flußreichsten Mitglieder des Kabinetts Geschows ist. Wie Ihr Brief an
A. B. Nekludow zeigt, hat Danew auch damit begonnen, daß er
Ihnen erklärte, es sei notwendig, die jetzigen Schwierigkeiten
der Türkei auszunutzen. Ich weiß nicht, ob er in seiner Auf-
richtigkeit so weit gegangen ist wie Todorow. Aus privater, aber wohl-
unterrichteter Quelle weiß ich, daß er sich sehr über die kalte Dusche
beklagt hat, die er von Ihnen erhielt und daß er während seines Auf-
enthaltes in Petersburg bemüht war, Sympathien für die bulgarischen
Bestrebungen in der Gesellschaft und in der Presse zu erwerben. Wie
dem auch sei, ich glaube nicht, daß die Bekenntnisse Todorows nur
*9*
zufällig gemacht wurden, sondern daß er uns auf eine aktive
Politik Bulgariens vorbereiten wollte. Aus Paris ist er auf
Antrieb Geschows nach Wien gegangen und wahrscheinbch fährt er von
dort nach Moskau. Ich habe ihm energisch empfohlen, seine Anwesen-
heit in Rußland zu benutzen, um Sie aufzusuchen und Ihnen mit glei-
cher Offenheit alles zu wiederholen, was er mir gesagt hat.
Wenn Bulgarien wirklich die auswärtigen Verhältnisse im nahen
Orient so oder so auszunutzen entschlossen ist, muß befürchtet werden,
daß für den Fall der vom bulgarischen Standpunkt aus verfrühten Be-
rufung einer Konferenz, Bulgarien künstlich irgendeinen Zwischenfall
herbeiführen wird, um die Konferenz zu nötigen, den Umfang ihrer
Tätigkeit zu erweitern. Als ich mit Poincare die Frage der Konferenz
erwog, habe ich nicht unterlassen, ihn auf diese Gefahr hinzuweisen,
ohne ihn natürlich in die Pläne Todorows einzuweihen.
Iswolski.
Nr. 58o.
M. Hermite, Chargé d’affaires de France à Berlin,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.1)
Berlin, le 8 Juin 1912.
L'indication relative à la conclusion d’un accord politique serbo-bulgare
insérée dans le «Temps» du 7 mai a causé à Berlin, au premier moment,
une surprise marquée.
Si l’existence d’un tel accord commençait à être soupçonnée ici, très
peu de personnes en tout cas devaient avoir des informations à son sujet.
Aujourd’hui toutes cherchent à s’enquérir et à tâcher de vérifier le bien-
fondé de leurs suppositions. On se demande surtout ce qui s’est dit à
Potsdam entre le Roi de Bulgarie et l’Empereur ou le Gouvernement
impérial à propos de cet accord.
Le lendemain de la publication de la note du «Temps», la «Gazette de
Cologne» l’a relevée dans un télégramme officieux qui se termine par ces
mots: «...que le Roi de Bulgarie soit venu chercher l’approbation de
l’Allemagne et de l’Autriche à des plans agressifs, c’est une idée à
exclure, étant donnés la compréhension politique et le tact du Roi.»
Les termes de ce télégramme ne touchent pas la question de l’existence
même de l’accord serbo-bulgare; ils visent seulement ses conséquences
et marquent, comme on pouvait le prévoir, que l’Allemagne ne peut
qu’être très hostile à un tel accord. On pense généralement que le Roi
de Bulgarie a dû déplorer, quant à lui, les publications qui ont attiré
l’attention d’une façon plus précise sur cette question à l’heure même
de son arrivée en Allemagne. Hermite. *)
*) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 3g.
192
Nr. 58i.
M. Dumaine, Ambassadeur de France à Vienne,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.*)
Vienne, le io Juin 1912.
Une personne dont les renseignements sont très sûrs vient de m’affir-
mer que, au point de vue commercial ou économique, aucun arrange-
ment n’a été conclu entre la Serbie et la Bulgarie. Mais ce dont mon
informateur se dit tout aussi assuré, c’est que l’entente qui a rapproché
ces deux Puissances s’étend à la Grèce et au Monténégro; en vertu de
ce pacte, négocié verbalement entre les quatre Gouvernements, il serait
spécifié que, dès que l’un d’eux entrerait en conflit avec la Turquie,
les trois autres lui viendraient aussitôt en aide. Sous une apparence
plustôt défensive, cette alliance devrait également produire ses effets dans
le cas où l’un des quatre «conjurés» s’estimerait obligé d’aller de l’avant
par ¡suite de n’importe quel incident de frontière toujours facile à faire
naître.
Une pareille combinaison, qui se présente comme fort inquiétante pour
le maintien de la paix, étant donné surtout que l’armée et la population
bulgares sont animées d’une ardeur belliqueuse que le Tsar Ferdinand
pourrait ne pas contenir, ne paraissait pourtant pas troubler mon offi-
cieux interlocuteur autrichien autant que je m’y serais attendu.
Dulniaine^
Nr. 582.
Bericht des russischen Gesandten in Sofia
an den russischen Außenminister2)
vom 7./20. Juni 1912.
Nr. 16.
Nach Sofia zurückgekehrt, hat mir Geschow mitgeteilt, daß das Ab-
kommen zwischen Bulgarien und Griechenland unterzeichnet sei. Der
ungefähre Inhalt dieser Übereinkunft ist in meinem Telegramm vom
1. Mai mitgeteilt worden. Die bulgarische Regierung hat diejenigen Aus-
drücke nicht verändert, auf deren Unzulänglichkeit und Gefahr ich in
Ihrem Aufträge Geschows Aufmerksamkeit gelenkt hatte. Wie Sie
wissen, hat Geschow auf unsere Bemerkungen Entgegnungen gemacht,
denen eine gewisse Bedeutung nicht abzusprechen ist. Aber ich weiß,
1) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 4o.
2) Benckendorff. Bd. II. Nr. 635, S. 4oo.
ig3
13 Boghitschewitsch, Serbien II.
daß der bulgarische Außenminister, selbst wenn er gewollt hätte, die
Veränderungen im Texte nicht hätte vornehmen können, da dies die
Unterzeichnung des Abkommens verzögert hätte; inzwischen verlangte
aber König Ferdinand aufs energischste die möglichst schnelle Unter-
zeichnung, und seine Ansicht wurde von einigen Kabinettsmitgliederrx
und von allen höheren Militärs geteilt.
Trotzdem glaube ich nicht, daß dieses Abkommen zu ernsten Ver-
wicklungen auf dem Balkan führen wird. Das alte Mißtrauen, das zwi-
schen Bulgarien und Griechenland besteht, wird durch einen einzelnen!
diplomatischen Akt nicht beseitigt, und jeder Teil ist vor allem darauf
bedacht, durch den andern nicht in ein gefährliches Abenteuer hinein-
gezogen zu werden, ohne die Gewißheit eines reichen Gewinnes im Falle
des Erfolges zu haben. Andererseits ist das griechisch-bulgarische Ab-
kommen ein günstiger Faktor, welcher nicht allein die entsetzlichen
blutigen Zusammenstöße zwischen den beiden orthodoxen Nationalitäten
in Mazedonien verhindert, sondern auch zur Herstellung des Friedens
und eines gewissen Einvernehmens dienen kann. Es ist jedenfalls
ein großer Schritt vorwärts...
N ekl j udlow.
Nr. 583.
Der russische Botschafter in Paris an den russischen
Außenminister.*)
Brief. Paris, den 7./20. Juni 1912.
Poincare hat mir vom Besuch des Königs von Bulgarien in Wien
und in Berlin gesprochen und seiner Beunruhigung über die Zwecke und
den Charakter des Besuchs Ausdruck gegeben. Die dem König erwie-
senen Ehren haben ihn überrascht und unwillkürlich ist in ihm der Ver-
dacht aufgetaucht, dies seien Anzeichen für eine von dem König im
geheimen Deutschland und Österreich gegenüber eingegangene Ver-
pflichtung.
¿„Sie wissen/' sagte er mir, „daß die französische Regierung die bul-
garische Anleihe in Paris nur deswegen zu erleichtern geneigt war, weil
die russische Regierung ihr erklärte, daß Bulgarien, nachdem es ein ge-
heimes Übereinkommen mit Serbien getroffen habe, fest entschlossen
sei, sich an die Seite der Entente zu stellen. Glauben Sie nicht, daß wir,
angesichts des entscheidenden Einflusses, den König Ferdinand auf die
bulgarische Politik und besonders, auf die äußere Politik ausübt, bevor
wir Bulgarien bedeutende Mittel zur Verfügung stellen, die wahren Ab-
sichten des Königs in genauer Form feststellen und von ihm in der
i) Iswolski. Bd. II. Nr. 346, S. 164.
einen oder anderen Form eine Garantie fordern müßten, daß er seiner-
seits die vorerwähnte Entscheidung der bulgarischen Regierung billigt?“
Poincare lenkte dann meine Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß in
die Presse bereits Gerüchte über die Unterzeichnung eines bulgarisch-
serbischen Geheimvertrages gedrungen seien. Die Quelle dieser Gerüchte
kennt er nicht. Der „Temps“ gibt vor, er habe diese Nachricht von sei-
nem Petersburger Korrespondenten erhalten. In anderen Redaktionen
behauptet man, ein französischer Korrespondent habe in Petersburg den
Wortlaut des Vertrages gesehen. Der frühere französische Gesandte in
Sofia, Pateologue, nimmt an, daß dieses Gerücht aus dem Schlosse
stammt und irgendeinem verwickelten Plan König Ferdinands dienen soll.
Wie dem auch sei, unzweifelhaft ist man durch das rätselhafte Ver-
halten des Königs sehr beunruhigt, und wenn wir dem günstigen Verlauf
der im Herbste abzuschließenden bulgarischen Anleihe Bedeutung bei-
legen, wäre es erwünscht, bestimmter die wahre Richtung der bulga-
rischen Politik festzustellen, wie sie nach dem Besuche König Ferdinands
in Wien und Berlin sich gestaltet. Iswolski.
Nr. 584.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.x)
Ausfertigung.
Nr. 182. Wien, den 25. Juni 1912.
Vertraulich.
Der bekannte slawische Gewährsmann der Botschaft will von seinem
Belgrader Korrespondenten das Resümee einer vertraulichen Zirkular-
note erhalten haben, die von der serbischen Regierung an ihre Vertreter
im Auslande versendet worden ist. Darin wird der vielfach verbreiteten
Meldung, als würden zwischen slawischen Staaten der Balkanhalbinsel
unter russischer Patronanz Verhandlungen geführt zum Abschlüsse eines
Balkanbundes auf slawischer Grundlage, entgegengetreten1 2).
1) Die Große Politik. Bd. 27 (I. Hälfte). Nr. 9755, S. 191—194.
2) Tatsächlich war es am i3. März 1912 zum Abschluß eines Balkanbundes auf
slawischer Grundlage zunächst zwischen Bulgarien und Serbien gekommen, in dessen
Geheimklausel die „russische Patronanz“ aufs stärkste betont war. Daß der Vertrag
mit Vorwissen und auf Betreiben Rußlands abgeschlossen worden ist, ergibt sich aus
Sasonows Telegrammen an die russischen Botschafter in Paris und London vom
3o. März 1912 (v. Siebert, Diplomatische Aktenstücke a. a. O., S. i54). Aus den
Schlußworten des Sasonowschen Telegramms: „Wir haben gleichzeitig eine Schutz-
maßregel getroffen, um uns der Erweiterung des Einflusses einer größeren Macht auf
dem Balkan zu widersetzen,“ erhellt zugleich der antiösterreichische Charakter des von
Rußland betriebenen Balkanbundes. Die unbedingte Geheimhaltung des abgeschlos-
senen Bündnisses, zu der Sasonow Poincar6 durch Iswolki verpflichten ließ, ist nicht
durchgeführt worden. Die deutsche Regierung hatte, wie aus dem kürzlich bei Jaeckh,
Kiderlen Wächter, Der Staatsmann und Mensch, II, i85ff. abgedruckten Briefe
Abschrift der betreffenden Meldung des Gewährsmannes1) beehre
ich mich anliegend gehorsamst vorzulegen. vonTschirschky.
Anlage.
Mein Belgrader Berichterstatter hat mir das Resumé einer vertrau-
lichen Zirkularnote eingeschickt, welche die serbische Regierung an ihre
Vertreter im Auslande versendet hat.
Diese Note sagt in ihren wichtigen Stellen:
ä,,In den Kreisen der europäischen Diplomatie ist vielfach die Meinung
verbreitet, daß zwischen den slawischen Staaten der Balkanhalbinsel
Unterhandlungen wegen der Schaffung eines Balkanbundes auf slawi-
scher Grundlage stattfinden, und daß in dieser Beziehung zwischen Ser-
bien, Bulgarien und Montenegro bereits ein vollständiges Einvernehmen
erzielt worden ist. Im Anschlüsse hieran besteht in der europäischen
Diplomatie die Mutmaßung, daß von seiten der russischen Regierung
diese Kreierung eines slawischen Staatenbundes auf der Balkanhalbinsel
gefördert wird, und daß die neue slawische Gruppierung sich unter dem
Protektorate Rußlands befindet * 1 2).
Nachdem dies dazu ausgenützt wird, um nicht nur Griechenland und
Rumänien, sondern auch die Türkei und andere Mächte mit Mißtrauen
und Feindseligkeiten gegen uns zu erfüllen, und hieraus unserem spe-
ziellen Interesse ernste Schädigungen erwachsen können, so erachten wir
Staatssekretär von Kiderlens an König Karol von Rumänien vom i5. April 1912 her-
vorgeht, bereits genaue Kenntnis von dem serbisch-bulgarischen Vertrage. Die fast
wörtliche Übereinstimmung des Kiderlenschen Briefes mit den Telegrammen Sasonows
vom 3o. März läßt darauf schließen, daß deren Text in Berlin nicht unbekannt' ge-
blieben ist. Den Wortlaut des bulgarisch-serbischen Vertrages vom i3. März 1912
nebst Geheimklausel und der gleichzeitig abgeschlossenen Militärkonvention siehe bei
Boghitschewitsch, Kriegsursachen. S. 129 ff.
1) Siehe Anlage.
2j Daß dies tatsächlich der Fall war und daß sämtliche russische Balkandiplomaten
auf das Ziel eines unter dem Protektorat Rußlands stehenden Balkanbundes lossteuer-
ten, ergeben die bei v. Siebert, Diplomatische Aktenstücke a. a. 0., S. i37ff. zu-
sammengefaßten Schriftstücke. Es fehlte allerdings nicht ganz in der russischen
Diplomatie an Männern, die angesichts der Uneinigkeit der Balkanvölker einer öster-
reichisch-russischen Verständigung das Wort redeten. Vgl. z. B. den Bericht des Bot-
schafters in Wien N. v. Giers vom i5. Februar 1911, der unter Berufung (auf die
gleichartige Auffassung des russischen Botschaftsrates Swjetschin in Konstantinopel im
Hinblick auf die Unerreichbarkeit der Vereinigung aller slawischen Nationalitäten für
ein österreichisch-russisches Balkanübereinkommen plädiert. Bemerkenswert ist das
überaus scharfe Urteil, das Giers über die Serben und ihre Beziehungen zu Österreich
fällt: „Die schwache Seite der Serben ist ihr beständiges Bedürfnis politischer Intrigen,
eine Unmenge der allerunwahrscheinlichsten Nachrichten, die ausschließlich den Zweck
verfolgen, keine guten Beziehungen Rußlands zu denjenigen Mächten zuzulassen, mit
denen Serbien selbst in schlechten Beziehungen ist. Die ganze Atmosphäre Belgrads
ist mit ungerechtfertigter Empfindlichkeit und Erregung gesättigt. Die serbische Regie-
rung ^vill nicht zulassen, daß Rußland auf irgendeiner Grundlage ein Übereinkommen
mit Österreich abschließt; wenn nicht die serbische Regierung, so lenkt der serbische
Generalstab unsere Aufmerksamkeit auf die allerverräterischsten Absichten Öster-
reichs.“ Vgl. Aktenstück Nr. 5i6, S. 127.
es für angezeigt, Sie behufs Ihrer persönlichen Information zu benach-
richtigen, daß weder die Schaffung eines slawischen Balkanbundes von
uns geplant wird, noch auch die Vorbedingungen und Grundlagen für
einen solchen engen Zusammenschluß Serbiens, Bulgariens und Monte-
negros tatsächlich vorhanden sind. (?!)
Sie wissen es hinlänglich aus unseren bisherigen Mitteilungen, wie
schwere und weitgehende Differenzen zwischen uns und Bulgarien nicht
nur in bezug auf die Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären
in Mazedonien bestehen, und daß der bulgarische Chauvinismus sich in
der letzten Zeit sogar so weit verstiegen hat, die rein serbischen Gebiete
Altserbiens und selbst einige Distrikte des Königreiches Serbien als bul-
garisch zu proklamieren und für Bulgarien in Anspruch zu nehmen.
Wie wenig man in den maßgebenden Kreisen in Sofia der Idee eines
Anschlusses an Serbien auf slawischer Grundlage zugetan ist, beweist
neuestens die Tatsache, daß der in der letzten Zeit von einer Gruppe an-
gesehener serbischer und bulgarischer Persönlichkeiten unternommene
Versuch, eine Annäherung zwischen Serbien und Bulgarien wenigstens
auf ökonomischem Gebiete herbeizuführen, gleichfalls ohne jedes Re-
sultat geblieben ist.
Was Montenegro betrifft, so ist es Ihnen gleichfalls zur Genüge be-
kannt, daß König Nikolaus schon seit geraumer Zeit unbekümmert um
Serbien seine eigenen Wege geht und seine Vorteile und Allianzen auch
dort sucht, wo notorisch eine offenkundige Gegnerschaft gegen Serbien
besteht.
Von irgendeiner Solidarität unter den slawischen Balkanstaaten kann
wohl angesichts dieser tatsächlichen Verhältnisse schwerlich die Rede sein.
,Aber selbst in Rußland, welches bisher als der Fahnenträger des sla-
wischen Solidaritätsgedankens angesehen worden ist, hat die sogenannte
panslawistische Idee ihr früheres Terrain in einem sehr bedeutenden
Maße eingebüßt und ist an ihre Stelle die nationalistische Idee getreten,
welcher gegenwärtig alle leitenden Kreise in Rußland fast ausnahmslos
huldigen. Nur so läßt es sich erklären, wenn sich jetzt zwischen Ruß-
land und Deutschland eine intime Annäherung vollzieht, trotzdem
Deutschland der Bundesgenosse Österreich-Ungarns ist und dessen In-
vasionspläne in bezug auf die Balkanhalbinsel entweder direkt oder in-
direkt unterstützt.
Das Königreich Serbien darf sich über den Emst dieser Sachlage
keiner Täuschung hingeben. Es muß sich sorgfältig davor in acht neh-
men, sich durch alte Schlagworte, welche ihre Bedeutung vollständig
eingebüßt haben, in eine Sicherheit einwiegen zu lassen, die nicht mehr
existiert, oder sich gar dem Wahne hinzugeben, daß jetzt wieder wie im
Jahre 1878 in der Stunde der Gefahr russische Heere zu seinem Schutze
herbeieilen werden. Vielmehr muß Serbien heute um so entschiedener
und energischer seine Pflicht ins Auge fassen, seine nationalen Inter-
*97
essen mit eigener Kraft zu verteidigen und rechtzeitig alle Vorbereitun-
gen zu treffen, um den kommenden Ereignissen siegreich die Spitze
bieten zu können.“
Nr. 585.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Botschafter in London1)
2 5. Juni
vom o IQI2.
8. Juh y
Nr. 1266.
Nr. 1. Wir erhalten aus Sofia Nachrichten über die kriegerische
Stimmung, die in einigen bulgarischen Kreisen zutage tritt. Wir er-
teilen unserem Gesandten in Sofia die Ihnen unter Nr. 2 mitgeteilten
Instruktionen* 2).
Sasonow.
Nr. 586.
Der russische Außenminister
an den lussischen Botschafter in London.3)
Telegramm Nr. 1266. Petersburg, den ~ 1912.
Mitgeteilt nach Paris. Ich telegraphiere nach Sofia.
Nr. 2. Alles von Ihnen Mitgeteilte wird von uns in Betracht gezogen.
Fahren Sie fort, die kriegerischen Stimmungen in Bulgarien zu be-
obachten. Es ist jedoch erwünscht, daß den Bulgaren zu verstehen ge-
geben wird, daß wir sehr vertrauliche Nachrichten haben, die die Mög-
lichkeit direkter Friedensverhandlungen zwischen Italien und der Türkei
nicht ausschließen. Ein solches Ereignis würde einem Vorgehen der
Bulgaren jeden praktischen Boden rauben und die Konjunktur, nicht
zum Vorteile Bulgariens, wesentlich ändern. Bulgarien werde der Türkei
allein gegenüberstehen.
Sasonow.
x) Benckendorff. Bd. II. Nr. 644, S. 407.
2) Vgl. Aktenstück Nr. 586.
3) Iswolski. Bd. II. Nr. 365, S. 177.
198
Nr. 587.
M. Georges Louis, Ambassadeur de France à Saint-
Pétersbourg, à M. Raymond Poincaré, Président du
Conseil, Ministre des Affaires étrangères.v)
Saint-Pétersbourg, le 8 Juillet 1912.
D’après un télégramme du Ministre de Russie à Sofia, un mouvement
belliqueux, qui pourrait prendre des proportions inquiétantes, se produit
actuellement dans les milieux militaires bulgares. Le Roi Ferdinand,
qui est aux eaux en Autriche) a télégraphié à son Gouvernement que si
sa présence était nécessaire il rentrerait immédiatement. M. Guechoff lui
a répondu qu’il le préviendrait à temps si la situation s’aggravait, mais
que pour le moment il valait mieux que le Roi continuât sa cure, son
brusque retour pouvant à la fois exciter et alarmer l’opinion.
M. Sazonoff a prescrit à M. Nekludoff d’agir sur le Gouvernement
bulgare afin que tout le possible soit fait pour calmer l’agitation com-
mençante. Le Ministre de Russie devra notamment dire à M. Guechoff
que, d’après des renseignements parvenus au Gouvernement impérial, il
se pourrait que la paix fût rapidement conclue entre la Turquie et
lTtalie; la Bulgarie risquerait donc de se trouver seule en face de la
Turquie.
En me communiquant ces renseignements, M. Sazonoff m’a dit qu’il
en donnait connaissance à M. Iswolsky pour qu’il vous en entretienne
également. Le Comte Benkendorff les recevra en même temps.
Le Ministre fait remarquer que nous sommes en présence d’une des
éventualités prévues dans le questionnaire du i4 Février1 2 3). Je lui ai
répondu que votre concours lui était acquis à l’avance pour l’action
pacifique qu’il se propose d’exercer.
George sLoui s.
Nr. 588.
Telegramm des russischen Botschafters in Kon-
stantinopel an den stellvertretenden russischen
Außenminister8)
vom 7./20. Juli 1Q12.
Nr. 494.
Ich telegraphiere an unseren Gesandten in Belgrad: Der hiesige eng-
lische Geschäftsträger ist von Grey benachrichtigt worden, daß der ser-
1) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 42.
2) Vgl. Aktenstück Nr. 561, S. 171.
3) Benckendorff. Bd. II. Nr. 656, S. 422.
199
bische Geschäftsträger in Berlin dem deutschen Unterstaatssekretär krie-
gerische Erklärungen abgegeben hat, worauf ihm zu Ruhe und Beson-
nenheit geraten worden sei. Ich habe dem englischen Geschäftsträger
gesagt, daß mir über angebliche kriegerische Absichten Serbiens nichts
bekannt sei.
G i e r s.
Nr. 58g.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den stellvertretenden russischen Außenminister *)
vom 8./21. Juli 1912.
Nr. 89.
Ich beziehe mich auf das Telegramm unseres Botschafters in Kon-
stantinopel Nr. 494* Der serbische Vertreter in Berlin hat augenschein-
lich nur seiner persönlichen Ansicht Ausdruck verliehen, denn, wie aus
meinen Berichten ersichtlich, ist Serbien irgendwelchen kriegerischen
Plänen durchaus abgeneigt. (?) Der beste Beweis: Der König ist nach
Iiowiljatscha zur Kur gefahren; Paschitsch hat das Übergangsministe-
rium beibehalten, ist in die Provinz gefahren und begibt sich sodann
nach Marienbad; der Ministerpräsident Trif ko witsch fährt Mittwoch
riäch Deutschland zur Kur. Bei alledem muß ich jedoch zugeben, daß
die allgemeine Beunruhigung sich hier nicht gelegt hat, sondern im
Gegenteil noch gewachsen ist, da von allen Seiten beunruhigende Nach-
richten eintreffen. In England scheint man der Ansicht zu sein, daß
Revolution und Blutvergießen in der Türkei unausbleiblich sind. Bul-
garische und andere Informationen bestätigen diese Gerüchte. Öster-
reich veranstaltet ganz offen Angriffsmanöver bei Ostrowa gegen die
Morawa, in der Gegend der Matschwa und der Drina. Ohne Zweifel
werden die Serben gezwungen sein, einige Vorsichtsmaßregeln zu tref-
fen, um durch die Ereignisse nicht überrascht zu werden, und um
wenigstens teilweise ernsten politischen Verwicklungen auf dem Balkan
Vorbeugen zu können. (Mitgeteilt nach Sofia und Konstantinopel.)
Hartwig.
x) Benckendorff Bd.II, Nr.657, S.422.
200
Nr. 590.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den stellvertretenden russischen Außenminister1)
vom 10./23. Juli 1912.
Nr. 91.
Ihr Telegramm Nr. i36o erhalten. Ich habe soeben mit dem Außen-
minister Rücksprache genommen, der von den Erklärungen des serbi-
schen Vertreters in Berlin sehr überrascht ist, da sie in keiner Weise
gerechtfertigt seien. Der Minister wird Erkundigungen einziehen.
Er hat alles bestätigt, was ich Ihnen gestern telegraphiert habe, und
hinzugefügt, daß auch der Kriegsminister seiner Gesundheit wegen ins
Ausland gefahren sei. Heute hat man hier sehr beunruhigende Nach-
richten aus Konstantinopel erhalten, denen zufolge die Entthronung des
Sultans am Jahrestage des 10. Juli geplant sei. (Abschrift nach Kon-
stantinopel.)
Ha,rtwig.
Nr. 591.
Der russische Ministerpräsident Kokowzew
an den Minister des Äußern Sasonow.* 2)
Sehr geheim.
Nr. 5i. Petersburg, den 12./25. Juli 1912.
Sehr geehrter Herr Sergei Dimitriewitsch!
Ich habe die Ehre, Eurer Exzellenz eine Abschrift meines allerunter-
tänigsten Berichts zu übermitteln, der der Allerhöchsten Bestätigung am
9. Juli 1912 gewürdigt ist und die Übernahme seitens der Reichsrentei
einer jährlichen Ausgabe von 60000 Franken, die der Parität nach
22 5oo Rubeln entsprechen, betrifft, welche Summe einen Teil der Til-
gungssumme des dem Bulgarischen Zaren Ferdinand gegebenen Dar-
lehens von 3 000 000 Franken ausmacht.
Aus diesem Bericht wollen Eure Exzellenz ersehen, daß in Aussicht
genommen ist, dem Bulgarischen Zaren Ferdinand aus den Mitteln des
Ministeriums des Kaiserlichen Hauses ein Darlehen von 3 000 000 auf
25 Jahre und 7 Monate, vom Tage der Ausgabe an gerechnet, zu geben.
Für dieses Darlehen wird Zar Ferdinand jährlich 5 Prozent, d. h. i5oooo
Franken zahlen, und die Staatsrentei wird zum Zweck der Tilgung dieses
*) Benckendorff. Bd. II. Nr. 658, S. 423.
2) Russische Dokumente. S.56. Vgl. Aktenstück Nr. 549, S.iög.
201
Darlehens dem Ministerium des Kaiserlichen Hauses jährlich 60000
Franken nach genauer Berechnung auszahlen.
In Anbetracht dessen habe ich die Ehre, Eure Exzellenz ergebenst zu
bitten, mir das Einverständnis des Zaren Ferdinand, dieses Darlehen zu
den erwähnten Bedingungen entgegenzunehmen, mitzuteilen und mir
auch zu sagen, wie es Seiner Zarischen Majestät genehm sein wird, das-
selbe zu empfangen.
Ich benutze die Gelegenheit, Sie, sehr geehrter Herr, zu bitten, die
Versicherung meiner vollkommenen Hochachtung und aufrichtigen Er-
gebenheit entgegenzunehmen.
(gez.) Kokowzew.
Nr. 592.
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften in Berlin,
London, Paris, Rom und St. Petersburg.r)
Telegramm. Wien, i3. August 1912.
Seit der Bildung des Kabinettes Ghazi Moukthar Pascha scheint —
übereinstimmenden Nachrichten zufolge — in der inneren Krise in der
Türkei ein gewisser Stillstand eingetreten zu sein und ist die neue otto-
manische Regierung mit einiger Aussicht auf Erfolg bestrebt, durch ent-
sprechende Konzessionen der Aufstandsbewegung in Albanien ein Ziel
zu setzen.
Diesen günstigen Momenten steht allerdings die wenig erfreuliche Be-
obachtung gegenüber, daß sich an verschiedenen Punkten des Balkans
Erscheinungen zu manifestieren beginnen, die in ihrer weiteren Folge zu
Störungen des Status quo von außen her führen könnten.
Zu diesen Erscheinungen wären die türkisch-montenegrinischen Grenz-
differenzen, das Auftauchen griechischer Banden im Epirus und vor
allem die Aufregung zu zählen, welche sich der öffentlichen Meinung in
Bulgarien infolge des Gemetzels von Kocana bemächtigt hat.
Diese Stimmung in Bulgarien dürfte — wie übrigens wahrscheinlich
auch die griechische Bandenbildung im Epirus — von der Idee beein-
flußt sein, daß die Pforte die Absicht habe, den Albanesen eine Art
Autonomie zu verleihen, beziehungsweise deren Territorium in einer den
Interessen der anderen Balkannationalitäten zuwiderlaufenden Weise
abzugrenzen. Bulgarischer- und griechischerseits scheint man einer sol-
chen Eventualität zuvorzukommen, vielleicht auch dieselbe nur vor-
schützen zu wollen, um die nationalen Aspirationen der eigenen Stam-
mesgenossen zu propagieren und liegen auch Anzeichen dafür vor, daß
die Serben in dieser Richtung nicht zurückzubleiben gedenken.
Gegenüber dieser Auffassung der Balkannationen über die türkischer- 1
1) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 1, S. 1.
202
seits den Albanesen zu machenden Zugeständnisse gehen unsere Infor-
mationen dahin, daß man sich auf der Pforte keineswegs mit der Ge-
währung autonomistischer Privilegien an die Albanesen, noch mit irgend-
einer territorialen Umschreibung ihres Gebietes befaßt, sondern daß es
sich ausschließlich um die Wahrung althergebrachter Prärogative handle.
Unserer Auffassung nach liegt hierin nichts, was die Interessen der
anderen Balkanvölker schädigen oder sie beunruhigen könnte. Sämtliche
Nationalitäten Rumeliens haben vielmehr allen Grund, diese erste Äuße-
rung der dezentralistischen Verwaltungsmethode in der Türkei willkom-
men zu heißen. Sobald nämlich die Pforte mit dem starren Zentralismus
gebrochen hat, unter dem nicht nur die Albanesen, sondern auch alle
übrigen ottomanischen Nationalitäten zu leiden hatten, steht diesen allen
der friedliche Weg zur Geltendmachung ihrer legalen Wünsche offen
und wäre es daher in ihrem eigenen Interesse gelegen, daß die Tätigkeit
der neuen Regierung in Konstantinopel nicht durch äußere Einflüsse
gestört, sondern derselben Zeit gelassen werde, auf dem Wege der in-
dividualisierenden Behandlung der einzelnen Völkerschaften fortzufahren.
Es wäre dies auch im Interesse der Erhaltung der Ruhe am Balkan
und sohin des europäischen Friedens gelegen.
Das Wiener Kabinett, welches nach wie vor die Politik ver-
folgt, die ruhige und friedliche Entwicklung aller Bal-
kanvölker zu fördern, würde sohin Wert darauf legen, mit den
Kabinetten der anderen Großmächte in einen Meinungsaustausch dar-
über einzutreten, ob dieselben geneigt wären, einerseits durch freund-
schaftliche Einwirkung auf die Pforte dieselbe in ihren neuen dezentrali-
stischen Prinzipien zu bestärken, andererseits den Balkanstaaten nahe-
zulegen, daß es im Interesse ihrer eigenen Stammesgenossen in der
Türkei gelegen wäre, dem Kabinette Moukthar Pascha zur Betätigung
seiner individualisierenden Verwaltungsmethode Zeit zu lassen und zu
diesem Zwecke alles zu vermeiden, was die Ruhe am Balkan gefährden
und sohin die Pforte von ihrer Beschäftigung mit den inneren Ange-
legenheiten ablenken könnte.
Euer Exzellenz wollen sich dem Herrn Minister des Äußern gegen-
über im vorstehenden Sinne aussprechen und über die Aufnahme, welche
dieser Schritt bei ihm gefunden hat, mir berichten.
Nr. 5g3.
Graf Somssich an Graf Berchtold. *)
Telegramm. Paris, den i4-August 1912.
In Abwesenheit Herrn Poincares habe ich mich des mittels Telegram-
mes vom i3. d. M. erhaltenen Auftrages dem politischen Direktor im
Ministerium des Äußern, Herrn Paleologue, gegenüber entledigt.
*) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 3, S. 3.
203
Derselbe nahm meine Mitteilung mit großem Interesse entgegen;
besonderen Eindruck schien auf ihn die Erklärung zu machen, daß das
Wiener Kabinett gesonnen sei, nach wie vor die Politik zu verfolgen,
die friedliche Entwicklung der Balkanvölker zu fördern.
jHerr Paléologue wird dem Ministerpräsidenten gleich nach seiner
Rückkehr von meiner Demarche Bericht erstatten und mir eine definitive
Antwort zukommen lassen. Er hält sich aber schon jetzt zu folgender
Erklärung berechtigt, welche er mich bat, Euer Exzellenz zu melden.
«Le Gouvernement de la République examinera avec intérêt la sug-
gestion du Comte Berchtold. La politique du Gouvernement Français en
Orient s’inspire en effet des deux principes: Conserver la paix
générale et maintenir le statu quo dans les Balkans.»
Nr. 5g4*
Der russische Geschäftsträger in Paris
an den russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm Nr. 147.
Paris, den i./i4. August 1912.
Der österreichisch-ungarische Geschäftsträger hat heute H. Paleologue
ein Telegramm seines Außenministers mitgeteilt. Darin ist gesagt, daß,
obwohl den letzten Informationen nach die Autonomie, die die türkische
Regierung den Albanern zu verleihen beabsichtigt, keineswegs so weit-
gehend ist, wie man es annahm, die Gärung unter den anderen christ-
lichen Volksstämmen trotzdem zunimmt und dem Wiener Kabinett ernste
Befürchtungen für die Aufrechterhaltung des Friedens einflößt. Infolge-
dessen wünscht Graf Berchtold zu wissen, ob die Mächte einverstanden
wären, gemeinsam mit ihm erstens der Pforte zu raten, die berechtigten
Forderungen der christlichen Bevölkerung zu befriedigen und zweitens
diese zur Wahrung der notwendigen Ruhe zu bewegen. Paleologue hat
dem Geschäftsträger gesagt, daß er ihm eine Antwort erteilen werde;
er fügte hinzu, Frankreich sei stets bereit, zur Aufrechterhaltung des
Friedens beizutragen und den Status quo zu sichern.
Sewastopulo.
x) Iswolski. Bd. II. Nr. 3g3, S. 210.
2o4
Nr. 595.
Vertraulicher Bericht des russischen Geschäftsträgers
in Wien an den stellvertretenden russischen Außen-
minister1)
vom 2./i5. August 1912.
Nach Empfang Ihres Telegrammes Nr. 1487 habe ich nicht verfehlt,
Berchtold bei der ersten Gelegenheit nach seiner Ansicht über die Vor-
gänge auf dem Balkan zu befragen. Aus meiner Unterredung mit dem
Minister habe ich den Eindruck gewonnen, daß er nicht weniger als wir
den Konflikt zu lokalisieren wünscht. Die Gefahr dieses Konfliktes er-
blickt er nicht nur in dem letzten montenegrinischen Grenzzwischenfall,
sondern in den Metzeleien von Kotschane, welche ein aktives Eingreifen
Bulgariens hervorrufen könnten. Den Schlüssel zu der politischen Lage
sieht er in Konstantinopel: gelänge es der Regierung, sich zu halten, so
bestehe Hoffnung, daß der Konflikt lokalisiert würde. Es sei jedoch un-
möglich, die Folgen einer Anarchie oder sogar längerer Wirren vorher-
zusehen.
Zu obigem erlaube ich mir, folgende Erwägungen hinzuzufügen: Ob-
wohl hier zweifellos eine unruhige Militärpartei besteht, und obwohl
Österreich ebenso unzweifelhaft vorbereitende Maßregeln getroffen hat,
über die ich in meinem Bericht Nr. 29 Einzelheiten mitgeteilt habe, so
bin ich doch überzeugt, daß kein ernster Grund zur Befürch-
tung vorliegt, daß Österreich im jetzigen Zeitpunkt ag-
gressive Ziele auf dem Balkan verfolgt. Man weiß hier wohl,
zu welchen Folgen eine solche Politik führen kann: sie wäre das Signal
zum europäischen Kriege. Ein solcher Krieg ist für Österreich zu gefähr-
lich, als daß es ebenso wie irgendein anderes Land mit vollem Bewußt-
sein eine solche Katastrophe hervorrufen würde.
Für Österreich ist der Krieg vielleicht noch weniger erwünscht als für
eine andere Großmacht, da es sowohl finanziell als auch militärisch un-
vorbereitet ist. Das letztere ergibt sich schon aus allen Begleitumständen
der Durchführung der Militärreform, deren Ergebnisse sich noch nicht
in die Tat haben umsetzen können, und auch aus der in allerletzter Zeit
aufgeworfenen Frage der Neubewaffnung der Artillerie. Zu alledem
kommt noch eine Erwägung rein psychologischer Natur hinzu: Sollte
wirklich die Initiative eines allgemein europäischen Krieges von einem
Monarchen ergriffen werden, dem es in seinem hohen Alter gelungen
ist, für sich und sein Land wenigstens einen Teil des Ansehens zurück-
zugewinnen, welches die Monarchie im Anfang seiner Regierung besaß,
und dessen sie im Lauf vieler Jahre ständig verlustig ging? Eine große *)
*) Benckendorff. Bd. II. Nr. 666, S. 432 ff.
205
laußenpolitische Krise könnte die erreichten Resultate nur in Frage
stellen.
Obwohl ich überzeugt bin, daß Österreich augenblicklich keine aggres-
siven Ziele verfolgt, so bin ich nicht weniger überzeugt, daß Österreich
trotz seiner jetzigen militärischen Schwäche der Versuchung nicht wider-
stehen wird, aktiv zur Verteidigung derjenigen Ziele vor-
zugehen, welche es als seine historische Mission auf dem
Balkan betrachtet, wenn diese Ziele bedroht sein sollten.
Eine solche Bedrohung würde man in jeder Veränderung,
des Status quo auf dem Balkan erblicken. Ich kann nicht be-
urteilen, wie die hiesige Regierung sich zu einer Verletzung des Status
quo in den türkischen Meerengen stellen würde, ich kann aber anderer-
seits nicht leugnen, daß, als die Nachricht von dem Abschluß der rus-
sisch-französischen Marinekonvention bekannt wurde und Pressekom-
mentare diese in Verbindung mit möglichen Veränderungen des Regimes
in den Meerengen bringen wollten, die hiesige Presse deutlich von einer
Bedrohung des berüchtigten Status quo zu sprechen anfing. Für den
Fall, daß es unvermeidlich würde — was jedoch meiner Ansicht nach
von der hiesigen Regierung nicht gewünscht wird —, daß Österreich in
die Balkanfragen hineingezogen wird, trifft man hier gewisse militäri-
sche Maßnahmen, allerdings in bescheidenem Umfange, wie dies der
friedlichen Stimmung der Regierung entspricht. Aber diese Maßnahmen
werden immerhin getroffen. In Verbindung mit ihnen steht wahrschein-
lich auch die Reise Berchtolds nach Rumänien und seine bevorstehende
Zusammenkunft mit dem deutschen Reichskanzler in Buchlau, wo wahr-
scheinlich über das Maß und die Art der gegenseitigen Unterstützung
gesprochen werden wird, falls die Entwicklung auf dem Balkan eine
solche nötig machen sollte.
Zum Schluß will ich bemerken, daß der allgemeine Ton der hiesigen
Presse die Vermutung kaum zuzulassen scheint, daß die Bevölkerung sich in
jener erhöhten Stimmung befindet, in der allein man in unseren Tagen
zu einem Angriffsfeldzug rüsten kann.
Übrigens ist nicht jede Regel, die für die Mehrzahl der Staaten gilt,
bei dem eigenartigen Österreich-Ungarn anwendbar.
Krupenski.
Nr. 5q6.
Graf Thurn an Graf Berchtold.*)
Telegramm. St. Petersburg, den 16. August 1912.
Ich habe mich heute bei Herrn Sasonow des mir mit h-Telegramm
vom i3. d. M. zuteil gewordenen Auftrages entledigt. Der Herr Mini-
x) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 6, S. 4*
206
ster hat Euer Exzellenz Anregung sehr günstig auf genommen. Er
sagte mir, er sehe darin einen neuen Beweis, daß die Grundlagen der
Orientpolitik Österreich-Ungarns unentwegt dieselben bleiben, auf wel-
chen seinerzeit die Übereinstimmung mit jener Rußlands konstatiert
wurde und begrüßte die Anregung Euer Exzellenz als ein neues Zeichen
der vollkommenen Identität der Ziele der Balkanpolitik Österreich-
Ungarns und Rußlands.
Was die von Euer Exzellenz vorgeschlagenen Demarchen imbelange,
so halte er zunächst die in Konstantinopel zu unternehmende Demarche
für sehr nützlich.
Doch sei er der Meinung, daß die in Rede stehende freundschaftliche
Einwirkung die Form einer Kollektivdemarche sorgfältig vermeiden und
in die Gestalt von einzelnen Ratschlägen gekleidet werden sollte.
IWas die Demarche bei den Balkanstaaten anbelange, so ist Herr
Sasonow zwar auch der Meinung, daß es sehr zeitgemäß wäre, sie wieder
einmal in einer Form zur Ruhe zu mahnen, aus der sie deutlich sehen
würden, daß alle Großmächte in diesem Wunsche einig sind. Er glaube
nicht, daß Aussicht bestehe, sie davon zu überzeugen, daß durch bloßes
ruhiges Abwarten eine individualisierende Behandlung ihrer eigenen
Stammesgenossen zu erzielen wäre, doch erklärte der Herr Minister auch
mit dieser Vorgangsweise einverstanden zu sein.
Nr. 597.
Der Gesandte in Cetinje von Eckardt
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Cetinje, den 21. August 1912.
Nr. 22.
Der bulgarische Gesandte* 2) ist plötzlich nach Sofia gereist. Ich habe
Grund zur Annahme, daß der König durch ihn wegen gemeinsamer
*■) Die Große Politik. Bd.33. Nr. 12 107, S.67.
2) Koluschew. Näheres über die Mission Koluschews nach Sofia und die Stellung-
nahme der bulgarischen Regierung bei Iv. E. Guéchoff, L’Alliance Balkanique, p. 84.
Der ehemalige bulgarische Ministerpräsident mißt der Mission Koluschews und der im
Anschluß an sie gefaßten zustimmenden Entschließung des bulgarischen Ministerrats,
die in einem Konseil beim Könige am 26. August bestätigt wurde, entscheidende Be-
deutung bei: „Et nous décidâmes à l’unanimité ce que le conseil des ministres avait
déjà décidé, c’est à savoir d’accepter la proposition du Monténégro et de nous aboucher
rapidement avec la Serbie et la Grèce dans le but d’arriver à une ¡entente pour une
intervention immédiate des alliés en faveur de la polulation chrétienne de la Turquie
d’Europe.“ Den weiteren Verlauf der Dinge, nachdem Koluschew mit der Autorisa-
tion, den mündlichen Akkord mit Montenegro abzuschließen, nach Cetinje zurück-
gekehrt sei, schildert Geschow a. a. 0., p. 85 s.) folgendermaßen: „De mon côté
j’engageai des pourparlers avec les ministres de Serbie et de Grèce, MM. Spalaiko-
207
Aktion gegen die Türkei sondieren läßt. Der serbische Gesandte1) sagte
mir, ein analoger Versuch in Belgrad sei mißlungen3) *).
Eckardt.
Randbemerkung von Kiderlens:
*) Letzteres hat mir der hiesige serbische Geschäftsträger streng vertraulich be-
stätigt.
Nr. 5g8.
Streng vertrauliches Schreiben des russischen Bot-
schafters in Konstantinopel an den stellvertretenden
russischen Außenminister 3)
vomi 16./29. August 1912.
In meinem Telegramm vom I2./2Ö. Juli habe ich bereits die Ehre ge-
habt zu berichten, daß die Beziehungen zwischen den Jungtürken und
der Offiziersliga sich immer mehr zuspitzen und zu einem Bürgerkrieg
führen können; daß die Balkanstaaten tatsächlich mit ge-
spannter Ungeduld das Fortschreiten der Anarchie hier
verfolgen, um diesen Umstand zur Erreichung ihrer Er-
oberung sziele auszunutzen, und ferner, daß eine auf dieser
Grundlage entstehende Krisis jeden Augenblick ausbrechen kann.
Ich habe mir außerdem erlaubt darauf hinzuweisen, daß wir uns für
alle Zufälligkeiten bereithalten müssen. Im vorliegenden Schreiben halte
ich es für nötig, nochmals auf dieselbe Frage zurückzukommen. Ich
brauche nicht mehr auf die gefahrdrohenden Nachrichten hinzuweisen,
die wir von unseren Vertretern in den Balkanstaaten erhalten. Diese Be-
richte geben ein klares Bild von dem Standpunkt, von dem aus die trau-
rigen Ereignisse in der Türkei beurteilt werden. Durch den Ab-
schluß von gegenseitigen geheimen Bündnissen ermutigt
und von ihrer Übermacht überzeugt, haben die Balkan-
staatem nur den einen Gedanken, den günstigen Zeit-
vvitch et Panas, dont le premier partit immédiatement pour Belgrade, d’où il rentra le
i8/31 août. M. Tocheff, notre ministre à Belgrade, le suivit à Sofia. Tandis que
l’echange d’idées avec la Serbie se faisait par l’entremise de nos ministres plénipoten-
tiares, les pourparlers avec la Grèce se poursuivaient par télégrammes. Le 8/21 sep-
tembre, M. Daneff se rendit à Nisch. La peur des Serbes d’une intervention éven-
tuelle de l’Autriche était très justifiée, et nous dûmes nous en occuper aussi sérieuse-
ment que des conseils amicaux que M., Sazonoff nous prodiguait de ne pas pousser
l’affaire jusqu’à la guerre. Après un examen bien mûri de la situation, nous étions
rapprochés de l’entente désirée avec nos alliés quand, tout a coup, le 16/29 sep-
tembre, je reçus de Constantinople l’avis que la Turquie avait décrété la mobilisation
générale. A cette mobilisation turque nous repondimes, le 17 septembre/i octobre, par
la mobilisation des forces armées des quatre Etats alliés.
Ü Gawrilowitsch.
2) Das obige Telegramm wurde durch Telegramm Nr. 78 vom 23. August nach
Wien mitgeteilt.
3) Benckendorff. Bd. II. Nr. 674, S. 44i-
208
punkt nicht vorübergehen zu lassen und sobald als mög-
lich sich in den Kampf zu stürzen. Diese Bestrebungen haben vor
meinem Auge fast stündlich in der immer größer werdenden Nervosität
meiner hiesigen Balkankollegen Bestätigung gefunden. Sie alle, insbeson-
dere der bulgarische Gesandte, richten beständig die Frage an mich:
„Wann wird Rußland endlich zu handeln anfangen?“ Sie werden zu-
geben, daß eine derartige Stimmung äußerst gefährlich ist. Unter diesen
Umstanden können die kleinsten Unruhen in Konstantinopel kriegerische
Verwicklungen auf dem Balkan nach sich ziehen. Andererseits sind solche
Unruhen um so wahrscheinlicher, als der Kampf der politischen Parteien
in Konstantinopel wieder eingesetzt hat. Es ist möglich, daß die all-
gemeine Spannung derart wächst, daß man sich nicht mehr die Frage
stellen wird, ob sich auch Rußland in Bewegung setzt, sondern daß man
wider dessen Willen zu den Waffen greift. Ich glaube, daß das Ein-
treten dieses Augenblickes von Zufälligkeiten abhängt und nicht von
irgendwelchen vorher bestimmten Terminen; wir müssen daher unver-
züglich unsere Maßnahmen treffen. Dies um so mehr, als wir, soviel
ich weiß, keine Garantien besitzen, daß die Ansprüche der Bulgaren
sich mit der Errichtung eines großbulgarischen Reiches in den Grenzen
des Vertrages von San Stefano begnügen werden. Ich persönlich bin der
Ansicht, daß sie bei den geringsten Hoffnungen auf Erfolg ihren Haupt-
druck nicht nach dem Süden, sondern gegen die Hauptstadt des otto-
manischen Reiches richten werden. Ich glaube, daß der Umstand, daß
wir unvorbereitet sind, nur ein weiterer Beweggrund für sie sein wird,
dieses längst ersehnte Ziel zu erreichen in der Überzeugung, daß wir
nicht die Möglichkeit haben, sie daran zu hindern.
Die Möglichkeit, daß wir in so unzeitgemäße Verwicklungen hinein-
gezogen werden können sowie die Bedrohung unserer historischen Ideale
veranlassen mich zu wiederholen, daß wir gerüstet sein müssen, da die
von uns befürchteten Ereignisse nur abgewendet werden können, wenn
bei uns und bei den Balkanvölkern kein Zweifel darüber besteht, daß wir
uns dadurch nicht werden überraschen lassen.
Giers.
Nr. 599.
Der russische Geschäftsträger in Paris
an den russischen Außenminister.*)
Brief. Paris, den 16./29. August 1913.
Am Morgen nach seiner Rückkehr von St. Petersburg hat sich H. Poin-
caré nach Rambouillet begeben, um dem Präsidenten der Republik
und dem Ministerrat die Resultate seiner Reise im einzelnen mitzuteilen.
a) Iswolski. Bd. II. Nr. 417, S. 239.
14 Boghitsehewitsch, Serbien II.
209
Von dort heimgekehrt, ließ er mir auf meine Anfrage hin ganz beson-
ders rasch sagen, daß er zu jeder Stunde für mich zu sprechen sei.
Der Premierminister ließ seine gewöhnliche Zurückhaltung fallen
und empfing mich sehr herzlich. Er sagte mir, wie sehr er über den
Empfang durch Seine Majestät den Kaiser und dessen Minister gerührt
gewesen sei.
H. Paléologue bestätigte mir die Aufrichtigkeit dieser Empfindungen
und erklärte, H. Poincaré habe besonders das Vertrauen, das ihm so-
wohl von Seiner Majestät dem Kaiser als auch von dem Staatssekretär
Kokowtzow und von Eurer Hohen Exzellenz entgegengebracht wurde,
tief empfunden. Als Beispiel dieses uneingeschränkten Ver-
trauens bezeichnete H. Paléologue die Mitteilungejn,
die Sie unserem französischen Gast über besonders ge-
heime Einzelheiten auf dem Gebiete der Balkanpolitik
der letzten Monate gemacht haben.
Ohne jeden Zweifel hat die Eurer Hohen Exzellenz bereits aus den
Agenturtelegrammen bekannte Rede des H. Poincaré in Dünkirchen
über die Ergebnisse seiner Reise und die Festigkeit des Bündnisses in
Frankreich einen sehr günstigen Eindruck gemacht; dieser Eindruck
wurde noch durch den Bescheid verstärkt, den H. Poincaré den Jour-
nalisten gegeben hat. Allerdings hat er ein Interview abgelehnt, aber
er hat die Herzlichkeit des ihm zuteil gewordenen Empfanges und die
Festigkeit der Beziehungen zwischen den beiden Ländern betont.
Gen einigen Sie usw. Sewastopulo.
Nr. 600.
Voyage en Russie de M. Raymond Poincaré, Président
du Conseil, Ministre des Affaires étrangères.1)
Août 1912.
Compte rendu d’un entretien avec M. Sazonoff, écrit le jour même
et laissé aux archives du Ministère.
Je demande à M. Sazonoff des éclaircissements sur les conventions
serbo-bulgare et gréco-bulgare. Je ne lui cache pas que je ne m’explique
pas bien pourquoi ces actes n’ont pas été communiqués à la France par
la Russie. M. Iswolsky m’a dit ne les pas connaître, mais il m’a donné
l’assurance qu’ils avaient pour objet le maintien du statu quo. Or il
parait bien invraisemblable qu’on ait mis tant de temps à rédiger des
conventions destinées simplement à garantir le statu quo. Il est probable
que la partie la plus importante de ces accords contient, en réalité, un
partage éventuel. M. Sazonoff en convient. II ne connaît pas, dit il,
encore le texte de la Convention gréco-bulgare, qui, du reste, ne déter-
x) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 57.
210
mine pas, quant à elle, une ligne frontière; mais il me communiquera le
texte de la Convention serbo-bulgare et la carte annexée.
Revu M. Sazonoff. Il a en mains le texte de la Convention serbo-
bulgare, en russe1). Il me la lit en la traduisant. Il n'y est parlé du statu
quo que pour prévoir le cas où il serait troublé! La Bulgarie et la
Serbie s'engagent réciproquement à tacher de concerter leur mobilisation.
Si l'une croit devoir mobiliser, elle prévient l'autre; si l'autre refuse de
l'imiter, on a recours à l’arbitrage de la Russie. L'arbitrage de la Russie
apparaît d’ailleurs à chaque ligne de la convention. Une partie de la
frontière, près du Lac d’Ochrida, n'est pas définitivement fixée. C'est
la Russie qui sera chargée de la déterminer, le moment venu. Cette fron-
tière conventionelle va du Nord-Est au Sud. Ouest entre le point de ren-
contre des trois frontières serbe, bulgare et turque et le Lac d'Ochrida.
Elle laisse à la Bulgarie toute la partie orientale, à la Serbie toute la
partie occidentale, sans fixer à la Bulgarie aucune limite vers Salonique,
ni à la Serbie aucune limite vers l'Albanie.
Le traité contient donc en germe non seulement une
guerre contre la Turquie, mais une guerre contre l’Aut-
riche. Il établit, en outre, l'hégémonie de la Russie sur les
deux royaumes slaves, puisque la Russie est prise comme arbitre
dans toutes les questions.
Je fais remarquer à M. Sazonoff que cette Convention ne repond
aucunement à la définition qui m'en avait été donnée, qu'elle est, à vrai
dire, une convention de guerre et que, non seulement elle révèle
des arrière-penséés chez les Serbes et chez les Bulgares, mais qu’il est à
craindre que leurs espérances ne paraissent encouragées par la Russie et
que ce partage éventuel ne soit un appât pour leurs convoitises.
Il reconnaît que le Ministre de Russie à Sofia, en transmettant
cette Convention à Pétersbourg, l'a lui-même qualifiée de con-
vention de guerre, mais, comme la Serbie et la Bulgarie se sont
engagées! à ne pas déclarer la guerre et mêm!e à ne pa,s mobiliser,
sans l’approbation de la Russie, celle-ci peut exercer un droit de
veto qui assurera le maintien de la paix, et elle n'y manquera pas1 2),
Raymond Poincaré.
1) Dabei hat Sasonow gleich nach Abschluß des Vertrages sowohl von Serbien als
von Bulgarien den Vertragstext auch in französischer Übersetzung erhalten, und ihn
absichtlich Poincaré vorenthalten, um nicht seinen ungünstigen Eindruck über den Ver-
trag noch zu verstärken. D. V.
2) Extrait des „Diplomatische Aktenstücke“ publiés par Siebert (Berlin et Leip-
zig, 1921): Rapport du Ministre des Affaires étrangères Sazonoff sur les négociations
avec le Ministre des Affaires étrangères Poincaré à l’occasion de sa visite à Pétersbourg
en Août 1912. — . . .A cett^e occasion Poincaré a considéré comme nécessaire
d’affirmer avec insistance que l’opinion publique française ne permettrait pas au
Gouvernement de la République de recourir aux armes pour des questions balkaniques
si l’Allemagne ne s’en mêlait pas et ne provoquait pas elle-même l’application du casus
foederis, auquel cas la Russie pourrait compter naturellement sur la pleine exécution
par la France des obligations qui la lient à nous . ..
2 11
Nr. 601.
Graf Thurn an Graf Berchtold.x)
Telegramm. St. Petersburg, den 2. September 1912.
Ich habe heute Herrn Sasonow die im Erlasse vom 29. v. M. enthal-
tenen Ausführungen mitgeteilt.
Der Eindruck, welchen Eröffnungen Euer Exzellenz auf denselben
machten, war der denkbar günstigste und unterbrach er mich mehrmals
durch lebhaft zustimmende Äußerungen.
Herr Sasonow resümierte seinen Eindruck ungefähr, wie folgt:
«Dites au Comte Berchtold que les lignes de la politique de la Mon-
archie ébauchées dans sa présente communication portent dans une direc-
tion où il peut être certain de se trouver toujours en accord parfait avec
la Russie dont les buts et intentions — en ce qui concerne question bal-
kanique — sont absolument identiques à ceux exposés par lui.»
Nr. 602.
Graf Somssich an Graf Berchtold.* 2)
Telegramm. Paris, den 3. September 1912.
Herr Poincare, bei dem ich soeben den mit Erlaß vom 29. v. M. er-
haltenen Auftrag3) ausgeführt habe, ist der Ansicht, daß es für die Er-
haltung des Friedens am Balkan von eminenter Wichtigkeit ist, daß
die Mächte in stetem Kontakt bleiben und im Einvernehmen vergehen.
Aus diesem Grunde begrüße die französische Regierung die Vorschläge
Euer Exzellenz mit Sympathie und Befriedigung.
Die Aufnahme unserer Mitteilung bei Herrn Poincare war eine erheb-
lich sympathischere, als es jene unserer ersten Einladung zur Konver-
sation war. Er stimmte mir bei, daß sie geeignet ist, alle mißdeutigen
Auffassungen zu zerstören, welche gegen unser Projekt bestehen konnten.
x) österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 11, S. 9.
2) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 12, S. 9.
3) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 9, S. 6. Dieser Erlaß gibt ein Resume
der von den verschiedenen Großmächten erhaltenen Antworten auf den Vorschlag des
Grafen Berchtold vom i3. August 1912 wieder und enthält den Wunsch nach Soli-
darität der Großmächte in ihrem Auftreten auf dem Balkan. D. V.
212
Nr. 6o3.
Der Geschäftsträger in Petersburg Freiherr von Lu-
cius an das Auswärtige Amt.l)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 2i3. St. Petersburg, den i4- September 1912.
Sasonow sprach sich sehr besorgt über Bulgarien aus. Krieg sei viel-
leicht bis Frühjahr auf schiebbar, aber kaum ganz vermeidbar. König
und Regierung seien in Bulgarien ebenso verständig wie in Serbien, könn-
ten aber wenig gegen Volksstimmung machen und setzten eigene Existenz
aufs Spiel1 2). Mächte würden eventuell wohl alles tun, um Krieg zu
lokalisieren. Er habe volles Vertrauen zu den Erklärungen des Grafen
Berchtold, die Türkei sei aber „incivilisable“.
Minister hat bulgarischem Gesandten 3 * * * * 8) gesagt, daß er nicht mit italie-
nisch-türkischem Krieg, der bald beendigt sei, oder der politischen Zer-
1) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 144» S. io3.
2) Am gleichen i4- September wies Graf Berchtold den österreichischen Geschäfts-
träger in Berlin, Freiherrn von Flotow, an, dem Staatssekretär von Kiderlen davon
Kenntnis zu geben, daß die österreichischen Informationen nicht nur von Sofia, son-
dern auch von den anderen Balkanzentren recht beunruhigend lauteten: „Wie wir
schon seit längerem sicherstellen konnten, stehen die Balkanstaaten bereits seit Monaten
in engeren Wechselbeziehungen zueinander und haben einen gemeinsamen Aktionsplan
gegenüber der Türkei in Aussicht genommen.“ Über die Zusammenhänge zwischen
der steigenden Kriegslust der Balkanstaaten und ihrem Vertrauen auf die unter der
Protektion Rußlands abgeschlossenen Bündnisse war man sich auch in Paris voll-
kommen klar; vgl. Iswolskis streng vertraulichen Privatbrief an Sasonow vom 12. Sep-
tember (Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolkis 1911—1914, ed. Fr. Stieve, II,
249 ff.). Es heißt darin u.a.: „Poincare ist persönlich der Ansicht, daß der serbisch-
bulgarische Geheimvertrag sowohl auf die Bulgaren als auf die Serben aufreizend;
wirkt. Schon in St. Petersburg hat er unmittelbar nach Kenntnisnahme von dem Wort-
laut des Vertrages zu mir gesagt, daß dieser seiner Meinung nach ein ,Kriegsinstruu
ment' sei (vgl. dazu auch Kap. CCLXI, Nr. 12 058, Fußnote2). Die Rußland ein-
geräumte Rolle des Schiedsrichters kompliziert seiner Meinung nach die Lage noch
mehr. Die Bulgaren seien überzeugt, daß die russische Regierung, auch wenn sie
augenblicklich ihr Veto einlegen würde, im Fall eines Krieges zwischen Bulgarien und
der Türkei, und besonders im Falle einer bulgarischen Niederlage, doch durch die
öffentliche Meinung Rußlands zum Eingreifen veranlaßt werden würde.“ Daß man
auch in russischen Kreisen jene Zusammenhänge durchschaute, beweist der vertrauliche
Brief des russischen Botschafters in Konstantinopel M. von Giers an Sasonow vom
29. August: „Ich brauche nicht mehr auf die gefahrdrohenden Nachrichten hinzu-
weisen, die aus den Balkanstaaten hierher dringen. Durch den geheimen Abschluß von
Bündnissen ermutigt und von ihrer Übermacht überzeugt, haben die Balkanstaaten nur
den einen Gedanken, den günstigen Zeitpunkt nicht vorübergehen zu lassen und so bald
als möglich sich in den Kampf zu stürzen. Diese Bestrebungen haben unter meinen
Augen fast stündlich in der immer größer werdenden Nervosität meiner hiesigen Bal-
kankollegen Bestätigung gefunden. Sie alle und besonders der bulgarische Gesandt©
richten beständig die Frage an mich: ,Wann wird Rußland endlich zu handeln an-
fangen?' ... Es ist möglich, daß die allgemeine Spannung so groß werden wird, daß
man sich nicht mehr die Frage stellen wird, ob sich auch Rußland in Bewegung setizt,
und daß man wider dessen Willen zu den Waffen greift.“ Vgl. Aktenstück Nr. 598,
S.208.
8) General Paprikow.
2 l3
fahrenheit in der Türkei, die bei Kriegsausbruch sofort aufhören würde,
rechnen dürfe. Die Türken würden „wie ein Mann“ gegen Bulgarien
marschieren.
Lucius.
Nr. 6o4.
Der Gesandte in Cetinje von Eckardt
an das Auswärtige Amt. *)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 3o. Cetinje, den 16. September 1912.
Von Montenegro favorisiert kämpfen Malissoren erfolgreich weiter.
Wenn Rußland nicht seine Armeesubvention zurückhält oder Finanz-
misere mit zirka einer Million Rubel beseitigt, wird Ministerium und
öffentliche Meinung König voraussichtlich zu offener Provokation
zwingen2).
Eckardt.
Nr. 6o5.
Der russische Außenminister an die Vertreter Ruß-
lands in Paris, Wien, London, Berlin, Rom und Kon-
stantinopel.8)
Telegramm Nr. 1827. Petersburg, den 4«/I7‘ September 1912.
Gestern erhielt ich den Besuch des Gesandten von Bulgarien. Aus
meiner Unterredung mit ihm habe ich den Eindruck gewonnen, daß die
Eröffnung der Feindseligkeiten zwischen Bulgarien und der Türkei un-
vermeidlich ist, falls die Mächte nicht mit friedlichen Mitteln von der
Türkei die Erfüllung der bulgarischen Forderungen erreichen können,
die die Verwirklichung der in Artikel 23 des Berliner Vertrages vorge-
sehenen Reformen in Mazedonien betreffen.
----------- 1
*) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 i46, S. io5.
2) Nach späteren Angaben des Sektionschefs Baron Macchio zu Botschafter von
Tschirschky (vgl. dazu Kap. CCLXIII, Nr. 12 261) wäre gerade drei Tage vor der
montenegrinischen Kriegserklräung (8. Oktober) in Cetinje aus Rußland eine Summe
von einer halben Million Rubel eingetroffen. Baron Macchio wollte daraus schließen:
entweder treibe Sasonow selbst ein doppeltes Spiel, oder die russische Regierung sei so
ohnmächtig, daß sie Maßnahmen anderer russischer Kreise, die die amtliche Politik
direkt konterkarierten, zu verhindern nicht imstande sei. Auch ein Vertrauter König
Karls von Rumänien, der Administrator der Krondomänen Kalindero ließ sich Mitte
Oktober 1912 gegen den Gesandten von Waldthausen dahin aus, daß das „von Ruß-
land pekuniär unterstützte Montenegro doch wohl nicht ohne Einvernehmen Ruß-
lands den Krieg erklärt habe“. Bericht Waldthausens Nr. 99 vom 16. Oktober; siehe
Kap. CCLXIII, Nr. 12282.
3) Iswolski. Bd. II. Nr. 432, S. 253.
214
Ich habe dem General Paprikow alle, von uns bereits gegen eine
aktive Intervention Bulgariens erhobenen Einwände wiederholt und seine
Aufmerksamkeit ganz offen auf die vielleicht verhängnisvollen Folgen
eines unüberlegten Schrittes von seiten Bulgariens gelenkt, den es an-
scheinend in diesem Augenblick unter dem Einfluß der revolutionären
Tätigkeit der mazedonischen Komitees zu unternehmen gedenkt. Meine
Worte schienen nicht wirkungslos zu bleiben und der Gesandte ver-
sprach, das Gesagte in vollem Umfange nach Sofia zu übermitteln.
Nach Paprikow empfing ich den türkischen Botschafter, den ich von
der außerordentlich unruhigen Stimmung in Bulgarien in Kenntnis
setzte. Ich betonte mit Bezug hierauf dem Botschafter gegenüber, daß es
zur Verhütung schwerer Verwicklungen für die Türkei dringend nötig
sei, in Mazedonien sofort die Durchführung der Reformen in Angriff
zu nehmen, die der christlichen Bevölkerung Schutz für Person und
Eigentum, Gleichheit vor dem Gesetz und, im Verhältnis der Rassen zu-
einander, Beteiligung an der Organisation und Verwaltung gewährleisten.
Im Hinblick auf die beunruhigenden Nachrichten aus den Balkan-
staaten und im Bewußtsein der Notwendigkeit, kein Mittel zur
Abwendung der drohenden Gefahr eines Balkankrieges
unYersrucht zu lassen, beauftrage ich Sie, sich bei der
Regierung, bei der Sie beglaubigt sind, zu erkundigen, ob sie es nicht
für nützlich hält, ihren Vertreter in Konstantinopel anzuweisen, daß er
bei der Pforte in einer Form, die nicht den Charakter eines gemeinsamen
Schrittes trägt, freundschaftliche Vorstellungen in dem Sinne meiner
oben erwähnten, dem türkischen Botschafter abgegebenen Erklärung,
machen solle.
Sasonow.
Nr. 606.
Aide-mémoire der kaiserlich russischen Botschaft.x)
Vienne, le 19 septembre 1912.
Selon toutes les informations qui parviennent au Gouvernement Impé-
rial, à (moins que des réformes ne soient promulguées à bref délai pour
la Macédoine en conformité avec les stipulations de l'article XXIII du
traité de Berlin, un conflit armé entre la Bulgarie et la Turquie parait
inévitable. Le Ministre des Affaires Etrangères de Russie n'a pas manqué
de faire part à l'Ambassadeur Ottoman à St. Petersbourg de ses appré-
hensions à ce sujet, en le pressant d'enjoindre d'urgence à son Gouverne-
ment de ne plus tarder à prendre en mains des réformes en Mlacédoine
qui puissent assurer à la population chrétienne la garantie de leurs per-
sonnes et de leurs biens, l'égalité devant la loi et une participation pro- *)
*) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 17, S. 12.
2l5
portionnée à sa composition ethnographique à l'organisation de l'admi-
nistration.
Désireux d’épuiser tous les moyens possibles pour prévenir le danger
d’une conflagration sur la presqu’île Balkanique, le Gouvernement Im-
périal a donné l’ordre au Chargé d’Affaires de Russie de s’enquérir
auprès du Gouvernement Impérial et Royal, s’il ne considérerait pas op-
portun de faire de son côté à la Sublime Porte, par le canal de son
Ambassadeur à Constantinople, des représentations amicales dans le sens
des explications susmentionnées que le Ministre des Affaires Etrangères
de Russie a eues avec l’Ambassadeur Ottoman à St. Petersbourg, sans
qu’une pareille démarche revêtisse les formes d’une action commune.
Nr. 607.
Der Geschäftsträger in Petersburg Freiherr von Lu-
cius an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.l)
Ausfertigung.
Nr. 273. St. Petersburg, den 19. September 1912.
Ganz vertraulich.
Die Besorgnisse Herrn Sasonows vor dem Ausbruch eines türkisch-
bulgarischen Krieges halte ich für aufrichtig. Der Minister ist jeden-
falls durch die alarmierende Berichterstattung des Herrn Nekljudow* *),
welcher den Ausbruch des Krieges schon für Anfang Oktober voraus-
gesagt hat, in seiner pessimistischen Auffassung der Lage bestärkt wor-
den. Ich hielt Herrn Sasonow in einem Gespräch, welches am Tage vor
der Absendung der Zirkulardepesche stattfand, entgegen, daß ich in die
Besonnenheit des Königs Ferdinand großes Vertrauen setze. Der Mi-
nister erwiderte, daß weder der König noch die Regierung den Krieg
wollten. Aber gerade deswegen würde der Monarch in der unerhörtesten
Weise angegriffen. Die bulgarischen Zeitungen erklärten ganz offen,
daß der König ein Fremder im Lande sei und dasselbe verlassen müsse
„s’il ne veut pas marcher“. Ich konnte nicht umhin, dem Minister zu
zu antworten, daß nach meinen Beobachtungen in Sofia die bulgarische
Presse nicht niedrig genug eingeschätzt werden könnte.
Herr Sasonow hat dem hiesigen bulgarischen Gesandten, der sich
stets auf die „Volksstimmung“ beruft, gereizt geantwortet: „Je vous
dis pour la 2 0-ième fois que vous n’aurez pas à compter sur nous.“ Seit
seiner letzten Unterhaltung hat daher General Paprikow sich hiesigen
Journalisten gegenüber weniger „kriegsmutig“ geäußert.
1) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 ilxÿ, S. 107.
Randbemerkung von Kiderlens:
*) Ein wilder Fanatiker.
216
Ob Herrn Sasonow bei seiner letzten Aktion nicht doch die Idee vor-
geschwebt hat, daß Rußland und nicht Österreich dereinst als Befreiter
Mazedoniens dastehen müsse, mag dahin gestellt bleiben.
Lucius.
Nr. 608.
M. J. Cambon, Ambassadeur de France à Berlin,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.x)
Berlin, le 19 septembre 1912.
Le Chancelier, qui est encore à Hohenfinow mais qui vient de temps
en temps à Berlin, m’avait donné rendez-vous aujourd’hui.
Je lui ai demandé s’il était vrai, comme l’annoncent certains journaux
de ce soir, que les négociations de Lausanne entre les Turcs et les
Italiens eussent fait aujourd’hui un grand pas, grâce à une proposition
de l’Allemagne. M. de Bethmann m'a répondu qu’il espérait que ces
négociations marchaient et aboutiraient à un résultat effectif mais que
l'Allemagne n’était pas intervenue et qu’elle n’aurait aucun mérite parti-
culier dans l’issue finale.
Nous nous sommes étendus ensuite sur la situation dans les Balkans.
Mon interlocuteur s’est montré assez optimiste: il ne croit pas que les
Bulgares prennent l’initiative d’une action militaire. «S’ils avaient des
intentions belliqueuses, a-t-il ajouté, j’espère que la Russie sera assez
forte pour les contenir: la Russie ne veut pas la guerre; vous devez le
savoir mieux que moi.» — «C’est la vérité, lui ai-je répondu; la Russie
est pacifique; mais si, par suite d’une circonstance imprévue, un conflit
venait à éclater en Macédoine, il n’y a pas que la Russie, il y a
l’Autriche, et je vous dirai à mon tour, vous devez savoir mieux que moi
quelles sont les intentions de Vienne.» — «Personne ne veut la guerre
en Europe, a repris M. Bethmann-Hollweg, personne. J’espère que si
un conflit éclatait, nous pourrions le localiser; les Puissances devraient
s’entendre pour y parvenir.» — «Vous pensez donc, ai-je dit, que l’on
pourrait agir dans ce sens à Vienne avec succès.» — «Oui, m’a-t-il
répondu, je crois à la localisation du conflit.»
J’ai essayé de le pousser plus loin. Négligemment et dans une phrase
incidente, je me suis demandé ce qu’il adviendrait si la
Russie et l’Autriche se trouvaient elles-mêmes aux prises;
mais mon interlocuteur n’ayant pas relevé ce propos, je n’ai pas insisté
davantage.
Jules Cambon. *)
*) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 99.
217
Nr. 609.
Telegramm des russischen Gesandten in Sofia
an den stellvertretenden russischen Außenminister*)
vom 7./20. September 1912.
Nr. 11.4.
Da ein bewaffnetes Vorgehen Bulgariens in allernäch-
ster Zeit nicht mehr abzuwenden ist, erlaube ich mir Ihnen
folgende Erwägung zu unterbreiten: Wenn wir es für unzulässig und für
Rußland im Sinne der Erhaltung des Friedens für gefährlich halten,
!daß Varna und Burgas von der türkischen Flotte beschossen, türkische
Truppen ausgeschifft, weniger wichtige Ortschaften des bulgarischen
Ufers verwüstet, die Kabelverbindung Odessa—Varna gestört und unser
Handel mit Bulgarien unterbunden werden, so muß unsere Schwarz-
meerflotte in weniger als zwei Wochen zum Auslaufen
bereit sein. Ich wiederhole den in meinem Schreiben vom 24. August
ausgedrückten Gedanken, Rußland müsse erklären, daß es keine Ruhe-
störung auf dem ganzen Westufer des Schwarzen Meeres dulden werde.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Pforte nachgeben und sich verpflich-
ten wird, ihre Flotte nicht in das Schwarze Meer zu schicken: aber um
dies zu erreichen, muß sowohl die Türkei als auch Europa wissen, daß
unsere Flotte bereit ist und Landungstruppen an Bord nehmen kann.
Nekljudow.
Nr. 610.
Telegramm des russischen Gesandten in Sofia
an den stellvertretenden russischen Außenminister1 2)
vom 7./20. September 1912.
Nr. 115.
Auf meine Frage nach dem Bestehen einer Militärkonvention zwi-
schen Bulgarien und Montenegro hat Geschow ausweichend geantwortet,
daß „die bulgarische Regierung bestimmte Vorschläge von König Niko-
laus erhalten“, daß sie aber noch nicht endgültig geantwortet habe. Ich
bin jedoch überzeugt, daß die Militärkonvention fertiggestellt, wenn auch
noch nicht unterzeichnet ist. Der sich augenscheinlich ausbreitende Auf-
stand der Malissoren ist ein Beweis dafür, daß Bulgarien sich die Mög-
lichkeit geschaffen hat, in allerkürzester Zeit einzugreifen.
Nekl j udow.
1) Benckendorff. Bd.II. Nr. 682, S. 447-
2) a.a.O. Nr. 683.
218
Nr. 611.
Der Gesandte in Cetinje von Eckardt
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Cetinje, den 21. September 1912.
Nr. 32.
Der Kronprinz ist heimlich abgereist; nach meinen Informationen
nach Paris, um dort dem Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch ein
Schreiben des Königs zu überreichen1 2 3). Russischer Gesandter sagte
mir streng vertraulich, er habe dem Ministerpräsidenten zunächst nur in
seinem Namen materielle Hilfe für Montenegro versprochen, wenn es
ruhig bleibe, und bestimmt erklärt, daß Rußland es seinem Schicksal
überlassen werde, wenn es Krieg anfange.
Eckardt.
Nr. 612.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.8)
Geheimtelegramm. Paris, den 9-/22. September 1912.
Nr. 194.
Ich telegraphierte dem Minister:
Nr. 2. Von H. Poincare vorgeschlagene Punkte:
1. Die Mächte werden gleichzeitig und in kürzester Frist bei den Ka-
binetten in Sofia, Belgrad, Athen und Cetinje intervenieren, um ihnen
zu raten, nichts zu unternehmen, was den Frieden stören oder den
Status quo auf der Balkanhalbinsel verletzen könnte. 2. Sollten die Rat-
schläge nicht befolgt werden, so werden die Mächte sofort in gemein-
samer Bemühung den Konflikt zu lokalisieren und zu beenden
versuchen. Sie erklären vor allem den den Frieden störenden Staaten,
1) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 i56, S. ii3.
2) Der Zweck der Reise wird bestätigt durch ein Telegramm des stellvertretenden
Außenministers Neratow an Iswolski vom 22. September. Der diplomatische Schrift-
wechsel Iswolskis 1911—1914, ed Fr. Stieve, II, 258. Über den Aufenthalt des Groß-
fürsten Nikolaus Nikola jewitsch in Frankreich, vgl. Bd. XXXI, Kap. CGXLVIII,
Nr. 11 599, Fußnote. Nach einer Mitteilung Giolittis zu dem Ingenieur Nogara soll
der Großfürst bei den Pariser Besprechungen der Vertreter der Balkanländer präsi-
diert haben, die ein gemeinsames Vorgehen dieser Länder gegen die Türkei bezweck-
ten (vgl. dazu Nr. 12 160). Doch ist den Pariser Beratungen der Balkanvertreter, die
bei Guechoff, L’Alliance Balkanique, gar nicht erwähnt werden, eine besondere Bedeu-
tung kaum beizumessen.
3) Iswolski. Bd.II. Nr. 439, S. 257.
219
daß sie von einem eventuellen Sieg keinen territorialen Vor-
teil zu erwarten hätten. 3. Wenn der Gang der Ereignisse die
Anwendung energischerer Mittel notwendig machen sollte, wie etwa eine
Armee- oder Flottendemonstration, so werden die Mächte nur nach vor-
heriger Vereinbarung zu einer solchen schreiten. 4- Zur selben Zeit, in
der sie die in Punkt i angegebenen Schritte unternehmen, werden die
Mächte bei der Hohen Pforte dahin vorstellig werden, sie solle ohne
Zögern die Verwaltungsreform einführen, die die christliche Bevölkerung
der Balkanhalbinsel mit Recht fordert.
Iswolski.
Nr. 6i3.
Der stellvertretende russische Außenminister
an den russischen Botschafter in Paris.*)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den9-/22. September 1912.
Nr. 1876.
Berufe mich auf das Telegramm aus Cetinje unter Nr. i5o.
Persönlich. Es wäre überaus erwünscht, wenn Sie dem Großfürsten
die Ansichten der kaiserlichen Regierung über die Lage der Dinge auf
dem Balkan unterbreiten könnten.
Nerat ow.
Nr. 6i4.
Der stellvertretende russische Außenminister
an den russischen Botschafter in Paris.* 2)
Telegramm. St. Petersburg, den 9.722. September 1912.
Nr. 1881.
Teile das Telegramm aus Cetinje unter Nr. i5o vom 8-/21. Septem-
ber mit:
In diesen Tagen reiste Prinz Danilo unerwartet inkognito nach Paris
ab. — Ich erfahre vertraulich, daß der Zweck seiner Reise eine Zu-
sammenkunft mit dem Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch ist, dem er
augenblicklich ein Schreiben des Königs Nikolai überbringt, der in letzter
Zeit über die Lage der Dinge in Montenegro im Zusammenhänge mit
den neuesten Ereignissen auf dem Balkan stark besorgt ist.
Nähere Einzelheiten durch Kurier.
Neratow.
1) Iswolski. Bd. II. Nr. 44i, s. 258.
2) Iswolski. Bd. II. Nr. 442, S. 258.
220
Nr. 6i5.
Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von
Wangenheim an das Auswärtige Amt.1)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 3o3. Therapia, den 23. September 1912.
Herr Nogara* 2) hat ein Telegramm Giolittis erhalten, welches die Lage
in den Balkanländern als äußerst kritisch schildert. Nach einer in Rom
eingegangenen Nachricht aus Paris habe dort unter Vorsitz des Groß-
fürsten Nikolaus3 4) eine Besprechung der Vertreter der Balkanländer
stattgefunden*). Ob die Türkei sich der sie bedrohenden Gefahr be-
wußt sei?
Wangenheim.
Randbemerkung Kaiser Wilhelms II.:
*) Das ist ja ganz neu.
Nr. 616.
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre
des Affaires étrangères, à MM. les Ambassadeurs de
France à Vienne, Londres, Berlin, Constantinople,
Rome, Saint-Pétersbourg. *)
Paris, le 24 septembre 1912.
- Le Ministre de Bulgarie à Paris, arrivé avant-hier de Sophia, s'est
entretenu de la situation avec le Directeur des Affaires politiques.
Voici le résumé des déclarations que M. Stancioff, s'exprimant à titre
personnel et amical, a faites à M. Paléologue:
«M. Guéchow demeure pacifique; mais sa position est difficilement
tenable, car le pays veut la guerre. Nous attendrons quelques semaines
encore avant de prendre parti; nous voulons laisser à l’Europe le temps
d’intervenir à Constantinople pour obtenir des réformes en Macédoine.
Ces réformes, il faudra que la Porte les exécute strictement et sans
retard. Notre rêve serait que les Ministres des quatre Etats balkaniques
accrédités à Constantinople fussent chargés de veiller à cette exécution.
*) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 160, S. n5.
2) Commendatore Nogara, Vertreter der Banca Gommerciade d’Oriente in Konstanti-
nopel, hatte bei der Anbahnung der türkisch-italienischen Friedens Verhandlungen eine
bedeutsame Rolle gespielt. Vgl. Bd. XXX, Kap. CCXXXIX, und G. Giolitti, Denk-
würdigkeiten meines Lebens, deutsch von W. G. L. Stein, S. 181 f.
3) Vgl. Aktenstück Nr.611, S.219 Anm. 2.
4) Livre Jaune, 1912. I. Nr. io4.
221
Si nous sommes obligés de faire la guerre, nous proclamerons que nous
ne poursuivons pas de conquête territoriale mais seulement l'autonomie
de la Macédoine. Nous ne mobiliserons d'ailleurs que si la Serbie, la
Grèce et le Monténégro mobilisent en même temps.»
Dans cette conversation, Mr. Stanicoff a semblé reconnaître l'existence
d'une alliance entre les quatre Etats balkaniques.
Raymond Poincaré.
Nr. 617.
Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von
Wangenheim an das Auswärtige Amt.1)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 3io. Therapia, den 27. September 1912.
Bulgarischer Gesandter angeblich noch ohne Nachricht über Eindruck
türkischer Konzentrierungen auf Bulgarien, heute merklich kleinlauter
als vorgestern; scheint zu besorgen, daß Türken Ernst machen könnten.
Serbischer Gesandter* 2) mitteilte Markgraf Pallavicini, daß nach Tele-
grammen aus Uesküb Teil Munitionssendung freigegeben3). Vermutet
deshalb feierliche Erklärungen seiner Regierung, was bulgarischen Ge-
sandten beunruhigt. Serbien werde ohne Rußlands Einverständnis nicht
kämpfen.
Türken fatalistisch, aber zum Krieg bereit, wenn bulgarische Provoka-
tionen andauern. In Beamtenkreisen erwartet man von Krieg Klärung
der verworrenen äußeren und inneren Lage.
Wangenheim.
Nr. 618.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den stellvertretenden russischen Außenminister4)
vom 14-/27. September 1912.
Nr. i4i.
Die türkische Mobilisation ruft immer noch Erregung hervor. Die
Erklärung der Türkei, bestimmte Truppenteile seien wegen der schon
x) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 171, S. 121.
2) Nenadowitsch.
3) Am 24. September waren in Üsküb 20 Waggons mit Kriegsmaterial für Serbien
beschlagnahmt worden.
4) Benckendorff. Bd. II. Nr. 684, S. 447-
222
früher in Aussicht genommenen Manöver zu den Fahnen gerufen wor-
den, findet hier natürlich gar keinen Glauben; denn es werden fast alle
Truppen der europäischen Türkei zusammengezogen, was aus verschie-
denen Quellen bestätigt wird. Meine Aufgabe war es, die hiesige Re-
gierung zu bewegen, sich nicht mit Repressalien zu beeilen. Paschitsch
hat meinem Standpunkt beigepflichtet und der bulgarischen Regierung,
die eine sofortige serbisch-bulgarische Mobilisation verlangte, telegra-
phiert, man solle den Beginn und die Ausführung dieser Maßnahmen
so lange als möglich hinausschieben. Augenscheinlich haben Serbien und
Bulgarien verabredet, daß ihre allgemeine Mobilisation am 16. September
beginnen und bis zum 25. oder 26. September dauern wird, wobei Ser-
bien die Manöver als Vorwand gebrauchen wird. Auf diese Weise haben
wir zwölf Tage vor uns, im Laufe derer es uns vielleicht möglich sein
wird, die Türken zu zwingen, von der Mobilisation abzusehen. Denn
stehen sich einmal beide Armeen gegenüber, so wird ein Gewehrschuß
genügen, um den Brand zu entfachen.
Hartwig.
Nr. 619.
Der Geschäftsträger in Wien Prinz zu Stolberg
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.*)
Entzifferung.
Nr. 280. Wien, den 27. September 1912.
Streng vertraulich.
Unter Bezugnahme auf Erlaß vom 21. September Nr. 6792).
Graf Berchtold äußerte sich in ganz vertraulichem Gespräch sehr be-
sorgt über die etwa von den Balkanstaaten angestrebten Gebietserweite-
rungen. Er versicherte dabei mit Nachdruck, daß Österreich-Un-
garn saturiert sei und keine Eroberungsabsichten irgend-
welcher Art hege. Aber es könne gewisse Veränderungen am Balkan
unter keinen Umständen zugeben. Wenn zum Beispiel Serbien eine Ex-
pansion nach dem Sandschak vornähme, so sei über kurz oder lang ein
Zusammenschluß dieses Landes mit dem stammverwandten Montenegro,
sei es als Monarchie, sei es als Republik, zu gewärtigen. Ein solches
neues slawisches Staatengebilde würde aber eine dauernde Anziehung für
alle südslawischen Elemente in Bosnien und der Herzegowina, Kroatien,
Slawonien und Dalmatien und damit eine stete Gefährdung für die Ruhe
und Sicherheit Österreich-Ungarns bilden. Es bedeute einfach ein Le-
bensinteresse für die Monarchie, dies zu verhindern. Sie könne nicht zu-
x) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 172, S. 122.
2) Siehe Nr. 12 i55.
223
lassen, daß durch die Erweiterung Serbiens auf dem Sandschak ihr ein
Sperriegel an der Südgrenze vorgeschoben werde, zumal da dies ebenso
wie eine Expansion der Balkanstaaten nach Albanien eine Abschließung
gegen die Adria bedeuten würde.
In Albanien verfolge Österreich-Ungarn keinerlei eigennützige Pläne;
dies sei schon mit Rücksicht auf die Abmachungen mit Italien ausge-
schlossen; Albanien müsse aber türkisch bleiben und gegen Aspiration
von anderer Seite geschützt werden. Durch Verträge, die teilweise auf
die Friedensschlüsse von Carlowitz und Passarowitz zurückgingen, sei
Österreich-Ungarn seitens der Türkei das Recht des Protektorats über
die katholischen Albaner eingeräumt worden, das auch von je herkömm-
lich ausgeübt worden sei, und aus diesem Recht resultierten moralische
Verpflichtungen zum Schutz der dortigen Glaubensbrüder gegen Anders-
gläubige, denen man sich nicht entziehen könne.
Graf Berchtold möchte unter allen Umständen den Krieg vermieden
sehen, da er ernstliche Besorgnisse vor einer Hineinbeziehung Österreich-
Ungarns und eventuell daraus entstehenden weiteren Komplikationen hat.
Ich bin überzeugt, daß er nicht daran denkt, die gegenwärtige Lage am
Balkan zur Ausführung irgendwelcher Pläne zu benutzen. Sollten aber
die oben erwähnten Befürchtungen bezüglich Serbiens und Montenegros
eintreten, so würde sich Österreich-Ungarn vielleicht doch zu Maßregeln
gezwungen sehen, die an sich seinen Wünschen nicht entsprechen.
Stolberg.
Nr. 620.
Der Ges chäftsträger in Petersburg F reiherr von Lucius
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.*)
Ausfertigung.
]Nfr. 279. St. Petersburg, den 28. September 1912.
Vertraulich. (pr. 3o. Sept.)
Herr Neratow hat sich beim letzten Empfang, wie ich Euerer Exellenz
schon anderweitig berichten durfte* 2), sehr pessimistisch über die tür-
kisch-bulgarischen Beziehungen ausgesprochen, und ich hatte ebenso wie
mein österreichischer Kollege den Eindruck, daß man hier, selbst wenn
die Türkei ernstlich mit Einführung der Reformen in letzter Stunde
beginnen würde, den Konflikt für unvermeidlich ansieht. Denn Herr
Neratow hat ebenso wie Herr Sasonow keinerlei Vertrauen mehr in die
türkischen Versprechungen. Der Ministerpräsident bemerkte sogar Herrn
von Szilassy gegenüber, daß er vom bulgarischen Standpunkte
!) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 180, S. 128.
2) Vgl. Nr. 12 166.
T
aus wohl begreife, wenn man in Sofia den jetzigen
Augenblick benutze. Bevor die Türken die kleinasiatischen Armee-
korps heranholen könnten, würden sie vermutlich geschlagen sein. Herr
Kokowzow glaubt offenbar an eine Verständigung der Balkanstaaten
ad hoc x), da er als feststehend annimmt, daß Bulgarien beim Kriegs-
ausbruch keinesfalls allein bleiben würde. Betreffend die Teilnahme von
Griechenland fiel mir eine Äußerung des englischen Botschafters2) auf,
die — wie ich glaube — von Herrn Sasonow stammt, daß nämlich die
Türkei durch Preisgabe von Kreta an Griechenland die Neutralität dieses
Staates erkaufen würde.
Den Hauptgrund zu der großen Besorgnis Rußlands vor dem Aus-
bruch eines Balkankrieges sehe ich darin, daß man sich hier wohl be-
wußt ist, im Falle einer bulgarischen Niederlage eventuell zu einer be-
waffneten Intervention zugunsten der Besiegten gezwungen zu sein.
Bulgarien wird also trotz aller eindringlichen Warnungen Herrn Saso-
nows an General Paprikow („vous n’avez pas ä compter sur nous“) 3)
schließlich sich auch hierdurch nicht vom Krieg abhalten lassen und sich
sagen, daß Rußland ohne Verlust seines ganzen Prestiges auf dem Bal-
kan die von ihm selbst geschaffenen und bisher beschützten slawischen
Staaten nicht ganz ihrem Schicksal überlassen kann. Aus dieser Über-
legung heraus ist wohl auch die Bemerkung Herrn Sasonows zu erklären,
die er mir vor seiner Abreise über die Lokalisierung eines Krieges ) und
über die dringend nötige Einigkeit der Mächte hierbei mit dem Zusatz
machte, daß es sich bei den hoffentlich einheitlichen Bemühungen der
Großmächte dann nicht um die verschiedenen Gruppierungen („ni de la
triple entente, ni de la triplice“) handeln dürfte.
Lucius. *)
*) Das wußte man in Rußland ganz genau, da ja unter russischer Ägide der ser-
bisch-bulgarische Bündnisvertrag vom 29. Februar — i3. März 1912 zustande gekom-
men war. Vgl. Kap. CCLXI, Nr. 12 058, Fußnote.
2) Sir G. W. Buchanan.
3) Siehe Aktenstück Nr. 607, S.216.
4) Siehe Aktenstück Nr. 6o3, S.2i3. Daß man in Petersburg keineswegs einer sol-
chen Lokalisierung sicher war, sondern seine Maßnahmen so traf, als ob Rußland in
den Krieg hineingezogen werden könnte, zeigt sich in der Tatsache, daß die am 12. März,
einen Tag vor Abschluß des serbisch-bulgarischen Vertrags erlassene Anordnung, wo-
nach „ein telegraphischer Befehl zur Anordnung der Mobilmachung in den europäi-
schen Militärbezirken aus Anlaß politischer Komplikationen an den Westgrenzen gleich-
zeitig als Befehl zur Eröffnung der Feindseligkeiten gegen Österreich und Deutschland
aufzufassen“ war, am 3o. September, dem Tage der Mobilmachung der Balkanstaaten,
dem VI. Armeekorps in Warschau mitgeteilt wurde. Vgl. Graf Max Montgelas, Leit-
faden zur Kriegsschuldfrage, S. 37, 39; Günther Frantz, Rußlands Eintritt in den
Weltkrieg S. 46, 234- Annähernd gleichzeitig erfolgte eine russische Probemobil-
machung großen Stils, deren Schwerpunkt gerade in den westlichen Grenzbezirkein
lag. Ein Telegramm Iswolskis 1911—1914, ed Fr. Stieve, II, 262 f.) zeigt, wie sehr
sogar die französische Presse durch diese von der Agence Havas in sensationeller Auf-
machung gebrachte Nachricht beunruhigt wurde, die nach Auskünften, die Graf Pour-
tales vom russischen Generalstab empfing, schon im Frühjahr 1912 in Aussicht ge-
nommen worden wäre. Bericht Graf Pourtales' vom 7. Oktober (Nr. 284). Bei sei-
nem Aufenthalt in Berlin am 8. Oktober stellte der russische Außenminister Sason
15 Boghitschewitsch, Serbien II.
225
Nr. 621.
Telegramm
des russischen Botschafters in Konstantinopel an den
stellvertretenden russischen Außenminister1)
vom 17./30. September 1912.
Nr. 734.
In Ergänzung meines Telegramms Nr. 731. — Der serbische Ver-
treter teilt mir über seine Verhandlungen hinsichtlich des zurückgehalte-
nen Kriegsmaterials folgendes mit: In Beantwortung seines Protestes
und der Erklärung, daß die Politik Serbiens der Türkei gegenüben
freundschaftlich geblieben sei, hat der türkische Außenminister geant-
wortet, daß, sobald die Erklärungen des serbischen Vertreters in schrift-
licher Form wiederholt würden, das Kriegsmaterial durchgelassen werden
würde. Sonnabend hat der serbische Vertreter der Pforte mitgeteilt, daß
er eine derartige schriftliche Erklärung nicht geben könne, worauf der
türkische Außenminister ihn nochmals gebeten hat, Paschitsch telegra-
phisch um die Ermächtigung zu einer solchen Erklärung zu bitten, was
Nenadowitsch auch getan hat. Von der Rücksendung des Kriegsmaterials
nach Marseille war bis jetzt noch nicht die Rede gewesen.
Giers.
now, dem gegenüber Bethmann Hollweg und Kiderlen die im Augenblick der Mobil-
machung der Balkanstaaten doppelt auffällige russische Maßregel zur Sprache brachten
(siehe Aktenstück Nr. 648, S. 246), diese als „eine regelmäßig wiederkehrende
Maßregel“ hin, mußte sich aber daran erinnern lassen, daß man wohl eine amtliche
Mitteilung über die Probemobilmachung hätte erwarten können. Auf eine Anfrage des
Generalstabschefs von Moltke an Staatssekretär von Kiderlen vom i5. Oktober 1912,
„ob dem Auswärtigen Amt von amtlicher russischer Seite eine vorherige Benachrichti-
gung über die in letzter Zeit in den der deutschen Grenze benachbarten Gebieten vor-
genommenen größeren Probemobilmachungen zugegangen ist, wie dies hei einer glei-
chen Gelegenheit im Oktober 1911 geschehen ist“, mußte der Staatssekretär ver-
neinend antworten. General von Molkte bat darauf aus „schwerwiegenden militäri-
schen Gründen“ das Auswärtige Amt am 12. November, „eine Aussprache mit der
russischen Regierung herbeiführen zu wollen dahingehend, daß über Probemobil-
machungen in deutsch-russischen Grenzgebieten in Zukunft wieder eine vorherige Mit-
teilung an die deutsche Regierung erfolgt“. Graf Pour talés wurde in der Tat durch
Erlaß vom 18. November in diesem Sinne angewiesen. Nach einem Bericht Graf
Pourtalès vom 23. November (Nr. 33o) erkannte Sasonow die Berechtigung des deut-
schen Wunsches zwar an und versprach, die Angelegenheit an maßgebender Stelle zur
Sprache bringen zu wollen, kam aber auf den Gegenstand nicht wieder zurück. Über
den Eindruck der russischen Probemobilmachung in Wien (siehe Aktenstück Nr. 65o,
S.25i).
1) Benckendorff. Bd. II. Nr. 687, S. 449*
226
Nr. 622.
Telegramm des russischen Botschafters in Konstanti-
nopel an den russischen Außenminister1)
von* 17./30. September 1912,
Nr. 731.
Dringend.
Ohne besondere Instruktionen dazu aus Belgrad zu besitzen, hat mir
der hiesige serbische Gesandte vertraulich mitgeteilt, er sei von Pa-
schitsch beauftragt worden, von der Pforte Erklärungen über die Ein-
berufung der Reservedivision von Uesküb und Mitrowitza zu verlangen,
desgleichen die Freigabe des zurückgehaltenen Kriegsmaterials oder
dessen Rücksendung nach Marseille. Der serbische Vertreter hat der
Pforte erklärt, daß er zwei Tage auf eine Antwort warten werde, worauf
er werde abreisen müssen. Seine Abreise erklärt er mit der Notwendig-
keit, seiner Regierung mündlich zu berichten. Der Geschäftsträger wird
diesen Auftrag heute ausführen. Die Festsetzung einer zweitägigen Frist
wird bei der jetzigen patriotisch erregten Stimmung der Türken die
allgemeine Erbitterung nur noch steigern.
Giers.
Nr. 623.
Graf Mensdortf an Graf Berchtold. ')
Telegramm. London, den 3o. September 1912.
Lors d’une visite que M. Sazonow vient de me faire, il m'a dit que
la nouvelle de la mobilisation bulgare rendait la situation encore plus
sérieuse qu’elle ne l’était. Le pivot de la situation réside, à son avis, dans
conformité de vues existant entre Vienne et St. Petersbourg. Il a une
confiance absolue dans la sagesse et la loyauté de Votre Excellence et me
charge de Lui dire qu’il compte sur la coopération de Votre Excellence
pour empêcher, et s’il est trop tard pour cela, localiser la guerre.
Nr. 624.
Telegramm des stellvertretenden russischen Außen-
ministers an den russischen Gesandten in Belgrad* * 8)
vom 17./3o. September 1912.
Nr. 1970.
Ihr Telegramm Nr. i35 erhalten. Den Balkanstaaten eine Frist von
einigen Monaten für ihr aktives Vorgehen festzusetzen, auch wenn dies
D Benckendorff. Bd. II. Nr. 686, S. 448.
2) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 27, S. 17.
8) Benckendorff. Bd. II. Nr. 688, S. 45o.
227
mit der Absicht geschieht, Zeit zu gewinnen und Reformen durchzu-
führen, würde bedeuten, daß wir eine Bindung eingehen und auf die
eine oder andere Weise die Verpflichtung übernehmen, nach Ablauf
der genannten Frist bei einem Kampf nicht selbst beiseite zu stehen. Auf
diese Weise könnte ein Krieg auf dem Balkan hinausgeschoben, aber in
keiner Weise verhindert werden; denn das einzige, was bis jetzt in Sofia
und Belgrad noch etwas zurückhält, ist die Furcht, die Unterstützung
Rußlands zu verlieren. Wenn daselbst das Gefühl über den Verstand
siegt, so werden die Slawen kein Recht haben, uns irgendeinen Vorwurf
zu machen, nachdem wir so oft gewarnt haben. Umgekehrt aber, wenn
wir eine Frist festsetzen und nach Ablauf derselben nicht imstande sein
werden, einen Krieg zu verhindern, so werden im Fall unserer Nicht-
beteiligung die berechtigten Vorwürfe nicht nur der Slawen, sondern
auch der öffentlichen Meinung Rußlands und Europas sich gegen uns
richten; denn derartige Verhandlungen werden natürlich bekannt werden.
Neratow.
Nr. 62 5.
Der stellvertretende russische Außenminister
an den russischen Außenminister.1)
Telegramm. St. Petersburg, den 17./30. September 1912.
Nr. 1981.
Mitgeteilt nach Paris.
Siehe Telegramm Iswolski Nr. 207. Der Vorschlag Poincares scheint
den besten Ausweg aus der jetzigen Lage zu bieten, falls es möglich wird,
eine Gemeinsamkeit der Ansichten und des Vorgehens von Rußland und
Österreich zu erlangen und auch die Möglichkeit besteht, daß sie als
von den übrigen Mächten anerkannte, meist interessierte Vertreter der
beiden Gruppen auftreten können. Aus diesem Anlaß erlaube ich mir,
das Folgende darzulegen: Zur Verwirklichung des ersten Teils der Auf-
gabe, d. h. zur Herstellung einer Gemeinsamkeit der Ansichten und des
Vorgehens mit Österreich wäre die Mitwirkung Frankreichs sehr er-
wünscht. Grundlage der Verabredung mit Österreich müßte das
Prinzip der Enthaltung von einseitigem Vorgehen sein.
Dann müßten folgende Maßregeln festgestellt werden, die dazu dienen
könnten, den Krieg auf dem Balkan abzuwenden und eine Fortführung
des in letzter Zeit und in früheren Jahren zwischen uns und Österreich
gepflogenen Meinungsaustausches darstellen würden.
Neratow.
1) Iswolski. Bd. II. Nr. 456, S. 264.
228
Nr. 626.
M. Descos, Ministre de France à Belgrade, à M. Ray-
mond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des
Affaires étrangères.1)
Belgrade, le 1er octobre 1912.
Après m’être concerté avec mes Collègues d’Angleterre et de Russie,
je n’ai pas manqué de recommander nettement au Président du Conseil
la plus grande prudence et la nécessité pour la Serbie d’éviter toute
action inconsidérée, susceptible de provoquer une rupture avec la Turquie,
notamment par des mouvements de troupes dirigées vers la frontière.
Mes Collègues d’Angleterre et de Russie ont fait une démarche iden-
tique. De même le Chargé d’affaires d’Allemagne, qui avait reçu l’ordre
de conformer son langage à celui du Ministre d’Angleterre.
M. Pachitch m’a dit qu’il venait de télégraphier au Ministre de Serbie
à Constantinople de rester à son poste, bien qu’il lui eût déjà donné pour
instruction de quitter Constantinople dans les quarante-huit heures, si le
transit du matériel de guerre serbe retenu en Turquie n’était pas autorisé
dans ce délai.
M. de Hartwig nous a dit confidentiellement à tous que
M. Pachitch était profondément pacifique, fort ennuyé
de la situation présente et décidé à pousser la mobilisa-
tion avec une sage lenteur.
Descos.
Nr. 627.
M. Jules Cambon, Ambassadeur de France à Berlin,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Mi-
nistre des Affaires étrangères.8)
Berlin, le 1er octobre 1912.
Dans la conversation que j’ai eue aujourd’hui avec le Secrétaire d’Etat,
celui-ci m’a avoué qu’en présence de l’état de choses existant dans les
Balkans, par suite de la mobilisation, il lui paraissait bien difficile d’em-
pêcher que la guerre éclatât entre la Turquie et les Etats balkaniques;
que les Puissances, pour l’empêcher, devraient prendre des mesures 1 2
1) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 116.
2) Livre Jaune, 1912. I. Nr. 124-
229
coercitives de nature telle qu’elles hésiteraient certainement à s’y résoudre.
«Quoi qu’il en soit, a-t-il dit textuellement, l’Allemagne se joindra à
toutes les mesures que proposerons les Puissances en vue d’éviter la
guerre. Mais, a-t-il ajouté, si la guerre éclate, l’essentiel serait d’éviter
qu’elle donnât lieu entre les grandes Puissances à des disidences
sérieuses.»
Le Secrétaire d’Etat en est revenu alors à la proposition qui a fait
l’objet de mon télégramme du 28 septembre. Il ne voit qu’un seul moyen
de localiser le conflit balkanique entre les Etats balkaniques, c'est que les
grandes Puissances déclarent à tous les bélligérants qu’après l’issue du
conflit elles n’admettront pas de changements territoriaux dans les
Balkans. «Cette déclaration*, a remarqué M. de Kiderlen, serait facilitée
aux Puissances par la déclaration antérieurement faite par les Etats
balkaniques qu’ils ne poursuivaient que des réformes et non pas des
agrandissements, et elle aurait le grand avantage de garantir les Etats
balkaniques contre les conséquences d’un succès possible des Turcs.
Quant à l’objection tirée de l’obligation où se trouveraient les Puissances
d’empêcher des changements territoriaux en cas de succès des Etats
balkaniques et des difficultés qu’elles y trouveraient, le Secrétaire d’Etat
ne la méconnaît pas, mais il estime qu’après la guerre, la menace ou
l’emploi de moyens ooërcitifs, s’il était nécessaire d'y recourir, seront
plus faciles, plus effectifs et moins dangereux.
La plupart de mes Collègues ont été très surpris de la soudaineté
des mesures prises par les Etats balkaniques. L’Ambassadeur de Turquie
notamment se demande s’il n’y a pas une action secrète de Pétersbourg
dans les Balkans. Il relève la nomination au grade de maréchal russe
du Roi de Roumanie et il est porté à y voir l’indice d’une action de
la Russie sur la Roumanie.
Le Chargé d’affaires d’Autriche accuse la Turquie d’avoir provoqué
cette mobilisation par les manœuvres intempestives qu’elle a faites sur
la frontière bulgare. Quant au Chargé d’affaires serbe il a communiqué
au Gouvernement impérial la liste des réformes que le Gouvernement
serbe demande à la Porte pour les provinces de la Vieille Serbie. Il ne
me paraît pas que la Porte puisse les accorder. Ce document est
surtout important parce qu’il contient l’indication de
limites d’influence que se sont reconnues la Bulgarie,
la Grèce et la Serbie; on considérait toujours qu’un accord entre
elles sur ce point était irréalisable.
M. de Kiderlen est revenu sur l’heureux concours de circonstances qui
permet à Votre Excellence de voir M. Sazonoff demain. Il espère que
vous voudrez bien examiner cette proposition. «Si la Russie l’accepte
et prend l’initiative de proposer une déclaration relative au maintien du
statu quo territorial, je me porte fort, a-t-il dit textuellement, que nous
amènerons l’Autriche à s’associer à la Russie. Je prie seulement, a-t-il
280
ajouté, que cette déclaration reste secrète, car il importe qu’elle ne
revienne pas aux oreilles de l’Autriche.»
J’ai demandé au Secrétaire d’Etat ce qu’il en serait de sa proposition
si la Russie, tout en l’approuvant, préférait que ce fût l’Autriche qui
en prît l’initiative. «Dans ce cas, m’a répondu M. de Kiderlen, j’ai lieu
de penser que l’Autriche la prendrait, mais c’est nous qui serions l’inter-
médiaire auprès d’elle, comme il vous appartient de l’être auprès de la
Russie.
J’ai fait connaître au Secrétaire d’Etat que j’allais aussitôt vous trans-
mettre sa conversation. «Souhaitons, m’a-t-il dit, que le danger d’une
guerre générale puisse être écarté: la France peut faire une grande chose
dont les conséquences iront bien loin.»
Jules Cambon.
Nr. 628.
Der Botschafter in Paris Freiherr von Schoen
an das Auswärtige Amt.1)
Telegramm. Entzifferung.
Nr. 294. Paris, den 2. Oktober 1912.
Ministerpräsident hat mir streng vertraulich Kenntnis...* 2) von tele-
graphischen Berichten des Herrn Cambon über Unterredungen mit
Euerer Exzellenz wegen russisch-österreichisch-ungarischer Initiative zur
Erklärung der Mächte, daß sie territoriale Änderungen des Status quo
im Balkan nicht zulassen würden3). Herr Poincare, der das in Berlin
erzielte Ergebnis mit lebhafter Genugtuung begrüßt und unsere Ansicht
teilt, daß unverzügliches Handeln geboten, will noch heute abend Sache
mit Herrn Sasonow besprechen und morgen früh Nachricht nach Berlin
geben.
Mit Herrn Iswolski hat er ohne Erwähnung letzter Berliner Bespre-
chungen Lage erörtert und bei Botschafter Sympathie für Hand-in-
Hand-Gehen von Rußland und Österreich-Ungarn gefunden. Den Ge-
danken des Herrn Iswolski, Mächte sollten Balkanstaaten durch Ga-
rantien für Verwirklichung Reformen in Mazedonien beruhigen, findet
er für jetzige Situation zu weitschweifend.
Schoen.
*) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12209, S. 162.
2) Zifferngruppe fehlt.
3) Vgl. darüber Nr. 12 191 und Cambons Bericht vom 1. Oktober 1912, Französi-
sches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques, I, 7Зs. Vgl. auch vorhergehendes Akten-
stück.
2З1
Nr. 629.
Der russische Außenminister
an den stellvertretenden russischen Außenminister.x)
„ , . ~ . , IQ. September
Geheimtelegramm. Fans, den —^—ö£tober~ I912,
Nr. 212.
Telegraphiere nach Berlin.
Ich sprach Poincare, der meinte, wenn eine gemeinsame Intervention
der fünf Mächte in den Hauptstädten der Balkanländer und in Konstan-
tinopel nicht möglich sein sollte, so könnte man diese durch eine doppelte
Intervention von seiten Rußlands und Österreichs ersetzen, und zwar
nicht nur, weil diese beiden Mächte die am meisten interessierten seien,
sondern auch, weil sie gewissermaßen die beiden europäischen Mächte-
gruppen repräsentieren. Ich habe dem Außenminister erklärt, wir seien
bereit, entweder zu zweien im Namen Europas mit Österreich zusammen
oder gemeinsam mit allen Mächten bei den Balkanstaaten vorstellig zu
werden, um ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß die Mächte keine Ver-
letzung des Friedens dulden dürfen, daß sie beabsichtigen, den Status
quo aufrechtzuerhalten und den Krieg, falls er ausbrechen sollte, zu
lokalisieren, und daß endlich die Staaten, die mit der Mobilmachung
begonnen haben, auf keinerlei Gebietserweiterungen rechnen könnten.
Ich habe hinzugefügt, daß meiner Überzeugung nach diese Erklärungen
nur dann Erfolg haben könnten, wenn die Mächte geneigt seien, die
Durchführung der Reformen zugunsten der einzelnen Nationalitäten
auf dem Balkan durchzuführen. Poincare telegraphiert hierüber nach
Berlin. Sie wollen sich sofort mit dem Staatssekretär über den Inhalt
dieses Telegrammes aussprechen und das Ergebnis dieser Aussprache
hierher telegraphieren.
Abschrift nach Wien, Konstantinopel, London und Rom.
Sasonow.
Nr. 63o.
Herr von Ugron an Graf Berchtold.* 2)
Telegramm. Belgrad, den 2. Oktober 1912.
Nachdem die Gesandten Rußlands, Englands, Deutschlands und
Frankreichs analoge Instruktionen wie ich durch Telegramm vom
1) Iswolski. Bd. II. Nr. 458, S. 266.
2) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 32, S. 19.
232
3o. v. M. erhalten hatten, begaben sie sich, obgleich dieselben durch be-
reits erlassene Mobilisierungsorder überholt waren, dennoch einzeln zu
Herrn Pasic, um ihm nahezulegen, daß es auch im Interesse Serbiens
liege, keine übereilten Schritte zu unternehmen; wenn aber die Mobili-
sierung ein wenig hinausgezogen würde, wäre den Großmächten die
Möglichkeit gegeben, mit Nachdruck für Erhaltung des Friedens ein-
zutreten. Ich habe heute früh analogen Schritt unternommen und erhielt
gleich meinen Kollegen nachstehende Antwort. Herr Pasic wünsche
lebhaft die Erhaltung des Friedens und würde die dies-
bezüglichen Bemühungen der Großmächte mit Genug-
tuung begrüßen. Er selbst sei dafür, daß man ihnen hierzu Zeit
lassen müsse; er werde auf schnelle Durchführung der Mobilisierung
nicht drängen. Er habe auch unmittelbar dem serbischen Gesandten
in Konstantinopel telegraphieren lassen, daß er seinen Posten unter
keinen Umständen verlassen darf, damit dies nicht als Abbruch der
Beziehungen aufgefaßt werde.
Von anderer Seite höre ich, daß die Mobilisierung schon morgen oder
übermorgen durchgeführt und die Truppen marschbereit sein dürften.
Nr. 631.
Der stellvertretende russische Außenminister
an den russischen Außenminister.*)
Telegramm.
St. Petersburg, den
19. September
2. Oktober
I9i2.
Nr. 2014.
Im Fall der Kriegserklärung steht zu erwarten, daß die Balkanstaaten
uns bitten werden, den Schutz ihrer Interessen und Untertanen in der
Türkei zu übernehmen.
Meinerseits halte ich es für unmöglich, den slawischen Staaten dies
abzuschlagen. Um nicht den Verdacht zu erwecken, daß wir
an dem Zusammenschluß der vier Staaten gearbeitet ha-
ben, wäre es wünschenswert, daß Griechenland sich an
eine andere Macht, zum Beispiel an Frankreich wenden
würde.
Ich bitte um Antwort.
Neratow.
*) Iswolski. Bd. II. Nr. 461, S. 267.
Nr. 6З2.
Aktennotiz des Baron von Schilling, Kanzlei-Direktor
des Außenministeriums.l)
Beglaubigte Abschrift. (Gezeichnet Sasonow.)
3. Oktober 1912.
Am 3. Oktober 1912 hat der Botschafter Österreich-Ungarns gelegent-
lich eines Besuches bei dem Minister des Äußern die von ihm in letzter
Zeit mehrmals angegebenen Versicherungen wiederholt, daß Österreich
für sich selbst keinerlei territoriale Vergrößerung auf der Balkanhalb-
insel suche. Graf Thurn setzte hinzu, daß, selbst wenn die Ereignisse zu
einer Erweiterung Bulgariens bis zu der im Vertrage von San Stefano
vorgesehenen Grenze führen sollten, Österreich dieser Eventualität mit
vollster Ruhe entgegensehen könnte. Auf die Frage S. D. Sasonows:
„Und wie würde sich Österreich zu einer Vergrößerung Serbiens ver-
halten?“ antwortete der Botschafter, daß an sich eine Vergrößerung
des serbischen Gebietes keine besondere Bedeutung haben würde, daß
Österreich aber keinesfalls zugeben könne, daß ihm der Weg nach
Saloniki abgeschnitten werde und daß es sich darum mit einer Ausdeh-
nung Serbiens bis zum Meere nicht zufriedengeben könne. Der Bot-
schafter erklärte, daß für den österreichischen Handel mit dem Orient
ein Ausgang zum Ägäischen Meer notwendig sei und daß die freie Ver-
bindung mit ihm gesichert sein müsse. Nach Ansicht des Grafen Thurn
könnte diese Verbindung in der Form einer Übergabe der Eisenbahn-
linie bis Saloniki an Österreich gefunden werden unter ähnlichen Bedin-
gungen, wie Rußland die chinesische Ostbahn besitzt. Der Botschafter
bemerkte, in Österreich sei man von der Notwendigkeit eines Zuganges
nach Saloniki derartig überzeugt, daß keine Regierung der öffentlichen
Meinung widerstehen könnte, wenn sie hierauf verzichtete. Auf Grund
einiger früher von dem österreichisch-ungarischen Geschäftsträger Szi-
lassy gemachten Andeutungen ist S. D. Sasonow der Ansicht, daß man
in Wien nicht abgeneigt wäre, uns im Fall einer Umänderung der Karte
der Balkanhalbinsel im voraus durch Verträge zu binden; er zieht es da-
her vorläufig vor, sich einer eingehenden Erörterung der von dem
österreichischen Botschafter berührten Fragen mit ihm zu enthalten.
Baron Schilling.
ü Iswolski. Bd. II. Nr. 5i4, S. 3o5.
234
Nr. 633.
Der stellvertretende russische Außenminister
an den russischen Außenminister.r)
20. September
3. Oktober I912-
Nr. 2023.
Wir erwarten den wahrscheinlichen Beginn kriegerischer Handlungen
zwischen der Türkei und den vier Balkanstaaten in allernächster Zukunft.
Es untersteht keinem Zweifel, daß die Pforte auf alle von Italien gefor-
derten Bedingungen eingehen wird, um sich einen Vollfrieden mit Italien
zu sichern. Im Hinblick hierauf scheint es im Interesse Italiens zu
liegen, wenn es nicht gar zu viel Entgegenkommen in Sachen der Geld-
entschädigung zeigt. Über je geringere Hilfsquellen die kriegführenden
Parteien verfügen, um so größer sind die Aussichten, wenn nicht auf
Verhütung, so doch auf Verkürzung des Krieges, was den Interessen
Italiens sowie der übrigen Mächte entspricht. Halten Sie es nicht für
möglich, sich mit der italienischen Regierung in allerfreundschaftlichster
Form in diesem Sinne auseinanderzusetzen?
Nerat ow.
Telegramm.
St. Petersburg, den
Nr. 634.
Der stellvertretende russische Außenminister
an den russischen Außenminister.2)
Telegramm.
0 „ , i 20. September
St. Petersburg, den '9™-
Nr. 2027.
Geheim.
Nach italienischen Nachrichten hat die österreichisch-ungarische Re-
gierung vor zwei Tagen in Belgrad erklärt, Österreich werde es im Falle
eines Krieges zwischen Serbien und der Türkei nicht zulassen, daß dessen
Ergebnis eine Veränderung eines territorialen Status quo zugunsten Ser-
biens sei. Die genannte Erklärung ist angeblich von Deutschland in Bel-
grad unterstützt worden.
Abschriften nach Rom und Belgrad.
N e r a t o w. * *)
1) Iswolski. Bd. II. Nr. 462, S. 268.
*) Iswolski. Bd. II. Nr. 465, S. 269.
235
Nr. 635.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Kiderlen
an Kaiser Wilhelm II., z. Z. in Rominten. *)
Entzifferung.
Telegramm Berlin, den 4- Oktober 1912.
Nr. 74.
Euerer Majestät Botschafter in Konstantinopel meldet1 2): „Türkische
Regierung verhindert Abreise griechischer Reservisten.“ Ferner: „Hier
macht sich ein starker Antigonismus zwischen Rußland und Österreich
bemerkbar. Von russischer Botschaft wird behauptet und von den
Türken teilweise geglaubt, daß Österreich ein Doppelspiel treibe. Mark-
graf Pallavicini wirft dagegen Rußland vor, von den Pariser Konferenzen
der Balkanvertreter gewußt zu haben*). Russischer Militärattache sagte
mir vertraulich, daß, wenn Österreich Serbien angreife**), die russische
Regierung sofort von der öffentlichen Meinung debordiert und zum
Eingreifen gezwungen sein würde3).“
Von anderen Orten liegen heute keine Telegramme vor.
Kiderlen.
Randbemerkung Kaiser Wilhelms II.:
*) Wie die Nachricht aus Rom besagt unter Vorsitz des Großfürsten? Dann hat
der Besuch in Nancy u(nd) Toul die symptomatische Bedeutung gehabt, daß der Groß-
fürst, von den Absichten der Balkanstaaten informiert, die Hoffnung hat, Österreich
werde gegen Serbien losschlagen, dieses Rußland zum Eingreifen bringen, dadurch für
uns den causus foederis auslösen, in welchem Falle Gallien von rückwärts über uns
sofort herfallen soll. Um den gallischen Mut zu stärken, den Haß zu schüren, ist die
ganze Affäre an unserer Grenze inszeniert worden. Dann war sie keine Komödie mehr,
sondern Vorbereitung zu bitterem Ernste.
**) Dazu liegt gar kein Grund vor!
Nr. 636.
Aufzeichnung Kaiser Wilhelms II., z. Z. in Rominten.4)
Reinschrift.
Rominten, den 4- Oktober 1912.
Die ewige Betonung des Friedens bei allen Gelegenheiten — passenden
und unpassenden — hat in den 43 Friedensjahren eine geradezu
eunuchenhafte Anschauung unter den leitenden Staatsmännern und Di-
1) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 216, S. i58.
2) Telegramm Freiherrn von Wangenheims, Nr. 325 vom 3. Oktober.
3) Vgl. Aktenstück Nr. 6i5, S.221. Über den Aufenthalt des Großfürsten Nikolaus
Nikolai ewitsch in Frankreich anläßlich der Manöver, über die von ihm vorgenommene
Inspizierung der östlichen französischen Grenzfestungen und die deutschfeindlichen
Demonstrationen seiner Gemahlin Anastasia, vgl. Bd. XXXI, Kap. CCXLVIII,
Nr. 11 599 nebst Fußnote.
4) Die Große Politik. Bd. 33. Nr 12 225, S. i65.
236
plomaten Europas gezeitigt. Jetzt zum Beispiel heißt es allgemein: „Die
Großmächte müssen eingreifen, die müssen den Frieden wahren, er-
halten, schützen; sie müssen die Balkanstaaten hindern, loszuschlagen
oder — falls das unmöglich — dieselben nach dem Kriege an territoria-
lem Erwerb und Vergrößerung hindern!“ Wie denkt man sich das? —
1. Die Mobilmachung ist ein ernster Schritt und weitergehend wie
eine bloße Drohung. Sie ist — wie bekannt — den Regierungen, die
wacklig sind, von der Bevölkerung auf gezwungen worden. Also diese
von außen durch Druck zwingen zu wollen, zu demobilisieren, heißt ein-
mal sich den Haß der Bevölkerung auf den Hals laden — auf handels-
politischem Gebiet der Boykott bald fühlbar —, zweitens die vom Volk
zum Handeln (Krieg) gezwungenen, daran durch die Mächte wieder ge-
hinderten Herrscher geradezu der Revolution ausliefem. Denn daß diese
nachgebend dem äußeren Mächtedruck, umgehend von der empörten
Bevölkerung hinausgeworfen oder gar ermordet werden können, liegt
hahe. Also die Mächte laden auf sich die Verantwortung für den even-
tuellen Sturz der Balkandynastien. Ist schon mit ihnen die Ordnung
schwer aufrechtzuerhalten gewesen, wie viel weniger erst mit von Ruß-
land abhängigen slawischen Republiken! Wofür das? Um der Wahrung
der recht problematischen Existenz der Türkei zuliebe?!
2. Die Dinge, wie sie liegen, müssen unbedingt zu einem Zusammen-
stoß der Balkanstaaten mit der in Europa überständigen Türkei führen.
Es ist besser, er erfolgt jetzt — wo er Rußland und Gallien nicht
paßt —, weil beide noch nicht gegen uns fertig sind, als später, wenn
sie sich bereitgestellt haben und fertig sind.
3. Man sieht in dem Vorgehen der Staaten einen „Erpressungsver-
such4 gegen die Türkei1)!? Warum? War — nach österreichischen Be-
griffen — das Vorgehen des jungen Friedrich gegen Maria Theresia vor
dem Ersten Schlesischen Kriege etwa keiner!? Die Balkanstaaten haben
die Auffassung und den Drang, sich erweitern zu müssen; das geht nur
auf Kosten der — vielleicht alternden — Türkei; da es in gutem nicht
geht, wird darob gekämpft werden; und man tut sich ad hoc zusammen,
um seine Entwicklung und Erweiterung zu ermöglichen. Das wollten die
Großmächte schlankweg einfach hindern??! Mit welchem Recht? Zu
wessen Gunsten? Das mache ich nicht mit. Ebensowenig wir uns haben
64, 66, 70 hineinreden lassen in unsere „berechtigte Entwickelung“, so
wenig kann und will ich andere hindern oder ihnen hineinreden.
4. Es komme ruhig zum Kriege. Da werden ja die Balkanstaaten mal
zeigen, was sie zu leisten fähig sind, und ob sie eine Existenzberechtigung
haben. Schlagen sie entscheidend die Türkei, dann hatten sie recht, und
ihnen gebührt eine gewisse Belohnung. Werden sie geschlagen, dann
werden sie klein und für lange Ruhe und Frieden halten, und die
Territorialfrage scheidet aus. Die Großmächte müssen um den Kampf-
*) Vgl. Nr. 12 201.
287
platz den „Ring“ bilden, in dem der Kampf sich abspielt und zu bleiben
hat; selbst ruhig Blut behalten und keine Übereilungen begehen. Dazu
gehört meines Erachtens vor allem kein zu heftiges Dreinreden jetzt um
des sogenannten „lieben Friedens“ willen, es würde ein sehr fauler und
böser Konsequenzen voller sein. Man lasse die Leute nur ruhig machen;
entweder sie kriegen Keile oder erteilen sie, danach ist immer noch Zeit
zum Sprechen. Die Orientfrage muß mit Blut und Eisen gelöst werden!
Aber in einer für uns günstigen Periode! Das ist jetzt.
Wilhelm I.R.
Nr. 637.
Der Gesandte in Sofia von Below-Saleske
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Sofia, den 4- Oktober 1912.
Nr. 42.
Es sind mir und meinem österreichischen Kollegen Gerüchte darüber
zu Ohren gekommen, wonach der hiesige russische Militärattache Oberst
leutnant Romanowsky hier eifrig zum Krieg gehetzt habe, was im Gegen-
satz zu den offiziellen friedlichen Bestrebungen Herrn von Nekljudows
stehen würde, an deren Aufrichtigkeit zu zweifeln wir beide bisher keine
Veranlassung haben. Diesbezügliche Nachforschungen haben bisher nur
ergeben, daß Romanowsky hier in besonders regem Verkehr mit höheren
bulgarischen Militärs gestanden hat, was an sich allein noch nicht auf-
fallend wäre. Zwischen ihm und Herrn von Nekljudow besteht ein sehr
gespanntes persönliches Verhältnis.
Below.
Nr. 638.
Der russische Außenminister
an den stellvertretenden russischen Außenminister.* 2)
Geheimtelegramm. Paris, den—- f .-----1012.
4. Oktober v
Nr. 218.
Ich telegraphiere nach Berlin, Wien, London, Rom und Konstanti-
nopel. Nr. 2.
Wortlaut: Die Mächte lassen die Balkanstaaten und die Türkei wissen:
1. Sie verwerfen energisch alle Maßnahmen, die zum Friedensbruch
*) Di© Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 219, S. 161.
2) Iswolski. Bd. II. Nr. 472, S.272.
238
führen könnten. 2. Wenn trotzdem ein Krieg zwischen der Pforte und
den Balkanstaaten ausbrechen sollte, so würden sie bei Beendigung des
Konflikts keine territoriale Änderung des gegenwärtigen Status quo auf
dem Balkan zulassen; sie würden ferner, gestützt auf den Artikel 23 des
Berliner Vertrages, im Interesse der christlichen Bevölkerung die Ver-
wirklichung der administrativen Reformen in der europäischen Türkei in
die Hand nehmen, selbstverständlich ohne dabei die Integrität des Ge-
bietes des Ottomanischen Kaiserreiches irgendwie zu verletzen. Natür-
lich würde diese Erklärung den Mächten volle Freiheit für eine gemein-
same Prüfung der Reformen lassen.
Sason ow.
Nr. 63g.
Der rassische Botschafter in Rom
an den rassischen Außenminister.*)
Telegramm.
Rom, den
21. September
4. Oktober I912'
Nr. 93.
Ich telegraphiere an Neratow unter Hinweis auf sein gestriges Tele-
gramm :
Bolatti bestätigt mir die Ihrerseits ermittelte Nachricht, daß Österreich
in Belgrad erklärt hat, es werde eine Veränderung des territorialen Status
quo zugunsten Serbiens, falls dieses siegen sollte, nicht zulassen.
Krupenski.
Nr. 64o.
Der stellvertretende rassische Außenminister
an den russischen Außenminister.1 2)
Telegramm.
St. Petersburg, den
22. September
5. Oktober
1912.
Nr. 2o63.
Unser Militärattache in Wien telegraphiert:
Der hiesige englische Militärattache teilte mir vertraulich mit, daß in
der englischen Botschaft gestern Nachrichten über einen energischen
Druck Deutschlands auf Österreich im Sinne einer Abhaltung von aggres-
siven Schritten im Süden eingetroffen seien.
1) Iswolski. Bd. II. Nr. 478, S. 274.
2) Iswolski. Bd. II. Nr. 48o, S. 275.
Neratow.
Nr. 64i.
Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von
Wangenheim an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Therapia, den 6. Oktober 1912.
Nr. 346.
Antwort auf Telegramm Nr. 161* 2).
Erste Anzeichen: Telegramm Giolitti an Nogara (cfr. Telegramm
3o3)3). Später hat Noradunghian mir zu wiederholten Malen, teilweise
unter Angabe von Daten, über die Konversationen gesprochen, die nach
angeblich absolut zuverlässigen Informationen in verschiedenen Haupt-
städten, hauptsächlich aber in Paris, zwischen den Balkanvertretern statt-
gefunden hätten. Herr von Giers hat Markgraf Pallavicini gegenüber
sich die Bemerkung entschlüpfen lassen, daß Montenegro wegen der
Indiskretion des Königs Nikita nicht zu den Besprechungen zugezogen
worden sei*). Markgraf Pallavicini schließt daraus mit Recht, daß Ruß-
land in die Pläne der Balkanstaaten eingeweiht war**). Lebhaftes Ein-
treten russischen Botschafters dafür, daß ägäische Inseln nicht ohne
Garantien an Türkei zurückfallen dürften, (erweckt) Verdacht, daß auch
bei der letzten italienischen Forderung einer Dezentralisation für die
Inseln Rußland Hand im Spiele hat***).
Wangenheim.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II. :
*) Also Rußland wußte darum.
**) Ja.
***) Nette Giftmischerei.
Nr. 642.
Graf Berchtold an die k. u. k. Gesandtschaften
in Athen, Belgrad, Cetinje und Sofia.4)
Telegramm. Wien, 7. Oktober 1912.
Der hiesige französische Botschafter hat mir vorgestern auftraggemäß
ein Schriftstück, worin eine Aktion der Mächte behufs Verhütung eines
Balkankrieges vorgeschlagen wird, überreicht.
Ich habe dem französischen Vorschläge nach Vornahme einiger kleiner
Amendements in der Textierung zugestimmt und lautet diese Pièce in
der beiderseits vereinbarten Formulierung folgendermaßen:
x) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 236, S. 173.
2) Vgl. 12 223, Fußnote.
3) Siehe Aktenstück Nr. 615, S.221.
4) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 35, S. 20.
24o
Les Gouvernements Russe et Austro-Hongrois déclareront aux Etats
Balkaniques :
«i. que les Puissances réprouvent énergiquement toute mesure suscep-
tible d’amener la rupture de la paix;
2. que, s’appuyant sur l’article 23 du traité de Berlin, elles prendront
en main, dans l’intérêt des populations, la réalisation des réformes dans
l’administration de la Turquie d’Europe étant entendu que ces réformes
ne porteront aucune atteinte à la souveraineté de Sa Majesté Impériale
le Sultan et à l’intégrité territoriale de l’Empire Ottoman: cette déclara-
tion réserve d’ailleurs la liberté des Puissances pour l’étude collective et
ultérieure des réformes;
3. que si la guerre vient néanmoins à éclater entre les Etats balkani-
ques et l’Empire Ottoman, elles n’admettront, à l’issue du
conflit, aucune ïmodification au statu quo territorial
dans la Turquie d’Europe.
Les Puissances feront collectivement auprès de la Sublime Porte les
démarches dérivant de la précédente déclaration.»
Euer etc. wollen sich mit Ihrem russischen Kollegen betreffs der zu
unternehmenden Demarche ins Einvernehmen setzen.
Wenn demselben analoge Instruktionen zugekommen sind, hätten sich
Euer etc. gemeinsam mit Ihrem russischen Kollegen zu dem dortigen
Minister des Äußeren zu begeben. Der der Akkreditierung nach Rangs-
ältere hätte sodann im Namen der Signatarmächte eine Erklärung ab-
zugeben, deren Text wortgetreu die oben wiedergegebenen drei
Punkte zu umfassen hat.
Der Wortlaut dieser Erklärung wäre dem Minister des Äußeren in
Form einer schriftlichen Aufzeichnung zur Verfügung zu stellen.
Nr. 643.
Herr von Ugron an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Belgrad, 8. Oktober 1912.
Soeben den erhaltenen Auftrag mit meinem russischen Kollegen aus-
geführt. Herr Pasic erklärte, er werde die ihm überreichte Erklärung
dem Ministerrate vorlegen und sich auch mit Sofia diesbezüglich ins Ein-
vernehmen setzen. Er könne selbstverständlich derzeit keine bindende
Erklärung abgeben, er versicherte uns aber, daß er seinerseits alles
machen werde, damit der Krieg vermieden werde.
Allerdings wird das nicht mehr leicht gehen, um so weniger, da Mon-
tenegro bereits den Krieg erklärt habe. Er wird uns Antwort zukommen
lassen.
1) Österreichisches Rotbuch, 1912. Nr. 37, S. 22.
24*
16 Boghitschewitsoh, Serbien II.
Nr. 644.
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Belgrad, den 8. Oktober 1912.
Nr. 24.
Russischer und österreichischer Gesandter haben namens der Signatar-
mächte der serbischen Regierung gemeinsam heute nachmittag 4 Uhr
energische Mißbilligung aller Maßregeln, welche geeignet sind, den
Frieden zu stören, ausgesprochen, Intervention in Konstantinopel für Ein-
führung von administrativen Reformen unter Wahrung der Souveräni-
tätsrechte des Sultans und der Integrität*) des türkischen Reiches zu-
gesagt und bemerkt, daß unter keinen Umständen Gebietsveränderun-
gen**), auch nach einem Kriege, zugelassen werden. Abschrift dieser
Erklärung wurde dem Minister zurückgelassen. Herr Paschitsch nahm
die Erklärungen sehr gedrückt entgegen und versprach, sie sofort dem
Ministerrat zu unterbreiten. Er werde seinerseits alles tun, um den Vor-
stellungen der Großmächte hier Gehör zu verschaffen, müsse aber dar-
auf hin weisen, daß dies etwas verspätet erscheint***), da eine der vier
Mächte, nämlich Montenegro, heute den Krieg erklärt habe****). Die
definitive Antwort stelle er in drei Tagen in Aussicht.
Griesinger.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
*) Wird den Serben wenig Freude machen.
**) Das kann er ruhig abwarten! Siegen die Balkanstaaten, werden sie sich schon
ihr Anteil sichern! Da kann sie keiner daran hindern.
***) Richtig.
****) ,
Schlußbemerkung des Kaisers: Halbe Ablehnung.
Nr. 645.
Der österreichich - ungarische Minister des Äußern
GrafBerchtold an den Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes von Kiderlen.2 3)
Eigenhändiger Privatbrief.
Wien, den 8. Oktober 1912.
(pr. 9. Oktober.)
Angesichts der bedrohlichen Wendung, die in der Balkankrise ein-
getreten ist, habe ich mich genötigt gesehen, Szögyenyi trotz dessen
starker Erkältung aufzufordern, nach Berlin einzurücken8).
2) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12246, S. 180.
a) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 252, S. i85.
3) Vgl. Nr. 12 212.
242
Durch die Bildung des Balkanbundes hat die orientalische Frage ein
neues, nicht eben sympathisch anmutendes Gesicht bekommen. Von
Tscharykow und der „Nowoje Wremja“ seinerzeit konzipiert, ist diese
im Zeichen der Orthodoxie stehende Verbindung teils mit, teils ohne
Zutun des offiziellen Rußlands zustande gekommen, um für die Zu-
kunft ein verfügbares Werkzeug der russischen Politik gegen alles Nicht-
russische im Nahen Orient zu bilden1). Unseren Informationen zu-
folge ist der Bund auf breitester Grundlage geschlossen und ein mili-
tärisches Zusammengehen auch für die Zukunft durch alljährliches
Zusammentreten der Generalstabschefs der vier Armeen vorgesehen. Der
naheliegende Gedanke, daß die territorialen und politischen Ambitionen
dieser vier Parvenüs, dieselbe über kurz oder lange übereinanderbringen
könnten, bildet diesen Tatsachen gegenüber den Trost der sauren Trau-
ben in der Fabel.
Die englische Einkreisungspolitik, verständnisvoll sekundiert vom rus-
sischen Panorthodoxismus, hat da einen Schritt nach vorwärts gemacht,
welcher den Drahtziehern hinter der Bühne alle Ehre macht.
Wir haben in den letzten Tagen ein geschäftiges Treiben im Lager
der Tripelentente beobachten können, welches Herrn Poincare zu einem
Augenblickserfolge verholfen, gleichzeitig aber auch den Beweis von dem
soliden Zusammenarbeiten unserer Gegner geliefert hat. Ich glaube, wir
sollten uns an ihnen ein Beispiel nehmen und die Lebensgeister des
Dreibundes nicht kümmern lassen. Andernfalls würde der Dreibund
unfehlbar zum Spielball seiner Widersacher werden.
Ich zweifle nicht, daß Szögyenyi Euerer Exzellenz meine Auffassung
über die Lage getreu interpretieren werde, und bitte Sie, hochgeehrtester
Herr Staatssekretär, die Ausführungen desselben mit freundlicher Ge-
sinnung entgegennehmen zu wollen1 2 *).
Berchtold.
Nr. 646.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.8)
Ausfertigung.
Nr. 287. Wien, den 8. Oktober 1912.
Vertraulich. (pr. 10. Oktober)
Der hiesige griechische Gesandte, Herr Streit, erzählte mir heute im
Laufe eines längeren vertraulichen Gesprächs einiges über die Ent-
stehungsgeschichte des Bundes der vier Balkanstaaten.
1) Vgl. Kap. CCLXI, Nr. 12 058, Fußnote 2).
2) Vgl. dazu Nr. 12257, nebst Fußnote.
*) Die Große Politik. Bd. 33. Nr. 12 254, S. 187 ff.
243
Die Einigungsbewegung habe schon iin vergangenen Jahre, und zwar
in Mazedonien selbst, begonnen. Die verschiedenen christlichen Völker-
schaften seien dort in nähere Fühlung getreten, um Stellung zu nehmen
gegen das Gewaltregiment der jungtürkischen Partei. Die Bewegung
habe dann nach Konstantinopel übergegriffen und dort ihren Ausdruck
gefunden in den Annäherungsversuchen zwischen Patriarchat und Exar-
chat, von denen ja zeitweise stark die Rede gewesen sei. Alle drei Patriar-
chen, auch der armenische, hätten dann gemeinsame Petitionen an die
Pforte gerichtet. Alle diese Momente seien natürlich von den betreffen-
den Regierungen mit wachsendem Interesse verfolgt worden, und es
habe sich daraus ein Gedankenaustausch zwischen ihnen entwickelt.
Griechenland speziell sei durch die drohende Ernennung von albane-
sischen Walis für Janina und Monastir beunruhigt worden. Bezüglich
Monastirs sei das gleiche auch in Sofia der Fall gewesen.
Hierzu sei im letzten Sommer der Umstand gekommen, daß man in
Bulgarien ebenso wie in den anderen Balkanstaaten mehr und mehr zu
der Ansicht gekommen sei, daß „noch etwas gemacht werden müsse“,
ehe der Friede zwischen Italien und der Türkei geschlossen werde1).
In diesem Momente sei Graf Berchtold mit seinem bekannten Vor-
schläge hervorgetreten. Die allerseits bereits bestehende hochgradige
Spannung habe dazu geführt, daß man in allen vier Balkanstaaten die
größten Erwartungen an diesen Schritt geknüpft habe. Und als dann
Woche auf Woche verstrichen sei, ohne daß irgendein greifbares Er-
gebnis sich gezeigt habe, sei ;man zu der Erkenntnis gelangt, daß den
Balkanstaaten, die völlig im Dunkeln gelassen worden seien über die
eigentlichen Absichten der Mächte wie über den Umfang und die Na-
tur eventueller von der Pforte zu gewährender Reformen, nichts anderes
übrigbleibe, als sich selbst zu helfen* 2 3).
Griechenland habe dann, nachdem von Sofia aus die Initiative er-
griffen worden ), mit jedem einzelnen der anderen Balkanstaaten Ver-
handlungen geführt. Am schwierigsten sei es gewesen, mit Serbien zu
verhandeln. In Belgrad habe man anscheinend nie gewußt, was man
wolle; man habe dort stets große Worte im Munde geführt, sei aber
jeder konkreten Abmachung so lange als möglich aus dem Wege ge-
gangen. In Belgrad habe wohl schließlich nur der bulgarische Druck den
Ausschlag gegeben.
A) Vgl* dazu die Äußerungen des bulgarischen Finanzministers Theodorow zu
Iswolski vom 5. Juni 1912: „Die Führer aller politischen Parteien Bulgariens sind
der Ansicht, eine ähnliche Konjunktur werde sich auf lange hinaus nicht wiederholen,
und Bulgarien würde infolgedessen einen unverzeihlichen Fehler begehen, wenn es
keinen Versuch unternehme, diese Gelegenheit zur Erreichung seiner historischen Ziele
auszunützen.“ Vgl. Aktenstück Nr. 579, S. 190.
2) Vgl. auch Kap. CCLXII, Nr. 12 110, Fußnote1).
3) Die erste Initiative ist vielmehr von Montenegro ausgegangen; vgl. Kapi-
tel CCLXII, Nr. 12 107 und Kap. CCLXI, Nr. 12049 nel>st Fußnote2) sowie Gue-
choff, L'Alliance Balkanique, p. 84 ss.
M4
Daß sich Griechenland im Zustande nervöser Reizung befinde, dazu
trage neben den Verhältnissen auf dem Balkan hauptsächlich die Kreta-
frage bei. Im Laufe der letzten Monate seien alle Vorschläge, die Herr
Veniselos gemacht habe, um einen annehmbaren modus vivendi herbei-
zuführen, von den Garantiemächten — wohl hauptsächlich unter eng-
lischer Initiative — abgelehnt worden. Diese durchaus negative Haltung
der Kretamächte habe schließlich auch Herrn Veniselos mürbe gemacht,
dessen Stellung im Lande infolge der heftigen Angriffe, denen er gerade
wegen der Erfolglosigkeit seiner Kretapolitik in letzter Zeit ausgesetzt
gewesen sei, keineswegs mehr so stark sei als früher. Auch dieser Mi-
nister, der der Volksströmung lange widerstanden habe, habe jetzt der
allgemeinen Unzufriedenheit nachgeben müssen.
Übrigens sei der griechischen Regierung der bulgarische Entschluß,
zu mobilisieren, ganz unerwartet gekommen. Von einer solchen Maß-
regel sei in den Verhandlungen nie die Rede gewesen. Er vermute, daß
die in Bulgarien sehr zahlreichen und politisch radikalen Mazedonier
den König und die Regierung durch Drohungen zu dem Entschlüsse ge-
bracht haben.
Ganz objektiv betrachtet, scheine es ihm übrigens für die Türkei und
für die Erhaltung ihrer Staatseinheit nicht ungünstig, daß sich die vier
Balkanstaaten in der Forderung nach Reformen geeinigt hätten. Denn
auf diese Weise wäre jede einzelne Balkanmacht gezwungen, ihre Sonder-
wünsche zurückzustellen; gerade diese Sonderwünsche aber seien die
einzig gefährlichen für den Bestand des türkischen Reiches. Die Re-
formen aber, die die Türkei allen ihren Nationalitäten gewähren könne,
würden gewiß nur staatserhaltend wirken.
von Tschirschky.
Nr. 647.
Der Gesandte in Cetinje von Eckardt
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. 77. Cetinje, den 9. Oktober 1912.
Anliegend beehre ich mich Euerer Exzellenz die dem russischen und
österreichischen Gesandten auf ihre Demarche vom Könige erteilte Ant-
wort zu übersenden. Seine Majestät hatte mich kurz vor dem Erscheinen
der Gesandten empfangen und mir gesagt, er wisse, was ihm eröffnet
werden würde, bedauere aber, den Ratschlägen nicht folgen zu können.
Vor drei Wochen wäre das noch möglich gewesen. Jetzt könne er nicht
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12247, S* I^1*
245
zurück, er müsse seine eigenen Interessen schützen, — die Frage der
Reformen betreffe ihn erst in zweiter Linie.
Daß der König am 8. den Krieg erklären würde, war den hiesigen
Vertretern der andern Balkanstaaten nicht bekannt.
Eckardt.
Nr. 648.
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes von Kiderlen.*)
Eigenhändig.
Berlin, den 9. Oktober 1912.
Der russische Minister des Äußern Sasonow ist gestern früh aus
Paris auf der Rückreise nach Petersburg hier eingetroffen und abends
weitergereist.
Er hat nachmittags den Reichskanzler und den Staatssekretär aufge-
sucht. Aus den Äußerungen des Ministers ging hervor, daß er die Auf-
rechterhaltung des Friedens am Balkan nicht nur dringend wünschte,
sondern sogar noch erhoffte. Die kurz vor dem Diner in kleinem Krieise
beim Staatssekretär eingetroffene Nachricht von der montenegrinischen
Kriegserklärung **) machte auf den Minister einen sichtlich deprimie-
renden Eindruck. Als ihm nachmittags angedeutet wurde, daß es immer-
hin ein gefährliches Spiel Rußlands gewesen sei, „de patroniser Talliance
des Etats balkaniques“, bestritt Herr Sasonow letzteres nicht1), betonte
aber, daß Rußland den Balkanstaaten ausdrücklich auferlegt habe, daß
ihre Vereinigung keine aggressiven Tendenzen2) haben dürfe***).
Dies stimmt auch mit unseren sonstigen Nachrichten, insofern, als
bei der von Rußland patronisierten Verständigung ausdrücklich verab-
redet war, daß die Ralkanstaiaten keinen entscheidenden Schritt ohne
Petersburger Genehmigung3) tun dürften. Darüber haben sie sich dann
einfach hinweggesetzt. Dies hat nichts Überraschendes. Als seinerzeit
Graf Kalnoky mit dem Gedanken eines „Balkanbundes“ kokettierte, ist
er deutscherseits stets auf die Gefahr hingewiesen worden, daß die vier
Balkanstaaten, sobald sie sich auch nur provisorisch geeinigt haben
würden, voraussichtlich viel schwerer lenkbar seien als einzeln.
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 256, S. 187 ff.
**) Sie war am 8. Oktober erfolgt; vgl. Nr. 12 248.
***) Nach einem Schreiben Kiderlens an Freiherrn von Jenisch vom 11. Oktober
hätte er Sasonow gelegentlich dessen Anwesenheit auch auf die geheimen Bespre-
chungen der Balkanvertreter in Paris angeredet: „Der Minister gab sich den Anschein,
von solchen Unterredungen nichts zu wissen, worauf ich ihm erwiderte, einige Beamte
seines Ressorts würden wohl in der Lage sein, ihm den nötigen Aufschluß hierüber
zu geben.“
246
Die Hauptsorge des Herrn Sasonow ging dahin, daß Österreich
;a,uf ein Ei!nrücken Serbiens nach dem Sandschak von
Nowibazar sofort seinerseits mit einem Truppenein-
marsch antworten könnte*). Herr Sasonow sprach die Befürch-
tung aus, daß die russische Regierung in solchem Falle der öffentlichen
Meinung gegenüber nicht würde standhalten können und zum Vorgehen
gezwungen werden.
Wenn dagegen Österreich ruhig Blut bewahre und zunächst den Ver-
lauf des Krieges abwarte, so würde — falls die Türken siegen — ein
österreichisches Vorgehen überhaupt unnötig, oder im Fall des Sieges
der Balkanstaaten könne Österreich, wenn die Serben sich im Sandschak
festsetzten, diese selbst mit Gewalt daraus vertreiben quasi als Exekutor
der von den Mächten ausgesprochenen Absicht, territoriale Veränderun-
gen nicht zu dulden4).
Herr Sasonow ließ sehr verblümt durchblicken, daß er einen Druck
Deutschlands auf Österreich in diesem Sinne erwarte5). Auf die Be-
merkung: „Mais vous n’avez qu’a dire cela1 a Vienne“6), erwiderte Herr
Sasonow: „Mais je suisj ä Berlin“. Er fügte hinzu, er würde auch gern
nach Wien gehen, müßte aber fürchten, „qu’on crierait trop“7)**).
Als er hier keine Gegenliebe fand, sandte er noch denselben Abendi den
russischen Botschafter in Wien Giers, den er sich hatte hierher kommen
lassen, nach Wien zurück.
Der Gedanke, daß Österreich zunächst den Gang der kriegerischen
Ereignisse abwartet, erscheint an sich vernünftig8). Wir können auch
Österreich, wenn es uns frägt, in diesem Sinne raten8). Wir haben aber
keinen Grund, auf Österreich ungefragt in diesem Sinne zu drücken9).
Wir würden dann höchstens für „versäumte Gelegenheiten“ verantwort-
lich1 gemacht.
Aus verschiedenen Äußerungen des Ministers ging hervor, daß er
über seine Unterredungen in England wenig befriedigt war10). Als ihm
gegenüber das Wort „triple-entente“ gebraucht wurde, fuhr er ziemlich
nervös auf und sagte: „Ne parlez pas de cela; nous avons notre allienhe
*) Auch bei seinem Aufenthalt in England hatte Sasonow seiner Besorgnis vor
einem solchen österreichischen Vorgehen lebhaften Ausdruck gegeben. Seine Bereit-
willigkeit, auf das russisch-österreichische Doppelmandat einzugehen, entsprang gerade-
zu dem Wunsche, der Donaumonarchie jede Bewegungsfreiheit zu nehmen. Vgl. dazu
die in R. Poincaré, Au Service de la France II, 2S2 mitgeteilte Depesche Botschafter
Paul Cambons vom 3. Oktober: „L’idée d’un mandet européen confié, à la Russie
et à l’Autriche l'a séduit, parce’quelle répondait à son désir de neutraliser l’Autriche
en liant partie avec eile.“ Die russischerseits vorausgesetzte Absicht eines österreichi-
schen Einmarsches im Sandschak bestand im übrigen gar nicht; vgl. das folgende
Aktenstück Nr. 649, S.2ÖO.
**) Der Sasonowschen Anregung eines deutschen Drucks auf Österreich in dem
Sinne, daß dieses „ruhig Blut bewahre und zunächst den Verlauf des Krieges ab-
warte“, kam das Auswärtige Amt zwar nicht direkt nach; immerhin trug Staats-
sekretär von Kiderlen Sorge, eine Abschrift seiner Aufzeichnung durch den Grafen von
Szogyény dem Grafen Berchtold zukommen zu lassen. Vgl. Nr. 12272.
247
avec la France, pas plus“11)*). Er wies dann auf das Zögern Englands
hin, sich der von Frankreich und Rußland gewünschten Demarche an-
zuschließen, und auf die wesentliche Abschwächung der Demarche in
Konstantinopel. Letztere scheint Herrn Sasonow besonders verletzt zu
haben, dem noch die alte russische Türkenfeindschaft in den Knochen
sitzt12). Auch Herr Gambon zeigte sich stark nervös über das eng-
lische Zögern. Die Bemerkung: „Votre ami Anglais a retrouvé son cœur
turc“ war beiden Herren sichtlich unangenehm13).
Trotz der offenbaren Absicht des Herrn Sasonow, sich mit uns mög-
lichst freundlich11) zu stellen, konnte ihm der Hinweis auf eine Reihe
von Dingen nicht erspart werden, die eine gewisse Provokation, zum min-
desten unserer öffentlichen Meinung, darstellen.
Der Minister wurde an folgendes erinnert: Beim Besuche des Herrn
Poincaré ließ es die russische Regierung etwa eine Woche lang ge-
schehen, daß die französische Presse in chauvinistischer Weise von dem
maritimen Abkommen zwischen Rußland und Frankreich sprach**).
Rußland schwieg, als kurz darauf die Franzosen in chauvinistischem:
Ton die Verlegung ihrer Flotte mach dem Mittelmeer in die Welt
schrien, mit dem Hinweis darauf, dies geschähe, um England die Stär-
kung seiner gegen Deutschland in der Nordsee versammelten Kräfte zu
gestatten***). Es wurde ohne russischen Widerspruch auf „die Zustim-
mung Rußlands“ hingewiesen mit dem kaum versteckten Hinweis, daß
es sich um maritime Abmachungen zu dreien handle.
Dann kam der geplante gemeinschaftliche Besuch der russischen und
englischen Flotte in Kopenhagen. Herr Sasonow erwiderte zwar, ein
gemeinschaftlicher Besuch habe nicht stattgefunden15), blieb aber
die Antwort schuldig, als ihm gesagt wurde, der sei lediglich an dem
dänischen Widerspruch gescheitert^)16).
Schließlich wurde Herr Sasonow noch an die Probemobilmachung'¡"j*)
auf der einen Seite und die Besichtigung französischer Grenzforts durch
den Großfürsten Nikolaus Nikola jewitsch auf der anderen Seite hin ge-
wiesen fff). Herr Sasonow stellte die Probemobilmachung als eine
regelmäßig wiederkehrende Maßregel dar. Dies scheint nach Auskunft
*) Im Verkehr untereinander behandelten die Vertreter der Ententemächte die
Existenz der Tripleentente als etwas ganz Notorisches. Vgl. Poincarés Äußerung vom
22. September zu Iswolski, „que le double groupement était un fait connu de tous“
(Französisches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques, I, 61) und seine weitere Äußerung
zu Paul Cambon vom i5. Oktober: „Je suis d'ailleurs, comme vous, profondément
pénétré de la nécessité de maintenir, dans les circonstances actuelles, les liens de la
Triple Entente et je ne doute pas que le Gouvernement Anglais na partage, sur ce
point, vos sentiments et ceux du Gouvernement Français“ (Französisches Gelbbuch)
a. a. O. I, n3s.
**) Vgl. dazu Bd. XXXI, Kap. CCXLVIII.
***)Vgl. dazu Bd. XXXI, Kap. CCXLVIII, Nr.iiägg nebst Fußnote*).
f) Vgl. dazu Bd. XXXI, Kap. CCXLVIII, Nr. n5g7.
**f) Vgl. Kap. CCLXII, Nr. 12180, Fußnote.
••ft) Vgl. dazu Bd.XXXI, Kap. CCXLVIII, Nr. n5gg nebst Fußnote*).
248
von militärischer Seite in gewisser Weise richtig; immerhin können wir,
wenn es sich um Grenzprovinzen handelt, eine vorherige Nachricht
erwarten, daß es sich um eine Probe handelt.
Bezüglich des Großfürsten sagte Herr Sasonow, er sei zum fran-
zösischen Manöver eingeladen gewesen, worauf ihm erwidert wurde,
diese Einladung habe wohl kaum eine Inspizierung der Grenzforts in-
volviert9).
In aller Freundlichkeit wurde Herrn Sasonow bedeutet, daß wir uns
zwar über alle diese Dinge (in keiner Weise auf regten und dies auch1
durch unser Verhalten in der jetzigen Balkankrise bewiesen hätten, daß
wir aber ernstlich erwarten müßten, daß derartige Sticheleien, schon
mit Rücksicht auf unsere öffentliche Meinung, künftig unterblieben10).
Dieser Teil der Unterredung hat auf Herrn Sasonow sichtlich großen
Eindruck gemacht17).
Herr Sasonow hat mehreren Journalisten Interviews gewährt, die
aber über allgemeine Phrasen nicht hinausgehen. Nur gegenüber dem
Vertreter des „Lokalanzeigers“, einem Herrn von Behr, der des Russi-
schen mächtig ist, hat sich der Minister etwas ausführlicher ausgespro-
chen. Interessant in diesem Interview, das hier beiliegt*), ist die Äuße-
*) Vgl. das Interview im „Berliner Lokalanzeiger“ Nr. 5i5 vom 9. Oktober 1912.
Sasonow äußerte sich in dem Interview, obwohl er hinsichtlich des bevorstehenden
Kriegsausbruches sich keinerlei Illusionen mehr hingab, im Hinblick auf die Einigkeit
der Großmächte und den russisch-österreichischen Akkord bemerkenswert zuversicht-
lich. „Im Tone fester, innerer Überzeugung wies er auf die nicht mehr wegzuleug-
nende Tatsache hin, daß die Großmächte entschlossen seien, den Krieg mit allen
Mitteln politischer und, wenn es sein müßte, militärischer Kunst zu lokalisieren.
Die Grundlage dieser Entschlossenheit Europas sei aber die in diesen Tagen offenkundig
gewordene Solidarität der Großmächte, vor allem aber die vollzogene russisch-öster-
reichische Verständigung. Die Kabinette von Petersburg und Wien hätten sich in den
von ihnen seit jeher befolgten Richtlinien konservativer Balkanpolitik wieder zu-
sammengefunden: Aufrechterhaltung des Status quo und der Integrität der Türkei.
Die Gemeinsamkeit dieser Gesichtspunkte hätte die früheren kleinen Mißverständnisse,
die die alte Freundschaft zwischen beiden Nachbarmonarchien vorübergehend getrübt,
leicht vergessen gemacht, und es sei nicht der geringste Zweifel vorhanden, daß dieser
russisch-österreichische Akkord alle sich aus der zukünftigen Lage im Nahen Orient
möglicherweise ergebenden Schwierigkeiten mit bestem Erfolge überdauern werde. Von
diesem Gesichtspunkte aus gesehen, meinte Herr Sasonow, könne Europa mit einiger
Gelassenheit der weiteren Entwicklung der Dinge am Balkan zuschauen. Ein Balkan-
krieg, vorausgesetzt, daß er in letzter Stunde nicht doch noch vermieden wird, sei kein
europäischer Krieg. Das solidarische Europa könne aber mit verschränkten Armen dem
Kampfe zuschauen. Ein paar Wochen und alles sei wieder beim alten, und die Karte
Osteuropas werde das frühere Aussehen behalten. Ob Sieger oder Besiegter, terri-
toriale Veränderungen würden am Balkan keinesfalls eintreten.“ Ein wesentliches Ver-
dienst an der Eintracht der Großmächte maß Sasonow in dem Interview gerade
Deutschland bei: „Ein großes Verdienst an dem Zustandekommen des jüngsten Über-
einkommens unter den Großmächten komme der loyal-friedlichen Politik der deutschen
Regierung zu, deren tätiger Mitwirkung es mit zu danken sei, daß Rußland und Öster-
reich-Ungarn heute, mit dem Mandate Europas ausgerüstet, Wache am Balkan halten
dürfe. Die Unterredungen mit den deutschen Staatsmännern hätten aber auch von
neuem ergeben, daß diejenigen, die auf eine zwiefache Mächtegruppierung, wie sie
etwa in der Tripelentente und dem Dreibund in die Erscheinung treten, spekulieren
zu dürfen glaubten, sich glücklicherweise im Irrtum befunden hätten.“ Vgl. „Kriegs-
ursachen“ S. 45 Anm. 1.
rung Sasonows, daß Rußland sich einer Veränderung des territorialen
Status quo als Folge des Krieges auch militärisch18) widersetzen würde.
Kiderlen.,
Bemerkung Kaiser Wilhelm II. am Kopf einer Reinschrift des Schriftstückes:
Cadinen, n. X. 1912. W. Mit der Behandlung des Inculpaten einverstanden.
Randbemerkungen des Kaisers:
1) Aha!
2) daß diese so was nicht ernst nehmen würden, war Rußland klar.
3) und die wäre erst dann erfolgt, wenn Rußland gegen uns fertig gewesen und
den rechten Moment zum Losschlagen für gekommen erachtet hätte!
4) wobei dann die Allslawen einen solchen Skandal in Rußland loslassen würden,
daß Rußland doch losgehen müßte. Mephisto!
5) nein.
6) natürlich.
7) na also! Er wollte, es sollte über uns gebrüllt werden, und wir waren mit Wien
auseinander.
8) ja.
9) richtig.
10) gut!
n) Ei Ei! daher die Annäherungssymptome von Grey!
12) wird auch zum Durchbruch kommen.
13) sehr gut!
14) er ist ein gleißnerischer Slawe, ein „Schläule“ und falsch! Dabei der Mann
der kleinen Mittelchen.
15) au!! so blau!
16) also!
17) hoffentlich.
18) i(d) e(st) wenn der Zar Ferdinand Stambul nimmt, schmeißt ihn Zar Nikolaus
raus und setzt sich selber hinein!
Schlußbemerkung des Kaisers:
Die Russen haben ein schlechtes Gewissen und eine schlechte Partie, verkehrt
engagiert! Jetzt Fühlungsmaßnahmen (politisch) in London, (militärisch) mit Tokio.
Die Zeit ist günstig und nach Heinrichs wiederholten Meldungen der Boden dort
sehr günstig!
W.
Nr. 649.
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes von Kiderlen.1)
Reinschrift.
Rerlin, den 10. Oktober 1912.
Der heute eingetroffene österreichisch-ungarische Botschafter teilte
mit, daß die österreichisch-ungarische Regierung vorläufig „Gewehr bei
Fuß4 den Gang der Ereignisse abwarten wolle und auch dann nicht ein-
greifen werde, wenn die Serben in das Sandschak yon Novibazar ein-
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 257, S. ig4.
25o
rückten*). Erst wenn Serbien später das Sandschak definitiv besetzen
wollte, behalte sie sich weitere Maßregeln vor11)**).
Kiderlen.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
*) Sehr gut!
**) wird auch nicht so schlimm werden.
Schlußbemerkung des Kaisers:
Salonik ist besser, als Serbien aus dem Sandschak werfen, wenn sie ihn durch
Tapferkeit erobert haben!
Nr. 65o.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.a)
Auszug: Wien, den n. Oktober 1912.
Nr. 291.
Vertraulich. — — —-----------------------------
. . . Trotz aller Versuche, das Mißtrauen zwischen Österreich-Ungarn
und Rußland zu beseitigen, kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß;
dieses Mißtrauen hier in den weitesten Kreisen des Bürgertums, bei den
meisten Politikern und besonders in der Armee nach wie vor unvermin-
dert herrscht.
Unter diesen Umständen mußte natürlich auch die Nachricht von
einer russischen Probemobilisierung hier eine gewisse Nervosität hervor-
2) Die knappe Aufzeichnung Kiderlens läßt nicht erkennen, ob Graf Szögyenyi
schon bei dieser Gelegenheit einen Fühler ausstreckte, wie weit Österreich in der
Balkanfrage auf Deutschlands Hilfe rechnen könne. Dem Reichskanzler von Beth-
mann-Hollweg gegenüber geschah es in den ersten Tagen der Anwesenheit des Bot-
schafters in Berlin wiederholt. Es liegt darüber eine kurze Notiz Bethmann Hollwegs
vom 18. Oktober bei den Akten: „In der Frage der allgemeinen Politik warf er, wie
er es schon einmal getan, die Bemerkung hin, Österreich könne sich doch auf uns
verlassen. Ich habe geantwortet, daß selbstverständlich Deutschland seinen Verpflich-
tungen gegen Österreich auch in Zukunft jederzeit gerecht werden würde. So wört-
lich. Ein Mehreres habe ich nicht gesagt.“ Aus der Notiz Bethmann Hollwegs spricht
das Bestreben, nicht über allgemeine Zusicherungen hinauszugehen, um Österreich
nicht etwa zu sehr zu animieren. Vgl. dazu die Tagebuchaufzeichnung Kiderlens vom
Oktober 1912: „Wir müssen alles tun, um zu verhindern, daß die Leitung der Politik
von Berlin an Wien übergeht, wie es Aehrenthal gegenüber Bülow leider gelungen war.
Das könnte uns eines Tages viel kosten.“ E. Jäckh, Kiderlen-Wächter, der Staats-
mann und Mensch, II, 188 f. In Wien, wo maßgebende militärische Stellen befür-
wortet haben sollen, den tatsächlichen Ausbruch des Balkankrieges im Verein mit
Rumänien dadurch aufzuhalten, daß beide Länder nach der Kriegserklärung der
Balkanstaaten sofort mobilisieren, wußte man nach dem Zeugnis des Grafen Alexander
Hoyos (der deutsch-englische Gegensatz und sein Einfluß auf die Balkanpolitik Öster-
reich-Ungarns, S. 33), daß eine solche Intervention Österreichs nicht die erforderliche
Unterstützung in Berlin finden würde. „Getreu den in Potsdam festgelegten politi-
schen Richtlinien hatte man bei Ausbruch des Balkankrieges in der Wilhelmstraße
nur die eine Sorge, die Intervention Österreichs am Balkan hintanzuhalten. Das ganze
Bestreben der deutschen Staatsmänner ging dahin, den Krieg zu lokalisieren und den
europäischen Frieden zu erhalten.“
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 261, S.200.
2ÜI
rufen, die auch in einem Teil der Presse ihren Ausdruck fand und Anlaß
zu einer Interpellation in beiden Delegationen gab. Sektionschef Graf
.Wickenburg in der ungarischen und Graf Berchtold in der österreichi-
schen Delegation sprachen dieser militärischen Maßnahme Rußlands
jeden Besorgnis erregenden Charakter ab. Der Minister wies in seiner
Antwort hinsichtlich der geäußerten Besorgnisse auf „das eben jetzt ein-
geleitete Zusammengehen mit Rußland“ hin. Dieser kurze und trockene
Hinweis, der bezeichnenderweise die Zukunft aus dem Spiel ließ, dürfte
für die Anschauungen des Grafen Berchtold über das augenblickliche Zu-
sammenwirken Österreich-Ungarns mit Rußland sowie über das gegen-
seitige Verhältnis überhaupt charakteristisch sein.
Wie ich in einem eingehenden vertraulichen Gespräche mit dem Ersten
Sektionschef Baron Macchio feststellen konnte, ist auch am Ballhaus-
platz das Mißtrauen gegen Rußland im Wachsen begriffen. Was zu-
nächst die russische Probemobilisierung anbelangt, so meinte Baron
Macchio, Herr Sasonow erkläre zwar jetzt, die Reservisten würden wieder
entlassen. Das sei ja an sich erfreulich. Doch sollte man meinen, daß
ein Staat wie Rußland, dessen Minister stets die schönsten Friedensver-
sicherungen im Munde führe, in einem Moment wie dem gegenwärtigen
solche militärischen Maßnahmen, die als eine Stellungnahme gegen den
Nachbar aufgefaßt werden könnten, überhaupt nicht hätte anordnen
sollen.
Zweifel an der Aufrichtigkeit der russischen Politik müßten auch
aufsteigen, wenn man bedenke, daß ein russischer amtlicher
Vertreter, wie es Herr Hartwig sei, jahrelang sein We-
sen in dem benachbarten Serbien treiben könne, ganz un-
angefochten von sein;er Regierung. Herr Hartwig sei nichts
anderes als ein panslawistischer Agitator, und wenn man wisse, wie dieser
Mann, der wie ein russischer Vizekönig sich geriere, das Land Serbien in
der Hand habe, wo keine Note geschrieben werde, die ihm nicht vorgelegt
worden sei, so müsse man sich fragen, ob dieser offizielle russische Ver-
treter nicht auch bei der neuesten Phase der serbischen Politik seine
Hand im Spiele gehabt habe.
In den letzten Tagen sei aber noch eine weitere Tatsache hier bekannt
geworden, durch die die russische Politik in ein eigentümliches, zwei-
deutiges Licht gerückt werde. Vor kurzem habe König Nikolaus von
Montenegro bekanntlich öffentlich erklärt, daß er nichts tun werde gegen
den Willen Rußlands. Es sei nun vertraulich aber sicher zur Kenntnis
der k. u. k. Regierung gelangt, daß in Cettinje drei Tage vor der
Kriegserklärung eine halbe Million Rubel aus Rußland
eingetroffen seien. Entweder Herr Sasonow treibe doppeltes Spiel,
was er aber nicht glauben könne, oder die russische Regierung sei so
ohnmächtig, daß die Maßnahmen anderer russischer Kreise, die die
amtliche Politik direkt konterkarierten, zu verhindern nicht imstande
sei. Wenn man sich im amtlichen politischen Verkehr auch an die Er-
klärungen der verantwortlichen Stellen halten müsse, so sei es doch
ein Gebot der Vorsicht, diese mächtigen Nebenströmungen scharf im
Auge zu behalten und mit ihnen zu rechnen.
von Tschirschky.
"Nr. 65i.
Der russische Botschafter in Paris
an den stellvertretenden russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm.
Paris, den
2Q. September
—----—----- 1012
12. Oktober ^
Nr. 238.
Nr. 2. Poincare hat erklärt, er schließe sich vorbehaltlos Ihrem Vor-
schläge an, bereits jetzt die Frage der Intervention der Mächte zur Be-
endigung des Krieges, falls dieser beginnen sollte, zu prüfen. Er hatte
bereits selbst beschlossen, den Mächten vorzuschlagen, sogleich nach Be-
ginn der Feindseligkeiten und nach vorheriger Vereinbarung zwischen
Rußland und England im geeigneten Momente eine gemeinsame Frie-
densvermittlung anzubieten. Persönlich gibt er durchaus zu, daß die
Intervention der Mächte mehr als eine einfache Vermittlung sein könne,
und ist seinerseits bereit, die Möglichkeit einer bewaffneten Demonstra-
tion der Mächte zu prüfen, er sieht aber voraus, daß England und
Deutschland Einwände erheben werden. Jedenfalls ist er fest entschlos-
sen, das von ihm begonnene Werk der Vereinigung der europäischen
Mächte energisch fortzuführen, um die noch gefährlicheren Folgen zu
verhüten, die aus der gegenwärtigen Krise hervorgehen könnten.
Iswol ski.
Nr. 652.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg/)
Ausfertigung.
Nr. 294. Wien, den 12. Oktober 1912.
(pr. 14. Oktober.)
Vertraulich.
Ich habe heute die allgemeine politische Lage ganz vertraulich und ein-
gehend mit Graf Berchtold besprochen. * *)
!) Iswolski Bd.II, Nr. 498, S.284.
*) Die Große Politik Bd. 33, Nro. 12268, S.207.
253
Momentan beschäftigen den Minister am meisten die schlechten Nach-
richten, die aus Rom über das voraussichtliche Scheitern der Friedens-
verhandlungen mit der Türkei vorliegen*). Über diese Frage beehre ich
mich anderweit zu berichten.
Vom Balkan hatte Graf Berchtold keine neueren Nachrichten. Der
Minister kam dann gleich auf Rußland zu sprechen und bemerkte, es
sei zu hoffen, daß Herr Sasonow das Heft ganz in Händen behalte, wo-
für man allerdings keine absolute Garantie übernehmen könne. Was
ihn, den Grafen Berchtold betreffe, so werde er gewiß seine ruhige
ab wartende Haltung so lange als irgend möglich bewahren. Die Russen
machten ihm aber seine Aufgabe wahrlich nicht leicht. Gestern sei Herr
von Giers bei ihm gewesen und habe ihm im Aufträge seiner Regierung
gesagt, es sei doch bedauerlich, daß Österreich an seiner serbischen
Grenze militärische Vorbereitungen gegen Serbien treffe1); dies mache
in Rußland böses Blut und im Interesse der Aufrechterhaltung gutnach-
barlicher Beziehungen richte er die Bitte an ihn, diese militärischen Maß-
nahmen rückgängig zu machen2). Er, Graf Berchtold, habe dem russi-
schen Botschafter darauf erwidert, er sehe mit Bedauern, wie schlecht
man in Petersburg über die hiesigen Verhältnisse orientiert sei. Bis zur
Stunde seien an keiner Stelle der Monarchie, auch an der serbischen
Grenze, irgendwelche besondere militärische Maßnahmen getroffen wor-
den. Falls aber das Nachbarhaus anfangen sollte zu brennen, so glaube
er nicht, daß ein fremder Staat einem anderen Vorschriften zu machen
berufen sei über die zu ergreifenden Mittel, um das eigene Heim zu
schützen3). Herr von Giers habe dies etwas verlegen zugegeben. Graf
Berchtold hat dabei, wie er hinzufügte, sich enthalten, von der „doch
sehr eigentümlichen“ russischen Probemobilisierung zu sprechen, um den
Ton ja nicht zu verschärfen.
Es liege ihm daran, daß man in Berlin genau über die hiesige
Sachlage, besonders auch in militärischer Beziehung, unterrichtet sei.
Er bitte mich, nach Berlin zu schreiben, daß bis heute keiner-
lei mit einer Mobilisierung irgendwie zusammenhän-
gende Verfügungen getroffen worden seien. Der Komman-
dierende in Bosnien und der Herzegowina bitte zwar schon seit zehn
Tagen unausgesetzt telegraphisch wenigstens um Komplettierung der unter
dem normalen Stande befindlichen Kompagnien. Die Militärs drängten
natürlich auf energischere Maßnahmen. Er, der Minister, und „andere
Stellen“*) **) seien aber bisher diesen Forderungen stets entgegengetreten.
*) Vgl. dazu Bd.XXX, Kap. CGXXXIX.
**) Zu ihnen gehört auch der Kriegsminister von Auffenberg. Vgl. dessen Lebens«
Schilderung, Aus Österreichs Höhe und Niedergang, S. 208: „Ich blieb — wie schon
erwähnt — taub gegen alle Wünsche des Generalstabes, sowie des Chefs der bosnisch-
herzegowinischen Landesregierung, die fortwährend Mobilisierungsverfügungen an-
strebten. Sechs Wochen hindurch konnte ich diesen Zustand ruhigen Gewissens er-
halten und hätte ihn — ähnlich wie in Deutschland — noch viel länger erhalten
können, wenn unsere Friedensstände nicht so elend gewesen wären.
254
In der Folge werde es aber allerdings notwendig werden, dem Landes-
chef*) von Bosnien and der Herzegowina das zu geben, was er für
Aufrechterhaltung der Ruhe für notwendig erachte. Denn es sei nicht
zu übersehen, daß sich das gesamte serbische und südslawische Element
in jenen Gegenden in gefährlicher Erregung befinde, daß schon an
einigen Stellen Bandenbildung zu beobachten gewesen wäre, und daß
ein Übergreifen der serbischen Bewegung auf das Gebiet der Monarchie
höchst wahrscheinlich sei. Er betonte aber nochmals, daß es sich auch
bei den eventuell zur Verstärkung der Kaders nötig machenden Anord-
nungen keineswegs um eine Mobilmachung, sondern lediglich um Siche-
rung des inneren Friedens handeln werde.
Auch Rußland gegenüber plädierten die Militärs für vorbereitende
Maßnahmen an der Grenze. Er sei aber entschieden gegen diese Forde-
rung aufgetreten, obgleich man ihm vorgehalten hätte, daß darin eine
entschiedene Gefahr läge, weil die russische Kavallerie im Ernstfälle so-
fort ganz Galizien bis zu den Karpathen werde überschwemmen können.
Trotzdem sei er fest geblieben, weil er wohl wisse, daß ein Schritt von
seiten Österreich-Ungarns in dieser Richtung einen gleichen auf der an-
deren Seite nach sich ziehen würde und dann die Kugel ins Rollen kom-
men würde.
Ich könne versichert sein, daß er alles tue, um die Ruhe zu bewahren.
Von manchen Seiten würde ihm nahegelegt, entweder in Serbien einzu-
marschieren oder wenigstens vor Belgrad zu demonstrieren. Die Leute
wüßten wohl selbst nicht, wie unsinnig4) das sein und welche Konse-
quenzen ein solcher Schritt nachziehen würde. Wenn die Leute am
Balkan sich gegenseitig die Köpfe blutig schlagen wollten, so könnten
sie das tun; er bewahre kaltes Blut und werde sich nach wie vor ab-
wartend verhalten.
Ich möchte noch bemerken, daß Graf Berchtold im Laufe vorstehen-
der, ganz ungezwungener und freundschaftlicher Unterhaltung betonte,
daß er selbstverständlich mir gegenüber als Vertreter des engsten Bundes-
genossen ganz offen und rückhaltslos spreche und hoffe, möglichst oft
mit mir seine Meinung austauschen zu können5).
von Tschirschky.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
1) UnverschämtI Ist ja beinahe eine Art Ultimatum!
2) wenn ich eine solche Aufforderung an Sasonow wegen der Probemobilmachung
und der einbehaltenen Reserven gemacht hätte!? Was hätte Rußland dazu gesagt?!
3) gut.
4) richtig!
ß) sehr gut.
Schlußbemerkung des Kaisers:
Gut.
*) Feldzeugmeister Potiorek.
205
Nr. 653.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm Nr. 25o. Paris, den 2./i5. Oktober 1912.
Nr. 2.
Text: 1. Die Mächte werden sich unverzüglich miteinander ins Einver-
nehmen setzen, um zu gelegener Zeit der Hohen Pforte und den Balkan-
staaten ihre Vermittlung anzubieten. 2. Wenn die Vermittlung Erfolg
hat, wird in kürzester Frist eine internationale Konferenz zusammen-
treten, zur Prüfung und Ausführung der in der europäischen Türkei
einzuführenden Reformen. 3. Wenn die Vermittlung scheitert, wird die
Konferenz trotzdem zusammentreten, um bei Beendigung der Feind-
seligkeiten die Maßnahmen zu ergreifen, die die Sorge um den allge-
meinen Frieden und das Interesse Europas fordern werden. 4- Die
Mächte kommen außerdem noch dahin überein, nichts gegen die Sou-
veränität Seiner Majestät des Sultans und gegen die Integrität des türki-
schen Reiches zu unternehmen.
Abschrift nach London. Iswolski.
Nr. 654.
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre
des Affaires étrangères, à M. Paul Cambon, Ambassa-
deur de France à Londres.* 2)
Paris, le i5 octobre 1912.
A mon retour de Russie, M. le Directeur des *Affaires politiques vous
a, avec mon assentiment, donné, à titre tout à fait confidentiel, quelques
renseignements sur la teneur de la convention passée entre la Bulgarie
et la Serbie. Vous savez que je n'ai connu le texte de cet accord qu'à
Saint-Pétersbourg, où M. Sazonoff, à ma prière, me la communiqué en
me demandant le secret. Il a ajouté qu’il ne connaissait pas lui-même
les clauses de la convention gréco-bulgare; il avait seulement appris,
disait-il, qu’elle était faite en vue du cas où il serait porté «atteinte au
droit international». Cette expression vague n’était pas faite pour me
rassurer; mais la lecture de la convention serbo-bulgare m’a bien autre-
ment inquiété et, à ma rentrée, je n’ai pu dissimuler au Conseil des Mi-
nistres les vives préoccupations qu’elle m’avait causées. Jusqu’à ma pre-
mière rencontre avec M. Sazonoff, nous n’avions eu, malgré nos demandes
*) Iswolski Bd. II, Nr. 507, S. 289.
2) Livre Jaune 1912 I Nr. i84.
256
réitérées, aucun aperçu de ce document. Nous en connaissions seulement
l’existence par des allusions qui y avaient été faites par M. Iswolsky, à
propos du projet d’emprunt bulgare.
Le 18 mars 1912, notre Chargé d’affaires à Sofia nous avait télé-
graphié que le Comte Bosdari, Ministre d’Italie ayant laissé entendre à
M. Guéchoff que l’Italie pourrait aider la Bulgarie à se procurer de
l’argent sur le marché français, le Président du Conseil bulgare s’était
empressé de rapporter ce propos au Ministre de Russie, M. de Nekludoff
«pour stimuler le zèle de la Russie à faciliter à Paris un emprunt bulgare».
La Russie, d’ailleurs, ne nous avait rien demandé; nous nous gardâmes
d’aller au-devant des désirs du Gouvernement bulgare.
Le 10 avril dernier, notre Ministre à Sofia télégraphiait que M. Gué-
choff avait fait prier M. Sazonoff de recommander à Paris un projet
d’emprunt et «de se porter garant des intentions pacifiques de la Bul-
garie». Effectivement M. Iswolsky fit auprès de moi, à la même date,
une démarche en ce sens. Le 11 avril 1912, nous répondions à M. de
Panafieu, par télégramme, que, le Gouvernement russe nous garantissant
les intentions pacifiques de la Bulgarie, nous étions disposés à examiner
avec bienveillance le projet d’emprunt.
Le ii mai, M. Iswolsky revenait me voir et insistait de nouveau près
de moi pour qu’un emprunt bulgare de 180 millions fût admis à la cote
française. C’est à cette occasion qu’il me parla, pour la première fois,
en termes voilés, d’un rapprochement de la Serbie et de la Bulgarie. Il
se félicitait d’un résultat qu’il présentait comme essentiellement pacifique;
il indiquait, en même temps, que la Bulgarie avait donné à Pétersbourg
les assurances les plus formelles sur sa politique européenne et qu’on
pouvait la considérer comme désormais attachée au sort de la Triple
Entente.
Mais le silence gardé sur le texte de la convention, les nouvelles que
nous recevions des Balkans, les questions mêmes que nous posait M. Sa-
zonoff sur l’attitude que prendrait la France au cas où un conflit éclate-
rait en Orient, nous déterminèrent à retarder le plus possible la con-
clusion définitive du contrat d’emprunt et, par bonheur, rien n’était en-
core décidé à cet endroit lorsque je suis allé en Russie.
Dès que j’ai eu pris connaissance de la convention, dans le cabinet de
M. Sazonoff, je n’ai pu m’empêcher de m’écrier: «Mais c’est la une
convention de guerre!» Le Ministre russe n’a pas paru étonné de
ma remarque; il m’a même répondu: «Vous vous servez exactement de
l’expression qu’a employée notre Ministre à Sofia, lorsqu’il nous a com-
muniqué ce document.» — «Mais alors ai-je dit, comment nous avez-
vous présenté cet accord comme pacifique et comment nous avez-vous
demandé de le sanctionner par l’admission d’un emprunt bulgare sur le
marché français?» Le Ministre m’a répondu que le Gouvernement im-
périal n’avait pas immédiatement connule texte intégral (?) et que, d’ailleurs, 17
17 B o ghits chewitsch, Serbien H.
267
après l'avoir connu, il n'en avait pas accepté les conséquences. Comme
vous l'a expliqué M. Paléologue, cette convention, qui est longue et
détaillée, prévoit les conditions dans lesquelles doit être concertée et pré-
parée la mobilisations des deux Etats voisins, la Russie servant d'arbitre,
en cas de désaccord sur l’opportunité. Elle envisage, en outre, l’éventua-
lité d’un partage territorial de la Macédoine après une guerre poursuivie
en commun par la Bulgarie et la Serbie; et ce partage est déterminé sur
une carte que m'a remise M. Sazonoff. La ligne frontière, laissant
Uskub dans la zone serbe, part du point d’intersection des frontières
serbe, bulgare et turque, et se dirige vers le sud-est jusqu'au lac
d’Ochrida.
Dans le voisinage du point terminus sud, un petit périmètre n’a été
adjugé à aucun des deux Etats signataires, et c’est la Russie qui, le jour
venu, doit statuer, comme arbitre, sur la déstination de ce territoire ré-
servé. Bref, cette convention parait avoir été passée sous les auspices de
la Russie et, en tout cas, elle atribuç à la Russie, dans les événements,
actuels et dans ceux qui peuvent les suivre, un rôle actif et prépondérant.
M. Sazonoff et M. Iswolsky se sont employés, depuis quelques semaines,
à calmer l’émotion que m’avait causée la lecture de ce traité. Ils m’ont
répété que la Russie n’y avait pas adhéré, qu’elle restait libre de refuser
l’arbitrage qui lui était proposé, etc. Mais,; à tout le moins, est-il certain
qu'elle a tout connu et que loin de protester là contre, elle a vu dans
ce document diplomatique un moyen d’assurer son hégémonie dans les
Balkans. Elle s’aperçoit aujourd’hui qu’il est bien tard pour enrayer le
mouvement qu’elle a provoqué et, comme je le disais à M. Sazonoff et
Iswolsky, elle essaie de freiner mais c’est elle qui a allumé le moteur.
Il m’a toujours paru que si l’Autriche connaissait, dans leur texte, les
accords serbo-bulgares, elle en ferait grief à la Russie et qu'en tout cas,
elle n’en tolérerait pas l’exécution. Elle qui donne aujourd’hui à
entendre qu'elle considérerait l’invasion du Sandjak par les Serbes comme
de nature à la délier de ses engagements relatifs au statu quo territorial
comment ne prendrait-elle pas ombrage d’un morcellement de la Macé-
doine poussé jusqu'au lac d’Ochrida, c’est-à-dire de l’établissement de
deux zones contiguës, l’une serbe, l’autre bulgare, sur la route de Sa-
lonique?
La crainte des conséquences redoutables que recélait cette convention
m’a, en très grande partie, inspiré les démarches que je n’ai cessé
d’entreprendre dans l’intérêt de la paix, depuis que j’ai vu grandir les
menaces de guerre dans les Balkans.
Cependant, jusqu’ici, je ne m'étais pas cru autorisé à révéler le secret
que m'avait confié M. Sazonoff et c’était seulement par égard pour
vous que j’avais prié M. Paléologue de vous tenir au courant.
Aujourd’hui, j’ai la certitude qu'un député russe connaît les clauses
essentielles du traité, notamment celles qui constituent la Russie arbitre.
2 58
J'en ai prévenu M. Iswolsky qui n’a pas semblé trop surpris de cette
divulgation et qui ma dit: «Les Bulgares ont colporté le traité à Péters-
bourg pour se plaindre de l’indifférence et ce l’inertie du Gouvernement
russe.» M. Iswolsky a, en outre, reconnu que, très vraisemblablement,
l’Autriche était elle-même aujourd’hui renseignée, soit qu’une indiscré-
tion ait été commise, soit que le roi Ferdinand ait pris lui-même à
Vienne quelque contre-assurance.
Tout cela étant, je ne veux pas prendre la responsabilité de laisser plus
longtemps l’Angleterre dans l’ignorance d’une situation qui peut nous
forcer demain à combiner plus étroitement encore nos efforts pour
éviter la généralisation du conflit balkanique. Je vous prie de faire part
secrètement à Sir Ed. Grey des renseignements généraux que je vous
ai donnés plus haut sur le sens et la portée de la convention serbo-bul-
gare. Sans lui taire mes appréhensions, faites-lui toutefois remarquer
que je ne mets aucunement en doute la sincérité des intentions pacifiques
du Gouvernement russe. M. Sazonoff et Iswolsky n’ont évidemment pas
cru que le rapprochement des Serbes et des Bulgares aurait pour effet
immédiat la mobilisation concertée que prévoyait la convention. (?) Ils se
sont imaginé que l’arbitrage de la Russie pouvait s’exercer dans le sens de
la paix jusqu’au jour où la Russie jugerait la guerre opportune, et,
de bonne foi, ils supposaient ce jour lointain. Lorsque vous avez vu
M. Sazonoff à Londres, il était encore convaincu que la guerre n’éclate-
rait pas et que la Bulgarie se livrait à de simples manifestations. Le
langage qu’il vous a tenu et que vous m’avez si fidèlement rapporté, était
empreint, au début, du plus singulier optimisme et c’est, sans doute, cet
état d’esprit qui a été, en grande partie, cause de la mutilation qu’on a
fait subir à mes propositions du 22 septembre. Mais si la diplomatie
russe a jmanqué de prévoyance, elle s’applique aujourd’hui, dans la me-
sure où son opinion publique le lui permet, à conjurer le mal qu’elle a
déchainé. M. Sazonoff et Iswolsky ont déclaré ici, presque publiquement,
non seulement à moi, mais à de mes collègues du Ministère et même à
certains journalistes, que, si la guerre éclatait, il fallait souhaiter
la victoire turque, qu’on pourrait toujours arrêter les
progrès de la Turquie, tandis que de trop grands succès
bulgares entraîneraient une action autrichienne. Bref,
malgré les erreurs qu’il a commises, le Gouvernement impérial demeure
attaché à une politique de paix et de statu quo et il s’en écartera
d’autant moins qu’il trouvera un appui plus solide à Londres et à Paris.
Il serait donc extrêmement fâcheux que le Gouvernement britannique
lui tint rigueur des fautes passées. Je suis, d’ailleurs, comme vous, pro-
fondément pénétré de la nécessité de maintenir, dans les circonstances
actuelles, les liens de la Triple Entente et je ne doute pas que le
Gouvernement anglais ne partage, sur ce point, vos sentiments et ceux
du Gouvernement français. R a y m o n d P o i n c a r é.
2 5g
Nr. 655.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm. Paris, den 3./i6. Oktober 1912.
Nr. 254.
Persönlich.
Poincaré sagte mir, indem er von seiner Bereitwilligkeit Mitteilung
machte, Ihren Vorschlag eines vorläufigen Abkommens zwischen Peters-
burg, Paris und London in allen die Vermittlung und Konferenz betref-
fenden Fragen anzunehmen, nochmals, daß er überaus besorgt sei über
die Möglichkeit eines Bekanntwerdens des Inhaltes der Geheimverträge
zwischen Bulgarien und den anderen slawischen Staaten durch die Presse
oder auf einem anderen Wege. Diese Verträge sind augenscheinlich in
allen ihren Einzelheiten nicht nur der russischen Regierung bekannt, son-
dern auch einigen russischen Abgeordneten und Journalisten, und es ist
sehr wahrscheinlich, daß König Ferdinand sie dem Wiener Kabinett
mitgeteilt hat. Wenn das Londoner Kabinett mit diesen Verträgen aus
irgendeiner anderen Quelle bekanntgemacht wird, kann das ihm Miß-
trauen gegen die Aufrichtigkeit Rußlands und Frankreichs, die ihren In-
halt kannten, einflößen und die Verständigung zwischen den drei Mäch-
ten erschweren. Poincaré hält sich nicht für berechtigt, dieses Geheimnis
England zu offenbaren, doch nach seiner Meinung ist es sehr erwünscht,
daß wir selbst das Londoner Kabinett in die Sache einweihen, indem wir
ihm die wahre Stellung der russischen Regierung dazu erklären. Poincaré
ist seinerseits bereit, diese Erklärung zu unterstützen. Ich halte es für
meine Pflicht hinzuzufügen, daß einige hiesige Zeitungen bereits anzu-
deuten beginnen, daß Rußland in der gegenwärtigen Krise ein doppeltes
Spiel spielt. Mir gelang es, den „Temps“ davon abzuhalten, einen Brief
Brijantschaninows an Tardieu über dieses Thema zu veröffentlichen.
Doch wir werden kaum einer Zeitungskampagne auf diesem Gebiet ent-
gehen können, und mir scheint, daß, wenn Sie bisher über diese Sache
noch keine Aussprache mit dem Londoner Kabinett hatten, die mir
gegenüber geäußerten Gedanken Poincarés ernste Aufmerksamkeit ver-
dienen.
Iswolski.
i) Iswolski Bd.II, Nr. 5i3, S.3o5.
260
Nr. 656.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in Paris.1)
Telegramm. St. Petersburg, den З./16. Oktober 1912.
Nr. 2195.
Telegramm Nr. 245 erhalten.
Zur Verhütung jeden Mißverständnisses habe ich auf den Brief Poin-
cares eine Antwort abgehen lassen, in der ich der Befürchtung Ausdruck
gebe, daß die Einberufung einer Konferenz unmittelbar vor Ausbruch
eines unvermeidlichen Krieges die Idee einer solchen Konferenz selbst
nur kompromittieren könnte, die doch zur Klärung der kritischen Lage
auf dem Balkan unbedingt notwendig sei.
Vor einer derartigen Konferenz hielten wir es für notwendig, durch
Verhandlungen zwischen den Kabinetten wenigstens die Grundprinzipien
festzulegen, die von allen Mächten angenommen werden würden. Ge-
schähe dies nicht, so könnte statt der Bekundung der Einmütigkeit Euro-
pas eine Spaltung eintreten, aus der diejenigen, denen es vorteilhaft er-
schiene, nicht zögern würden, Nutzen zu ziehen.
Die Vorbereitung zu einer Intervention bei der ersten sich bietenden
Möglichkeit scheine uns die nächste Aufgabe zu sein, die man erfüllen
müsse.
Sason ow.
Nr. 667.
Kriegsmanifest König Ferdinands1 2)
vom 18. Oktober 1912.
Auszug.
„Die menschlichen und christlichen Gefühle, die heilige Pflicht, seinen
Brüdern zu helfen, wenn sie mit der Vernichtung bedroht sind, die Ehre
und Würde Bulgariens legten mir die gebieterische Pflicht auf, die für
die Verteidigung des Vaterlandes bereiten Söhne unter die Fahnen zu
rufen. Unsere Aufgabe ist gerecht, groß und heilig. In dem Glauben
an den Schutz und den Beistand des Allmächtigen bringe ich zur Kennt-
nis der bulgarischen Nation, daß zur Verteidigung der menschlichen
und christlichen Rechte der Krieg der Türkei erklärt worden ist. Ich
befehle der tapferen bulgarischen Armee in das türkische Gebiet zu mar-
schieren. An unserer Seite und mit uns kämpfen mit dem gleichen Ziel
1) Iswolski Bd. II, Nr. 5og, S.3o2.
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 287, S. 2З6.
261
gegen den gemeinsamen Feind die Armeen der mit Bulgarien verbünde-
ten Balkanstaaten, Serbien, Griechenland und Montenegro, und in die-
sem Kampfe des Kreuzes gegen den Halbmond, der Frei-
heit gegen die Tyrannei, werden wir die Sympathien aller derer
haben, welche die Gerechtigkeit und den Fortschritt lieben. (?!) Möge,
gestützt auf diese Sympathien, der tapfere bulgarische Soldat der Helden-
taten seiner Väter und Ahnen eingedenk sein und der Tapferkeit seiner
russischen Lehrer und Befreier; möge er von Sieg zu Sieg eilen.“
In Schultheß’ Europäischem Geschichtskalender, Jahrg. 1912, S. 469
heißt es: „Nach einem Bericht des belgischen Gesandten in Berlin Baron
Beyens vom 24. Oktober (BelgischeAktenstücke 1905—1914, S. m) hät-
ten die wenig geschickten Anspielungen der Proklamation auf ein mög-
liches Eingreifen Rußlands in Berlin einen schlechten Eindruck hinter-
lassen. Man glaube, wahrlich mit Recht, daß die panslawistischen Gefühle
des russischen Volkes nicht noch gesteigert zu werden brauchten. Auch
der französische Botschafter Jules Cambon teilte nach Baron Beyens diese
Auffassungen, und er tadelte herbe das Verhalten der russischen Aus-
landsvertreter, das auf ein Schüren der panslawistischen Agitation hin-
auslaufe. «L'Ambassadeur de France qui doit avoir des raisons parti-
culières de parler ainsi, ma répété à diverses reprises que le plus grand
danger pour le maintien de la paix européenne consiste dans l'indiscipline
et la politique personelle des Agents russes à l'étranger. Ils sont presque
tous d'ardents panslavistes et c’est à eux qu’il faut en grande partie
imputer la responsabilité des événements actuels.»
Nr. 658.
Königlich serbische Gesandtschaft
an das k. u. k. Ministerium des Äußern.1)
Wien, 18. Oktober 1912.
La Légation Royale de Serbie est chargée par son Gouvernement de
communiquer au Gouvernement Impérial et Royal ce qui suit:
L'anarchie qui règne en Turquie et qui trouble si profondément le
repos et la sécurité des pays voisins s’étant aggravée depuis quelque
temps, les Grandes Puissances ont jugé nécessaire de prendre en main
la réalisation des réformes prévues par l’Art. 23 du Traité de Berlin. En
réponse à cette dernière expression de la volonté collective de l’Europe,
la Sublime Porte a eu recours à un procédé qui lui a servi plus d’une
fois : elle a déclaré qu’elle appliquera des réformes sérieuses aussi bien en
Turquie d’Europe que dans ses provinces d’Asie mais qu’elle ne croit pas
qu’une ingérence étrangère dans l’application sera profitable à l’œuvre
*) österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 54, S. 33.
262
des réformes. Cette promesse du Gouvernement Ottoman d’appliquer
seul des réformes sérieuses a rencontré auprès de tout le monde la mé-
fiance dont parlait le Comte Andrassy dans sa note du 3o décembre 1875.
Une des causes principales de cette méfiance profondément enracinée,
disait avec raison l’ancien chancelier d’Autriche-Hongrie, doit être re-
cherchée dans le fait que plus d’une mesure annoncée dans les derniers
rescrits du Sultan a déjà été proclamée sans que le sort des chrétiens en
ait éprouvé une amélioration sensible. Depuis 37 ans les événements ont
surabondamment démontré la justesse de ce jugement. Aussi les Gouver-
nements Royaux de la Bulgarie, de la Grèce et de la Serbie, ne pouvant
plus tolérer les souffrances de leurs congénères en Turquie et une
situation grosse des dangers pour leur avenir, avaient décidé de demander
un contrôle efficace pour l’élaboration et la réalisation des seules ré-
formes radicales capables d’améliorer le sort misérable des chrétiens et
la pacification de la péninsule des Balkans. Cette dernière tentative dont
la modération contrastait avec l’attitude provocatrice de la Turquie, qui
avait mobilisé sans motif sérieux contre les Etats balkaniques, ayant
échoué et la rupture des relations diplomatiques ayant été ordonnée par
la Sublime Porte, les Gouvernements Royaux de la Bulgarie, de la
Grèce et de la Serbie se sont vus à leur grand regret dans l’obligation de
recourir à la force des armes. La Serbie se trouvant dès lors en état de
guerre avec la Turquie vient de lui adresser une déclaration formelle con-
formément à l’article 1 de la convention relative à l’ouverture des hosti-
lités du 17 octobre 1907. Le Gouvernement Royal de Serbie espère que
le but qu’il poursuit en déclarant la guerre coincide avec les intérêts de
tous les peuples civilisés. Les étrangers résidant dans les provinces dont
la pacification permanente est l’objet de la guerre ne pourront que pro-
fiter de cette pacification. Sous un régime d’ordre, de liberté et de pro-
grès les intérêts des nationaux de tous les pays sont sûrs d’être protégés.
La prospérité matérielle et le développement intellectuel sont certains
d’être l’objet d’une sollicitude aussi constante qu’éclairée. Aussi le Gou-
vernement Royal croit-il pouvoir compter sur les sympathies des nations
amies et fait-il un appel pressant au Gouvernement Impérial et Royal
de ne pas lui refuser sa neutralité bienveillante dans la lourde tâche qu’il
vient d’assumer.
Nr. 659.
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an den Mi-
nister des Äußern S.D.Sasonow in Petersburg.1)
Sehr vertraulich. Sofia, den 6./19. Oktober 1912.
Sehr geehrter Herr Sergei Dimitriewitsch!
Indem ich mich auf meine persönlichen Geheimtelegramme berufe,
habe ich die Ehre, anbei Eurer hohen Exzellenz den Schuldschein der
interessierten Personen, datiert 2. September dieses Jahres, zuzusenden.
Empfangen Sie, geehrter Herr, die Versicherung meiner tiefen Hoch-
achtung und vollkommenen Ergebenheit, mit welcher ich die Ehre habe
zu sein Ew. hohen Exzellenz ergebenster Diener.
(gez.) Nekljudow.
Ich Endesunterzeichneter bestätige hiermit, daß ich heute am 2. Sep-
tember 1912 von der russischen Regierung leihweise eine Summe in der
Höhe von drei Millionen Franken in Gold erhalten habe, welche ich mich
verpflichte, an dieselbe russische Regierung zurückzuzahlen, zusammen
mit den ausbedungenen 5 Prozent für jährlichen Zinsen- und Tilgungs-
dienst oder in regelmäßigen halbjährlichen Zahlungen im Betrage von
fünfundsiebzigtausend Franken in Gold jeden i.März und 1.September
vom i.März 1913 an bis zur endgültigen Tilgung der ganzen entliehenen
Summe im Laufe von fünfundzwanzig Jahren und sieben Monaten. Die
Zahlung der obengenannten Summe stelle ich ausdrücklich durch meinen
eigenen unbeweglichen Besitz sicher, der sich in Bulgarien in der Um-
gebung der Stadt Sofia befindet, und zwar durch den mir als Privat-
besitz gehörenden Palast ,„Wrana“ mit allen zu diesem Palast gehören-
den Gebäuden und mit Grund und Boden im Umfange von vier Millionen
Quadratmetern, die auf ungefähr drei Millionen Franken in Gold zu
schätzen sind. Zur Beglaubigung des oben Dargestellten unterzeichne ich
Sofia, 2. September 1912.
(gez.) Ferdinand.
Nr. 660.
Graf Berchtold an Herrn von Ugron in Belgrad.* 2)
Telegramm. Wien, 20. Oktober 1912.
Gestern hat der serbische Gesandte hier die Kriegserklärung an die
Türkei notifiziert.
Ich habe heute Herrn Simic empfangen und ihm erklärt, daß Serbien
unseren Intentionen zuwider gehandelt habe, als es ein weitgehendes, mit
*) Russische Dokumente, S.57. Siehe Nr. 549-
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 56, S. 34-
264
friedlichen Mitteln nicht durchführbares Reformprogramm aufstellte,
daß wir aber dem Ansuchen Serbiens, uns neutral zu verhalten, insofern
entsprechen wollen, als Serbien uns eine solche Stellungnahme durch
sein weiteres Verhalten ermöglichen wird.
Weiters lenkte ich die Aufmerksamkeit des serbischen Gesandten auf
das Kriegsmanifest Seiner Majestät König Peters, welches einen Passus
enthält, der sich als Ankündigung einer Expansionspolitik interpretieren
ließe. Diesfalls müsse ich auf das von uns und Rußland auf gestellte
Prinzip der Nichtzulassung territorialer Veränderungen verweisen. (?!)
Nr. 661.
Ganz geheimes Schreiben des stellvertretenden
russischen Außenministers an den Vorsitzenden
des Ministerrates1)
io./23. Oktober 1912.
Vor einiger Zeit regte das Kriegsministerium die allgemeine Frage
darüber an, welche Aufgaben das Ministerium des Auswärtigen dem
Militärressort mit Rücksicht auf die allgemeine politische Lage seiner-
seits als zweckmäßig zuerkennen würde. Da diese Frage mit der Fest-
setzung allgemeiner, von der Regierung zu lösender Aufgaben eng zu-
sammenhängt, halte ich es für meine Pflicht, folgende Erwägungen zu
Ihrer Kenntnis zu bringen, die das Ministerium des Auswärtigen bei ihrer
Beurteilung für notwendig halten würde.
In dem soeben begonnenen Balkankriege müssen folgende zwei Um-
stände beachtet werden: erstens die Beschränktheit der Hilfsmittel der
beiden kriegführenden Teile, insbesondere der Balkanstaaten, und zwei-
tens die Notwendgkeiit, mit dem möglichen Erfolge sowohl der Balkan-
staaten, wie auch der Türkei zu rechnen.
Diese beiden Bedingungen müssen bei der Bestimmung unserer nächst-
liegenden politischen Aufgaben und militärischen Möglichkeiten not-
wendig im Auge behalten werden. Das Ministerium des Auswärtigen setzt
sich zum Ziele, wenn es möglich erscheint, die Mächte zu dem Zwecke
zu vereinigen, sich nach den ersten entscheidenden Aktionen in den
Krieg einzumischen, bevor die Kräfte der Gegner erschöpft
sind. Die Möglichkeit einer solchen Wendung des Krieges in nächster
Zukunft ist vorauszusehen.
Da zweierlei Ergebnisse der kriegerischen Aktionen möglich sind, so
müssen wir zweierlei für uns gefährliche Schwierigkeiten in
Erwägung ziehen.
Falls die Balkanstaaten die Oberhand gewinnen und durch das Ergeh-
1) Graf Benclendorff Bd. II, Nr. 696, S. 459 ff.
265
nis des Krieges die Integrität des Status quo in der Türkei bedroht wer-
den sollte, ist sowohl ein diplomatisches wie auch militärisches aktives
Vorgehen Österreichs und Rumäniens nicht ausgeschlossen. Auf diese
Möglichkeit deuten die kriegerischen Vorbereitungen beider Staaten hin,
die geräuschlos und vorsichtig getroffen werden, und von denen die Be-
richte unserer Militäragenten in Wien und Bukarest melden. Vom poli-
tischen Standpunkt aus erscheint es zweckmäßig, diesen Maßnahinen
unsererseits ebensolche gegenüberzustellen, die ebenfalls mit größter
Vorsicht und möglichst geräuschlos durchzuführen sind.
Über den seitens des Militärressorts erfolgten Beschluß, solche Maß-
nahmen zu treffen, hat das Kriegsministerium bereits am 4- d. M. in
der Sitzung des Ministerrats Mitteilung gemacht.
Es muß aber auch die zweite Möglichkeit berücksichtigt werden, näm-
lich daß die türkische Armee das Übergewicht erhält, oder jedenfalls
daß die Türkei auf eine Verschleppung des Krieges rech-
nen wird, wodurch die Balkanstaaten in eine kritische
Lage kommen würden. Daß die Türkei dem diplomatischen Druck
der Mächte allein nachgeben und auf Bedingungen, die für ihre Gegner
annehmbar sind, eingehen würde, ist kaum anzunehmen, ganz abgesehen
von der Schwierigkeit, die Mächte zu einem gemeinsamen Druck zu
vereinigen.
Die Vorstellungen unserer Diplomatie werden insoweit ins Gewicht
fallen, als sie sich auf eine reale Kraft stützen werden. Es muß als
wesentlich erachtet werden, daß es uns möglich ist, im erforderlichen
Moment an unserer kaukasischen Grenze über eine solche Kraft zu ver-
fügen, insbesondere mit Rücksicht darauf, daß die Türken einen Teil
ihrer Truppen von unserer Grenze fort auf den Kriegsschauplatz zu brin-
gen scheinen.
Es dürften daher, um vorzubeugen, daß wir von den Ereignissen über-
rascht werden, auch in unseren an die Türkei grenzenden Gebieten vor-
sichtige, aber planmäßige Vorbereitungen zur Zeit ebenso zweckmäßig
erscheinen, wie die oben erwähnten Maßnahmen gegenüber Österreich
und Rumänien.
Ich fühle mich verpflichtet, hinzuzufügen, daß, wenn jede überflüs-
sige Verlautbarung und jeder Lärm äußerst unerwünscht sind, es noch
in größerem Maße für unsere Aufgabe der Wahrung der Interessen
Rußlands bei Erhaltung des Friedens als wesentlich erscheint, daß wir
und unsere Rivalen das Bewußtsein haben, daß unsere diplomati-
schen Vorstellungen in gehöriger Weise durch militäri-
sche Kräfte unterstützt werden können.
In gleicher Weise dürfen wir eine reale Unterstützung Frankreichs
und Englands höchstwahrscheinlich nur in dem Maße erwarten, als diese
beiden Mächte mit unserer Bereitschaft zur Übernahme von
Risikos rechnen können.
266
Zur persönlichen Kenntnisnahme Eurer Exzellenz füge ich eine Ab-
schrift des Telegramms unseres Gesandten in Sofia vom /*• Oktober d. J.
Nr. 173 bei.
Nerat ow.
Nr. 662.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1)
Brief. Paris, den 10./23. Oktober 1912.
Indem ich bei Tag und Nacht verschiedene Eventualitäten, die ein-
treten könnten, in Erwägung ziehe, bleibe ich unwillkürlich bei folgen-
den drei Möglichkeiten stehen: ein entscheidender Sieg der Balkan-
staaten; ein ebensolcher Sieg der Türkei; eine Verschleppung der kriege-
rischen Aktionen und als deren Folge Unruhen und Niedermetzlang von
Christen in Konstantinopel oder anderen Orten des türkischen Reiches.
Die erstere von diesen Möglichkeiten, die meines Erachtens am wenig-
sten wahrscheinlich ist, (?!) wäre zugleich in ihren Folgen am bedroh-
lichsten für den allgemeinen Frieden; sie würde die Frage
eines Kampfes des Slawentums nicht nur mit dem Islam,
sondern auch mit dem Germanentum sofort in ihrer gan-
zen historischen Größe in den Vordergrund rücken. In
diesem Falle kann man kaum Hoffnung auf irgendwelche Palliativmittel
setzen, und man muß sich auf einen großen und entscheidenden allge-
meinen europäischen Krieg vorbereiten.
Etwas weniger gefährlich, vom allgemeinen europäischen Standpunkt
aus* jedoch äußerst beschwerlich für uns, würde ein entschei-
dender Sieg der Türken sein. Ein solcher Sieg würde eine starke Er-
regung unserer öffentlichen Meinung hervorrufen und uns die Pflicht
auferlegen, den slawischen Staaten zu Hilfe zu kommen. Bei dieser
Gelegenheit erinnere ich mich, daß zur Zeit meiner Verwaltung des
Ministeriums des Auswärtigen die damals nicht zustande gekommene
Militärkonvention mit Bulgarien beraten wurde (ob sie später zustande-
kam, weiß ich nicht). Die Bulgaren erklärten, daß sie, im Falle eines
Krieges mit der Türkei allein, von uns keine andere Hilfe verlangten, als
die Mobilmachung des kaukasischen Militärbezirks. Ich erinnere mich
auch, daß Ende 1906 oder Anfang 1907 der damalige Chef des General-
stabes, General Palizyn, aus eigenem Antriebe fast einen Krieg mit der
Türkei an unserer kaukasischen Grenze angestiftet hätte. Er glaubte naiv,
daß ein solcher „kleiner Krieg“ lokalisiert bleiben könnte. Mit Hilfe des
verstorbenen Stolypin gebot ich diesen Versuchen schroff Einhalt, wobei
i) Iswolski Bd.II, Nr. 526, S.3i2.
267
ich als Hauptargument darauf hin wies, daß jeder Zusammenstoß zwi-
schen uns und der Türkei, selbst an der kaukasischen Grenze, sofort als
Signal zum Vorgehen der Balkanstaaten gegen die Türkei dienen würde.
Zur Zeit fällt dieses Argument fort und mir scheint, daß schon jetzt
notwendigerweise vorauszusehen ist, daß die Ereignisse uns veranlassen
können, zu dem obengenannten, verhältnismäßig gefahrlosen, aber gleich-
zeitig wirksamen Mittel eines Druckes auf die Türkei zu greifen. Da ich
fast täglich mit Poincaré zusammenkomme und in vertraulichen Unter-
redungen mit ihm die verschiedensten Gegenstände berühre, hielt ich es
für möglich, auch diese Frage zu berühren mit dem ausdrücklichen Vor-
behalt, daß ich lediglich meine persönlichen Ansichten zum x\usdruck
bringe und sozusagen laut denke. Zunächst erschreckte ihn mein Gedanke
sichtlich. Er erwiderte mir, daß ein solches einseitiges Vorgehen Ruß-
lands die einheitliche Art der Tätigkeit der Mächte verletzten und Öster-
reich zu einem parallelen Vorgehen veranlassen würde. Dieses würde
nach seiner Überzeugung eine starke Erregung in England gegen Ruß-
land erwecken und zur Spaltung des Dreiverbandes führen. Ich erwiderte
ihm, daß ich nur den Fall eines entscheidenden Erfolges der Türkei im
Auge hätte. Österreich sei nicht an der Verstärkung des türkischen Rei-
ches interessiert, sondern nur an der Schwächung der slawischen Staa-
ten; es werde daher im Falle einer Niederlage der letzten kaum einen
Grund zur Einmischung suchen und werde sich zu den Verwicklungen
zwischen uns und der Türkei auf dem asiatischen Kriegsschauplatz wahr-
scheinlich ruhig verhalten. Für Deutschland seien solche Verwicklungen,
die uns von unseren westlichen Grenzen abziehen, nur vorteilhaft und
wünschenswert. Was England betreffe, so liege es in seinem Interesse,
keinen Zusammenstoß zwischen uns und der Türkei zuzulassen und als
Vermittler und Friedensstifter aufzutreten. Heute konnte ich mich davon
überzeugen, daß meine Unterredung nicht umsonst gewesen war und
daß Poincaré sich zu meiner Idee nicht allein mit großer Ruhe, sondern
mit einem gewissen Interesse (ich will nicht sagen mit einiger Sympathie)
verhält, als zu einer Form einer uns auf gezwungenen Einmischung, die
für den allgemeinen Frieden am wenigsten gefährlich sein würde.
Ich hoffe, daß Sie mich nicht tadeln werden, weil ich eine so wichtige
und heikle Frage eigenmächtig Poincaré gegenüber berührt habe. Es
erscheint mir für uns günstig, ihm die Überzeugung von der
Unvermeidlichkeit unserer unter gewissen Umständen
notwendigen aktiven Einmischung beizubringen. Wenn wir
uns einer solchen Einmischung enthalten werden, machen wir uns da-
durch der Dankbarkeit Frankreichs verdient. Tritt aber die Einmischung
ein, so wird Poincaré darauf vorbereitet sein und uns eine wertvolle
diplomatische Mitwirkung zu ihrer Lokalisierung gewähren können. Ich
erlaube mir zu bemerken, daß, wenn wir uns je nach dem Gang der
Ereignisse entweder zur Mobilmachung oder auch nur zur Translozie-
268
rung unserer kaukasischen Truppen entschließen werden müssen, es not-
wendig erscheint, Poincare davon rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, damit
er uns in entsprechender Weise helfen kann, die Wege in London zu
ebnen.
Iswolski.
Nr. 663.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. 327. Wien, den 26. Oktober 1912.
Ganz vertraulich.
Zur Lage am Balkan bemerkte Graf Berchtold heute mir gegenüber,
zu der Zeit, da er in San-Rossore gewesen sei* 2) — also vor der Schlacht
bei Kirk-Kilisse —, hätten die Italiener die Stellung der türkischen Armee
für keineswegs schlecht gehalten. „Wenigstens mir gegenüber“, meinte
der Minister, „stellten sie die von den Balkanstaaten errungenen Vorteile
als bedeutungslos hin. Vielleicht taten sie das aber nur mir zu Ehren.“
Jetzt sei die Lage allerdings eine wesentlich andere, wenn man auch
immerhin noch mit der Möglichkeit rechnen müsse, daß es den Türken
doch noch gelingen könne, wieder die Oberhand zu gewinnen. Sollte
dieser letztere Fall nicht ein treten, so scheint sich der Minister
— wie dies ja auch aus der Sprache der offiziösen Presse zu entnehmein
ist — mit dem Gedanken territorialer Veränderungen am
Balkan bereits befreundet zu haben. Er meinte, in diesem Falle
denke er sich zwei Möglichkeiten für die österreichisch-ungarische Poli-
tik. Entweder Österreich verschaffe sich sichere Garantien für ein enges
handelspolitisches Zusammengehen mit dem vergrößerten Serbien, —
vielleicht in der Gestalt eines Zoll- und Handelsbündnisses, — oder —
wenn Serbien seine antiösterreichische Politik nicht aufzugeben gesonnen
sei und sich etwa die Nachricht von einer Zollunion der Balkanstaaten
bewahrheiten sollte — die Monarchie werde gezwungen sein, „ihre
Interessen selbständig zu wahren“. Er hoffe, daß der erstere
Weg sich als gangbar erweisen und daß Rußland der Ausführung dieses
Planes sich nicht widersetzen werde. In der inneren Politik sowohl Öster-
reichs als Ungarns würden sich allerdings, besonders wegen der starken
!) Die Große Politik Bd. 33, Nr.i2 3o4, S.2Ö8.
2) Am 21. Oktober hatte eine Zusammenkunft Graf Berchtolds mit dem italieni-
schen Außenminister Marquis di San Giuliano in San-Rossore hei Pisa stattgefunden,
hei der hauptsächlich die Erneuerung des Dreibundes und die Lage am Balkan be-
sprochen worden war. Vgl. dazu Bd. XXX, Kap. GCXL, Nr. 1126g.
269
agrarischen Strömungen, Schwierigkeiten ergeben; die müßten dann
aber mit allen möglichen Mitteln überwunden werden. Diese Lösung der
Frage würde wohl auch am besten den Wünschen und Interessen der
Südslawen der Monarchie entsprechen, auf die man, wie die Dinge lägen,
Rücksicht nehmen müsse. Allerdings müßten Garantien geschaffen wer-
den, daß dort an der Südostgrenze des Reiches nicht eine neue Irredenta
entstehe.
Sei aber eine handelspolitische Einigung mit Serbien nicht zu erlangen,
so wolle er die Hoffnung nicht aufgeben, daß auch dann noch die not-
wendige Wahrung der Interessen der Monarchie „auf anderem Wege“
ebenfalls ohne größere Komplikationen durchzuführen sein
werde. Wenn Österreich Rußland Zusicherungen geben würde, daß es
sich in bulgarische Angelegenheiten nicht einmischen und gegen terri-
toriale Vergrößerung Bulgariens nichts einwenden werde, so sollte er
glauben, daß man in Petersburg einsehen werde, daß es unangebracht
sein würde, Österreich in der Verfolgung seiner absoluten Lebensinteres-
sen in der serbischen Sphäre durch einen Krieg zu hindern, für den; man
nach der inneren Lage des Reiches und auch militärisch doch nicht ge-
hörig vorbereitet sei.
Graf Berchtold bemerkte zum Schluß, er habe mir hiermit ganz ver-
traulich und in weiten Umrissen darlegen wollen, wie er sich etwa die
Zukunft denke. Für bestimmte Pläne sei aber die Zeit noch nicht ge-
kommen, und man müsse zunächst abwarten, wie die militärische Aktion
am Balkan verlaufen und wie sich gegebenenfalls die Mediation der
Mächte gestalten und welche Folgen diese zeitigen werde.
von Tschirschky.
Nr. 664.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm. Paris, den i5./28. Oktober 1912.
Nr. 292.
Poincaré hat mir gesagt, seine öffentlichen Erklärungen über die
Bündnistreue Frankreichs hätten unter anderem bezweckt, das Berliner
Kabinett von der Nutzlosigkeit seiner Versuche, die französische Regie-
rung in eine neue Mächtegruppierung hineinzuziehen, zu überzeugen.
Seine Rede, die von den Anwesenden mit lautem Beifall aufgenommen
wurde, wird zweifellos die hiesige öffentliche Meinung sehr stark beein-
flussen. Heute sprechen sich alle Pariser Zeitungen ohne Ausnahme sehr
warm im Sinne dieser Erklärung aus. Überhaupt bemerkt man hier unter i)
i) Iswolski Bd. II, Nr. 532, S. 320.
270
dem Eindruck der letzten Ereignisse und nach dem bekannten Wort,
daß nur der Erfolg sich durchsetzt, einen ernsthaften Umschwung der
Stimmung zugunsten der Balkanstaaten und des russischen Standpunktes.
Sogar die Börse, deren Sympathien zuerst der Türkei zuneigten, reagiert
jetzt auf die Siege der genannten Staaten mit einer Hausse. Ich bemühe
mich, diesen veränderten Einfluß der öffentlichen Meinung auf einige
große Preßorgane zu fördern, aber in diesem psychologischen
Augenblick ist die Verfügung über materielle Mittel zu dem
bezeichneten Zweck besonders wichtig.
I swolsjti.
Nr. 665.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
vom 16/29. Oktober 1912.
Nr. 283.
Ihr Telegramm Nr. 28742) erhalten.
Meine heutige Unterredung mit Nicolson bezog sich wieder auf das
Reformprojekt. Ich fragte ihn, ob er es kenne. Er antwortete, nicht
ganz. Ich habe es für nötig gehalten, ihm den Inhalt Ihres Telegrammes
Nr. 2358 mitzuteilen. Nicolson antwortete ungefähr dasselbe wie gestern
und zeigte ein besonderes Interesse, als ich ihm die für den Sultan
reservierte Zone beschrieb. Ferner sagte ich ihm, ich könne ihm auch
vertraulich Ihre Ansicht über die Erhaltung des status quo mitteilen:
Sie gäben sich völlige Rechenschaft ab, daß für uns die Erhaltung
des status quo ante nicht als Prinzip gelten könne, so daß,
wenn die eine oder andere Macht sich für seine Veränderung zugunsten
der Alliierten aussprechen würde, es für Rußland psychologisch unmög-
lich sein würde, Einwendungen zu erheben. Nicolson sagte, daß er dies
vollkommen verstünde. Ich teilte ihm mit, daß Sie sich deshalb so
vorsichtig in dieser Hinsicht ausgesprochen hätten, weil Sie befürchte-
ten, daß territoriale Vergrößerungen der Balkanländer entsprechende
Kompensationsforderungen von seiten anderer Mächte hervorrufen könn-
ten. Ich nannte zuerst Rumänien. Ich wolle in keiner Weise eine Mei-
nung über die Absichten Österreichs äußern, doch seien Sie durch den
plötzlichen und unerwarteten Umschwung in Wien überrascht worden;
man dürfe nicht zulassen, daß die Frage des Sandschak aufgeworfen
würde; übrigens brauche es sich nicht um territoriale Kompensationen
U Benckendorff Bd.II, Nr. 701, S. 466.
2) Den Text siehe in: Iswolski II, Nr. 534, S. 321 ff.
zu handeln; irgendein anderes Projekt, als Bedingung auf erlegt, könnte
Österreich einen überwiegenden Einfluß auf dem Balkan sichern. Eine
Vorherrschaft Österreichs auf dem Balkan wäre für uns
unannehmbar. Ich sagte Nicolson, daß Rußland sich im Falle einer
Vermittlung gegen eine derartige Möglichkeit schützen müsse, und ent-
wickelte die beiden Punkte, die in Ihrem Telegramm Nr. 2874 dargelegt
werden. Nicolson sagte mir, das eben Gehörte habe auf ihn einen großen
Eindruck gemacht. Er fragte, ob er die gesamte Lage folgendermaßen
zusammenfassen könne: 1. Unser Reformprojekt hänge von Ereignissen
ab, die territoriale Veränderungen notwendig machen könnten. 2. Not-
wendigkeit einer bedingungslosen Uneigennützigkeits-
erklärung von seiten der vermittelnden Mächte. 3. Die
Maritza als Grenze der der unverminderten Autorität des Sultans unter-
stellten Zone.
Ich antwortete, daß ich mit dieser Darlegung einverstanden sei, und
setzte hinzu, Sie glaubten, es wäre nötig, die Vermittlung unter französi-
scher Initiative zu beschleunigen.
Nicolson sagte, er werde mit niemand als mit Grey über das eben
Gehörte sprechen. Ich glaube annehmen zu können, daß dieser Stand-
punkt durchaus der der englischen Regierung ist; aus diesem Grund habe
ich die Initiative ergreifen zu können geglaubt.
Benckendorf f.
Nr. 666.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
vom 17./30. Oktober 1912.
Nr. 284.
Ich beziehe mich auf mein Telegramm Nr. 283. In meiner Unter-
redung mit Nicolson habe ich absichtlich nicht gesagt, was für eine
Abmachung oder was für ein Vertrag zwischen Österreich
und Serbien von uns befürchtet wird. Meine Beweisführung
ging dahin, daß eine Uneigennützigkeitserklärung in jedem
Falle nötig sei, vor allem aber, weil der Umschwung der Auffassung
Österreichs hinsichtlich des territorialen Status quo darauf hindeuten
könnte, daß Österreich eine Kompensation anderer Art suche, sei es
auf dem Wege eines aufgezwungenen Bündnisvertrages, sei
es auf dem eines Handelsvertrages, was eine sehr bedeutende und
mit den russischen Interessen nicht zu vereinbarende
Kompensation für Österreich wäre. In diesem Falle würde
Österreich nicht eine uneigennützige, sondern eine bedingte Haltung ein- * 2
x) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 702, S. 467 ff.
2 72
nehmen, indem es vor allem seine eigenen Interessen im Auge behalten
würde. Ich glaube, dies ist wichtig; denn wenn wir schon heute
durchblickenlassen, wir würdenin Zukunft zu verhindern
suchen, daß Österreich sich in wirtschaftlicher Hinsicht
mit den vergrößerten Balkanstaaten verständige, so wä-
ren die Rollen ausgewechselt. Ich zweifle, daß wir in diesem
Falle eine wirkliche Unterstützung bei den Westmächten finden würden.
Denn wenn eine wirtschaftliche, ihren gegenseitigen Interessen entspre-
chende Verständigung zwischen souveränen Staaten für die Zukunft eine
Lösung bedeuten würde, ausreichend, um die in jedem anderen Fall
drohende Gefahr eines europäischen Krieges zu bannen, so scheint mir,
daß eine derartige Verständigung sowohl von der öffentlichen Meinung
als auch von den Regierungen der Westmächte gebilligt werden wird.
Andererseits kann man uns jedoch nicht verwehren, uns jeder Verständi-
gung, welcher Art sie auch sein mag, wenn sie von Österreich im voraus
als eine aufzuerlegende Bedingung aufgefaßt wird, zu widersetzen. Dies
ist meiner Ansicht nach ein unanfechtbares Prinzip genau so wie das,
daß es nötig sein wird, ein gewisses Gleichgewicht zwischen den territo-
rialen Erwerbungen der kriegführenden Balkanstaaten, besonders zwi-
schen Bulgarien und Serbien, herzustellen, da dieses Gleichgewicht aus
demselben Gedankengang als erforderlich folgt.
Benckendorf f.
Nr. 667.
Graf Berchtold an Graf Szögyeny in Berlin.1)
Wien, den 3o. Oktober 1912.
Angesichts der Situation am Kriegsschauplätze muß mit der Möglich-
keit einer entschiedenen Niederlage der Türkei und in der Folge damit
gerechnet werden, daß ein starres Festhalten an der Politik der
Aufrechterhaltung des territorialen status quo am Balkan nicht
mehr möglich sein wird.
Unter diesen Umständen erscheint es vollkommen angezeigt, daß ein
Gedankenaustausch zwischen den Dreibundmächten darüber stattfinde,
wie sich deren bisherige Politik der durch die Ereignisse am Balkan ge-
schaffenen neuen Situation anpassen ließe und in welcher Weise even-
tuelle Nachteile für unsere Interessen zu paralysieren wären.
Da Österreich-Ungarn infolge seiner geographischen Lage in diesem
Belange am meisten interessiert ist, lege ich Wert darauf, das Berliner
Kabinett schon heute darüber zu orientieren, welche Gesichtspunkte für 18
x) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 60, S. 36.
18 Boghitschewitscli, Serbien II.
278
das Verhalten Österreich-Ungarns den Ambitionen der siegreichen Bal-
kanstaaten gegenüber ausschlaggebend sein werden.
Es wäre unmöglich, heute schon ein fixes Programm aufzustellen, da
es in erster Linie von der Weiterentwicklung der Ereignisse abhängen
wird, inwieweit der europäische Besitzstand der Türkei ohne Herauf-
beschwörung eines allgemeinen europäischen Krieges noch zu erhalten
sein wird.
Sei es nun, daß eine förmliche Aufteilung der europäischen Türkei
unabwendbar wird, sei es, daß durch Einführung weitgehender Reformen
oder Schaffung von autonomen Gebilden einer solchen vorgearbeitet wer-
den soll, sei es endlich, daß die verbündeten Balkanstaaten sich mit par-
tiellen Gebietserweiterungen werden zufrieden geben müssen, sicher
können wir schon jetzt einzelne Punkte, welche zum Schutze un'serer
vitalsten Interessen die Basis unserer zukünftigen Balkanpolitik
bilden müssen, aufstellen.
Im wesentlichen ließen sich unsere Interessen folgendermaßen resü-
mieren :
Die freie Entwicklung Albaniens.
Ein Begehren Serbiens nach einer Gebietserweiterung
bis an die Adria müßte a limine zürückgewiesen werden.
Die Befriedigung berechtigter Wünsche Rumäniens.
Sicherstellung wichtiger wirtschaftlicher Interessen
Österreich-Ungarns am Balkan, insbesondere betreffs der Bahn-
verbindung mit dem Ägäischen Meere.
Euer Exzellenz wollen dem Herrn Reichskanzler, beziehungsweise
Staatssekretär von vorstehendem Kenntnis geben und hierbei ausdrück-
lich bemerken, daß diese Darlegungen nicht den Charakter eines er-
schöpfenden Programmes besitzen, sondern nur die Grundzüge unseres
Standpunktes enthalten, der den Ereignissen anzupassen sein wird; Hoch-
dieselben wollen bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß ich, wie
aus unserer Stellungnahme ersichtlich ist, für die Monarchie nur die
Sicherstellung unserer vitalsten Interessen im Auge habe;
für deren Verteidigung glaube ich aber schon mit Rücksicht auf das all-
gemeine Interesse an einer Lokalisierung des Krieges auf die Unter-
stützung aller Großmächte und in erster Linie auf jene der Alliierten
zählen zu können.
Eine ähnliche Mitteilung wird zunächst an das römische Kabinett er-
gehen.
274
Nr. 668.
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre
des Affaires étrangères, aux Ambassadeurs de France
à Berlin, Vienne, Rome.1)
Paris, le 3o octobre 1912.
La rapidité avec laquelle s'accomplissent les événements de la guerre
balkanique m'autorise à penser que la médiation, au principe de laquelle
toutes les Puissances ont acquiescé, ne saurait être retardée longtemps.
D'autre part, les succès jusqu’à ce jour par les armées alliées ont sen-
siblement modifié les conditions dans lesquelles les Puissances avaient
d’abord songé à exercer leur action pacificatrice.
Aussi, en raison des redoutables problèmes qui se posent présentement
devant l’Europe, je crois indispensable que les Puissances affirment
l’esprit d’impartialité et de désintéressement qui doit pré-
sider à leur œuvre commune et dont dépend, selon moi, tout le succès
de leur effort.
En conséquence, d’accord avec la Russie et l’Angleterre, je vous prie
de soumettre d’urgence au Gouvernement près duquel vous êtes accrédité
la proposition ci-après:
«Les Puissances, reconnaissant que l’heure approche où elles pourront
exercer leur médiation entre les belligérants de la péninsule balkanique,
et continuant de placer au premier rang de leurs préoccupations le
maintien de la paix européenne, déclarent qu’elles s’appliqueront à leur
œuvre commune dans un esprit d’absolu désinteréssement.»
Raymond Poincaré.
Nr. 669.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kider-
len an den Botschafter in Wien von Tschirschky.* 2 3)8)
Eigenhändiges Konzept.
Telegramm. Berlin, den 3i. Oktober 1912.
Nr. 126.
Der kaiserliche Botschafter in Paris telegraphiert4) :
„Herr Poincaré läßt heute unter Betonung Einvernehmens mit Ruß-
*) Livre Jaune 1912, I., Nr. 210.
2) Die große Politik Bd. 33, Nr. 12307, S. 261.
3) Das gleiche Telegramm erging unter Nr. 173 nach Rom; es enthielt im An-
schluß an die Mitteilung des Pariser Telegramms noch die Bemerkung: „Herr Cam-
hon hat hier ziemlich deutlich durchblicken lassen, daß Vorschlag gegen Österreich-
Ungarn gerichtet sei, und nur einen schwachen Versuch eines Hinweises auf England
gemacht.“
4) Telegramm Nr. 329 vom 3i.Oktober.
275
land und England1) in Berlin, Wien und Rom folgenden Vorschlag
unterbreiten :
Les puissances reconnaisant que l'heure approche où elle pourront
exercer leur médiation entre les belligérants de la péninsule balkanique
et continuant de placer au premier rang de leurs préoccupations le
maintien de la paix européenne déclarent qu'elles s'appliqueront à leur
œuvre commune dans un esprit d’absolu désintéressement.“
Ich habe mir meine Antwort Vorbehalten. Nachdem Frankreich aus-
drücklich sich zum Wortführer der Tripelentente gemacht hat, erscheint
es mir ganz besonders geboten, daß sich die Dreibundmächte auf eine
identische Antwort einigen. Ich würde als solche vorschlagen:
«Les gouvernements de Vienne, Berlin et Rome reconnaissent l'utilité
d’une médiation des Puissances entre les belligérants dans l’intérêt du
maintien de la paix européenne. Cette médiation ne saurait cependant
être imposée mais devra être réclamée au moins par une des parties belli-
gérantes. Dès qu'une paraille demande leur sera faite les trois gouver-
nements n’hésiteront pas de joindre leurs efforts à ceux de la France
et des autres gouvernements au nom desquelles elle a parlé. Les trois
gouvernements pensent qu’une entente sur la manière dont la médiation * II,
x) Die Eingangsformel der Poincaréschen Instruktion an die Botschafter in Berlin,
Wien und Kom vom 3o. Oktober besagte: „En conséquence, d’accord avec la Russie
et l’Angleterre, je vous prie de soumettre d’urgence au Gouvernement près duquel
vous êtes accrédité la proposition ci-après.“ Französisches Geldbuch: Les Affaires
Balkaniques, I, 127. Zur Genesis des Akkords der Tripleententemächte vergleiche
man das Telegramm Sasonows an den russischen Botschafter in Berlin S werbe je w vom
29. Oktober (Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis 1911—1914, ed. Fr. Stieve,
II, 32i f.) und die Telegramme Graf Benckendorffs an Sasonow vom 29. und 3o. Okto-
ber (Diplomatische Aktenstücke zur Geschichte der Ententepolitik der Vorkriegs-
iahre, ed. B. v. Siebert, S. 558 ff.). Aus jenem ergibt sich, daß der Poincarésche
Vorschlag, das völlige Desinteressement der Mächte an irgendwelchen Kompensationen
als Grundlage für die Vermittlung zwischen den kriegführenden Parteien auszusprechen,
seine Entstehung einer russischen Anregung verdankt hat ; aus diesen, daß die
russische Anregung ihre Spitze gegen Österreich richtete. Mit
aller Offenheit sagte Graf Benckendorff heraus, Rußland müsse sich für den Fall
einer Vermittlung gegen die Möglichkeit sichern, daß Österreich bei einer Verschiebung
des status quo im Balkan irgendwelche Kompensationen für sich in Anspruch nehme,
sei es auch nur in der Form eines Abkommens oder eines Handels-
vertrages mit einem der Balkanstaaten. Die russische Initiative in der
Frage der Uneigennützigkeitserklärung erscheint um so eigenartiger, als die russische
Regierung bei den Verhandlungen über den Akkord der Ententemächte vom 25. Juni 1912,
der der Friedensvermittlung zwischen der Türkei und Italien galt (vgl. dazu Bd. XXX,
Kap. CCXXXIX, Nr. 11 i36, S. 428, Fußnote), sich kategorisch geweigert hatte, sich
auf eine Uneigennützigkeitserklärung einzulassen, die einen Verzicht auf Rußlands
hundertjährige Balkanpolitik bedeute (siehe Stieve, a. a. O., II, i53). Die russische Un-
eigennützigkeit wird noch besonders dadurch illustriert, daß Sasonow selbst nichts von
einer Festlegung der Ausschließung jeder Annexion türkischen Gebiets durch eine
Großmacht wissen wollte, da das auf einen Verzicht Rußlands in der Dardanellenfrage
gedeutet werden könne. Sasonow an Iswolsky, 14- November, Stieve a. a.O., II, 345.
Daß Rußland aber alle seine Ansprüche in der Dardanellenfrage unbedingt aufrecht
erhielt, hat Sasonow etwas später in einem Briefe an Iswolsky vom 28. November
(Stieve a. a.O., II, 364ff.) in aller Form ausgesprochen.
276
s’exécutera ne pourra se faire qu’au moment où elle sera demandée par
l’un des belligérants et où la situation de ceux-ci se sera dessinée plus
nettement.»
Wir sind bereit, auch anderem dortigen Vorschlag beizustimmen, legen
aber großen Wert auf eine identische Antwort.
Kiderlen.
Nr. 670.
Streng vertrauliches Schreiben des russischen Außen-
ministers an den russischen Botschafter in Londonx)
vom i8./3i. Oktober 1912.
Nr. 675.
In letzter Zeit hat der französische Außenminister in seinen Ge-
sprächen mit Iswolski wiederholt darauf hingewiesen, daß es ihm durch-
aus wünschenswert erscheine, Grey ausführlichere Mitteilungen über den
Inhalt des serbisch-bulgarischen Bündnisses und über die Haltung Ruß-
lands in dieser Frage zu machen. In Anbetracht des Umstandes, daß die
für die nächste Zeit in Aussicht genommene Vermittlung der Mächte
ein möglichst enges Einvernehmen zwischen Petersburg, Paris und Lon-
don nötig macht, halten wir es für wünschenswert, daß Sie mit Grey
auf diese Fragen, die Sie schon im Frühling mit ihm besprochen haben,
jetzt nochmals zurückkommen.
Sie können ihm sagen, die russische Regierung habe rechtzeitig ge-
wußt, daß Geschow seinerzeit durch Vermittlung des englischen Ge-
sandten in Sofia dem Londoner Kabinett über den Inhalt dieses Ab-
kommens im wesentlichen Mitteilung gemacht habe; es habe deshalb
für uns nicht die Notwendigkeit bestanden, mit Grey
noch besonders über diesen Vertrag zu sprechen, (?!) um
so mehr als man bei dieser Frage auf den vertraulichen Charakter der
uns von den interessierten Regierungen gemachten Mitteilung Rücksicht
nehmen mußte.
Was nun den Vertrag zwischen Bulgarien und Serbien selbst anlangt,
so lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Standpunkt, den Rußland
von Anfang an in dieser Angelegenheit eingenommen hat.
Die kaiserliche Regierung ist seinerzeit über den Gang der Verhand-
lungen zwischen Sofia und Belgrad unterrichtet worden. Diese Ver-
handlungen sind von der Erwägung ausgegangen, daß dem Bruderkriege
zwischen ihnen dadurch ein Ende gesetzt werden müsse, daß ihre gegen- 1
1) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 703, S. 469ff- Siehe auch Deutsches Weißbuch
1919, S. i3off., wo die genaue geographische Abgrenzung zwischen Serbien und Bul-
garien angeführt ist.
277
seitigen Interessen abgegrenzt und die Sphäre ihres Einflusses in den
Gebieten der europäischen Türkei genau bestimmt würden.
In diesen Grenzen hat das Abkommen zwischen den beiden Staaten
unsere völlige Billigung gefunden. Denn in dem Zwiespalt zwischen
Serbien und Bulgarien haben wir stets das hauptsächlichste Hindernis
für dauernde Beruhigung des Balkans erblickt. Es bestand infolge des
gegenseitigen Mißtrauens und des ständigen Kampfes zwischen Sofia
und Belgrad eine ungesunde und schwere Atmosphäre von Intrigen, die
es unmöglich machte, die wirklichen nationalen Interessen der beiden
Staaten zu vertreten. Alles, was dazu beitragen konnte, diese Atmosphäre
zu reinigen, wurde von uns im voraus lebhaft begrüßt. (?)
Da wir annahmen, daß die neuen Beziehungen zwischen Serbien und
Bulgarien um so dauerhafter und fruchtbringender sein würden, wenn von
dritter Seite kein Druck ausgeübt werden würde, haben wir uns in die
direkten Verhandlungen zwischen den Kabinetten von Sofia und Belgrad
nicht eingemischt. (?) Als der Vertrag unterschrieben war und uns mit-
geteilt wurde, haben wir vieles in ihm gesehen, was über die oben be-
schriebenen Ziele hinausging, und was uns einige ernstliche Bedenken
einflößen mußte. Aber das hauptsächlichste Ziel, den anormalen Be-
ziehungen zwischen zwei benachbarten und blutsverwandten Völkern ein
Ende zu setzen, war erreicht. Dieses Resultat wollten wir durch Ent-
gegnungen und Proteste nicht erschüttern oder sogar in Frage stellen.
In diesem Vertrage war auch die Rolle Rußlands als des höchsten
Schiedsrichters im Falle von Meinungsverschiedenheiten festgelegt wor-
den. Man hat uns vorher nicht gefragt, ob wir damit einverstanden
wären, daß Rußland in einem bulgarisch-serbischen Vertrage erwähnt
würde, (?) aber wenn wir einen derartigen Vorschlag abgelehnt hätten,
so hätten wir befürchten müssen, daß die weitere Entwicklung der Politik
der beiden Länder in einem unerwünschten Sinne beeinflußt worden
wäre. Diese Erwägungen haben uns veranlaßt, uns aller Einwendungen
zu enthalten. (?)
Dies ist von Anfang an unser Standpunkt hinsichtlich des bulgarisch-
serbischen Abkommens gewesen. Im jetzigen Augenblick ist derjenige
Teil des Vertrages von besonderer praktischer Bedeutung, welcher sich
auf eine bestimmte Abgrenzung im Falle eines siegreichen Krieges mit
der Türkei bezieht; auf ihn möchte ich jetzt Ihre Aufmerksamkeit lenken.
Auf Grund dieses Vertrages werden alle Gebiete, die gemeinsam er-
obert sein werden, den beiden vertragschließenden Mächten als Kon-
dominium angehören, und diese Eroberungen werden sofort, spätestens
im Zeiträume von drei Monaten nach Friedensschluß folgendermaßen
verteilt werden: (Es folgt hier eine genaue Bestimmung der geographi-
schen Grenzen zwischen Serbien und Bulgarien mit dem Schlußsatz):
„Es ist selbstverständlich, daß die beiden vertragschließenden Teile sich
verpflichten, diejenige Grenze als endgültig anzuerkennen, welche der
278
russische Zar im Rahmen obiger Festsetzungen als den Rechten und
Interessen der beiden Vertragschließenden für am meisten entsprechend
hält.“
Indem ich obiges zu Ihrer Kenntnis bringe, lenke ich Ihre Aufmerk-
samkeit auf den Umstand, daß die genaue Abgrenzung dieser Territorien
in unseren Augen nicht eine endgültige Festsetzung der Grenzen bedeu-
tet, sondern bloß einen Hinweis auf das gegenseitige Verhältnis der
Interessen beider Staaten; dieses Verhältnis ist also von ihnen beiden
anerkannt worden, und innerhalb desselben wollen wir das richtige
Gleichgewicht anläßlich eventuell nötig werdender Kompensationen her-
gestellt sehen *). S a s o n o w.
Nr. 671.
Der russische Außenminister an die russischen Bot-
schaften in Paris und London.* 2 3)
Telegramm. Paris, den i8./3i. Oktober 1912.
Nr. 24o5.
Ich beziehe mich auf mein Telegramm 2 4o3.
Persönlich. Unserer Ansicht nach wären freundschaftliche, aber sehr
ernsthafte Vorstellungen in Sofia und Belgrad von seiten Frankreichs
und Englands sehr wünschenswert, aber sie dürfen nicht den Charakter
eines Kollektivschrittes tragen und nicht unsere Initiative vermuten lassen.
Sasonow.
Nr. 672*
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.8)
Ausfertigung.
Nr. 34o. Wien, den 3i.Oktober 1912.
Vertraulich.
Aus Serbien höre er, meinte Graf Berchtold mir gegenüber, Töne
freundschaftlicher Dispositionen gegenüber Österreich, wie man sie bis-
her lange nicht vernommen habe. Es lägen zwar bisher nur unverbind^
liehe Äußerungen des Herrn Paschitsch vor; diese berechtigten aber doch
zu dem Schlüsse, daß man in Belgrad mildere Saiten der Nachbar-
monarchie gegenüber aufzuziehen gewillt sei. In direkten Meinungsaus-
*) Dieses Dokument zeigt wieder im Vergleich zu den anderen in diesem und im
ersten Bande veröffentlichten und sich auf die serbisch-bulgarischen Vertrags Verhand-
lungen beziehenden Aktenstücken, sowie insbesondere auch was die Korrespondenz
Hartwigs betrifft, die Doppelzüngigkeit und Unaufrichtigkeit der russischen Politik,
selbst seinen Verbündeten gegenüber. D. V.
2) Iswolski Bd.II, Nr. 542, S.327.
3) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12309, S. 263.
279
tausch mit Serbien sei er bisher noch nicht getreten. Mit einer
territorialen Vergrößerung Serbiens werde jedenfalls ge-
rechnet werden müssen. Je intimer, wirksamer und dauernder das
Verhältnis werde, das auf ökonomischem Gebiete zwischen Österreich
und Serbien erreicht werden könne, um so leichter würde sich die
Monarchie auch mit einem größeren Gebietszuwachs abfinden können.
Ein Prüfstein für die Aufrichtigkeit der Absicht Serbiens, mit Österreich
sich dauernd gut zu stellen, werde es sein, ob man in Belgrad die Forde-
rung nach einem Hafen am Adriatischen Meere stellen werde oder
nicht. Wolle es wirklich gute und vertrauensvolle Beziehungen zu
Österreich, so könne es die angestrebte Verbindung mit dem Adria tischen
Meere durch einen Anschluß der serbischen Bahnen an die bosnisch-
herzegowinischen, der billig herzustellen sei, leicht haben. Stellt es aber
das Begehren des eigenen Hafens am Meer, zu dem es nur mit Hilfe)
einer zirka 3oo Millionen Francs kostenden Bahn — und zwar durch al-
banesisches Territorium — gelangen könne, und von dem es wissen müsse,
daß ihm Österreich nicht zustimmen könne, so würde damit gezeigt
werden, daß es seine alte Politik des Mißtrauens Österreich gegenüber
nicht aufgeben wolle.
vonTschirschky.
Nr. 673.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
von Kiderlen an Kaiser Wilhelm II/)
Ausfertigung.
Berlin, den 3. November 1912.
Euerer Majestät verfehle ich nicht alleruntertänigst zu melden, daß
der Österreich-ungarische Botschafter mir im Aufträge seiner Regierung
nachstehende Mitteilungen gemacht hat:
1. Die Zustimmung Österreich-Ungarns zu einem Macht- und Ge-
bietszuwachs eines Nachbarstaates müsse von ausreichenden Garantien
dafür abhängig gemacht werden, daß derselbe in Zukunft keine der
Monarchie direkt feindliche Politik verfolgen könnte. Besonders würden
Bürgschaften dafür verlangt, daß Serbien nicht in die Reihe der Gegner
Österreich-Ungarns tritt1). Durch einen engen wirtschaftlichen An-
schluß Serbiens sowohl wie Montenegros an die Donaumonarchie könnte
eine Interessengemeinschaft zwischen den Staaten geschaffen werden2). *)
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 320, S. 274. Vgl. auch Nr. I2 32I mit der
charakteristischen Schlußbemerkung Kaiser Wilhelms: „Ich verweigere jede Teilnahme
an jeder Aktion, die die Bulgaren—Serben—Griechen in ihrem berechtigten Siegeslauf
hemmt oder ihnen Bedingungen vorschreibt oder auf erlegt, die ihnen nicht genehm sind.
Ich stehe jetzt für fair play ein; free fight and no favour! Und für die Interessen dier
KämpferI Das sei sofort diesen und den Mächten mitgeteilt. W.“
280
2. Das Begehren Serbiens einer Gebietserweiterung bis an die Adria
müsse a limine abgelehnt werden 3); es würde ein Zeichen dafür sein, daß
Serbien auf den Verkehr nach der Adria durch Bosnien auf Grund guter
wirtschaftlicher Beziehungen4) zu Österreich-Ungarn nicht rechnet.
Außerdem würde eine solche Vergrößerung auch durch nichtserbisches
Land gehen und würde die Albanesen schädigen5).
3. Die freie Entwicklung Albaniens stehe in direktem Zusammenhang
mit den Interessen der Monarchie. Österreich-Ungarn könne in jenen
Gegenden der Adria keine andere Großmacht dulden; daher müsse ein
lebensfähiges Albanien geschaffen werden6).
4. Die berechtigten Wünsche Rumäniens müßten befriedigt werden7).
5. Österreich-Ungarn verlange Grenzberichtigungen von minimalem
Umfange.
6. Nach der Annexion türkischer Gebietsteile durch die Balkanstaaten
müsse der freie Handel dorthin garantiert werden8).
7. Die wirtschaftlichen Interessen der Donaumonarchie auf dem Bal-
kan müßten sichergestellt werden. Der Bau einer Bahn nach Saloniki
werde verlangt, welch letzteres Freihafen werden müsse9).
Die von Österreich-Ungarn erstrebte geringfügige Grenzberichtigung
bezieht sich auf die Einverleibung von Ada-Kaleh10). Wie ich ehr-
furchtsvollst bemerke, ist der gegenüber Orsova gelegene Ort Ada-Kaleh
eine kleine türkische Festung auf einer Insel im oberen serbisch-bulgari-
schen Teil der Donau, nahe am Zusammenstoß der ungarischen, rumäni-
schen und serbischen Grenze. Die Festung ist im Jahre 1717 von den
Österreichern angelegt; für die Türkei hat die Insel, die sie seinerzeit
bei Abschluß des russisch-türkischen Friedens noch besetzt hatte und in-
folgedessen behielt, keinen strategischen Wert und wird vornehmlich
aus einem gewissen Nationalstolze als äußerstes Bollwerk des Islams
gegen Westen gehalten. Österreich als der mächtigste Donauuferstaat
mag ein Interesse daran haben, diesen Punkt nicht in die Hände der
Serben fallen zu lassen und ihn jetzt zu erwerben, nachdem es seine
diesbezüglichen Wünsche bei den Beratungen über den Frieden von
San Stefano nicht hat verwirklichen können.
Die Euerer Majestät alleruntertänigst unterbreiteten Erklärungen der
österreichisch-ungarischen Regierung lassen erkennen, daß sie gesonnen
ist, den veränderten Verhältnissen auf dem Balkan Rechnung zu tragen11)
und sich einer Vergrößerung Serbiens an sich nicht zu
widersetzen, ohne selbst territorialen Gewinn, etwa durch Geltend-
machung besonderer Ansprüche auf den Sandschak von Nowibazar, als
Entgelt für diese entgegenkommende Haltung für sich erzielen zu wol-
len. Diese versöhnliche Stellungnahme gegenüber der in der Entwicklung
begriffenen Neuordnung der territorialen, wirtschaftlichen, politischen
und militärischen Verhältnisse im Orient befindet sich in bemerkens-
wertem Gegensatz zu derjenigen der russischen Regierung, die neueren
281
Nachrichten zufolge auf einer starren Erhaltung des Status quo bei Aus-
bruch des Krieges bestehen zu wollen scheint12)*) (?).
Im Hinblick auf die von Euerer Majestät mir für die Behandlung der
Balkanfrage wiederholt allergnädigst erteilten Direktiven glaube ich,
Allerhöchstderselben huldvolle Genehmigung dafür erbitten zu dürfen,
daß dem Grafen Berchtold die Unterstützung seines maßvollen und sehr
verständigen Programms durch Euerer Majestät Regierung zugesagt
wird13).
Kid er len.
Bemerkung Kaiser Wilhelms II. am Kopf des Schriftstückes:
Ziel für uns: 4 Bund als 7. Großmacht im Europäischen Konzert, angelehnt an
Österreich und den Dreibund! Event, per direkten Bündnisabschluß.
Ja.
3. XI. 1912. W.
Randbemerkungen des Kaisers:
x) Also Bündnis?
2) dazu braucht es keinen Krieg! Das hätte schon längst geschehen können, aber
Wien war zu hochmütig!
3) ?
4) ohne Zölle?
6) Was schadet das?
6) wird nicht glücken! Ein Räuberstaat kann in sich nie lebensfähig werden.
7) welche?
8) der 4 Bund sollte alle inneren Zollschranken durch ein Zollbündnis und
Zollparlament beseitigen.
9) wird gewiß konzediert werden.
10) ja auf der Donau!
n) ia.
12) das soll sie nur! Dann ist die Einigkeit unter den Slaw(ischen) Brüdern a
limine hin und der 4- Bund gravitiert sofort zu Österreich mit Rumänien zusammen.
13) ia-
Schlußbemerkung des Kaisers:
Österreich wird nur bei den Verhandlungen damit rechnen müssen, daß es nicht
mit Serbien allein, sondern als Teilhaber des Balkanbundes (also des größeren
Ganzen), zu verhandeln haben wird. Daher die Wirkung seiner Vorschläge auf die
anderen Kompaziszenten ins Auge zu fassen hat. Im übrigen muß die Bildung der
„Vereinigten Staaten des Balkans“ von Österreich flott unterstützt werden. Denn als
solche werden sich die Balkanstaaten bald in Gegensatz zu Rußland stellen, und dadurch
ganz von selbst auf Österreich angewiesen sein und damit auf den Dreibund, für den
sie eine sehr erwünschte Verstärkung bilden werden, und eine Offensivflanke gegen
Rußland. Wenn sie klug sind, schließen sie post pugnam ein Bündnis mit der Türkei.
Unsere Politik soll in vorbenannter skizzierter Richtung mit Österreich gemeinsam
operieren! Ferdinand kann ruhig nach Stambul herein! Wilhelm I. R.
*) Das war keineswegs der Fall; vgl. besonders die Zirkulardepesche vom 2. Novem-
ber; Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis 1911—1914, ed. Fr. Stieve, II, 328 f.
282
Nr. 674.
Graf Szögyeny an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Berlin, 5. November 1912.
Ich hatte gestern Gelegenheit, Marquis di San Giuliano über den
Standpunkt zu informieren, den Euer Exzellenz angesichts der Ereignisse
am Balkan einnehmen. Italienischer Minister des Äußern wird Euer
Exzellenz Ausführungen noch genau studieren, er könne aber schon jetzt
sich dahin aussprchen, daß die italienische Regierung sich mit den Dar-
legungen Euer Exzellenz, welche die Grundzüge des von Österreich-
Ungarn eingenommenen Standpunktes in der Balkanfrage enthalten, ein-
verstanden erklären werde.
Die Zurückweisung des Begehrens Serbiens nach einer
sich auf das eigentliche Albanien erstreckenden Gebiets-
erweiterung bis an die Adria finde er durchaus begreif-
lich. Ein derartiger Korridor zum Adriatischen Meere
durch albanesisches Gebiet wäre auch mit Italiens Inter-
essen nicht vereinbar.
Nr. 675.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.* 2)
24* Oktober
6. November I^1"*
Nr. 33g.
Telegramm Nr. 2461 erhalten.
Heute hat der hiesige österreichische Botschafter Poincare dieselben
Erklärungen gegeben, die Sie von dem Grafen Thurn erhalten haben,
aber bezüglich Serbiens in einer viel bestimmteren Form. Graf Szeczen
bestätigte, daß Österreich für sich Gebietskompensationen zu fordern
nicht beabsichtige, andererseits aber es durchaus nicht zulassen könne,
daß Serbien ein Zugang zum Adriatischen Meer bewilligt würde, wenn
es auch nichts gegen einen gewissen Gebietszuwachs dieses Staates einzu-
wenden habe. Auf die Bemerkung Poincares, daß die Gerechtigkeit es
erfordere, Serbien für seinen Handel einen freien Ausgang zu schaf-
fen, antwortete Graf Szeczen, nach Österreichs Ansicht werde wahr-
scheinlich kein Hindernis dafür bestehen, daß Serbien auf irgendeine
Weise vermittels einer Eisenbahnlinie ein solcher Ausgang nach dem
*) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 73, S. 43.
2) Iswolski Bd.II, Nr. 55o, S.33a.
Geheimtelegramm.
Paris, den
283
Ägäischen Meer zugesprochen würde. Nachrichten zufolge, die Poincare
aus Berlin erhalten hat, ist eine endgültige Verständigung
über diese Angelegenheit zwischen Österreich, Deutsch-
land und Italien erzielt worden, die die Forderung Ser-
biens auf das heftigste bekämpfen. Das Übereinkommen er-
streckt sich auch auf die Bildung eines autonomen Albaniens in möglichst
großem Umfange. Außerdem hat Poincare aus einigen Worten des
Grafen Szeczen geschlossen, Österreich werde sich nicht mit einem Han-
delsvertrag zufriedengeben, sondern verlangen, daß Serbien in den Zoll-
verband eingeschlossen wird. Alles dies bestärkt Poincare noch mehr in
seiner Überzeugung, daß es in diesem Augenblick gefährlich wäre, mit
Ihrem Vermittlungsplan, der sofort auf einen hartnäckigen Widerstand
der Dreibundmächte stoßen würde, hervorzutreten, um so mehr, als
auch in England gegen den auf Konstantinopel bezüglichen Punkt Ab-
neigung bestehe. Fortsetzung folgt später.
Iswolski.
Nr. 676.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
2 5. Oktober
vom — --------:— 1012.
7. November u
Nr. З06.
Nr. 1. — Ihr Telegramm Nr. 2461 * 2) erhalten. Nachdem ich gestern
hierüber mit Nicolson gesprochen hatte, habe ich heute Ihr Telegramm
Grey vorgelesen. Er hat mir von seinem soeben an Buchanan abge-
schickten Telegramm Kenntnis gegeben. Er sagte mir, daß er sich voll-
kommen Rechenschaft gäbe, wie ernst diese beiden Österreich und Ser-
bien betreffenden Fragen seien. Er befürchtet, daß die des serbischen
Zugangs zur Adria leichter einen akuten Charakter annehmen könnte,
als die Frage der wirtschaftlichen Interessen, für die man seiner Ansicht
nach leichter eine befriedigende Lösung werde finden können. Ich er-
widerte, daß man auch diese Frage nicht allzu leicht einschätzen dürfe,
sie könne sich in eine Lebensfrage verwandeln, was die österreichische
Hartnäckigkeit, Serbien vom Meere auszuschließen, erklären würde.
Ich sagte ihm, daß Serbien mit der größten Energie Widerstand leisten
würde, so daß Österreich wieder das Projekt einer Annexion in Erwägung“
ziehen könnte. Grey erwiderte, daß der serbische Gesandte ihm gestern,
in der Tat eine sehr energische Erklärung gemacht habe. Dies rufe
U Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 711, S. 479-
2) Den Text siehe in: „Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis“,"' II, 33i f
Nr. 549. 1
284
seine Befürchtung wach, daß es jetzt vielleicht nicht möglich sein werde,
die Wünsche der beiden Länder in Einklang zu bringen, und deshalb
halte er es für zweckmäßig, die Lösung dieser Frage bis zur allgemeinen
Regelung aufzuschieben.
Aus diesem Grunde sollten auch die Mächte auf Grund des türkischen
Schrittes die Balkanalliierten fragen, ob sie geneigt wären, eine Vermitt-
lung anzunehmen und selbst ihre Wünsche zu formulieren. Da Öster-
reich sich heute außerhalb des europäischen Konzernes befände, werde
man von ihm nicht erreichen können, daß es einem Schritte der Mächte
beitrete, welcher einen Versöhnungsversuch auf der von Ihnen ange-
gebenen Basis darstelle; es liege aber kein Grund vor, daß Österreich
sich an dem von ihm in Aussicht genommenen Schritt nicht beteilige.
Ich erfahre durch Mensdorff, daß Grey ihm gegenüber die Notwendig-
keit betont hat, die österreichischen Wünsche zu mäßigen, deren Be-
rechtigung er vom wirtschaftlichen Standpunkte aus durchaus anerkennt.
Benckendorf f.
Nr. 677.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Ki-
derlen an den Botschafter in Wien vonTschirschky.1)
Eigenhändiges Konzept.
Nr. 786. Berlin, den 7. November 1912.
Zur vertraulichen Information.
Aus einer Quelle, die sich in Balkanfragen bisher bewährt hat, nament-
lich auch schon vor Ausbruch des Krieges, höre ich, daß die serbischje
Regierung nach dem absolut siegreichen Verlauf des Krieges die Ein-
verleibung von ganz Albanien beabsichtige2).
Die serbische Regierung behauptet, dafür der russischen Unterstützung
sicher zu sein. Bei den Albanern selbst behaupten die Serben keinen
erheblichen Widerstand zu erwarten; nötigenfalls würde er mit Gewalt
niedergeschlagen werden.
Sollte Österreich zum Schutze Albaniens eingreifen, könne Serbien
nicht nur auf bulgarische, sondern auch auf russische Hilfe rechnen.
Ew. wollen gelegentlich sich erkundigen, ob der dortigen Regierung
etwas von derartigen Plänen Serbiens bekannt ist.
Kiderlen.
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 335, S. 289.
Derselbe Erlaß ging auch an die Botschaften in Paris (Nr. no5), in London
(Nr. 1245), in Rom (Nr. 8i3), in Petersburg (Nr. 962). In dem Erlaß nach Paris,
London und Petersburg waren am Schluß die Worte hinzugefügt: „und dabei auf die
daraus entstehenden Gefahren hinweisen“, in dem nach Petersburg war außerdem noch
als neuer Absatz hinzugesetzt: „Eine Andeutung hinsichtlich der angeblichen Unter-
stützung durch Rußland bitte ich selbstverständlich zu vermeiden.“
2) Vgl. Nr. 12 338. Siehe das folgende Aktenstück.
285
Nr. 678.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Ki-
derlen an den Botschafter in Wien vonTschirschky.1)
Eigenhändiges Konzept.
Telegramm. Berlin, den 7. November 1912.
Nr. 137.
Der serbische Geschäftsträger hat mir heute im Aufträge seiner Re-
gierung mitgeteilt, daß diese trotz der österreichischen Warnung sich
nicht abhalten lassen werde, bis an die Adria durchzustoßen. Sie brauche
den Zugang zum Meere.
Auf meine Bemerkung, daß Serbien ja einen Zugang zum Meere
auf der ägäischen Seite erhalten könne, während es auf der adriatischen
Seite sowohl mit Österreich-Ungarn wie mit Italien in Konflikt kommen
würde* 2), erwiderte mir der Geschäftsträger, daß nach dem unter den
x) Die Große Politik Bd.33. Nr. 12 338, S. 292. Dasselbe Telegramm ging an die
Botschaften in Rom (Nr. i84), Paris (Nr. 208), London (Nr. 192), Petersburg (Nr. 188);
nur war in den Erlassen nach Paris und London statt des letzten Absatzes eingeschaltet:
„Euer pp wollen ganz vertraulich die Aufmerksamkeit der dortigen Regierung auf die
in den serbischen Plänen liegende Gefahr, insbesondere, wenn sie durch einzelne rus-
sische Vertreter darin unterstützt werden, lenken“, ebenso in dem Erlaß nach Peters-
burg der Schlußpassus: „Vorstehendes ist zunächst zu Ihrer Information bestimmt.
Sollten Sie von Herrn Sasonow auf die Frage angeredet werden, bitte ich, sich im
Rahmen der oben entwickelten Gesichtspunkte zu äußern.“
2) Eine genauere Wiedergabe finden die Äußerungen Kiderlens zu Boghits che witsch
in dessen Erinnerungsbuch „Kriegsursachen“, S.55ff. Danach hätte Kiderlen auf die
Frage des serbischen Geschäftsträgers, wie sich Deutschland bei einem russisch-
österreichischen Konflikte, und falls Frankreich sich mit Rußland solidarisch erkläre,
verhalten werde, geantwortet: „Wie wünschenswert es auch vom Standpunkte des
europäischen Friedens wäre, an einer Lokalisierung des Balkankonfliktes festzuhalten,
selbst wenn Rußland und Österreich in den Konflikt eingreifen sollten, so ist meiner
Ansicht nach eine solche Lokalisierung unter den heutigen Umständen leider unmöglich,
weil ich an die Aufrichtigkeit der französischen Politiker nicht glaube. Es würde daher
auch in diesem Falle für Deutschland der Casus foederis Österreich gegenüber gegeben
sein. Ich hoffe aber, daß gerade deswegen jeder leitende Staatsmann der Entente sich
der ungeheueren Verantwortlichkeit bewußt sein wird, einen so großen und in seinen
Folgen unübersehbaren Konflikt heraufzubeschwören. Die Dreibundmächte sind sich
darüber klar, daß es mit der Türkei zu Ende gehe, und sie beabsichtigen, den Erfolg
der aufstrebenden Balkanstaaten in keiner Weise zu beeinträchtigen. Aber sowohl
Österreich als auch Italien und auch Deutschland würden eine Bedrohung ihrer Inter-
essen durch Rußland sehen, wenn Serbien an das Adriatische Meer gelange. Abgesehen
von der Adria setzen sie der Ausbreitung Serbiens nach keiner Richtung hin ein
Hindernis in den Weg. Die Dreibundmächte wollen sogar Serbien unterstützen in dem
vom serbischen Standpunkte ganz gerechtfertigten Bestreben, einen Zugang zum
Ägäischen Meer zu erhalten, und werden Serbien selbst bei einer etwaigen Erwer-
bungsabsicht Salonikis behilflich sein, wie sie es auch nicht hindern werden, wenn die
Bulgaren in Konstantinopel einziehen sollten. Das Wardartal, mit dem Ausgange nach dem
Ägäischen Meere, das ist das für Serbien geographisch gegebene, mit den politischen
realen Tatsachen im Einklang stehende, natürliche Ausbreitungsgebiet.“ Vgl. dazu auch
das Telegramm Graf Benckendorffs an Sasonow vom 12. November, in dem zwei durch
286
Balkanstaaten vereinbarten Teilungsplan die ganze Küste des Ägäischen
Meeres bereits anderweit vergeben sei, und daß Serbien dafür auf
Albanien verwiesen sei.
Der Teilungsplan sei Rußland vorgelegt, dessen Billigung zu erwarten
sei. Wenn sich Österreich-Ungarn einer Einverleibung Albaniens in
Serbien widersetzen würde, so würde nicht nur Bulgarien, sondern auch
Rußland hinter Serbien stehen. Wie sicher die Serben der russischen
Unterstützung sind, ergab sich aus der Frage, ob Deutschland Öster-
reich gegen Rußland beistehen würde, auch wenn sich Frankreich neutral
verhalten würde1).
Hier ist von solchen Absichten Rußlands nichts bekannt. Dagegen be-
stätigt die Sprache des Gesandten Hartwig und insbesondere die des
Botschafters Iswolski die serbische Auffassung.
Letzterer hat unserem Botschafter direkt erklärt, daß eine Hinderung
Serbiens durch albanisches Gebiet ans Meer zu gehen, eine Demütigung
für Rußland bedeuten würde* 1 2).
Nachdem infolge der Kriegsereignisse eine volle Aufteilung der euro-
päischen Türkei wahrscheinlich geworden ist, wird der ursprüngliche
Kriegszweck der Verbündeten, den Konnationalen Reformen zu sichern,
dahin erweitert, daß sie ihre Stammesgenossen einverleiben. Es wäre
aber eine vollkommene Verrückung des Zieles, wenn sich Serbien Teile
eines von einem ganz anderen Volksstamme bewohnten Gebiets gewalt-
sam einverleiben wollte. Wie wir wissen, widersetzen sich Österreich-
Ungarn und Italien einer Zerstückelung Albaniens auf das ernstlichste.
Wenn eine andere Großmacht die darauf bezüglichen serbischen An-
sprüche zu den ihrigen machen würde, so liegen die Gefahren, die dar-
aus entstehen, auf der Hand. Die Sprache der russischen Vertreter in
Belgrad und Paris steht allerdings mit der Haltung der russischen Re-
gierung, soweit sie uns bisher bekannt, nicht im Einklang. Sie birgt
Poincaré an Paul Cambon gesandte Telegramme Jules Cambons über die Unterredung
Kiderlens mit Boghitschewitsch — im Französischen Gelbbuch: Les Affaires Balkani-
ques, das überhaupt sehr unvollständig ist, findet sich weder das eine noch das andere —
zitiert werden: „Der serbische Geschäftsträger hat gefragt, ob Deutschland gegebenen-
falls einen Krieg zwischen Rußland und Österreich wegen des jetzigen österreichisch-
serbischen Konfliktes als Casus foederis auffassen würde, und nachdem hierauf eine be-
jahende Antwort erfolgt war, hat er gefragt, ob der Casus foederis auch eintreten
würde, wenn Frankreich sich an dem Kriege nicht beteiligen sollte, Kiderlen hat
geantwortet, daß selbst in diesem Falle Deutschland zu den Waffen greifen würde.“
v. Siebert, Diplomatische Aktenstücke a. a. O., S. 58o. Auf diese Äußerungen Kiderlens
zu Boghitschewitsch hat sich kurz darauf auch Poincaré gegenüber Freiherrn von
Schoen bezogen; vgl. Nr. 12 356.
1) Diese Bemerkung des serbischen Geschäftsträgers, die einige Tage danach dem
russischen Außenminister durch den Italienischen Botschaftsrat della Torretta zu Ohren
gebracht waren, wurden von Sasonow nachdrücklichst desavouiert. Vgl. Nr. 12 3^4 sowie
die Telegramme Sasonows an Graf Benckendorff und von Hartwig vom 9. November,
Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis 1911—1914» ed Fr. Stieve, II, 3ggff. und
v. Siebert, Diplomatische Aktenstücke, a. a. O., S. 577.
2) Vgl. Nr. 12 336.
287
trotzdem ernste Gefahren in sich, insbesondere durch ihren Eindruck
auf die Balkanstaaten.
Es ist auch nicht einzusehen, wieso Serbien, das seine kommerzielle
Emanzipation anstrebt, sich nicht mit einem Ausgang zum Ägäischen
Meer und der ihm bereits zugesagten Bahn nach dem Adriatischen
Meer, die ja eventuell noch mit besonderen Kautelen umgeben werden
könnte, begnügen sollte.
Vorstehendes habe ich nach Paris1) und London zur Verwertung
telegraphiert.
Kiderlen.
Nr. 679.
M. Paul Cambon. Ambassadeur de France à Londres,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.2)
Londres, le 7 novembre 1912.
Mon collègue de Russie m’a communiqué un télégramme de M. Sa-
zonoff disant que le 5 novembre l’Ambassadeur d’Autriche à Pétersbourg
lui a déclaré : «que le Gouvernement austro-hongrois excluait toute pensée
de territoire et ne réclamait que des avantages économiques».
Le Ministre russe ayant fait observer qu’il s’agissait sans doute d’un
traité de commerce, M. de Th un a répondu qu’un traité de ce genre
ne suffisait pas.
Cette déclaration équivaut pour le moment à une clause de désintéresse-
ment territorial, mais l’attitude nouvelle de la Serbie peut tout remettre
en question.
Aujourd’hui le Chargé d’Affaires de Serbie a déclaré au Foreign
Office, d’ordre de M. Pachitch, que son Gouvernement ayant appris
d’une Puissance amie que l’Autriche-Hongrie s’opposerait à l’établisse-
*■) Vgl. dazu R. Poincaré, Au Service de la France II, 3i8. Poincaré gesteht aus-
drücklich zu, daß er am 7. ausführliche Telegramme aus Berlin erhalten habe, aus
denen er „un espoir d’entente“ geschöpft habe, obwohl sie die Mitteilung enthielten,
daß Österreich entschlossen sei, Serbien den Zugang zur Adria zu verweigern, und daß
Deutschland entschlossen sei, Österreich hierin zu unterstützen. Poincaré sah in dieser
Stellungnahme der Zentralmächte so wenig eine Bedrohung des Weltfriedens, daß ersieh
für einen Moment der von ihm selbst gegenüber Iswolski zur Sprache gebrachten Besorg-
nisse vor österreichischen Vergrößerungsgelüsten (vgl. Nr. 12 336, S. 290, Fußnote''
entschlug und am 8. November nach Petersburg und London telegraphierte: „En
présence de cette situation, il ne me semble plus que nous ayons à nous préoccuper
des menaces d’agrandissement territorial de l’Autriche. Elles ne renaîtraient que si l’on
ne pouvait s’entendre avec le cabinet austro-hongrois sur la question de l’Adriatique.
C’est donc sur ce point particulier que doivent porter notre examen et notre effort
de conciliation.“ Trotzdem gab sich Poincaré bereitwillig unmittelbar darauf den Er-
örterungen über den causus foederis hin. Vgl. dazu Nr. 12 356, S. 3io, Fußnote.
2) Livre Jaune 1912, I, Nr. 2/io.
288
ment d’un port serbe sur l'Adriatique, avait décidé de s’emparer de
Durazzo et d’y rester. C’est une expédition à travers l’Albanie et il est
probable qu’aussitôt les projets serbes connus, l'Autriche enverra des
bâtiments de guerre à Durazzo.
Paul Cambon.
Nr. 680.
Graf Berchtold an Herrn von Ugron in Belgrad.1)
Telegramm. Budapest, den 8. November 1912.
Österreich-Ungarn hat seit dem Ausbruch des Balkankrieges durch,
seine Haltung bewiesen, daß es den Balkanstaaten und speziell auch
Serbien das größte Wohlwollen entgegenbringt. In dieser Beziehung
braucht bloß darauf hingewiesen zu werden, daß wir die militärischen
Operationen Serbiens, die sich im Sandschak bis ganz in die Nähe un-
serer bosnischen Grenze erstreckten, in keiner Weise gestört haben. In
meinen jüngsten Erklärungen vor den Delegationen habe ich auch diesen
wohlwollenden Standpunkt präzisiert und erklärt, daß wir der durch
die Siege der Balkanstaaten geschaffenen neuen Situation in weitgehen-
dem Maße Rechnung tragen wollen.
In diesem Sinne beabsichtigen wir, einer bedeutenden Ausdehnung
Serbiens unsererseits keine Hindernisse in den Weg zu legen, voraus-
gesetzt, daß unsere kommerziellen und Verkehrsinteressen gewahrt
werden.
Wir anerkennen die Berechtigung des Wunsches Serbiens, eine ge-
sicherte Verbindung nach dem Meere als Débouché seines Handels zu
besitzen. In dieser Beziehung weisen wir auf die von uns bereits ausge-
baute Transversalbahn von Serbien durch Bosnien an die dalmatinische
Küste hin sowie auf die Verbindung durch den Sandschak und Monte-
negro zur Adria und auf den möglichen Ausbau der Donau-Adria-Bahn
durch albanesisches Gebiet.
Was den in Serbien laut gewordenen Wunsch betrifft, territorial an
die Adria zu gelangen, so muß bemerkt werden, daß die hierbei in Be-
tracht kommenden Gebiete an der Küste und im Innern ausschließlich
von Albanesen bewohnt sind; ihre Inkorporierung in Serbien würde daher
dem von den Balkanstaaten selbst aufgestellten Prinzipe der ethnischen
Autonomie widersprechen und die dadurch herbeigeführte Zerstückelung
des albanesischen Gebietes würde die von Österreich-Ungarn und Italien
in Aussicht genommene Selbständigkeit dieses Landes verhindern.
Serbien könnte sich zudem ein kommerzielles Débouché an der Adria
auch auf andere Weise sichern, als durch territoriale Erwerbung, indem
*) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 81, S. 47.
289
19 Boghitschewitsch, Serbien II.
es sich für die Benützung der früher erwähnten Verkehrslinien durch
Bosnien, respektive Albanien gewisse Garantien verschafft.
Euer Hochwohlgeboren wollen sich in vorstehendem Sinne dem
Herrn Ministerpräsidenten gegenüber aussprechen.
Nr. 681.
Der Geschäftsträger in London von Kühlmann
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. London, den 8. November 1912.
Nr. 177.
Antwort auf Telegramm Nr. 192 vom 7. November* 2).
Sir E. Grey heute Mitteilung im Sinne des angezogenen Telegramms
gemacht. Der Minister erwiderte, er habe durch den englischen Botschaf-
ter in Berlin bereits ähnliche Mitteilung erhalten; nur der Passus über
Bahn nach dem Adriatischen Meer und Möglichkeit wirtschaftlicher Kon-
zessionen war ihm neu. Der Minister führte aus, die Aufwerfung dieser
Frage im gegenwärtigen Moment sei ihm höchst unerwünscht und ver-
ursache ihm einige Sorge. Seiner Ansicht nach sei das Richtige, die
Großmächte sollten auf Diskussion irgendeiner Detailfrage der Rekon-
struktion des Balkans sich durchaus nicht einlassen. Einstweilen seien
die Verbündeten noch im Krieg mit der Türkei, und es scheine ihm
ratsam, daß alles, was jetzt geschieht, als Teil dieser kriegerischen Unter-
nehmungen betrachtet werde. Deshalb glaube er, brauche auch Öster-
reich irgendwelchem Vorgehen der Serben in Albanien oder an der
Küste keine zu große Bedeutung beizulegen oder dem entgegenzutreten;
provisorische Kriegshandlungen könnten keinen Rechtszustand schaffen.
Komme der Krieg zu Ende, so hätten die Balkanstaaten ihre Forderun-
gen als Gesamtheit zu formulieren und die Großmächte, in erster Linie
diejenigen, die durch ihre Lage oder historischen Verbindungen Spezial-
interessen besitzen, würden ihre Gesichtspunkte geltend machen. Daß
eine der größten Neugestaltungen seit Jahrhunderten ohne Zuziehung
der Großmächte durchgeführt werde, sei vollkommen ausgeschlossen.
Seine Politik gehe darauf, die Diskussion von einzelnen Punkten jetzt zu
vermeiden. Die Sprache, welche nach unserer Mitteilung die russischen
Vertretungen in Paris und Belgrad führten, sei geeignet, seine Politik
zu durchkreuzen, und er verurteile sie durchaus. Lehnten Großmächte
ab, irgendwelche Ansprüche der Balkanstaaten überhaupt zu diskutieren,
bis die allgemeine Neuordnung stattfinde, so glaube er ganz entschieden,
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 343, S. 297.
2) Siehe Aktenstück Nr. 678.
29O
daß bei der geringen Zahl und relativen Geringfügigkeit der Differenz-
punkte ein Übereinkommen sich erzielen lasse. Werde jetzt die Diskus-
sion der serbischen Adriawünsche auf genommen, so entstehe Verbitterung
und gefährliche Erregung. Er selbst habe die serbische Mitteilung ent-
gegengenommen, ohne sich irgendwie zu äußern. Er werde den von
ihm mir skizzierten Standpunkt sogleich amtlich auch in Petersburg
bekanntgeben lassen1), ohne jedoch im einzelnen auf die beiden ge-
nannten Diplomaten hinzuweisen, und er bitte mich auch, seine Äuße-
rungen über diese als privat und vertraulich zu betrachten, (der Mi-
nister bemerkte, Herr von Hartwig rede gefährlichen Unsinn und Iswolski
scheine auch sonderbare Äußerungen zu machen).
Der Gesamteindruck der Unterredung ist der, daß der Minister gegen
die Serben ungnädig ist, ihnen aber Erregbarkeit und Siegesrausch zu-
gute hält, sich jedoch über die Intrigen russischer Diplomaten schwer
ärgert, die seinen Plan einer ausgleichenden Lösung der Balkanfrage ge-
fährden.
Kühlmann.
Nr. 682.
Der Botschafter in Paris Freiherr von Schoen
an das Auswärtige Amt.1 2)
Entzifferung.
Telegramm. Paris, den 8. November 1912.
Nr. 339.
Antwort auf das Telegramm Nr. 2583).
Hiesige Regierung verhehlt sich nicht Ernst der Lage, der wesentlich
gesteigert würde, wenn Rußland die serbischen Ansprüche amtlich unter-
stützen sollte. Dies hier bisher nicht geschehen, wenn auch bekannt, daß
Rußland mit Serbien sympathisiert und Herr von Hartwig sehr weit
gegangen ist. Herr Paleologue versichert mir, daß Herr Iswolski hier
gegenüber französischer Regierung maßvoll und zurückhaltend
gewesen und Verständnis für Bedenken gegen Herrn von Hartwigs Hal-
tung gezeigt habe, der allerdings mit Herrn Iswolski aus anderen Grün-
den Überwerfen.
Serbischer Gesandter4) hat hier gestern gleiche Mitteilung gemacht,
wie Geschäftsträger Berlin, ist aber nicht bis zur Berührung Allianzfrage
gegangen. Hiesige Regierung hat noch nicht Stellung zu Frage ser-
1) Vgl. dazu das Telegramm Graf Benckendorffs an Sasonow vom 7. November,
v. Siebert, Diplomatische Aktenstücke, a. a. O., S. Ö73f.
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 345, S. 299 und Aktenstück Nr. 678.
3) Siehe Nr. 12 338 nebst Fußnote**).
4) Wesnitsch.
29t
bischer Ausdehnung genommen und sich darauf beschränkt, Kenntnis
zu nehmen. Serbischer Gesandter bestätigt mir, bisherige neutrale Hal-
tung Frankreichs, will aber Versicherungen Sympathien für serbische
Ansprüche erhalten haben. Politischer Direktor hielt im Gespräch mit
mir1) an Hoffnung fest, daß Ausweg im Sinne der rein kommerziellen
Ausdehnung Serbiens nach Adria gefunden werden könne. Allerdings
sei Lösung durch Vormarsch serbischer Truppen durch Albanien er-
schwert.
Paleologue versichert mir nebenbei gesprächsweise bestimmt, daß
innerhalb Tripelentente keine besonderen Abmachungen bezüglich Kon-
stantinopels bestehen. Er halte für möglich, daß Rußland nicht nur
Festsetzen, sondern auch ein Einmarschieren der Bulgaren in Konstan-
tinopel nicht zulassen und intervenieren würde* 2).
Nr. 683.
Der Botschafter in Paris Freiherr von Schoen
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.3)
Ausfertigung.
Nr. 38i. Paris, den 8. November 1912.
(pr. 10. November)
Der hiesige serbische Gesandte hat wiederholt mein Interesse für die
erstrebte Ausdehnung Serbiens bis ans Adriatische Meer zu erwecken ge-
sucht und zugunsten der Wünsche seines Landes nicht nur das bekannte
Bedürfnis der Befreiung aus wirtschaftlicher Einengung vorgebracht,
sondern auch den Hinweis darauf, daß Nordalbanien samt der Küste
zum alten Serbenreich gehört habe. Es sei ihm unverständlich, wie sich
Österreich-Ungarn durch eine solche Ausdehnung in seinen vitalen In-
teressen gefährdet fühlen könne, noch weniger wolle ihm die Opposition
Italiens einleuchten. Die österreichisch-ungarische Monarchie könne doch
nur Vorteil darin finden, durch Berücksichtigung der serbischen Wünsche
und Bedürfnisse anstatt eines durch stete Zurücksetzung gereizten Nach-
barn einen dankbaren Freund (!?) an der Südgrenze zu haben4). Mei-
x) Vgl. über das Gespräch auch die Aufzeichnung Paleologues vom 8. November.
Französisches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques, I, 246, Aktenstück Nr. 684-
2) Darüber war man in Paris doch sehr genau orientiert; vgl. Nr. 12 332, Fußnote**).
Am 7. November war freilich in Paris (vgl. R. Poincare, Au Service de la France II,
3i6) ein Telegramm Botschafter Paul Cambons eingelaufen, wonach die russische
Regierung laut Mitteilung Graf Benckendorffs an Sir E. Grey sich mit einem vorüber-
gehenden Einzug der Bulgaren in Konstantinopel abgefunden hätte, jedenfalls aber
ihre Flotte ans Goldene Horn senden würde, um dort während der bulgarischen Okku-
pation „en surveillance“ zu bleiben. Das sollte natürlich ein neuer Schreckschuß für
Paris sein.
3) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 353, S.307.
4) Immoralität der Politik! Anm. d. V.
292
nem Hinweis, daß Serbien nach dem Ägäischen Meer weitgehende Aus-
dehnung zugestanden werden könne, setzte Herr Wesnitsch das Argu-
ment entgegen, nach dem Ägäischen Meer sei die Ausdehnung für Ser-
bien ausgeschlossen, da es bei Bildung eines serbischen „couloirs“ zwi-
schen das zukünftige Bulgarien und Griechenland eingeklemmt sein
würde. „Also schon jetzt innerhalb des Balkanbundes Mißtrauen,“ ent-
gegnete ich ihm.
Ich habe Herrn Wesnitsch keinen Zweifel darüber gelassen, daß es
aussichtslos sei, von uns zu erwarten, daß wir uns in der Stellungnahme
zu der serbischen Ausdehnungsfrage von den uns verbündeten Mächten
trennen würden, die nun einmal aus guten Gründen die territoriale
Ausdehnung Serbiens nach der Adria auf Kosten Albaniens nicht zu-
zugeben gewillt seien. Serbien könne nicht auf die Sympathien der frie-
densliebenden Mächte rechnen, wenn es wiederum das frevelhafte Spiel
aufnehme, mit seiner Megalomanie einen schweren Konflikt heraufzu-
beschwören.
v. Schoen.
Nr. 684.
Conversation entre l’Ambassadeur d’Allemagne
à Paris et le Directeur des Affaires politiques.1)
8 novembre 1912.
L’Ambassadeur d’Allemagne est venu me voir pour me parler, à titre
privé, de la crise balkanique.
Je lui ai fait observer que le Président du Conseil était présent au
Quai d’Orsay et pourrait sans doute le recevoir; mais M. de Schoen à
répondu que, n’ayant pas d’instructions pour s’entretenir avec M. Poin-
caré, il préférait se borner à me demander quelques renseignements et
à me donner son impression personnelle.
«On est fort ému, à Berlin, m’a-t-il dit, par l’attitude que le Gouver-
nement serbe vient de prendre dans la question de l’accès à l’Adriatique.
Le Chargé d’affaires de Serbie! a déclaré à M. de Kiderlen que la Russie
a promis au Gouvernement serbe son appui contre l’Autriche pour lui
assurer un port sur l’Adriatique. Est-ce-exact?»
J’ai répondu: «M. Vesnitch m’a dit hier que le Gouvernement serbe
avait appris, par une Puissance amie, que l’Autriche n’admettrait pas
l’accession territoriale de la Serbie à l’Adriatique; il n’a même pas fait
allusion à une promesse d’appui. Quant aux intentions véritables du
Gouvernement russe, je les ignore; je sais seulement que l’accession
1) Livre Jaune 1912, I, Nr. 246.
293
territoriale de la Serbie à l'Adriatique est considérée, à Pétersbourg,
comme une question d’une haute importance.»
«Imaginez-vous, a poursuivi M. de Schoen, que le Chargé d'affaires
de Serbie à Berlin a osé demander à M. de Kiderlen si l'Allemagne
soutiendrait l'Autriche contre la Russie! Quelle impertinence! . . C'est
déjà beaucoup trop qu'on puisse avoir l'idée de formuler de pareilles
Interrogations.»
L'Ambassadeur d'Allemagne a ensuite insisté sur le rôle conciliant
que le Gouvernement de la République et la Chancellerie impériale pour-
raient jouer respectivement à l'égard de la Russie et de l’Autriche.
Paléologue.
Nr. 685.
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre
des Affeires étrangères, aux Ambassadeurs de France
à Londres, Berlin, Rome, Vienne.1)
Paris, le 8 novembre 1912.
L'Ambassadeur d'Autriche-Hongrie m'a fait savoir avant-hier que le
Gouvernement impérial et royal consentirait à un agran-
dissement territorial de la Serbie aux conditions sui-
vantes:
1. Le territoire serbe n’accederait pas à l’Adriatique;
2. L’Autriche-Hongrie demanderait que la Serbie et le Monténégro ne
suivissent pas une politique hostile à la Monarchie et, comme garantie,
elle exigerait des arrangements commerciaux pour créer des intérêts com-
muns et faciliter de bons rapports;
3. L’Albanie serait dotée d’un régime qui lui permettrait de vivre et
de se développer librement;
4. La Roumanie recevrait une équitable compensation;
5. La frontière de la Bosnie subirait, sur quelques points, une rectifi-
cation d’importance toute locale;
6. Les Etats balkaniques maintiendraient les traités de commerce
existants ;
7. Salonique deviendrait port franc et la liberté du transit entre ce port
et l'Autriche-Hongrie serait garantie par une convention internationale.
Le Comte Szecsen m'avait fait cette déclaration à titre rigoureusement
secret. Il m'apprend aujourd’hui que le Gouvernement austro-hongrois a
communiqué ses vues à -d'autres Puissances.
Vous pourrez donc utiliser les éléments du présent télégramme dans
vos entretiens avec le Gouvernement près duquel vous êtes accrédité.
Raymond Poincaré.
1) Livre Jaune 1912, I, Nr. 247.
Nr. 686.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Botschafter in Rom.1)
26. Oktober
VOm 8. November ^
Nr. 2ÖOO.
Weisen Sie den italienischen Außenminister darauf hin, daß es äußerst
wünschenswert sei, daß Österreich in der Frage der Zulassung Serbiens
zum Adriatischen Meere nachgibt. Es ist gefährlich, Tatsachen keine
Rechnung zu tragen. Serbien wird sich mit nichts anderem zufrieden
geben und rechnet auf die gemeinsame Unterstützung des Balkanbundes,
was der kriegerischen Stimmung der betreffenden Völker durchaus ent-
spricht. Eine serbische Seemacht braucht Österreich keine Bedenken
einzuflößen* 2 3). Wir sind bereit, die wirtschaftlichen Interessen Öster-
reichs, ebenso wie die Wünsche Österreichs und Italiens hinsichtlich der
Gründung eines autonomen Albaniens in ernstliche Erwägung zu ziehen.
Wir wollen, daß auf dem Balkan ein dauernder Friede gesichert sei. Dies
ist unmöglich, wenn die gerechten Forderungen Serbiens nicht befriedigt
werden. Ich nehme an, daß es auch den Interessen Italiens entspricht,
seine zukünftigen Beziehungen zu Rußland und den mit ihm solidari-
schen Mächten genau zu regeln, und daß es deshalb jetzt auf seinen Bun-
desgenossen ein wirken wird. Auf diese Weise würde Italien auch seine
Stellung in den Balkanhauptstädten wieder befestigen, welche durch den
Friedensschluß mit der Türkei, der im Augenblick der Kriegserklärung
auf finanzieller Basis erfolgt ist, stark erschüttert erscheint. Indem Sie
diese Fragen mit dem italienischen Außenminister besprechen, müssen
Sie versuchen, Ihre Erklärungen in eine möglichst
freundschaftliche Form zu kleiden, um das Selbstgefühl
der Italiener nicht zu verletzen.
Sasonow.
Nr. 687.
Herr von Merey an Graf Berchtold.8)
Telegramm. Rom, 9.November 1912.
Herr Bollati teilt mir im Aufträge des Ministers des Äußern mit, auch
Italien betrachte die Eventualität des Vordringens Serbiens durch Alba-
nien an die Adria als unvereinbar mit dem Prinzipe der Autonomie und
Integrität Albaniens und als unseren gemeinsamen Interessen zuwider.
*) Benckendorff Bd. II, Nr. 714, S. 482.
2) Aber eine russische! D. V.
3) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 82, S. 48.
295
Nr. 688.
Der Botschafter in Petersburg Graf Pourtalès
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. St. Petersburg, den 9. November 1912.
Nr. 265.
Unter Bezugnahme auf Telegramm Nr. 188 * 2).
Als ich heute mit Herrn Sasonow über die Lage sprach, fand ich
ihn durch italienischen Geschäftsträger über die durch serbischen Ge-
schäftsträger in Berlin geführte Sprache3) unterrichtet. Minister be-
merkte erregt, serbischer Vertreter sei zu dieser Sprache nicht berechtigt
gewesen, „je le désavoue“. Herr Sasonow will sich in Belgrad über den
von serbischem Diplomaten angeschlagenen Ton beschweren. Ich fand
Minister im übrigen konziliant. Er betonte, daß man vor allem Ruhe
bewahren und sich hüten müsse, Lage zu verschärfen. Er sei lediglich
Anwalt serbischer Ansprüche, weil er sie für berechtigt und österrei-
chisch-ungarischen Standpunkt für kleinlich halte. Davon, daß Serbien
größtes Gebiet in Albanien etwa bis Durazzo erhalte, könne keine Rede
sein; es könne sich nur um schmalen Streifen mit San Giovanni di
Medua handeln. Auf meine Frage, ob Serbien nicht durch Donau-
Adria-Bahn mit besonderen Kautelen befriedigt werden könnte, entgeg-
nete Minister, vielleicht ließe sich auf diesem Wege Lösung finden,
obgleich er nicht wisse, ob sich Serbien damit zufrieden geben würde.
Herr Sasonow erklärte ganze Frage für noch nicht spruchreif, sie
müsse mit Ruhe zwischen den Mächten besprochen und alles versucht
werden, um eine Österreich-Ungarn und Serbien zufriedenstellende Lö-
sung, die nicht den Keim weiterer Konflikte trage, zu finden. Daß
Serbien Hafen am Ägäischen Meere erhalte, bezeichnete
Minister als ausgeschlossen, da Bulgarien Küste dieses Meeres
beanspruche und es auch schwer wäre, Serbien durch langen Gebiets-
streifen mit solchem Hafen zu verbinden.
Minister bedauerte, daß Frage der Zulassung Serbiens zum Adria ti-
sch en Meer zum Gegenstand eines „Pronunziamentos des Dreibundes“
gemacht worden sei4). Ich entgegnete, der Dreibund sei es nicht ge-
wesen, welcher zuerst wieder angefangen habe, „Gruppenpolitik“ zu
treiben. Pourtalès.
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 35i, S.3o6.
2) Siehe Aktenstück Nr. 678, Anm.2.
3) loc. cit.
4) Vgl. dazu Nr. 12З27, S. 281, Fußnote. Das angebliche „Pronunziamento des
I>reibundes“ in der Frage der Zulassung Serbiens zur Adria gab wenige Tage später
Sasonow Veranlassung an Frankreich und England die Frage zu stellen, welche Hal-
tung sie einnehmen würden, wenn es nicht gelingen sollte, eine aktive Intervention
Österreichs zu verhindern. Vgl. Nr. 12З81, Fußnote*).
296
Nr. 689.
Der Botschafter in Rom von Jagow
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. 44o. Rom, den 9. November 1912.
(pr. i3. November.)
Bei einem Besuche, den mir der serbische Geschäftsträger1 2) machte,
setzte er mir auseinander, daß Serbien durchaus einen Zugang zum Meere
erhalten müsse, und zwar zum Adriatischen, da dies aus verschiede-
nen Gründen nach dem Ägäischen Meere nicht angängig wäre. Eine
völlige Selbständigkeit Albaniens wäre wegen der dortigen Zustände doch
unmöglich, es würde eine Anarchie werden; wenn man die „Integrität“
und „Autonomie“ Albaniens wahren wolle, würde es am besten mit einer
autonomen Verfassung unter die „Vormundschaft“ Serbiens gestellt.
Nur so könne das Prinzip: „Der Balkan den Balkanvölkern“ wirklich zur
Durchführung kommen, denn sonst würden sich doch nur fremde Ein-
flüsse (österreichische oder italienische) in dem politisch noch gänzlich
unreifen Lande geltendmachen. Herr Michailowitsch betonte zwar wie-
derholt, daß er nur seine eigenen Gedanken äußere; der Wunsch,
ganz Albanien für Serbien als Kriegsbeute zu gewinnen,
trat aber deutlich hervor und dürfte wohl auch in Bel-
grad gehegt werden.
Ich habe Herrn Michailowitsch nicht im Zweifel darüber gelassen,
daß solche Wünsche wie überhaupt ein Vordringen Serbiens zur Adria
mit den Interessen anderer nicht vereinbar wären und auf entschiedenen
Widerspruch stoßen würden. Er entgegnete, das nehme er leider auch
wahr, aber wenn Serbien nun Albanien besetze, wer werde es denn daraus
verdrängen? Der Krieg habe bereits andere faits accomplis geschaffen,
und, falls weitergehende Komplikationen daraus ent-
ständen, könne es Serbien ja eventuell darauf ankommen
lassen. Vielleicht wäre dies nicht einmal ein Nachteil für Serbien.
Ohne es auszusprechen, schien der Geschäftsträger entschieden auf
eine russische Unterstützung der serbischen Aspira-
tionen zu hoffen.
von Jagow.
1) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 362, S. 3i8.
2) Michailowitsch.
297
Nr. 690.
Note.
Ausfertigung. Von der englischen Botschaft in Berlin am 9. November
1912 dem Auswärtigen Amt übersandt^).
Berlin, November 9, 1912.
In conversation with the German Chargé d’Affaires yesterday Sir
Edward Grey expressed the opinion that whatever Servia did or said
ought to be treated as part of the war with Turkey and should con-
sequently be considered as provisional pending the terms of peace; even if
she entered Albania, such action might, he thought, be regarded for the
present in the same light, since Albania was still a Turkish Province. It
would be very desirable if Austria could be influenced to take this view.
It would be intolerable, he said, if each action on the part of Servia or
any provocative language held by her in her present excited condition
were to be allowed to provoke a war between any of the Great Powers
on a point which Sir Edward believed could be settled peacefully if only
it could be treated as a parfc of the whole terms of peace after the
conclusion of the war with Turkey instead of being brought up now by
itself.
Sir Edward Grey added that he would urge the same point of view at
St. Petersburgh and would ask the Russian Government to exert all their
influence in the same direction.
Nr. 691.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister1 2)
27. Oktober
vom —^-------,— XQ12.
9. November ^
Nr. 276.
Über die Pläne der Balkanstaaten. Vertraulich. Aus allen von mir er-
haltenen und sorgfältig geprüften Informationen ergibt sich folgendes:
Zwischen den vier Verbündeten ist ein Übereinkommen erzielt, sozusagen
ein Bund gebildet worden, um die Annexion der eroberten Gebiete auf alle
Fälle durchzusetzen. Zwischen Serbien und Bulgarien ist das Überein-
kommen ein festes, gegenseitiges und vollständiges. Aberbeide Staaten miß-
trauen Griechenland, welches hauptsächlich den Besitz von Saloniki und
sogar von Bi toi j (Monastir) im Auge hat. Diesem werden sich die Bul-
1) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 347, S.3oi. Siehe auch Aktenstück Nr. 681.
2) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. ^iö, S. 483 ff.
298
garen widersetzen, wobei sie von den Serben unterstützt werden. Die Hal-
tung Montenegros, die wenig Vertrauen erweckt, beunruhigt hauptsächlich
die Serben. Einen besonders unangenehmen Eindruck macht das Streben
Montenegros, den Serben die Erreichung ihrer historischen Ansprüche
zu erschweren. Ein Beweis hierfür: die unerwartete Besitzergreifung
des unbefestigten Klosters von Detschani durch die Montenegriner, das
Einrücken in das von serbischen Truppen bereits besetzte Prizren und das
offene Bemühen, den Serben in San Giovanni zuvorzukommen. Die Ver-
bündeten sind jedoch geneigt, alle diese Reibungen zu verbergen, um den
Vermittlungsversuchen der Mächte gegenüber einig zu erscheinen. Die
Forderungen der Verbündeten, welche sie entschlossen sind, mit den
Waffen in der Hand bis zum äußersten zu verteidigen, sind die fol-
genden: i. Alle durch ihre Heere eroberten Gebiete bilden ein Kon-
dominium, welches später nach gegenseitiger Vereinbarung geteilt wer-
den soll. 2. Die Verbündeten lassen nicht einmal den Gedanken
eines autonomen Albaniens oder Mazedoniens zu und
werden sich einem solchen Plane gemeinsam wider-
setzen (?). 3. Mazedonien wird zwischen Bulgarien, Serbien und Grie-
chenland geteilt, Albanien zwischen Montenegro, Serbien und Griechen-
land. 4- Die besonderen Forderungen Bulgariens erstrecken sich in der
Richtung auf Konstantinopel bis zu einer Linie von der Mündung der
Maritza nach Lüle-Burgas-Bunar-Hissar bis zum Schwarzen Meere. Es
kann keine Rede davon sein, daß Adrianopel und Kirk-Kilisse, die so
viele Opfer gekostet haben, wieder zurückgegeben werden könnten. 5. Die
besonderen Forderungen Serbiens sind: der Sandschak von Novibazar,
wovon ein schmaler Streifen Montenegro überlassen werden soll, ganz
Altserbien und der nördliche Teil Albaniens mit dem Ufer von Medua bis
Sameni oder Skumbia je nach dem Übereinkommen mit Griechenland,
dem der übrige Teil dieser Provinz zufällt. — Die Verbündeten haben
beschlossen, diese Forderungen gemeinsam durchzusetzen.
Hartwig.
Nr. 692.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.1)
Telegramm.
St. Petersburg, den
27. Oktober
9. November
I912-
Nr. 25i3.
Abschrift nach Paris.
Ich telegraphiere nach Belgrad: Die Frage des Ausgangs Serbiens
zum Adriatischen Meere hat in jüngster Zeit eine Wendung genommen,
ÜLwolski Bd.II, Nr. 558, S.34o.
299
die uns ernstliche Sorgen macht. Wir sind wie schon früher bereit,
Serbien tätigste diplomatische Unterstützung zu gewähren, in Gemein-
schaft mit Frankreich und England. Wir haben gewichtige Nachrichten,
nach denen Deutschland und Italien bereit sind, in Gemeinschaft mit
Österreich einem territorialen Zuwachs Serbiens an der Adria Widerstand
zu leisten. Man darf den Konflikt nicht bis zur Gefahr eines gesamt-
europäischen Konflikts zuspitzen. Um so ungehöriger erscheint der Ton
einiger Vertreter Serbiens im Auslande. Wir erfahren, daß der serbische
Vertreter in Berlin Kiderlen gesagt hat, daß die Bundesgenossen bereits
die ganze Küste des Adriatischen Meeres unter sich verteilt hätten, und
daß Serbien nicht nur der Unterstützung Bulgariens, sondern auch Ruß-
lands sicher sei. Solch eine Versicherung auf unsere Kosten ist unzu-
lässig. Der Bündnisvertrag gibt Serbien kein Recht, in der Frage des
Ausgangs zur Adria auf die Waffenhilfe Bulgariens zu rechnen (P)1).
Die Verluste Bulgariens und Serbiens während des Krie-
ges gefährden im voraus den Erfolg bei einem Zusam-
menstoß mit Österreich. Die Sendung serbischer Truppen in der
Richtung auf Durazzo, auf dessen Annexion Österreich bestimmt nicht
eingehen wird, erscheint auch als ein Symptom einer Erregung, die ge-
fährliche Folgen haben kann. Machen Sie Paschitsch darauf
aufmerksam, daß die Serben uns nicht die Aufgabe er-
schweren dürfen, ihre Advokaten zu sein. In der Frage des
Ausgangs zur Adria unterscheiden wir Ziel und Mittel. Das Ziel ist die
möglichste Sicherung der ökonomischen Unabhängigkeit dieses Staats —
das Mittel Ausgang zur Adria, sei es durch territoriale Erwerbung an
der Küste oder durch Sicherung der Verbindung durch eine Eisenbahn
mit einem anderen Hafen unter denselben Bedingungen, die Österreich
für den Transit seiner Waren nach Saloniki erhalten hat. Ein Nachgeben
Serbiens in der Frage der Erwerbung eines eigenen Hafens an der Adria
macht es möglich, auf anderen Forderungen zu bestehen, wie auf terri-
torialem Zuwachs Serbiens im Süden und auf möglichster Beschränkung
der Autonomie Albaniens. Wenn Österreich nicht versteht, daß es in
seinem Interesse liegt, den Frieden auf dem Balkan zu sichern, so glau-
ben wir, daß Serbien, das aus einem kurzen Kriege mit
Erwerbungen hervorgeht, von denen es kaum träumen
(durfte, verstehen müßte, daß es durch allzu hohe An-
sprüche die Erreichung dieser Resultate nur kompri-
mittierenkann. Es liegt im Interesse Serbiens, Forderungen nicht
zuzuspitzen, deren Scheitern seiner Eigenliebe um so empfindlicher sein
würde.
Sason ow.
*) Vgl. dagegen die seitens der serbischen Regierung dem serbisch-bulgarischen Ver-
trage gegebene Interpretation. Bd. I, Aktenstück Nr. 3io, S. 338.
3oQ
Nr. 693.
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Belgrad, den 10. November 1912.
Nr. 3g.
Herr von Urgon hat nach Rückkehr aus Budapest mit Ministerpräsi-
denten Paschitsch eine Aussprache gehabt, worin er ihm erklärt, daß
österreichisch-ungarische Regierung weitgehendes Entgegenkommen in
allen wirtschaftlichen Fragen und territorialen Expansionsbestrebungen
zeigen werde, soweit dies mit dem von Serbien proklamierten „ethnischen
Prinzip“ vereinbar sei* 2). Das schließe natürlich den Zugang zur Adria
durch Albanien aus. — Herr Paschitsch erwiderte, er werde sofort sich
zu Seiner Majestät dem Könige begeben und ihm berichten, auch gleich-
zeitig mit den Verbündeten sich ins Benehmen setzen. Er müsse aber
jetzt schon erklären, daß Bevölkerung und Militär den Adriahafen als
Lebensbedingung betrachte und jede Regierung, die sich dem widersetzen
würde, weggefegt würde. Eine ähnliche Sprache hat Herr Paschitsch
dem italienischen Geschäftsträger3) gegenüber geführt.
Griesinger.
Nr. 694.
Herr von Ugron an Graf Berchtold.4)
Telegramm. Belgrad, n.November 1912.
Mit Bezug auf Telegramm vom 8. 1. M.
Ich hatte heute nachmittag eine einstündige Unterredung mit Herrn
Pasic und habe mich bei Ausführung des hohen Auftrages genau im
Sinne der in Budapest erhaltenen mündlichen Instruktionen ausge-
sprochen.
Der Herr Ministerpräsident führte aus, unsere Erklärung, daß wir ein
definitives Festsetzen Serbiens an der Adria nicht zugeben würden, er-
fülle ihn mit größter Besorgnis.
Serbien könne auf einen Hafen am Adriatischen Meere absolut nicht
verzichten, dies sei für dasselbe eine Existenzbedingung.
!) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 354, S.3o8.
2) Vgl. Nr. i2 35o, Fußnote**).
3) Rinelia.
^Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 87, S.5o.
3oi
Ich erklärte ihm, daß Serbien sich an das von ihm aufgestellte Pro-
gramm ethnographischer Abgrenzung halten müsse und wir die Zerstük-
kelung Albaniens unter keiner Bedingung zugeben könnten.
Er möge sich keinen Illusionen hingeben, Euer Exzellenz umstimmen
zu können. Der von mir präzisierte Standpunkt sei unabänderlich.
Nr. 696.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Holl weg.1)
Entzifferung.
Nr. 366. Wien, den 11. November 1912.
(pr. 12. November.)
Herr Dumaine hat dem Vertreter der „Agence Havas“ gesagt, man sei
in Paris der sicheren Meinung, daß Serbien schließlich die Forderungen
Österreich-Ungarns annehmen werde. England habe sich sichtlich Öster-
reich-Ungarn genähert, und diesem Beispiel werde Frankreich folgen
müssen *).
Man ist auf der hiesigen französischen Botschaft sehr ungehalten über
die Kampagne, die die französische Presse, besonders der „Temps“,
gegen Österreich führt, und macht kein Hehl daraus, daß man den
Einfluß serbischen Geldes bei Herrn Tardieu dafür ver-
antwortlich macht.
von Tschirschky.
Randbemerkung Kaiser Wilhelms II:
•) Aha!
Nr. 696.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.* 2)
Telegramm.
St.-Petersburg, den
11. November
29. Oktober
*912-
Nr. 2626.
Abschrift nach Paris.
Ich telegraphiere nach Belgrad: Der Entschluß Österreichs, der Er-
werbung eines Adriahafens durch Serbien Widerstand zu leisten, ist nach
unseren Nachrichten unerschütterlich und wird von seinen Bundesgenos-<
sen unterstützt. Andererseits erklären Frankreich und England offen,
' 1) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 358, S.3i4*
2) Iswolski Bd. II, Nr. 502, S.342.
302
daß sie keineswegs geneigt sind, den Konflikt mit den Dreibundmächten
wegen dieser Frage zuzuspitzen. Wir unsererseits haben Serbien kate-
gorisch wissen lassen, daß es nicht darauf rechnen solle, uns mit sich
fortzureißen. Auf einen Krieg mit den Mächten des Dreibundes wegen
der Frage des serbischen Hafens an der Adria werden wir uns nicht
einlassen. Was den angeblich von den Verbündeten gefaßten Entschluß
betrifft, die europäische Türkei ohne Recht unter sich aufzuteilen, ohne
die Interessen Österreichs und Italiens zu berücksichtigen, so warnen wir
gleichfalls wegen der Folgen, welche eine derartige Politik unüberlegter
Begeisterung, die Serbien der Sympathien Frankreichs und Englands be-
rauben würde, nach sich ziehen kann. Nicht mit Tatsachen zu rechnen,
ist gefährlich. Man kann daher die Augen vor der Notwendigkeit nicht
verschließen, daß sich ein albanischer Uferstaat bilden muß. Zeigen sich
die Serben nachgiebiger, so wird es leichter sein, darauf zu bestehen, daß
ihre Forderungen bei Bestimmung des Umfangs und der Organisation
zur Geltung kommen und es wird auch leichter sein, Vorteile ökonomi-
schen Charakters für sie auszubedingen. Je zänkischer sie sich zeigen,,
desto größer ist die Gefahr völliger Isolierung für sie. Sprechen Sie ohne
Zeitverlust in diesem Sinne mit Paschitsch und warnen Sie ganz offen
vor der Expedition nach Durazzo. Die Serben dürfen uns nicht in die
Lage bringen, uns öffentlich von ihnen loszusagen.
Sason ow.
Nr. 697.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.1)
3o. Oktober
1 elegramm. St. Petersburg, den I2 November I912*
Nr. 2556.
Mitgeteilt nach Paris.
Ich telegraphiere nach Sofia: Der bulgarische Gesandte besuchte mich
heute und erklärte, daß seine Regierung mit der serbischen
in der Frage des Ausgangs zur Adria solidarisch sei.
Ich machte Bobtschew darauf aufmerksam, daß ein Vorgehen Serbiens
und Bulgariens gegen Österreich nach den schweren Verlusten
unmöglich sei. Ein Konflikt der slawischen Staaten mit Österreich werde
ohne Zweifel die Hoffnungen der Türkei beflügeln. Bei einem aktiven
Vorgehen der Verbündeten gegen Österreich würden die türkischen
Armeen ihnen in den Rücken fallen. Die jetzigen Beziehungen Rumä-
niens zu Bulgarien ließen Gefahren von seiten Rumäniens erwarten.
Andererseits warnte ich Bobtschew vor der Annahme, daß Österreich sich
!) Iswolski Bd.II, Nr. 565, S.344.
3o3
nicht ernstlich darauf vorbereite, Serbien zur Adria nicht zuzulassen
und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Verhandlungen Danews mit
den österreichischen Staatsmännern ihn über die wahren Absichten
Österreichs auf klären würden.
Sasonow.
Nr. 698.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
3o. Oktober
vom —~------=— 1Q12.
12. November ^
Nr. 3i6.
Paul Cambon hat mir streng vertraulich zwei Telegramme Jules Cam-
bons an Poincare über die bekannte Unterredung zwischen Kiderlen und
dem serbischen Geschäftsträger vorgelesen. Das eine enthält die Version
Kiderlens, das andere die des serbischen Vertreters. In letzterer ersehe
ich eine wichtige Auslassung. Ich will sie auf alle Fälle melden, da
ich nicht weiß, ob Poincare unserem Botschafter in Paris beide Tele-
gramme mitgeteilt hat. Der serbische Geschäftsträger hat gefragt, ob
Deutschland gegebenenfalls einen Krieg zwischen Rußland und Öster-
reich wegen des jetzigen österreichisch-serbischen Konfliktes als casus
foederis auffassen würde, und, nachdem hierauf eine bejahende Antwort
erfolgt war, hat er weiter gefragt, ob der casus foederis auch eintreten
würde, wenn Frankreich sich an dem Kriege nicht beteiligen sollte.
Kiderlen hat geantwortet, daß selbst in diesem Falle Deutschland zu den
Waffen greifen würde.
Benckendorf f.
Nr. 699.
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger
an das Auswärtige Amt.* 2)
Entzifferung.
Telegramm. Belgrad, den 12. November 1912.
Nr. 4o. (eingetroffen am i3. November)
Der rumänische Gesandte3) hat dem österreichischen Gesandten und
mir von einer Unterredung mit Herrn von Hartwig erzählt. Derselbe
erklärt den Verzicht Serbiens auf einen Adriahafen für unmöglich. Ruß-
x) Graf Benckendorf Bd. II, Nr. 717, S. 486.
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 363, S. 319.
3) Filality.
3o4
land beabsichtige, aus Serbien eine slawische Vormacht zu schaffen,
welcher Bosnien, Herzegowina und die südlichen Teile Ungarns einver-
leibt werden müßten. Rumänien handle gegen seine Interessen, wenn
es treu zu Österreich-Ungarn halte. Denn es brauche gegebenenfalls nur
zuzugreifen und sich Siebenbürgen zu nehmen. Italien spiele doppeltes
Spiel, und Deutschland desinteressiere sich.
In diesem Sinne treibt Herr von Hartwig seine panslawistische Hetze.
Griesinger.
Nr. 700.
Graf Mensdorff an Graf Berchtold.x)
Telegramm.
London, den i3. November 1912.
Ich habe heute Sir E. Grey gesehen. Er las mir Instruktion vor, die
er heute an britischen Gesandten nach Belgrad zur Mitteilung an ser-
bische Regierung telegraphiert:
„Ich verstehe vollständig, wie wichtig es für Serbien ist, sich für
seinen Handel ein Débouché zur Adria zu sichern; es gibt aber mehr
als ein Mittel, dies zu erreichen. Sollte jedoch Serbien peremptorisch
und im voraus jede Erwägung, jeden möglichen Vorschlag, außer seinen
eigenen, ablehnen, welcher zur Erreichung des Wesentlichen dessen, was
Serbien bedarf, angeregt werden kann, so würde Serbien die Sympathien
derjenigen sich entfremden, welche es zu unterstützen wünschen und
,weaken their hands‘.“
Nr. 701.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister* 2)
vom
3i. Oktober
I912*
i3. November
Nr. 317.
Grey hat mir das Telegramm gezeigt, welches er nach Belgrad schickt.
Sein Inhalt ist folgender: Grey .erklärt, er habe gehofft, daß alle
Spezialfragen, die sich auf die Ergebnisse des jetzigen Krieges beziehen,
nicht erörtert würden, bevor nicht allgemeine Verhandlungen unter den
Mächten stattgefunden hätten: aus diesem Grunde habe er sich niemals
über die Forderungen Serbiens geäußert; er gäbe sich aber völlig Rechen-
schaft darüber ab, daß die wirtschaftlichen Interessen Serbiens und die
x) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 97, S
2) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 718, S. 487.
54.
20 Boghitschewitsch, Serbien II.
3o5
i
Frage eines Zugangs zum Meere berücksichtigt werden müßten. Um
dies zu erreichen, gäbe es verschiedene Methoden, aber die schon jetzt
von Serbien ausgesprochene Weigerung, irgendeine derselben in Erwä-
gung zu ziehen mit Ausnahme derjenigen, welche von Serbien selbst
auf gestellt worden sei, könnte nur dazu beitragen, ihm die Sympa-
thien der Mächte zu entfremden, die am meisten geneigt
wären, Serbien ihre Unterstützung zuteil werden zu las-
sen. Wenn Serbien einen Streit mit Österreich nur auf Grund eines
Punktes provoziere, ehe irgendeine andere Bedingung, die zu einer Be-
friedigung führen könnte, formuliert sei, so kompromittiere es
damit den Gesamtplan einer friedlichen Lösung und
schwäche auf diese Weise die Mittel, zu denen die Mächte greifen könn-
ten, die ihm ihre Sympathien bezeugt hätten. Die Rechte der Mächte,
die am meisten an den bevorstehenden Änderungen der europäischen
Karte interessiert seien, sollten nicht in unvernünftiger Weise bestritten
werden.
Benckendorf f.
Nr. 702.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in Paris.1)
Brief. St. Petersburg, den i./i4- November 1912.
Streng vertraulich.
Auf dem Original der eigenhändige Vermerk Nikolaus* II.: •/•
Sehr geehrter Alexander Petrowitsch!
Den in Ihrem Briefe vom 25. Oktober/7. November dieses Jahres dar-
gelegten Erklärungen, die der französische Außenminister Ihnen gegen-
über abgegeben hat, messe ich die verdiente Bedeutung bei und teile voll-
kommen Ihre Meinung, daß es wünschenswert ist, von neuem den
Standpunkt der republikanischen Regierung hinsichtlich der Möglichkeit
einer österreichisch-ungarischen Expansion auf Kosten der Balkanhalb-
insel festzulegen. In diesem Sinne bin ich bereit, mein Einverständnis
zu geben, daß der Brief des H. Poincare von unserer Seite eine schrift-
liche Antwort erhält. Da der Brief des französischen Ministers an Sie
gerichtet war, halte ich es für das zweckmäßigste, daß unsere Antwort
auch durch Ihre Vermittlung überreicht werde. Ich füge den Entwurf
zu dieser Antwort hier bei und halte es für meine Pflicht, über diese
Angelegenheit folgendes auszuführen:
*)Iswolski Bd.II, Nr. 566, S.345.
3o6
Die Nachrichten, die wir besitzen, lassen alle hoffen, daß Österreich
wenigstens in diesem Augenblick wohl kaum nach territorialem Landge-
winn auf dem Balkan strebt. Immerhin könnte sich Österreich-Ungarn
je nach dem Gang der Ereignisse, besonders infolge seines Streites mit
Serbien wegen dessen Zugangs zur adriatischen Küste, dazu entschließen,
sich türkisches oder selbst serbisches Gebiet anzueignen. Für beide Fälle
wäre es sehr wichtig, sicher darauf rechnen zu können, daß Frankreich
nicht gleichgültig bleiben würde, wenn unsere Intervention notwendig
werden sollte.
Andererseits halte ich es im Hinblick darauf, daß ein rascher Wechsel
der Lage auf dem Balkan es schwierig macht, alle Eventualitäten voraus-
zusehen, die von uns diese oder jene Handlung zum Schutz unserer
Lebensinteressen erfordern könnten, für nötig, sorgfältig alles in unse-
ren Besprechungen mit den fremden Kabinetten zu vermeiden, was uns
in der Folge hemmen könnte. Von diesem Gesichtspunkt aus scheint es
mir wünschenswert, auch in dem von Ihnen vorgeschlagenen Brief an
H. Poincare, alle zu bestimmten Erklärungen zu vermeiden, so z. B. Rede-
wendungen wie die des französischen Ministers: „Unzweideutlich feind-
lich jeder Annexion türkischen Gebietes durch eine Großmacht;“ denn
sie können sich auch auf Rußland in der Dardanellen-
frage beziehen.
Indem ich diese letzten Erwägungen ausschließlich zu Ihrer persön-
lichen Information weitergebe, nehme ich die Gelegenheit wahr, Sie
von neuem meiner Hochachtung und meiner aufrichtigsten Ergebenheit
zu versichern.
Sasonow.
Anlage:
Entwurf einer Antwort an Poincare.
„Ich habe nicht verfehlt, dem Herrn Minister des Äußern in St. Pe-
tersburg den Inhalt Ihres Briefes vom 4* November d. J. zu unterbreiten.
H. Sasonow hat mich ermächtigt, Ihnen zu sagen, daß ebensowenig wie
Frankreich auch Rußland gegenüber einer territorialen Vergrößerung
Österreich-Ungarns auf der Balkanhalbinsel teilnahmslos bleiben werde.
Er stellt mit Befriedigung fest, daß nach Ansicht der Regierung der
Republik, Frankreich bei einer derartigen Eventualität nicht uninteressiert
bleiben könnte. In diesem Sinne ist die kaiserliche Regierung sehr ge-
neigt, im Einvernehmen mit den Pariser und Londoner Kabinetten das
Verhalten zu erwägen, das gegebenenfalls nötig werden könnte.“
307
Nr. 703.
Der Botschafter in London Fürst von Lichnowsky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. io83. London, den i5. November 1912.
Sir A. Nicolson bemerkte bei einer gelegentlichen Konversation, die
Haltung Österreichs in der gegenwärtigen Krise verdiene größte Aner-
kennung. Wien habe gegenüber serbischen Provokationen in bewunderns-
werter Weise würdevoll Ruhe bewahrt. £)ie Serben hätten sich durch
ihren lärmenden Größenwahn alle Sympathien entfremdet. Ihre arro-
gante Sprache werde jedoch von den Großmächten am besten als komi-
sche Leistung angesehen*).
Lichnowsky.
Randbemerkung Kaiser Wilhelms II.:
*) Donnerwetter.
Schlußbemerkung des Kaisers:
Gut.
Nr. 704.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Ki-
derlen an den Botschafter in Wien von Tschirschky.* 2)
Konzept von der Hand des Kommissarischen Hilfsarbeiters von Bergen.
Nr. 752. Berlin, den i5. November 1912.
Der bisherige serbische Gesandte in Konstantinopel3) hat mich sua
sponte aufgesucht und mir die bekannten Wünsche vorgetragen. Ich
habe daraufhin sehr ernst mit Herrn Nenadowitsch gesprochen und ihm
geraten, wenn der Siegesrausch verflogen, Wasser in seinen Wein zu tun.
Bitte dem Grafen Berchtold vorstehendes streng vertraulich und
mit der Bitte um Geheimhaltung der hiesigen Anwesenheit von Nenado-
witsch mitzuteilen.
Kiderlen.
x) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 385, S.346.
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 372, S. 33o.
3) Nenadowitsch.
3o8
Nr. 705.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
von Kiderlen an den Gesandten in Belgrad
Freiherrn von Griesinger.1)
Konzept.
Nr. i35. Berlin, den i5. November 1912.
Der dortige österreichisch-ungarische Gesandte ist angewiesen worden,
sich der serbischen Regierung gegenüber wie nachstehend zu äußern:
Serbien habe sich bei seinem Konflikte mit der Türkei, in dessen
Verlaufe es einen Teil des Sandschak und weite Gebiete in Mazedonien
besetzt habe, wohl davon überzeugen können, daß Österreich-Ungarn
sich keineswegs von feindlichen oder selbst nur unfreundlichen Gefühlen
gegen Serbien habe leiten lassen, vielmehr durch seine friedfertige und
in betreff der Munitionsdurchfuhr sogar wohlwollende Haltung den
Beweis großen Entgegenkommens erbracht habe. Wenn nun Öster-
reich-Ungarn gegen einen bedeutenden Gebietszuwachs Serbiens keinen
Einspruch erhebt und die Herstellung eines besseren wirtschaftlichen
Verhältnisses wünscht, so wäre es wohl eine falsche Politik, wenn
Serbien durch übertriebene, fremde Interessen störende Ansprüche die
Aussicht auf ein dauernd gutes Verhältnis mit der Mon-
archie in Frage stellen wollte.
Österreich-Ungarn anerkennt Serbiens Wünsche, seine Unabhängigkeit
in jeder Richtung gewahrt zu sehen und sich hierzu einen Verbindungs-
weg mit dem Meere zu sichern. Dieser Wunsch setzt aber nicht not-
wendigerweise eine territoriale Vergrößerung bis an die Adria voraus,
welche die Schaffung eines lebensfähigen, autonomen Albaniens un-
möglich machen würde. Serbien könne seinen Zweck der Sicherstellung
seiner Verbindung mit dem Meere auch auf andere Weise erreichen
und, wenn es glaube, in dem Besitz einer eigenen Küste seine vitalen
Interessen zu erblicken, deren Befriedigung in dem Erwerb
eines Hafens des Ägäischen Meeres finden. —
Ew. pp. bitte ich, sich an maßgebender Stelle in ähnlichem Sinne
auszusprechen.
Kiderlen.
1) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 371, S. 33o.
309
Nr. 706.
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Belgrad, den 16. November 1912.
Nr. 44.
Infolge der neuerdings abgegebenen Erklärungen des russischen Ge-
sandten, der Mäßigung und Zurückhaltung empfahl und davor warnte,
auf die unbedingte Unterstützung Rußlands bei allen Forderungen, ins-
besondere der des Adriahafens, zu rechnen* 2), herrscht hier eine geradezu
verzweifelte Stimmung. Herr Jowanowitsch3) erklärte meinem öster-
reichischen Kollegen, die Regierung sei gegenüber der Militärpartei ohn-
mächtig, man nötige Herrn Paschitsch zur Abdankung und liefere den
König der Militärpartei aus. Was daraus entstehe, dafür könne niemand
gutstehen.
Wenn auch nach dem, was hier an Chauvinismus in den letzten
Tagen auch von Mitgliedern der Regierung geleistet wurde, die Ent-
täuschung leichter verständlich ist, so scheinen mir trotzdem die Äuße-
rungen Jowanowitsch’ gegenüber Herrn von Ugron zunächst ein Bluff,
um Österreich-Ungarn entgegenkommender zu machen.
Griesinger.
Nr. 707.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an das Auswärtige Amt.4)
Entzifferung.
Telegramm. Wien, den 17. November 1912.
Nr. 125. (eingetroffen am 18. November).
Ganz vertraulich.
Graf Berchtold hat keine guten Nachrichten aus Serbien. Eine offi-
zielle Antwort der serbischen Regierung auf die Schritte des Herrn
Ugron ist bisher noch nicht eingetroffen. Aus einem Gespräch, das
österreichischer Gesandter mit Sektionschef Jowanowitsch, dem zukünf-
tigen serbischen Gesandten, hier gehabt hat, geht aber hervor, daß die
Serben auf ihrem intransigenten Standpunkt verharren und den Kopf
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 384, S.345.
2) Vgl. Nr.i2 373, S.33i, Fußnote*).
s) Generalsekretär im Ministerium des Äußern.
4) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 3go, S. 353.
3io
höher tragen als je. Dazu kommt die maßlos freche Sprache der
serbischen Presse und das unqualifizierbare Verhalten der Serben gegen-
über dem österreichisch-ungarischen Konsul in Prisren1).
Herr von Jowanowitsch hat Herrn von Ugron unter anderem noch
gesagt, Herrn von Paschitsch und dem König seien die Hände gebunden,
da die Kriegspartei das Heft in Händen habe. Würde Paschitsch nach-
geben wollen, so würde er sofort abtreten müssen, und das neue
Ministerium würde aus dieser Kriegspartei genommen werden2).
Griechenland hat sich, wie Graf Berchtold mir in Übereinstimmung
mit der Meldung unseres Gesandten in Athen sagte, ganz auf seiten der
Serben gestellt.
Italien ist, wie mir der Minister weiter sagte, wie immer unzuver-
lässig. Der italienische Gesandte in Belgrad3) habe zwar offiziell sich
im gleichen Sinne wie sein österreichisch-ungarischer Kollege Herrn
von Paschitsch gegenüber ausgesprochen, nach Erfüllung seines
amtlichen Auftrages aber den serbischen Minister der
Freundschaft Italiens versichert. Die italienische Presse fange
auch an, gegen Österreich-Ungarn zu schreiben, und er habe selbst den
Eindruck, als ob auch auf Marquis di San Giuliano nicht unbedingt
Verlaß wäre. Allerdings glaube und hoffe er, daß wenn es zum Äußer-
sten kommen sollte, man wenigstens Neutralität von Italien
werde erwarten können.
Es frage sich nun, welche Haltung Österreich-Ungarn gegenüber dem
unnachgiebigen Standpunkt Serbiens beobachten solle. Der englische
Vorschlag, alles gehen zu lassen bis zu einer dortseitig gewünschten Kon-
ferenz, halte er nach wie vor für gefährlich. Für eine direkte Pression
auf Serbien habe er momentan keine genügende Handhabe, um so
weniger, als Sektionschef Jowanowitsch den Wunsch ausgesprochen habe,
nochmals mit Herrn von Ugron sprechen zu können. Er wisse nicht
recht, wie er die Sache anfassen solle. (!?) Von eminenter Wichtigkeit
sei natürlich die Stellung Rußlands. Es sei ihm gewiß nicht sympa-
thisch, den Weg nach Belgrad über Petersburg zu nehmen, aber es frage
!) Kurz Yor dem 18. November 1912 hatte sich in Wien das Gerücht verbreitet,
daß die Serben nach ihrem Einzug in Prisren den dortigen österreichischen Konsul
Dr. Prochaska mißhandelt hätten. Das Gerücht fand dadurch Nahrung, daß die ser-
bischen Militärbehörden keinerlei Telegramme von und nach Prisren durchließen, und
daß auch einem k. und k. Beamten, der zur Aufhellung des Schicksals des Konsuls
nach Prisren entsandt wurde, Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden. Erst nach
längerer Zeit stellte sich heraus, daß dem Konsul Prochaska kein Leid widerfahren war;
zunächst aber war durch den Fall Prochaska die Stimmung in Wien gefährlich erregt
worden. Auf den engen Zusammenhang zwischen der Affäre Prochaska, ihrer Resonanz
in Wien und der Anordnung militärischer Maßregeln weist auch General von Auffen-
berg in seinem Erinnerungsbuche „Aus Österreichs Höhe und Niedergang“, S. 2iof.
hin. Vgl. noch Th. von Sosnosky, Die Balkanpolitik Österreich-Ungarns seit 1868. II,
292 f., 296; H. Friedjung, Das Zeitalter des Imperialismus III, 224 f.
2) Vgl. das vorige Aktenstück.
3) N. Squitti.
3ii
sich, ob es angehe, Rußland ganz zu übergehen, und ob es doch nicht
angezeigt wäre, sich vorher Klarheit über Rußlands Absichten zu ver-
schaffen.
Er habe den Gedanken dem Erzherzog-Thronfolger heute früh unter-
breitet, ob es sich nicht empfehlen würde, einen Vertrauensmann an
Kaiser Nikolaus zu entsenden, der die Aufgabe haben würde, nicht etwa
Rußland um Einwirkung auf Serbien zu bitten, aber dem Zaren die
Sachlage klar auseinanderzusetzen und an seine Friedensliebe zu appel-
lieren. Es komme ihm besonders darauf an, in Petersburg den Ein-
druck nicht aufkommen zu lassen, als wolle Österreich das kleine Ser-
bien überfallen, um das schuldlose Opfer zu vergewaltigen. Der Erz-
herzog habe diesen Vorschlag gutgeheißen. Der Minister war sich über
die Nützlichkeit dieses Schrittes noch nicht klar und fragte mich um
meine Meinung. Ich habe mich selbstverständlich jeden Ratschlusses
enthalten, glaube aber, daß er eine Äußerung des Berliner Kabinetts
darüber, wie man dort eine solche Mission nach Petersburg beurteilen
würde, gern hören werde1).
Der Minister äußerte zum Schluß, er mache sich über den Ernst der
Lage keine Illusion, aber auch der Erzherzog sei der Ansicht gewesen,
daß man sich von den Serben nicht alles gefallen lassen könne, und daß
insbesondere die Frage des serbischen Hafens am Adriatischen Meer
für Österreich von vitalem Interesse sei.
„Unter einer Bedingung allerdings,“ fuhr der Minister fort, „würde
ich die ganze Hafenfrage fallen lassen, wenn wir Valona bekommen
könnten* 2). (?!) Das würde unsere Stellung an der Adria so stärken,
daß wir den Serben ruhig den Hafen gönnen könnten. Allerdings glaube
ich, daß dieser Wunsch nicht erfüllbar ist, schon mit Rücksicht auf
Italien.“ Tschirschky.
Nr. 708.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.3)
Geheimtelegramm Nr. 36g. Paris, den 4-/17- November 1912.
Fortsetzung von Telegramm Nr. 368.
In einer Unterredung über die französische Antwort auf meine Mit-
teilungen hinsichtlich des österreichisch-serbischen Streitfalles antwortete
x) Vgl. auch Auffenberg-Komarow, Aus Österreichs Höhe und Niedergang, S. 217!:.
2) Zu einem ähnlichen Standpunkte bekannte sich sogar General von Conrad, Aus
Meiner Dienstzeit II, 338. Kriegsminister Auffenberg wäre auch ohne Valona für
einen serbischen Hafen am Adriatischen Meer zu haben gewesen; siehe seine Tage-
buchaufzeichnung zum 6. November, Aus Österreichs Höhe und Niedergang, S. 2i3f.
Gegen die serbischen Wünsche war nach Auffenbergs Angaben (a. a. 0., S. 2i5) vor
allem der Erzherzog-Thronfolger.
3) Iswolski Bd.II, Nr. 567, S.346.
312
Poincare, es sei ihm, selbst rein privatim, unmöglich, das Verhalten
Frankreichs bei einem aktiven Eingreifen Österreichs genau festzulegen,
falls ihm nicht vorher von der kaiserlichen Regierung Nachricht über
deren eigene Absichten zugegangen sei. „Rußlands Sache ist es,“ sagte
er, „in einer Angelegenheit die Initiative zu ergreifen, bei der es der am
meisten interessierte Teil ist. Frankreichs Aufgabe ist es, ihm seinen
nachdrücklichsten Beistand zu leisten. Ergriffe die fran-
zösische Regierung ihrerseits die Initiative, so liefe sie Gefahr, den
Absichten ihres Verbündeten zuvorzukommen.“ Um ihn über den Grad
unserer Mitwirkung nicht im geringsten im Zweifel zu lassen, glaubte
ich auf eine Stelle in den Instruktionen des Herrn Sasonow an den
russischen Gesandten in Belgrad hinweisen zu müssen, wo gesagt ist,
Frankreich und England hätten offen erklärt, daß sie keineswegs ge-
sonnen seien, sich durch den Konflikt mit dem Dreibund entzweien zu
lassen. „Im großen und ganzen,“ fügte Poincare hinzu, „läuft alles
auf die Erklärung hinaus: wenn Rußland in den Krieg
geht, wird Frankreich dasselbe tun, weil wir wissen, daß
in dieser Sache Deutschland hinter Österreich stehen
würde.“ Auf meine Frage, ob er den Standpunkt Englands in der frag-
lichen Angelegenheit kenne, antwortete Poincare, nach seinen Informa-
tionen werde das Kabinett von London sich für den Augenblick darauf
beschränken, Rußland seine volle diplomatische Unterstützung zu ver-
sprechen, was aber nötigenfalls eine nachdrücklichere
Hilfe nicht ausschließen würde.
Iswolski.
Nr. 709.
Der Botschafter von Petersburg Graf Pourtales
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. St. Petersburg, den 17. November 1912.
Nr. 276. (pr. den 18. November)
Herr Sasonow, welcher noch vor kurzem Neutralisierung der Donau-
Adria-Bahn und eines Hafens am Adriatischen Meer (San Giovanni di
Medua) als „vielleicht mögliche Lösung“ österreichisch-serbischen Kon-
flikts bezeichnete, erklärte gestern, er habe Überzeugung gewonnen, daß
Serbien auf diese Lösung nicht eingehen, vielmehr unter allen Um-
ständen auf Besitz genannten Hafens und schmalen Landstreifens zur
Verbindung mit demselben bestehen werde. Minister glaubt aber, es
werde von Serbien zu erreichen sein, daß dies sich verpflichte, den Ha-
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 387, S, 347.
3i3
fen nicht zu befestigen und keine Kriegsschiffe dort zu halten, auch auf
weitere Häfen sowie auf größeres Stück von Albanien zu verzichten.
Herr Sasonow behauptete übrigens, daß der von Serbien bean-
spruchte Landstreifen größtenteils von Serben bewohnt
werde. Eine Lösung auf vorstehender Basis hält er daher
für billig und hofft, daß auch wir im Interesse der allgemeinen Be-
ruhigung für angängig halten würden, unserem Verbündeten diese Lö-
sung zu empfehlen1). Ich habe dem Minister, welcher mich bat, in die-
sem Sinne zu berichten, versprochen, seine Äußerungen zu übermitteln,
aber dabei ausdrücklich betont, ich wüßte nicht, wie meine Regierung
sich zu seinem Wunsch stellen werde, da es immerhin, wie er selbst zu-
geben müsse, heikel sei, auf einen Verbündeten in einer Angelegenheit,
in welcher wichtige Interessen für ihn auf dem Spiele stehen, einwirken
zu wollen.
Ich fand Herrn Sasonow gestern eher pessimistisch. Er fürchtet vor
allem, daß Österreich-Ungarn beim Erscheinen der Serben an der
Adriatischen Küste dieselben mit Gewalt werde vertreiben wollen und be-
merkt: „Wenn das eintritt und Österreich-Ungarn auf diese Weise der
Verbündete der Türkei im Kampfe gegen einen slawisch-orthodoxen
Staat wird, dann stehe ich bei Stimmung hiesiger öffentlicher Meinung
für nichts.“ Pourtales.
Nr. 710.
Der Botschafter in London Fürst von Lichnowsky
an das Auswärtige Amt.a)
Entzifferung.
Telegramm. London, den 18. November 1912.
Nr. i84.
Mein russischer Kollege sagte mir heute, die russische Note nach Bel-
grad sei noch viel schärfer ausgefallen als die der hiesigen Regierung. Im
Ausland werde aber der Einfluß Rußlands in Serbien sehr überschätzt,
und namentlich jetzt nach den Erfolgen ihrer Waffen hätten die Serben
erklärt, sich von jeglicher Vormundschaft befreien zu wollen, sowohl von
der russischen als auch der österreichischen. Es sei daher schwer be-
rechenbar, was sie in dem bestehenden Streitfall mit Österreich beschlie-
ßen würden. Glücklicherweise seien die Beziehungen zwischen Sasonow
und Grafen Berchtold, wie ersterer dem Grafen Benckendorff hier ver-
sichert hat, ausgezeichnet und vertrauensvoll, was für die friedliche Bei-
legung aller streitigen Fragen sehr ins Gewicht fiele. 1 2
1) Vgl. dazu Sasonows Telegramm an Graf Benckendorff vom 17. November. Der
Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis, ed. Fr. Stieve, II, 347.
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 386, S. 346.
3i4
Wenn noch Verhältnisse herrschten wie zur Zeit Aehrenthal-Iswolski,
so würde die Lage viel bedenklicher sein. Wenn Österreich sich der Be-
setzung des Sandschaks widersetzt hätte, so würde die Petersburger
Regierung dem Drang der öffentlichen Meinung kaum haben Wider-
stand leisten können. Wegen Albaniens aber, das nach übereinstim-
mender Meinung aller Großmächte selbständig werden solle, werde nie-
mand Krieg führen wollen. Auch die hiesige Regierung wolle absolut
keinen Krieg und habe die österreichischen Wünsche in Belgrad unter-
stützt, weil sie wußte, daß eine andere Haltung die Kriegsgefahr nicht
unwesentlich hätte verschärfen können.
Schließlich meinte noch Graf Benckendorff, daß der gewöhnlich gut
unterrichtete bulgarische Gesandte1) sich dahin geäußert, daß seine
Regierung zwar Konstantinopel nicht behalten und nicht einmal ein-
nehmen wolle, da sie der Ansicht sei, daß Bulgarien es. ..* 2) „verdauen“
könne, bzw. die Folgen einer Besetzung, Blutvergießen, kirchliche (schis-
matische) Schwierigkeiten usw. fürchte, daß aber das siegreiche Heer...3
es nicht bald gelänge, zwischen Türkei und Bulgarien ein direktes Ein-
vernehmen herzustellen, ein ganz unberechenbarer Faktor sei und unter
Umständen der bulgarischen Regierung seinen Willen auf nötigen würde.
Lichnowsky.
Nr. 711.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.4)
Telegramm. Paris, den 5./i8. November 1912.
Nr. 372.
Zu Telegramm Nr. 369.
Zur Vermeidung jeden Mißverständnisses und angesichts der Bedeu-
tung der Frage, glaubte ich Herrn Poincaré mein Telegramm Nr. 369
vorlesen zu sollen, dessen Wortlaut er vollkommen gebilligt hat. Er hat
mich nur gebeten, die Bedingungen, unter denen Frankreich Krieg füh-
ren würde, genau anzugeben. „Es ist selbstversändlich,“ sagte
er mir, „daß Frankreich in dem bestimmten Falle, durch
den der im Bündnis vorgesehene casus foederis gegeben
ist, losmarschieren wird, d. h. wenn Deutschland Öster-
reich mit Waffengewalt gegen Rußland unterstützt.“
Iswolski.
x) Madjarow.
2) Zifferngruppe fehlt; wahrscheinlich „schwer“ oder „kaum“.
3) Zifferngruppe fehlt; wahrscheinlich „falls“.
4) Iswolski Bd. II, Nr. 56g, S. 347.
3i5
Nr. 712.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
vom 5./i8. November 1912.
Nr. 324.
Ihr Telegramm Nr. 2607* 2) erhalten.
Nicolson hat mir ein Telegramm Buchanans vorgelesen, welches über
Ihre letzten Unterredungen mit den Vertretern Deutschlands und Öster-
reichs berichtet. Er hat mir den Inhalt der Antwort mitgeteilt, die Grey
Buchanan zu geben gedenkt. Grey mißt der grundsätzlichen Klärung der
albanischen Frage die größte Bedeutung bei. Nicolson hat diesen Punkt
betont, da er glaubt, es wäre nicht möglich, mit Erfolg auf
Österreich einzuwirken, wenn man ihm nicht gleichzei-
tig beruhigende Erklärungen über den Standpunkt der
Mächte, Rußland einbegriffen, in der albanischen Frage
geben könne. Ich habe geantwortet, daß Sie in einem Telegramm,
dessen wesentlichen Inhalt ich Grey mitgeteilt habe, bereits die Mög-
lichkeit eines albanischen Uferstaates zugegeben hätten. Nicolson meinte,
man müsse dies in Wien erklären; er betrachte es als den wichtig-
sten Punkt und hoffe sehr, daß Sie keine Einwendungen dagegen
erheben werden. Ich glaube in der Tat, daß, dies im Hinblick auf den
Hauptpunkt Ihres Télégrammes Nr. 2 54o3) sehr wünschenswert ist.
Der Standpunkt: „Der Balkan für die Balkan Völker“ wird
sicherlich auch den Albanern gegenüber angewandt wer-
den. Die Unnachgiebigkeit der Serben macht hier keinen guten Ein-
druck. In Anbetracht der schweren Folgen, die die jetzige Lage nach
sich ziehen kann, ist die wichtigste, vielleicht die entscheidende Bedin-
gung, was England anlangt, die, daß abgesehen von der größtmöglichen
Übereinstimmung in den wichtigsten Fragen alles vermieden werde,
was als eine serbische Provokation ausgelegt werden
könnte und daß unsere Unterstützung nur unter dieser Bedingung er-
folge; auf diese Weise würden wir die Verantwortlichkeit für eine aggres-
sive Politik so weit als irgend möglich auf Österreich zurückfallen lassen.
Der Ton Serbiens und Montenegros ruft schon den Ein-
druck hervor, daß die österreichische Regierung sich
ruhig, sogar geduldig zeigt. Diesem Umstande messe ich die
größte Bedeutung bei. Diese Erwägung wird in meinem Schreiben, das
Sie mit dem Kurier erhalten werden, weiter entwickelt.
Benckendorf f.
x) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 723, S.492.
2) Den Text siehe in: ,,Der Diplomatische Schriftwichsel Iswolskis“ II, 347, Nr. 568.
3) Den Text siehe: ebenda, II, 343, Nr. 563.
3i6
Nr. 713.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm. Paris, den 5./i8. November 1912.
Nr. 374.
Tittoni hat sich in seinem eigenen Namen, aber wahrscheinlich mit
Zustimmung seiner Regierung Poincare gegenüber zugunsten eines Aus-
gangs Serbiens nach Antivari durch montenegrinisches Gebiet aus-
gesprochen und ferner für einen Zugang nach San Giovanni di Medua
oder einem anderen südlicheren Hafen durch albanisches Gebiet, wobei
dieser letztere Hafen und die Eisenbahn neutral zu bleiben hätten. Tit-
toni glaubt, Österreich werde dieser Lösung zustimmen. Italien wird,
wie er sagte, gegen jedes wirtschaftliche Privileg Österreichs energisch
protestieren. Hinsichtlich der Abgrenzung des zukünftigen autonomen
Albaniens ist seiner Versicherung nach Italien an keine Verpflichtung
gebunden und hinsichtlich einer Unterstützung der Absichten des Drei-
verbandes vollständig frei. Das „Echo de Paris“ hat heute neue und
sehr scharfe Erklärungen von Paschitsch gegenüber seinem Korrespon-
denten veröffentlicht. Poincare und Tittoni sind sehr beunruhigt über
die Maßlosigkeit des Herrn Paschitsch, die eine scharfe Abwehr von
seiten Österreichs zur Folge haben kann.
Iswolski.
Nr. 714.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.* 2)
Geheimtelegramm. Paris, den 6./19. November 1912.
Nr. 375.
Tittoni hat mir bestätigt, daß der Plan zur Lösung der österreichisch-
serbischen Streitfrage, den ich in meinem Telegramm Nr. 374 ausein-
andergesetzt habe, gemeinsam mit San Giuliano von ihm ausgearbeitet
worden ist. Er hat ihn durch folgende Einzelheiten ergänzt: Der Sand-
schak wird zwischen Serbien und Montenegro, das außerdem Skutari
erhält, geteilt. Serbien erhält für seinen Handel zwei Ausgänge nach
dem Adriatischen Meer, einen auf montenegrinischem Gebiet bei Antivari
und den anderen an der albanischen Küste. Eventuell käme sogar
Durazzo in Betracht. Dieser Hafen und die dorthin führende Eisenbahn
1) Iswolski Bd.II, Nr. 570, S. 348.
2) Iswolski Bd.II, Nr. 571, S. 348.
3i7
werden neutralisiert. Österreich erhält kein wirtschaftliches Monopol.
Tittoni setzte hinzu, Italien habe sich nur hinsichtlich der Autonomie
Albaniens durch die Zusage gebunden, daß es keinen territorialen
Zugang Serbiens zum Adriatischen Meer dulden werde.
In allem anderen hat es freie Hand und ist bereit, auf Österreich besänf-
tigend einzuwirken. Es glaubt, im Falle der Einmütigkeit der Mächte
werde Österreich dem obenerwähnten Plan zustimmen und hat Nach-
richten erhalten, daß man in Wien damit einverstanden ist, Albanien der
gemeinsamen Kontrolle Europas zu unterstellen. Heute wurden im
„Petit Parisien“ die unversöhnlichen Erklärungen Paschitschs abermals
veröffentlicht. Das kann Österreich nur reizen und die Lösung der
Frage erschweren. Zum Schluß sagte Tittoni mir, daß der von ihm
vorgeschlagene Plan Grey offiziell mitgeteilt sei und von diesem vollauf
gebilligt werde.
Iswolski.
Nr. 715.
Graf Mensdorff an Graf Berchtold.x)
Telegramm. London, den 20. November 1912.
Londoner Presse nimmt fast insgesamt entschieden gegen die ser-
bischen Prätensionen Stellung.
Nr. 716.
Der Botschafter in Rom von Jagow
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Rom, den 20. November 1912.
Nr. 1176.
Antwort auf Telegramm Nr. 194.
Minister des Äußern glaubt, daß Demarche in Belgrad dortige Er-
regung erhöhen, daher eher schädlich wirken würde, und zur Zeit besser
unterbliebe, zumal Österreich und Italien schon in wiederholten Erklä-
rungen ihre Vorbehalte betreffend Aktion Serbiens gemacht hätten.
Jagow. * 2
Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. n3, S.62.
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 4oi, S. 366.
3i8
Nr. 717.
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.’)
Ausfertigung.
Nr. 326. St. Petersburg, den 20. November 1912.
(pr. 22. November).
Herr Sasonow ist nicht nur von mir, sondern auch von meinem öster-
reichisch-ungarischen und englischen Kollegen sowie vom italienischen
Geschäftsträger auf die von Herrn von Hartwig einem Diplomaten in
Belgrad gegenüber getanen Äußerungen*) **) angeredet worden. Der Mi-
nister hat auf das entschiedenste erklärt1), daß Herr von Hartwig eine
solche Sprache nie geführt habe2) : „Vous pouvez dire de Hartwig, ce
que vous voulez, mais vous ne pouvez pas dire qu’il est un imbécile3)“.
Es sei eine Verleumdung, daß Herr von Hartwig Äußerungen getan
haben solle, wie sie von ihm erzählt werden. Ich habe Herrn Sasonow
erwidert, es sei nicht das erstemal, daß ich von einer hetzenden Rolle,
die Herr von Hartwig in Belgrad spiele, gehört hätte. Ich erwähnte
dabei, daß beim Ausbruch des Krieges ein Mitglied einer hiesigen Bot-
schaft einer der Tripelententemächte in Gegenwart eines deutschen Se-
kretärs von den „agissements de M. de Hartwig“ gesprochen habe. Auch
sei es immerhin auffallend, daß der Gesandte Rußlands, nachdem seine
Regierung den Serben vom Kriege abgeraten habe, als einziger Diplomat
den serbischen Kronprinzen beim Ausmarsch in den Krieg ein Stück
Weges begleitet habe.
Herr Sasonow wollte dies damit erklären, daß Herr von Hartwig es
verstanden habe, sich auf sehr guten Fuß mit den Mitgliedern der ser-
bischen Königsfamilie zu stellen4). Schließlich bemerkte ich noch, daß
die Äußerungen des Gesandten, in dem vor kurzem im „Temps“ er-
schienenen Interview ebenfalls nicht gerade geeignet erschienen, auf die
Serben mäßigend einzuwirken. Auch diese Äußerung suchte der Mi-
nister zu entschuldigen, indem er sie als harmlos bezeichnete5). Ich
möchte aber doch glauben, daß der Umstand, daß vier auswärtige Ver-
treter die Haltung des Herrn von Hartwig bei ihm zur Sprache ge-
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 417, S. 388.
**) Siehe Aktenstück Nr. 699. Über taktlose Äußerungen Hartwigs weiß auch der
französische Botschafter in Petersburg Louis in einem Briefe vom 18. November zu
berichten. Danach soll Hartwig kurz vorher zu einem seiner Kollegen gesagt haben:
„L’affaire de la Turquie est faite. Maintenant c'est le tour de l’Autriche“. Ernest
Judet, Georges Louis, p. 200.
319
bracht haben, nicht ganz ohne Eindruck6) auf den Minister geblieben
ist7). F. Pourtadès.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms:
*) Si fecisti nega!
2) ? ! darum ist es noch lange nicht wahr!
3) hat niemand behauptet.
4) !
5) das ist wirklich harmlos!
6) ?
7) ! der weiß alles genau was Hartwig macht!
Schlußbemerkung des Kaisers:
Hartwig hat nur den „Bogen abgedrückt, zu dem Sasonow die Pfeile gespitzt hat“.
Im übrigen wird die obige Demarche nur den Effekt haben, daß Sasonow Hartwig
Vorsicht anrät, und wir nichts mehr von seinen hinter den Kulissen gemachten In-
trigen erfahren! Sasonow benimmt sich hierbei gerade so „louche“ wie bei Kiderlens
Klage über den Großfürsten und sein Verhalten in Nancy: „II était invité!!! *)“. Er
entschuldigt alles, weil er mitschuldig ist ! He is drifting!
Nr. 718.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in Paris. *)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den 9-/22. November 1912.
Nr. 2687.
Antwort auf Nr. 876.
Wir haben den Serben niemals unsere diplomatische Unterstützung
in der Frage des adriatischen Hafens abgeschlagen. Wir sind der An-
sicht, daß der Gedanke Poincarés, die Serben zu befriedigen, indem
man ihnen einen der Häfen Nordalbaniens unter gewissen Bedingungen
überläßt, ernsthafte Erwägung verdient und erörtert werden kann. Wir
sind Poincaré sehr dankbar, daß er dem italienischen Botschafter er-
klärt hat, Frankreich sei bereit, uns zu unterstützen.
Sasonow.
Nr. 719.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister
vom 11./2 4- November 1912 * 2).
Nr. 333.
Ich beziehe mich auf Ihre Telegramme Nr. 26603), 2684, 2685 und
2687 4).
Auf Grund meiner während der letzten Tage gemachten Beobach-
tungen glaube ich nicht, daß es möglich sein wird, von Österreich ein
*) Iswolski Bd. II, Nr. 578, S. 355.
2) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 729, S. 5oo.
3) Den Text siehe in: „Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis“ II. S. 34o,
Nr. 572.
4) Den Text siehe: ebenda, II, S.355, Nr. 578. ,
320
territoriales Zugeständnis zugunsten Serbiens in Albanien zu erlangen,
sondern meine, daß. das äußersten Falles zu erreichende ein neutralisierter
Hafen auf dem Territorium eines autonomen Albaniens sein würde. Wel-
ches immer die Stellungnahme Frankreichs sein mag, die durch unseren
Bündnisvertrag bedingt wird, wir werden, wenn wir Serbien noch weiter-
gehende Unterstützung zuteil werden lassen, doch die moralische Unter-
stützung nicht nur Englands, sondern auch Frankrsichs verlieren. Es
scheint mir, daß die öffentliche Meinung in Rußland sich vor allem von
dem Gedanken einer Revanche für 1909 leiten läßt; ich empfinde
ihn zu tief, als daß es mir erlaubt wäre, ein derartiges
Gefühl in Rußland abfällig zu beurteilen. Aber es scheint
mir auch, daß wir diese Revanche schon in weitgehendem Maße erreicht
haben und zwar dank der Politik unseres Kaisers, dessen berufener Ver-
treter Sie sind. Nicht die Furcht vor einem Konflikt mit den Balkanalli-
ierten und ihren Armeen in ihrem jetzigen Zustand hält Österreich
zurück. Rußland allein und die Stellung, die es einnimmt,
haben Österreich, dessen Programm (territoriale Ausdehnung, Sand-
schak, Saloniki) nach 1909 kein Geheimnis mehr bleiben konnte, ver-
anlaßt, darauf zu verzichten; auch ist Österreich gleichzeitig
veranlaßt worden, der Aufteilung des Balkans unter die
Alliierten und der Schaffung eines albanischen Staates unter dem
Protektorate aller Mächte zuzustimmen. Es ist mir wenigstens nicht
bekannt, daß Österreich gegen einen solchen Gedanken Einspruch er-
hoben hätte. Im Grunde genommen bedeutet dies einen völ-
ligen Umschwung der österreichischen Politik. Außerdem
hat dank der weisen und uneigennützigen Politik Ruß-
lands die ganze Balkanfrage eine unverhoffte Lösung
gefunden, ohne daß es zu einem europäischen Kriege ge-
kommen ist* Ich glaube, daß, wenn die russische öffentliche Meinung
eines Tages die Dinge in diesem Lichte erblicken wird, keine einzige
Epoche der neueren Geschichte Rußlands ruhmvoller er-
scheint. Unsere weise und uneigennützige Politik hat uns die Unter-
stützung Frankreichs und Englands und zu Anfang auch Italiens ge-
wonnen. Dieses schon erreichte Resultat aufs Spiel zu setzen, und zwar
um einer Frage von sekundärer Bedeutung willen, die im Vergleich zu
den vorhergehenden mehr dem Ehrgeiz als dem berechtigten
Interesse Serbiens erwächst, bedeutet meiner Ansicht nach das
Verlassen des bis jetzt so erfolgreich beschrittenen Weges. Und wir wür-
den vielleicht auf diese Weise unserem Gegner eine gute Gelegenheit zum
Angriff bieten, wenn sich die internationale Situation durch eine letzte
Forderung unsererseits, deren absolute Notwendigkeit wir nicht beweisen
können, zu unseren Ungunsten verändert haben wird.
Ich bitte Sie, die offene Sprache dieses Telegrammes zu entschuldigen.
Was ich Ihnen sage, ist das Resultat der Beobachtungen, die ich hier 21
21 Boghitschewitsch, Serbien II.
321
jeden Tag machen kann. Ich glaube, daß eines Tages die öffentliche
Meinung in Rußland, besser unterrichtet, sich zu den erzielten Erfolgen
wird beglückwünschen müssen. Diese Erfolge sind ohne einen Krieg
nur infolge der Autorität und des Prestiges Rußlands errungen worden.
Unter diesem Gesichtspunkt glaube ich, daß es vorzuziehen wäre, wenn
wir unseren Entschluß ganz unabhängig von den laufenden Verhandlun-
gen fassen.
Benckendorf f.
Nr. 720.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
vom 1З./26. November 1912.
Nr. 342.
Ihr Telegramm Nr. 2709 * 2) erhalten.
Obwohl Grey mich niemals gefragt hat, ob die Natur der von Ihnen
Serbien erwiesenen Unterstützung sich verändert habe, so wußte ich,
daß die in Paris gehegten Zweifel auch bis zu ihm gedrungen waren,
obwohl das Telegramm Buchanans, welches in dem meinigen Nr. 34i
erwähnt wird, deutlich das Gegenteil der Vermutung beweist. Ich habe
es deshalb für nötig befunden, Grey Ihre Antwort an Iswolski mitzu-
teilen. Er hat nur geantwortet, daß seiner Ansicht nach alle
diese Mißverständnisse zum großen Teil infolge der Hal-
tung und namentlich der Sprache, wenn nicht von Pa-
schitsch selbst, so doch der serbischen politischen Füh-
rer entstanden seien, und daß diese Sprache Nervosität
vor allem in Wien hervorrufen müsse.
Benckendorf f.
Nr. 721.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister. *)
Telegramm. Paris, den 1З./26. November 1912.
Nr. З90.
Der französische Botschafter telegraphiert aus Rom, San Giuliano halte
sich zur Annahme berechtigt, daß Österreich von allen aktiven Maß-
nahmen gegen die Serben absehen wird, selbst wenn sie Durazzo be-
setzen. Iswolski.
*) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 7З4, S.5o5.
2) Den Text siehe in: „Der Diplomatische Schriftwechsel lswolskis“ Bd. II, Nr. 583,
S. 358.
3) Iswolski Bd. II, Nr. 585, S. З60.
З22
Nr. 722.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
vom! 13./26. November 1912.
Nr. 345.
Grey hat Buchanan beauftragt, Ihnen seine Ansicht über die Veröffent-
lichung Pa-schitschs in der „Times“ mitzuteilen und Ihre Zustimmung
zu seiner beabsichtigten Erklärung in Belgrad zu erbitten. Grey ist von
Lichnowsky und Mensdorff über die Veröffentlichung befragt worden
und hat sich darauf beschränkt, ihnen zu erklären, daß er sie unzeit-
gemäß und bedauerlich finde, da diese Frage zu denjenigen
gehöre, deren Lösung die Mächte sich Vorbehalten müßten. Er fügte
hinzu, er wolle mir gegenüber nicht verheimlichen, daß diese Veröffent-
lichung der Form und dem Inhalt nach sehr verhängnisvoll
und so sehr geeignet sei, den Dingen eine schlimme Wen-
dung zu geben, daß er es für nötig halte, seine Ansicht in
Belgrad deutlich zum Ausdruck zu bringen. Grey hat weiter
nichts gesagt, aber er hofft augenscheinlich, daß Sie diesen Zwischenfall
Ihrerseits nicht ohne weiteres übergehen werden.
Benckendorff.
Nr. 723.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.s)
Ausfertigung.
Nr. 396. Wien, den 27.November 1912.
(pr. 29. November.)
Der Artikel, den die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ in ihrer
gestrigen Nummer an der Spitze des Blattes brachte* 2 3), in welchem gegen
*) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 7З6, S.5o6.
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 453, S. 4з4-
3) Der vom 26. November 1912 datierte Artikel hat folgenden Wortlaut: „Die
hiesige Börse war heute ungünstig beeinflußt durch einen Artikel der »Neuen Ge-
sellschaftlichen Korrespondenz', der sich auf eine ,besondere vorzüglich unterrichtete
Seite* beruft. Er enthält folgende tatsächliche Behauptungen: 1. Der russische Minister
Sasonow habe vor vier Tagen seinen Standpunkt in der serbischen Hafenfrage ge-
ändert. Dies ist schon deshalb unrichtig, weil die Mächte übereingekommen sind, sich
in keiner einzelnen Frage aus dem Balkanproblem zum voraus festzulegen. 2. Öster-
reich-Ungarn habe fünf Armeekorps mobilisiert. Dies entspricht nicht den Tatsachen,
wie sich jedermann aus den offiziellen Wiener und Budapester Darlegungen über-
З2З
die „Neue Gesellschaftliche Korrespondenz“ Stellung genommen wird,
hat hier überall großes Aufsehen erregt und vielfach schmerzliche Emp-
findungen ausgelöst.
Graf Berchtold berührte den Artikel gestern mir gegenüber und
meinte, er nehme an, daß die Bemerkung, daß die Mächte übereingekom-
men seien, sich in keiner einzelnen Frage aus dem Balkanproblem zum
voraus festzulegen, in erster Linie wohl Rußland gelte, „indirekt“, fügte
der Minister hinzu, „sind wir damit gewiß auch gemeint.“ Der Minister
verließ dann dieses Thema, und ich hatte keinen Anlaß, es von mir aus
fortzuspinnen.
Auch in Abgeordnetenkreisen wird die Kundgebung der „Norddeut-
schen Allgemeinen Zeitung“ eifrig besprochen, und es ist dort der Aus-
spruch gefallen, das wäre also die Ohrfeige, die Österreich für seine Hal-
tung in der Marokkofrage1) erhalte.
Unter den Journalisten wird die Auslassung der „Norddeutschen All-
gemeinen Zeitung“ allgemein dahin aufgefaßt, daß Deutschland „ab-
blase“ und nicht gesonnen sei, bis zum letzten hinter Österreich und
seiner Großmachtstellung zu stehen. Herr Steed, Korrespondent der
„Times“, hat unter anderem ausgesprochen, jetzt sei es klar, daß die
ganze Sache mit einer Demütigung Österreichs enden müsse.
Auf dem Ballplatz war man im ersten Augenblick, als die Meldung
von dem Artikel hier eintraf, ziemlich fassungslos. Da eine völlige Un-
terdrückung der Nachricht nicht tunlich erschien, man sie aber wegen
der scharfen Spitze, die man darin gegen die bisherige österreichische
Politik erblickte, im vollen Wortlaut zu geben Anstand nahm, so ent-
schloß man sich, sie in der abgekürzten Form zu veröffentlichen, wie
zeugen kann. 3. Österreich-Ungarn beabsichtige, in wenigen Tagen ein Ultimatum in
Belgrad zu überreichen. Auch diese Behauptung ist unwahr. Wie schon oben gesagt, soll
die albanische und adriatische Frage erst im Verein mit den anderen aus den Vor-
gängen am Balkan entstandenen Fragen diskutiert und geregelt werden. Es ist beson-
ders unverantwortlich, durch derartige unlautere Nachrichten die öffentliche Meinung
in einem Augenblick zu beunruhigen, in dem die Regierungen aller Großmächte ernst-
haft bemüht sind, für immerhin schwierige Fragen eine friedliche Lösung zu finden.“
Über die Genesis dieses Artikels ergeben die Akten nichts Näheres. Aus den bei
E.Jäckh, Kiderlen-Wächter, der Staatsmann und Mensch, II, 191 f. abgedruckten
Tagebuch- bzw. Brieffragmenten des Staatssekretärs erhellt, daß der Artikel einen
„kalten Wasserstrahl“ weniger nach Petersburg als nach Wien bedeuten sollte: „Mit
Wien habe ich wieder meine liebe Not! ich habe durch die ,Norddeutsche Allgemeine'
einen kalten Wasserstrahl hinspritzen müssen und nochmals betont, daß die Großmächte
übereingekommen sind, sich in keiner einzelnen Phase des Balkanproblems zum
voraus festzulegen. Graf Berchtold scheint verstanden zu haben, daß diese Mahnung
ebenso Sasonow wie ihm selbst gilt. Der Ballplatz tut ,fassungslos', und die Wiener
Presse tut ängstlich: Deutschland blase ab.“
x) Vgl. dazu Bd. XXIX und J. v. Szilassy, Der Untergang der Donaumonarchie,
S.2Ö2: „Graf Aehrenthal sagte mir (1911), daß, wenn es zu einem Feldzuge zwischen
Deutschland und Frankreich wegen Marokko kommen sollte, es ihm nicht ein-
fallen würde zu intervenieren. Er würde Deutschland dann wissen lassen, daß uns der
Dreibundvertrag hierzu nicht verpflichte, und daß die Monarchie als neutrale Macht
Deutschland viel bessere Dienste leisten könne, denn als Verbündeter.“
sie im „Fremdenblatt“ erschienen ist. Der betreffende Artikel1) wird
gehorsamst beigefügt.
Nur die „Neue Freie Presse“ hat die Auslassung der „Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung“ in extenso gebracht, weil sie den vollen Text tele-
phonisch von Berlin auf privatem Wege erhalten hatte.
Der Artikel in der „Wiener Allgemeinen Zeitung“ von gestern
abend* 2 3), den ich anderweitig vorzulegen mich beehre, gibt in etwas
freierer Aussprache die Stimmung am Ballplatz wieder.
Im heutigen „Wiener Tagblatt“ wird ein Artikel des „Pester Lloyd“
reproduziert, der, wenn auch die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“
nicht ausdrücklich darin genannt wird, doch jedenfalls die Äußerung
dieses Blattes im Auge hat. Man macht darin gute Miene nach außen
hin, beteuert nochmals die friedlichen Absichten der Monarchie und
schließt mit der durch einen Artikel der „Westminster Gazette“ genähr-
ten Hoffnung, daß die Großmächte den legitimen Standpunkt der
österreichisch-ungarischen Politik anerkennen würden.
von Tschirschky.
Nr. 724.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Botschafter in London8)
vom i4*/27. November 1012.
Nr. 27З8.
Ihr Telegramm Nr. ЗЗ9 erhalten.
Ich habe Hartwig am 7./20. November (unter Nr. 2669) folgendes
telegraphiert: Die Regierung neigt immer mehr zu einer friedlichen
*) Er lautete: „Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ wendet sich gegen die von
einer hiesigen Korrespondenz heute veröffentlichten beunruhigenden Mitteilungen und
sagt: Es ist besonders unverantwortlich, durch unlautere Nachrichten die öffentliche
Meinung in einem Augenblick zu beunruhigen, wo die Regierungen aller Großmächte
ernsthaft bemüht sind, für immerhin schwierige Fragen eine friedliche Lösung zu
finden.“
2) Der Artikel, der den Titel trug: „Der Balkankrieg. Einige Feststellungen zur
internationalen Situation“, betonte, daß die internationale Lage keinerlei Veränderung
erfahren habe, und daß Österreich-Ungarn unverbrüchlich an seinem Standpunkte
festhalte. „Was den österreich-ungarischen Standpunkt betrifft, so hat denselben Graf
Berchtold ganz unzweideutig gekennzeichnet, als er erklärte, wir seien entschlossen
unsere friedliche und wohlwollende Politik den Balkanstaaten gegenüber fortzusetzen,
solange uns das von seiten dieser Staaten ermöglicht werde. An diesem Standpunkt
halten wir nach wie vor fest, ebenso wie an den Forderungen, die wir erhoben haben,
und die sich als das Minimum unserer berechtigten Ansprüche darstellen. Ebenso sind
alle Behauptungen als durchaus unrichtig zu bezeichnen, die wissen wollen, daß wir
die Geltendmachung unserer Forderungen auf einen bestimmten Zeitpunkt verschoben
haben. Das ist schon aus dem einfachen Grund unmöglich, da es nicht von uns allein
abhängt, wie lange wir noch unsere friedfertige Politik fortsetzen können. Denn die
Erhaltung des Friedens kann nicht bloß von den Gesinnungen und Handlungen
eines Teiles gesichert werden. Es gehört auch das korrespondierende Benehmen des
anderen Teiles.“
3) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 7З7, S. Боб.
325
Lösung der Frage des serbischen Zuganges zur Adria, da diese Frage
in unseren Augen rein örtliche Bedeutung hat. Die jetzige
Haltung Serbiens schließt jedoch eine friedliche Beilegung aus. Unser
Eindruck ist der, daß die Serben nicht ernstlich auf eine Unterstützung
von seiten der Balkanalliierten rechnen können, da deren Kräfte durch
den noch nicht beendeten Krieg erschöpft sind.
Infolgedessen sind Ihr Interview und die Veröffent-
lichung Paschitschs eine Herausforderung und können
den Serben nur schaden und uns weitere Unterstützung bei der
allgemeinen Liquidation des Krieges nur erschweren. Ich bitte Sie,
Paschitsch unter Beobachtung der nötigen Vorsicht zu
ernüchtern und Interviews zu vermeiden, welche zu ungerechtfertig-
ten Kommentaren und Anschuldigungen gegen Ihre Tätigkeit führen,
welche angeblich nicht im Einklang mit unserer allgemeinen Politik stehe.
Sasonow.
Nr. 725.
Der Botschafter in Rom von Jagow
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. 459. Rom, den 27.November 1912.
Vertraulich. (pr. 3o. November.)
Ich wurde heute von Giolitti empfangen. Nachdem ich den Konseil-
präsidenten, welchen ich seit dem Friedensschluß noch nicht wieder-
gesehen hatte, zu dem glücklichen Ausgang des Krieges und den Erfol-
gen Italiens beglückwünscht hatte, frug ich ihn, wie er über die jetzige
internationale Krise denke. Er sagte, er könne sich nicht vorstellen, daß
wegen eines schmalen Landstreifens und eines kleinen Hafens ein Welt-
krieg entstehen sollte. Ich entgegnete, so würde die Sache auch von der
Gegenpartei hingestellt, man könne aber ebensogut fragen, warum die-
selbe die Forderung von Landstreifen und Hafen zu einer Frage von
Krieg und Frieden machen wolle. Das Slawentum und das hinter
ihm stehende Rußland hätten meiner Ansicht nach kei-
nerlei Recht, einen seiner Polypenarme nach der Adria
vorzustrecken. Herr Giolitti widersprach nicht, die Serben, meinte
er, hätten den Kopf verloren, er sähe in der Bildung eines „autonomen
und neutralisierten“ Albaniens die richtigste Lösung. Für diese trete er
auch ein. Ich erwiderte, ich wüßte, daß Italien sich in dieser Richtung
eingesetzt habe, die öffentliche Meinung und Presse unterstützten diese *)
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12460, S.432.
326
Politik aber nur schwächlich. Daraus, fürchte ich, würden auf geg-
nerischer Seite falsche Schlüsse gezogen. Es schiene mir wichtig, daß
man im Ausland den Eindruck habe, daß Italien ganz fest bei seiner Po-
litik stände. Wenn Italien, ich gebrauchte hier Euerer
Exzellenz Argument, die Vertretung der albanischen
Autonomie Österreich überließe, würde Albanien dem
ausschließlichen Einfluß der Donaumonarchie anheim-
fallen. Dieser Erwägung werde sich auch die öffentliche Meinung ge-
wiß nicht verschließen können. Herr Giolitti gab das vollständig zu.
Auch er betrachte die albanische Autonomie als vitales Inter-
esse Italiens und habe sich zu allen, mit denen er gesprochen, in
diesem Sinne geäußert. Er vertrete sie gerade als italienisches
Interesse. Aber auch das Land sähe dies ein. Die verschiedensten Poli-
tiker, selbst solche von der Opposition, die er in den letzten Tagen ge-
sehen, hätten das zugegeben. In der Presse habe sich anfangs, noch
unter dem Eindruck des libyschen Krieges, vielleicht der Türkenhaß und
die Sympathie für die für die Befreiung ihrer Brüder kämpfenden Ser-
ben etwas geltend gemacht. Aber die einzelnen proserbischen Stimmen
hätten, wie überhaupt die hiesige Presse, wenig oder gar keine Bedeu-
tung. Er werde jedoch — soweit sein Einfluß reiche — auf eine ent-
schiedenere Haltung der Presse zu wirken suchen.
Ich habe mit Absicht in meinen Ausführungen, die Entschiedenheit der
Regierung voraussetzend, die Haltung der öffentichen Meinung in den
Vordergrund gestellt, um den Ministerpräsidenten zu überzeugen, wie
wichtig es sei, daß Italien den eingenommenen Standpunkt mit Festigkeit
vertrete.
Herr Giolitti betonte mir übrigens im Laufe des Gespräches sein gutes
Einvernehmen mit dem Minister des Äußern; er stände mit demselben
wegen aller Fragen in fortgesetztem Meinungsaustausch und sähe ihn
jeden Morgen.
Nach meiner Beurteilung der hiesigen Lage möchte ich annehmen, daß
Italien die Autonomie Albaniens — mit der ja übrigens alle Mächte ein-
verstanden zu sein scheinen — auch weiter verteidigen wird, ohne sich
jedoch nach innen und außen durch ein allzu geschlosse-
nes Z u sam'mengehen mit Österreich oder gar den An-
schein der Vertretung österreichischer Interessen zu
„kompromittieren“. Es wird daher auch möglichst einen Ausweg
zu finden suchen, auf dem es auch den gegnerischen Forderungen ent-
gegenkommen kann, sei es, daß dieser in der Zuwendung eines „Cou-
loirs“ und Hafens direkt an Serbien oder in einer Vereinbarung zwischen
Montenegro und Serbien betreffend Mitbenutzung von San Giovanni di
Medua bestehen sollte.
327
J agow.
Nr. 726.
M. Descos, Ministre de France à Belgrad,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.1)
Belgrade, le 27 novembre 1912.
M. Pachitch me dit qu’à la suite de l’entrevue de l’Archiduc François-
Ferdinand avec l’Empereur d'Allemagne, la Légation de Serbie à Berlin
aurait été avisée que l’Autriche n’entendait point céder dans la question
du port Adriatique: en outre, elle apprenait officieusement que le Gou-
vernement allemand s’efforcerait de dégager un compromis entre les
intransigences serbe et autrichienne. En même temps, le Gouvernement
serbe était invité de Pétersbourg à garder une attitude calme et à modérer
ses prétentions. «Si l’Europq y tient, me dit M. Pachitch, nous ne ferons
point obstacle à une autonomie albanaise; nous ne prétendons point im-
poser aux Puissances notre manière de voir, mais nous avons à cœur de
défendre nos intérêts. Or une issue sur la mer Egée nous
vaudrait un conflit avec la Bulgarie, alors que le main-
tien de l’entente balkanique est le premier de nos sou-
cis;^?) Saint-Jean de Medua nous échappe puisque le Monténégro
entend porter sa frontière méridoniale jusqu’au Drin. Il nous faut donc
une autre issue sur la mer Adriatique avec une bande de territoire abou-
tissant à l’endroit que l’on voudra, pourvu qu’il s’y trouve un port. Du-
razzo a des fonds très bas, mais c’est du moins un port, et c’est pour
cela que nous le voudrions: si l’on en trouve un autre possible, plus au
nord, nous sommes prêts à l’accepter. En tout cas, nous ne cesse-
rons de nous élever contre le refus d’une issue qui ne
serait pas entièrement à nous, car il y aurait là des causes
permanentes de conflits futurs que nous désirons écarter une fois pour
toutes.» Des cos.
Nr. 727.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg. *)
Entzifferung.
Nr. 402. Wien, den 28.November 1912.
(per 29. November.)
Graf Berchtold kam heute auf die Kundgebung der „Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung“ mir gegenüber zurück1 2 3). Aus Äußerungen Mini-
1) Livre Jaune 1912, I, Nr. 296.
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 456, S. 428.
3) Vgl. Aktenstück Nr. 723.
328
sters konnte ich entnehmen, daß er davon tief und nachhaltig betroffen
ist. Er sagte unter anderem, daß die Feststellung, daß die Mächte über-
eingekommen seien, alle strittigen Punkte — auch diejenigen zwischen
Österreich-Ungarn und Serbien — bis zu einer allgemeinen Schlußab-
rechnung in suspenso zu lassen, die Begehrlichkeit der Serben
in gefährlichem Maße steigern und dort die Hoffnung
erwecken müsse, daß dann die Mächte der Entente dafür
sorgen würden, daß die Wünsche Serbiens erfüllt wer-
den würden. (!) Man werde in Belgrad auf die Schwäche Österreichs
bauen, hinter dem nicht einmal mehr dessen Verbündeter stehe. Diese
Rechnung sei zwar falsch, aber für den Frieden gefährlich.
Auch in Italien habe nach einem Bericht des Herrn von Mérey die
Auslassung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ einen „deplo-
rablen“ Eindruck gemacht. Die gesamte, nicht direkt gouvernementale
Presse jubiliere dort über die isolierten Österreicher,
nachdem es erwiesen sei, daß Deutschland sich den Westmächten ange-
schlossen habe in der Beurteilung der Lösung der zwischen Österreich-
Ungarn und Serbien bestehenden Differenzen. Der russische Botschafter
in Rom1) habe sich in gleichem Sinne geäußert.
Der Erzherzog-Thronfolger habe ihm heute früh gesagt, er könne
sich die Sprache der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ nicht er-
klären, da sie sich mit seinen in Berlin gewonnenen Eindrücken1 2) nicht
decke. Der Erzherzog habe daran die Frage geknüpft, ob denn in der
Haltung Deutschlands der Monarchie gegenüber eine Wendung einge-
treten sei. Er, der Minister, habe den Erzherzog in dieser letzteren Be-
ziehung zu beruhigen versucht3). Leider sei aber die Wirkung der
Kundgebung nach außen kaum rückgängig zu machen. Er werde den
Grafen Szôgyényi beauftragen, dahin zu wirken, daß von autoritativer
Stelle in Berlin vielleicht ein Kommentar erscheine, der den aus der
Kundgebung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ gezogenen irri-
gen Schlüssen so weit als möglich den Boden entzieht.
Ich habe dem Grafen Berchtold versichern zu können geglaubt, daß
die Absichten der kaiserlichen Regierung bei Erlaß der fraglichen Kund-
gebung jedenfalls nur die loyalsten gewesen seien, die Lösung der augen-
1) A. S. Krupensky.
2) Vgl. Nr. 12 4o5, S. 374, Fußnote **).
3) Auch der belgische Gesandte in Berlin Baron Beyens erwähnt, daß Erzherzog-
Thronfolger Franz Ferdinand am Tage nach seiner Abreise keine so bestimmte Er-
klärung von seiten Deutschlands erwartet und sich deswegen in Berlin beschwert habe.
Baron Beyens selbst sah in dem Communiqué einen klaren Beweis dafür, daß der
Kaiser, der Reichskanzler und Staatssekretär Kiderlen von leidenschaftlichem Friedens-
willen beseelt seien. Als völlig sicher stellt er in seinem Bericht hin, daß Kiderlen
unter allen Umständen einen allgemeinen Krieg vermeiden wolle: „Queis que soient les
projets que M. d. Kiderlen-Waechter qui la de grandes idées, porte dans sa tête pour
concilier à son pays les sympathies des jeunes Puissances balkaniques, un fait
absolument certain, c’est qu’il veut fermement éviter une conflagration européenne.“
Belgische Aktenstücke igo5—1914, hrsg. vom Auswärtigen Amt, S. n3.
329
blicklich gespannten Lage unter Wahrung der Interessen der Monarchie
in friedlichem Sinne herbeiführen zu helfen, und daß er versichert sein
könne, daß Deutschland nach wie vor die Bündnistreue in vollem Um-
fang zu wahren entschlossen sei.
von Tschirschky.
Nr. 728.
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften
in London und Paris.1)
Telegramm. Wien, 29.November 1912.
Wie aus den uns vorliegenden Meldungen der letzten Tage zu ersehen
ist, findet der Gedanke, Serbien einen „Korridor“ an die Adria einzuräu-
men, bei der dortigen Regierung noch immer Anklang.
Die Gründe, welche uns und ebenso auch Italien mit Rücksicht auf die
Konstituierung Albaniens veranlassen, diese Lösung unannehmbar zu
finden, sind Euer Exzellenz bekannt. Ich möchte aber darauf hinweisen,
daß dieselbe auch nicht den von Frankreich und England ebenso wie von
den übrigen Mächten angestrebten Zweck, definitiv Ruhe und Ordnung
in jenen Gebieten zu sichern, zu erreichen imstande wäre.
Ein Streifen von wenigen Kilometern Breite, der sich von Altserbien
bis an die Adria zöge, wäre — selbst wenn er sich an die montenegrini-
sche Grenze anlehnt —, ein absolut künstliches Gebilde, welches ständig
zu den verschiedensten Reibungen, Grenzkonflikten und so fort Anlaß
bieten müßte. Ebenso wäre die Sicherung dieses Korridors gegen Raub-
und Schmuggeleinfälle und dergleichen eine ständige Quelle der Unord-
nung. Was aber noch mehr ins Gewicht fällt, ist der Umstand, daß es
höchst zweifelhaft erscheinen muß, ob ein derartiger Gebietsstreifen, des-
sen Lage sich ja notgedrungen nach dem Zuge der neu zu bestimmenden
montenegrinischen Grenze und nicht nach eisenbahntechnischen Rück-
sichten richten müßte, in einem Hochgebirgsland wie Nordalbanien den
Bau einer Eisenbahn überhaupt gestatten würde. Wäre dies nicht der
Fall, so würde Serbien nicht ohne eine gewisse Berechtigung in kürzester
Zeit eine Verlegung beziehungsweise Erweiterung des ihm zugesproche-
nen Territoriums anstreben — kurz, es wäre der Keim zu neuen Kompli-
kationen gelegt, die zu vermeiden der gemeinsame Wunsch unser aller ist.
Ich ersuche Euer Exzellenz, sich beim Herrn Minister des Äußern,
falls die „Korridor“-Frage wieder zur Erörterung kommen sollte, obiger
Argumente zu bedienen.
!) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 1^2, S. 76-
33o
Nr. 729.
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg. *)
Ausfertigung.
Nr. 34i. St.Petersburg, den 29. November 1912.
(per 1. Dezember.)
Daß sich die Sprache des Herrn Sasonow jetzt wieder von dem Ton
wesentlich unterscheidet, in den er vor etwa vierzehn Tagen zu ver-
fallen begann, ist nicht nur mir, sondern auch meinen Kollegen auf-
gefallen. Der Minister selbst will dies nicht zugeben, und äußerte mir
gegenüber gestern einige Verstimmung darüber, daß, wie er aus ver-
schiedenen Hauptstädten höre, dort von einer veränderten Haltung des
St. Petersburger Kabinetts gesprochen werde. In Wirklichkeit sei von
einer solchen Veränderung keine Rede. Das Ziel der von ihm vertretenen
russischen Politik sei nach wie vor die Herstellung von solchen Zuständen
auf der Balkanhalbinsel, die Dauer versprächen und die auf lange Jahre
hinaus Bürgschaften für Aufrechterhaltung des Friedens böten. Um zu
solchen Zuständen zu gelangen, müßten aber die berechtigten Wünsche
Serbiens erfüllt werden. Deswegen sei eines der Hauptziele, die er sich
gesteckt habe: «l’emancipation de la Serbie».
Bei den Wünschen Serbiens unterschied der Minister zwischen solchen,
die aus der serbischen Eigenliebe hervorgingen, und solchen, die in Ser-
biens wahren Lebensinteressen begründet seien. Beide Wünsche unter-
stütze Rußland. Die russische Politik werde aber die Befriedigung der
Eigenliebe Serbiens opfern, wenn es gelänge, ein Mittel zu finden, um
die wahren serbischen Interessen zufriedenzustellen. Herr Sasonow er-
klärte sodann, er bleibe bei seiner Ansicht, daß es eine kleinliche und
schlechte Politik Österreich-Ungarns sei, Serbien nicht einen schmalen
Streifen Landes bis zu einem Hafen an der Adria zu gönnen. Wenn aber
das Wiener Kabinett auf diesem Standpunkt beharre und andererseits,
wie es erfreulicherweise den Anschein habe, sich geneigt zeige, die ser-
bischen Wünsche wegen eines Ausganges zum Adriatischen Meere auf
eine andere Weise zu befriedigen, so werde er sich damit zufriedengeben.
Voraussetzung dabei sei allerdings, daß Serbien alle Kautelen erhalte,
um einen neutralen Hafen an der Adria frei zu benutzen. Für die
wahren Interessen Serbiens werde Rußland mit seiner
ganzen Macht eintreten* 2).
Ich erwiderte, es scheine mir viel Aussicht vorhanden, falls sich Ser-
bien mit der freien Benutzung eines neutralen Hafens begnüge, auf
!) Die Große Politik BdL 33, Nr. 12 467, S.438.
2) Randbemerkung von Kiderlen: Rückzugsgefecht.
33i
dieser Basis zu einer Einigung zu gelangen. Nur müsse der Minister, wie
ich glaubte, seinen ganzen Einfluß aufbieten, damit Serbien diese Lösung
auch annehme.
Herr Sasonow bemerkte darauf, er bedauere, mir nicht alle Instruk-
tionen zeigen zu können, die er in den letzten Wochen nach Belgrad
gerichtet habe, ich würde mich selbst davon überzeugen können, daß er
es an sehr ernsten Mahnungen nicht habe fehlen lassen. „Sind Sie aber
auch ganz sicher,“ antwortete ich, „daß Ihre Weisungen alle ausgeführt
worden sind?“ Der Minister gab zu, daß Herr von Hartwig große
Sympathien für die Sache der Slawen habe, von leidenschaftlichem Cha-
rakter sei und sich wohl auch gelegentlich durch seine slawophilen Ge-
sinnungen hinreißen lasse: «II est slavophile comme son nom l’indique,»
fügte der Minister hinzu, «quelqu’un qui s’appelle Hartwig est toujours
plus slavophile que quelqu’un qui s’appelle Sasonow.» Es war das erste-
mal, daß der Minister mir gegenüber einige abfällige Bemerkungen über
den russischen Gesandten in Belgrad fallen ließ. Dem italienischen Ge-
schäftsträger hat Herr Sasonow vor einigen Tagen bezüglich des Herrn
von Hartwig gesagt: «Soyez tranquille, nous le tenons en main.»
Mit sichtlicher Erleichterung erwähnte der Minister die „entschieden
günstigeren Nachrichten“, die gestern aus Belgrad eingetroffen seien.
Ich halte es nicht für unmöglich, daß die pessimistische und ernste
Sprache, die wir vor vierzehn Tagen zu hören bekamen, abgesehen
von höfischen Einflüssen vielleicht auch darauf zurückzuführen ist, daß
Herr Sasonow zu zweifeln anfing, ob es ihm gelingen würde, die durch
ihre Siege berauschten Serben zur Besinnung zu bringen. Daß er in
eine äußerst schwierige, wahrscheinlich unhaltbare Lage
geraten würde, wenn zwischen Österreich-Ungarn und
Serbien der bewaffnete Konflikt ausbräche, scheint mir
unzweifelhaft. (?) Es wäre eben der vollständige Schiffbruch seiner
von sehr einflußreichen Kreisen stark angefeindeten Politik. Daß er
selbst an dieser Politik festhalten und, wenn irgend möglich, mit Öster-
reich-Ungarn zu einer Einigung gelangen möchte, scheint mir aus seiner
Haltung in den letzten Tagen deutlich hervorzugehen. (?) Der anscheinend
abnehmende Einfluß der Kriegshetzer in Zarskoje Selo und die Anzei-
chen eines Einlenkens in Belgrad haben ihm offenbar wieder den Rük-
ken gestärkt. Ich habe die von mir erwähnten Zugeständnisse an die hie-
sige öffentliche Meinung auch immer nur als ein Zeichen beginnender
Schwäche gegenüber dem wachsenden Einfluß seiner panslawistischen
Gegner angesehen. Herr Sasonow hat trotzdem immer noch versucht,
gegen den Strom zu schwimmen, und klammert sich, wie man sieht,
überall an, wo er einen Halt findet.
Man wird die schwierige Lage dieses Ministers nicht unterschätzen
dürfen, der angeklagt wird, ein Verräter an den heiligsten Traditionen
Rußlands zu sein und mit den Feinden der slawischen Sache zu pak-
332
tieren. Wir haben daher meines gehorsamsten Dafürhaltens alle Ur-
sache, Herrn Sasonow, wo sich Gelegenheit dazu bietet, zu stützen, (?!)
und es war mir in hohem Maße erwünscht, ihm gestern an der Hand
des Communiqués der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“1) nach-
weisen zu können, daß die Behauptungen über eine Änderung seiner
Politik an maßgebender deutscher Stelle als unbegründet zurückgewiesen
worden seien. Dieses Communiqué ebenso wie einige Berliner Tele-
gramme der „Kölnischen Zeitung“ hatten auf den Minister sichtlich
einen sehr angenehmen Eindruck gemacht.
Von Herrn Sasonow bin ich fest überzeugt, daß er von sich aus eine
kriegerische Politik nicht macht und eintretendenfalls wahrscheinlich
einem anderen Platz machen würde. (?!) Wenn er aber mit seiner be-
sonnenen Politik, wie zu hoffen ist, schließlich durchdringt, so glaube
ich, daß wir nur wünschen können, ihn recht lange auf seinem jetzigen
Posten erhalten zu sehen. Einen für uns besseren Minister des Äußern
werden wir hier so leicht nicht mehr bekommen, wohl aber einen schlech-
teren. (?!)
Ich bin durchaus der Ansicht, daß wir allen Grund gehabt haben,
über verschiedene Vorgänge, die sich unmittelbar nach der Entrevue von
Baltischport zugetragen haben, unzufrieden zu sein. Ich habe mir auch
gelegentlich meines letzten Aufenthaltes in Berlin erlaubt, mich dahin
zu äußern, daß es mir sehr angezeigt erscheine, diese Unzufriedenheit
Herrn Sasonow gegenüber bei seiner Durchreise durch Berlin zum Aus-
druck zu bringen. Ich glaube aber, daß es nicht gerechtfertigt wäre,
den Minister für diese Vorgänge, die ihm augenscheinlich selbst sehr un-
angenehm waren, verantwortlich zu machen. Man darf meines gehor-
samsten Erachtens nicht vergessen, mit welchen mächtigen unverant-
wortlichen Einflüssen, besonders unter der jetzigen Regierung, ein hie-
siger Minister des Äußern zu kämpfen hat.
F. Pourtalès.
x) Vgl. Aktenstück Nr. 723 Anm.3.
333
Nr. 730.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Ki-
derlen an den Botschafter in Wien von Tschirschky. 0
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Rosenberg.
Telegramm. Berlin, den 3o. November 1912.
Nr. i55. (Abgegangene am 1. Dezember.)
Antwort auf Bericht Nr. 4o2* 2).
Auch bei nochmaliger sorgfältiger Prüfung vermögen wir in Note
„Norddeutscher Allgemeinen“ nichts zu finden, was als Abrücken von
Österreich ausgelegt werden könnte. Wie für jedermann erkennbar, ver-
folgte Note einzigen Zweck, übertriebenen Alarmnachrichten beruhigend
entgegenzuwirken und — nicht zuletzt im Interesse unseres Verbündeten
— weiteres Wachsen bedenklicher Nervosität zu hindern. Wenn wir in
Note feststellen, Mobilisierung fünf österreichischer Armeekorps sei
nicht erfolgt, und Österreich beabsichtige nicht, durch Ultimatum in
Serbien militärische Operationen einzugreifen, so haben wir damit nur
wiederholt, was uns Österreich selbst versichert hatte. Daß und warum
sich Graf Berchtold ebensowenig wie Westmächte zum voraus auf be-
stimmte Lösung albanischer und adriatischer Frage festlegen wollte,
hatte der Minister Eurer Exzellenz soeben erst eingehend auseinander-
gesetzt (Bericht Nr. 386 vom 21. November3). Zu nachträglichem Kom-
mentar, der nur verwirren und neue Beunruhigung hervorrufen würde,
können wir uns hiernach nicht verstehen.
Wenn unsere Feinde die Kundgebung zur Spekulation auf Wiener
Empfindlichkeiten zu mißbrauchen suchen, so können wir dies be-
dauern, aber nicht ändern. Durch klare, unzweideutige Stellungnahme
an Seite unseres Verbündeten und bisherige ausgiebige diplomatische
Unterstützung glauben wir Anrecht erworben zu haben, daß Öster-
reich uns mit Mißtrauen verschont. Nachdem* Graf Berchtold
Sache angeschnitten, möchte ich aber Bemerkung nicht unterdrücken,
daß Fiktion Zwiespalt zwischen Berlin und Wien erst aufkommen konnte,
als unsere auch äußerlich als hochoffiziös gekennzeichnete Verlautbarung
in offiziöser österreichischer Presse ostentativ totgeschwiegen wurde.
Jedenfalls hat mich russischer Botschafter bald nach unserer Veröffent-
lichung auf diese auffällige Erscheinung angesprochen und entsprechende
Schlüsse daraus gezogen.
Bitte vorstehendes Graf Berchtold sagen. Im übrigen würde ich ge-
x) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 4^7, S. 43o.
2) Siehe Aktenstück Nr. 727.
s) Siehe Nr. 12 419.
334
wünscht haben, daß Eure Exzellenz Vorhaltungen Ministers mit sol-
chen auf der Hand liegenden Argumenten gleich von sich
aus entgegengetreten wären.
Kiderlen.
Nr. 731.
Kaiser Wilhelm II., z. Z. in Donaueschingen,
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Donaueschingen, den i. Dezember 1912.
Nr. i4.
Die türkische Nachricht über Ferdinands Angebot des Bündnisses* 2)
hat mich nicht überrascht, so wenig als seine Verräterei den Alliierten
gegenüber. Es ist ein genialer großangelegter Gedanke! Der Schutzherr
der zusammengebrochenen Türkei und der Führer der regenerierten, um
mit ihr gemeinsam sich der Russen zu erwehren und die Serben nieder-
zuhalten. Österreich muß mit Turko-Bulgarien ein Militärbündnis ma-
chen und wir mithelfen, die beiden zu stärken und zu regenerieren. Grie-
chenland und sogar Serbien werden durch dieses Mächtegewicht rettungs-
los an Österreich herangetrieben. So wird Österreich die Vormacht im
Balkan und östlichen Mittelmeer, mit Italien gemeinsam sowie der regene-
rierten beziehungsweise neu zu bauenden turko-bulgarischen Flotte ein
mächtiges Gegengewicht gegen England, dessen Weg nach Alexandrien
bedroht werden könne. Rußland ist dann im Balkan erledigt und in Odessa
bedroht. Dann sind die Dreibundmächte die Präponderanten im Mittel-
meer, haben die Hand auf dem Kalifen, damit auf die ganze moham-
medanische Welt! (Indien). Serbien dürfte gründlich lackiert sein! und
wir können unsere Türkenpolitik wieder auf nehmen.
Wilhelm I. R.
x) Die Große Politik Bd. 3i5, lNr. 12468, S.44**
2) Vgl. Nr. 12 45g. Für den Kaiser ist es ungemein charakteristisch, daß er auf
die erste, noch in keiner Weise beglaubigte Nachricht von dem bulgarischen Bündnis-
angebot und trotz der inneren Unwahrscheinlichkeit einer wirklichen Verbrüderung
zwischen Türkei und Bulgarien, die erst unter dem Drucke des Weltkrieges zustande
kommen konnte, im Nu förmliche Luftschlösser auf baute. Es zeigte sich auch dies-
mal, daß solche flüchtigen Konzeptionen von dem Auswärtigen Amte nach ihrem wahren
Werte eingeschätzt wurden. Zwar konnte das Auswärtige Amt nicht umhin, als am
a. Dezember im Anschluß an das obige Telegramm ein ausdrücklicher Befehl des
Kaisers einlief, dem Botschafter in Konstantinopel zu eindringlichster Befürwortung
der Annahme des bulgarischen Bündnisangebots bei der Pforte zu instruieren (vgl.
Nr. 12 469 nebst Fußnote*), dieser Weisung nachzukommen, es geschah aber in so
Vorsichtiger Form, daß eine Schädigung der deutschen Politik davon nicht zu be-
fürchten stand. Eine weitere Folge hat das phantastische Telegramm des Kaisers vom
1. Dezember nicht gehabt.
335
Nr. 732.
Herr von Ugron an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Belgrad, den 2. Dezember 1912.
Herr Jovanovic kam heute wieder auf die Hafenfrage zu sprechen und
sagte mir, Serbien habe sich wohl mit der Frage der albanesischen
Autonomie abfinden müssen, es könne aber auf einen eigenen Ha-
fen an der Adria unmöglich verzichten.
Nr. 733.
Aide mémoire.
Reinschrift.
Vom österreichisch-ungarischen Botschafter in Berlin Grafen Szögyenyi-
Marisch am 4- Dezember 1912 überreicht1 2).
Das Minimum der von Österreich-Ungarn als Voraussetzung der von
der k. und k. Regierung zu gewährenden Zustimmung zur Neuordnung
der territorialen Gestaltung des Balkans auf gestellten Forderungen be-
steht in folgendem:
1. Garantien, daß Serbien mit Österreich-Ungarn in Frieden und
Freundschaft leben werde.
2. Ausdrücklicher Verzicht Serbiens auf Gebietserweiterung in Albanien
oder an der adriatischen Küste und Anerkennung des einzuführen-
den Zustandes in Albanien.
3. Die freie Entwicklung Albaniens.
4. Die Befriedigung berechtigter Wünsche Rumäniens.
5. Sicherstellung der kommerziellen und verkehrspolitischen Interessen
der Monarchie in Saloniki.
An dem Wesen dieser vorstehenden Punkte hält die k. und k. Regie-
rung unabänderlich fest und ist nur bezüglich der Form ihrer Durch-
führung zu einem etwa ohne Schädigung der Sache möglichen Ent-
gegenkommen bereit; das Betreten eines Kompromißweges bezüglich
dieser Angelegenheiten ist für Österreich-Ungarn ausgeschlossen.
1) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. i45, S. 76.
2) Die Große Politik Bd. 34, I, Nr. I2 5n, S. 16.
336
Nr. 734.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
von Kiderlen an den Botschafter in London
Fürsten von Lichnowsky.1)
Konzept.
Telegramm. Berlin, den 6. Dezember 1912.
Nr. 211.
Antwort auf Telegramm Nr. 199 * 2).
Zur Verwertung.
Sir Edward Grey scheint noch immer zu glauben, wir hätten Rußland
bei bosnischer Krise durch Drohungen zum Rückzug gezwungen.
Diese Behauptung ist längst widerlegt3) und ihre Haltlosigkeit wäre
publici iuris, wenn nicht Iswolski die damals von uns wieder-
holt beantragte Veröffentlichung sämtlicher Doku-
mente konstant verweigert hätte.
Auch jetzt denkt niemand daran, Rußland zum Rückzug zu zwingen.
Donaumonarchie hat ausschließlich mit Serbien zu tun, wo sie als un-
mittelbare Nachbarin besondere Interessen mit gleichem Rechte in An-
spruch nimmt wie Frankreich seinerzeit als Herr Algeriens in Marokko,
England kraft ägyptischer Stellung in Syrien oder Arabien; Grey selbst
anerkennt, mit welcher Langmut und Mäßigung trotz fort-
gesetzter serbischer Provokation österreichische Regie-
rung Interessen ge it end macht. Sie hat Besetzung Sandschaks,
Eroberung Mazedoniens, militärisches Vordringen an Adria geduldet.
Ihre durch Lebensinteressen gebotene Forderung autonomen Albaniens,
die gleichzeitig endgültigen serbischen Territorialbesitz an Adria aus-
schließt, wird von allen Mächten, auch vom offiziellen Rußland als be-
rechtigt anerkannt. Gleichwohl hat Österreich, englischer Anregung fol-
gend, Durchsetzung selbst jener wahrlich bescheidenen Minimalforde-
rung vertagt. Dies wird auch weiter geschehen, solange ser-
bische Herausforderungen es zulassen und andere Mächte
nicht gegen Österreich Partei nehmen.
Opfer an Interessen oder Prestige werden von Rußland nicht verlangt.
Billigerweise darf aber erwartet werden, daß materiell unbeteiligtes
Zarenreich nicht Österreich an Verteidigung Existenz und Ansehen hin-
dert. Derartige selbstverständliche Reserve wäre Rückzug nur dann,
wenn Rußland sich bereits in österreich-feindlichem Sinne für übertrie-
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 482, S. 454-
2) Siehe Nr. 12 48i.
3) Vgl. dazu Bd.26, Kap.CCIV.
22 Boghitscliewitsch, Serbien II.
337
bene Forderungen Serbiens engagiert hätte. Dies trifft nach vertrauens-
würdigen Versicherungen Petersburger Kabinetts nicht zu. Wäre es der
Fall, so träfe Odium der Provokation sicherlich nicht Österreich.
Kiderlen.
Nr. 735.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. 4i5. Wien, den 6. Dezember 1912.
Ganz vertraulich.
Ich habe die erste sich mir bietende Gelegenheit ergriffen, um Euerer
Exzellenz Anregung* 2) folgend dem Grafen Berchtold im Laufe einer
vertraulichen Unterhaltung über die Lage zu sagen, daß ich das Gefühl
hätte, manches würde sich leichter gestalten in den komplizierten Ver-
handlungen der gegenwärtigen politischen Lage, wenn man sich hier
etwas präziser über die eigenen Pläne aussprechen würde.
Ich möchte hier einschalten, daß ,ich schon wiederholt, auch während
meines Aufenthaltes in Pest, dem Minister eindringlich vor Augen ge-
halten habe, daß Deutschland als Verbündeter der Monarchie, der am
letzten Ende für Österreich-Ungarn einzutreten haben würde, ein Recht
darauf habe, jederzeit darüber unterrichtet zu werden,
wohin die politische Fahrt gehe. Den Grafen Berchtold habe
ich stets bereit gefunden, auf dieses Thema einzugehen. Wenn er bisher
sich darauf nur in ganz allgemeinen Andeutungen ergangen hat, so hat
das seinen Grund nicht etwa in einer unangebrachten Zurückhaltung,
sondern, wie ich überzeugt bin, darin, daß er selbst und alle leitenden
Stellen präzise Gedanken über den Weg, auf welchem das
vorgesteckte Ziel zu erreichen sein würde, noch nicht
hatten*). Auch von seiten der maßgebendsten österreichischen Kreise
höre ich fortgesetzt, daß man sich nicht klar sei über den zu verfolgenden
Weg3) **).
Auch heute fand ich den Grafen Berchtold sofort bereit, über diese
Dinge mit mir als Vertreter Deutschlands ganz vertraulich zu sprechen.
Randbemerkungen von Kiderlen:
*) Das ist es eben.
**) Dazu wäre es aber Zeit!
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 487, S. 45g.
2) Vgl. Nr. 12461, S.435, Fußnote**).
3) Vgl. dazu Auffenberg-Komarow, Aus Österreichs Höhe und Niedergang, S.208;
Alexander Hoyos, Der deutsch-englische Gegensatz und sein Einfluß auf die Balkan-
politik Österreich-Ungarn S. 34 ff.
338
Als leitenden Grundsatz für die österreichisch-ungarische Politik bezeich-
nte der Minister die Absicht auf friedlichem Wege, womöglich mit
einem diplomatischen Erfolge, jedenfalls aber mit Ehren aus der jetzi-
gen Lage herauszukommen. Einen Krieg könnte ich natürlich leicht in
24 Stunden provozieren,“ meinte der Minister. „Das will ich aber nicht
und ich bin mir der Verantwortung, die ich dem Deutschen Reiche gegen-
über trage, vollkommen und jeden Augenblick bewußt.“ Die Sache sei
aber besonders deswegen nicht leicht, weil, wie er betonen müsse, Öster-
reich-Ungarn seine Politik Serbien gegenüber weniger als Selbstzweck
verfolge, sondern hauptsächlich als Mittel zu dem Hauptzwecke, sich
die Möglichkeit zu schaffen, die sieben Millionen Südslawen der Mon-
archie in Ruhe und Frieden als Glieder der Monarchie regieren zu kön-
nen. Ich habe, wie Euerer Exzellenz bekannt, wiederholt in meiner
gehorsamsten Berichterstattung auf diesen Hauptpunkt hingewiesen. So
klar hatte ich aber diesen Satz aus dem Munde des lei-
tenden Ministers bisher hoch nicht vernommen. Graf
Berchtold führte weiter aus, es sei dies eine Frage, die man im Auslande
nur schwer in ihrer vollen Tragweite ermessen könne*). Er selbst habe,
als er das Ministerium übernahm, keine Ahnung von der südsla-
wischen Frage gehabt**). Man müsse hier gelebt haben, um sie
zu verstehen. In Petersburg als Botschafter habe er sich stets gefragt,
warum Graf Aehrenthal der serbischen Frage ein so entscheidendes Ge-
wicht beilege und sich deshalb immer wieder mit Rußland in Gegensatz
setze und ihm in Petersburg damit unausgesetzt, wie er meinte, unnötige
Schwierigkeiten bereite. (?!) Sein Verhältnis zum Grafen Thurn sei ja
augenblicklich ganz das gleiche; auch dieser begreife nicht den hiesigen
Standpunkt. Aber je länger und genauer, er, Graf Berchtold, die Dinge
als leitender Minister hier ansehe, um so wichtiger erscheine ihm
die südslawische Frage für die Monarchie. Sie habe gerade
wieder in den letzten Tagen an Ernst gewonnen. Denn leider machten
sich in Bosnien und der Herzegowina Strömungen geltend, die direkt
gegen die Monarchie gerichtet seien und sehr zum Nachdenken***) auf-
forderten. Auch besonders Seine Majestät der Kaiser sei von diesen
Nachrichten empfindlich berührt worden. Der Kaiser habe deshalb heute
früh auch seine Zustimmung dazu gegeben, daß die dortigen Truppen-
kaders verstärkt würden, aber nur durch Stellungspflichtige und Reser-
visten aus den beiden genannten Provinzen1). Man beabsichtige da-
durch, daß man die Leute bei den Fahnen halte, sie den staatsfeind-
lichen Agitationen zu entziehen. Sollte sich diese Verstärkung nicht als
Randbemerkungen von Kiderlen:
*) Wir gewiß.
**)!!!
***) Maßregeln?
3%
!) Vgl. Nr. 12 485.
genügend erweisen, so werde man dem wiederholten Anträge des Korps-
kommandeurs entsprechend noch weitere Verstärkungen in bescheidenen
Grenzen halten, da es sich im ganzen nur um eine Erhöhung von
27000 Mann handeln würde.
Graf Berchtold kam dann weiter auf die einzelnen „pendenten“ Fra-
gen Serbien gegenüber zu sprechen. Was zunächst die albanische und die
davon abhängige Hafenfrage betreffe, so glaube er, daß Österreich-
Ungarn hierin vielleicht noch am ehesten zu einem ihm genehmen Er-
gebnis würde kommen können. Die Kooperation Italiens hierin sei von
hohem Wert, weil dadurch diese Frage den Charakter einer rein öster-
reichischen verliere und Europa, das in seiner Mehrheit ohnehin den
Standpunkt der Monarchie als berechtigt anzusehen beginne und auch
einsehe, daß Österreich in der Verfolgung dieses seines Anspruches sich
größter Geduld und Langmut befleißige, sich geneigter zeige, diese ge-
meinsame Forderung Österreichs und Italiens anzuerkennen.
Die zweite Frage sei die des Konsuls Prochaska1). Wie er mir ver-
traulich sagen wolle, enthielte der Bericht des an Ort und Stelle ge-
sandten Konsuls Edl nicht sehr Belastendes für die Serben. Daß Konsul
Edl bisher noch nicht nach Wien zurückgekehrt und sein Bericht noch
nicht veröffentlicht worden sei, geschehe auf ausdrücklichen Wunsch des
Konsuls selbst, der dringend gebeten habe, nichts zu veröffentlichen, ohne
seine mündliche Berichterstattung abgewartet zu haben. Er, der Minister,
glaube, der Bericht werde dazu führen, daß Österreich irgendeine Ge-
nugtuung zwar von Serbien werde fordern müssen, nicht aber eine
solche, die eine Demütigung Serbiens enthalten und deren Konzedierung
seitens der Serben schwierig oder unmöglich sein würde*). Auch in
dieser zweiten Frage sehe er keine unüberwindlichen Schwierigkeiten.
Viel schwieriger erscheine ihm die dritte Frage, diejenige, welche öko-
nomische und politische Garantien für eine dauernde freundliche Ge-
staltung des Verhältnisses des Nachbarstaates zur Monarchie zu fordern
und auf welchem Wege diese zu erreichen sein würden. Er müsse
bekennen, daß er zu einem klaren Bilde in dieser Be-
ziehung noch nicht gelangt sei. (?!)' Als Ideal würde ihm eine
Neutralisierung Serbiens nach belgischem Muster vorschweben, (?!) aber
er wisse wohl, daß dies nicht zu erreichen sein werde. Das beste Unter-
pfand, das die Monarchie in Händen gehabt habe, um seinen Einfluß
auf dem westlichen Balkan zur Geltung zu bringen und feindliche Vellei-
täten des slawischen Nachbarn nicht aufkommen zu lassen, habe Graf
Aehrenthal leider weggegeben, nämlich den Sandschak**).
Jetzt sei es schwer, eine Handhabe und ein wirksames Mittel zu finden.
Randbemerkungen von Kiderlens:
*) Bleibt nicht ganz verständlich!
**) Die Kanonen von Belgrad!
*) Vgl. Nr. 12390, Fußnote.
340
Eine Erklärung, wie sie Serbien schon 1909 gegeben, daß es bestrebt sein
werde, gute nachbarliche Beziehungen zur Monarchie zu unterhalten1),
sei das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben wer-
den würde. Gerade darauf müsse Österreich-Ungarn aber entscheiden-
den Wert legen, daß es nicht stets dem ausgesetzt sei, daß Serbien
die Lunte an das südslawische Pulverfaß legen könne,
wann es ihm beliebt. (!)
Es bestehe der Gedanke, Serbien durch wirtschaftliche Bande an die
Monarchie zu ketten. Das klinge zwar schön, sei aber in praxi fast ebenso
schwer, wie politische Garantien zu erlangen. Ein bloßer Handelsver-
trag werde gewiß nicht genügen, um einen radikalen Umschwung in der
serbischen Politik herbeizuführen und zu unterhalten. Sonderbegünsti-
gungen wolle und dürfe Österreich-Ungarn aber nicht sich ausbedingen*
ganz abgesehen davon, daß Serbien gutwillig sich gewiß nicht in ökono-
mische Abhängigkeit von Österreich begeben würde. So biete auch dieser
Gedanke einer Ausgestaltung der ökonomischen Beziehungen der Mon-
archie zu Serbien, um damit eine Garantie dafür zu erlangen, daß
Serbien in Zukunft in Frieden und Freundschaft mit Österreich leben
werde, große Schwierigkeiten, sobald man ihn in die Praxis umzusetzen
versuche.
Ich habe auch Gelegenheit gehabt, die Frage der von Serbien zu ver-
langenden Garantien mit anderen kompetenten Persönlichkeiten, unter
anderen hohen Militärs und Finanzleuten zu besprechen. Von keiner
dieser Stellen habe ich irgendeinen praktischen Vor-
schlag zu hören bekommen*) alle mußten bekennen, daß sie
einen gangbaren Weg unter Aufrechterhaltung des Friedens zur Zeit
nicht anzugeben vermöchten.
von Tschirschky.
Randbemerkungen von Kiderlen:
*) Gibt es auch nicht!
Nr. 736.
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Minister
des Affaires étrangères, à MM. les Ambassadeurs de
France à Londres et à Saint-Pétersbourg.*)
Paris, le 9 décembre 1912.
Le Ministre de Serbie est venu me lire un télégramme qu’il a reçu de
son Gouvernement et dont voici le résumé.
«Le Gouvernement serbe s’attend à une démarche décisive de l’Au-
trich-Hongrie dans le cours de cette semaine. Le Cabinet de Vienne
!) Vgl. dazu Bd. 26, Kap.CCIV.
2) Livre jaune 1912, II, Nr. 6.
34t
demanderait à la Serbie de renoncer à 1 accès sur la mer Adriatique.
Les armements de rAutriche-Hongrie font croire que cette démarche
pourra être suivie par des mesures militaires. Quels conseils le Gouver-
nement de la République nous donnera-t-il pour une pareille éventualité?»
A mon sens, le Gouvernement de la République devrait conseiller au
Gouvernement serbe de répondre à une injonction comminatoire de
T Autriche-Hongrie en déclarant qu'il est prêt à déférer aux avis de
l'Europe.
Veuillez pressentir, à cet égard, le Gouvernement auprès duquel vous
êtes accrédité.
Je continue, d’ailleurs, à me demander si la question
des Consuls ne fournirait pas à l'Autriche un prétexte
plus facile, si elle cherche vraiment à adresser un ulti-
matum à la Serbie.
Raymond Poincaré.
Nr. 737.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1)
Telegramm.
Paris, den
26. November
9. Dezember
Î9Î2.
Nr. 424.
Der serbische Gesandte teilte soeben Paleologue zur Weiterleitung an
Poincare mit, daß man in Belgrad im Verlaufe dieser Woche einen
energischen Schritt von seiten Österreichs erwarte, um an Serbien die
Forderung des Verzichts auf die adriatische Küste zu richten; nach den
militärischen Vorbereitungen Österreichs zu urteilen, wird diesem Schritte
eine Waffendrohung folgen. Die serbische Regierung bittet das Pariser
Kabinett, ihm einen Rat zu geben, wie auf einen derartigen Schritt zu
antworten wäre. Ich werde mich bemühen, Ihnen morgen die Ansicht
Poincares über das oben Dargelegte mitzuteilen.
Abschrift mit der Post nach London.
Iswolski.
!)Iswolski Bd.II, Nr. 6i3, S. 38o.
342
Nr. 738.
M. Paul Cambon, Ambassadeur de France à Londres,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.1)
Londres, le g décembre 1912.
Aujourd’hui le Chargé d’Affaires de Serbie à Londres a informé Sir
Ed. Grey de l’intention du Gouvernement austro-hongrois d’adresser cette
semaine au Gouvernement serbe une mise en demeure de renoncer à
toute extension en Albanie. Ce n’est plus de Consuls* 2 3) qu’il s’agit, c’est
du projet d'accès à la mer Adriatique.
Sir Ed. Grey a fait observer au Chargé d’Affaires de Serbie que les
mesures militaires de l’Autriche-Hongrie étaient prises par prévision
pour le cas où n’interviendrait pas un acoord entre toutes les Puissances.
Le Secrétaire d’Etat des Affaires étrangères a d’ailleurs insisté au-
jourd’hui auprès de mon collègue d’Àutriche-Hongrie sur la nécessité
de remettre après la conclusion de la paix le règlement des questions
intéressant son Gouvernement.
Paul Cambon.
Nr. 73g.
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.8)
Ausfertigung.
Nr. 354. St. Petersburg, den ;io.Dezember 1912.
Die hiesige Presse hat die Rede Euerer Exzellenz mit verhältnismäßiger
Ruhe aufgenommen, welche auf Einfluß der Regierung zurückzuführen
sein dürfte. Weniger zurückhaltend zeigten sich die Moskauer Blätter.
Diese haben den Passus der Rede, welcher von der Eventualität eines be-
waffneten Eintretens Deutschlands für Österreich-Ungarn handelt, zum
Gegenstand leidenschaftlicher Ausfälle gegen uns und unsere Verbünde-
ten gemacht.
*) Livre jaune 1912, II, Nr. 5.
2) Voir la note du No. 28.
3J Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 490, S. 466.
343
In Regierungskreisen war man über die Rede Euerer Exzellenz etwas
verstimmt. Sowohl Herr Kokowzow als Herr Sasonow haben sich in
diesem Sinne einigen meiner Kollegen gegenüber ausgesprochen. Der
Minister des Äußern, den ich seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen
hatte, gab mir gestern in vorsichtiger Weise zu verstehen, er hätte die
Worte betreffend eventuellen Eintritt des causus foederis „inutiles“x)
gefunden, da unser Vertrag mit Österreich-Ungarn öffentlich bekannt
sei. Ich erwiderte dem Minister, er könne nicht leugnen, und es sei selbst
von einem Teil der französischen Presse anerkannt worden, daß Euere
Exzellenz äußerst friedlich gesprochen hätte. Es sei gewiß im Interesse
des Friedens nützlich gewesen, einmal klarzulegen, welchen Gefahren
ganz Europa entgegengehe, wenn Serbien im Vertrauen auf russische
Unterstützung auf seinen ungerechtfertigten Ansprüchen beharre. Die
einzige den Frieden ernstlich bedrohende Gefahr liege in der intransi-
genten und herausfordernden Haltung Serbiens.
Herr Sasonow versicherte, daß man in Belgrad schon viel nachgiebiger
geworden sei2). Herr Paschitsch sei ein verständiger Mann und von den
besten Absichten beseelt. Auf meinen Einwand, daß der serbische Mini-
sterpräsident sich in verschiedenen Kundgebungen der letzten Zeit nichts
weniger als verständig gezeigt habe, meinte Herr Sasonow, man dürfe
solchen Kundgebungen keine übertriebene Bedeutung3) beimessen. Herr
Paschitsch habe auf eine etwas überreizte öffentliche Meinung in Ser-
bien Rücksicht zu nehmen, die sich indessen auch schon zu beruhigen
anfange.
Der Minister erklärte, er hege die zuversichtliche Hoffnung, daß sich
eine für Österreich-Ungarn annehmbare Lösung der Differenz wegen des
Adriahafens finden lassen werde, wenn nur das Wiener Kabinett ruhig
das Ergebnis der Friedensverhandlungen und der Botschafterbespre-
chungen in London abwarten wolle. Die Lage würde nur in dem Falle
gefährlich werden, wenn die österreichisch-ungarische Regierung schon
früher die Geduld verlieren und Serbien ein Ultimatum stellen sollte.
Als ich bemerkte, ich könne nicht einsehen, warum Österreich, welches
Serbien gegenüber schon so viel Langmut4) gezeigt habe*), jetzt die Ge-
duld verlieren sollte, gab Herr Sasonow zwar die ruhige und versöhn-
liche Haltung des Wiener Kabinetts zu, wies aber auf die angeblichen
umfangreichen österreichischen Rüstungen5), sowie auf das Drängen der
Wiener Militärpartei hin, welche ihm Besorgnisse einflößten.
Der Minister sprach die Hoffnung aus, daß die Botschafterbesprechun-
gen in London recht bald beginnen möchten, und betonte im übrigen,
daß er die Lage noch immer optimistisch ansehe.
*) Auch Staatssekretär von Kiderlen hat in seinem Expose vor dem Bundesratsaus-
schuß vom 28. November erklärt: „Österreich-Ungarn hat allen serbischen Provo-
kationen gegenüber bisher eine geradezu bewunderungswürdige Geduld bewiesen“.
344
Ich habe Grund anzunehmen, daß die Angst des Herrn Sasonovv vor
einem österreichischen Ultimatum auf Einflüsterungen der hiesigen
Balkandiplomaten zurückzuführen ist.
F. Pourtales.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
1) Aha!
2) ?
3) Sasonow immer lau, entschuldigend!
4) zuviel.
6) soll er lieber die Russischen betrachten.
Schlußbemerkung des Kaisers:
Schlapp, lau, launig, unbestimmt, unaufrichtig.
Slawe!
Nr. 740.
Der Botschafter in London Fürst Lichnowsky
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. London, den io.Dezember 1912.
Nr. 2o3.
Sir E. Grey, dessen Stimmung ein sicheres Barometer für den Stand
der Friedensaussichten abgibt, empfing mich heute wieder in heiterer
Laune. Der Minister erklärte sich mit Rücksicht auf den allgemeinhin
geäußerten Wunsch damit einverstanden, daß die Botschafterbesprechun-
gen hier stattfinden. Er hat dies auch bereits mehreren meiner Kollegen
heute mitgeteilt. Sir E. Grey legt besonderen Wert darauf, daß mög-
lichst bald damit begonnen werde, da er der Ansicht ist, daß alsdann
weniger Gefahr vorliegt für unerwartete Vorfälle zwischen Österreich
und Serbien. Seien einmal die Besprechungen im Gange, so sei es un-
wahrscheinlich, daß man sich in Österreich werde zu irgendeinem ge-
waltsamen Schritt hinreißen lassen, durch den die Verhandlungen unter-
brochen werden könnten. Die Haltung Österreichs flöße dem Minister
noch immer Besorgnis ein. Er zeigte mir ein Telegramm aus Wien,
worin von neuen Truppenverschiebungen an die serbische und russische
Grenze die Rede war1 2). Er wolle diesen militärischen Maßnahmen keine
1) Die Große Politik Bd. 34 (I. Hälfte), Nr. 12 523, S. 28—3o.
2) Über die militärischen Maßregeln Österreich-Ungarns vgl. Bd.33, Kap.CCLXV,
Nr. 12 485, 12 488. Die letzten, am 7. Dezember angeordneten Maßregeln be-
standen darin, daß die Bataillone des XV. Korps in Bosnien und der Herzegowina
durch Einberufung von Reservisten auf den vollen Kriegsstand gebracht wurden. Von
neuen Truppenverschiebungen an die russische Grenze war jedoch keine Rede. Auch
die von Jswolski am 9. Dezember berichtete Behauptung des französischen Kriegs-
ministers Millerand, daß die militärischen Vorbereitungen Österreichs an der russischen
Grenze die entsprechenden Vorbereitungen des Zarenreichs bei weitem überträfen
(vgl. Bd. 33, Kap. CCLXV, Nr. 12 491, Fußnote), mag allenfalls für Ende Novem-
ber zutreffen (vgl. den Bericht des Militärattaches in Wien Grafen Kageneck vom
345
übertriebene Bedeutung beimessen, man könne aber nie wissen, wohin
sie führten, namentlich da die Angelegenheit des mißhandelten Kon-
suls1) noch immer nicht beigelegt wäre.
Der Minister will dem Grafen Mensdorff, der morgen früh nach Wien
reist, weil Graf Berchtold ihn gerufen hat, noch besonders einprägen,
daß er in Wien zur Mäßigung und Ruhe raten ließe, um zu verhindern,
daß noch vor der Botschafterbesprechung sich Zwischenfälle ereigneten.
Dem serbischen Geschäftsträger2), der seinen Rat erbeten hat ange- * 12 * * * * * 18
27. November in Bd. 33, Kap. CGLXV, Nr. 12 455), war aber am 9. Dezember
überholt. Wie der französische Kriegsminister selbst zugab, handelte es sich dabei um
„vielleicht bereits veraltete Nachrichten“. Die ganz übertriebenen Besorgnisse, die
Poincaré am 11. Dezember gegenüber Iswolsky, „infolge der von allen Seiten und
aus den ernstesten Quellen zu ihm gelangenden Nachrichten über intensive Kriegs-
vorbereitungen Österreichs und über dessen in allernächster Zeit bevorstehendes aktives
Vorgehen gegen Serbien“ äußerte, werden ad absurdum geführt durch die Telegramme
des französischen Botschafters in Petersburg Louis vom 12. und 14. Dezember, die alle
österreichischen Truppenverschiebungen gegen die russische Grenze in Abrede stellen,
und durch ein Telegramm des Botschafters Dumaine in Wien vom 11. Dezember, in
dem es über die wirkliche Ursache der österreichischen militärischen Maßregeln heißt:
„La cause des armements de l’Autriche-Hongrie se précise. Des comités serbes préparent
activement une insurrection en Bosnie sans qu’on puisse savoir ici si leurs efforts ont
du succès.“ Französisches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques, II, 7 s., 9s. Am
12. Dezember konnte auch der französische Geschäftsträger in London de Fleuriau
Poincaré melden, daß Graf Berchtold tags zuvor dem englischen Botschafter
F. Cartwright gesagt habe „que le Gouvernement austro-hongrois ne prendrait aucune
initiative à l’égard de la Serbie tant que dureraient les négociations de la paix turco-
balkanique, mais que, cette paix une fois conclue, la situation changerait et au’alors
l’iAutriche-Hongrie pourrait être amenée à agir sur la Serbie si celle-ci ne consentait
à tenir compte des intérêts autrichiens“. Daselbst p.9. Daß es Graf Berchtold mit
dieser Versicherung sehr ernst war und blieb, ergibt sich aus der Antwort, die er am
9. Januar 1913 dem Generalstabschef Conrad gab, als dieser auf militärische Vor-
bereitungen gegen Serbien (Absendung schwerer Artillerie nach Semlin) drang: „Der
Kaiser hat mich diesbezüglich gefragt, ich mußte ,n e i n* sagen, weil wir uns den
Serben gegenüber verpflichtet haben, in der Zeit, während welcher sie verhan-
deln, keine feindseligen Maßregeln zu ergreifen; es wäre also Wortbruch.“ Feld-
marschall Conrad, Aus meiner Dienstzeit, III, 77. In Paris freilich erregte es die
größte Bestürzung, daß der russische Alliierte sich nicht von den kriegerischen Ten-
denzen Österreichs überzeugen lassen wollte und mit entsprechenden Maßregeln zurück-
hielt. Telegramm Iswolskis an Sasonow vom 14- Dezember; Brief an denselben vom
18. Dezember. Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis 1911—1914 ed. Fr. Stieve,
II, 388, 396 ff. Der französische Botschafter in Petersburg Louis gab sich alle Mühe,
den über die Friedensseligkeit Rußlands schwer beunruhigten Poincaré zu beschwich-
tigen, indem er in einem Brief an ihn vom £0. Dezember (R. Poincaré, Au Service
de la France, II, 397 s.) ausführte, daß bei einem österreichischen Vorgehen gegen
Serbien Rußland unweigerlich aus seiner Reserve heraustreten müsse und werde:
„Cependant il ne peut guère y avoir de doute sur la marche que suivraient les
événements, si l’Autriche entrait dans les Balkans. Il est possible au’au début, la Russie
rest immobile et laisse sa rivale engager, de ce côte, le plus de forces possible. C’est
dans ce sens qu’il faut, sans doute, comprendre ce que l’on a dit à notre attaché
militaire et que ie vous ai télégraphié: „Que l’on croit que la Russie ne ferait pas la
guerre, même si l’Autriche attaquait la Serbie“. Soyons sûrs qu’en tout cas, Nicolas II
ne laissera pas défaire ce qu’on fait ses prédécesseurs. La Russie déclare actuellementé
que sa mission est accomplie mais elle considérerait que sa mission recommence, s’il
était porté atteinte à l’indépendance des Etats balkaniques“. Vgl im übrigen auch
Bd.33, Kap.CCLXV, Nr. 12491, S.468 Anm. 1.
1) Vgl. dazu Bd. 33, Kap. CCLXV, Nr. 12 3go, Fußnote •).
2) S. J. Gruitsch.
346
sichts der Gerüchte über bevorstehende österreichische Maßnahmen, hat
der Minister zur Ruhe und Vorsicht geraten, da keine der Mächte Lust
habe, die friedliche Beilegung der Angelegenheit in Frage zu stellen, und
sich dem Spruch der Mächte zu unterwerfen.
Über die von Wien aus gestellte Bedingung hat der Minister sich an-
scheinend mit Rücksicht auf die Haltung Rußlands inzwischen beruhigt.
Er meinte, die Begrenzung Albaniens werde in einer der ersten Sitzungen
zur Sprache kommen und eine der schwierigsten Fragen bilden. Auch
möchte er, falls bis dahin alle Botschafter mit Instruktionen versehen
sind und Graf Mensdorff zurück ist, am Montag beginnen.
Lichnowsky.
Nr. 741.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1)
™ , D • j 27.November
1 elesramm. Paris, den — -r^---=— 1012.
10. Dezember v
Nr. 428.
Fortsetzung meines Telegramms Nr. 42 4«
Poincare antwortete auf die gestrige Mitteilung des serbischen Ge-
sandten, die serbische Regierung könne, wenn Österreich die Forderung
stelle, daß Serbien auf die adriatische Küste verzichten solle, antworten,
sie überlasse diese Frage der Entscheidung der Mächte. Poincare tele-
graphiert in diesem Sinne nach Belgrad, Petersburg und London.
Abschrift mit der Post nach London.
Iswolski.
Nr. 742.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.* 2)
Telegramm.
St. Petersburg, den
27. November
' w---r— 1912
10. Dezember 0
Nr. 2845.
Identisch nach Paris.
Ich telegraphiere an unseren Gesandten in Belgrad: Der serbische Ge-
sandte hat mir im Aufträge seiner Regierung mitgeteilt, man müsse
befürchten, Österreich werde im Laufe einer Woche einen entscheiden-
den Schritt tun, um Serbien zu zwingen, auf einen adriatischen Hafen
zu verzichten. Die militärischen Maßnahmen Österreichs sind, wie das
*) Iswolski Bd.II, Nr.616, S.38i.
2) Iswolski Bd.II, Nr.617, S.38i.
34?
Belgrader Kabinett glaubt, thierauf zurückzuführen. Auch wünsche
Österreich einen Vorwand zur Einmischung zu haben, um die Grenzen
der territorialen Neuverbesserungen Serbiens so weit als möglich nach
Osten zurückzudrängen und um Prizren Albanien einzuverleiben. Der
Gesandte behauptet, Österreich beabsichtige die ökonomi-
sche und politische Unterwerf ung Serbiens. (?) Die Er-
klärungen des serbischen Gesandten in Verbindung mit der unzweifel-
haft ernsten allgemeinen politischen Lage veranlassen uns, die Politik, die
wir auch in Zukunft zu verfolgen gedenken, deutlich zu präzisieren.
Alle Mächte, Österreich inbegriffen, haben beschlossen, die sich aus
dem Kriege ergebenden Fragen gemeinsam zu prüfen. In Belgrad ist
unser Standpunkt hinsichtlich der Serbien interessierenden Fragen be-
kannt. Wir sind bereit, die politische und ökonomische Emanzipation
Serbiens zu unterstützen, ebenso seinen Zugang zum Adriatischen Meer
durch albanisches Territorium, wobei ihm reale Garantien für die freie
Durchfuhr militärischer und kaufmännischer Güter gegeben werden
müssen; ebenso sind wir bereit, darauf zu bestehen, daß die Grenze Al-
baniens soweit wie möglich nach Westen verlegt wird; aber wir sind
der Ansicht, daß es nicht möglich ist, für Serbien souveräne Rechte auf
einen Teil der adriatischen Küste zu erlangen. Wir haben einem Mei-
nungsaustausch der Botschafter zugestimmt mit dem Wunsche, Serbien
in dem soeben geschilderten Umfange alle mögliche Unterstützung zu-
teil werden zu lassen. Im Interesse Serbiens teilen wir dem Wiener
Kabinett unser Programm nicht mit, sondern erklären nur, daß die un-
serem Vertreter erteilten Instruktionen versöhnlich seien und die Inter-
essen Österreichs berücksichtigen.
Wir müssen aber die Gewißheit haben, daß Serbien sich einem Be-
schlüsse, der gemeinsam von Rußland, Frankreich und England getrof-
fen werden wird, unterwerfen will, denn im entgegengesetzten Falle kann
Serbien nicht auf unsere Unterstützung zählen, da weder Frankreich noch
England es in dieser Frage unterstützen werden. Weder wir noch die uns
befreundeten Mächte können zulassen, daß die Entscheidung be-
züglich eines europäischen Krieges der serbischen Re-
gierung überlassen bleibt1). Wir glauben daher, daß das beste
Mittel, Verwicklungen zu vermeiden, eine möglichst baldige Erklärung
von seiten Serbiens wäre — diese Erklärung könnte z. B. dem englischen
Vertreter in Belgrad gemacht werden —, daß Serbien sich in der Frage
des Zuganges zum Adriatischen Meere der Entscheidung und den Rat-
schlägen der Ententemächte unterwerfen wird. Auf diese Weise würde
Serbien der Gefahr eines österreichischen Ultimatums Vorbeugen.
Sasonow.
*) Es ist dies aber trotzdem tatsächlich der Fall gewesen. Erinnert sei an den Aus-
spruch Paschitschs dem serbischen Geschäftsträger in Berlin gegenüber in Marienbad
1913. Siehe: Boghitschewitsch „Kriegsursachen“ S.65 (1919).
348
Nr. 743.
M. Dumaine, Ambassadeur de France à Vienne,
à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.1)
Vienne, le 11 décembre 1912.
La cause des armements de l’Autriche-Hongrie se précise. Des comités
serbes préparent activement une insurrection en Bosnie sans qu’on puisse
savoir ici si leurs efforts ont du succès. Mais l’irritation du Gouverne-
ment austro-hongrois est très vive et le parti militaire en profite pour
réclamer l’écrasement de la Serbie. Des colonnes volantes surveillent la
frontière. Les premiers coups de feu peuvent être échangés d’un moment
à l’autre.
Le Comte Berchtold affecte pourtant de se montrer fort calme. Il
s’étonne de l’émotion générale, sans vouloir admettre que celle-ci soit
justifiée par les mesures militaires, financières et politiques prises de
jour en jour.
Dumaine.
Nr. 744»
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères, à M. Descos,
Minister de France a Belgrade.1 2)
Paris, le 11 décembre 1912.
Votre collègue de Russie a reçu de son Gouvernement l’ordre d’insister
auprès du Gouvernement serbe afin qu’il déclare expressément et dans
le plus bref délai que «dans la question du port adriatique la Serbie se
soumettra à la décision et aux conseils des Puissances de la Triple
Entente».
Cette déclaration, d’après le Gouvernement russe, pourrait être faite,
par exemple, au Ministre d’Angleterre à Belgrade.
Veuillez appuyer énergiquement la démarche de M. de Hartwig, en
indiquant toutefois que la Serbie devrait s’en rapporter à l’arbitrage de
l’Europe et non pas seulement de la Triple Entente. Quelles que soient
nos sympathies pour la Serbie, nous ne saurions la soutenir dans une
prétention qui l’expose à un ultimatum immédiat de l’Autriche. Elle sait
d’ailleurs qu’elle peut compter sur notre concours pour
défendre, devant l’Europe, la cause de son émancipation
politique et économique.
Raymond Poincaré.
1) Livre jaune 1912, II, N0.10.
2) Livre jaune 1912, II, Nr. 9.
349
Nr. 745.
Streng vertrauliches Schreiben des russischen Außen-
ministers an den russischen Botschafter in London1)
3o. November
VOm i3.Dezember J912-
Nr. 848.
Die in London gleichzeitig mit der Botschafterkonferenz beginnenden
Friedensverhandlungen zwischen den kriegführenden Mächten werden es
wahrscheinlich für Sie notwendig machen, in eine ständige und ziemlich
enge Fühlungnahme mit letzteren zu treten. Ich halte es deshalb für er-
forderlich, Ihre Aufmerksamkeit erneut auf die Ihnen schon aus der
vorhergehenden Korrespondenz bekannten allgemeinen Richtlinien zu
lenken, welche wir unwandelbar den Balkanstaaten und der Türkei gegen-
über befolgen.
Wie während des Krieges alle unsere Bestrebungen darauf gerichtet
waren, den Krieg zu lokalisieren, da hierdurch für die Balkan-
alliierten die günstigsten Bedingungen in ihrem Kampf mit dem gemein-
samen Feind geschaffen wurden, so sind wir jetzt, da es sich um die
Friedensbedingungen handelt, die der Krise auf dem Balkan ein Ende
setzen sollen, bemüht, das Resultat des Krieges möglichst zu
lokalisieren, mit anderen Worten, die Einmischung der Mächte in
den abzuschließenden Friedensvertrag soweit wie irgend möglich zu be-
schränken.
Einerseits rechnen wir mit der Notwendigkeit, der besonderen Stellung
Österreichs Rechnung zu tragen, sowie denjenigen seiner Interessen, zu
deren Verteidigung es auf die Unterstützung seiner Bundesgenossen rech-
nen kann; gleichzeitig aber haben wir es uns zur Aufgabe gestellt, uns
dem wahrscheinlichen Streben Österreichs entgegenzusetzen, alle Mittel
zu benutzen, um für sich einen vorherrschenden oder sogar ausschließ-
lichen Einfluß zu erlangen.
Diese Grundlage der uns gestellten Aufgaben zieht sich wie ein roter
Faden durch alle Fragen, für die eine Lösung gefunden werden muß.
Sie wird nicht durch eine vorsätzliche Feindseligkeit Österreich-Ungarn
gegenüber hervorgerufen und noch weniger durch irgendeine ehrgeizige
Erwägung. Im Gegenteil, wir würden gerne bei einer ruhigen Beurtei-
lung der zur Diskussion stehenden Fragen nach Möglichkeit jeden Anlaß
einer unnützen Erregung ausschalten, einer Erregung, welche gefährliche
Reibungen hervorrufen kann, und unserer Bereitwilligkeit, der Eigen-
liebe Österreichs entgegenzukommen, Ausdruck verleihen. Wir sind der
Ansicht, daß wir durch ein derartiges Entgegenkommen
*) Graf Benckendorff Bd.II, Nr. 761, S. öagff.
35o
in formalen Dingen um so besser das Wesentliche der
von uns verteidigten Interessen gewährleisten können.
Aber bei Beurteilung der letzteren gehen wir von dem Standpunkt aus,
daß die Interessen der Balkanstaaten und unsere eigenen
tief begründeten Interessen es notwendig machen, den
Balkanstaaten zu einer möglichst vollständigen Nutz-
nießung der Resultate der von ihnen errungenen Siege
und der von ihnen gebrachten Opfer zu verhelfen.
Wird das Ziel erreicht, so wird dies zu einer noch nicht dagewesenejn
Stärkung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der von uns ins Leben
gerufenen Nationen führen, und, je mehr es uns gelingen wird, diese
Aufgabe zu verwirklichen, einen um so günstigeren Boden werden wir
dann in allernächster Zeit für unsere Beziehungen mit den Staaten schaf-
fen, die unsere natürlichen Bundesgenossen in Europa
sind.
Wir sind überzeugt, daß in dieser Beziehung die Interessen Frank-
reichs und Englands mit den unsrigen durchaus identisch sind.
Die Aufgabe Rußlands beschränkt sich jedoch nicht ausschließlich
auf den Schutz der Interessen der Balkanstaaten den Großmächten gegen-
über. Seinen Traditionen getreu muß Rußland die Interessen die-
ser Staaten weiter und tiefer verstehen, als sie selbst es
tun. Unter Berücksichtigung ihres natürlichen Ehrgeizes, welcher noch
unter dem Eindruck der errungenen Siege gesteigert worden ist, haben
wir uns nicht nur enthalten, unnütze Ratschläge zu erteilen, die in den
Balkanhauptstädten nur unrichtig hätten verstanden werden können, son-
dern wir haben es sogar vermieden, uns die Rolle eines aktiven Ver-
mittlers anzumaßen, wenn unter den Balkanalliierten Meinungsverschie-
denheiten entstanden. Wir haben aber keine Gelegenheit Vorbeigehen
lassen, ohne sie freundschaftlich darauf hinzuweisen, daß sie sich selbst
untereinander verständigen und zu einer Einigung kommen müßten, da
ihre Uneinigkeit nur ihren gemeinsamen Gegnern zum Nutzen gereichte.
Unseres Erachtens wäre es am günstigsten, bei den Verhandlungen der
Alliierten mit der Türkei gemeinsam die Abtretung eines gemeinschaft-
lichen Territoriums zu verlangen, welches alsdann unter den Alliierten
in gegenseitigem Einverständnis aufgeteilt werden sollte. Auf diese Weise
würde eine Einmischung von dritter Seite in die Bestimmung der gegen-
seitigen Grenzen der Balkanstaaten vermieden werden.
In ihren Unterredungen mit den Vertretern der Balkanstaaten bitte
ich Sie, ihre Aufmerksamkeit auf folgenden Umstand zu lenken:
Es wäre für Serbien unklug und verhängnisvoll, nicht mit
der Notwendigkeit zu rechnen, auf territoriale Erwer-
bungen an der Adria ztu verzichten. Wir sind überzeugt daß
die realen Garantien, die wir für den serbischen Zugang zu albanischen
Häfen zu verwirklichen beabsichtigen, ebenso wie die Möglichkeit, auf
35i
Grund des erwähnten Zugeständnisses Albanien vor der Befestigung
einer Vormachtstellung Österreichs daselbst zu bewahren, schon an und
für sich ernstliche Kompensationen zugunsten Serbiens bilden. Indessen
berichtet unser Botschafter in Paris in seinem Telegramm Nr. 438r)
über die ihm von Nowakowitsch * 2) geäußerte Ansicht, „daß, wenn Serbien
auf den souveränen Besitz eines adriatischen Hafens verzichte, es irgend-
welche Kompensationen in einer anderen Richtung suchen müsse, näm-
lich die Erweiterung seiner Grenzen über das in seinem Abkommen mit
Bulgarien in Aussicht genommene Gebiet hinaus bis zu einer Linie
längs des Flusses Bregalnitza zum See von Ochrida, wobei Prilep, Mo-
nastir und die Stadt Ochrida Serbien zufallen müßten“.
Es erscheint deshalb sehr erwünscht, daß auch Sie
Ihrerseits Nowakowitsch zu einem offenen Meinungsaustausch veranlassen
und ihm ganz bestimmt erklären, daß ein derartiger Standpunkt, der die
Ihnen bekannten Grundlagen des serbisch-bulgarischen Abkommens ver-
letzt, von uns weder Unterstützung erfahren, noch Sympathie fin-
den kann. Bis jetzt haben die Balkanstaaten bei allen ihren Erfolgen
einmütig und solidarisch gehandelt. Diese Einmütigkeit ist nicht nur die
Basis ihrer militärischen Erfolge gewesen, sondern auch das Pfand der
Achtung, die ihnen von Europa gezollt wurde. Sie würden alle Früchte
der von ihnen gebrachten Opfer in Frage stellen, wenn sie in wahn-
sinniger Verblendung übereinander herfallen würden.
Wenn sie dagegen nach ihrem Siege verständig und mäßig bleiben, wer-
den sowohl die Serben als auch die übrigen Alliierten so stark aus dem
Kriege hervorgehen, wie selbst die kühnsten Erwartungen
vor Beginn des Krieges dies nicht voraussehen ließen.
In demselben mäßigenden Sinn wie auf die Serben muß man auch
auf die Bulgaren ein wirken, die leider bis jetzt die notwendige Nach-
giebigkeit in ihren Beziehungen zu den Griechen und Rumänen nicht
gezeigt haben.
Das Schwergewicht der Unstimmigkeiten zwischen den Kabinetten von
Sofia und Athen ist zweifellos die Frage, wem Saloniki zufallen wird. Es
läßt sich schwer sagen, ob die beiden Mächte auf Grund der Anerken-
nung des Rechts der einen Seite auf diese Stadt zu einem direkten Ein-
vernehmen kommen werden, obwohl eine derartige Lösung natürlich am
besten der Festigung normaler Beziehungen zwischen den Alliierten nach
dem jetzigen Krieg dienen würde, folglich auch den Zielen, die wir
verfolgen. Wenn jedoch das Schicksal von Saloniki seine Lösung in einer
Internationalisierung dieses Hafens finden sollte, so müßten wir hierbei
auf solchen Garantien bestehen, welche eine Stärkung der österreichischen
Vorherrschaft daselbst unmöglich machen würden.
*) Den Text siehe in: „Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskys“, II, 385,
Nr. 622.
2) Erster Friedensdelegierter in London.
352
Es will uns scheinen, daß sowohl in dieser als auch in anderen ähn-
lichen Fragen, wenn es unmöglich erscheint, den Siegern die Früchte
ihrer Erfolge zu sichern, das beste Mittel, gegen die Vorherr-
schaft einer einzelnen Macht darin besteht, daß für alle
Mächte gleiche Vorteile und Einwirkungsmöglichkeiten
geschaffen werden.
Zur Frage der Unstimmigkeiten zwischen den Bulgaren und Rumänen
übergehend, müssen wir ernstlich beachten, was Rumänien für uns im
Zusammenhang mit der allgemeinen Lage auf dem Balkan bedeutet. Wie
Ihnen bekannt, läßt sich in der öffentlichen Meinung Rumäniens unter
dem Einfluß der Balkanereignisse eine gewisse Bewegung im
Sinne der Umwertung der früheren Werte beobachten.
Unter den politischen Führern gewinnt der Gedanke der Annäherung an
Rußland Raum, und man erkennt die Vorteile einer Herstellung mög-
lichst guter Beziehungen zu Bulgarien und den übrigen Balkanstaaten.
Indem wir die Bedeutung dieser neuen Richtung in der öffentlichen Mei-
nung Rumäniens vollauf würdigen, müssen wir uns dennoch darüber
Rechenschaft abgeben, daß ein Umschwung in der auswärtigen Politik
Rumäniens, die seit dem Berliner Kongreß nach Österreich hinneigte,
nicht auf einmal verwirklicht werden kann. Der ausschlaggebende Fak-
tor in der Bestimmung der rumänischen Politik ist der König, welcher
sowohl nach seiner Herkunft als auch nach allen seinen Traditionen bis
jetzt für einen Zusammenschluß mit Österreich ein trat, an das Rumä-
nien vielleicht auch bis zu einem gewissen Grad vertraglich gebunden ist.
Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß die letzten Ereig-
nisse auf dem Balkan auch Eindruck auf den bejahrten
Monarchen gemacht haben, welcher auch dem hohen
Gnadenbeweise von Ehrung und Vertrauen nicht unzu-
gänglich geblieben ist, mit dem ihn unser allerhöchster
Herrscher ausgezeichnet hat.
Indem wir die verschiedenen Einflüsse und Tatsachen zusammen-
fassen, die der allgemeinen Richtung des politischen Lebens in Rumänien
den Stempel aufdrücken, müssen wir zu dem Schluß kommen, daß
dieses Land zur Zeit am Scheidewege. steht und sich darüber un-
schlüssig ist, ob es bei der alten Mächtegruppe bleiben oder sich dem
eben erst im Südosten Europas in Erscheinung tretenden Kräfteverhält-
nis und der allgemeinen Entwicklung anschließen soll. Unseres Erach-
tens verlangen die Interessen Bulgariens gebieterisch die Herstellung sol-
cher Beziehungen zum Nachbarstaat, die den jetzigen Umschwung in der
öffentlichen Meinung endgültig befestigen würden. Deshalb sollte das
Kabinett von Sofia einigen durchaus nicht übertriebenen Wünschen des
Bukarester Kabinetts entgegenkommen, das zudem augenscheinlich zur
Nachgiebigkeit geneigt ist. Eine unbedeutende Grenzverbesserung mit der
Abtretung der Festung Silistria und gewisse Garantien gegen die Mög- 23
23 Boghitschewitsch, Serbien II.
353
lichkeit eines Angriffes auf die rumänische Dobrudscha würden wahr-
scheinlich das Bukarester Kabinett zufriedenstellen. Abgesehen davon
wäre Rumänien wahrscheinlich für eine gewisse Konzession an
seinen Ehrgeiz empfänglich, nämlich für die Anerken-
nung des „europäischen“ Charakters seiner Politik. Da
wir bestrebt sind, Rumänien im Rahmen des Angängigen eine derartige
Genugtuung zu verschaffen, haben wir es für tunlich befunden, den Ka-
binetten von Paris und London vorzuschlagen, dem Vertreter Rumä-
niens die Möglichkeit zu geben, auf der Botschafterkonferenz in London
gehört zu werden, damit er die einen oder anderen Wünsche Vorbringen
und Erklärungen abgeben könnte, ohne jedoch das Recht zu haben,
sich an der Diskussion zu beteiligen. Wir möchten die Aufmerksamkeit
der französischen und englischen Minister auf die oben dargelegte kom-
plizierte Lage Rumäniens lenken und darauf hin weisen, daß es wün-
schenswert sei, dieses Land nach Möglichkeit von dem Hinneigen zu
Österreich abzubringen. Diese Erwägungen lassen es uns wünschens-
wert erscheinen, daß Frankreich und England sich unserem Vorschlag
anschließen.
Was die sogenannte kuzowallachische Frage anlangt, so könnte unseres
Erachtens ihre Erörterung nur hinsichtlich desjenigen Territoriums
stattfinden, das nicht den Balkanstaaten zufällt, die ja hinsichtlich ihrer
Untertanen souveräne Rechte haben. Wenn jedoch der Vertreter Ru-
mäniens die Frage der Kuzowallachen in Albanien aufwerfen sollte, so
sind wir der Ansicht, daß man seine Erklärungen und Wünsche an-
hören und sodann darüber beraten könnte, und zwar im Zusammenhang
mit der Frage des konfessionellen und nationalen Schutzes innerhalb
der albanischen Provinz, welche unter der Souveränität des Sultans zu
bleiben hätte.
Sasonow.
Nr. 746.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den
Reichskanzler von Bethmann Holl weg.1)
Ausfertigung.
Nr. 43g.
den 10. Dezember
Wien, 7-----------r—r 1Q12.
(pr. 20. Dezember)
Graf Berchtold nahm gestern abend Gelegenheit, nach einem Diner
bei Herrn von Bilinski1 2) in ganz ungezwungener Weise über die Politik
Österreich-Ungarns in bezug auf die gegenwärtige Krisis mit mir zu
1) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12497» S-477-
2) Gemeinsamer Finanzminister Österreich-Ungarns.
354
sprechen. Der Minister beurteilte die Lage als nicht ungünstig. Es sei
begründete Hoffnung vorhanden, daß die beiden Hauptforderungen der
Monarchie, die sie Europa gegenüber aufgestellt hatte, nämlich die al-
banesische und die serbische Hafenfrage, nach den Wünschen Öster-
reich-Ungarns geregelt werden würden. Hiernach scheine ihm der erste
Teil seines Programmes — mit Ehren aus der Sache herauszukommen
— als den Umständen nach erfüllt. (!?)
Der Minister verbreitete sich im Anschluß daran des längeren über
die weitere Frage der von Serbien zu leistenden Garantien für die Zu-
kunft. Er bemerkte, daß der sichtliche Wille Serbiens, in freundschaft-
liche Verhandlungen mit der Monarchie zu treten, dieser Frage, wie ihm
scheine, ihren akuten Charakter einigermaßen genommen habe. (?) Er
beabsichtige, mit größtem Entgegenkommen den serbischen
Intentionen zu begegnen und er hoffe, auf diesem Wege jeden-
falls wenigstens vorläufig zu einem akzeptablen Ergebnis zu gelangen.
Vielleicht würde es dann möglich sein, von der Aufstellung konkreter
Garantieforderungen Serbien gegenüber abzusehen. Er gebe sich keinen
Illusionen darüber hin, daß es wohl kaum möglich sein würde, irgend-
welche wirksamen Garantien ohne einen Druck durchsetzen zu können,
der mit seinen kriegerischen Gefahren mit dem zweiten Teil seines
Programms — auf friedlichem! Wege zu bleiben — kaum vereinbar sein
würde.
Dies seien im großen und ganzen seine augenblicklichen Gedanken
über die Gestaltung seiner weiteren Politik Serbien gegenüber, wobei er
hoffe, daß die guten Dispositionen auf der anderen Seite andauern und
keine bedauerlichen Zwischenfälle, wie sie sich etwa bei der Weigerung
Serbiens, aus Albanien herauszugehen, ereignen könnten, eintreten
würden.
von Tschirschky.
Nr. 747.
Der russische Gesandte in Belgrad an den
russischen Botschafter in London.1)
Telegramm. Belgrad, den 8-/21. Dezember 1912.
Nr. 4o6.
Abschrift nach Paris.
Ich telegraphiere ins Ministerium: 2928 und Iswolski 452 erhalten.
Gerüchte über angebliche direkte Verhandlungen zwischen Serbien und
Österreich sind im Zusammenhang mit der Ernennung Jowanowitschs,
*) Iswolski Bd.II, Nr. 642, S. 4oi. Vgl. auch Aktenstücke Bd.I, Nr. 255, S. 280 und
Nr. 256, S. 281.
355
den Ugron für einen Anhänger der serbisch-österreichischen Separatver-
ständigung ausgibt, zum Gesandten in Wien entstanden. Die Wiener
Presse hat sich dieser Erfindung, an der nichts wahr ist, bemächtigt. Die
Instruktion des Gesandten besagt, er solle sich bemühen, die aus ver-
schiedenen Gründen zwischen beiden Mächten bestehenden Schwierig-
keiten zu verringern, und solle, falls die Versuche, direkt mit Serbien
abzuschließen, wiederholt werden, antworten: solche Verhandlungen seien
zu Anfang möglich gewesen; wenn Österreich protestiert hätte, wäre
Paschitsch wahrscheinlich nach Wien gekommen, um freundschaftlich
über alle strittigen Fragen zu verhandeln. Jetzt sei alles der Entscheidung
der Botschafter überlassen. Jowanowitsch hat über seine Zusammen-
kunft mit Berchtold noch nicht berichtet. Inzwischen kommen aus Wien
auf indirektem Wege Andeutungen, daß Serbien von Österreich größere
Zugeständnisse erhalten könnte, als von der Tripel-Entente. Im Verfolg
des Iswolskischen Telegramms habe ich Paschitsch sofort ernst-
lich auf die Gefahr zu offener Rücksprachen mit Wien,
aufmerksam gemacht, sowie darauf, daß sie schon zum Gerücht
einer Sonderverständigung mit Österreich geführt hätten.
Paschitsch verfaßte in meiner Gegenwart ein dringendes Tele-
gramm an Jowanowitsch, das äußerste Vorsicht empfiehlt, damit seine
Erklärungen in Wien nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen der
Mächte der Tripel-Entente geraten.
Hartwig.
Nr. 748.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
von Kiderlen an den Geschäftsträger in Wien
Prinzen zu Stollberg.1)
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Rosenberg.
Nr. 872. Berlin, den 22. Dezember 1912.
(Abgegangen am 23. Dezember.)
Auf den Bericht Nr. 43g vom 19. ds. Mts.* 2).
Auch die neuerlichen Mitteilungen des Grafen Berchtold über seine
Pläne wegen weiterer Behandlung des Balkanproblems sind, wie uns
scheint, nicht vollständig klar. Der Minister hat wieder von den
Garantien gesprochen, die ihm Serbien für die Zukunft leisten soll, ohne
auch nur andeutungsweise zu verraten, was er sich darunter vorstellt. An
einer etwas eingehenderen Aufklärung sind wir aber um so mehr inter-
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12498, S.478.
2) Siehe Aktenstück Nr. 746.
356
essiert, als die Durchsetzung dieses Teils des österreichischen Programms
nach Graf Berchtolds eigenen Worten Gefahren in sich birgt,
deren Rückwirkung auf uns eintretendenfalls kaum aus-
bleiben dürfte.
In der Angelegenheit Prochaska hat uns das dortige Kabinett über das
Ergebnis seiner Erhebungen und über seine Absichten bis zuletzt im un-
klaren gelassen. Wir haben dies hingenommen, um jeden Anschein von
Mißtrauen oder Indiskretion zu vermeiden, glauben aber, daß etwas
mehr Rücksicht und Vertrauen von österreichischer
Seite nicht nur den Beziehungen zwischen den beiden ver-
bündeten Mächten besser gerecht werden, sondern auch
der Sache dienlich sein würde.
Ew. pp. ersuche ich ergebenst, sich Graf Berchtold gegenüber bei Ge-
legenheit im vorstehenden Sinne freundschaftlich auszusprechen.
Kide rlen.
Nr. 749.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den
Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. 453. . Wien, den 28.Dezember 1912.
Ich habe den Inhalt des hohen Erlasses Nr. 872 vom 22. d. Mts.1 2)
auftragsgemäß, freundschaftlich mit Graf Berchtold besprochen. Erneut
habe ich dem Minister vorgehalten, daß wir aus den bekannten Gründen
ein Recht darauf hätten, rechtzeitig über die politischen Pläne der k. u.
k, Regierung unterrichtet zu werden, und ich bat ihn, wie schon wieder-
holt, dringend, Überraschungen uns gegenüber vermeiden zu wollen. Er
habe mir neulich zwar angedeutet, daß seine Absicht jetzt nicht mehr
darauf abziele, präzis formulierte Garantien von Serbien zu verlangen.
Immerhin sei aber nicht völlig klargestellt, wie er sich die weitere Be-
handlung des Balkanproblems denke, und es sei vor allem notwendig, die
Frage der sogenannten Garantien Serbien gegenüber völlig klarzustellen,
da diese, wie er mir ja selbst gesagt habe, Gefahren in sich berge.
Graf Berchtold beteuerte seinerseits, daß es ihm ganz fern liege, uns
etwa vor ein fait accompli zu stellen, und daß wir ja nicht glauben soll-
ten, er halte uns gegenüber irgendwelche Pläne geheim. Für ihn lie-
gen aber leider die Dinge so, daß er ein ganz bestimmtes
Programm über die weitere Gestaltung der Beziehungen
zu Serbien jetzt mit dem besten Willen nicht aufstellen
1) Die Große Politik Bd.33, Nr. 12499, S. 479*
2) Siehe das vorhergehende Aktenstück.
könne, da wohl seine Intentionen, nämlich auf fried-
lichem Wege zu einer dauernden Verständigung mit dem
Nachbar zu gelangen, festständen, daß er aber den an-
deren Fiaktor — die Hialtqng Serbiens — nicht in der
Hand habe. (!?) Auf Serbiens Stellungnahme gegenüber der Monar-
chie komme es aber in erster Linie an. Jetzt sei davon die Rede, daß
Herr Paschitsch selbst nach Wien kommen solle, um mit ihm direkt;
zu verhandeln. Sollte dieser Plan wirklich zur Ausführung kommen, so
würde er das freudig begrüßen, (!?) denn er glaube, daß auf diesem
Wege am sichersten die Basis für ein dauernd gutes Verhältnis mit Ser-
bien zu erreichen sein würde. (?) Er wiederhole, daß er von der Auf-
stellung bestimmter Garantien, die Serbien gutwillig nicht würde geben
können, abzusehen gedenke. Worauf er aber bestehen müsse, sei eine
Klarstellung Serbien gegenüber in dem Punkte, daß einer serbi-
schen Propaganda vom Königreiche aus in den serbi-
schen Ländern der Monarchie für die Zukunft ein Riegel
vorgeschoben würde. Man habe seinerzeit, sagt Graf Berchtold,
als sich die rumänische Propaganda in Siebenbürgen stark fühlbar
machte, die Absicht gehabt, eine Erklärung von Rumänien zu verlangen,
daß es sich verpflichte, in Zukunft dieser Propaganda Einhalt zu tun.
Die Ausführung dieser Absicht sei durch den Anschluß Rumäniens an
die Zentralmächte damals unnötig geworden, denn seitdem hätten die
Wühlereien von Bukarest aus in den rumänischen Gebieten Ungarns so
gut wie ganz auf gehört. (?) Vielleicht könne man sich mit einer solchen
Erklärung von Serbien begnügen.
Der Minister klagte im Anschluß hieran lebhaft über die serbi-
schen Umtriebe in den südslawischen Provinzen, die
stellenweise geradezu terroristisch wirkten. So sei es er-
wiesen, daß die serbische Partei im bosnisch-herzegowinischen Landtage
sich von den Drohungen aus Belgrad so weit habe einschüchtern lassen,
daß sie infolge derselben gegen das Eisenbahngesetz gestimmt habe.
Auch sei ermittelt worden, daß die serbischen Hetzer aus dem König-
reiche in Briefwechsel in Chifferschrift mit ihren Hel-
fershelfern diesseits der Grenzen ständen. Der Landes-
kommandierende General Potiorek habe, um der wachsenden Agitation
entgegenzutreten, zu dem Mittel gegriffen, die jungen Leute und älteren
Reservisten unter die Fahnen zu rufen, damit sie den revolutionären Ein-
flüssen entzogen würden. Dieses „ganz verzweifelte Mittel“,
wie sich Graf Berchtold ausdrückte, könne aber doch auf die Dauer
nicht angewandt werden. Dann wäre es noch besser, den Ausnahme-
zustand zu proklamieren, was auch tatsächlich erwogen werde.
von Tschirschky.
358
Nr. 750.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Botschafter in London.1)
Geheim telegramm.
Nr. 484-
Paris, den
20. Dezember 1912.
2. Januar 1918.
Ich telegraphiere an das Ministerium: Ergänzung zu Nr. 483.
Da Take Jonescu darauf besteht, daß Rußland, Frankreich und Eng-
land einen Druck auf Bulgarien ausüben, sagte mir Poincare, seiner An-
sicht nach könnten im Hinblick auf die ganz bestimmte Erklärung Ru-
mäniens, daß es im Kriegsfälle auf seiten Österreichs stehen werde, die
Mächte des Dreiverbandes den erbetenen Dienst nur unter der Bedingung
leisten, daß Rumänien seinerseits ihnen positive Garantien gebe, wenn
auch nur in Form eines Versprechens, neutral zu bleiben. Gebe Rumä-
nien ein solches Versprechen, so könnten Rußland, Frankreich und Eng-
land Bulgarien erklären, sie seien, falls es sich Rumänien gegenüber so
nachgiebig wie nötig zeige, bereit, die Initiative zu Schritten zu ergreifen,
um von der Pforte die Abtretung Adrianopels zu erwirken1 2 3).
Auf meine Frage, an welche Schritte er denke, sagte Poincare, sie
könnten den Charakter eines gemeinsamen Vorgehens aller Mächte
haben, und der französische Botschafter in Konstantinopel fahre fort zu
glauben, daß ein solches Vorgehen, durch das Erscheinen eines inter-
nationalen Geschwaders im Bosporus verstärkt, aller Wahrscheinlichkeit
nach von Erfolg sein werde, da, wie Bompard glaube, die Pforte dann
genügende Gründe habe, um das Nachgeben zu rechtfertigen.
Bitte um Weisung.
I s wolski.
Nr. 751.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.8)
Geheimtelegramm.
^ . _ 22. Dezember 1012.
Paris, den—r—T^---
4. Januar 1910.
Nr. 6i5(?).
Als Datum für die Emission der serbischen Anleihe ist der 12. Januar
neuen Stils festgesetzt worden. Die 2Öo Millionen Franken werden auf
einmal emittiert, aber die Banken erheben im voraus auf die Summe
1) Iswolski Bd.III, Nr.660, S.20.
2) Ein der Großmächte unwürdiger Kuhhandel! Wieder ist die Frage aufzuwerfen:
Wenn das Deutschland getan hätte? D.V.
3) Iswolski Bd.III, Nr. 663, S.22.
359
75 Millionen Franken zum Eintausch gegen die in ihrem Besitz befind-
lichen Bons. Dagegen verpflichten sie sich, diese 75 Millionen Franken
während 3 Monaten zurückzuhalten, um den Markt nicht zu stark zu be-
lasten. Der Zinsfuß beträgt 5 0/0. Der Emissionskurs beläuft sich auf
93,250/0. Der serbischen Regierung fließen 84,75 0/0 zu.
Iswolski.
Nr. 752.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in London.1)
Geheimtelegramm.
St. Petersburg, den
26. Dezember 1912.
8. Januar 1913.
Nr. 3i33.
Iswolski telegraphiert unter Nr. 494 • Ich habe Ihre Nr. 3097 erhalten.
Bezüglich des Inhaltes sagte mir Poincare, daß seiner Meinung nach Ser-
bien von der Notwendigkeit, das adriatische Ufer zu räumen, erst nach
Beendigung der Arbeiten der Konferenz und nach Entscheidung aller
übrigen Fragen unterrichtet werden sollte, weil er fürchte, sonst werde
die Erbitterung Serbiens über die Mächte des Dreiverbandes noch zu-
nehmen.
Sasono w.
Nr. 753.
Graf Mensdorff an Graf Berchtold.* 2)
London, 9. Januar 1913.
Ich beehre mich, den Text der Note vorzulegen, welche die hiesige ser-
bische Gesandtschaft in Angelegenheit der Zurückziehung der serbischen
Truppen von der adriatischen Küste nach Friedensschluß an Sir E. Grey
gerichtet hat.
Beilage.
Légation Royale de Serbie.
La Serbie, désirant prouver combien elle respecte la volonté unanime de
l’Europe et combien de sacrifices elle est prête à faire dans l’intérêt de
la paix européenne, fait la déclaration suivante:
En son temps, après la conclusion de la paix et après le règlement
des questions qui s’y rattachent, la Serbie se soumettra à la volonté de
x) Iswolski Bd. III, Nr.668, S. 25.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 228, S. 124.
36o
l’Europe et retirera des rivages serbes de l’Adriatique ses troupes qui, au
prix d’efforts surhumains et d’énormes sacrifices, ont reconquis ses an-
ciens territoires bordant sur la mer Adriatique, territoires dont la posses-
sion lui aurait garanti des communications libres avec les autres Etats.
Mais en supportant ces incalculables sacrifices, représentées par tant
de sang versé, par la perte de ses meilleurs fils, la Serbie s’attend à ce
que les Grandes Puissances estimeront à leur juste valeur l’importance de
ces sacrifices — auxquels la Serbie ne se résigne que dans
l’intérêt de la paix européenne — et qu’elles ne permettront
pas que d’autres sacrifices lui soient demandés, car après tous ceux
qu’elle a déjà supportés, elle n’aura ni la possibilité ni les moyens d’en
faire de nouveaux, et lui en demander serait la forcer au désespoir et
créer une situation dont les conséquences ne pourraient pas
être p ré vu es.
8. janvier 1912.
Nr. 754.
Der russische Geschäftsträger in Paris an den
russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm. Paris, den 3./i6. Januar 1913.
Nr. i3.
Beziehe mich auf mein Telegramm Nr. 7. Abschrift durch Post nach
London.
Paléologue ist wieder auf die Rolle Italiens zu sprechen gekommen und
hat gesagt, er habe aus ganz geheimer Quelle eine Bestätigung seiner mir
gestern gemachten Mitteilungen erhalten. Zwischen Rom und Wien und
Rom und Berlin hat in den letzten Tagen ein sehr lebhafter Meinungs-
austausch stattgefunden, wobei die Consulta jegliche Verständigung mit
uns über ein gemeinsames Vorgehen entschieden in Abrede gestellt hat.
Frankreich hält es für erforderlich, in seinen Beziehungen zu Italien
äußerst vorsichtig zu sein und ihm nichts Geheimes anzuvertrauen.
Sewastopulo.
Nr. 755.
Graf Berchtold an Graf Mensdorff in London.■*)
Telegramm. Wien, 18. Januar 1918.
Euer Exzellenz sind ermächtigt, einer Mitteilung an den serbischen Ge-
schäftsträger, daß die Mächte von dem serbischen Versprechen, die adriá- * 2
x) Iswolski Bd.III, Nr. 681, S.3o.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 243, S.i32.
361
tische Küste zu evakuieren, Akt nehmen, unter dem ausdrücklichen Vor-
behalte zuzustimmen, daß die bezügliche Erklärung im vollen Wortlaute
des gemeldeten Botschafterbeschlusses erfolge.
Es hätte somit dem serbischen Geschäftsträger nicht einfach gesagt zu
werden, daß die Mächte von dem serbischen Versprechen Akt nehmen,
sondern es müßte hierzu bemerkt werden, daß nach der überein-
stimmenden Willensäußerung der Mächte Serbien nicht
allein die albanesische Küste, sondern auch das albanesi-
sche Gebiet, sobald die Grenzen Albaniens von den Mäch-
ten bestimmt und der serbischen Regierung notifiziert
sein werden, zu räumen haben werde.
Nr. 756.
Der russische Geschäftsträger in Paris an den
russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm. Paris, den 9-/22. Januar 1913.
Nr. 26.
Persönlich. Äußerst geheim. Wie mir Paleologue vertraulich mit-
teilte, hat er aus äußerst geheimer, aber durchaus zuverlässiger Quelle
erfahren, daß der italienische Botschafter in Wien sich im Aufträge
seiner Regierung vor- oder vorvorgestern mit der Anfrage an Berchtold
gewandt habe, warum Österreich sich über seine Absichten
nicht ausspreche. Der Minister entgegnete, Österreich gebe des-
wegen keine Erklärungen darüber ab, weil es die Absicht habe, die Unter-
handlungen mit Serbien unter vier Augen zu führen. Auf neues Drängen
des Botschafters antwortete der Minister, daß es die Friedensverhandlun-
gen mit der Türkei stören könnte, wenn Österreich sich jetzt über die
Forderungen aussprechen sollte, die es Serbien zu stellen beabsichtige.
Durch diese Erklärung überaus beunruhigt, hat die italienische Regierung
dem Berliner Kabinett davon Mitteilung gemacht, das darauf geantwortet
hat, ihm sei nichts über die Absichten Österreichs bekannt. Paleologue
fügte hinzu, auch Poincare sei durch diese Nachrichten äußerst be-
unruhigt. Sewastopulo.
1) Iswolski Bd.III, Nr. 692, S.37.
362
Nr. 757.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
vom 9-/22. Januar 1913.
Nr. 221).
Nr. Persönlich und streng vertraulich. Der König hat Gambon am
Montag nach dem Diner den letzten Besuch des Prinzen Heinrich von
Preußen geschildert. Cambon erzählte es mir. Gestern abend sagte mir
der König in Gegenwart Gambons, er wolle mir das gleiche erzählen und
fügte hinzu: „Vertraulich.“
Prinz Heinrich hat nur einige Stunden in Sandringham verbracht.
Er hat den König um die Erlaubnis gebeten, ihm eine Frage stellen zu
dürfen. „Welches wäre im Fall eines Krieges die Haltung Englands?“
fragte er. Der König hat ihm geantwortet: „Unter gewissen Umständen
wird England ,bestimmt4 mit Rußland und Frankreich Zusammengehen.44
Nachdem der Prinz sein lebhaftes Erstaunen ausgedrückt hatte, erwiderte
er, die Sache wäre so wichtig, daß er seinen kaiserlichen Bruder sofort
davon benachrichtigen müsse. Der König hatte nichts dagegen einzuwen-
den. Nach seiner Rückkehr nach Berlin hat der Prinz dem König ge-
schrieben, daß der Kaiser ebenso erstaunt gewesen sei; er hat hinzu-
gefügt, daß am Tage seiner Unterhaltung mit dem König Lord Haldane
genau dasselbe dem Fürsten Lichnowsky gesagt habe. Der König sagte
mir, daß in Verfolg des oben geschilderten Gespräches der Prinz die
Meinung geäußert hätte, daß ein fester Freundschaftsbund zwischen
Deutschland und England unbesiegbar wäre und das politische Programm
beider Länder bilden sollte. Der König gab zur Antwort, daß es sich für
ihn und für England um eine Ehrensache handle, daß er in dieser Hin-
sicht nur einen relativen Unterschied zwischen unterschriebenen Bündnis-
verträgen und Freundschaften, welche nicht unterschriebene Bündnisver-
träge seien, machen könne, daß sein Vater während einer neunjährigen
Regierung die Ententen mit Frankreich und Rußland gegründet habe,
daß er nach einer nur zweijährigen Regierung nicht daran denken könne,
sie zu erschüttern, und daß er beabsichtige, sie uneingeschränkt aufrecht-
zuerhalten. Der König hat hinzugesetzt, daß er seit diesem Tage von der
mäßigenden Rolle des Berliner Kabinetts, die ihn sehr freue, ganz be-
friedigt sei.
Benckendorff. i)
i) Benckendorff Bd. III, Nr. 833, S.52.
363
Nr. 758.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in London.1)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den 16./29. Januar 1913.
Nr. i36.
Identisch nach Paris.
Sehr geheim und ganz vertraulich.
Teilen Sie ganz vertraulich Grey folgendes mit:
Als sich seinerzeit herausstellte, daß zwischen Österreich und Rumä-
nien eine Kriegskonvention bestand, kamen Rußland und Bulgarien 1902
zu einer Verständigung, kraft deren gegen die Verpflichtung Bulgariens,
für den Fall des Krieges mit einer der Mächte des Dreibundes Hilfe zu
zu leisten, wir unsererseits Bulgarien die Integrität seines Terri-
toriums garantierten. Diese Vereinbarung hat bisher völlig zu unserem
Vorteil Bulgarien gebunden. Es wurde von uns nur das verlangt, was
wir auf Grund politischer und psychologischer Erwägungen nicht hatten
verweigern können, auch wenn keine Vereinbarung vorhanden gewesen
wäre. Jetzt aber, da Rumänien eine drohende Haltung angenommen hat,
haben wir es für unsere Pflicht gehalten, durch unseren Gesandten in
Bukarest freundschaftlich zu warnen, was Sie ebenfalls Grey sehr ver-
traulich mitteilen können. Unsererseits wäre sehr erwünscht, wenn die
Kabinette von Paris und London auch auf Bukarest einwirken wollten.
Sasonow.
Nr. 759.
Der russische Botschafter in Paris an den
rassischen Außenminister.* 2)
Geheimtelegramm. Paris, den 17./30. Januar 1913.
Nr. 4i.
Ich habe Ihre Telegramme Nr. i36—137 empfangen. Unmittelbar nach
ihrer Dechiffrierung sprach ich Jonnart und unterrichtete ihn äußerst
vertraulich über ihren Inhalt, wobei ich zur Vermeidung von möglichen
Ungehörigkeiten ihm schriftlich bloß das Wesentliche Ihrer Weisungen
an Schebeko übergab und mich mit der mündlichen Wiedergabe Ihres
!) Iswolski Bd.III, Nr. 706, S.44.
2) Iswolski Bd.III, Nr. 708, S.46.
364
Telegrammes Nr. i36 begnügte. Jonnart sagte mir, er habe bereits ein
Telegramm aus Petersburg erhalten, worin ihn G. Louis über das
Vorhandensein einer russisch-bulgarischen Konvention
unterrichtet. Jonnart war äußerst aufgeregt, sowohl über dieses
Telegramm als auch über meine Mitteilung, und unterstrich beson-
ders die Tatsache, daß die französische Regierung nichts
über unsere Verbindlichkeiten bezüglich Bulgariens ge-
wußt habe. Ich antwortete ihm, die Frage, ob eine schriftliche Kon-
vention zwischen Bulgarien und Rußland vorliege, habe gar keine Bedeu-
tung, da unsere moralische Pflicht, Bulgarien intakt zu erhalten, sich aus
der Geschichte selbst ergebe und stets eine der grundlegenden Leitsätze
unserer Außenpolitik gewesen sei. Ein Zurücktreten von dieser Verpflich-
tung bedeutete den vollen Zusammenbruch unserer Stellung im nahen
Osten, und niemand in Europa habe von Beginn der gegenwärtigen Krisis
an daran zweifeln können, daß Rußland keine territoriale Schädigung
der von ihm geschaffenen Balkanstaaten dulden würde. Auf die Bemer-
kung Jonnarts, unser militärisches Vorgehen zum Schutze Bulgariens
werde die Einmischung Österreichs und folglich auch Deutschlands
veranlassen und auf diese Weise werde „um Silistriens willen“ gar der
allgemeine Krieg entbrennen, antwortete ich, wenn Österreich uns
überfallen sollte, so bilde das noch lange keinen casus
foederis für Deutschland, weswegen ein Vorgehen Deutschlands
sich uns gegenüber als ein eigenmächtiger und durch nichts gerechtfer-
tigter Überfall auf eine befreundete Macht darstellen würde. Auf meine
Frage, ob die französische Regierung bereit sei, den von Ihnen ge-
wünschten Druck auf das Bukarester Kabinett auszuüben, antwortete
Jonnart, er werde sofort mit dem Ministerpräsidenten Rücksprache neh-
men und meine Mitteilung werde wahrscheinlich dem Ministerrat vor-
gelegt werden. Aus dem weiteren Gespräche konnte ich schließen, daß
Jonnart von der Notwendigkeit überzeugt ist, alle Anstrengungen zur Er-
mittlung einer Verständigungsbasis zwischen Rumänien und Bulgarien
zu machen, und daß er persönlich an ein Schiedsgericht denkt, von dem
während der letzten rumänisch-bulgarischen Verhandlungen wiederholt
die Rede war.
I s:wolski.
365
Nr. 760.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.1)
Brief. Paris, den 17./30. Januar 1913.
Sehr geehrter Sergej Dmitriewitsch!
Nach fast dreiwöchentlicher, ernster Krankheit, und obwohl ich mich
immer noch ziemlich schwach fühle, habe ich vor vier Tagen die Ge-
schäfte der Botschaft wieder übernommen. In Anbetracht des Ernstes
der Lage verzichte ich darauf, trotz nachdrücklichen Anratens des
Arztes, auch nur für wenige Tage nach Südfrankreich zu reisen, um mich
zu erholen. Ich bitte dringend um gütige Nachsicht mit meinem flüch-
tig hingeworfenen Briefe, in dem ich über meine Unterredungen mit
den Herren Jonnart und Poincare berichte. Trotz meiner großen Mat-
tigkeit will ich noch ein paar Worte als Erwiderung auf Ihren letzten
Brief folgen lassen. Ich erhielt ihn, als ich noch das Bett hüten mußte.
Nicht verheimlichen kann ich Ihnen, daß er mich außerordentlich er-
regt hat und mir, vielleicht infolge meines leidenden Zustandes, unver-
dientermaßen hart erschienen ist.
Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß mir nie der Gedanke gekommen
ist, Ihnen eine Anklageschrift zu senden; ich halte mich aber moralisch für
verpflichtet, Ihnen so genau wie möglich, und selbst auf die Gefahr hin,
Ihr Mißfallen zu erregen, über die hiesige Stimmung zu berichten, von
der letzten Endes im entscheidenden Augenblick diese oder jene Ent-
schlüsse der französischen Regierung abhängen können. Ich darf Ihnen
den Eindruck nicht verhehlen, welchen hier die eine oder andere Hand-
lungsweise Ihrerseits hervorgerufen hat. Zudem scheint es mir, daß es
sich im Grunde genommen dabei nicht so sehr um die Sache selbst, als
vielmehr um die Form handelt, und daß mit Rücksicht auf die äußerst
krankhafte Eigenliebe Poincares von Ihrer Seite aus nur eine
zuvorkommendere und weniger schroffe Art wünschenswert wäre. So-
dann ist mir in sachlicher Hinsicht Ihr Vorwurf äußerst peinlich, daß
ich die russische Politik ihrer Handlungsfreiheit zu be-
rauben beabsichtige. Sie werden sich erinnern, daß ich schon
gleich von Anfang des Balkankrieges an aus eigenem Antriebe auf die
für uns bestehende Möglichkeit hingewiesen habe, beim Eintritt gewisser
Verhältnisse unmittelbar auf die Türkei einen Druck auszuüben. Wenn
ich auch in meinen aufrichtigen Briefen an Sie die Gedanken Poincares
ausführlich darlege und hierbei manchmal auch als Anwalt Poincares i)
i) Iswolski Bd.III, Nr. 710, S. 48-
366
Ihnen gegenüber auf trete (denn ich weiß wie nützlich er uns
ist), so können Sie doch überzeugt sein, daß ich meinen Unterredungen
mit ihm und den französischen Ministern stets mit Nachdruck unsere
in der Geschichte begründete besondere Stellung in der
Balkanfrage vertrete, die uns auch besonders moralische Ver-
pflichtungen auf erlegt. Gestern erst habe ich mich davon überzeugen
können, daß, Poincare diese Gründe voll und ganz versteht, und sich
aufs behutsamste ;Z,u unserem „geschichtlichen Erbe“ („patrimoine
historique“) verhält. — Mehr kann ich nicht schreiben, denn ich bin in
Schweiß gebadet.
Ihr Ihnen herzlich ergebener
I swolski.
Nr. 761.
Brief Kaiser Franz-Joseph’s an Kaiser Nikolaus II.
von Rußland.1)
Wien, den. 1. Februar igi3.
„Mein teuerer Freund. Ich halte es für meine Herzenspflicht, mich
in dieser kritischen Zeit, die wir durchleben, unmittelbar an Dich zu
wenden, um in Rußland die Mißverständnisse zu beseitigen, die, wie es
scheint, anläßlich unserer Politik im Entstehen begriffen sind, und den
Fabeln ein Ende zu bereiten, welche den guten Beziehungen, die zum
Glück zwischen unseren Ländern bestehen, schaden könnten. In dieser
Absicht habe ich den Prinzen Hohenlohe-Schillingsfürst, der Dir seit
seiner Anwesenheit in Rußland persönlich bekannt ist, beauftragt, nach
Petersburg zu reisen, um Dir diesen Brief zu übergeben und Dir meine
Gefühle unbegrenzter Freundschaft zu übermitteln. Es bereitete mir
großen Kummer, zu erfahren, daß die Politik meiner Regierung, die
von Anfang an von dem einzigen Wunsche erfüllt war, den Wirren, die
sich auf dem Balkan abgespielt haben, keine neuen Schrecknisse hinzu-
zufügen, — daß diese Politik in Rußland ironisch aufgenommen wor-
den ist. Wenn wir uns jeder Einmischung in den Konflikt enthalten ha-
ben, wenn wir dem Aufruf der Mächte, „gemeinsam“ die Fragen zu
beraten, an denen wir am meisten interessiert waren, gefolgt sind, wenn
uns schließlich während dieser Beratungen nur das Gefühl der Versöhn-
lichkeit geleitet hat, so ist dies alles nur unserem Wunsche zu danken,
alles zu vermeiden, was die leiseste Ursache zu einer Uneinigkeit zwischen
*) Russische Dokumente S. 363.
unseren Reichen erzeugen könnte. Du kennst die schwere Verantwortung
selbst, die auf uns liegt, wenn es die Rettung der Interessen unserer Völ-
ker in der politischen Krisis, die sich in der Nähe unserer Grenzen ab-
spielt, gilt. Es wäre eine Sünde gegen unsere heilige Mission, wenn wir
uns keine Rechenschaft davon ablegen würden, welche Rückwirkungen
derartige Evolutionen auf unsere Länder ausüben können. Wenn ich
während der gegenwärtigen Krisis, besorgt um die Erhaltung der freund-
schaftlichen Beziehungen zu Rußland, eine versöhnliche Haltung bewahrt
habe, so will ich hoffen, daß Du das Maß meiner Anstrengungen wür-
digen und die großen Vorteile eines europäischen Friedens in guter
Harmonie zwischen unseren Völkern ausnützen wirst. Ich bitte Dich,
zu glauben an die Gefühle wahrer Freundschaft Deines Bruders und
Freundes Franz Joseph.“
Nr. 762.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in Paris.1)
Geheimtelegramm.
St. Petersburg, den
20. Januar 1913.
2. Februar
Nr. 178.
Kaiser Franz Joseph hat den Wunsch geäußert, dem Zaren durch den
Fürsten Gottlieb Hohenlohe ein eigenhändiges Schreiben zur Klarlegung
jener Grundsätze zu senden, von denen sich die österreichische Politik
in der gegenwärtigen Krise lenken läßt. Der Zar geruhte allerhöchst den
Empfang des Fürsten Hohenlohe am nächsten Dienstag zu genehmigen.
Wollen Sie die französische Regierung hierüber in Kenntnis setzen und
hinzufügen, daß wir die Absicht haben, sie vertraulich über alles, was
diesen österreichischen Schritt betrifft, auf dem laufenden zu halten.
Sasonow.
x) Iswolski Bd.III, Nr. 719, S.56.
368
Nr. 76З.
Herzog Albrecht von Württemberg, z. Z. in Wien,
an den Fürsten Maximilian Egon zu Fürstenberg.1)
Abschrift.
Vom Fürsten Fürstenberg dem Staatssekretär von Jagow mitgeteilt,
i-ч . . n. 1 2. Februar 101З.
Privatbnef. Wien, den —7----F..■ ■—r
(pr. 5. Februar)
Diese Zeilen lasse ich der Sicherheit halber erst morgen vormittag
nach meiner Ankunft in Stuttgart auf die Post geben. Sie sind die
Antwort auf unser Gespräch von vorgestern. Um es gleich vornweg zu
sagen: weder mein Schwager2) noch Berchtold *) denken an einen Krieg,
im Gegenteil.
Nun will ich Dir chronologisch erzählen, was ich darüber in den
letzten zwei Tagen erfahren; den Wortlaut kann ich natürlich nicht gan#
exakt wiedergeben, für den Sinn aber kann ich bürgen.
Also: vorgestern abend speiste ich bei meinem Schwager, nur sechs
Personen, meine Schwiegermutter3), mein Bruder Ulrich, mein Vetter
Erzherzog Eugen, mein Schwager, seine Frau4) und ich. Wegen meiner
Schwiegermutter wurde nur wenig über die Lage und Politik gesprochen.
Aber doch etwas. Und da bemerkte Eugen, er finde, daß ein Krieg, eine
Eroberung Serbiens ein Unsinn sei, man solle doch die Balkanbrüder
sich gegenseitig verhauen lassen und sich gar nicht einmischen, man
hätte ja nichts davon. Worauf mein Schwager: „Egi, du triffst den
Nagel auf den Kopf, das ist ganz meine Ansicht. Nehmen wir sogar
den Fall, daß kein anderer uns stört, wir in aller Ruhe mit Serbien ab-
rechnen: was hätten wir davon? Nur einen Haufen Diebe und Mörder
und Halunken mehr und ein paar Zwetschgenbäume. Also noch mehr
Gesindel, den Verlust von soundso viel Soldaten, und einige Milliarden
Kosten. Der günstige Fall aber, daß niemand uns hindern würde, ist
mehr wie unwahrscheinlich.“ — Damit war das Gespräch darüber zu
Ende und ich schon ziemlich orientiert.
Gestern hatte ich mit meinem Schwager ein ganz intimes von meinem
Bruder Ulrich gegebenes Dejeuner, nur er und seine Frau, Heiho 5) und
wir zwei Brüder. Da wurde bald über all diese Fragen gesprochen, Heiho
1) Die Große Politik Bd. 34 (I. Hälfte), Nr. 12788, S.3c>9—3n.
2) Erzherzog Thronfolger Franz Ferdinand.
3) Erzherzogin Maria Theresia, Herzogin von Braganza.
4) Sophie, Herzogin von Hohenberg.
ß) Major Graf Heinrich von Hoyos, Flügeladjutant Kaiser Franz Josephs.
369
24 Boghitschewitsch, Serbien II.
verfocht die Kriegspartei, um sie kurz so zu nennen, mit allen möglichen
Argumenten, wobei ich ihm bemerkte, daß bei einer solchen Eroberungs-
politik der casus foederis für uns nicht gegeben sein dürfte. Darauf
legte mein Schwager los, er habe lange Wochen ernst nachgedacht und
sei zu dem Resultat gekommen: die einzig richtige Politik ist, die Balkan-
völker untereinander ihre Sachen abmachen zu lassen und zuzusehen. Im
gegebenen Moment könnte man dann zum Frieden helfen. Diese Staaten
hätten ja den Krieg begonnen, ohne dies den anderen mitzuteilen, jetzt
müsse man ruhig Zusehen und sie sich gegenseitig die Schädel verhauen
lassen *f). Eine Eroberung Serbiens sei ein Unsinn, wenn deswegen ein
allgemeiner Krieg drohen würde, wäre der casus foederis für die Ver-
bündeten nicht vorhanden. Dann wiederholte er die Argumente vom vori-
gen Abend nur in größerer Ausdehnung, und endete mit: „Du weißt gar
nicht, mit wieviel und was für Menschen ich deswegen zu kämpfen habe,
nur Berchtold allein versteht mich, ist ganz meiner Ansicht, und das ist
ein Glück.“ Darauf packte ich meinen Schwager allein in einem Neben-
zimmer und erzählte ihm das mir von Dir mitgeteilte Gespräch Kroba-
tins1), betonte, daß ich fest glaube, ein solches Vorgehen schaffe nicht
den casus foederis und daß ich glücklich sei, von seinem Munde zu hören,
wie er über die zu befolgende Politik denke. Ich nannte ihm nicht
Deinen Namen noch den von Bärenreither 1 2) **), sagte ihm, ich könne die
Namen nennen, wenn er wolle, er verlangte es aber nicht. Nun wieder-
holte er seine Ausführungen mit dem Zusatz: „Wenn man mich fragt,
welchen Grund man für ein kriegerisches Vorgehen gegen Serbien an-
führen könne, so muß ich ganz ehrlich sagen, ich weiß keinen ein-
zigen.“ Und er schloß mit den Worten: „Ich bin dir sehr dankbar für
das, was du mir gesagt, du kannst von dem, was ich gesprochen, jeden
Gebrauch machen.“
Meine Ansicht nun, wie ich mir sie gebildet, ist folgende: es gibt eine
Partei, die den Krieg wünscht, dazu gehört Hötzendorf3), Krobatin und
wohl noch viele in der Armee, aber auch außerhalb derselben. Diese
Partei bearbeitet meinen Schwager in ihrem Sinne, aber ganz umsonst***).
Er und mit ihm Berchtold ****) sind der ebenso festen wie klaren gegen-
seitigen Ansicht, und nach ihrer friedlichen Ansicht wird die Politik
geführt werden. Das ist ein großes Glück, und die Hauptsache, — weni-
ger günstig, schon wegen der Beunruhigung, die dadurch verursacht
wird, sind die Gespräche und Äußerungen der Kriegswütigen, wTeil weite
Kreise über die wirklichen Ziele getäuscht werden. Mein Schwager will,
1) Betreffs der Äußerungen des Kriegsministers von Krobatin vgl. die Randbemer-
kung Staatsministers von Jagow**).
2) Einflußreiches Mitglied des österreichischen Abgeordnetenhauses.
3) Über die noch Anfang Februar fortgesetzten Versuch© Conrad von Hötzendorfs,
ein kriegerisches Vorgehen gegen Serbien, womöglich auch gegen Rußland herbei-
370
wie er mir sagte, dafür sorgen, daß diese Herren ihren Gefühlen mehr
Zwang anlegen *).
So, nun bin ich fertig, es erübrigt mir noch zu sagen, daß ich recht
ungern den Politikus gemacht habe, ich bin Soldat und habe mich um
Politik nicht zu kümmern, aber hier glaube ich nicht unrecht gehandelt
zu haben, es galt ja ein Mißverständnis, das recht unheilvolle Folgen zei-
tigen konnte, zu zerstreuen. Verzeih die schlechte Schrift und den noch
schlechteren Stil, diese Zeilen habe ich in aller Eile zusammengeschmiert,
und sie sollen auch durchaus nicht den Rang eines wohldurchdachten und
ausgefeilten Exposés beanspruchen, sie sind nur der formlose aber sinn-
getreue Niederschlag einiger Gespräche und der durch diese erzeugten
Gedanken. * 1
zuführen, vgl. Feldmarschall Conrad, Aus meiner Dienstzeit III, 52 f., 84 ff•> ioöff.
Besonders charakteristisch sind die Angaben des k. und k. Generalstabschefs über seine
Audienz bei Kaiser Franz Joseph vom 3. Februar: „Ich meinte, daß der Monarchie
doch nichts erübrige, als jetzt gegen Serbien vorzugehen, und die Führung der Süd-
slawen in die Hand zu nehmen, ehe es zu spät wäre. Jetzt sei Italien voraussichtlich
noch sicher, mit Rumänien unter König Karl könne man noch immer rechnen, aber
die Lage würde immer zweifelhafter und schlechter, Serbien immer stärker. England
dürfte es sich vielleicht überlegen, für Rußland die Kastanien aus dem Feuer zu
holen, ein verstärktes Rußland könne ihm kaum willkommen sein. Allerdings müßten
wir auch den Krieg gegen Rußland in Erwägung ziehen, und da schiene es, daß
Deutschland nicht wolle. Darauf erwiderte Seine Majestät: ,Ja, die Pflicht der Re-
genten ist es auch, den Frieden zu erhalten.' “ — Dem Grafen Berchtold schrieb
Hötzendorf am 8. Februar: „Ich rechne noch immer mit dem kriegerischen Einschrei-
ten der Monarchie gegen Serbien, weil ich in dem Großwerden dieses Staates eine
entscheidende Gefahr für die Monarchie erblicke, welche Gefahr je später desto
schwerer zu beseitigen ist. Ich glaube, daß schon die Frage der Abgrenzung Alba-
niens, will die Monarchie nicht zurüekweichen, zu einem Konflikt führen wird.“
Sein damaliges Programm faßt Conrad von Hötzendorf in die Worte zusammen:
„Aktion gegen Serbien; Zusage des Timok-Kreises an Rumänien, wenn es sich hiebei
neutral verhält, im etwaigen Krieg gegen Rußland aber sofort an Seite der Mon-
archie in den Krieg tritt; Veranlassung Bulgariens, daß es gegen weitestgehende
Befriedigung seiner Wünsche in Mazedonien und Zusage des Piroter Kreises gegen
Serbien eingreift, die von Rumänien geforderten Kompensationen gewährt und sich
mit der Pforte ausgleicht“ (a. a. O. III, 74). In diesem Sinne wandte sich Conrad
immer wieder an Graf Berchtold; vgl. u. a. sein Schreiben vom 27. Januar (a.a. O.
III, Ö2 f.).
1) Daß Erzherzog Franz Ferdinand seinen Vorsatz ausgeführt hat, ergibt sich aus
den Äußerungen seines Flügeladjutanten Oberst Bardolff zu Conrad von Hötzendorf
vom 22. Februar: „Der Thronfolger hat auf der ganzen Linie abgeblasen, er will
unter gar keinen Umständen den Krieg gegen Rußland, er wird ihn nicht zugebe/n.
Er will von Serbien nicht einen Zwetschgenbaum, nicht ein Schaf, es fällt ihm nicht
ein.“ Feldmarschall Conrad, a.a.O. III, 127. Dem Generalstabschef von Moltke war
das Schreiben Herzog Albrechts von Staatssekretär von Jagow zur Kenntnis mit-
geteilt worden. Vgl. auch das Schreiben Moltkes an Jagow vom 6. Februar Band 34
(I. Hälfte), Nr. 12793.
37ï
Durch mein heutiges Telegramm wollte ich diesen Brief ankündigen
und schon früher Beruhigung bringen.
(gez.) Albrecht.
Mache von diesem Geschmiere den Gebrauch, den Du für gut findest.
Randbemerkungen von Jagows:
*) Dies scheint nach Mitteilungen des Fürsten Fürstenberg nicht so unbedingt
sicher. Graf Berchtold dürfte schwanken.
**) Bärnreither hatte dem Fürsten Fürstenberg Äußerungen des Kriegsministers
mitgeteilt, nach denen letzterer in Serbien einrücken, dieses unter Österreich, Bulgarien
und Rumänien zerteilen und dann auch Montenegro annektieren will!
***) Wie lange?
*♦**1 p
Randbemerkungen von Moltke:
*f) Wenn der Erzherzog das will, dann soll er den Konfliktstoff mit Rußland aus
der Welt schaffen, d (as) h (eißt) die galizischen Korps demobilisieren. Zum Zu-
sehen braucht man keine mobile Armee.
Nr. 764.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in Paris.1)
Geheimtelegramm.
St. Petersburg, den
26. Januar 1913.
8. Februar
Nr. 221.
Das vom Fürsten Hohenlohe für den Zaren mitgebrachte Schreiben
des Kaisers von Österreich ist in überaus freundschaftlichen Wendungen
gehalten, bringt aber keinerlei neue Tatsachen. Der Kaiser spricht den
Wunsch aus, durch sein persönliches Eingreifen den ungünstigen Ein-
druck zu zerstreuen, den die österreichische Politik in Rußland hervor-
gerufen habe und unterstreicht die Zugeständnisse Österreich Ungarns im
Sinne der Nichteinmischung in den Balkankrieg und der Zustimmung
zur Beteiligung an einer Beratung über die mit dem Kriege verquickten
Fragen in Gemeinschaft mit den anderen Mächten. Er weist auf die
schwierige Lage seiner Regierung hin und bittet, seine Bemühungen nicht
außer acht zu lassen, die darauf ausgehen, die Lebensinteressen Öster-
reich-Ungams mit der Sorge um Aufrechterhaltung guter Beziehungen
in Einklang zu bringen. Der Zar geruhte den Fürsten Hohenlohe mit
einem Antwortschreiben zu entlassen, in dem durchaus freundschaftlich
aber fest dargelegt ist, daß Rußland bereits alles mögliche getan hat,
um seine Pflichten, die ihm eine hundertjährige Geschichte auferlegt,
mit dem aufrichtigsten Streben zur Erhaltung des europäischen Friedens
*) Iswolski Bd.III, Nr. 724, S. 59.
372
in Einklang zu bringen. Die zu diesem Zwecke von Rußland gewährten
Zugeständnisse lassen hoffen, daß Österreich seinerseits eine friedliche
Entscheidung der auf der Tagesordnung stehenden Fragen fördern wird.
Allein diese Erwartung hat sich gelegentlich der Botschafterkonferenz
in London als Täuschung gezeigt, und die russische öffentliche Meinung
ist über die offenbar durch nichts gerechtfertigten Rüstungen Öster-
reichs erregt. Zum Schlüsse geruhte Seine Majestät, Kaiser Franz
Joseph zu bitten, er möge seinen ganzen persönlichen Einfluß auf-
wenden, um die Politik seiner Regierung in friedlichem Sinne zu be-
einflussen, damit Europa der Frieden erhalten bleibe und die gutnach-
barlichen Beziehungen zwischen Rußland und Österreich befestigt wür-
den. Sie können den Außenminister mündlich von dem Dargelegten
äußerst vertraulich unterrichten.
Abschrift nach London, Berlin, Wien, Rom und Konstantinopel.
Sasonow.
Nr. 765.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in London.1)
St Petersburg, de»------g, FebrJr
Nr. 232.
Abschrift nach Paris.
Ich telegraphiere nach Belgrad: Ganz vertraulich. Die Verhandlungen
in London über die Grenzen Albaniens sind infolge von Meinungsver-
schiedenheiten zwischen Österreich und unseren Vorschlägen ins Stocken
geraten. Der englische Staatssekretär schlug der Konferenz der Bot-
schafter vor, zum Zweck der Beachtung ethnographischer und geographi-
scher Verhältnisse die Untersuchung der Grenzfrage an Ort und Stelle
einer internationalen Kommission zu übertragen.
Wir glauben, daß der uns gemachte Vorschlag der Frage ihre jetzige
Schärfe nehmen und der Entscheidung den Charakter einer unpartei-
ischen Untersuchung geben könnte. Für den Fall der Annahme würde
es aber immer noch notwendig sein, sich über folgende allgemeine
Grundlagen zu verständigen, die die Mächte ihren Vertretern in der Kom-
mission mitzugeben hätten:
1. Zum Bestand der Kommission würden je nach den auf tretenden
Fragen ein serbischer und ein montenegrinischer Vertreter gehören.
2. Als unstrittiges Gebiet Albaniens hätte dasjenige zu gelten, das mit
dem serbischen Entwurf einer Abgrenzung übereinstimmt.
*) Iswolski Bd.III, Nr. 725, S.60.
Geheimtelegramm.
373
3. Alles andere Gebiet gilt als strittig und ist zu untersuchen.
4. Um Charakter und Bestand der Bevölkerung zu bestimmen, wird
die Kommission verpflichtet, Angaben über Sprache, Religion und
Sitten der Bevölkerung zu sammeln und diese auch über ihre eigenen
Wünsche zu befragen.
Außerdem wird die Kommission verpflichtet, bei Bestimmung der
Grenze mit topographischen Eigentümlichkeiten und mit der Notwen-
digkeit zu rechnen, die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Sieger zu be-
friedigen.
Fragen Sie Paschitsch ganz vertraulich nach seiner
Ansicht über die Richtung, die wir der Grenzfrage geben
sollen, wobei jedoch dem auf geführten Plan nicht der Charakter eines
offiziellen Vorschlags gegeben werden darf. Telegraphieren Sie danach
ins Ministerium und an den Botschafter in London.
Sasonow.
Nr. 766.
M. Georges Louis, Ambassadeur de France
à Saint-Pétersbourg, à M. Jonnart, Ministre des
Affaires étrangères, b
Saint-Pétersbourg, le 9 février 1918.
La réponse de l’Empereur Nicolas à la lettre de l’Empereur François-
Joseph a été remise hier au Prince de Hohenlohe. M. Sazonoff m’a
dit que, le soir même, il en avait télégraphié la teneur à l’Ambassadeur
de Russie à Paris, qui a dû vous la communiquer.
L’Autriche et la Russie se sont maintenues sur leurs positions respec-
tives. La première a fait entendre de nouveau qu’elle ne laisserait pas
s’édifier à sa frontière sud un grand Etat slave, la seconde a rappelé
qu’elle n’abandonnerait pas les intérêts slaves «dont elle a le dépôt».
Si les lettres échangées entre les Souverains n’ont rien éclairci, les con-
versations de M. Sazonoff avec le Prince de Hohenlohe ont, au contraire,
conduit à quelques précisions.
Le Prince n’a pas dissimulé que les préparatifs militaires de l’Autriche
avaient eu pour principal but de parer au danger serbe, consi-
déré comme danger intérieur et il a ajouté: «Voici ce qui a
été fait: nous avons en réalité mobilisé deux corps d’armée en Bosnie et
en Herzégovine et nous en avons renforcé cinq autres sur le Danube et
en Galicie. Après la paix, nous laisserons subsister les renforcements
mais nous démobiliserons. L’agitation serbe nous empêche de démobiliser
plus tôt.»
!) Livre Jeaune 1912, II, Nr. io4-
374
M. Sazonoff a répondu que la Russie serait, par conséquent, obligée
d'ajourner également le renvoi de la classe qu’elle maintient sous les
drapeaux à titre provisoire depuis trois mois.
Georges Louis.
Nr. 767.
M. Georges Louis, Ambassadeur de France
à Saint-Pétersbourg, à M. Jonnart, Ministre des
Affaires étrangères.1)
Saint-Pétersbourg, le 10 février 1913.
En faisant connaître à Votre Excellence, par télégramme, ce que
m’avait dit M. Sazonoff de ses entetiens avec la Prince de Hohenlohe-
Schillingsfürst, j’ai indiqué que l’envoyé autrichien n’avait pas dissimulé
les vives inquiétudes causées à Vienne par l’agitation qui
s’est produite dans les provinces serbes de la Monarchie,
dès les premières victoires remportées par les coalisés.
«Cette agitation soudaine, profonde, a été la seule cause de nos
armements, a ajouté le Prince. Comment avez-vous pu penser que nous
songions à vous attaquer? Jamais, en aucun temps, la Russie et l’Autriche
ne se sont fait la guerre. Quelles raisons aurions-nous aujourd’hui de
vous la déclarer? Dans toute cette crise, nous n’avons eu en vue que de
contenir les Serbes du dedans et ceux du dehors.»
«Je n’ai pas cru un seul moment à une attaque de l’Autriche contre
la Russie, a répondu M. Sazonoff. On sait à Vienne que nous sommes
prêts. Mais nous nous sommes rendu compte qu’un de vos partis poussait
à un coup de force contre la Serbie, et il est certain pour nous que, si
ce parti arrivait à ses fins, notre opinion publique en serait tellement
émue que le Gouvernement russe pourrait bien difficilement rester immo-
bile.»
. Sans répondre, le Prince de Hohenlohe a continué: «Les diffi-
cultés auxquelles le Gouvernement autrichien doit faire
face sont immenses. Heureux les pays comme le vôtre où toutes
les races se sont fondues».
«Nous n’en sommes pas encore là, a répliqué M. Sazonoff. Il n’y a
de fusion parfaite qu’en France.»
«En tout cas, a »conclu sur ce point le Prince de Hohenlohe, vous devez
tenir compte du trouble que les événements des derniers mois ont jeté
dans notre vie publique.»
Georges Louis.
375
1) Livre Jaune 1912, II, Nr. io5.
Nr. 768.
Telegramm des russischen Außenministers an den
russischen Botschafter in London1)
3o. Januar
vom------lT^----iqi 3.
12. rebruar ^
Nr. 275.
Ihr Telegramm Nr. 99 erhalten. Wir nehmen den von Ihnen mit
Grey und Cambon entworfenen Plan an. Zu Ihrer persönlichen Orien-
tierung. Falls nicht zu hoffen ist, daß Österreich unsere letzten Vor-
schläge vollständig annimmt, können Sie als eventuelle Konzession unser-
seits Diakowa in Betracht ziehen, das an Albanien fallen würde; dagegen
könnten Sie darauf bestehen, daß Dihra Serbien zugesprochen wird.
Jedenfalls wäre es wünschenswert, daß Sie die Konzession von
Diakowa als letzten Ausweg reservieren, um sie im Not-
fall als Ihre p^rsiölnliche Anregung, für die Sie erst
unsere Zustimmung verlangen müßten, vorzubringen.
Sie könnten hinsichtlich der montenegrinischen Grenze in gleicherweise
vorgehen, indem Sie das linke Ufer der Bojana als Grenze annehmen.
Sasonow.
Nr. 769.
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen
Amtes von Jagow.1 2 3 * * * *)
Eigenhändig.
Berlin, den 12. Februar 1913.
Der serbische Geschäftsträger war bei mir, um mir zu sagen, seine
Regierung bäte aus geographischen und ethnographischen Gründen dar-
um, daß Diakowa und Dibra, welche „einige Mächte“ auf der Bot-
schafterkonferenz zu Albanien schlagen wollten, serbisch würden. Wir
möchten diesen serbischen Wunsch unterstützen8). Ich habe erwidert,
1) Benckendorff Bd. III, Nr. 868, S.g3.
2) Die Große Politik Bd. 34 (I. Hälfte), Nr. 12 834, S.363.
3) Um die gleiche Zeit sprach der serbische Gesandte in Paris Wesnitsch am Quai
d’Orsay vor und verlas dort eine Erklärung der serbischen Regierung fast drohenden
Inhaltes. Nach einem Telegramm Botschafter Paul Cambons an Außenminister Jonnart
vom 12. Februar (Französisches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques II, ^3) hätte die
serbische Erklärung den Zweck verfolgt, „de signaler au Gouvernement de la Ré-
publique les exigences de l'opinion publique serbe et de lui laisser prévoir l'obliga-
tion, où peut se trouver le Cabinet de Belgrade, soit d’obéir aux injonctions de l’opi-
nion, soit de céder la place à un Gouvernement plus docile.“ Eine ähnliche Sprache
376
daß die genannten Städte meines Wissens größtenteils albanische Be-
völkerung hätten, daß Albanien, um lebensfähig zu werden, nicht zu
sehr beschnitten werden dürfte, und daß wir — selbst an der Abgren-
zung Albaniens weniger interessiert — in diesen Fragen die Wünsche
unserer Verbündeten unterstützen.
Jagow.
Nr. 770.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister1)
3i. Januar 0
vom-^-py-------iqio.
i3. Februar y
Nr. 109.
Grey hat Cambon und mir gesagt, er habe ein Telegramm aus Bel-
grad erhalten, welches über eine Unterredung berichte, die der englische
Vertreter nach einer Kabinettssitzung mit Paschitsch und dem serbischen
Außenminister gehabt habe. Letztere haben dieselbe Sprache geführt,
die Hartwig in seinen Berichten beschreibt, und die auch Wesnitsch mir
gegenüber geführt hat, mit dem Unterschied jedoch, daß sie ihre Be-
fürchtungen mit Nachrichten, die sie aus Petersburg erhalten hätten,
begründeten: daß nämlich der Erfolg ihrer Siege auf ein Minimum
reduziert werden würde. Sie erklärten, daß Serbien dies nicht dulden
würde, daß die Militärpartei ans Ruder kommen und Serbien zum
Krieg schreiten werde. Grey hat den englischen Vertreter in Belgrad be-
auftragt, im wesentlichen zu antworten, daß Serbien in der Diakowa-
und Dibra-Frage der diplomatischen Unterstützung Englands sicher sei,
jedoch zu bestreiten, daß Serbien als Kriegsergebnis nichts erhalten habe,
und daß er, Grey, es für gante ausgeschlossen halte, daß alle Mächte
wegen dieser Punkte Krieg führen sollten, daß England für seinen Teil
dies nicht zugeben würde, und daß übrigens, wenn Serbien sein Schick-
sal selbst in die Hand nähme, es auf eigene Rechnung und Gefahr han-
deln und durch eine abenteuerliche Politik die Sympathien zerstören
würde, die die Mächte für die serbische Sache hegten. Cambon sagte
uns, der serbische Vertreter in Paris habe dieselbe Sprache geführt und
die gleiche Antwort erhalten. Wesnitsch hätte auch ihn besucht. Cambon
führte der serbische Ministerpräsident Paschitsch gegenüber dem englischen Geschäfts-
träger in Belgrad; indessen ließ Sir E. Grey die serbische Regierung nachdrücklichst
zur Ruhe mahnen. Im gleichen Sinne äußerten sich Graf Benckendorff und Paul
Cambon zu dem ihre Unterstützung nachsuchenden Wesnitsch; Paul Cambon nannte
die serbische, in Paris verlesene Erklärung, deren kriegerische Bedeutung er vollkom-
men durchschaute, gerade heraus, „un acte de folie“.
!) Benckendorff Bd.III, Nr.873, S.96.
hat ihm gesagt, daß er sich ihm gegenüber offen aussprechen zu dürfen
glaube, da er ja kein offizieller Vertreter sei, und hat dann gemeint:
„Was Sie mir sagen, ist verrückt.“ Wesnitsch wußte hierauf nichts zu
antworten, was übrigens auch mir aufgefallen war. Cambon schließt
hieraus, daß Wesnitsch der gleichen Ansicht ist. Ich muß jedoch hin-
zufügen, daß der englische Vertreter in Belgrad in seinem Telegramm
die serbische Stimmung als gefährlich bezeichnet.
Benckendorf f.
Nr. 771.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister
Yomi 9-/22. Februar 1913 x).
Nr. 149.
Wesnitsch indirekt, übrigens ohne meine Mithilfe, darüber sondiert,
ob Diakowa oder Dibra für Serbien relativ mehr Bedeutung habe, hat
geantwortet, daß Dibra zweifellos weitaus wichtiger wäre. Seiner An-
sicht ist um so mehr Gewicht beizumessen, als er selbst aus Diakowa
stammt.
Benckendorf f.
Nr. 772.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister* 2)
vom 9-/22. Februar 1913.
Nr. i5o.
Grey teilte mir ein Telegramm mit, das er an den englischen Vertreter
in Belgrad gerichtet hat. Er sagt darin: „daß Wesnitsch ihm Argumente
wiederholt habe, welche es Serbien nicht möglich machten, auf Diakowa
und Dibra zu verzichten. Grey fragte ihn, wer Diakowa besetzt halte, und
ob die Stadt für Serbien oder für Montenegro bestimmt sei. Wesnitsch
antwortete, er glaube, die Stadt wäre von serbischen Streitkräften be-
setzt und sei für Serbien bestimmt, Ipek für Montenegro. Grey ant-
wortete, daß ohne die Unterstützung Rußlands Ipek und Prizren Albanien
angegliedert worden wären, und daß, wenn es sich heraussteilen sollte,
daß es möglich ist, Diakowa und Prizren auf diplomatischem Wege zu
J) Benckendorff Bd.III, Nr. 887, S. 109.
2) Benckendorff Bd.III, Nr.888, S. 109.
378
gewinnen, Serbien ganz unvernünftig handeln würde, wenn es dann alles
aufs Spiel setzte, was es erreicht hat, indem es zu den Waffen griffe,
um sich diese beiden Städte mit Gewalt zu sichern“. Grey gebrauchte
den folgenden Vergleich!: „ein Mann, der unerwartet viel von einer
schönen Besitzung erbt, begeht Selbstmord wegen zweier Felder, die er
nicht bekommen kann“1).
Grey fügte hinzu, daß, wenn Serbien außer allen Gebieten, deren Be-
sitz ihm zugestanden sei, durch diplomatische Unterstützung noch lpek
und Prizren zugesichert erhalte, das Gesamtresultat so beträchtlich wäre,
daß die Erwerbung von Diakowa und Dibra verhältnismäßig nebensäch-
lich erscheine. Grey sagte, er spräche als Freund Serbiens, er
wolle nicht sagen, daß die Frage schon entschieden sei, er könne jedoch
nicht versprechen, daß Serbien diese beiden Städte durch diplomatische
Unterstützung erlangen würde.
Benckendorf f.
Nr. 77З.
Telegramm des russischen Außenministers an den
russischen Botschafter in London* 2 3)
vom 1З./26. Februar 191З.
Nr. 409.
Wir erfahren aus geheimer Quelle, daß Österreich geneigt ist, in der
Diakowa-Frage nachzugeben. Erheben Sie infolgedessen Einspruch, wenn
man die Entscheidung über diesen Punkt der internationalen Kommis-
sion überlassen will, und halten Sie sich auf dem Boden der in meinem
Telegramm Nr. З90 dargelegten Argumente. (Mitgeteilt nach Berlin.)
Sasonow.
Nr. 774.
Telegramm des russischen Botschafters in London
an den russischen Außenminister*)
vom 15./28. Februar 191З.
Nr. 184.
Persönlich und streng vertraulich. Cambon teilt mir mit, daß Beth-
mann Hollweg seinem Bruder in privater Weise gesagt habe, die Ver-
mehrung der deutschen Armee habe keine aggressive Tendenz, sei aber
г) Vgl. ßd.I, Nr. 279, S. З06.
2) Benckendorff Bd. III, Nr. 900, S. 122.
3) Benckendorff Bd. III, Nr. 906, S. ia5.
379
dadurch notwendig geworden, daß das plötzliche Entstehen von sehr be-
deutenden Militärstaaten auf dem Balkan dazu geführt habe, daß Öster-
reich, vom Bündnisstandpunkte aus, nicht mehr als derselbe wichtige
Faktor wie bisher betrachtet werden könnte.
Benckendorf L
Nr. 775.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.J)
18. Februar 0
3. März ~ I9‘3'
Nr. 88.
Der serbische Gesandte hat heute Paleologue eine Denkschrift über-
geben, in der er erklärt, daß Serbien nicht auf die Täler von Dibra -und
Bielago Drina mit den Städten Ipek und Diakowa verzichten könne, und
daß es, wie auch die Entscheidung der Mächte ausfallen möge, aus diesen
Gebietsteilen nur vor der Waffengewalt weichen würde. Zur Begrün-
dung dieser Erklärung und der Denkschrift werden verschiedene ge-
schichtliche und ethnographische Erwägungen angeführt.
I swolski.
Nr. 776.
Der Gesandte in Sofia von Below-Saleske an das
Auswärtige Amt.1 2)
Entzifferung.
Telegramm. Sofia, den 3. März 1913.
Nr. Ö2.
Herr Spalaikowitsch hat Major Massow gegenüber vertraulich seinem
Unmut über die Begehrlichkeit und Arroganz Bulgariens Luft gemacht,
das auf Kosten seiner Alliierten die Vorherrschaft auf dem Balkan er-
strebt. Serbien müsse sich rechtzeitig dagegen schützen und habe daher
bereits bindende Verabredungen mit Griechenland getroffen. Er denke
auch nach dem Friedensschluß an ein Schutz- und Trutzbündnis mit
der Türkei, das um so leichter zu erreichen wäre, als zwischen ihr und
Serbien ein tiefer gehender Antagonismus niemals bestanden habe.
In der weiteren Unterhaltung machte Herr Spalaikowitsch Andeu-
tungen, als ob Serbien demnächst auch näheren Anschluß an Rumänien
suche.
1) Iswolski Bd.III, Nr.75i, S.80.
2) Die Große Politik Bd. 34 (I. Hälfte), Nr. 12924, S. 443.
G eheimtelegramm.
Paris, den
38o
Das Ganze sieht wie eine beabsichtigte Einkreisung Bulgariens aus,
das es von jeher verstanden hat, sich unbeliebt zu machen und von allen
näher Beteiligten heute mit Recht als der künftige Störenfried auf dem
Balkan betrachtet wird.
Wie weit die Belgrader Regierung die Ansichten ihres Gesandten teilt,
lasse ich dahingestellt.
B e 1 o w.
Nr. 777.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow
an den Botschafter in Konstantinopel
Freiherrn von Wangenheim.1) * 2)
Eigenhändiges Konzept.
Nr. 182. Berlin, den 4- März 1913.
Zur Information.
Der serbische Geschäftsträger teilte mir heute im Aufträge seiner Re-
gierung mit, daß letztere bei der Abgrenzung Albaniens weder auf Ipek
und das Drintal, noch auf Dibra, noch auf Diakowa verzichten könne,
und daß Serbien, wenn die Mächte anders entschieden, sich an deren
Beschlüsse nicht halten würde3).
Ich habe den Geschäftsträger gebeten, seiner Regierung zu erwidern,
daß obige Mitteilung für mich in keiner Weise maßgebend sein könne;
ich wüßte nicht, wie die Beschlüsse der Mächte schließlich ausfallen wür-
den, Serbien werde dieselben aber zu respektieren und widrigenfalls die
!) Die Große Politik Bd. 34 (I. Hälfte), Nr. 12925, S.443.
2) Der gleiche Erlaß ging an die übrigen Botschafter bei den europäischen Groß-
mächten sowie an die Gesandten bei den Balkanstaaten.
3) Eine ähnliche Erklärung gab der serbische Gesandte in Paris Wesnitsch am
3. März am Quai d’Orsay ab. Nach einem Geheimtelegramm Iswolskis an Sasonow
von diesem Tage (Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskys 1911—1914, ed. Fr.
Stieve III, 80) lief sie sogar in die Drohung aus, daß Serbien, wie auch die Ent-
scheidung der Mächte ausfallen werde, sich aus den beanspruchten Tälern von Dibra
und Bielogadrina mit den Städten Ipek und Diakowa nur vor der Waffengewalt
zurückziehen werde. Von einer Zurückweisung dieser Drohung, wie sie in Berlin er-
folgte, berichtet Iswolski nichts, dafür meldete der französische Konsul in Uesküb
Carlier am 4- März eine bezeichnende Äußerung des serbischen Kronprinzen: „La
France a presque plus fait pour nous que la Russie et cela, nous ne l’oublierons
jamais.“ Französisches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques II, p.94. In Rußland,
wo man von dem wiederholt ausgesprochenen Willen der Serben, sich auch der Ent-
scheidung der Mächte nicht fügen zu wollen, längst unterrichtet war, scheint man
diese Haltung eher noch ermutigt zu haben, erklärte doch Sasonow kurz vor dem
23. Februar in London, daß Rußland einem Versuch, die Serben mit Gewalt ans
den beanspruchten Gebieten zu treiben, nicht gleichgültig gegenüberstehen werde.
Vgl. Nr. 12887, Anlage. Siehe auch Bd. II, Nr. 775 und Nr. 778.
381
Folgen zu tragen haben. Ich habe dem Geschäftsträger deutlich zu ver-
stehen gegeben, daß eine derartige Intimation eines Klein-
staates wie Serbien den Mächten gegenüber durchaus un-
angemessen sei.
Jagow.
Nr. 778.
M. Carlier, Consul de France à Uskub,
à M. Jonnart, Ministre des Affaires étrangères.1)
Uskub, le 4 mars 1918.
Le Prince héritier Alexandre de Serbie, accompagné du préfet d’Uskub,
M. Tzérovitch, est venu me rendre visite au Consulat.
Le Prince Alexandre, dont la visite a duré une heure et demie, m’a
déclaré qu’il était particulièrement reconnaissant à M. Poin-
caré et au Gouvernement de la République de tout ce que
la France avait, dans la crise actuelle, fait en faveur de
la Serbie. «La France a presque plus fait pour nous que la
Russie, ajouta-t-il, et cela, nous ne l’oublierons jamais.»
Carlier.
Nr. 779.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
von Jagow an den Botschafter in London
Fürsten von Lichnowsky.* 2)
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Rosenberg.
Telegramm. Berlin den 5. März iqi3.
Nr. i48.
Antwort auf Telegramm Nr. 122 und 123.
Welche Haltung Balkanstaaten Beschlüssen der Mächte gegenüber ein-
nehmen, beweist Erklärung serbischen Geschäftsträgers (Erlaß Nr. 349),
der mir auftragsgemäß mitteilte, Serbien bestehe auf sämtlichen Grenz-
forderungen und werde sich an Entscheidungen der Mächte nicht kehren.
Ferner hat nach Communiqué aus Cetinje vom 4- März König Nikolaus
den Kriegskorrespondenten erklärt, Entschluß Skutari zu nehmen, würde
durch Beschlüsse der Mächte nicht geändert, Geduld Montenegros sei
erschöpft.
*) Livre jaune 1912, II, N0. i43.
2) Die Große Politik Bd. 34 (I. Hälfte), Nr. 12 g3i, S.45o. Siehe Nr. 777.
382
Bitte dies auf Konferenz verwerten und betonen, daßGroßmächte
ihrer Würde schuldig seien, derartigen Provokationen
energisch entgegenzutreten. Balkanstaaten spekulieren offenbar
iinmer noch auf Schutz mächtiger Freunde. Dieser Irrtum müsse end-
gültig zerstört werden.
Vielleicht ist es ferner zweckmäßig, auf Konferenz Lage von Valona
und griechische Blockade albanischer Küste bis Durazzo sowie außer
serbischen Greueltaten auch die von Presse gemeldeten montenegrinischen
Grausamkeiten gegen türkische Gefangene zur Sprache zu bringen.
Jagow.
Nr. 780.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den
Reichskanzler von Bethmann Holl weg.1)
Ausfertigung.
Nr. 102. Wien, den 11. März igi3.
Ich möchte Euerer Exzellenz im nachstehenden einige Nachrichten ge-
horsamst mitteilen, für deren Authentizität ich zwar keine absolute Ge-
währ übernehmen kann, die mir aber von meist so gut unterrichteter
Seite zukommen, daß ich sie melden zu sollen glaube.
In bezug auf das Verhältnis Serbiens zu Bulgarien höre ich, daß in
dem betreffenden Vertrage dieser beiden Staaten über die Verteilung
der türkischen Beute Serbien an Bulgarien die Bezirke von Monastir,
Köprülü, Ochrida und Istip überlassen, dagegen von Bulgarien Nord-
albanien mit Durazzo zugewiesen erhalten habe* 2). Die gespannte Stim-
mung zwischen beiden Staaten rühre nun daher, daß die Serben mit
Rücksicht darauf, daß sie ihren Preis, nämlich Nordalbanien, infolge
des Einspruchs der Mächte nicht erhalten hätten, nunmehr auch den
Bulgaren den ihnen versprochenen Anteil nicht lassen wollen3). Die ser-
1) Die Große Politik Bd.34 (II. Hälfte), Nr.i2 957, S. 483.
2) Vgl. dazu die Geheimanlage zu dem Bulgarisch-Serbischen Vertrage vom
i3.März 1912, Bd.I, Nr. i7o, S. 208 ff.
3) Tatsächlich hatte der serbische Delegierte zur Londoner Friedenskonferenz N0-
wakowitsch schon am 11. Dezember 1912 zu Iswolski gesagt, daß Serbien, wenn man
ihm den souveränen Besitz eines Adriahafens verweigere, Kompensationen in anderer
Richtung suchen müsse, und zwar wolle es über die in der Vereinbarung mit Bul-
garien bestimmten Grenzen hinaus, dem Laufe der Bregalnitza folgend, den Ochridasee
erreichen und die Städte Prilep, Monastir und Ochrida gewinnen. Telegramm Is-
wolskis an Sasonow vom 11. Dezember 1912, Iswolski Bd. II, S. 385 und
Aktenstück Nr. 745, S. 3Ö2. Damals hatte sich Sasonow in einem Tele-
gramm an den Gesandten in Belgrad von Hartwig mit aller Schärfe gegen den un-
berechtigten serbischen Anspruch geäußert: L’éventualité d'une violation de la déli-
mitation si difficilement obtenue entre les deux Etats ne peut trouver chez nous ni
383
bischen Truppensendangen, die angeblich den Montenegrinern Hilfe brin-
gen sollen, von denen aber, wie man hier wissen will, ein großer Teil
mit vielem sonstigen Kriegs-, Bau- und Telegraphenmaterial für Darazzo
bestimmt sein soll, erschienen dadurch in ganz anderem Lichte und deu-
teten darauf hin, daß Serbien hoffe, doch noch an der adriatischen
Küste dauernd bleiben zu können. Die Serben rechneten dabei auf den
wachsenden Einfluß der panslawistischen Kreise in Petersburg und deren
französische Freunde. In Belgrad herrsche Vabanquestimmung, und man
hoffe, schließlich Rußland mit sich fortreißen zu können.
Frankreich schüre in Belgrad mit allen Mitteln gegen Österreich. Auch
französisches Geld fließe dorthin.
Aus Paris komme die Nachricht, daß Herr Jonnart in Petersburg
darauf dringe, daß Rußland, entsprechend der seinerzeit Anfang
der 90er Jahre abgeschlossenen Militärkonvention, seine Truppen an die
deutsche und österreichische Grenze wieder vorschiebe, um sofort we-
nigstens den österreichischen Aufmarsch in Galizien und vielleicht auch
unsere Mobilisierung zu stören. Es verlaute bestimmt aus Paris, daß
an der französischen Ostgrenze mit Hochdruck militärisch gearbeitet
werde. Herr Poincaré schüre nach Kräften das chauvinistische Feuer1).
Wie rastlos tätig die Franzosen seien, um ihre Chancen zu verbessern,
erhelle auch aus einer Nachricht aus Rom, der zufolge Frankreich, um
die Italiener ihren Dreibundsgenossen abspenstig zu machen, ihnen zu
verstehen gegeben habe, sie hätten nichts dagegen, wenn sie Rhodus be-
halten würden.
von Tschirschky.
sympathie ni concours. Nous estimons qu’il est en général dans l’intérêt des alliés
de ne pas soulever la question de la délimitation réciproque tant que la question ca-
pitale des négociations de Londres ne sera pas réglée. Guéschoff, L’Alliance Balka-
nique, p. 128 (nach dem russischen Orangebuch, betreffend die Ereignisse auf der
Balkanhalbinsel. August 1912 bis Juli 1913). Trotzdem erhob der serbische Ge-
sandte in Sofia Spalaikowitsch in einer Note vom 1. Februar in aller Form die For-
derung einer in dem serbisch-bulgarischen Vertrage nicht vorgesehenen Kompensation.
Siehe auch Bd.I, Nr. 278, S.3ooff. Am 10. März wiederholte Sasonow seine Warnun-
gen an die serbische Adresse (Guéchoff a.a.O. p. 129), wieder mit negativem Erfolg.
Seit dieser Zeit mehrten sich die Nachrichten über eine wachsende Spannung zwischen
Bulgarien und Serbien und ebenso über eine Spannung zwischen Bulgarien und Grie-
chenland, die wesentlich auf den beiderseitigen Ansprüchen auf Saloniki beruhte.
i) Vgl. dazu Bd.39, Kap. CGXCIV.
384
Nr. 781.
Der österreich-ungarische Minister des Äußern
Graf Berchtold an den Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes von Jagow.x)
Ausfertigung.
Privatbrief. Wien, am i3. März 1913.
Nach dreiwöchentlicher Krankheit komme ich endlich dazu, einem,
langgehegten Herzenswunsch entsprechend Ihnen meine freudige Dank-
barkeit aussprechen zu können für Ihre durch Herrn von Tschirschky
verdolmetschte freundliche Absicht, mich, sobald Klärung am politischen
Horizont eintritt, aufsuchen zu wollen. Letzteres ist bedauerlicherweise
noch nicht abzusehen, und so möchte ich Sie bitten, mir zu gestatten,
im nachfolgenden einige politische Konsiderationen über die momentane
Lage vom hierortigen Standpunkte aus betrachtet zusammenzufassen,
was mir im Interesse eines zielbewußten Zusammenarbeitens der beiden
Zentralmächte gelegen scheint.
Wir haben vom Anfänge der nun schon Monate währenden Krise uns
einige für die Interessen der Monarchie ausschlaggebende Programm-
punkte festgesetzt, an welchen wir unbedingt festzuhalten gesonnen sind
und unter welchen die Nichtzulassung Serbiens, des hartnäckigsten Ex-
ponenten Rußlands am Balkan, an die Adria, die Schaffung eines lebens-
fähigen Albaniens und die Befriedigung der territorialen Ansprüche Ru-
mäniens zu den wichtigsten gehören.
Die beiden ersteren Punkte sind nach langwierigen diplomatischen
Kämpfen schließlich von allen Mächten anerkannt worden, können aber
nicht als gesichert betrachtet werden, insolange von montenegrinischer
und serbischer Seite manu militari den Intentionen der Mächte ent-
gegengearbeitet und der Versuch gemacht wird, durch faits accomplis
den Willen Europas zu durchkreuzen. In diesem Belange sind die in
der letzten Zeit wiederholt signalisierten, zum Teil mit griechischer
Assistenz besorgten serbischen Truppenverschiebungen nach Albanien1 2)
von symptomatischer Bedeutung und können die gelegentlichen be-
schwichtigenden Erklärungen serbischer und russischer Diplomaten, daß
es sich um eine mehr formale Einlösung der gegenüber Montenegro ein-
gegangenen Vertragspflicht handle, nicht über den wahren Charakter
dieser Maßnahmen hinwegtäuschen. Wir sind bisher unserem vom An-
fänge an aufgestellten Grundsätze, die Kriegsoperationen nicht stören,
jedoch bei der schließlichen Aufteilung mitsprechen zu wollen, treu
1) Die Große Politik Bd. 34 (II. Hälfte), Nr. 12 969, S. 495.
2) Vgl. Nr. 12948 Fußnote *.
25 Boghitschewitsch, Serbien II.
385
geblieben, müssen jedoch angesichts des Umstandes, daß einerseits der
Fall Skutaris die bereits en principe erfolgte Zuerkennung dieser Stadt
zu Albanien, was Rußland betrifft, wieder in Frage stellen könnte,
andererseits von den serbischen Truppen in brutaler Weise gegen die
aibanesische Bevölkerung vorgegangen wird, mit allem Nachdrucke auf
der raschesten Fassung einer Resolution bestehen, wodurch nicht nur
die Delimitierung Albaniens den serbischen Schwesterstaaten notifiziert,
sondern auch die letzteren zur Evakuierung des Landes verhalten wer-
den. Würden die in London vertretenen Mächte dem uns von den Mon-
tenegrinern und Serben hart an unserer Grenze gebotenen Schauspiele,
wonach dieselben den Verhandlungen der Mächte und den Lebensinteres-
sen der Monarchie zum Trotz unter rücksichtsloser Hinopferung von
Menschenleben ihrem Größenwahn eigenmächtig Geltung verschaffen,
weiterhin ruhig Zusehen, müßte mit der stetig steigenden Gefahr für die
Monarchie gerechnet werden, den durch die Lokalisierung des Krieges
großgezogenen tollen Übermut dieser jüngeren slawischen Staaten-
gebilde schließlich in die Schranken weisen zu müssen.
Was den dritten Punkt unseres Balkanprogrammes anbelangt, — die
Zuerkennung territorialer Vorteile an Rumänien — erscheint es unum-
gänglich notwendig, die Erfüllung der rumänischen Wünsche, welche
sich im wesentlichen in dem Schlagworte „Silistria“ zusammenfassen
lassen, durchzusetzen, wenn vermieden werden soll, daß die jahrzehnte-
lang auf den Dreibund gestützte Politik Königs Karols vor seinem Lande
kompromittiert werde und das Prestige der europäischen Staatengruppe,
welcher Rumänien mehr oder weniger offenkundig angehört, einen Stoß
erleide. Eine Enttäuschung Rumäniens in diesem Belange müßte den
Sturz des Kabinetts Majorescu nach sich ziehen und Herrn Bratianu ans
Ruder bringen, welch letzterer zweifellos zur Gewalt greifen und eine
europäische Konflagration heraufbeschwören würde, welcher bisher Öster-
reich-Ungarn mit schweren Opfern entgegengearbeitet hat.
Vom Standpunkte der Zentralmächte nicht minder bedenklich wäre die
Befriedigung der rumänischen Wünsche ohne entsprechende Kompen-
sation für Bulgarien. Es kann mit absoluter Sicherheit angenommen
werden, daß Bulgarien in diesem Falle unter tunlichster Zurückstellung
der Differenzen mit seinen Alliierten seine ganze Politik auf die baldige
und gründliche Revanche an Rumänien einstellen würde, wobei das
Kriegsziel nicht nur die Wiedergewinnung Silistrias, sondern auch die
der ganzen Dobrudscha bilden würde. Auch diese Eventualität ist ohne
Hineinziehung der Großmächte kaum denkbar, wodurch ein weiterer
Anlaß zu einer allgemeinen Konflagration gegeben wäre.
An einer solchen für die Zentralmächte höchst gefährlichen Alter-
native könnte auch ein rumänisch-serbisch-griechisches Zusammengehen
wenig ändern, denn Rumänien käme unter den obigen Umständen als
militärischer Faktor in einem allgemeinen Kriege für den Dreibund
386
vollkommen außer Anschlag, während Serbien und Griechenland im
Hinblicke auf die äußerste Unwahrscheinlichkeit einer aktiven Koopera-
tion dieser Staaten mit Österreich-Ungarn gegen Rußland — welches
genötigt wäre, die Sache Bulgariens zu der seinigen zu machen — hierfür
keinen oder bestenfalls keinen ausreichenden Ersatz bieten könnten; auch
eine völlige Einkreisung Bulgariens durch Anschluß der Türkei an die
in Rede stehende Kombination würde das militärische Kräfteverhältnis
bei dem vollkommenen Mangel türkischer Offensivkraft kaum wesent-
lich bessern, wohl aber Rußland die erwünschte Gelegenheit geben, bei
diesem Anlaß die Verwirklichung seiner Aspiration auf Konstantinopel
anzustreben. Schon im Hinblicke auf letzteren Umstand dürfte aber ein
Beitritt der Türkei zu dieser Gruppierung nicht zu erreichen sein, zumal
sich die Türkei sehr wohl bewußt ist, daß für sie in Europa nichts
mehr zu holen wäre, und daß sich Bulgarien als der beste Wächter des
türkischen Konstantinopel erweisen dürfte, da die Bulgaren alles daran
setzen müssen, damit Konstantinopel und die Meerengen, welche die zu-
künftigen bulgarischen Küsten in zwei Hälften trennen, türkisch bleiben,
bis sie bulgarisch werden können.
Gelingt es, Rumänien und Bulgarien unter einen Hut zu bringen,
so wird Rumänien, Bulgarien und die Türkei die Kette bilden, welche
dem Vordringen russischen Einflusses nach dem Westen den Weg ver-
sperrt, wobei das einer hoffnungsreichen Zukunft entgegenkommende
Bulgarien überdies einen wertvollen Faktor für die auf Erhaltung des
asiatischen Besitzstandes der Türkei gerichteten Bestrebungen des Drei-
bundes bilden wird.
Vom Standpunkte Österreich-Ungarns wäre das Mißlingen der Be-
mühungen zur Erzielung eines rumänisch-bulgarischen Ausgleiches be-
sonders empfindlich, da Österreich-Ungarn durch die Verhältnisse auf
die Pflege guter Beziehungen zu Bulgarien gewiesen ist. Diese Politik,
welche die Monarchie seit Jahrzehnten mit Konsequenz verfolgt, fußt
auf der Erwägung, daß Bulgarien mit Österreich-Ungarn keine einzige
Reibungsfläche, wohl aber viele gemeinsame Interessen hat und daß. Bul-
garien den stärksten und zukunftsreichsten Faktor auf der Balkanhalb-
insel bildet. Auch hängt die zukünftige Lösung des nicht nur für Öster-
reich-Ungarn, sondern auch für Deutschland wichtigen, serbischen Pro-
blems wesentlich von der Entwicklung der österreich-ungarisch-bulga-
rischen Beziehungen ab. Wir sind uns wohl bewußt, daß die Persönlich-
keit des Königs Ferdinand kein übermäßiges Vertrauen einzuflößen
geeignet ist. Der Bulgarenherrscher ist aber viel zu klug, als daß er
nicht den großen Wert einer freundschaftlichen Anlehnung an die Mon-
archie erkennen würde, welche dem Lande Bewegungsfreiheit sowohl
Rußland als den anderen Balkanstaaten gegenüber verschaffen würde.
Andererseits hat uns König Peter bisher nur Beweise von Schwäche und
Ohnmacht gegenüber dem serbischen Chauvinismus erbracht, könnte uns
387
daher auch keinerlei Bürgschaft liefern, die serbische Politik mit den
Interessen der Monarchie in Einklang zu bringen.
Eine Behandlung der serbischen Frage im Wege der Heranziehung
Serbiens durch Förderung seiner nationalen Expansion1) wäre eine
durchaus unnatürliche Politik, selbst wenn dies in der Richtung nach
dem Ägäischen Meere und auf Kosten des bulgarischen und albanesischen
Elementes vor sich ginge. Besonders das letztere Moment müßte die
Politik der Monarchie in unlösbare Widersprüche verwickeln. Es muß
auch in Betracht gezogen werden, daß das Serbentum auf dem Boden
der heutigen Türkei außer im Sandschak und im nördlichen Mazedonien
ethnographisch keine Existenzberechtigung besitzt, so daß eine ser-
bische Expansion gegen Süden eine ganz ungerechtfertigte gewaltsame
Vermehrung dieses Volkselementes bedeuten würde. Der Antagonis-
mus der serbischen Staatsauffassung zur Staatsidee des
Habsburgerreiches ist aber zu tiefgehend, als daß eine
künstliche Züchtung des Serbentums ungefährlich er-
scheinen könnte. Nicht nur, daß Serbien eine Adriamacht zu wer-
den anstrebt und dem albanesischen Volke den Todesstoß versetzen
möchte, ein jeder serbische Politiker, von welcher Parteischattierung
immer, träumt in seinem nationalen Chauvinismus von der Erwerbung der
serbo-kroatischen Gebiete Österreich-Ungarns. Abgesehen hiervon kön-
nen sich in der serbischen Welt jederzeit noch andere Vorgänge voll-
ziehen, welche die bestangelegte Freundschaftspolitik mit Serbien über
Nacht über den Haufen werfen könnten. Es braucht nur auf die Even-
tualität einer Vereinigung der beiden serbischen Königreiche1 2) hingewie-
sen zu werden, welche ohne Gefährdung vitaler Adriainteressen der Mon-
archie nicht zugegeben werden könnte.
Ein Anschluß Serbiens an die Monarchie würde heute, wenn überhaupt
möglich, bloß das Abwarten einer günstigen Gelegenheit bedeuten, um
seine xVspirationen mit größerem Erfolge wieder aufzunehmen. (!) Nur
die Erkenntnis, daß unüberwindliche politische Hindernisse die Fort-
setzung einer großserbischen Politik unmöglich machen, und daß das
zwischen der Monarchie, Albanien, Bulgarien und Rumänien einge-
zwängte serbische Piemont, welches nebenbei zum großen Teile von
Bulgaren, Albanesen und Rumänen bewohnt sein wird, selbst das Opfer
des nachbarlichen Irredentismus werden könnte, vermöchte Serbien dazu
zu veranlassen, den großserbischen Träumen zu entsagen und seine Exi-
stenz durch Anlehnung an die Monarchie zu retten.
Schließlich möchte ich noch erwähnen, daß die Politik Griechenlands
immer mehr auf das Zusammengehen mit Serbien eingerichtet wird und
dadurch sozusagen automatisch in Antagonismus mit Österreich-Ungarn
1) Dieser Gedanke war dem Grafen Berchtold wiederholt deutscherseits nahegeigt
worden. Vgl. Aktenstück Nr. 782.
2) Vgl. dazu Bd. XXXVIII, Kap. CCXCI.
388
treten muß, auch wenn die griechischen Politiker nicht seit Monaten am
Werke wären, ihren krankhaften Chauvinismus durch systematische Ver-
dächtigungen unserer Politik in der Presse freien Lauf zu lassen. Die
Ansicht, daß die griechische Dynastie von einer Katastrophe bedroht
wäre, wenn die Mächte Salonik Bulgarien zusprechen würden, vermag
ich nicht zu teilen. Griechenland, welches mit verhältnismäßig geringen
Verlusten großen Gebietszuwachs erfahren wird, geht aus dem Kriege,
auch wenn ihm das ohne Schwertstreich zugefallene, nicht von Griechen
bewohnte Salonik nicht verbleiben sollte, so günstig hervor, daß an einen
Volksaufstand gegen den König wohl nicht zu denken ist, um so weniger,
als der letztere gegebenenfalls bloß die Konsequenzen eines Votums
sämtlicher Großmächte ziehen würde.
Berchtold.
Nr. 782.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den
Reichskanzler von Bethmann Holl weg.x)
Ausfertigung.
Nr. 108. Wien, den i3. März igi3.
Geheim. (pr. i5. März)
Ich habe infolge der mir mittels hohen geheimen Erlasses Nr. 3i6* 2)
zugekommenen allerhöchsten Weisung nochmals Gelegenheit genommen,
die Frage der zukünftigen politischen Beziehungen der Monarchie zu den
Balkanstaaten, insbesondere zu Serbien, mit Graf Berchtold zu erörtern.
Alle Argumente, die für eine gründliche Revision der bisher von seiten
der Monarchie Serbien gegenüber befolgten Politik und für eine vor-
urteilslose Anerkennung der völlig neuen politischen Lage am Balkan —
nach dem Ausscheiden der Türkei — sprechen, habe ich erneut und aus-
führlich vorgebracht. Insbesondere habe ich noch auf die großen Vor-
teile hingewiesen, die eine dauernde Verständigung mit Serbien für die
innere Politik der Monarchie zeitigen würde. Man habe die Erfahrung
gemacht, daß die früher gefährliche irredentistische Stimmung, die
unter den Rumänen in Ungarn geherrscht und vom Nachbarreiche ge-
schürt worden sei, im Laufe der Zeit dank der guten Beziehungen zwi-
schen Wien und Bukarest fast völlig geschwunden sei. Vielleicht würde
es klug sein, die noch gefährlicheren separatistischen Strömungen unter
!) Die Große Politik Bd.34 (II. Hälfte).. Nr. 12 974, S.5o4.
2) Vgl. Nr. 12937, S. 462, Fußnote*).
389
der serbischen Bevölkerung der Monarchie durch das gleiche Mittel
einer ehrlichen Annäherung an Serbien unschädlich zu machen.
Graf Berchtold hörte mich ruhig an und bemerkte dann, der Schlüssel
der Lage liege leider nicht in Wien, sondern in Belgrad. (!) Hier seien
wohl alle ausschlaggebenden Faktoren darüber einig,
daß in der Vergangenheit in bezug auf das Verhältnis zu
dem benachbarten Serbien viele und große Fehler be-
gangen worden seien. Jetzt hätten alle hier, und in erster Linie
den besten Willen, mit Serbien sich gut zu stellen. Nur würden alle Ver-
suche, diesen guten Willen praktisch zur Ausführung zu bringen, daran
scheitern, daß die Serben eine ehrliche Aussöhnung mit
Österreich-Ungarn nicht wollen*). Als er von Petersburg hier-
her an den Ballplatz gekommen sei, habe er zwar kein allgemeines poli-
tisches Programm mitgebracht, doch habe ihm als erstes und hauptsäch-
liches Ziel vorgeschwebt, endlich mit Serbien in ein gutes Verhältnis zu
kommen, nachdem er als Botschafter an der Newa die üblen Folgen und
die dauernden Unannehmlichkeiten habe durchkosten müssen, die der
Monarchie, besonders in ihren Beziehungen zu Rußland, durch die Rei-
bungen zwischen Wien und Belgrad erwachsen. Die Arbeit eines Jahres
hier als auswärtiger Minister habe ihm zu seinem lebhaften Bedauern ge-
zeigt, daß alle Mühe vergeblich sei, und daß weder die
in Belgrad herrschende Dynastie noch das serbische
Volk(?) den Willen hätten, einen ehrlichen Frieden mit
Österreich zu machen. Die Serben seien phantastisch in ihren po-
litischen Plänen wie mehr oder weniger alle Südslawen. Sie träumten
von einem großserbischen Reiche; der Realisierung dieses Traumes ord-
neten sie alle ihre Entschlüsse unter und sie würden niemals — wenig-
stens nicht durch ruhige Überredung — auf die Idee der Angliederung
der südslawischen Provinzen an ihr Reich verzichten. Das hätten schon
die Erfahrungen der Jahre 1908 bis 1909 gezeigt. Durch die An-
nexion Bosniens und der Herzegowina, durch die kein eigentliches ser-
bisches Interesse betroffen, wohl aber eben der serbische Traum eines
großen Serbenreiches bis Triest und zur Drau zerstört worden sei, sei
bekanntlich damals ein elementarer Ausbruch von Wut und Haß gegen
die Monarchie ausgelöst worden. Man müsse die serbische Volksseele
kennen, um die serbische Politik, ihre Mittel und ihre Aspirationen zu
verstehen. Wenn Österreich sich jetzt auf die Seite Serbiens stellen
wollte, so müßte es, um Serbien zu befriedigen, für dessen Stärkung und
Vergrößerung ein treten. Das könne aber kein österreichischer Staats-
mann tun. Abgesehen davon, daß eine solche Politik die öffentliche Mei-
nung in Österreich und in Ungarn, mit Ausnahme einiger (?) Tschechen
und der Südslawen, gegen sich haben würde, sei sie auch direkt gefähr-
lich. Man würde damit nur das große südslawische Reich gründen
helfen.
390
Ich habe anschließend an diese Ausführungen des Ministers diesem
zugegeben, daß nach Lage der Dinge gewiß eine plötzliche völlige Um-
kehrung der bisher von Österreich befolgten Politik in dem Sinne, daß
man von hier aus den Serben nachlaufen solle, gewiß nicht angezeigt
sein und die serbische Begehrlichkeit nur steigern würde. Wohl könne
aber die Politik der Monarchie Serbien gegenüber langsam und stetig
in andere Bahnen gelenkt werden. Österreich müsse sich klar darüber
sein, daß es mit der Aufgabe des Sandschaks jeder direkten Ingerenz
auf (die Gestaltung der Verhältnisse am Balkan sich begeben habe. Nun
müsse es suchen, sich auch die Vorteile der neuen Lage zunutze zu ma-
chen und auf friedlichem und freundschaftlichem Wege sich den ihm
gebührenden Einfluß bei seinen Nachbarn am Balkan zu verschaffen. Die
österreichische Politik würde damit auf eine ruhige Basis gestellt werden
und durch Anschluß von Rumänien und vielleicht Griechenlands einen
dominierenden Einfluß auf die drei der Monarchie zunächst gelegenen
Balkanstaaten ausüben können**). Graf Berchtold notierte sich dieses
Argument und ich bin überzeugt, daß er allen diesen Gedanken noch
nachgehen wird.
Ich habe es mir angelegen sein lassen, für den Gedanken einer radi-
kalen Änderung der österreichischen Politik Serbien gegenüber und in
weiterer Folge einer Gruppierung Rumäniens, Serbiens und Griechen-
lands unter die Führung der Monarchie auch in weiteren politischen
Kreisen, besonders auch bei den Persönlichkeiten zu wirken, von denen
ich weiß, daß sie mit dem Grafen Berchtold in dauernder Fühlung
stehen. Ich habe sehr eingehend mit dem langjährigen Referenten für
die auswärtigen Angelegenheiten in der österreichischen Delegation,
Präsidenten des Obersten Verwaltungsgerichtshofes, Exzellenz Marquis
Bacquehem, und mit dem Herrenhaus- und Delegationsmitglied Präsi-
denten des gemeinsamen Rechnungshofes, Exzellenz Baron Plener, ge-
sprochen1). Beide sind abgeklärte, ruhige Politiker, Anhänger einer
Politik des Friedens und der Verständigung. Die Vorteile einer Ver-
ständigung mit Serbien für die auswärtige Lage der Monarchie ebenso
wie für die innere Politik habe ich ausführlich mit ihnen besprochen,
und beide haben bereitwillig anerkannt, daß es gewiß wünschenswert
wäre, zu einer solchen Verständigung zu gelangen. Sie waren aber ebenso
einig darüber, daß, wie die Dinge nun einmal lägen, und angesichts
des Umstandes, daß frühere politische Fehler leider nicht aus der Welt
zu schaffen sein, eine ehrliche Verständigung von Belgrad aus nicht
gewünscht und gewollt werde. Diese Sinnesrichtung des gesamten (?) ser-
bischen Volkes sei eine Tatsache, die zwar sehr bedauerlich sei, mit der
man aber rechnen müsse. Man müsse sich vergegenwärtigen, daß seiner-
x) Zu Bacquehems und Ploners Stellungnahme vgl. auch Erinnerungen von Ernst
von Plener. III, ¿27 f.
391
zeit König Peter den bereits in Wien angesagten Besuch in letzter Stunde
habe absagen müssen, weil die öffentliche Meinung seines Landes (?)
schon den einfachen Besuch des Königs bei dem benachbarten greisen
Monarchen für eine Erniedrigung Serbiens erklärt habe. Trotz dieses
unerhörten Vorganges habe Seine Majestät der Kaiser es noch über
sich gebracht, dem König Peter eine goldene Brücke zu bauen, indem
er schließlich von dem Besuch unter dem Vorwände abzustehen bat,
seine Gesundheit sei den damit verbundenen Anstrengungen nicht ge-
wachsen. Es wurde mir auch entgegengehalten, daß der Name einer
jüngst gegründeten serbischen Zeitung „Piemont“ deutlich zeige, daß
man in Serbien die Vereinigung mit den anderen außerhalb des König-
reichs lebenden serbischen Brüdern anstrebe. Die ganze Frage einer
dauernden Annäherung zwischen Österreich-Ungarn und Serbien hinge
sonach nicht von dem guten Willen der österreichischen Politiker ab,
die gewiß die Nützlichkeit einer solchen Politik zu würdigen wüßten,
sondern von der Sinnesrichtung und den politischen Zielen der Serben.
Auch noch andere Politiker und Parlamentarier habe ich unauffällig
in gleicher Richtung sondiert. Überall und ausnahmslos bin ich der
festen Ansicht begegnet, daß angesichts des serbischen Volkscharakters (?)
der politischen Aspirationen und der festen Verankerung der Belgrader
Politik in russischem Sinne jeder Versuch zu einer ehrlichen Verständi-
gung von hier aus seinen Zweck verfehlen würde. (!)
Es dürfte auch schwerfallen, Seine Majestät den Kaiser Franz Joseph
persönlich für eine serbophile Politik zu gewinnen. Denn selbst dieser
gewiß abgeklärte und für jeden Ausgleich bestehender Gegensätze ein-
genommene Monarch hat sich noch vor wenig Tagen einem meiner Be-
kannten gegenüber, der in Audienz empfangen wurde, in sehr kräf tigen
Worten über und gegen die serbischen Nachbarn geäußert.
Besonders auch die Entsendung von Hilfstruppen von seiten Serbiens
zur Belagerung und Einnahme Skutaris hat in letzter Zeit noch wesent-
lich dazu beigetragen, das serbische Konto der Monarchie gegenüber
zu belasten.
Ich werde fortgesetzt sich mir bietende Gelegenheiten wahmehmen,
um die hiesigen politischen Kreise in unserem Sinne zu beeinflussen. Im
vorstehenden habe ich ein getreues! Bild der augenblicklich hier für die
Politik gegenüber Serbien allgemein maßgebenden Gesichtspunkte ge-
geben. Vielleicht wird es möglich sein, mit der Zeit die Pfade zu einer
Verständigung hier und besonders in Serbien zu ebnen. Vorbedingung
dazu ist aber, daß der Grundsatz einer selbständigen Entwicklung der
Balkanstaaten, der hier noch am 5. November v. Js. vom Grafen Berch-
told in den Delegationen als leitendes Prinzip für die fernere Politik der
Monarchie festgelegt worden ist, in gleicher Weise in Petersburg aner-
kannt und befolgt wird. Solange Serbien damit rechnen kann, in seinen
392
Aspirationen Unterstützung oder Rückendeckung bei Rußland zu finden,
wird es diesen kaum entsagen***).
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
*) Ja.
**) richtig.
***) ?
Schlußbemerkung des Kaisers:
Sehr gut gearbeitet.
von Tschirschky.
Nr. 783.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.*)
Vertraulicher Brief.
^ . , 28. Februar ^
Fans, den--0 , r---iqio.
i3. März y
Wie Ihnen bekannt, ist HerrDelcasse nicht nur in Fragen der Außen-
politik besonders kompetent, sondern auch in allem, was die Heeres- und
insbesondere die Flottenangelegenheit betrifft. Laut Kenntnis unseres
Militärattaches ist ihm ganz speziell der Auftrag erteilt, unsere Mili-
tärverwaltung von der Notwendigkeit zu überzeugen,
daß die Anzahl unserer strategischen Wege zu vermeh-
ren ist, um dadurch das Zusammenziehen unserer Armee an der
Westgrenze zu beschleunigen. HerrDelcasse ist in dieser Angelegenheit so
bewandert und mit den Ansichten des französischen* Generalstabes so
bekannt, daß er diese Frage mit unseren Militärbehörden völlig selb-
ständig erörtern kann. Dabei ist er bevollmächtigt, Rußland alle hierzu
vielleicht erforderlichen Geldmittel in Form von entsprechenden Eisen-
bahnanleihen anzubieten.
Iswolski.
Nr. 784.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.* 2)
Geheimtelegramm. Paris, den i./i4. März 1913.
Nr. io3.
Eine Gruppe französischer Banken, an deren Spitze Noël Bardac
steht, streckt der serbischen Regierung dreißig Millionen Franken vor
*) Iswolski Bd. III, Nr. 762, S. 88.
2) Iswolski Bd. III, Nr. 766, S.93.
393
als Anzahlung auf die zukünftige Anleihe und für die zugesagte Über-
lassung des Abschnittes der Eisenbahnlinie Donau—Adriatisches Meer.
Abschrift nach Belgrad.
Iswolski.
Nr. 785.
Brief des Erzherzogs Franz Ferdinand an den
Zaren Nikolaus II.x)
Wien, den 20. März 1918.
Allergnädigster Herrscher!
Mein lieber Vetter!
Ich halte es für meine Pflicht, Dir gegenüber meine volle Genugtuung
darüber zum Ausdruck zu bringen, als ich von dem guten Empfang
erfuhr, den Du dem Prinzen Gottfried von Hohenlohe, der mit einem
Brief Seiner Majestät abgesanidt worden war, hast zuteil werden lassen.
Ich bin überzeugt, daß angesichts der Zerstörungen, die in gegen-
wärtiger Zeit im nahen Orient vor sich gehen, ein herzlicher Kontakt
zwischen beiden Monarchen die solideste Sicherheit für eine fried-
liche Entwicklung der Krise bildet. Mit lebhaftester Genugtuung begrüße
ich die Initiative meines kaiserlichen Ohms, sich unmittelbar an Dich
zu wenden, gleichwie die Schnelligkeit, mit welcher Du auf diese Mit-
teilung geantwortet hast.
Schon von Kindheit an bin ich der Ansicht gewesen, daß freund-
schaftliche und vertrauliche Beziehungen zwischen Österreich und Ruß-
land die monarchischen und konservativen Prinzipien, welche die Grund-
lage beider benachbarten Monarchien bilden, am besten sicherstellen und
festigen können.
Ich vermag auch mein Erstaunen über die in Rußland entstandenen
und verbreiteten Gerüchte nicht zu verbergen; in mir rufen sie ganz
andere Gefühle hervor.
Ohne den Wunsch zu haben, den Ursprung dieser Legenden aufzu-
decken, scheint es mir, daß sie von destruktiven Elementen vorbereitet
werden, die bestrebt sind, die Bande zu lockern, welche glücklicherweise
zwischen den beiden Dynastien bestehen.
Ich will hoffen, daß derartige Tendenzen vor jenen großmütigen
Absichten unverzüglich verschwinden werden, die anläßlich der Mission
des Prinzen Hohenlohe beiderseits ausgesprochen worden sind. 1
1) Russische Dokumente, S. 364-
394
Ich sende Dir heiße Wünsche für Dein Glück und das Wohlergehen
Deines Reiches und bitte meinen Gefühlen aufrichtiger Anhänglichkeit
Glauben zu schenken, mit denen ich verbleibe
Dein aufrichtig ergebener Vetter
Franz Ferdinand.
Nr. 786.
Der Präsident der französischen Republik an den
russischen Kaiser. *)
Brief. Paris, den 20. März 1913.
Teurer und Hoher Freund!
Ich will mich nicht mit den Beglaubigungsschreiben begnügen, die ich
Herrn Delcasse ausgehändigt habe, sondern benutze die Abreise unseres
Botschafters, um Eurer Majestät von neuem die Versicherung der Un-
veränderlichkeit meiner Gefühle zu geben.
Indem die Regierung Frankreichs einem hervorragenden Politiker,
der sich insbesondere dem Studium der internationalen Fragen geweiht
hat, den Auftrag anvertraute, sie Eurer Majestät gegenüber zu ver-
treten, suchte sie nach einer Gelegenheit, das Bündnis unserer beiden
Länder noch weiter zu festigen und eine enge und ununterbrochene
Fühlungnahme mit der kaiserlichen Regierung aufrechtzuerhalten.
. Ich brauche Eurer Majestät nicht zu sagen, daß Herr Delcasse, der in
dem Kabinett, das unter meinem Vorsitze stand, Marineminister war,
sich im Laufe der letzten Monate für alle durch die Balkankrise aufge-
worfenen Fragen der auswärtigen Politik interessiert und den Gang der
Ereignisse sehr aufmerksam verfolgt hat. Er ist über die geringsten
Einzelheiten auf dem laufenden und kann mehr denn irgendein anderer
im Einvernehmen mit Herrn Sasonow tätig sein, um ein gemeinsames
Vorgehen unserer beiden Diplomatien sicherzustellen.
Als ich andererseits das Glück hatte, im vorigen Jahre von Eurer
Majestät in Peterhof empfangen zu werden, lenkte ich Eure Hohe Auf-
merksamkeit auf den Nutzen, den nach Ansicht unserer Generalstäbe
die Beschleunigung des Baues gewisser Eisenbahnen an
der Westgrenze des Reiches bringen würde.
Die große militärische Anstrengung, die die französische Regierung
zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der europäischen Streitkräfte
zu machen beabsichtigt, bewirkt, daß entsprechende Maßnahmen, über
deren Notwendigkeit sich die Generalstäbe beider verbündeten Parteien
!) Iswolski Bd. III, Nr. 776, S.97.
395
geeinigt haben, gegenwärtig besonders dringlich sind. Herr Delcasse wird
Eure Majestät und seine Regierung auf dem laufenden über diese wich-
tigen Fragen sowie über alle anderen Fragen halten, die die Betätigung
des Bündnisses betreffen und uns gestatten können, die Aufrechterhal-
tung des Friedens mit größter Zuversicht zu überwachen.
Ich werde glücklich sein, wenn Eure Majestät unserem Botschafter
einen huldvollen Empfang bereiten und durch Euer Hohes Wohlwollen
ihm den Auftrag erleichtern wollte, der, wie ich hoffe, für unsere
beiden Völker von Nutzen sein wird.
Ich bitte Eure Majestät, von neuem den Ausdruck meiner Gefühle
treuer Freundschaft zu genehmigen.
R. Poincare.
Nr. 787.
Herr von Urgon an Graf Berchtold.*)
Telegramm. Belgrad, den 22. März 1913.
Ich habe heute auftragsgemäß Herrn Päschitsch gegenüber in sehr
ernster, nachdrücklicher Weise darauf hingewiesen, daß die Geduld der
k. u. k. Regierung durch Montenegro auf die härteste Probe gestellt
wurde und wenn es sich nicht eines Besseren besinne, es die allerweit-
tragendsten Folgen nur sich selbst zuzuschreiben haben wird.
Herr Päschitsch erklärte, montenegrinischer Regierung sofort den
dringenden Rat erteilen zu wollen, unseren Forderungen unverzüglich
nachzugeben, damit Möglichkeiten weiterer Konflikte beseitigt werden.
Nr. 788.
Der Botschafter in London Fürst von Lichnowsky
an den Reichskanzler von Bethmann-Hollweg.2)
(Ausfertigung.)
Nr. 202. London, am 27. März 1913.
(pr. 3o. März)
Serbien scheint durch die energische Haltung Englands in der Frage
Albaniens und des Friedensschlusses überrascht worden zu sein. Der
!) Österreichisches Rotbuch 1913, Nr. 337, S. 179.
z) Die Große Politik Bd. 34 (II. Hälfte), Nr. i3o38, S. 571 ff.
Pariser Gesandte Wesnitsch sprach gestern auf dem Foreign Office vor
und fragte, ob denn England wirklich äußerstenfalls sich an einer Blo-
ckade der albanischen und montenegrinischen Küste beteiligen würde*).
Die Frage wurde bejaht. Der Gesandte wies dann darauf hin, daß ein
solches Vorgehen die Sympathien Serbiens für die Tripelentente abkühlen
und die Erwägung nahelegen müßte, ob Serbien nicht eventuell
¡durch einen Anschluß an Deutschland und den Drei-
bund besser fahren würde**). Es wurde ihm erwidert, daß die
Mächte in dieser Frage durchaus einig seien, und ein Versuch der Balkan-
staaten, in diesem Falle die beiden europäischen Gruppen gegeneinander
auszuspielen von vornherein gänzlich aussichtslos sei***).
Lichnowsky.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms:
*) Ist schon dabei 1
**) Unverschämter Bandit! spricht wie eine Großmacht.
***) richtig.
Schlußbemerkung des Kaisers: Gut.
Nr. 789.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.1)
Geheimtelegramm.
Nr. 847.
St. Petersburg,
24. März
6. April
i9i3.
Abschrift nach Paris, Sofia, Athen.
Richten Sie die Aufmerksamkeit des Außenministers darauf, daß die
Beziehungen zwischen Bulgarien und Serbien sich gefährlich zugespitzt
haben, und daß eine energische Einwirkung auf beide Staaten erwünscht
ist, da!mit die Gefahr eines Bürgerkrieges * 2) abgewendet wird.
Sasono w.
!) Iswolski Bd.III, Nr. 824, S. 119.
2) Muß wahrscheinlich Bruderkrieg lauten. D. V.
397
Nr. 790.
Télégramme du Ministre des Affaires étrangères
de Serbie à M. V esnitch, Ministre à Paris,
et communiqué par celui-ci
au Ministre des Affaires étrangères.1)
12 avril 1913.
Sur la demande de F Autriche nous avons été obligés d’abandonner le
littoral Adriatique avec une grande douleur, que nous nous sommes im-
posée surtout par déférence pour la Russie et pour ses amis. Cette con-
cession à F Autriche a été un coup sensible pour l’alliance des
peuples balkaniques, puisque, par lui, on a dépouillé un des
Alliés des fruits des conquêtes de la plus haute importance économique
et politique.
Se sentant isolée et désireuse de prévenir un conflit de
l’Alliance balkanique avec l’Autriche-Hongrie, la Serbie
s’est soumise à la volonté de l’Europe, elle a renoncé au littoral avec
l’espoir que les Puissances amies l’aideront dans les autres questions, et
surtout dans celle de la délimitation avec l’Albanie. De nouveau l’Autriche
s’est dressée contre les demandes serbes en exigeant l’attribution à l’Albanie
des contrées qui ont été serbes et sans lesquelles la Serbie ne pourrait
avoir une frontière naturelle ni au point de vue géographique, ni au
point de vue stratégique. Là aussi la Triple Entente a sacrifié notre
minimum, et s’est rendue aux désirs de l’Autriche-Hongrie, qui, encou-
ragée par ces succès, insiste pour conserver à l’Albanie Scutari et qui
obtient un concours de l’Europe en vue d’une intervention contre le Mon-
ténégro et la Serbie, pendant que ces pays sont en guerre avec la Turquie.
Là aussi la Triple Entente se range du côté de l’Autriche-Hongrie et dé-
pouille le Monténégro de la possibilité de prendre Scutari, beaucoup plus
nécessaire à lui qu’à l’Albanie et empêche la Serbie de remplir ses obli-
gations d’alliée. Tous ces sacrifices la Serbie les a faits, voulant donner
la preuve à la Triple Entente de la déférence pour les Puissances qui la
composent, ainsi que pour montrer |e prix qu’elle attache à ses sympa-
thies, espérant au moins pouvoir compter sur l’appui des mêmes Puissan-
ces au moment où il faudra fixer ses frontières définitives du côté de
l’Albanie et de la Bulgarie. Si les Puissances de la Triple Entente ne
réussissent pas à empêcher la Bulgarie de franchir la rive droite du
Vardar et si elles ne l’arrêtent point dans ses velléités de pousser ses
nouvelles frontières jusqu’à l’Albanie, la Serbie s’y opposera avec ses propres
forces dans le suprême intérêt de sa propre défense, vu que, dans le cas
contraire, elle se trouverait dans une position beaucoup moins favorable
1) Livre Jaune 1912, II, Nr. 234-
398
après la guerre. L’Autriche-Hongrie avec l’Albanie d’un côté et la Bul-
garie de l’autre pouvant facilement l’étouffer (en tout cas empêcher son
développement normal), nous ne permettrons pas cela, pas même au
prix de notre existence politique.
Nr. 791.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.1)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den a./i5. April 1913.
Nr. 945.
Abschrift nach Paris.
Die italienische Regierung lenkt, vielleicht durch Österreich auf-
gestachelt, unsere Aufmerksamkeit auf die angeblich gefährliche Haltung
Serbiens, das seine Garnisonen in den Albanien benachbarten Städten und
auf dem zu räumenden albanischen Gebiet verstärkt. Nach den italieni-
schen Mitteilungen rechtfertigen die Serben diese Maßnahme mit der
Furcht vor einem von Österreich geschürten albanischen Aufstand und
mit der Notwendigkeit, Sicherheiten für den Ausgang zum Meer in
Händen zu haben. Wir verkennen unsererseits nicht die Berechtigung
dieser Erwägungen der serbischen Regierung. Es erscheint uns wün-
schenswert, soviel wie möglich die Arbeiten der Konferenz zu beschleu-
nigen, die die Frage des albanischen Regimes noch nicht angeschnitten}
hat. Bitte befragen Sie Grey, ob er nicht eine häufigere Ansetzung von
Sitzungen der Konferenz für möglich erachtet und dabei die ihrer Prü-
fung unterliegenden Gegenstände abwechseln könnte. Man würde auf
diese Weise die Frage des albanischen Regimes gleichzeitig mit der Frage
der räumlichen Abgrenzung anschneiden können, ohne die endgültige
Regelung dieser letzteren abzuwarten.
Sasonow.
Nr. 792.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.1 2)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den 5./i8. April 1913.
Nr. 984.
Abschrift nach Paris.
348 erhalten.
Die Räumung der Gebiete, die an Serbien fallen werden, durch die
1) Iswolski Bd. III, Nr. 84o, S. 126.
2) IswoIski Bd.III, Nr.84i, S.127.
399
serbischen Trappen kann sicherlich nicht einmal Gegenstand
einer Frage sein. Es versteht sich von selbst, daß Serbien das
volle Recht hat, dort nicht nur seine Trappen zu belassen, sondern auch
zu verstärken. Die Frage kann nur bezüglich der Räumung der an Alba-
nien fallenden Gebiete gestellt werden. Unseres Erachtens darf diese
Räumung nicht vom serbischen Standpunkt aus angesehen werden, son-
dern nur von dem des Interesses an der Aufrechterhaltung der Ordnung
und Sicherheit, die bis jetzt nur durch die Anwesenheit der Besatzangs-
truppen garantiert werden. Wollte man Serbien zur Räumung auffor-
dern, bevor die Frage des albanischen Regimes auch nur angeschnitten
worden ist, so würde man den Mächten eine schwere Verantwortung auf-
laden. Wenn also die Räumung noch nicht ausgeführt werden kann, so
hat Serbien damit gar nichts zu tun. Alle diese Erwägungen zwingen uns
nochmals auf die dringende Notwendigkeit zurückzukommen, soviel wie
möglich die Lösung dieser Frage zu beschleunigen. Wir nehmen gern
den Vorschlag einer Unterkommission, von der Sie sprechen, an. Bitte
besprechen Sie dies mit Grey und Cambon.
Sasonow.
Nr. 793.
Graf Berchtold an Graf Mensdorff in London. *)
Telegramm. Wien, 28. April 1913.
Ich telegraphiere an die k. u. k. Botschaften in Berlin, Paris, Rom und
St. Petersburg wie folgt:
„Die von uns ins Auge gefaßte Eventualität der Übergabe Skutaris ist
nunmehr eingetreten.
Daß dieselbe trotz der in Cetinje abgegebenen ausdrücklichen Erklä-
rungen der Vertreter der Großmächte und ungeachtet.der in den monte-
negrinischen Wässern versammelten internationalen Flotte von Monte-
negro erzwungen wurde, macht die unerhörte Ignorierung
des Willens Europas seitens Montenegros vor aller Welt
offenkundig. Hierdurch erscheint das Ansehen der beteiligten
Mächte in solchem Grade verletzt, daß wir von keiner derselben ein ruhi-
ges Hinnehmen eines solchen Affronts voraussetzen und jedenfalls für
unseren Teil entschlossen sind, denselben nicht ohne Remedur zu lassen.
Es ist somit zur unabweislichen Notwendigkeit geworden, daß die
Großmächte ohne jeden Verzug mit einer energischen Aktion einsetzen,
um ihr verletztes Ansehen voll wiederherzustellen und die von ihnen ge-
faßten Beschlüsse nunmehr endlich durchzusetzen.
x) Österreichisches Rotbuch igi3, Nr. 458, S. 235.
4oo
Wir müssen also erwarten, daß die Mächte sofort einen konkreten Be-
schluß bezüglich der von ihnen unverweilt zu ergreifenden Koerzitiv-
maßnahmen fassen, als welche wir die Besetzung der montenegrinischen
Hafenplätze durch internationale Detachements oder die Beschießung
eben jener Plätze beantragen. Sollten sich die Mächte hiezu nicht ent-
schließen können, so ergäbe sich hieraus für uns das moralische
Obligo, für die Durchsletzung des in internationalen
Vereinbarungen festgelegten Willens der Mächte selbst
Sorge zu tragen und die Räumung Skutaris zu erlzwingen.
Euer Exzellenz wollen sich bei der dortigen Regierung in obigem Sinne
aussprechen und hinzufügen, daß wir gleichzeitig im selben Sinne so
wie an die dortige Regierung auch an die anderen Kabinette mit dem
dringenden Ersuchen herantreten, ihre Botschafter in London mit den
nötigen Instruktionen zu versehen, damit ein bezüglicher Reunions-
beschluß ehebaldigst zustande komme.“
Euer Exzellenz wollen vorstehendes unverzüglich zur Kenntnis Sir
E. Greys bringen.
Nr. 794.
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold.*)
Telegramm. Cetinje, 2 3. April 1913.
Seine Majestät der König hat heute einem meiner Kollegen über die
Kapitulation Skutaris folgendes mitgeteilt:
Besatzung zieht mit allen militärischen Ehren, Waffen und Proviant
unter Zurücklassung schwerer Geschütze nach Tirana ab.
Stadt wurde mit vier Bataillonen belegt; Rest der Truppen in den Wer-
ken. Alle Maßregeln für die Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen.
Konsulate werden bewacht, österreichisch-ungarisches durch 5o Mann.
König ließ Lebensmittel und Sanitätsmaterial nach Skutari senden.
Auf die Frage meines Kollegen, ob der König Skutari räumen werde,
antwortete Höchstderselbe: „Nein.“
Nr. 795.
Graf Thurn an Berchtold.1 2)
Telegramm. St. Petersburg, 24. April 1913.
Ich habe heute auftragsgemäß Herrn Sasonow auf die durch den Fall
von Skutari geschaffene Lage aufmerksam gemacht und hiebei betont,
1) Österreichisches Rotbuch Nr. 461, S. 287.
2) Österreichisches Rotbuch Nr. 467, S.24o.
26 Boghitschewitsch, Serbien II.
4oi
daß nun, soll das europäische Konzert nicht zum Gelächter werden, un-
gesäumt ernste Maßregeln ergriffen werden müssen, um dem Willen der
Mächte endlich Geltung zu verschaffen. Ich betonte hiebei, daß die
Monarchie durchaus nicht den Wunsch habe, sich von den anderen Mäch-
ten zu trennen, daß aber, wenn diese zu einem weiteren energischen
Handeln nicht zu bewegen seien, für Österreich-Ungarn nichts anderes
übrigbleiben würde, als eben selbst für die Durchführung der getroffe-
nen Vereinbarungen durch eine Separataktion Sorge zu tragen.
Euer Exzellenz hätten daher den Vorschlag gemacht, zu weiteren ge-
meinsamen Koerzitivmaßregeln zu schreiten und sei ich beauftragt, ihn,
Herrn Sasonow, zu ersuchen, dem russischen Botschafter in London ent-
sprechende Instruktionen mit aller möglichen Beschleunigung zu erteilen.
Herr Sasonow erwiderte mir, die Frage der Zugehörigkeit Skutaris
sei eine res judicata, auf die in keinem Falle zurückgekommen werde»n
könne, so daß darüber keinerlei Zweifel bestehe, daß König Nikolaus
die Stadt werde wieder räumen müssen.
Der Herr Minister sicherte mir zu, er werde ungesäumt an Grafen
Benckendorff telegraphieren, um ihm Unveränderlichkeit seines Stand-
punktes bezüglich Skutaris mitzuteilen, das unbedingt bei Albanien blei-
ben müsse. Gleichzeitig gedenke er auch Vorschläge zu formulierten,
welche seiner Meinung nach zur raschesten Erreichung der Evakuierung
Skutaris durch die Montenegriner führen könnten.
Nr. 796.
Graf Szécsen an Graf Berchtold. *)
Telegramm. Paris, 24. April 1913.
Minister des Äußeren teilt mir gestrige Beschlüsse der Botschafter-
reunion betreffs Skutari mit und meinte, daß diese den Wünschen Euer
Exzellenz entsprechen dürften.
Ich bemerkte, daß die Reunion, wie so oft, die Absichten der Mächte
zwar energisch formuliert, aber leider wieder unterlassen habe, zu sagen,
was geschehen solle, wenn Montenegro diesen Wünschen nicht Rechnung
trage. Herr Pichón sagte: «C’est une mise en demeure si positive que
le Monténégro devra en tenir compte. Si contre toute probabilité le Monté-
négro refusait de se soumettre aux décisions des Puissances, il est évident
qu’il faudra envisager des mesures coercitives et Vous pouvez être sûr
que le Gouvernement Français est bien décidé à faire triompher la vo-
lonté de l’Europe.»
*) Österreichisches Rotbuch Nr. 466, S. 24o.
4o2
Nr. 797.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.x)
Geheimtelegramm. Paris, den 11./24. April igi3.
Nr. 192.
Pichon sagte mir, nach vertraulichen Mitteilungen von Miuschkowitsch,
die aber seiner Ansicht nach der Bestätigung bedürfen, hätte die Über-
gabe von Skutari infolge einer geheimen Vereinbarung zwischen dem
König Nikolaus und Essad Pascha stattgefunden. Diesem soll freier Ab-
zug mit seinen Truppen auf albanisches Gebiet gesichert und ferner die
Unterstützung Montenegros zur Erlangung des Thrones von Albanien ver-
sprochen worden sein. Miuschko witsch glaubt darin eine Lösung der
Skutari-Frage zu erblicken, obwohl aus seinen Worten nicht klar hervor-
geht, ob der König Skutari an Albanien ab tritt.
Abschrift nach London.
I s w o 1 s k i.
Nr. 798.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1 2)
Geheimtelegramm. Paris, den 12./25. April 1913.
Nr. igü.
Der österreichische Botschafter hat Pichon im Namen seiner Regie-
rung soeben erklärt, daß man nach Ansicht des Wiener Kabinetts gegen-
wärtig zu gemeinsamen Zwangsmaßregeln gegen Montenegro schreiten
müsse: sollten diese oder jene Mächte sich von den allgemeinen Hand-
lungen ausschließen, so würde Österreich zum alleinigen Vorgehen ge-
zwungen sein. Pichon antwortete dem Grafen Szecheny, Frankreich
halte am Grundsätze des Zusammengehens aller Mächte aufrichtig fest
und es liege gar kein Grund zu der Vermutung vor, daß irgendeine
andere Macht diesen Grundsatz aufgeben wolle. Deshalb hoffe er, daß
auch Österreich auf jedes einseitige Vorgehen verzichten werde.
Is wolsk i.
1) Iswolski Bd. III, Nr. 847, S. i3o.
2) Iswolski Bd. III, Nr. 852, S. i36.
4o3
Nr. 799.
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Cetinje, den 27. April 1913.
Der Kollektivschritt (Telegramm vom 24* d. M.) wurde heute vormit-
tag schriftlich unternommen. Nachdem wegen des Ostersonntags weder
ein Minister noch ein stellvertretendes Organ aufzufinden war, (?!) wurde
Kommunikation dem Minister des Äußern in seinem Hause samt einem
von uns allen unterschriebenen Begleitschreiben, welches feststellt, daß
die Demarche damit gemacht ist, übergeben.
Nr. 800.
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold.1 2)
Telegramm. Cetinje, den 27. April 1913.
In einer an die Vertreter der Großmächte gerichteten Note bestätigt
Minister des Äußern Empfang heutiger Kommunikation, betont aber,
daß während der Ostern nach alter Tradition keinerlei
Mitteilung, außer im Falle höchster Dringlichkeit, be-
raten, ja selbst nur empfangen werden kann. (?!) Minister
behält sich Antwort nach den Feiertagen im Namen der montenegrini-
schen Regierung vor.
Nr. 801.
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold.3)
Cetinje, den 28. April igi3.
Im Verfolge meines ergebensten Telegrammes vom 27. d. M. beehre
ich mich, Euer Exzellenz im Anbuge den Text der in Angelegenheit der
Evakuierung Skutaris von den hiesigen Vertretern der Großmächte bei
der montenegrinischen Regierung gestern unternommenen Kollektiv-
demarche sowie Abschrift der bezüglichen Antwortnote vom Gestrigen
zu unterbreiten.
Beilage.
1) Österreichisches Rotbuch Nr. 479, S. 246.
2) Österreichisches Rotbuch Nr. 48o, S. 246.
3) Österreichisches Rotbuch Nr. 483, S. 247.
4o4
Cettigné, le 14/27 avril 1918.
Monsieur le Ministre,
Les soussignés, représentants des six Grandes Puissances, ayant reçu
de leurs Gouvernements respectifs Tordre de faire une démarche collec-
tive auprès du Gouvernement Royal de Monténégro et n’ayant pas eu
l’honneur de rencontrer Votre Excellence ni un fonctionnaire qualifié
pour La remplacer, croient devoir, vu l’urgence, Vous adresser ci-joint
sous ce pli, le texte de la communication qu’ils avaient l’intention de
Vous faire verbalement.
Cette remise équivaut à la démarche verbale qu’ils vous prient de
considérer dès ce moment comme faite.
Les soussignés prient Votre Excellence d’agréer les assurances de leur
haute considération.
von Eckardt m. p.
Giesl m.p.
Delaroche Vemet m.p.
J. de Salis m.p.
N. Squitti m.p.
A. Giers m.p.
Annexe.
Les représentants des six Grandes Puissances ont l’honneur de déclarer
collectivement au Gouvernement Royal de Monténégro que la prise de
Skutari ne modifie en rien les décisions des Puissances relatives à la:
délimitation nord et nord-est de l’Albanie; que par conséquent la ville de
Scutari doit être évacuée dans l/e plus bref délai et qu’elle devra être
remise aux Puissances représentées par les commandants des forces na-
vales internationales.
Le Gouvernement Royal de Monténégro est invité à donner une
prompte réponse à cette communication.
2. Beilage.
Kopie einer Note des königlich montenegrinischen
Ministeriums des Äußern
vom 14-/2 7. April 1913.
Monsieur le Ministre,
Le jour de Pâques étant une fête à la fois religieuse et nationale, le
Gouvernement Royal, en force d’une ancienne tradition commune à tous
les Etats orthodoxes, ne se trouve pas en état de délibérer ni même de
recevoir des communications qui n’auraient pas un caractère d’extrême
urgence.
Le soussigné ne peut, par conséquent, qu’accuser réception de la lettre
du 14/27 mois courant transmise à son domicile, en se réservant de
4o5
donner au nom du Gouvernement Royal, après les fêtes de Pâques, une
réponse à la communication des Grandes Puissances concernant Scutari
transmise par la lettre précitée.
Veuillez agréer etc...
Dusan Vukotic m. p.
Nr. 802.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Cetinje1)
vom 15./28. April 1913.
Nr. 1078.
Trotz der Haltung der montenegrinischen Regierung unseren Rat-
schlägen gegenüber, einer Haltung, die man nicht anders als eine un-
verantwortliche Vernachlässigung aller Pflichten bezeichnen kann, haben
wir nicht aufgehört, aus Mitgefühl für das montenegrinische Volk alle
Mittel anzuwenden, um einen Ausweg aus der jetzigen Lage zu finden,
und es ist uns bis jetzt geglückt, den Mächten abzuraten,
eine Antwort binnen einer kurzen und bestimmten Frist
zu verlangen. Die letzte Antwort des montenegrinischen Ministers be-
deutet ein völliges Unverständnis des Ernstes der Lage und des elemen-
taren Anstandes und läßt uns befürchten, daß in allernächster Zeit eine
akute Gefahr eintritt, wenn sich nicht die montenegrinische Regierung
im letzten Augenblick eines besseren besinnt und eine Antwort erteilt,
die die Mächte befriedigen wird. Sprechen Sie sich dem Minister des
Auswärtigen gegenüber aus und weisen Sie ihn auf die Notwendigkeit
hin, eine sofortige sachliche Antwort zu erteilen. Andernfalls ist es zu
spät, von irgendwelchen Kompensationen zu sprechen, und Montenegro
droht die Gefahr, zerschmettert zu werden.
Sasonow.
Nr. 8o3.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Botschafter in London* 2)
vom 15./28. April 1913.
Nr. 1076.
Wir fürchten, daß Österreich den höchst ungünstigen Eindruck aus-
nützen wird, den die Antwort des montenegrinischen Außenministers auf
den Kollektivschritt notwendigerweise bei allen Kabinetten erwecken muß.
M Ben,c|kendor£f Bd. III, Nr. g58, S. 179.
2) Benckendorff Bd. III, Nr. 957, S. 178.
4o6
Die Solidarität der Mächte ist unerläßlicher denn je. Es handelt sich
nicht um die engen Interessen der montenegrinischen Dynastie und Re-
gierung, noch um deren Torheiten, sondern um das höchste Interesse des
europäischen Friedens, der nicht durch die Laune eines Ministers, der
sich seiner Verantwortung nicht bewußt ist, gestört werden darf. Wie-
derholen Sie, daß die Mächte in ihrem Entschluß einig bleiben, Skutari
Albanien zuzusprechen — was die Hauptsache ist — und daß sie über
mehrere Möglichkeiten verfügen, um diesen Entschluß durchzusetzen,
ohne zu Gewaltmitteln greifen zu müssen. Wenn die von uns vorge-
schlagenen Methoden auch langsamer sind, so sind sie deswegen nicht
weniger sicher, und wir sehen durchaus keine Notwendigkeit, den Lauf
der Dinge dadurch zu beschleunigen, daß wir riskieren, die allgemeine
Lage zu gefährden. Der Leidenschaftlichkeit und Torheit der montene-
grinischen Regierung sollten die Mächte die größte Kaltblütigkeit ent-
gegensetzen und nichts Abenteuerliches wagen, was vielleicht nur dem
Wunsch der montenegrinischen Regierung entsprechen würde.
Sasonow.
Nr. 8o4.
Graf Szecsen an Graf Berchtold.*)
Telegramm. Paris, den 3o. April 1913.
Von Herrn Pichon wurde mir heute auf das bündigste versichert,
Frankreich halte unerschütterlich an dem Beschlüsse Skutari für Al-
banien fest.
Montenegro müsse sich dem Willen Europas unterwerfen.
Herr Pichon meinte, man solle Montenegro erklären, daß es, solange
es sich nicht füge, nirgends Geld bekommen wird; diese Pression
werde jedenfalls wirken.
Der Herr Minister wiederholte, daß er ein Nachgeben Montenegros
in kürzester Zeit erwarte und hoffe, daß wir uns nicht vom europäischen
Konzert trennen würden.
Ich erwiderte, es sei nach meiner Ansicht die höchste Zeit, daß dieses
Konzert auch praktische Resultate ergebe. 1
1) Österreichisches Rotbuch Nr. 489, S. 253.
Nr. 8o5.
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Cetinje, den 2. Mai 1913.
Der gestrige Kronrat war laut Mitteilung des Ministerpräsidenten ein-
stimmig in der Auffassung, daß gegen jede militärische Aktion, also
auch gegen eine internationale Landung von Detachements, äußerster
Widerstand zu leisten sei.
Nr. 806.
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold.1 2)
Telegramm. Cetinje, den 5. Mai igi3.
König von Montenegro hat gestern nachts in Ergänzung und teilweiser
Abänderung seines an den Londoner Vertreter gerichteten Auftrages
durch den hiesigen englischen Gesandten an Sir E. Grey eine Depesche
gerichtet, deren Schlußpassus lautet: «Ma dignité et celle de Mon peuple
ne Me permettant pas de Me soumettre à une sommation isolée, Je
remets le sort de la ville de Scutari dans les mains des Grandes Puis-
sances.»
Nr. 807.
Der russische Minister des Äußern, Sasonow,
an den russischen Gesandten in Belgrad, Hartwig.3)
Petersburg, den
23. April
6. Mai
I9I3-
Sehr verehrter Nikolai Genrichowitsch!
Ich benutze die Abreise Strandtmanns4), um Ihnen einige Zeilen in
Ergänzung des amtlichen Erlasses zu schreiben, den er Ihnen überbringen
wird, vorausgesetzt, daß die Ausfertigung bei seiner Abreise schon fertig
sein wird.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr mich die Frage der serbisch-
bulgarischen Beziehungen beunruhigt. Sie ist berufen, die Rolle eines
1) Österreichisches Rotbuch Nr. 5oi, S. 258.
2) Österreichisches Rotbuch Nr. 5i3, S. 264.
8) Deutsches Weißbuch 1919, S. 77.
4) Russischer Legationssekretär in Belgrad.
4o8
Prüfsteines der politischen Reife der balkanischen Verbündeten zu spie-
len. Würden sie diese nicht bestehen, so ergäbe sich für sie eine uner-
trägliche Lage, die für uns nicht minder kompliziert wäre. Alle Be-
mühungen Österreichs sind im gegenwärtigen Augenblick darauf ge-
richtet, die Bulgaren sowohl uns als den Serben zu entfremden, und in
diesem Bestreben ist es unerschöpflich in seinen Mitteln. Sie kennen die
Psychologie der Bulgaren und werden sich daher nicht wundern, wenn
ich Ihnen sage, daß es in dieser Hinsicht bereits einiges erreicht hat. ln
Sofia beginnt man, sich uns gegenüber mit einigem Mißtrauen zu ver-
halten, wenn man auch anscheinend noch auf unsere Unterstützung bei
der Beilegung des Streites mit den Serben hofft, ungeachtet der von
den Österreichern ausgestreuten Gerüchte, daß die Entscheidung des
Streitfalles unverweigerlich den Serben volle Befreiung bringen müsse.
Wir sind fest entschlossen, uns der Rußland durch den serbisch-bul-
garischen Vertrag zugewiesenen Schiedsrichterrolle nicht zu entschlagen*
da wir einen anderen friedlichen Ausweg nicht erblicken. Die Grund-
lage unserer Entscheidung besteht einzig und allein im Texte des Ver-
trages selbst, von dem wir im wesentlichen nicht werden abgehen kön-
nen; hierin bestärken mich auch die mir kürzlich bekannt gewordenen'
ergänzenden Abmachungen zwischen den Generalstabschefs der beiden
Armeen. Ich fürchte sehr das Umsichgreifen der Enttäuschung bei den
Serben über das Ergebnis ihrer jüngsten heroischen Anstrengungen. Bei
diesem uns von allen Slawenvölkern sympathischsten Volke
bildet sich anscheinend die Meinung heraus, daß es vom Schicksal ver-
folgt sei, daß sich Rußland ihm gegenüber teilnahmslos verhalte usw.
Eine solche Stimmung ist äußerst gefährlich, und ich bitte Sie, Ihren gan-
zen Einfluß auf die serbische Regierung und die öffentliche Meinung an-
zuwenden, um sie zu zerstreuen. Zwischen Serbien und Bulgarien irn
Zusammenhang mit der neuen Lage auf dem Balkan vollen Parallelismus
herzustellen, ist unmöglich, und es ist nicht möglich, daß die Serben
dies nicht einsehen. Bulgarien hat durch seine Siege seine nationalen
Ideale zur Gänze verwirklicht. Weitergehen kann es nicht, ohne in Kon-
flikt mit viel mächtigeren Nachbarn zu geraten. Serbien aber hat
erst das erste Stadium seines historischen Weges durch-
laufen, und zur Erreichung seines Zieles muß es noch
einen furchtbaren Kampf aushalten, bei dem seine ganze
Existenz in Frage gestellt werden kann. Serbiens ver-
heißenes Land liegt im Gebiete des heutigen Österreich-
Ungarn und nicht dort, wohin es jetzt strebt, und wo auf seinem Wege
die Bulgaren stehen. Unter diesen Umständen ist es ein Lebensinteresse
Serbiens, einerseits die Bundesgenossenschaft mit Bulgarien zu erhal-
ten, und andererseits sich in zäher und geduldiger Arbeit in den erfor-
derlichen Grad der Bereitschaft für den in der Zukunft unausweich-
lichen Kampf zu versetzen. Die Zeit arbeitet für Serbien und
4og
zum Verderben seiner Feinde, die schon deutliche Zei-
chen der Zersetzung aufweisen.
Erklären Sie all diesi cle!n Serben! Ich höre von allen Seiten, daß«,
wenn irgendeine Stimme volle Wirkung in Belgrad haben
kann, es die Ihre ist. Sagen Sie ihnen bei diesem Anlasse, daß wir ihre
Interessen nicht aus dem Auge verlieren, und sie in Bulgarien energisch
unterstützen. Ein Bruch zwischen Bulgarien und Serbien
aber ist ein Triumph Österreichs. Seine Agonie (?!) würde
dadurch um viele Jahre hinausgeschoben werden.
Ich schreibe Ihnen in Eile, da ich gleich nach Zarskoje zum Vortrag
fahren muß.
Ihr aufrichtig ergebener
gez. S. Sasonow.
Nr. 808.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.1)
Geheimtelegramm.
St. Petersburg, den
28. April
11. Mai
igx3.
Nr. 1235.
Zu Ihrer persönlichen Kenntnis. Ich telegraphiere nach Paris. Im
Hinblick auf die unversöhnlichen Handlungen Serbiens und Bulgariens,
die zu den emstlichsten Verwicklungen führen können, und auf den Um-
stand, daß wir, wie es scheint, alle Mittel erschöpft haben, um auf
beide verbündete Mächte einzuwirken, sollte die französische Re-
gierung es angezeigt finden, in Sofia und Belgrad zu er-
klären, daß sie ihre Mitwirkung in Kredit- und Finanz-
fragen in direkte Abhängigkeit von sofortiger Annahme
des Präliminarfriedens unter den von den Mächten fest-
gesetzten Bedingungen stellt. Sprechen Sie vertraulich in die-
sem Sinne mit Pichon, und machen Sie ihn darauf aufmerksam, daß das
Festhalten an den Bedingungen wesentlich ist, damit ein solcher Druck
Frankreichs einen ganz selbständigen Charakter trage und nicht unserer
Initiative zugeschrieben werden könne. Schon jetzt ist in Bulgarien
Unzufriedenheit gegen Rußland zu bemerken, und Österreich hält diese
in seinem Interesse wach.
1) Iswolski Bd. III, Nr. 878, S. i54.
410
Sasonow.
Nr. 809.
M. Deville, Ministre de France à Athènes,
à M. Gaston Doumergue, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères.1)
Athènes, le 20 mai 1914*
Mon collègue de Serbie vient de me mettre très confidentiellement
au courant d’un entretien qu’il vient d’avoir avec le Ministre de Turquie.
Ghalib Bey est allé exposer à M. Balougdjitch que l’Allemagne s’ef-
forçait de rapprocher la Roumanie, la Grèce et la Turquie en vue d’une
alliance entre elles. Mais, toujours d’après Ghalib Bey, d’autres auraient
songé à la combinaison d’une alliance Russie, Turquie, Bulgarie, Serbie,
et c’est à celle-ci qu’iraient les préférences de la Porte pour le motif
que c’est la Russie qu’elle a le plus à craindre et que c’est avec la
Russie qu’elle a le plus grand intérêt à être bien. Au lieu donc de subir
la combinaison allemande qui la mettrai contre les Slaves, la Turquie
se déclare prête à s’entendre et à marcher avec ces derniers.
Ghalib Bey a essayé de convaincre le Ministre de Serbie en lui
offrait Salonique, indispensable, a-t-il insisté, au roy-
aume serbe; il lui a aussi annoncé le don de Cavala à la Bulgarie.
Convaincu, avec raison selon moi, que la combinaison fondamentale
à maintenir et à fortifier est l’entente de la Roumanie, de la Serbie et
de la Grèce, M. Balougdjitch ne s’est pas laissé séduire. Il déplore les
maladresses des publicistes serbes qui revendiquent Salonique, autant
que celles des journaux grecs qui regrettent Monastir, et il est heureux
de constater qu’il n’y a là que des mégalomanies individuelles (?) com-
battues par les deux Gouvernements. Il ne demande pas mieux que de
voir son pays renouer de bonnes relations avec la Turquie et la Bul-
garie, mais à la condition que ce ne soit dirigé ni contre la Roumanie^
ni contre la Grèce. Il ne veut pas (faire le jeu de l’Autriche intéressée
par-dessus tout à diviser les amis actuels, et espère que Serbes, Rou-
mains et Grées continueront à avoir la sagesse de n’écouter ni ses pro-
messes, ni ses menaces, ni les fantaisies inconscientes de quelques-uns en
dehors d’elle et de rester unis. Ayant pour la Russie les meilleurs senti-
ments, il se propose de mettre notre collègue russe au courant de ce qui
précède; il compte que le Gouvernement du tsar ne se laissera pas
prendre à l’apparence du bloc slave que semble vouloir constituer la
combinaison prônée par Ghalib Bey, et qu’il verra la réalité: une
scission de nature à ne satisfaire que l’Autriche et préludant à des
scissions futures à son seul profit.
Deville.
4n
1) Livre Jaune 1912, III, Nr. 218.
Nr. 810.
Graf Tarnowski an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Sofia, den 23. Mai 1913.
Konseilpräsident erzählte mir heute, daß seit Ende Februar kein Mei-
nungsaustausch zwischen Sofioter und Belgrader Kabinett stattgefunden.
Damals hätte Herr Paschitsch an Herrn Geschow geschrieben und unter
Hinweis auf Versperrung des Weges zur Adria für Serbien, auf Ein-
nahme Adrianopels und auf unvorhergesehene große militärische Lei-
stungen der Serben, Revision des Vertrages angeregt, worauf Herr
Geschow gleich abweislich geantwortet und bemerkt hätte, daß im Ver-
trag weder von Albanien noch von Adrianopel die Rede und daß laut
zwei Tage vor Mobilisierung geschlossener Konvention
Serbien verpflichtet gewesen, Bulgarien, wenn notwen-
dig, mit ganzer Macht in Thrazien zu unterstützen.
Konseilpräsident machte heute präokkupierten Eindruck und sagte,
Lage sei nicht gebessert.
Nr. 811.
Graf Tarnowski an Graf Berchtold.* 2)
Telegramm. Sofia, den 26. Mai igi3.
Ich erkundigte mich heute bei Herrn Geschow nach der Lage, die
er als nicht gebessert bezeichnete.
Auf meine Frage, ob Gerücht wahr, daß Herr Spalajkovic hier
gestern eine formelle Erklärung abgegeben, erhielt ich bejahende Ant-
wort: „Serbischer Gesandter hat Note übergeben, in der Revision
des Vertrages verlangt wird.“
Ich stellte noch Fragen und Konseilpräsident sagte, bulgarische Re-
gierung habe serbische Note bis jetzt nicht beantwortet, bloß erwähnt,
sie werde Angelegenheit prüfen. Die bulgarische Antwort könnte aber
nur abweislich lauten; keine bulgarische Regierung könnte auf Revision
des Vertrages eingehen. Situation sei kritisch, da in Serbien die Militär-
partei unnachgiebig sei und Herr Paschitsch ihr folgen müßte.
*•) Österreichisches Rothuch Nr. 564, S. 2g3.
2) Österreichisches Rotbuch Nr. 566, S. 294.
4l2
Nr. 812.
M. Dumaine, Ambassadeur de France à Vienne,
à'M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.x)
Vienne, le 2 juin iqi3.
Après une semaine passée dans son pays, le Ministre de Serbie1 2)
m’affirme que la guerre avec la Bulgarie s’impose comme une absolue
nécessité. Les procédés envers les deux divisions prenant part au siège
d’Andrinople ont exaspéré l’armée. Le refus du Cabinet de Sofia d’entrer
en pourparlers avec celui de Belgrade, tandis qu’on négociait avec
Athènes, Cettigné et Bucarest, achève de démontrer que la rupture est
complète entre les deux Gouvernements. Malgré la rencontre qui aura
peut-être lieu la nuit prochaine entre M. Pachitch et Guéchoff, M. Yo-
vanovitch regarde toute entente comme impossible.
La paix que la Serbie conserverait maintenant au prix de sacrifices
cruels n’empècherait pas le recours aux armes avant trois ans. Mieux
vaut donc se tenir sur la défensive dans les positions occupées sur la rive
droite du Vardar et attendre l’attaque.
Mon collègue reconnaiît que son Gouvernement ne trouvera probable-
ment d’appui effectif ni chez les Grecs ni de la part de la Russie; il
s’attend aussi à ce qu’à Belgrade et à Sofia le pouvoir passe aux plus
violents. Les pires perspectives ne modifient pourtant pas son opinion
que la Serbie se suiciderait si elle ne s’opposait pas de toutes ses forces
à l’intolérable prédominance des Bulgares dans les Balkans.
Dumaine.
Nr. 8i3.
Telegramm des Kaisers Nikolaus von Rußland
an den König Ferdinand von Bulgarien.3)
Zarskoje Selo, den 1913
„Die geplante Zusammenkunft der Ministerpräsidenten der vier ver-
bündeten Staaten in Saloniki, der sich sodann eine Zusammenkunft in
Petersburg anschließen könnte, hat mich mit größter Freude erfüllt,
da diese Absicht den Wunsch der Balkanstaaten anzuzeigen scheint, daß
sie sich verständigen und das Bündnis befestigen wollen, das
bis jetzt die glänzendsten Erfolge gezeitigt hat. Mit pein-
1) Livre Jaune 1912, II, Nr. 309.
2) Yovane Yovanovitch.
3) Boghitschewitsch „Kriegsursachen“, S. 169.
4i3
lichem Empfinden erfuhr ich, daß dieser Beschluß noch nicht zur,
Ausführung gelangt ist, und daß die Balkanstaaten sich anscheinend
auf einen Bruderkrieg vorbereiten, der geeignet ist, den Ruhm, den sie
gemeinsam erworben haben, zu trüben. In einem so ernsten Augen-
blicke wende ich mich direkt an Euere Majestät, wozu mich meine
Rechte und meine Pflichten in gleichem Maße nötigen, denn das bul-
garische und das serbische Volk haben durch ihren Bündnisvertrag die
Entscheidung jeder Meinungsverschiedenheit über die Ausführung der
Bestimmungen des Vertrages und der Verabredungen, die sich darauf
beziehen, Rußland übertragen. Ich bitte deshalb Euere Majestät, den
übernommenen Verpflichtungen treu zu bleiben und die Beilegung der
gegenwärtigen Meinungsverschiedenheit zwischen Bulgarien und Ser-
bien der Entscheidung Rußlands zu überlassen. Da ich das Amt des
Schiedsrichters nicht als ein Vorrecht, sondern als meine erste Pflicht
betrachte, der ich mich nicht entziehen könnte, so glaube ich, Euerer
Majestät mitteilen zu müssen, daß ein Krieg zwischen den Verbündeten
mich nicht teilnahmslos lassen könnte. Ich stelle ausdrücklich
fest, daß der Staat, der diesen Krieg beginnen würde, da-
für der slawischen Sache gegenüber verantwortlich wäre.
Ich behalte mir jede Freiheit für die Haltung vor, die Rußland gegen-
über dem Ausgange eines so verbrecherischen Kampfes ein-
nehmen würde.“
Nr. 814.
Der stellvertretende russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.®)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den—iqi3.
Nr. 1557. uni
Gleichlautend nach Paris.
Es hat Seiner Majestät dem Kaiser gefallen, den Königen von Bul-
garien und Serbien gleichlautende Telegramme zu schicken, die dem
Bedauern Ausdruck geben, daß die Zusammenkunft der Ministerpräsi-
denten noch nicht erfolgt ist, und die an die von beiden Mächten über-
nommene Verpflichtung erinnern, Rußland die Entscheidung der Zwistig-
keiten zu übertragen. Sie stellen die Verantwortlichkeit der Macht fest,
die einen Krieg beginnen sollte, und erklären, daß Rußland sich volle
Freiheit hinsichtlich des Ausganges eines so verbrecherischen Krie-
ges vorbehält. Ich habe den französischen Botschafter vertraulich mit
dem Inhalt der kaiserlichen Telegramme bekanntgemacht.
Nerato w. 1 2
1) Die Antwort König Peters auf das an ihn gerichtete und gleichlautende Tele-
gramm des Zaren befindet sich im I. Bande, Nr. 3io, S. 337-
2) Iswolski Bd. III, Nr. 909, S. 173.
4x4
Nr. 8i5.
Der russische Botschafter von Giers, Wien,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.*)
Auszug.
Nr. 84. Wien, den 28' iqi3.
IO. Juni
Streng persönlich.
Der serbische Gesandte Jowanowitsch besuchte mich und sagte mir
als seine persönliche Meinung, die er übrigens in einem vertraulichen
Brief auch Paschitsch mitgeteilt hat, daß nach seiner Ansicht der einzige
Ausweg aus der gegenwärtigen Krisis auf dem Balkan in einem Geheim-
abkommen zwischen Serbien, Rußland und Frankreich besteht, das
Serbien in Zukunft einen Zugang zur Adria garantiert. In diesem Fall
könnte Serbien sich verpflichten, das von Bulgarien nur zeitweilig be-
anspruchte Territorium in Mazedonien einzutauschen.
Jowanowitsch hält eine unmittelbare geheime Verständigung über die-
sen Punkt zwischen Serbien und Bulgarien für undenkbar, da er über-
zeugt ist, daß Letzteres unverzüglich Österreich davon in Kenntnis setzen
würde. Serbien könnte sich davor erfolgreich bewahren, solange es keine
Verhandlungen über wirtschaftliche Fragen mit dem Ballplatz führt.
Nr. 816.
Graf Thurn an Graf Berchtold.x)
Telegramm. St. Petersburg, den n. Juni igi3.
Über den Konflikt zwischen den Balkanalliierten äußerte sich Herr
Sasonow sehr besorgt und sagte mir, die russische Regierung tue ihr
möglichstes, um den Ausbruch eines Krieges zwischen den um die Beute
streitenden Verbündeten, der denkbarst unmoralisch und geradezu ein
Verbrechen wäre, zu verhindern. Auch Seine Majestät Kaiser Nikolaus
habe persönlich eingegriffen und dieser Tage an die Könige von Bul-
garien und Serbien telegraphiert, um Höchstdieselben auf die Gefahren,
denen sie sich durch einen solchen Krieg aussetzen würden, aufmerk-
sam zu machen.
*) Österreichisches Rotbuch Nr. 602, S.3og.
4x5
Nr. 817.
M. Delcassé, Ambassadeur de France
à Saint-Petersburg,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.1)
Saint-Pétersbourg, le 11 juin 1913.
Dans un rapport qui vient d’arriver, et où il expose la situation de
l’arimée bulgare, l’Attaché militaire russe à Sofia dit, qu’à son avis,
cette armée est capable de vaincre les armées grecque et serbe réunies.
Delcassé.
Nr. 818.
M. Jules Cambon, Ambassadeur de France à Berlin,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.1 2)
Berlin, le 12 juin igi3.
Le Gouvernement serbe a adressé à M. Boghitchévitch un télégramme
résumant ses vues générales, et donc celui-ci m’a donné connaissance. Le
Gouvernement de Belgrade espère que les difficultés entre les quatre
Alliés pourront se résoudre par un accord entre eux et regrette les
retards mis par la Bulgarie à la réunion des quatre Présidents du Con-
seil dont M. Pachitch et M. Guéchoff étaient convenus à Tzaribrod.
Si les Alliés ne peuvent se mettre d’accord aimablement, la Serbie accepte
l’arbitrage, mais:
1. L’arbitrage devrait porter sur l’ensemble des questions de frontière
en litige, et non pas seulement sur les questions visées dans le traité
serbo-bulgare;
2. L’arbitrage aurait à départager les Bulgares d’un côté et les trois
autres Alliés formant bloc, d’autre part;
3. L’autorité arbitrale serait entière sous la réserve que la Bulgarie
n’aurait pas une frontière commune avec l'Albanie et que la Serbie et
la Grèce seraient limitrophes.
Jules Cambon.
1) Livre Jaune 1912, II, Nr. 32Ô.
2) Livre Jaune 1912, II, Nr. 328.
h 16
Nr. 819.
M. de Panafieu, Ministre de France à Sofia,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.1)
Sofia, le i3 juin 1913.
En indiquant à Votre Excellence dans mon télégramme que du côté
de la Bulgarie il y avait tendance à l’amélioration, je croyais encore que
le principal danger d’un conflit venait de Sofia. Aujourd’hui c’est
l’intransigeance de la Serbie qui rend la situation presque désespérée.
M. Spalaikovitch vient de revenir de Belgrade et a fait connaître les
décisions de son Gouvernement. Le roi Pierre 1er ne répondra pas au
télégramme de l’Empereur de Russie et M. de Hartwig s’est chargé d’en
exposer les raisons à Pétersbourg qui sont les suivantes: si l’arbitrage
n’était pas entièrement favorable aux prétensions serbes le roi Pierre Ier
abdiquerait en faveur de son fils et la Serbie ne pourrait pas accepter
la décision de l’Empereur. Dans ces conditions, le Gouvernement serbe
estime qu’il faut éviter de recourir à l’arbitrage, et, pour masquer sa
dérobade, il propose à la Bulgarie la démobilisation immédiate et es-
compte avec vraisemblance que celle-ci n’y consentira qu’après l’accepta-
tion réciproque de l’arbitrage de la Russie. Le Ministre serbe a remis
hier une note dans ce sens, il doit renouveler sa démarche demain, et,
si dans ce délai de quarante-huit heures la proposition n’est pas acceptée
sans réserves, il annonce qu’il retournera à Belgrade et que lundi les
provinces occupées seront annexées. Il reconnaît lui-même que c est
une sorte d’ultimatum, et que dès maintenant le moindre incident provo-
quera la marche en avant des troupes serbes et le conflit. Cette attitude,
qui sera interprétée comme une grave incorrection à l’égard de l’Empe-
reur de Russie, ne peut s’expliquer1, à mon avis, que si la Serbie, par une
orientation nouvelle de sa politique, s’est déjà assuré la neutralité de
l’Autriche et le concours de la Roumanie.
Panafieu.
Nr. 820.
M. de Panafieu, Ministre de France à Sofia,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.2)
• Sofia, le i3 juin igi3.
Dans sa réponse à l’Empereur de Russie, le roi Ferdinand, après
avoir déclaré formellement qu’il acceptait l’arbitrage prévu dans le
1] Livre Jaune 1912, II, Nr. 33i.
2 ) Livre Jaune 1912, II, Nr. 332.
417
27 Boghitschewitsch, Serbien. II.
Traite d’alliance, rappelle que, dès le i5 avril, la Bulgarie a demandé
à la Russie d’interposer ses bons offices et qu’elle accepta immédiatement
l’offre de médiation de M. Sazonoff. Il ajoute que, jusqu’à présent,
la Serbie n’a pas fait connaître sa réponse à cette proposition et qu’au
contraire elle a accumulé à l’égard de la Bulgarie les marques de méfiance
et d’hostilité. En terminant, le Roi proteste des sentiments pacifiques
dont lui et son Gouvernement sont animés et de leur profond désir
d’éviter une lutte fratricide, et il pense que l’Empereur voudra bien re-
connaître que la Bulgarie ne peut abandonner les obligations qu’elle
a à l’égard des frères de Macédoine qui veulent rester Bulgares, ni le
principe auquel la Russie elle-même a, dans ces dernières années, donne
son approbation.
P a n a f i e u.
, Nr. 821.
M. Delcassé, Ambassadeur de France
à Saint-Petersbourg,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.*)
Saint-Pétersbourg, le 16 juin 1913.
Dans un passage de sa réponse au Tsar, le Roi Pierre insiste pour
avoir une frontière commune avec la Grèce.
C’est aussi le désir très vif de cette dernière qui veut, comme la
Serbie, écarter la Bulgarie de l’Albanie.
Il ne serait pas impossible d’établir le contact gréco-serbe, en attri-
buant Ochrida à la Serbie, qui pourrait ensuite descendre jusqu’au Lac
Prespa, où la Grèce la rejoindrait par Koritza et Kastoria, si on les
lui assure.
Je crois qu’on pourrait amener la Bulgarie à abandonner ses préten-
tions sur Kastoria.
Quant à Koritza, on pourrait d’autant plus insister pour la laisser à
la Grèce que l’on se résignerait à la faire reculer sur la côte Adriatique
jusqu’au Cap Stylos.
Delcassé. l
l) Livre Jaune 1912, II, Nr. 336.
4i8
Nr. 822.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.1)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den 6./19. Juni 1913.
Nr. 1669.
Siehe mein Telegramm 1664. Gleichlautendes Telegramm nach Paris.
Nachdem dessen Inhalt in Sofia und in Belgrad mitgeteilt worden ist,
bitten Sie den Minister des Auswärtigen, energisch auf die Bulgaren
einzuwirken, um dem Zögern in der Beantwortung unserer Aufforde-
rung, in Petersburg zusammenzutreffen, ein Ende zu machen. Wir
sehen darin eine Unaufmerksamkeit gegenüber unserer selbstlosen Auf-
forderung. Auf die Serben aber muß eingewirkt werden, damit sie klar
und bestimmt erklären, daß sie sich ohne Vorbehalt dem russischen
Schiedsspruch unterwerfen.
Sasonow.
Nr. 823.
M. Descos, Ministre de France à Belgrade,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.* 2)
Belgrade, le 19 juin 1913.
M. Pachitch doit soumettre ce soir au Conseil des Ministres son projet
de réponse à la note bulgare relative à la démobilisation. Le Ministre
de Russie me dit que la Serbie repoussera toute discussion de la propo-
sition bulgare comme préjugeant l’arbitrage et déclarera purement et
simplement s'en référer à l’arbitrage accepté par les parties.
Je trouve M. de Hartwig embarrassé et inquiet. Les Serbes ne parlent
que de guerre et l’expression du sentiment public lui est nécessairement
apportée avec une force particulière. Les chefs de partis en assailliraient
le Président du Conseil; le Prince héritier serait venu tout exprès à Bel-
grade pour y communiquer l’ardeur des milieux militaires. Bien que
ceux-ci affectent une complète assurance de la victoire, M. de Hart-
wig se préoccupe du désastre que serait, pour le pan-
slavisme, une défaite éventuelle de la Serbie. Ses instructions
lui prescrivent de contenir les Serbes et il redoute le moment où il ne
serait plus en état d’y réussir. Il sent grandir la défiance contre
la Russie. Peu sensibles à la situation malaisée du Gouvernement
*) Iswolski Bd. III, Nr. 927, S. 181.
2) Livre Jaune 1912, II, Nr. 345.
419
russe, les Serbes soupçonnent que le principal intérêt du Cabinet de
Pétersburg est d’éviter la guerre afin d’essayer de maintenir l’entente
balkanique et, dans ces conditions, butés qu’ils sont contre l’Autriche,
ils se voient d’avance condamnés par lui à céder au profit du chantage
autrichien de la Bulgarie.
Descos.
Nr.824.
M. Descos, Ministre de France à Belgrade,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.*)
Belgrade, le 23 juin i()i3.
La démission du Cabinet Pachitch a vivement ému le Ministre de
Russie. Il me dit que cette démission avait été provoquée par la con-
viction du Gouvernement serbe que le point de vue bulgare prévalait
désormais à Saint-Pétersbourg. Il a supplié le Roi de refuser
cette démission qui, à l’heure actuelle, eût été une cata-
strophe; il a été chez chaque Ministre pour le prier de la reprendre;
il espère les avoir convaincus que la conscience de l’arbitre est encore
indemne et qu’il sera tenu compte du point de vue serbe. M. de Hartwig
a bon espoir que le Cabinet Pachiteli reprendra sa démission en accep-
tant purement et simplement l’arbitrage: si la Bulgarie y consentait
également, les Présidents du Conseil pourraient se rendre à bref délai
à Saint-Pétersbourg; dans ce cas, M. Venizelos et le général Voukotit'ch
viendraient prendre M. Pachitch à Belgrade et tous trois partiraient de
compagnie. Le Ministre de Russie me dit qu’il est absolument
nécessaire d;e satisfaire le point de vue serbe et qu’il
compte éventuellement s’en faire Tardent champion à
Saint-Pétersbourg; il considère en effet comme plus dangereux
que jamais de grandir le facteur bulgare, qui tend à accroître la force
de la Triple Alliance et même à dissocier la Triple Entente en provoquant
les écarts de l’Angleterre. Il semble que les Ministres serbes lui aient
laissé entendre que la révolte contre la Russie, actuellement inopportune,
serait la conséquence nécessaire d’une sentence défavorable du Tzar.
Descos. 1
1) Livre Jaune 1912, II, Nr. 358.
Nr. 82 5.
M. Delcassé, Ambassadeur de France
à Saint-Petersbourg,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères. *)
Saint-Pétersbourg, le 3 juillet 1913.
Dans une lettre à M. de Hartwig, M. Pachitch se déclare plein de
reconnaissance pour les efforts de la Russie afin d'empècher une guerre
fratricide. Lui-même avait obtenu non sans peine de la Skoupchtina
l’autorisation d’accepter l’arbitrage du Tsar et de venir à Pétersbourg.
C’est à ce .moment que s’est produite l’agression de toutes les armées
du Général Radko Dimitrief. Elle avait été soigneusement préparée, et
elle devait rendre impossible la réunion des quatre Présidents du Conseil
à Pétersbourg. «Puisque la Bulgarie a commencé la guerre, Dieu veuille,
dit M. Pachitch, qu’elle prenne bientôt fin.» Et il termine en annonçant,
comme s’il voulait néanmoins laisser une porte ouverte à de nouvelles
tentatives de paix, ou simplement pour ne pas rester en arrière de la
Bulgarie, que le mémoire serbe, traduit en français, sera remis
aujourd’hui à M. de Hartwig.
Delcassé.
Nr. 826.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.* 2)
Geheimtelegramm. Paris, <^jeil2g“^^: igiS.
Nr. 320.
Abschrift nach Cetinje.
Der heute aus Wien eingetroffene Kronprinz von Montenegro suchte
mich auf und sagte mir, König Nikolaus sei persönlich gegen die Teil-
nahme an einem neuen Kriege gewesen, habe aber dem einmütigen Ver-
langen der Armee nachgeben müssen, weil diese sonst eigenmächtig den
Serben zu Hilfe geeilt wäre. Der Prinz war sehr besorgt wegen einer
etwaigen Einmischung Österreichs und eines Einfalls in den Sandschak.
Ich beruhigte ihn etwas, indem ich ihm den englisch-französischen Vor-
schlag, sich nicht einzumischen und das Verhalten der Mächte zu diesem
Vorschlag mitteilte.
Iswolski.
x) Livre Jaune 1912, II, Nr. 367.
2) Iswolski Bd. II, Nr. 949, S. 200.
¿21
Nr. 827.
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften
in Berlin, London, Paris, Rom und St. Petersburg.*)
Telegramm. Wien, 15. Juli 1913.
Bei dem allgemein bestehenden Wunsch, den Frieden auf dem Balkan
baldigst wieder hergestellt zu sehen, ergibt sich von selbst die Frage, ob
die Großmächte durch eine gemeinsame Aktion zu einer rascheren
Herbeiführung dieses Zieles beitragen könnten.
Dieser Gedanke wurde bereits mehrfach in unverbindlichen Konver-
sationen erörtert. Auch ich halte eine diplomatische Aktion zum Zwecke
der baldigsten Einstellung der Feindseligkeiten im allgemeinen Interesse
für dringend geboten, nur müßte sie sich vorläufig auf dieses eigent-
liche Ziel beschränken und die territorialen Fragen, deren Erörterung
die Aktion nur auf halten würde, aus dem Spiele lassen.
Aus diesen Gründen schiene es mir angezeigt, daß die Mächte durch
ihre Vertreter den Regierungen von Athen, Belgrad und Sofia den drin-
genden Rat erteilen lassen, die Feindseligkeiten einzustellen und unver-
züglich, sei es direkt, sei es durch die Vermittlung der Mächte, in Ver-
handlungen über die Grundlagen eines Friedensschlusses einzutreten.
Gleichzeitig wäre die Erklärung abzugeben, daß die Mächte sich Vorbe-
halten, das Ergebnis eventueller direkter Verhandlungen zu überprüfen.
Ferner schiene es mir geboten, durch die Botschafter in Konstantinopel
die Pforte auffordern zu lassen, ihre Truppen nicht über die Linie
Enos—Midia vorrücken zu lassen.
Ich ersuche Euer Exzellenz, sich bei der dortigen Regierung im Sinne
des Vorstehenden auszusprechen.
Nr. 828.
Graf Thurn an Graf Berchtold.2)
Telegramm. St. Petersburg, 16. Juli 1913.
Inhalt Euer Exzellenz Telegramm vom i5. d. M. mit Herrn Sasonow
besprochen. j
Herr Minister ist der Ansicht, daß gegenwärtig zu einer Kollektiv-
demarche im Sinne Hochderen Vorschlages kein unmittelbarer Anlaß
vorliegt, da eben heute Zusammenkunft Herrn Paschitschs und Herrn Ve-
*) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 686, S. 343.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 692, S. 346.
42 2
nizelos’ in Nisch stattfindet und er Grund zur Annahme habe, daß auch
ein bulgarischer Delegierter sich in den nächsten Tagen dahin begeben
werde, um die direkten Verhandlungen zu beginnen. Es sei somit eigent-
lich das bereits im Zuge, was durch die projektierte Kollektivdemarche
erreicht werden sollte.
Hievon abgesehen, teilt Herr Sasonow aber ganz Auffassung Euer
Exzellenz. Auch er ist der Ansicht, daß es sich zunächst um das Auf-
hören der Feindseligkeiten handle und die Details der Delimitation eben
den Verhandlungen Vorbehalten werden müssen. Wenn diese, was Herrn
Sasonow lieber wäre, auf direktem Wege zu einem Ergebnis führen
sollte, so steht auch er auf dem Standpunkt, daß das Ergebnis, was
imtmer es sei, der Ratifikation durch die Mächte bedürfe, welche es zu
überprüfen haben werden.
Bezüglich der Haltung der Türkei sagte mir Herr Sasonow, er habe
bereits wiederholt der Pforte eindringlichst Vorhalten lassen, daß die
Linie Enos—Midia unter Mitwirkung der Großmächte festgesetzt wor-
den sei und daher an derselben nicht mehr gerüttelt werden dürfe.
Herr Sasonow hob hervor, daß Interessen der Monarchie und Ruß-
lands auf dem Balkan sich vollkommen decken (?!), da beide wün-
schen, daß das Gleichgewicht dortselbst erhalten bleibe.
Nr. 82g.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister. *)
Geheimtelegramm. Paris, den 3./16. Juli 1913.
Nr. 336.
Ihr Telegramm Nr. 1946 erhalten. Erbitte dringend Weisungen.
Heute hat der bulgarische Gesandte auf Grund eines ihm unmittelbar
von König Ferdinand übersandten Telegramms eine Audienz beim Prä-
sidenten der Republik erbeten und ihm in Gegenwart Pichons mitgeteilt,
daß die Rumänen Varna besetzt hätten und sich anschickten, die Donau
zu überschreiten, um auf Sofia zu marschieren. König Ferdinand flehe
Frankreich an, auf die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten zu
dringen. Bulgarien sei bereit, die Frage der Friedensbedingungen der
Entscheidung sämtlicher Großmächte zu überlassen. Ich sprach Pichon
sofort nach dieser Audienz und teilte ihm auf Grund Ihres soeben er-
haltenen Telegramms mit, daß der schnelle Abschluß des Friedens Ihrer
Ansicht nach durch die Entsendung eines bulgarischen Bevollmächtigten
zu dem von Paschitsch vorgeschlagenen Kongreß der Vertreter Serbiens
und Griechenlands und durch unmittelbare Verhandlungen zu erreichen
Iswolski Bd. III, Nr. 957, S. 205.
423
sei. Stantschow dagegen meint, in Sofia habe die Regierung vollständig
den Kopf verloren, und es sei dort keine einzige Persönlichkeit vorhan-
den, die man zu diesen Unterhandlungen mit den Serben und Griechen
schicken könnte. Eine derartige Entsendung würde auch unvermeidlich
zur Revolution und Absetzung König Ferdinands führen, Pichon tele-
graphiert alles dies nach Petersburg, London und nach den Hauptstädten
der Balkanländer und wird erklären, daß Frankreich bereit sei, sich
jedem Verfahren anzuschließen, vorausgesetzt, daß es die Sympathie
Rußlands für sich habe und tatsächlich zur Einstellung der Feindselig-
keiten führe.
I swolski.
Nr. 83o.
Graf Berchtold an Herrn von Ugron in Belgrad.')
Telegramm. Wien, 23. Juli 1913.
Euer Hochwohlgeboren wollen im Einvernehmen mit Ihrem italieni-
schen Kollegen, welcher eine analoge Instruktion erhält, eine neue De-
marche bei der serbischen Regierung behufs Evakuierung des albanesi-
schen Territoriums durch die serbischen Truppen unternehmen. Hiebei
wäre dem Belgrader Kabinette mitzuteilen, daß die k. u. k. und die kgl.
italienische Regierung den Valonaer Machthabern wiederholt nahegelegt
haben, von der Bildung von Banden Abstand zu nehmen, und daß die
provisorische Regierung Albaniens dieser Einladung Folge geleistet hat.
Bei längerem Verbleiben der serbischen Truppen auf albanesischem Ge-
biete würden somit für eventuelle albanesisch-serbische Zwischenfälle
ausschließlich die serbischen Behörden verantwortlich sein.
Nr. 831.
Herr von Ugron an Graf Berchtold.2)
Telegramm. Belgrad, Juli 1913.
Ich habe heute die mit Telegramm vom 23. 1. M. auf getragene De-
marche im Einverständnis mit italienischem Kollegen ausgeführt.
Herr Pasic erklärte, daß Bandenbewegungen in der Mat ja keineswegs
aufgehört haben, und daß Serbien von dieser Seite sich stets gegen Ein-
fälle schützen müsse. Serbische Truppen müßten zur Sicherung der
Ordnung dort provisorisch belassen werden, bis die albanesische Regie-
rung imstande sein wird, Bandenbildungen zu verhindern oder bis die
!) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 741, S. 372.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 743, S. 373.
4»4
Kommission die Grenzen bestimmt haben wird. Er werde aber Militär-
kommando neuerlich Auftrag geben, dafür zu sorgen, daß jeder Kon-
flikt vermieden und nur an gewissen Punkten bei Oroschi eine kleine
Besatzung belassen werde, von wo aus man die Bandenbewegung ver-
hindern kann.
Als ich verlangte, daß man diese Besatzung in die Nähe der zukünf-
tigen Grenzen zurückziehen soll, erwiderte mir Herr Pasic, dies gehe
aus militärischen Gründen nicht, da man viel mehr Truppenteile be-
nötigen würde, während man von Oroschi aus die ganze Gegend be-
herrschen könne.
Nr. 832.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm. Paris, den 15-/28. Juli igi3.
Nr. 364.
Abschrift nach Bukarest und Sofia.
Der hiesige serbische Gesandte sagte mir, er habe Nachrichten, denen
zufolge in Bukarest der Gedanke einer Personalunion zwischen Rumänien
und Bulgarien in der Person des Königs Karol auftauche und Boden
gewinne. Wesnitsch sagte, der hiesige rumänische Gesandte Lahovari,
ein ernster und vorsichtiger Mann, habe ihm und einigen Journalisten
gegenüber deutlich darauf angespielt. Wesnitsch fürchtet, daß der Plan
dem König Karol von Österreich eingegeben sei und daß in Bulgarien
die Stambulowisten ihn betrieben.
Iswolski.
Nr. 833.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.* 2)
Geheimtelegramm. Paris, den i5./28. Juli 1913.
Pichon las mir ein Telegramm aus Berlin vor, in dem J. Cambon
folgendes mitteilt:
i. Jagow hat die österreichische Regierung gefragt, wie sie sich zu
einem etwaigen alleinstehenden Vorgehen Rußlands gegen die Türkei
!) Iswolski Bd.III, Nr. 976, S.217. Siehe Bd.I, Nr. 354—56, S. 369 ff.
2) Iswolski Bd. III, Nr. 977, S. 217.
425
stellen würde. Es wurde ihm geantwortet, Österreich werde ein solches
nicht verhindern, behalte sich aber das Recht vor, entsprechende Maß-
nahmen zum Schutze Bulgariens zu ergreifen. J. Cambon fügt hinzu, es
handle sich offenbar um den Sandschak.
2. Auf dieselbe von London aus gestellte Frage hat Jagow geantwortet,
Deutschland würde gegen ein Vorgehen Rußlands keinen Einspruch er-
heben, vorausgesetzt, daß dieses sich nur auf die europäische Türkei er-
strecken und zeitlich begrenzt sein werde, und daß die Mächte durch
Rußland vorher davon benachrichtigt würden.
Iswolski.
Nr. 834.
Graf Berchtold an Prinz K. E. Fürstenberg
in Bukarest.1)
Telegramm. Wien, 3o. Juli igiS.
Graf Tarnowski telegraphierte mir unter dem Gestrigen, Herr Ghena-
dieff habe ihm gesagt, es wäre für bulgarische Delegierte in Bukarest
von größter Wichtigkeit sicher zu wissen, ob Beschlüsse Bukarester Kon-
ferenz endgültig oder von einem europäischen Kongreß geprüft und re-
vidiert werden würden.
Ich beauftrage den k. u. k. Gesandten in Sofia, sich Herrn Ghenadieff
gegenüber dahin auszusprechen, daß wir und die übrigen Großmächte
auf dem Standpunkte stehen, daß ihnen das Recht zusteht, die
Bukarester Beschlüsse zu überprüfen. Es entspräche jedoch
den Intentionen der Großmächte, wenn die in Rede stehenden Entschei-
dungen zwischen den in Bukarest verhandelnden Staaten zu einem Er-
gebnisse führen könnten, dessen Approbation oder ge-
ringfügige Modifikation im Wege eines Meinungsaus-
tausches zwischen den Kabinetten ohne Einberufung
eines Kongresses erfolgen könnte.
Nr. 835.
Prinz K. E. Fürstenberg an Graf Berchtold.1 2)
Telegramm. Bukarest, 9. August 1913.
In gestriger Sitzung hat Herr Majoresco folgende Erklärungen ab-
gegeben :
1) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 765, S. 385.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 797, S. 399.
42 6
«Messieurs, jai reçu lundi dernier 22 juillet (4 août) de la part de
S. E. le Ministre d’Autriche-Hongrie à Bucarest, la communication que
la Monarchie Austro-Hongroise, quelle que soit la décision de notre Con-
férence sur Cavalla, se réserve de soumettre ce point aussi à une ré-
vision, étant donné qu’il appartient à T ensemble des questions sur les-
quelles rAutriche-Hongrie s’est réservé le droit de révision.
Deux jours après, le 24 juillet (6 août) avant que tous les délégués
des Etats représentés ici soient tombés d’accord sur les points principaux
de leur différend, S. E. le Ministre de Russie à Bucarest m’a informé
«que le Gouvernement Impérial, ayant appris que la question de Ca-
valla risque de compromettre le succès des travaux de la Conférence,
déclare qu’il se réserve la liberté de réviser, conjointement avec les autres
Puissances, les décisions qui seraient prises par la Conférence».
Nr. 836.
Graf Szécsen an Graf Berchtold.x)
Telegramm. Paris, 9. August 1910.
Herr Pichón wiederholte mir heute, daß er persönlich gegen jede
Einmengung der Mächte sei. Sollte Europa mit der Frage doch befaßt
werden, so werde er aus Solidaritätsgefühl sich nicht weigern, an Be-
sprechung teilzunehmen. Er könne mir aber schon jetzt sagen, daß er
mit aller Entschiedenheit für unveränderte Anerkennung der
Bukarester Beschlüsse eintreten werde und Grund habe zu
glauben, daß auch andere Großmächte seine diesbezüglichen Ansichten
teilen.
Französische Regierung müsse mit der sehr entschieden auftretenden
öffentlichen Meinung rechnen, welche nur endlichen Abschluß der Krise
wolle und nicht viel frage, ob der Vertrag gut oder schlecht.
Nr. 837.
M. de Manneville, Chargé d’affaires de France
à Berlin
à M. Pichón, Ministre des Affaires étrangères.2)
1 Berlin, le 9 août 1913.
Le Sous-Secrétaire d’Etat m’a assuré que, dans la pensée du Gouver-
nement allemand, l’Europe devait accepter telle quelle la
*) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 798, S. 4oo.
2) Livre Jaune 1912, II, Nr. 466.
répartition des territoires que les Puissances balka-
niques sont arrivées à faire entre elles. «La révision que
désirent la Russie et l'Autriche ne serait possible, ma dit M. Zimmer-
mann, que si les Puissances pouvaient se mettre d’accord sur la façon dont
cette révision se fera. Or on ne peut compter établir P unanimité, .-a-t-il
ajouté; la révision que veut la Russie n’est pas celle que désire l’Autriche.
Tout ce que l’Europe aura à faire sera de prendre acte des dé-
cisions arrêtées à Bucarest: vouloir les modifier serait mettre
en péril l’union des Puissances et peut-être la paix européenne.»
M. Zimmermann s’est félicité d’être, sur ce point d’accord avec le
Gouvernement français et a exprimé l’espoir que Votre Excellence
travaillerait à faire prévaloir ses vues auprès de M. Sazonoff comme le
Gouvernement allemand auprès du Gouvernement austro-hongrois.
Manneville.
Nr. 838.
Herr von Mérey an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Rom, io. August 1913.
In der italienischen Presse wird ziemlich allgemein gegen eine Re-
vision des Vertrages von Bukarest Stellung genommen.
Nr. 83g.
Graf Berchtold an Graf Thurn in St. Petersburg.2)
Telegramm. Wien, 12. August 1913.
Die Bestimmungen des Bukarester Vertrages sind kaum geeignet,
eine längere Periode des Friedens zu gewährleisten. Bulgarien, dessen
Grenzen über das Maß dessen eingeschränkt wurden, was das Königreich
mit Rücksicht auf seine Erfolge im Kriege gegen die Türkei und auf
Grund der Stammesverwandtschaft mit der in den ehemals türkischen
Gebieten lebenden Bevölkerung beanspruchen durfte, wird sich mit dem
Ergebnisse des Friedensschlusses auf die Dauer nicht zufrieden geben.
Die in Bukarest fixierte serbisch-bulgarische Grenze trägt den Mangel
an sich, daß der größte Teil der in Mazedonien lebenden Bulgaren Ser-
bien inkorporiert wird. Wenn auch mit Rücksicht auf den Ausgang des
letzten Krieges die Zuerkennung des größten und wertvoll-
sten Teiles Mazedoniens an Serbien gerechtfertigt er-
scheint, müßten wir es im Hinblick auf die zukünftige friedliche Ent-
*) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 799, S. 4oo.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 806, S. 4o3.
wicklung der Dinge am Balkan bedauern, daß Bulgarien aus Ma-
zedonien gänzlich hinausgedrängt werde.
Bezüglich der bulgarisch-griechischen Grenze wäre zu konstatieren,
daß Bulgarien in Bukarest nicht einmal der Besitz des Mestatales ganz
zugesprochen wurde. Die Konstruktion eines über diesen Fluß in das
bulgarische Gebiet hineinreichenden griechischen Dreiecks ist eine un-
natürliche und darnach angetan, Bulgarien an der Entwicklung seines
Handels durch Unterbindung eines Verkehrsweges zum Ägäischen Meer
zu hindern.
Vorstehendes zur Regelung Ihrer Sprache.
Nr.84o.
Der bulgarische Gesandte Salabascheff, Wien,
an das Ministerium des Äußern in Sofia. *)
Wien, den
3i. Juli
i9l3-
i3. August
Der italienische Militârattaché hat von sicherer Stelle erfahren, daß
es Österreich nicht gelungen ist, Deutschland für eine Revision des Buka-
rester Vertrages zu gewinnen.
Berlin und Rom sind der österreichischen Balkanpolitik müde, und
es ist nicht wahrscheinlich, daß sie dieselbe unterstützen werden.
MajorTantlloff.
Nr.84i.
Graf Thurn an Graf Berchtold.3)
Telegramm. St. Petersburg, 16. August 1913.
Herr Sasonow konstatiert mit Befriedigung die Solidarität, qui existe
entre les points de vue des deux Gouvernements in der letzten Balkan-
phase.
Er meint, daß es im Interesse beider Nachbarmonarchien gelegen
wäre, «de continuer à entretenir un échange de vues sur les questions
pendantes», um hiedurch neuen Komplikationen möglichst vorzubeugen
und gemeinsam an der Erhaltung des Friedens am Balkan zu arbeiten.
Man hätte auch in St. Petersburg einen anderen, den bulgarischen
Interessen günstigeren Frieden gewünscht. Unter den am wenigsten ent-
sprechenden Bestimmungen des Vertrages stehe die Zuweisung Kavalias
an Griechenland an erster Stelle; was Serbien betrifft, so sei dieses den
*) Bulgarisches Orangebuch Bd. I, Nr. 25, S. 11.
a) Österreichisches Rotbuch Nr. 8i5, S.4o8.
seitens Österreich-Ungams und Rußlands geäußerten Wünschen in ge-
wissem Maße immerhin entgegengekommen, so bezüglich Strumitzas.
Bezüglich Kavallas stehe die russische Regierung nach wie vor auf dem
gleichen Standpunkt und wäre bereit, diesen Punkt des Vertrages zu re-
vidieren, wenn die einstimmige Zustimmung der Mächte nicht nur für
das Prinzip selbst, sondern auch bezüglich der zur eventuellen Durch-
setzung desselben anzuwendenden Mittel zu erreichen wäre. Dies sei
aber nach dem Eindrücke der russischen Regierung weder in der einen
und noch viel weniger in der anderen Beziehung der Fall.
Nr. 842.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.*)
Geheimtelegramm. Paris, den 3./i6. August 1913.
Nr. 4io.
Nr. 23oi erhalten.
Ich beziehe mich auf meine Nr. 3g5.
Abschrift nach Belgrad.
Die Finanzgruppe N. Bardac hat die Absicht, Serbien gleich jetzt
nicht einen Vorschuß, sondern eine Anleihe von ioo Millionen Franken
zu gewähren, auf die sie die bis zu diesem Tage von ihr gezahlten Vor-
schüsse verrechnen wird. Auf diese Weise wird die serbische Regierung
gegenwärtig etwa 60 Millionen Franken erhalten. Eine größere Anleihe
wird bis zum Eintritt einer günstigeren Finanzlage verschoben. Bardac
hat mir erklärt, seine Gruppe sei geneigt, den russischen Banken eine Be-
teiligung in Höhe von etwa 2 5 Millionen Franken an dieser Anleihe
einzuräumen; hierüber hat er kürzlich an H. Kokowtzow geschrieben,
aber noch keine Antwort erhalten. Ich erbitte Weisungen.
Iswolski.
*) Iswolski Bd.III, Nr. 1016, S.2ÖO.
43o
Nr. 843.
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Belgrad, den 17. August 1913.
Nr. 117.
Die mit dem Erlaß Nr. 476 vom 2.August* 2) befohlenen Mitteilungen
habe ich heute im Benehmen mit meinen Kollegen der serbischen Regie-
rung gemacht. Paschitsch erwiderte mir, der Schutz der Minoritäten sei
durch die serbische Verfassung garantiert, und er verbürge sich dafür,
daß sie strikt eingehalten werde. — Wegen der Räumung der noch von
den serbischen Truppen besetzten albanesischen Landteile habe er sich
mit dem Oberkommandierenden Putnik ins Einvernehmen gesetzt. Man
sei gegenüber den albanesischen Nachbarn durchaus wohlwollend gesinnt,
nur werde die Zurückziehung der Truppen da und dort auf Schwierig-
keiten stoßen, weil neuerdings Banden, welche mit Geld und Waffen
wohl versehen seien, auftauchen und die Ordnung gefährden. Serbien
werde aber streng darauf bedacht sein, „das albanesische Kind der aus-
schließlichen Erziehung seiner Eltern zu überlassen“. — Von der er-
neuten Zusicherung des Adriazuganges nahm der Ministerpräsident dan-
kend Akt.
Zum Schluß bat mich Paschitsch, der kaiserlichen Regierung seinen
und der serbischen Regierung tiefgefühltesten Dank für die Serbien
jederzeit erteilten guten Ratschläge und die wohlwollende Haltung zu
übermitteln, kraft deren Serbien sich des dauernden und unverminderten
Besitzes des in Bukarest Erreichten erfreuen dürfe. Er werde Herrn
Boghitschewitsch noch besonders in dieser Richtung beauftragen.
Griesinger.
!) Die Große Politik Bd.36 (I. Hälfte), Nr.i4i34, S.36i.
2) Mittels Erlaß Nr. 476 vom 2. August war Freiherm von Griesinger der am 29. Juli
durch die Londoner Botschafterreunion gefaßte Beschluß bezüglich des Schutzes der
albanischen Minderheiten in Serbien und Montenegro sowie der weitere Beschluß bezüg-
lich der Räumung des albanischen Gebietes durch die serbischen Truppen (vgl. dazu
Bd.XXXV, Kap.CCLXXV, Nr. 13671) mitgeteilt worden. Der hinsichtlich der Räu-
mungsfrage vereinbarte Beschluß der Großmächte ging dahin, „de faire rappeler avec
insistance au Gouvernement serbe par les représentants des Puissances son obligation
d’évacuer sans délai le territoire albanais et de respecter les limites de la frontière nord
et nord-est de l’Albanie, telles qu’elles ont été établies par les Puissances et com-
muniquées au Gouvernement serbe le i5 avril 1913“.
43i
Nr. 844-
Herr von Ugron an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Belgrad, 17. August xgi3.
Die aufgetragenen Kollektivdemarchen bezüglich Evakuation Albaniens
und Minoritätenschutz sind heute von Vertretern der Großmächte vor-
genommen worden.
Ich habe ferner die Deklaration der Botschafterreunion vom i. v. M.
und das Mémorandum interprétatif schriftlich und mündlich Herrn
Paschitsch mitgeteilt.
Herr Paschitsch erklärte, daß für den Schutz der Albanesen schon durch
die serbische Konstitution genügend gesorgt ist, da dieselbe einem jeden
Staatsbürger volle persönliche, auch sprachliche und religiöse Freiheit
sichert. Übrigens liege es im Interesse der Serben, mit dem benachbarten
Albanien auf gutem Fuße zu leben, weshalb sie mit den auf serbischem
Territorium lebenden Albanesen gutes Einvernehmen pflegen wollen.
Bezüglich Evakuation Albaniens will Ministerpräsident unserem Ver-
langen nachkommen und wird sich sofort diesbezüglich mit General
Putnik ins Einvernehmen setzen. Er hofft, daß dadurch alle Reibungen
auf hör en werden.
Nr. 845.
M. Descos, Ministre de France à Belgrade,
à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.a)
Belgrade, le 22 août 1913.
Le Roi Charles aurait dit à M. Pachitch, pendant le séjour de celui-ci
à Bucarest, qu’il avait insisté à Vienne pour que l’Autriche changeât
de politique vis-à-vis de la Serbie et entrât dans la voie des concessions
nationales à l’égard de ses populations yougo-slaves, concessions qui ne
sauraient plus avoir d’inconvénients maintenant que la Serbie allait être
occupée pendant des longues années à l’organisations de ses nouvelles
provinces; le Roi Charles croyait pouvoir espérer qu’il en serait ainsi.
Il m’a été répété au Ministère des Affaires étrangères royal que le
Gouvernement serbe ressentirait désormais un besoin absolu de paix
extérieure et partant de rapports normaux avec l’Autriche qui lui garan-
tissent également sa tranquillité du côté de l’Albanie.
Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 822, S. 44s.
2) Livre jaune 1912, III., Nr. 4i.
432
Dans ce bat M. Pachitch passera prochainement par Vienne allant à
Marienbad et il en profitera sans doute pour s'entretenir avec M. de
Bilinski qui a la confiance de l'Empereur; il s'agit éventuellement de
pourparlers économiques, non politiques.
Descos.
Nr. 846.
Der Geschäftsträger in Bukarest Graf von Waldburg
z. Z. in Sinaia
an den Reichskanzler von Bethmann-Hollweg.1)
Ausfertigung.
Nr. 2Ö3. Sinaia, den 23. August 1913.
Streng vertraulich.
Der österreichisch- ungarische Gesandte Prinz zu Fürstenberg, der die
in Rumänien entstandene starke Mißstimmung gegen Österreich aufrich-
tig bedauert, hat sich mir gegenüber vor Antritt seines Urlaubes in
einem vertraulichen Gespräch über die Balkanpolitik Österreichs ge-
äußert:
Die Politik des Wiener Kabinetts sei darauf ausgegangen, den Balkan-
bund zu sprengen. Man habe geglaubt, dies durch Unterstützung Bul-
gariens herbeiführen zu können. Nach dem Falle von Adrianopel* 2) hätte
man aber zu der Einsicht gelangen müssen, daß die Uneinigkeit unter
den Verbündeten bereits begonnen hatte und daher der Balkanbund von
selbst zerfallen werde. Statt nunmehr von Bulgarien eine sofortige Ver-
ständigung mit Rumänien zu fordern und auf Gewährung der von diesem
gewünschten Grenzberichtigung zu dringen, wurde im Gegenteil Bul-
garien ostentativ unterstützt und Rumänien unausgesetzt zur Ruhe und
Nachgiebigkeit gemahnt. Auf diese Weise sei die jetzige Mißstimmung
geschaffen worden.
Waldb urg.
D Die Große Politik Bd.39, Nr. 16790, S.439.
2) 22. Juli. Über die Adrianopeler Frage vgl. Bd. XXXVI, Kap. CCLXXVII.
28 Boghitschewitsch, Serbien II.
433
Nr. 847.
Der Geschäftsträger in Bukarest Graf von Waldburg
z. Z. in Sinaia
an den Reichskanzler von Bethmann-Hollweg. *)
Nr. 265. Sinaia, den 26. August 1913.
Geheim.
Nach der heutigen Hoftafel im Schlosse Pelesch, an der ich teil-
zunehmen die Ehre hatte, zog mich Seine Majestät der König in ein
längeres Gespräch.
Im Laufe der Unterredung wurden auch die Beziehungen Rumäniens
zu Österreich-Ungarn besprochen, wobei Seine Majestät bemerkte, daß
Prinz zu Fürstenberg in einer Audienz vor Antritt seines Urlaubes im
Aufträge seiner Regierung den Vorschlag eines Bündnisses zwischen Bul-
garien und Rumänien unter gleichzeitigem Anschluß an den Dreibund
gemacht habe.
Der König hat dieses Ansinnen ohne jede Diskussion von der
Hand gewiesen und bemerkt, er würde in ganz Rumänien kein
Kabinett finden, das bereit wäre, sich für ein derartiges Bündnis her-
zugeben.
Waldburg.
Nr. 848.
Der Geschäftsträger in Bukarest Graf von Waldburg
z. Z. in Sinaia
an den Reichskanzler von Bethmann-Hollweg.* 2)
Ausfertigung.
Nr. 208. Sinaia, den 27. August 1913.
In der Unterredung, die ich mit Seiner Majestät dem Könige hatte, be-
zeichnte Hochderselbe die Beziehungen Rumäniens zu Österreich-Ungarn
als schlecht. Leider seien auch in der letzten Zeit wieder in Ungarn un-
freundliche Akte den dortigen Rumänen gegenüber zu verzeichnen, wie
das Verbot einer Versammlung rumänischer Lehrer.
Große Freude schien dem König dagegen ein Brief bereitet zu haben,
den er eben von dem Herrn Erzherzog Franz Ferdinand erhalten hat.
Der Erzherzog beglückwünscht ihn zu seinen großen Erfolgen und
x) Die Große Politik Bd.3g, Nr. 15791, S.43g.
2) Die Große Politik Bd.39, Nr. i5 792, S. 44o*
434
spricht von den „Grundlagen des Friedens“, die in Bukarest gelegt wur-
den. Der König bemerkte, der Erzherzog sei slawenfreund-
lich und nicht gegen Serbien1).
Seine Majestät erzählte mir weiter, er habe dem Prinzen Fürstenberg
seinerzeit auf einem Rennen in Bukarest ganz kategorisch erklärt, daß*
er ein großes Bulgarien nicht dulden*) und gegebenenfalls mit Serbien
gegen Bulgarien vorgehen werde**). Der Gesandte sei hierüber sehr be-
stürzt gewesen und habe den Botschaftsrat Baron Haymerle unverzüg-
lich nach Wien entsendet. In Wien habe man aber erklärt, für Öster-
reich-Ungarn sei ein „Großserbien“ unmöglich, daher müsse***) man
mit Bulgarien gehen****).
Waldburg.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
*) Ganz natürlich.
**) habe ich auch an den Zigeuner neulich gesagt.
***) 11
****) jann -werden die beiden sobald nicht Zusammenkommen! Ich gehe mit1
Rumänien.
Nr. 849.
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.2)
Telegramm. Belgrad, 2a. September 1918.
Einer meiner Kollegen erfährt aus verläßlicher Quelle, daß die Serben
alle strategischen Punkte in Albanien, die kürzlich geräumt worden
waren, wieder besetzt hätten.
x) Über die rumänenfreundliche Gesinnung des Erzherzogs-Thronfolgers vgl. Ottokar
Czernin, Im Weltkriege, S.ioöf. In der Stellungnahme zu dem Frieden von Bukarest
harmonierte Erzherzog Franz Ferdinand ganz mit der Auffassung, die Kaiser Wilhelm
in dem Telegrammwechsel mit dem Könige von Rumänien vom 8. August an den Tag
gelegt hatte (vgl. dazu Bd.XXXV, Kap. CCLXXVI); jedenfalls schrieb der Erzherzog,
während Graf Berchtold nur mühsam seine Empfindlichkeit über den Telegrammwechsel
verbarg, Anfang September dem Kaiser, daß er sich mit dessen Politik vollkommen
identifiziere (vgl. Kap. CCXCV, Nr. 16709). Gerade aus ihrer Wertschätzung Rumä-
niens heraus legten beide Fürsten das höchste Gewicht auf eine möglichst feste An-
lehnung Rumäniens an den Dreibund. Kaiser Wilhelm II. ließ sich darüber während
der Kaisermanöver im September igi3 gegen den österreichischen Generalstabschef
Conrad von Hötzendorf aus. Nach dessen Darstellung (Feldmarschall Gonrad, Aus
meiner Dienstzeit, III, 43if.) war es Conrad selbst gewesen, der die rumänische Frage
anschnitt: „Ich wies auf die Notwendigkeit hin, Rumänien zu bindendem Anschluß
an den Dreibund zu bringen, und fügte bei: „Es ist dem französischen und russischen
Gesandten in Bukarest gelungen, dort einen Umschwung gegen uns herbeizuführen, wir
werden nicht so bald wieder das rumänische Volk auf unsere Seite bringen, aber wir
erwarten, daß es von deutscher Seite gelingt, Rumäniens Anschluß zu sichern. Bloße
Versprechungen Rumäniens würden allerdings nicht genügen.“ Darauf hatte Kaiser
Wilhelm erwidert: „Nein! Rumänien muß dem Dreibund mit denselben Kautelen bei-
treten wie die anderen Alliierten. Das ist eine gute Idee! Wir müssen es betreiben.“
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 874, S.438.
435
Nr. 85o.
Freiherr von Flotow an Graf Berchtold. *)
Berlin, 23. September 1913.
Der Herr Staatssekretär teilte mir heute mit, der serbische Geschäfts-
träger hätte bei ihm vorgesprochen und im Namen seiner Regierung auf
die Unruhen an der albanesischen Grenze hingewiesen, welche die serbi-
sche Regierung zwingen könnten, den serbischen Truppen den Befehl zu
geben, gewisse strategische Punkte auf albanesischem Gebiete zur Siche-
rung der serbischen Grenze wieder zu besetzen.
Herr von Jagow hat — wie er mir sagt — Herrn Bogitschewitsch geant-
wortet, er könne der serbischen Regierung nur den eindringlichen Rat ge-
ben, von jedweder Wiederbesetzung albanesischen Gebietes abzulassen; es
könnten aus einem solchen Vorgehen Serbiens sehr ernste Kompli-
kationen entstehen.
Nr.85i.
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.* 2)
Telegramm. Belgrad, 24. September igi3.
Le bureau de presse serbe publie officiellement la mobilisation de la
division de la Morava contre l’Albanie.
Nr. 852.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow
an den Botschafter in Rom von Flotow.
Eigenhändiges Konzept3).
Nr. 1197. Berlin, den 23. September 1913.
Der kaiserliche Gesandte in Belgrad telegraphiert unter dem 22. d.M.4):
„Im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten werden heute die
Verhältnisse in Albanien als unhaltbar erklärt. Nach serbischen Berichten
bestehe dort überhaupt keine Regierung mehr, der Aufstand nehme im-
mer größere Dimensionen an, 6000 Albanesen belagern Dibra, man wisse
nicht, ob es nicht bereits gefallen sei. Serbien könne das nicht zulassen
Österreichisches Rotbuch 1912, Nr.876, S.43g.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 879, S.44i-
3) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. i4i4x, S.366.
4) Telegramm Nr. 127.
436
und müsse alle Maßregeln ergreifen. Der Ministerrat beschloß, den
Kriegsminister zur Einberufung von drei Reservejahrgängen zu ermäch-
tigen.“
Auch der hiesige serbische Geschäftsträger machte mir gestern im Auf-
träge seiner Regierung eine ähnliche Mitteilung1). Serbien werde zur
Abwehr der Albanesen die albanische Grenze wieder überschreiten und
strategische Punkte von neuem besetzen müssen. Der Geschäftsträger
beklagte sich ferner, daß bulgarische Offiziere auf seiten der auf stän-
digen Albanesen kämpften.
Ich habe den Geschäftsträger dringend vor einer Wiederbesetzung
Albanien zugesprochenen Gebietes gewarnt und ihn auf eventuelle weit-
tragende Komplikationen, die ein solches Vorgehen herbeiführen könnte,
hingewiesen* 2). Sollte es sich ferner wirklich bestätigen, daß einige
bulgarische Offiziere sich bei den aufständigen Albanesen befänden, so
könne man hierfür nicht ohne weiteres die Regierung in Sofia verant-
wortlich machen.
Jagow.
Nr. 853.
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Auszug. Belgrad, den 12./25. September 1913.
Nr. 1210.
Im Aufträge San Giulianos riet der italienische Geschäftsträger der
serbischen Regierung zur Besonnenheit, indem er auf die Notwendigkeit
hin wies, in der albanischen Frage äußerst vorsichtig zu sein, da die
Militärpartei in Österreich ihre Regierung zu energischen Maßnahmen
gegen Serbien auffordert. Spalaikowitsch entgegnete, daß Serbien in
Anbetracht der leider von seiten Albaniens drohenden Gefahr gezwungen
sei, entschlossen zu handeln und fügte hinzu, daß ihm das Ver-
halten Österreichs in dieser Frage vollkommen gleich-
gültig sei, da die Nachbarmonarchie jetzt keine aktiven Schritte un-
x) Zu einer analogen Mitteilung wie Boghitschewitsch in Berlin war der serbische
Geschäftsträger in Wien beauftragt. Näheres darüber in der österreichischen Zirkular-
depesche vom 23. September. Österreich-Ungarisches Rotbuch: Diplomatische Akten-
stücke, betreffend die Ereignisse am Balkan. i3. August 1912 bis 6. November igi3,
S. 44o.
2) Vgl. auch die Meldung des k. u. k. Geschäftsträgers in Berlin, Freiherrn von
Flotow, an Graf Berchtold vom 23. September (Österr.-Ungar. Rotbuch a.a.O. S.43g),
die auf Grund von Äußerungen Staatssekretär von Jagows die dem serbischen Geschäfts-
träger erteilte Antwort wiedergibt. Von dieser Antwort wurde übrigens auch Freiherr
von Griesinger mittels Telegramm Nr. 57 vom 23. September direkt verständigt.
437
ternehimen werde; wenn überdies sehr viele geeignete Gelegenheiten
seitens Österreichs unausgenutzt geblieben sind, so schreibt die serbische
Regierung das auch der gemäßigten Haltung Deutschlands zu. Jagow
versicherte dem serbischen Geschäftsträger, daß Österreich einen Vor-
wand zur Einmischung in die Balkanangelegenheiten sucht und daß
Rußland jetzt unter keinen Umständen für Serbien eintreten werde.
Nichtsdestoweniger ist der Feldzug nach Albanien mit bedeuten-
den Kräften augenscheinlich endgültig beschlossen.
Nr. 854.
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 1212. Belgrad, den 12./25.September 1913.
Persönlich und ganz geheim. Aus den Unterhaltungen mit Spalai-
kowitsch bin ich zu folgendem Schluß gekommen: Die serbische Regie-
rung beabsichtigt die innere Lage in Albanien dazu zu benutzen, um
1. eine Grenzberichtigung zu erlangen und 2. in dem neuen Nachbar-
staate eine zu Serbien freundschaftlich stehende und nicht dem Einfluß
Österreichs unterliegende Regierung zu schaffen.
Zu diesem Zweck ist beschlossen worden, Essad Pascha in dem von ihm
begonnenen Kampf mit der Regierung von Valona möglichst zu unter-
stützen, wofür Serbien im Falle des Erfolges entsprechenden Land-
gewinn erhalten soll. Nachdem Spalaikowitsch sich davon überzeugt
hatte, daß ich diesen Grundgedanken der serbischen Regierung erfaßt
habe, bat er mich inständig, ihn ganz geheim zu halten und nicht
nach Petersburg mitzuteilen, da er fürchtet, daß ein Bekanntwerden
Serbien in eine überaus schwierige Lage bringen könnte. In seiner Er-
regung teilte er mir einige Einzelheiten des obigen allgemeinen Planes
mit: Eine besondere Vertrauensperson fährt morgen aus Belgrad über
Saloniki und Athen nach Durazzo. Dem über keine Mittel verfügenden
Essad Pascha wird Geld geschickt werden und in militärischer Hinsicht
ist die vollständige Vernichtung und Vertreibung Ismael Kemals, Issa
Boletinaz und ihrer Freunde vorgesehen, worauf Essad Pascha selbst in
Valona als Generalgouvemeur eingesetzt werden soll. Letzterer, mit dem
die serbische Regierung schon seit einiger Zeit in Verbindung steht, ist
bereit, die Suzeränität des Sultans anzuerkennen, was seine Flagge mit
dem Adler und dem Halbmond beweist, und eine Grenzberichtigung mit
Serbien bis zum Schwarzen Drin nach dem Wunsche Serbiens vorzuneh-
men; das abgetretene Gebiet werden die serbischen Truppen zur Auf-
rechterhaltung der Ordnung auf Bitten Essads angeblich temporär be-
setzen. Nach Festigung seiner Macht wird sich Essad zum Fürsten aus-
438
rufen lassen. Ich konnte nicht umhin, Spalaikowitsch auf die Gefahren
hinzuweisen, denen Serbien wieder entgegengeht, auf die mehr als wahr-
scheinliche schroffe Verurteilung der serbischen Handlungsweise durch
die Mächte sowie auch auf die Verantwortung für mögliche Verwicke-
lungen; in seiner Antwort begann nun Spalaikowitsch zu beweisen, daß
das Land sich mit der Londoner Grenze nicht zufriedengeben dürfe, die
von Österreich dazu geschaffen worden sei, um Serbien an der fried-
lichen Entwickelung seiner Kräfte zu hindern, und daß die guten nach-
barlichen Beziehungen mit Essad Pascha die Ruhe auf dem Balkan ge-
währleisten würden, daß die gegenwärtige günstige Minute sich nicht
wiederholen wird, da nach drei Jahren Österreichs militärische Reorgani-
sation beendet sein und Bulgarien sich erholt haben wird, und daß
schließlich die serbische Regierung es verstehen wird, Europa zu be-
ruhigen, indem sie in einer an die Mächte gerichteten besonderen Note
auf den erzwungenen und ausgesprochen zeitweiligen Charakter der er-
griffenen militärischen Maßnahmen, die durch den Einbruch der Albaner
auf serbisches Territorium verursacht worden sind, hin weisen wird.
Ferner sagte er mir, daß er den vor einigen Tagen gefaßten Beschluß1,
die Truppen aus Albanien zurückzuziehen, bedauere, da der erfolgte
Überfall von den früheren, günstigeren Positionen hätte leichter ab-
geschlagen werden können. Als ich ihm, nicht ohne Berechtigung,
meine Zweifel an der Richtigkeit seiner Worte aussprach, verteidigte er
seinen Standpunkt, gab aber dessen ungeachtet zu, daß der in einem be-
trächtlichen Teil Albaniens dislozierte serbische Kordon zahlenmäßig ein
Bataillon nicht übersteigt. Dies sind die nächsten Pläne, deren Durch-
führung zur Zeit angestrebt wird. Zum Schluß möchte ich noch ganz
ergebenst den überaus geheimen Charakter dieser Mitteilung betonen.
Strandmann.
Nr. 855.
Der stellvertretende russische Außenminister an den
russischen Geschäftsträger in London. *)
St. Petersburg, den 14-/27. September 1913.
Geheimtelegramm.
Nr. 2713.
Abschrift nach Paris, Pera, Sofia, Athen und Cetinje.
Ich telegraphiere nach Belgrad.
Indem wir das Recht Serbiens anerkennen, energische Maßregel«
gegen die Albaner zu ergreifen, die die Grenze verletzten und Unruhen
erregen, hoffen wir, daß Serbien fortfahren wird, sich, wie während der
1) Iswolski Bd. III, Nr. io5g, S. 292.
439
ganzen Krise, vernünftig zu zeigen und sich auf zeitweilige Maßregeln
innerhalb der Grenzen des unbedingt Notwendigen zu beschränken. In
diesem Sinne habe ich mit dem serbischen Geschäftsträger gesprochen1).
N eratow.
Nr. 856.
Der stellvertretende russische Außenminister
Neratow, Petersburg, an den russischen Geschäfts-
träger Strandmann in Belgrad.
Nr. 2743. Petersburg, den 17./30. September 1913.
Zu Ihrer Instruktion.
Die Geschäftsträger Österreichs und Italiens übermittelten mir den
Vorschlag ihrer Regierungen, die Mächte sollten in Belgrad unabhängig
von den Ereignissen an der albanischen Grenze eine Erklärung über die
Notwendigkeit der Beachtung der Londoner Bestimmungen abgeben. Ich
entgegnete, daß ich zu einem solchen Schritt keine Veranlassung sehe,
da Serbien durch nichts seine Absicht erkennen lasse, diese Bestimmun-
gen zu verletzen. (?) Die gegenwärtigen Aktionen sind durch den notwen-
digen Schutz gegen Angriffe des Staates hervorgerufen worden, dessen
Neutralität von den Mächten garantiert ist, die damit auch verpflichtet
sind, Serbien gewisse Garantien für seine Sicherheit gegenüber jenem
Staate zu geben. Ein wenn auch in friedfertiger Form unternommener
demonstrativer Schritt der Mächte wird ohne Zweifel Klagen der serbi-
schen Regierung hervorrufen und könnte letztere zu riskanten Unterneh-
mungen veranlassen, besonders in Anbetracht der Abwesenheit von
Paschitsch, der Beweise seiner versöhnlichen Haltung gegeben hat. Das
Erscheinen serbischer Truppen auf albanischem Gebiet zu verhindern,
dürfte nach Maßgabe der militärischen Erfordernisse im augenblick-
lichen Zeitpunkt auch in dem Fall schwierig sein, wenn die Vertreter der
Mächte die vorgeschlagene Erklärung abgeben. Ohne mit den übrigen
Mächten prinzipiell anderer Meinung zu sein, fügte ich hinzu, daß ich
es für zweckmäßiger erachte, in der bisherigen Weise mäßigend auf
die Serben einzuwirken.
Neratow. *)
*) Siehe Bd.I, Aktenstück Nr. 363, S.38i.
44o
Nr.857.
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr‘ i234‘ BelSrad’ deDlÄ^I9l3<
Vertraulich.
Nr. 2722 und 2735 erhalten.
Ich bin in vorgeschriebenem Sinne vorstellig geworden. Spalaikowitsch
antwortete, daß Serbien unter keinen Umständen einen herausfordern-
den Schritt unternehmen werde, der vor allen Dingen für Serbien selbst
verhängnisvolle Folgen haben könnte, und daß Serbien auch in Zukunft
eine Politik strenger Besonnenheit führen werde. Was die Ew. Exzel-
lenz vom italienischen Geschäftsträger gemachten Mitteilungen betrifft,
so ist Spalaikowitsch tief erbittert über die nicht durch seine Schuld ent-
standenen Mißverständnisse und bat mich folgendes zu übermitteln: Vor
einigen Tagen ist dem hiesigen italienischen Vertreter und heute in glei-
cher Weise nochmals dem österreichischen Geschäftsträger erklärt wor-
den, daß Serbien Albanien gegenüber defensiv handeln werde, ohne die
Absicht zu haben, neue Gebiete zu erwerben und die Londoner Bestim-
mungen zu verletzen. San Giuliano hat dem serbischen Geschäftsträger in
Rom gedankt und geraten, die genannte Erklärung zu veröffentlichen,
um auf diese Weise einerseits den Mächten eine Handhabe zur Beruhi-
gung Österreichs zu geben und andrerseits Serbien die Besetzung eines
Teils von Albanien zu erleichtern, der nach Ansicht der serbischen Re-
gierung zur Sicherung des Friedens an der Grenze notwendig ist. Außer-
dem hat Rinella in Belgrad zuverlässig erfahren, daß eine hochgestellte
Persönlichkeit dem italienischen Gesandten in Sofia gesagt hat, Ruß-
land treibe Serbien gegen Albanien. Dem entgegenzutreten wäre nicht
schwer, indem man auf die in letzter Zeit von der kaiserlichen Regierung
erteilten Ratschläge zur Besonnenheit verweist, wovon man in Rom gut
unterrichtet ist. Die oben dargelegten Anhaltspunkte zusammenfassend,
kam Spalaikowitsch zu der Überzeugung, daß der italienische Geschäfts-
träger in St. Petersburg entweder die erhaltenen Nachrichten mißver-
standen hat oder darauf ausgegangen ist, die Haltung Rußlands zur alba-
nischen Frage genauer zu ergründen. Ich muß hinzufügen, daß die ein-
gegangenen Nachrichten über militärische Vorbereitungen in Bulgarien
und über die Stimmung in der Türkei, worauf der serbische Geschäfts-
träger in Berlin in diesen Tagen von Jagow hingewiesen worden ist, der
nochmals riet, sich nicht mit Albanien zu beschäftigen, wie auch über die
Befürchtungen für den Erfolg der Anleihe in Frankreich die serbische
Regierung veranlassen werden, äußerst vorsichtig zu sein.
Stramdmann.
44i
Nr. 858.
Der russische Geschäftsträger in Paris
an den stellvertretenden russischen Außenminister.1)
~ ^ . 18. September
Geheimteiegramm. Fans, den—I Oktober " 1
Nr. 476.
Siehe Nr. 470.
Paschitsch glaubt, daß in der serbisch-albanischen Frage infolge der
engen Beziehungen Essads zu den Türken das Zentrum in Konstantinopel
liege. Er werde von Konstantinopel aus unterstützt und sei türkisches
Werkzeug, ganz wie die Regierung in Valona von Wien abhänge. Es
liege im Interesse der Pforte, Serbien Schwierigkeiten zu bereiten, um
unter günstigeren Voraussetzungen mit Athen zu verhandeln. Einwirkung
auf Konstantinopel wäre daher am zweckmäßigsten, um serbisch-albani-
sche Zusammenstöße zu beseitigen, denn Essad persönlich sei kein Feind
der Serben. Paschitsch bestätigt, daß Serbien nicht an Eroberungen auf
Kosten Albaniens denke, glaubt aber, daß die Grenzkommission, ohne den
Londoner Traktat zu verletzen, den Serben einige strategische Punkte zur
Sicherung ihrer Grenzen zuwenden könne. Im gestrigen Interview mit
dem Temps spricht sich Paschitsch im gleichen Sinne aus.
Sewastop ulo.
Nr. 85g.
Graf Berchtold an Legationsrat von Storck
in Belgrad.2)
Telegramm. Wien, 7. Oktober igi3.
Euer Hochwohlgeboren wollen sich zu Herrn Paschitsch begeben und
dem Herrn Ministerpräsidenten folgende Message von mir übermitteln:
Es lägen mir übereinstimmende Meldungen darüber vor, daß die Nie-
derwerfung des albanesischen Aufstandes soweit vorgeschritten sei, daß
die serbische Armee an der in London festgelegten Grenze Albaniens
oder doch hart an derselben stehe.
Ich müßte daher, wie ich dies bereits gelegentlich des Wiener Auf-
enthaltes Herrn Paschitschs getan hätte, den Herrn Ministerpräsidenten
dringendst vor einer Überschreitung dieser Grenzen durch die serbi-
schen Truppen warnen und auf die ernsten Folgen hinwei-
sen, die eine solche nach sich ziehen könnte. Serbien ver-
*■) Iswolski Bd.III, Nr. 1068, S.2q5.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 898, S.449-
442
füge über eine genügend starke und disziplinierte Armee, um von einer
Überschreitung der Grenze und einer dauernden oder auch nur zeitweisen
Okkupierung albanesischen Territoriums, beziehungsweise der so oft ge-
nannten strategischen Linie absehen zu können. Wenn die in London ge-
zogene Grenze vielleicht in manchen Punkten militärisch nicht gerade
vorteilhaft sei, so befänden sich auch andere Staaten in einer analogen;
Lage, ohne sich durch militärische Schwierigkeiten abhalten zu lassen,
bestehende Grenzen zu respektieren.
Nr. 860.
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold. *)
Telegramm. Belgrad, 9. Oktober 1913.
Bezug auf hohes Telegramm vom 7. 1. M.
Herr Paschitsch erklärte mir, er würde sofort über die Stellung der
serbischen Truppen Bericht einfordern und für die strikte Respektierung
der Grenze eintreten. Ich solle Euer Exzellenz aber nochmals melden,
daß, selbst wenn das serbische Militär zu seiner Sicherung den einen
oder den anderen Punkt knapp jenseits der Grenze okkupiert haben sollte,
eine solche Besetzung lediglich und ausschließlich provisorischen Cha-
rakter haben würde.
Herr Paschitsch gab mir auch das Versprechen, daß Serbien die von
der internationalen Grenzkommission zu bestimmende Linie strikte ach-
ten würde, wobei der Umstand, ob diese Grenze für Serbien günstig oder
ungünstig wäre, angesichts der serbischerseits abgegebenen Erklärung
gar nicht mehr in Betracht komme.
Nr. 861.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
■Kt C T> 1 J 26. September „
Nr. 1261. Belgrad, den Q Q^tober »9*3-
Ich habe mich soeben mit Paschitsch unterhalten. Seine Zusammen-
kunft und Unterredung mit Berchtold sind von rein akademischem Cha-
rakter gewesen und haben natürlich vorläufig zu keinen praktischen Er-
gebnissen geführt. Vor allen Dingen sind allgemeine Fragen der gegen-
seitigen Beziehungen erörtert worden, deren freundschaftlicher Charakter
von beiden Teilen als äußerst wünschenswert bezeichnet worden ist. Im
1) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 899, S.45o.
443
einzelnen hat Berchtold dann folgende Punkte berührt: i. Die Ostbahn.
Paschitsch sagte, daß diese Frage einer ernsten Erwägung unterzogen
werden müsse und daß Serbien in Anbetracht seiner Vorrechte beabsich-
tige, die Bahn aufzukaufen. 2. Der Tabakhandel in den eroberten Ge-
bieten. Unter Hinweis auf das in Serbien bestehende Tabaksmonopol er-
klärte Paschitsch, daß dieses Regime auch in den neuen Gebieten ange-
wandt werden müsse. Auf den Hinweis Bercbtolds, daß dadurch der
Tabakpreis sehr steigen werde, führte Paschitsch als Beweis an, daß
Serbien an einem möglichst großen Tabakexport interessiert sei und alle
Maßnahmen zur Erleichterung des Exports treffen werde. 3. Berichti-
gung der bosnisch-serbischen Grenze. Paschitsch erinnerte daran, daß
die früheren Arbeiten der Drinakommission zu . . . Resultaten nicht ge-
führt hätten . . . nach dem Willen der Serben. Die letzten Arbeiten
sind durch den Ausbruch des Krieges unterbrochen worden; aber die
serbische Regierung ist von dem Wunsche beseelt, diese Sache zu bei-
derseitigem Vorteil zu beenden. 4- Sicherung der Minderheiten und des
religiösen Bekenntnisses in den eroberten Gebieten. Paschitsch wies dar-
auf hin, daß in dieser Beziehung die serbische Verfassung die liberalste
aller bestehenden sei; in keinem Staate seien in solchem Maße wie in
Serbien die Rechte und die Freiheit des Bekenntnisses der Minderheiten
geschützt, sofern sich dieselben den Gesetzen des Landes unterwerfen.
Auf Berchtolds Hinweis auf die nach dem ersten Balkankriege vorgekom-
menen Fälle einer gewaltsamen Bekehrung der Albaner zur Orthodoxie
erinnerte Paschitsch, daß die Beschuldigungen durch die Untersuchungen
der Kommissionen sich als unberechtigt erwiesen hätten, und daß solche
Vergewaltigungen nur in den Unterkunftsorten montenegrinischer Trup-
pen vorgefallen seien.
Hinsichtlich Albaniens erkannte Berchtold die Gesetzlichkeit der von
Serbien zur Selbstverteidigung getroffenen Maßnahmen militärischen
Charakters unter Beachtung der territorialen Bestimmungen der Lon-
doner Konferenz an. Paschitsch versicherte, daß Serbien keine aggres-
siven Absichten hege und sich nur gezwungen sehe, zeitweilig einige stra-
tegische Punkte zur Herstellung der Ordnung in Albanien zu besetzen.
Der letztere Umstand gefiel Berchtold augenscheinlich nicht, er nahm
aber immerhin die übrigen Erklärungen Paschitschs mit Befriedigung
zur Kenntnis.
Bei meiner Durchreise durch Wien besuchte ich Berchtold, der sich
sehr lobend über Paschitsch äußerte, seinen staatsmännischen Sinn ge-
bührend rühmte, seine Ansichten gemäßigt fand und seiner Hoffnung
auf Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zu Serbien Ausdruck gab.
Abschrift nach Wien.
N. Hartwig.
444
Nr. 862.
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.*)
Telegramm. Belgrad, 10. Oktober 1913.
Seitens des serbischen Preßbureaus wird zugegeben, daß die serbi-
schen Truppen bereits auf albanesischem Boden stehen.
Nr. 863.
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften in
Berlin und Rom.* 2)
Telegramm. Wien, 10. Oktober 1913.
Ich erhalte immer weitere Nachrichten darüber, daß — entgegen den
von der Belgrader Regierung gegebenen Versicherungen — die serbischen
Truppen fortfahren, die in London bestimmte Grenze Albaniens zu
überschreiten und letzterem zugesprochene Landschaften zu besetzen.
Da dieses Vorgehen Serbiens geeignet erscheint, höchst ernste und un-
erwünschte Konsequenzen nach sich zu ziehen, wäre es nach meiner An-
sicht angezeigt, daß — ohne zu dem Mittel gemeinschaftlicher Demar-
chen zu greifen — jede Großmacht für sich Serbien vor den Folgen
eines solchen Vorgehens warne und zur Einschränkung seiner militäri-
schen Aktion auf sein eigenes Gebiet und zur strikten Respektierung der
Londoner Beschlüsse auffordere.
Ich ersuche Euer usw., im vorstehenden Sinne im Auswärtigen Amte
vorstellig zu werden und zu bemerken, daß ich sehr verbunden wäre,
wenn eine diesbezügliche telegraphische Instruktion an den Vertreter in
Belgrad ehebaldigst erlassen werden würde.
Nr. 864.
Freiherr von Flotow an Graf Berchtold.3)
Telegramm. Berlin, 11. Oktober 1913.
Überschreitung albanesischer Grenze durch serbische Truppen (Tele-
gramm Euer Exzellenz von gestern).
Unterstaatssekretär teilt mir mit, er habe gestern dem serbischen Ge-
schäftsträger ernste Vorstellungen gemacht wegen der Besetzung von
x) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr.900, S.45o.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 901, S.45i.
3) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr.go3, S. 452.
445
Bisani auf albanesischem Territorium und Etablierung von serbischen
Behörden dortselbst.
Herr Zimmermann wird umgehend deutschen Gesandten in Belgrad
der Anregung Euer Exzellenz entsprechend instruieren.
Nr. 865.
Graf Berchtold an Graf Ambrozy in Rom.1)
Telegramm. Wien, n.Oktober 1913.
Ich ersuche Euer Hochgeboren, Marquis di San Giuliano zu sagen,
daß ich seine Absicht, seine Stimme in Belgrad neuerlich warnend er-
heben zu lassen, dankbar begrüße.
Mit Rücksicht auf die auch ihm sattsam bekannten Schwierigkeiten,
welchen die Ausführung von kollektiven oder identischen Demarchen in
Belgrad stets begegnet, hätte ich es unterlassen, bezüglich einer solchen
Vorschläge zu machen.
Meiner Auffassung nach müßte nunmehr jeder einzelnen Macht es
überlassen bleiben, die Schritte zwecks Respektierung der Londoner Be-
schlüsse in der ihr geeignet erscheinenden Weise in Belgrad auszuführen.
Nr. 866.
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschafter
in Berlin und Rom.2)
Telegramm. Wien, 14. Oktober 1913.
Ich habe das nachstehende Telegramm unterm gestrigen Datum an
den k. u. k. Geschäftsträger in Belgrad gerichtet:
„Euer Hoch wohlgeboren wollen sich Herrn Paschitsch gegenüber fol-
gendermaßen aussprechen:
Die serbische Regierung hat uns durch Herrn Spalaikowitsch die Er-
klärung abgegeben, daß Serbien bei der Niederwerfung des albanesischen
Aufstandes die Londoner Beschlüsse strikte respektieren und sich rein
defensiv verhalten werde.
Im Gegensatz hiezu hat der Ministerpräsident Euer Hochwohlgeboren
von der Eventualität einer „provisorischen“ Besetzung albanesischen Ter-
ritoriums durch serbische Truppen gesprochen.
Auch nach den mir vorliegenden Meldungen sind serbische Truppen
tatsächlich im Begriffe, albanesisches Gebiet zu besetzen oder haben dies
bereits getan.
Österreichisches Rotbuch 1912, Nr.go4, S.4Ö2.
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Jir. 906, S. 453.
446
Da eine auch nur zeitweilige Okkupation mit der uns zugesagten un-
bedingten Respektierung der Londoner Beschlüsse, auf der wir be-
stehen müssen, im Widerspruch stünde, müssen wir an die serbische
Regierung die Frage stellen, ob sie bereit ist, die militärischen Vorberei-
tungen für ein Vordringen in Albanien zu sistieren, beziehungsweise die
bereits auf albanesischem Gebiete befindlichen Truppen binnen einer
bestimmten kurzen Frist zurückzubeordern.
Von der Beantwortung dieser Frage und der Einhaltung der früheren
serbischen Erklärungen müßte die Monarchie ihr weiteres Verhalten Ser-
bien gegenüber abhängig machen, indem wir entschlossen seien, die un-
bedingte Respektierung der in London gefaßten Beschlüsse mit allen
uns geeignet erscheinenden Mitteln sicherzustellen.“
Den Inhalt dieser Weisung ersuche ich Euer usw., der dortigen Regie-
rung bekanntzugeben.
Nr. 867.
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.*)
Telegramm. Belgrad, 15. Oktober 1913.
Ich habe den mir aufgetragenen Schritt bei Herrn Paschitsch gemacht,
worauf mir der Herr Ministerpräsident folgende Erklärungen abge-
geben hat:
„Der Befehl zur Einstellung eines weiteren Vormarsches der serbischen
Truppen nach Albanien sei bereits erteilt.
Die Frage, wann die auf albanesischem Territorium stehenden serbi-
schen Truppen zurückgezogen werden sollen, würde von der Entwicklung
der Verhältnisse in Albanien abhängen.
Solange den serbischen Positionen kampfbereite Arnautenbanden ge-
genüberstünden, werde diese Räumung nicht erfolgen.
Die Erklärung, daß wir entschlossen sind, die absolute Respektierung
der Londoner Beschlüsse mit allen uns geeignet erscheinenden Mitteln
sicherzustellen, nehme er zur Kenntnis.“
Nr. 868.
Königlich serbische Gesandtschaft an das
k. u. k. Ministerium des Äußeren.1 2)
Notiz. Wien, 3./i6. Oktober 1913.
Nachdem das königlich serbische Heer die feindlichen albanesischen
Banden vom serbischen Territorium zurückgedrängt und die notwendig-
1) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 907, S. 454-
2) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 908, S. 454*
447
sten Positionen, von welchen evenutelle neuerliche Einfälle der Albanesen
auf serbisches Gebiet leichter abgeschlagen werden könnten, besetzt hat,
wurde der Befehl ausgegeben, stehenzubleiben und nicht weiter nach Al-
banien vorzudringen.
Das Militär wird auf den besetzten Stellungen provisorisch so lange
verbleiben, bis Garantien zur Aufrechterhaltung der Ruhe an der Grenze
geschaffen und die Grenzfrage endgültig gelöst sein wird.
Nachdem in Albanien ein Zustand des Aufruhrs herrscht und eine ge-
nügend starke und akkreditierte Behörde, die ihn niederhalten könnte,
nicht vorhanden ist, so daß auch die Möglichkeit neuerlicher Einfälle
in serbisches Gebiet nicht ausgeschlossen ist, wurde dem serbischen Mi-
litär angeordnet, im Falle solcher Einfälle sich bloß auf deren Abwehr
zu beschränken.
Nr. 869.
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.r)
Telegramm. Belgrad, 17. Oktober 1913.
Deutscher Gesandter hat gestern telegraphische Instruktion erhalten,
unsere Demarche, betreffend die baldige Räumung Albaniens, in nach-
drücklicher Weise zu unterstützen.
Auch mein italienischer Kollege hat schon gestern nachmittag über
Auftrag seiner Regierung im Auswärtigen Amte vorgesprochen, um der
serbischen Regierung freundschaftlich zu raten, die Londoner Beschlüsse
zu achten und anknüpfend daran Herrn Paschitsch nahezulegen, dem bil-
ligen Verlangen Österreich-Ungarns nachzukommen.
Nr. 870.
Graf Berchtold an Legationsrat von Storck
in Belgrad.* 2)
Telegramm. Wien, 17. Oktober 1913.
Erhalten Euer Hochwohlgeboren Telegramm vom i5. d. M.
Euer Hochwohlgeboren wollen an die königlich serbische Regierung
nachstehende Verbalnote richten:
«La Légation I. et R. à Belgrade a eu l’honneur d’attirer, plus d’une
fois, par ordre de son Gouvernement, l’attention du Ministère Royal des
Affaires Etrangères sur la nécessité de respecter strictement les dé-
Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 910, S. 455.
2) Österreichisches Rothuch 1912, Nr. 912, S-456.
448
cisions de la réunion des Ambassadeurs à Londres et de s’abstenir de
toute action militaire dans le territoire attribué par la volonté des
Puissances à l'Albanie.
Ce point de vue du Gouvernement I. et R. est d’autant plus justifié
que la réunion de Londres a déjà tenu compte, dans une mesure très
large et au détriment de l’Albanie, des désirs formulés par la Serbie au
sujet de la délimitation en question.
L’Autriche-Hongrie ne saurait donc consentir en aucun cas à ce que
la décision internationale sur les confins de l’Albanie fût modifiée
ultérieurement en faveur de la Serbie.
La dernière réponse donnée à ce sujet par le Gouvernement Royal
Serbe à la Légation I. et R. est tout aussi peu satisfaisante que le con-
tenu de la Notice remise au Ministère I. et R. des Affaires Etrangères
par Monsieur le Ministre de Serbie.
En effet l’ordre qui enjoint aux troupes serbes d’arrêter leur marche
ne saurait être considéré comme suffisant. Il est indispensable aux yeux
du Gouvernement I. et R. que le Gouvernement Serbe procède au rappel
immédiat des troupes qui ont dépassé les frontières fixées par la réunion
de Londres et qui occupent par conséquent des territoires faisant partie
de l’Albanie.
Le Gouvernement I. et R. se plaît à espérer que le Gouvernement
Serbe ne tardera pas à procéder à l’évacuation intégrale du territoire
albanais dans un délai de huit jours.
Au cas contraire, le Gouvernement I. et R. se verrait à son grand
regret dans la nécessité d’avoir recours aux moyens propres à assurer
la réalisation de sa demande.»
Nr. 871.
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften
in Berlin, London, Paris, Rom und St. Petersburg.1)
Telegramm. Wien, 17. Oktober 1913.
Ich ersuche Euer usw., nachstehende Mitteilung der dortigen Regie-
rung unter Hinterlassung einer Abschrift zur Kenntnis zu bringen:
«Dès le commencement des hostilités entre les Etats balkaniques et la
Turquie, l’Autriche-Hongrie, proche voisine des Balkans, a fait preuve
de dispositions éminemment pacifiques. S’abstenant de toute immixtion
dans les événements belliqueux et de toute aspiration à une acquisition
territoriale, elle s’est bornée à coopérer avec les Puissances au rétablisse-
ment de la paix et, en ce qui concerne l’Adriatique, à la création d’un
Etat albanais. * 29
*) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr.gi3, S.4^7.
29 Boghitschewitsch, Serbien II.
449
C’est aussi dans ce but que l’Autriche-Hongrie s’était décidée à
prendre part aux travaux de la réunion des Ambassadeurs à Londres,
où la question albanaise devait être discutée avec les autres problèmes
réservés au verdict des Grandes Puissances.
Il est évident, que pour répondre aux intentions de l’Autriche-Hongrie
et des autres Cabinets, la question albanaise devait être résolue de façon à
ce que le nouvel Etat fût rendu viable. A cet effet il était de toute né-
cessité que, au moins, les territoires purement albanais soient compris
dans la limite de ses frontières. Si l’Autriche-Hongrie a consenti à faire
sur ce point des concessions très importantes, notamment en acceptant
que des villes essentiellement albanaises comme Dibra et Djacova soient
détachées de l’Albanie, c’était uniquement pour ne pas se séparer des
autres Puissances et assurer une solution pacifique du problème.
Toutes ces concessions austro-hongroises n’ont pas empêché la Serbie
de retarder pendant des mois le départ de ses troupes de l’Albanie.
Même en face de démarches concertées des Grandes Puissances la Serbie
s’est refusée jusqu’à ce jour de mener à bout l’évacuation du territoire
en question. D’autre part la Serbie n’a pas laissée subsister de doute
qu’elle n’avait nullement l’intention de considérer l’évacuation de l’Albanie
en tant qu’elle s’était produite comme une mesure définitive. C’est ainsi
que le Gouvernement Serbe avance que les limites albanaises fixées par
la réunion de Londres sont défavorables au point de vue stratégique. Il
faut cependant noter que c’est précisément pour satisfaire aux exigences
serbes que les Puissances ont adopté la frontière actuelle que laisse en
dehors de l’Albanie des villes et des territoires qui devraient en faire
partie au point de vue géograiphique et ethnographique. Il est donc
évident que ce n’est pas la Serbie qui aurait à se plaindre de la fron-
tière fixée à Londres.
Quant à la situation actuelle, les troubles albanais ne se présentent
nullement comme une invasion en territoire serbe organisée systémati-
quement en Albanie, ainsi que cela a été représenté du côté serbe. Il est,
en effet, notoire que la population albanaise, tant dans les contrées
nouvellement acquises par la Serbie que dans celles de l’Albanie auto-
nome occupées illicitement par les Serbes, a été exaspérée par des pro-
cédés vexatoires sans fin de la part des Serbes. Le soulèvement qui en
résulta a fourni à la Serbie le prétexte pour sévir à main armée contre
les Albanais. La quantité considérable de troupes mobilisées à cet effet
démontre du reste clairement que les cercles dirigeants à Belgrade n’ont
pas l’intention de se borner à réprimer un soulèvement, mais qu’ils visent
bien au contraire l’occupation du territoire albanais autonome.
Le Cabinet de Vienne n’a pas cessé de donner à Belgrade des conseils
de sagesse. Mais il lui est impossible de suivre le Gouvernement Serbe
sur le terrain d’une distinction subtile entre «occupation définitive» et
«occupation provisoire». Il est d’autant moins possible d’admettre les
45o
procédés serbes, que cet exemple ne manquerait pas d'être suivi par les
autres voisins de l'Albanie, et que de cette façon les résultats de la ré-
union de Londres acquis avec tant de peine seraient compromis au grand
danger de la paix générale. En plus, puisque la Serbie continue à être
récalcitrante vis-a-vis des décisions prises par l’Europe entière, le Gou-
vernement I. et R. se voit dans la nécessité de prendre en main la sauve-
garde des intérêts de la paix. La légation I. et R(. à’ Belgrade a, par
conséquent, reçu l’ordre de remettre au Gouvernement Royal Serbe une
note conçue dans les termes suivants.»
Hieran anschließend ist der Euer usw. mit Separat-Telegramm über-
mittelte Wortlaut der Verbalnote zu setzen, welche Legationsrat von
Storck an die königlich serbische Regierung zu richten beauftragt ist.
Unter Einem richte ich die gleiche Mitteilung an die übrigen Kabinette
der Großmächte.
Nr. 872.
Der russische Botschafter in Paris
an den stellvertretenden russischen Außenminister.*)
Geheimtelegramm. Paris, den 5./i8. Oktober 1913.
Nr. 5o4.
Ich nehme Bezug auf Nr. 479* Abschrift nach Belgrad.
Hinsichtlich des letzten Schrittes Österreichs in Belgrad rieten der
Minister und Pichon Herrn Wesnitsch, gleich jetzt mit der Räumung der
in Albanien besetzten Punkte zu beginnen, ohne eine Einmischung in
noch bestimmterer Form abzuwarten. Um Serbien einen solchen Schritt zu
erleichtern, hat die französische Regierung sich grundsätzlich entschlos-
sen, die serbische Anleihe nicht mehr zurückzuhalten. Sie sucht nach
einer Formel, die es ihr ermöglichen könnte, die Anleihe abzuschließen
trotz ihrer Entschließung, bis zur Beendigung der Arbeiten der Finanz-
kommission Anleihen der Balkanstaaten nicht zuzulassen. Pichon möchte
bei dieser Gelegenheit auch zu einer Lösung der serbischen Eisenbahn-
frage durch Loskauf oder durch Internationalisierung kommen.
IswolskL
451
*) Iswolski Bd. III, Nr. 1093, S.3i3.
Nr. 873.
Der stellvertretende russische Außenminister
an den russischen Geschäftsträger in London.1)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den 5./18. Oktober 1913.
Nr. 2893.
Ich telegraphiere nach Paris. Für den Minister. Der österreichisch-
ungarische Geschäftsträger hat mir eine schriftliche Mitteilung über-
geben, in der er zu unserer Kenntnis bringt, daß die von Paschitsch in
Belgrad abgegebenen Erklärungen über die Absichten der serbischen Re-
gierung in der albanischen Frage nicht als befriedigend anerkannt wer-
den könnten. Noch in Wien habe Paschitsch versichert, die serbischen
Truppen würden die albanische Grenze nicht überschreiten; später aber
in Belgrad erklärte er dem österreichischen Vertreter, daß es aus strate-
gischen Gründen notwendig sei, einige Punkte auf albanischem Gebiete
zu besetzen, diese Maßregel ändere aber seine Absicht nicht, sich der
Entscheidung der Londoner Konferenz unterzuordnen. Da diese Erklä-
rung nicht im Einklang mit den Erklärungen Paschitschs in Wien stehe,
könne die österreichische Regierung den Versprechungen Serbiens keinen
Glauben mehr schenken und sei daher genötigt, die Räumung des albani-
schen Gebietes zu fordern. Der österreichische Vertreter in Belgrad sei
beauftragt worden, eine entsprechende Erklärung bei Paschitsch abzu-
geben und eine Frist von acht Tagen für die Räumung zu
setzen, nach deren Ablauf Österreich im Falle der Nichterfüllung ge-
nötigt sein werde, zu Mitteln zu greifen, die die Erfüllung seiner Forde-
rungen sichern.
Nachdem ich von dieser Mitteilung Kenntnis genommen hatte, habe ich
in heißem Streit mit dem Grafen Czerny zu beweisen versucht, daß die
österreichischen Forderungen ungerechtfertigt seien, und vor allem dar-
auf hingewiesen, daß Serbien allen Forderungen der Mächte gegenüber
sich korrekt gezeigt habe, daß es auch schon einmal die Räumung voll-
zogen habe und deshalb, meiner tiefen Überzeugung nach, von den Alba-
nern überfallen worden sei. Wenn Österreich Widersprüche in den
Äußerungen Paschitschs entdecke, müsse ein Mißverständnis vorliegen,
da nach unseren Nachrichten Paschitsch auch in Wien zeitweilige Maß-
regeln jenseits der Grenze zum Schutze gegen die Albaner ins Auge ge-
faßt habe. Auf die österreichische Kundgebung könnten die Serben
leicht antworten, Griechenland sei in Koritza genau in derselben Lage und
doch habe keine Macht die Zurückziehung der griechischen Truppen ver-
langt. Ich könne den Schritt Österreichs nur bedauern, da ich überzeugt
sei, daß Österreich gleich uns bemüht sein müßte, möglichst bald den
i) Iswolski Bd.III, Nr. io95, S.3i3.
452
Frieden herzustellen, durch sein Verhalten aber die Lage verwickele und
den Ausgang höchst schwierig mache. Die serbische Regierung bekämpfe
mühsam die Stimmung des Heeres und der öffentlichen Meinung, und
es liege daher im allgemeinen Interesse, ihr diese Aufgabe zu erleichtern.
In Wien hätte man damit rechnen müssen und nicht unnötig eine Lage
aufs äußerste zuspitzen sollen, die auch unsere gegenseitigen, eben erst
wieder geregelten Beziehungen schädige. Graf Berchtold könne nicht im
Zweifel darüber sein, welchen Eindruck sein Entschluß bei uns machen
werde. Schließlich drückte ich mein Erstaunen darüber aus, daß der
Schritt Österreichs in einem Zeitpunkte erfolge, in dem es den gemein-
samen Bemühungen der Mächte gelungen sei, die Grenzfrage zu regeln,
und die Kommission im Begriff sei, ihre Arbeiten am Ochridasee einige
io Kilometer von den Punkten zu beginnen, die die Serben in Albanien
besetzt hätten. Die Lage sei nicht so drohend gewesen, daß nicht noch
einige Tage bis zur allmählichen Grenzziehung hätten abgewartet wer-
den können, um danach der serbischen Regierung mitzuteilen, sie habe
die Albanien zugefallenen Gebiete allmählich zu räumen. Ich sagte, ich
sei überzeugt, daß dies die Antwort Serbiens sein werde, und daß
Österreich sich damit zufrieden geben werde.
Graf Czerny bezweifelte dies und sagte, die Serben könnten auch in
diesem Falle ihre Versprechungen nicht einhalten. Dennoch notierte er
sich meine Argumente, um sie nach Wien weiterzugeben. Nach dem
österreichischen Geschäftsträger sah ich den italienischen, dem ich obiges
mitteilte. Er hatte noch keine Weisungen, sprach sich aber dahin aus,
daß seine Regierung wahrscheinlich alles daran setzen werde,
um Österreich vor entscheidenden Schritten zurückzu-
halten, weil sie sonst genötigt wäre, eine gleiche Haltung in der alba-
nischen Frage einzunehmen. Teilen Sie mit, was nach Rücksprache mit
Pichón entschieden wird, damit unsere Vertreter weitere Weisungen er-
halten können.
Neratow.
Nr. 874.
Der russische Gesandte in Belgrad
an den russischen Geschäftsträger in London.*)
Geheimtelegramm. Belgrad, den 5./18. Oktober 1913.
Nr. 1277.
Abschrift nach Paris.
Ich telegraphiere an das Ministerium: Die serbische Regierung wendet
sich an die kaiserliche Regierung mit der Bitte um wohlwollende Mitwir-
*} Iswolski Bd. III, Nr. 1096, S. 3i5.
453
kung für die Kotierung einer serbischen ¿Anleihe von 20 Millionen in
Paris. Ich glaube, aus folgenden Gründen das Gesuch warm unterstützen
zu müssen: Seinerzeit haben die Mächte beschlossen, in jeder Weise
Geldoperationen der Balkanstaaten zu verhindern, um ihrer aggressiven
Politik Schranken zu setzen und dadurch einen baldigen Frieden herbei-
zuführen. Die Maßregel zeitigte gute Ergebnisse; soweit Serbien in
Frage kommt, kann man sagen, daß es jetzt das konservativste Element
ist. Es dürstet nach Frieden und ist bereit, in freundschaftliche Be-
ziehungen zu allen Nachbarn zu treten. Wenn man es unter diesen Vor-
aussetzungen unterstützt, wäre das eine nützliche Lehre für die Tür-
kei, Bulgarien und Griechenland. Serbien braucht die Anleihe nicht zu
Rüstungen, sondern um die schweren Folgen des Krieges zu liquidieren
und der Bevölkerung die Rückkehr zu friedlicher Arbeit zu erleichtern.
Paschitsch bittet dringend um möglichst baldige wohlwollende Antwort.
Hartwig.
Nr. 875.
Graf Bercbtold an die k. u. k. Botschaften in Berlin,
London, Paris, Rom und St. Petersburg.1)
Telegramm. Wien, 20. Oktober 1913.
Ich erhalte nachstehendes Telegramm des k. u. k. Geschäftsträgers in
Belgrad vom 20. d. M.:
„Soeben hat mir der Generalsekretär Herr Stefanowitsch erklärt, daß
der Befehl zur Evakuierung Albaniens bereits gestern beschlossen und
heute früh an die serbischen Truppen hinausgegeben worden sei. Die
Räumung werde innerhalb der achttägigen Frist erfolgen.“
Der serbische Gesandte, Herr Jowanowitsch, hat mir heute eine den
bereits erteilten Räumungsbefehl betreffende Erklärung abgegeben.
Vorstehendes wollen Euer usw. der dortigen Regierung mitteilen und
beifügen, ich nähme von der serbischen Erklärung Akt und sähe der
Durchführung der Evakuierung innerhalb der bekannten Frist entgegen.
Nr. 876.
M. Dumaine, Ambassadeur de France à Vienne,
à M. Picbon, Ministre des Affaires étrangères.* 2)
Vienne, le 21 octobre igi3.
Le conflit austro-serbe — le plus récent mais sûrement pas le dernier
— s’est dénoué aussi brusquement qu’il s’était aggravé. A la suite de
Österreichisches Rotbuch Nr. 918, S. 46o.
2) Livre Jaune 1912, III, Nr. 108.
454
l’impérieuse mise en demeure formulée par le Cabinet de Vienne, celui
de Belgrade s’est résolu à faire évacuer le territoire albanais, sans même
attendre s’il ne lui viendrait pas quelque appui contre la sommation
autrichienne.
Mais loin d’exalter comme un succès pour le prestige de la Monarchie
ce promt acquiescement de la partie adverse, les journaux viennois en
triomphent discrètement, en signalant que «cette bonne volonté à ré-
pondre aux voeux de l’Autriche dénote un discernement d’après lequel
on peut compter sur un prochain et très satisfaisant aplanissement de
toutes les autres difficultés à résoudre entre les deux Etats.»
Il est à croire que le prétexte qui servait à la querelle s’est révélé de
part et d’autre plus sérieux qu’on ne le supposait. Le Commandant des
troupes serbes, au lieu de s’en tenir à l’occupation des points stratégiques
voisins de la frontière, se serait avancé rapidement à travers l’Albanie,
de l’aveu même de M. Jovanovitch, en vengeant par des
massacres et des destructions les dévastations qu’avaient commises les
Albanais en pays serbe. Surprises par cette incursion ripostant à la leur,
les populations albanaises auraient accusé le Gouvernement autrichien de
ne pas les sauvegarder contre les conséquences du coup de main auquel,
disaient-elles, on les avait encouragées. Elles reprochaient déjà à la
Monarchie de ne protéger que les catholiques. L’attitude équi-
voque, comme toujours, d’Essad Pacha donnait aussi à
craindre, parait-il, qu’il ne pactisât avec les Serbes.
D’où, à Vienne, la résolution qui s’imposait d’intervenir avec éclat au
profit d’une clientèle prête à se détacher; et à Belgrade, par suite des
compromettantes initiatives du corps expéditionnaire, hâte de rappeler
les troupes engagées beaucoup trop avant.
Telle est l’explication la plus plausible d’une courte crise où des
deux côtés, l’attitude des Gouvernements directement intéressés à dé-
concerté les prévisions.
D’autre part, le Chargé d’Affaires de Russie s’était empressé de me
communiquer un télégramme par lequel M. de Hartwig annonçait de
Belgrade que M. Pachitch se décidait à céder. «Je le fais, aurait dit le
Président du Conseil, non sous la pression de l’Autriche, mais par égard
pour les conseils amicaux de la Russie.» Il ajoutait que la Serbie
s’adresserait aux grandes Puissances pour leur représenter la nécessité
de prévenir le retour des agressions albanaises contre lesquelles rien ne
la garantit.
D umaine.
455
Nr. 877.
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.a)
Ausfertigung.
196. Belgrad, den 21. Oktober 1913.
Zähneknirschend fügt sich die serbische Regierung dem österreichisch-
ungarischen Ultimatum und erklärt, bis Sonntag, den 26. d. Mts. Alba-
nien zu räumen. Unerhört aber sind die Anpöbelungen, welche die ser-
bische Presse gegen die österreichisch-ungarische Politik und deren Leiter
verübt. Sie sind zu abstoßend, um sie überhaupt wiederzugeben. Beach-
tung verdient nur die offiziöse „Samouprawa“, die in ihrem gestrigen
Leitartikel folgendes ausführt:
„Serbien hat noch nie und niemandem ein Recht gegeben, an der Be-
reitwilligkeit, die Wünsche der Botschafterreunion anzuerkennen, zu
zweifeln. Es hat gemeinsam mit Montenegro sich diesen Beschlüssen
hinsichtlich der Räumung Skutaris und des eroberten Albanien gefügt
und vor kurzem auch jene strategischen Punkte geräumt, von welchen aus
es sich eventueller albanischer Einfälle leichter hätte erwehren können.
Dieser letzten Räumung folgte sogleich der bewaffnete Arnauteneinfall.
Anläßlich dieses Vorfalles hat sich nicht eine einzige Großmacht ge-
funden, wenn auch nur der Form halber bei der albanischen Regierung
zu protestieren! Als aber Serbien ausdrücklich erklärte, nur im Inter-
esse des Friedens und der Ruhe an seiner Grenze diese strategischen
Punkte so lange besetzt halten zu wollen, bis die Grenzen zwischen Serbien
und Albanien an Ort und Stelle festgesetzt worden wären, stellte Öster-
reich-Ungarn an Serbien ein Ultimatum, diese Positionen zu räumen,
welches eine achttägige Frist gibt. Die österreichische und ungarische
Presse aber erhebt — auf die bloße Nachricht hin, daß Serbien den
Großmächten über die Notwendigkeit einer Grenzrektifikation Vorstel-
lungen zu machen gedächte — gegen Serbien die Beschuldigung, gegen
die Beschlüsse der Londoner Botschafterkonferenz handeln zu wollen,
und macht von der Räumung der gedachten strategischen Punkte sogar
das Beginnen einer auf die Verbesserung der diplomatischen Beziehungen
Serbiens zur Monarchie gerichteten Aktion abhängig!!! ... Es ist augen-
scheinlich, daß die österreichisch-ungarische Regierung in diesem kon-
kreten Falle die Straflosigkeit der Angreifer über die legitimsten Rechte
Serbiens stellt, und daß das von Italien und Deutschland unterstützte
Ultimatum Österreich-Ungarns angesichts der beabsichtigten Wünsche,
welche nach den jüngsten Vorfällen gerecht erscheinen, unfaßbar und
ungerechtfertigt ist. Ein solches Ignorieren der unstrittigen Rechte Ser-
Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. i4 196, S. 4x4-
456
biens tritt alles Völkerrecht mit Füßen. Gegenüber einer solchen Un-
gerechtigkeit hat Serbien das Recht, sich bei der gesamten gebildeten
Kulturwelt zu beschweren und diese auf die unausweichlichen Folgen
solchen Favorisierens des Angreifers vor dem Angegriffenen aufmerksam
zu machen. Serbien wird sich diesmal noch den Mächten des Dreibundes
fügen und seinen Truppen das Verlassen der eingenommenen strategi-
schen Punkte befehlen, indem es die Verantwortung für die nun bei den
Arnauten gestärkte Überzeugung, daß ihre Einfälle in der Kulturwelt
verteidigt werden, jenen Mächten überläßt, welche in den friedlichen
Tendenzen Serbiens etwas erblicken, was diesen nicht innewohnt, und
wird es bedauern, daß die Großmächte in einer Grenzrektifikation nicht
eine im Interesse künftiger friedlicher Nachbarschaft gelegene Tendenz
Serbiens erblicken wollten, welche Serbien und Albanien zugute gekom-
men wäre.44
Auch Herr Paschitsch hat sich sehr bitter über die österreichische De-
marche geäußert und erklärt: „Jetzt könne er mit seinen Absichten
wegen Verständigung mit der Donaumonarchie wieder von vorn an-
fangen.44 Meines unmaßgeblichen Dafürhaltens ist der Verlust aber nicht
groß, denn von irgendeinem Versuch der Verbesserung der österreichisch-
serbischen Beziehungen war hier wenigstens nichts zu bemerken. An ein
aufrichtiges Bemühen Herrn Paschitschs in dieser Richtung vermag ich
nicht zu glauben — das sind meist Redensarten, denen keine Taten folgen.
Auch steht er viel zu sehr im Banne meines russischen Kollegen1), der
wieder mehr als je an der Verschlechterung der österreichisch-serbischen
Beziehungen arbeitet, trotzdem er erst vor wenigen Tagen dem öster-
reichisch-ungarischen Geschäftsträger über seinen Besuch bei Graf Berch-
told erzählt hat: „Er hat mir eine österreichisch-russische Verständigung
angeboten.44 Auf Einzelheiten wollte Herr von Hartwig sich allerdings
nicht einlassen. Über das Ultimatum war Herr von Hartwig geradezu
wütend und kritisierte es aufs schärfste. Er vertritt namentlich die Auf-
fassung, daß der Zurückziehung der serbischen Truppen sofort Erhebun-
gen und Aufstände in Albanien folgen werden, und daß dann Österreich-
Ungarn dafür verantwortlich zu machen sei, wenn daraus unabsehbare
Komplikationen entständen. Diese Sprache erscheint mir um so gefähr-
licher, als es nicht ausgeschlossen ist, daß die Serben selbst, um die
Räumung Albaniens zu verzögern, ihrerseits Putsche der albanischen
Bevölkerung provozieren. Ich will damit keinen Verdacht der serbischen
Regierung gegenüber aussprechen, aber sie kann auch hier nicht immer
wie sie will — und die militärischen Einflüsse und Hemmungen können
von Herrn Paschitsch nur mit großer Schwierigkeit überwunden wer-
den, zumal sich der Thronfolger vollständig in die Hände der Militär-
partei gegeben hat.
v. Griesinger.
*) von Hartwig.
457
Nr. 878.
Der Delegierte zur nordalbanischenGrenzkommissioii
Major von Laffert, z. Z. in Lin am Ochridasee,
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg. *)
Ausfertigung.
Nr. 6. Lin am Ochridasee, den 2 3. Oktober 1913.
Wie ich gleichzeitig telegraphisch meldete, ist die Kommission hier
angelangt und hat heute mit ihren Arbeiten begonnen. Der Marsch
durch Albanien ist ohne Unfälle verlaufen, nur die Verpflegung von
Mann und Pferd war trotz der mitgeführten fünf Tagesvorräte mehrfach
kritisch.
Die Albaner bereiteten uns überall einen begeisterten Empfang, weil
sie vage Hoffnungen an das Erscheinen der Kommission knüpften.
Von Tirana an sind wir etwa 20000 Flüchtlingen aus dem serbischen
Albanien begegnet. Es waren fast ausschließlich Mohammedaner. Das
Elend war natürlich sehr groß, weil diese ganzen Massen lediglich auf
die Mildtätigkeit des sehr armen Landes angewiesen sind, in welchem es
eine staatliche Autorität noch nicht wieder gibt. Es scheint, als wenn
die Serben allen Mohamedanern die Rückkehr über die Grenze verweh-
ren, während sie die christlichen Albaner schon wieder passieren lassen.
In Durazzo waren wir von Essad Pascha, dem größten Gauner von
Albanien, zum Essen eingeladen. Er macht den unangenehmen Eindruck
eines orientalischen Juden, mit lautem Gekreisch und den typisch semiti-
schen Handbewegungen (gespreizte Hände mit den Daumen unter den
Achselhöhlen). Er versichert uns, daß nur von ihm eine Rettung Al-
baniens zu erhoffen sei. Er rühmte seine Heldentaten bei der Belage-
rung von Skutari* 2) und machte seinen äußerst tüchtigen Vorgänger Ali
Risa in jeder Weise schlecht. Nur über dessen Ermordung äußerte er
sich nicht, wahrscheinlich weil er zu gut darüber Bescheid weiß. Essads
Einfluß reicht nicht über Alessio, Durazzo und Tirana hinaus. In
Elbassan wollte schon niemand von ihm etwas wissen.
Die Einigkeit in der Kommission läßt sehr viel zu wünschen übrig*).
Darin sind wir Augenblicksdiplomaten den zünftigen Diplomaten
durchaus ebenbürtig. Leider sind unsere beiden Bundesgenossen wie an
der ganzen Adria so auch hier natürliche Gegner, und es kommt jeden
Augenblick zwischen ihnen, manchmal wegen der lächerlichsten Kleinig-
keiten, zu heftigen Zusammenstößen. Ein Beispiel hierfür:
Seit wir uns der serbischen Grenze näherten, wurden die aufgerollten
Fahnen der sechs Großmächte am Anfang des Detachements getragen,
*) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. 18961, S. i85.
2) Vgl. dazu Bd.XXXIY, Kap. CLLXIX.
458
um sie gegebenenfalls als Schutz gegen serbische Geschosse enthüllen zu
können. Nun ließ ein österreichischer Leutnant beim Durchmarsch
durch einen Ort eigenmächtig seine Fahne entrollen, worüber Marafini
einen förmlichen Wutparoxysmus bekam. Auf Befehl der Kommission
mußten die Österreicher ihre Flagge einziehen und Mietzl, der öster-
reichische Delegierte, entschuldigte sich mit dem Versehen des Leutnants.
Das genügte aber dem Italiener nicht, sondern er befahl seinem Detache-
ment, auch die Fahne zu entrollen und sie genau bis zu der Stelle m
tragen, wo die Österreicher die ihrige eingezogen hatten. Darüber geriet
nun wieder der Rest der Kommission in starke Erregung, und Potapow,
der Russe, forderte die Delegierten auf, sich im Trabe nach vorwärts zu
begeben, um nicht unter der fremden Flagge marschieren zu müssen.
Die Entente folgte der Aufforderung, während die Allianz äußerlich
einig, aber voll innerer Konflikte zurückblieb**). Auch der Engländer
blieb, allerdings unter Protest, zurück, weil er wegen Hämorrhoiden
nicht zu traben vermag. Ich brachte nun folgenden Vermittlungsantrag
ein: Jeder Delegierte, der sich durch das Vorgefallene beleidigt fühle,
solle zurückreiten, und mit entfalteter Fahne dieselbe Strecke durch-
messen, die die österreichische und italienische Fahne zurückgelegt hat-
ten. Dieser Vorschlag fand Beifall bei der Allianz, aber Mißbilligung
bei der Entente, die nicht umsonst vier Kilometer zurückreiten wollte.
Immerhin war dadurch das Eis zwischen den feindlichen Brüdern ge-
brochen, und der Nachmittag vereinte die Allianz wieder äußerlich ver-
söhnt im österreichischen Zelte.
Meine Haupttätigkeit besteht überhaupt im Vermitteln zwischen Mietzl
und Marafini, was mir bisher mit einigem Humor auch noch stets ge-
glückt ist. Nur in einer Sache sind beide sich stets einig, die Grenzen
Albaniens, auf das ja beide Länder reflektieren, so weit wie möglich zu
stecken. Und dazu wird jede kleine Ungenauigkeit, die das Londoner
Protokoll aufweist, hervorgesucht.
Nach den Äußerungen der hiesigen österreichischen Offiziere scheint
man im dortigen Offizierkorps einen Krieg mit Italien als unvermeidlich
anzusehen**), und wünscht ihn sogar herbei. Lieber will man sich mit
Serbien verständigen **).
Der Führer des österreichischen Detachements, Oberleutnant Mühl-
hofer, ein sehr energischer und tüchtiger Feldsoldat, der in Tripolis
gegen die Italiener***), bei Janina gegen die Griechen gefochten hat,
machte mir folgende für die Stimmung der deutsch-österreichischen
Offiziere sehr bezeichnende Bemerkung:
Er sagte, Österreich ist ein Staat, der in nicht zu langer Zeit ausein-
anderfallen wird. Vorläufig aber hält es, wenigstens militärisch, noch die
ganzen in ihm vereinigten Völkerstämme fest zusammen. Diese Zeit muß
man benutzen, um noch einmal, vielleicht zum letzten Male, die gesamten
österreichischen Slawen für das Germanentum ins Feuer zu werfen.
459
Und wie alle österreichischen Offiziere, die ich bisher gesprochen habe,
zeigte er eine ungemessene Bewunderung und Verehrung für Seine
Majestät, unseren Kaiser, und erwartet von ihm alles Heil auch für das
Deutschtum Österreichs.
Es ist geradezu rührend und erhebend für einen Reichsdeutschen, zu
sehen und mitzufühlen, wie diese Österreicher, deren Deutschtum überall
zu kurz kommt, in unserem Kaiser die Hoffnung und den Stolz des
Germanentums erblicken, der ihren heimlichsten Traum eines größeren
und unerreicht machtvollen Deutschlands erfüllen soll.
Gestern passierten wir die serbischen Vorposten, die im allgemeinen
längs der neuen Grenze stehen. Die serbischen Offiziere waren voll aus-
gesuchter Liebenswürdigkeit. Viele von ihnen sprechen deutsch. Sobald
sie merken, daß man Reichsdeutscher ist, werden sie zutraulich und ver-
sichern einen der freundschaftlichsten Gefühle für Deutschland.
Die Soldaten sind recht abgerissen, zeigen aber gute militärische Hal-
tung. Die Offiziere sind voll würdigen Ernstes. Man fühlt, daß sie
durch die beiden siegreichen Kriege an innerem und äußerem Selbst-
bewußtsein gewonnen haben, das natürlich und daher nicht anmaßend
wirkt.
von Laff ert,
Major im Großen Generalstabe.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
*) Aha! wie in London!
Nr. 879.
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.l)
Ausfertigung.
Nr. 200. Belgrad, den 23. Oktober 1913.
(pr. 26. Oktober.)
Wenn jetzt in der Presse der Versuch gemacht wird, unter Berufung
auf ein in Petersburg eingegangenes Telegramm des hiesigen russischen
Gesandten die Erteilung des Befehls an die serbischen Truppen zur Räu-
mung Albaniens auf den Rat Englands, Frankreichs und Rußlands zu-
rückzuführen, so ist dies eine Verdrehung des Sachverhalts*), den ich
zur Steuer der Wahrheit klarstellen möchte. Herr von Hartwig hatte die
Antwort, welche Herr Paschitsch am i5. d. Mts. nach Wien gegeben
hatte, daß die Räumung Albaniens von der tatsächlichen Entwicklung
1) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. i4 198, S. 417.
46o
der Verhältnisse abhängig gemacht würde1), als durchaus befriedigend
bezeichnet und in dieser Auffassung auch den hiesigen Ministerpräsiden-
ten bestärkt. Wie mir dieser selbst am Montag, den 20. d. Mts., noch
bemerkte, hatte er nicht daran gedacht, daß seine Antwort den Grafen
Berchtold verletzt haben könnte. Um so betretener war er daher, als
am Sonnabend, den 18., die das Ultimatum enthaltende Demarche von
dem österreichisch-ungarischen Geschäftsträger ausgeführt wurde. We-
der er noch gewiß Herr von Hartwig versahen sich ihrer. Letzterer
suchte Herrn von Storck, wohl in der Absicht, sich Gewißheit zu ver-
schaffen, sofort auf und sandte, als er ihn nicht antraf, den französi-
schen Geschäftsträger hinterher. Dieser erklärte ziemlich bestürzt über
die Bestätigung der ausgeführten Demarche: «Mais c’est trop court;
il faut proroger*** 2).»
Erst am übernächsten Tage, am Montag, den 20. d. Mts., in der Frühe
erschien der englische Geschäftsträger bei mir und las mir die von mir
seinerzeit gemeldete Instruktion vor, worin er angewiesen wurde, der
serbischen Begierung die Respektierung der Londoner Beschlüsse anzu-
raten. Um diesen Zeitpunkt war aber das Ultimatum längst gestellt und,
als ich nachmittags bei Herrn Paschitsch vorsprach, um wiederum die
österreichische Demarche zu unterstützen, empfing mich dieser bereits
mit der Eröffnung, daß Serbien nachgeben und Befehl an die Truppen
zur Räumung Albaniens geben werde.
Die Haltung, welche die hiesigen Vertreter Rußlands und Frankreichs
in den letzten drei Wochen eingenommen haben, war viel eher geeignet,
die serbische Regierung in ihrem Glauben an die stillschweigende Billi-
gung ihrer albanischen Velleitäten zu befestigen als sie zur Achtung der
Londoner Beschlüsse anzuhalten***).
v. Griesinger.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
*) Stimmt.
**) wie üblich im Orient!
***) Von der Bande nicht anders zu erwarten.
1) Vgl. Nr. i4 160, S. 385, Fußnote **).
2) Vgl. dazu das Telegramm des französischen Geschäftsträgers Clément-Simon vom
27. Oktober, Französisches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques, III, 71s.
Nr. 880.
Der Stellvertretende Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes Zimmermann an den Botschafter in Rom
von Flotow.1)
Konzept.
Nr. i356. Berlin, den 25. Oktober I9i3<
(abgegangen am 27. Oktober).
Zur vertraulichen Verwertung.
Der serbische Geschäftsträger hat mir heute das abschriftlich an-
liegende Exposé über die albanische Frage1 2) überreicht.
Ich habe Herrn Boghitschewitsch erwidert, daß für den Gedanken der
Entsendung eines internationalen Truppenkontingents zum Schutze der
serbischen Grenze schwerlich bei den Mächten auf Gegenliebe zu rechnen
sein werde. Wir würden uns dafür jedenfalls nicht erwärmen können.
Dagegen werde die kaiserliche Regierung für Einsetzung verantwort-
licher Behörden und schleunige Organisierung einer internationalen
Gendarmerie3) gern eintreten.
Was endlich die Schadenersatzfrage anlange, so werde sich die ser-
bische Regierung selbst sagen müssen, daß die Großmächte keinesfalls
für den Schaden auf kommen würden. Albanien andererseits habe vor-
läufig keine Mittel und habe sich wohl zweifellos ebenfalls über erheb-
liche Schädigungen seitens Serbiens zu beklagen. Man ließe diese Frage
daher zweckmäßigerweise auf sich beruhen. Jedenfalls vermöge ich ihm
keinen anderen gangbaren Weg anzugeben.
Zimmermann.
Anlage.
Berlin, den 24. Oktober 1913.
Infolge des plötzlichen und unerwarteten Verlangens Österreich-
Ungams hat die serbische Regierung noch vor genauer Festsetzung der
Grenze seitens der Internationalen Kommission die Truppen auch von
den strategischen Positionen in Albanien, von denen aus unser Gebiet am
leichtesten vor Bandenüberfällen geschützt werden konnte, zurückgezogen.
1) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. 14197, S. 4i6. Der gleiche Erlaß
erging an die Vertretungen in Wien — Nr. i5i9 —, London — Nr. 1826 —, Kon-
stantinopel — Nr. 987 —, St. Petersburg — Nr. 1235 —, Paris — Nr. 17Ì8 —,
Bukarest — Nr. 671 —, Sofia — Nr. 754 —, Athen — Nr. 711 —, Belgrad —
Nr. 620—, Cetinje — Nr. 562 —.
2) Siehe Anlage.
3) Vgl. dazu auch Kap. CGLXXIX, Abschnitt B.
462
Schon der seitens der serbischen Regierung ausgesprochene Wünsch,
der noch nicht einmal den Kabinetten amtlich mitgeteilt worden war, bei
der Festsetzung der serbisch-albanischen Grenze auch die für eine er-
höhte Grenzsicherheit notwendigen strategischen Positionen zu berück-
sichtigen, war der österreichisch-ungarischen Regierung genügender An-
laß, die sofortige Räumung des ganzen albanischen Gebietes zu ver-
langen.
Trotzdem die serbischen Truppen die Albanesen zurückgedrängt haben,
besteht begründete Gefahr, daß sich die Überfälle wiederholen werden,
denn es werden auch weiter nach Albanien beständig Waffen und Muni-
tion eingeführt, es werden ferner auch weiterhin Banden gebildet, die
im gegebenen Augenblicke unter Führung fremder Offiziere neuerdings
in serbisches Gebiet eindringen werden.
Mit Rücksicht auf die Sicherheit des Grenzgebietes und seiner Be-
wohner sieht sich die serbische Regierung genötigt, sich an die Groß-
mächte als Schöpfer und Beschützer des autonomen Albaniens zu wenden
mit dem Ersuchen, im Interesse des Friedens zwischen Serbien und
Albanien und der Ruhe Europas wirksame Maßnahmen zur Verhinde-
rung neuer Einfälle zu treffen. Dies könnte nach Ansicht der serbischen
Regierung dadurch geschehen, daß ein internationales Truppenkontingent
nach Albanien geschickt werde, daß verantwortliche Behörden eingesetzt
werden, und daß eine internationale Gendarmerie organisiert wird.
Gleichzeitig wünscht auch die serbische Regierung zu wissen, an wen
sie sich zu wenden hat wegen des durch die albanesischen Überfälle ent-
standenen Schadens.
Nr. 881.
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold. *)
Belgrad, 25. Oktober igi3.
In Ergänzung meiner telegraphischen Meldung habe ich die Ehre, Euer
Exzellenz in der Anlage einen Brief Herrn Stefano witsch’ zu unterbreiten,
worin er mir die erfolgte Zurückziehung der serbischen Truppen aus
Albanien mit dem Bemerken mitteilt, daß die Räumung heute um die
Mittagstunde beendet wurde.
Beilage.
Belgrade, le 12/25 octobre igi3.
Cher Monsieur!
Je m’empresse de Vous communiquer que le Ministère de la Guerre
nous a informé que les troupes serbes ont évacué l’Albanie et qu’elles
1) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 920, S. 46o.
se sont retirées sur les frontières fixées par les Ambassadeurs à Londres.
L'évacuation et le retrait a été terminé aujourd'hui à midi.
Je vous prie de communiquer cette nouvelle à Votre Gouvernement.
Veuillez croire, cher Monsieur, à mes sentiments les meilleurs.
S téf anovic.
Nr. 882.
Der russische Gesandte in Belgrad an den
russischen Außenminister.x)
Geheimtelegramm.
Belgrad, den
19.Oktober
1. November I^1
Nr. i3i4*
Abschrift nach Paris.
Der dieser Tage hier eingetroffene Vertreter der französischen Ban-
ken, Dutasta, hat den, wie er sagt, unserem Botschafter in Paris wohl-
bekannten Vorschlag gemacht, die Orientbahn aufzukaufen. Die Kom-
bination würde, wie Dutasta mir in Kürze darlegte, in Verteilung der
Aktien unter drei Gruppen bestehen: der serbischen, österreichischen und
franko-russischen. Zum Direktor der gemeisamen Verwaltung wäre ein
Serbe zu ernennen, und die Bahn selbst würde serbisches Eigentum
werden. Der Vorschlag fand hier Beifall, und Dutasta ist zu Verhand-
lungen nach Paris gefahren. Paschitsch wünscht möglichst schnelle Ver-
wirklichung des Planes, da von Tag zu Tag erwartet werden müsse, daß
Österreich kategorisch von Serbien eine Erklärung über Rückgabe der
¡Bahn verlange. Den französischen Vorschlag müßte man streng ge-
heimhalten.
Hartwig.
Nr. 883.
Bericht des russischen Außenministers an den Zaren
über seine Reise nach Paris und Berlin.9)
Eurer Majestät allergnädigsten Beachtung gestatte ich mir den Bericht
über die Besprechungen zu unterbreiten, die ich während meiner letzten
Reise ins Ausland mit französischen und deutschen Politikern hatte.
Sasonow. * 2
*) Iswolski Bd.III, Nr. 1107, S.324.
2) Iswolski Bd.III, Nr.inA, S.328.
464
Auszug:
Jalta, den
24. Oktober
6. November
i9l3-
„Da der schlechte Zustand meiner Gesundheit mich zu einer Badereise
nach Vichy veranlaßte, habe ich mit Genehmigung Eurer Majestät einen
kurzen Aufenthalt in Paris benutzt, um die hauptsächlichsten Vertreter
der französischen Regierung aufzusuchen.
In Herrn Poincare, dem Präsidenten der Republik, fand ich, wie früher,
einen glühenden und überzeugten Anhänger eines engen Bündnisses
zwischen Frankreich und Rußland und eines ununterbrochenen Meinungs-
austausches zwischen den beiden Alliierten über alle wichtigen Fragen
der internationalen Politik. Dieselbe Gesinnung konnte ich bei dem
Ministerpräsidenten, Herrn Barthou, und bei dem Außenminister, Herrn
Pichon, feststellen.
In einer Unterredung mit letzterem habe ich alle Tagesfragen ein-
gehend besprochen, ohne auf eine Verschiedenheit unserer Ansichten zu
stoßen.
Mein Aufenthalt in Paris fiel zusammen mit der neuen Verschärfung
der österreichisch-serbischen Beziehungen infolge der Besetzung mehrerer
strategischer Punkte auf albanischem Gebiet durch serbische Truppen.
In der Befürchtung, Österreich-Ungarn könnte der Versuchung erliegen,
sich auf diesem Gebiet einen leichten diplomatischen Erfolg zu ver-
schaffen, haben wir, Pichon und ich, dem serbischen Gesandten den R.at
gegeben, er solle seine Regierung benachrichtigen, daß es vorzuziehen
wäre, gegebenenfalls den freundschaftlichen Vorstellungen Rußlands und
Frankreichs nachzugeben, als erst die Drohungen Österreichs abzuwarten.
Herr Wesnitsch teilte vollkommen diesen Standpunkt und telegra-
phierte in diesem Sinne sofort nach Belgrad, aber das Wiener Kabinett
ließ der serbischen Regierung nicht Zeit, die beabsichtigten Maßregeln
zu ergreifen, und sandte schon am folgenden Tage ein sehr schroffes
Ultimatum.
Ich war Zeuge der rückhaltlosen Mißbilligung, die dieser Schritt
Österreichs bei der französischen Regierung und im französischen Volke
fand, und ich habe den für Serbien günstigen Moment benutzt, Pichon
zu überreden, diesem Lande für die von ihm bewiesene Klugheit sich er-
kenntlich zu zeigen. Ich deutete an, daß Frankreich selbst an einer Er-
starkung Serbiens Interesse habe, denn im Falle schwerer inter-
nationaler Konflikte würde dieses notgedrungen auf
seiten Frankreichs stehen, da es naturgemäß ein Feind
des bedeutendsten Verbündeten Deutschlands sei. Herr Pi-
chon versprach mir, er wolle seinen Einfluß daransetzen, daß die ser-
bische Anleihe bald an der Pariser Börse zustande käme.“
30 Boghitschewitsch, Serbien II.
465
Sasonow befaßt sich weiter in seinem Berichte mit Fragen der klein-
asiatischen Bahnen, der italienisch-französischen Beziehungen, den Re-
formen in den armenischen Wilajets der Türkei und fährt dann fort:
„Auf meiner Rückreise nach Rußland hielt ich es für unmög-
lich, Berlin zu passieren, ohne mich dort einige Stunden
aufzuhalten, in Anbetracht des Wertes, den man in Deutschland
einem Meinungsaustausch mit uns beilegt, und des praktischen
Nutzens, den ein solcher ohne Zweifel für uns hat.
Der Staatssekretär des Außenministeriums, von Jagow, war gerade ab-
wesend, aber ich sprach seinen Stellvertreter, Herrn Zimmermann, und
den Reichskanzler Herrn v. Bethmann-Hollweg.
In meinen sehr freundschaftlichen Unterredungen mit ihnen habe ich
nicht verheimlicht, welch schlechten Eindruck sowohl bei uns wie in
Frankreich das jüngste Vorgehen Österreich-Ungarns in Belgrad gemacht
hätte. Die deutsche Regierung scheint ebenfalls die zwecklose Schroff-
heit dieses Schrittes nicht zu billigen, aber der Kanzler versuchte, die
verbündete Macht zu entschuldigen, indem er auf deren außerordentlich
schwierige Lage in ihrer Innenpolitik hin wies.“
Der Bericht schließt mit einer Erörterung zwischen dem Reichskanzler
und Sasonow über die in Frankreich herrschende Stimmung bezüglich
der deutsch-französischen Beziehungen.
Nr. 884.
Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest,
an das Ministerium des Äußern in Sofia. *)
Auszug.
Bukarest, den
24. Oktober
6. November
1913.
Herr Schebeko ist geneigt zu glauben, daß es nicht zum Kriege zwi-
schen Bulgarien und Serbien gekommen wäre, wenn Hartwig versöhnlicher
und Nekljudow energischer gewesen wäre, da in diesem Falle der Wille
Rußlands, der gleichzeitig in Belgrad und Sofia zum Ausdrucke gebracht
wurde, mit Rücksicht auf die Lage nicht unberücksichtigt hätte bleiben
können. Schebekos persönliche Meinung war, daß der Zar die Rolle des
Schiedsrichters nicht übernehmen sollte. Trotz des von uns begonnenen
Krieges war Rußland desungeachtet gegen eine übermäßige Verkleine-
rung Bulgariens. Seine Instruktionen am Vorabend der Friedenskonfe-
renz lauteten dahin, sich diesbezüglich mit der rumänischen Regierung
ins Einvernehmen zu setzen, zwecks einer gemeinsamen Betätigung in
diesem Sinne. Take Jonesku, Herr Blondel und ich, sagte er, versammel-
Bulgarisches Orangebuch Bd. I, Nr. i33, S.71.
466
ten ans, um zu beratschlagen, welche Grenze zwischen Bulgarien und
Serbien zu bestimmen sei. Wir entschieden, daß der Wardar diese
Grenze sein solle. Das war auch die Meinung des Königs von Rumänien.
In den ersten Tagen bemühten wir uns, die Serben zu bewegen, diese
Grenze zu akzeptieren, aber es gelang uns nicht. Ich denke, daß sie
schlecht daran taten, den Bulgaren nicht die Gebiete des linken Wardar-
ufers zu geben und daß auch Daneff unvernünftig gehandelt hat, als er
von den Serben die Gebiete jenseits des Wardar forderte. Ich bemerkte,
daß, wenn man den Wardar als Grenze nehmen würde, wir aus der
Konferenz herauskommen könnten, wenn zwar auch nicht mit Aussich-
ten auf eine Verständigung mit Serbien, so doch wenigstens auf ein gut
nachbarliches Verhältnis und mit offenem Horizonte für die Zukunft.
Ich erzählte Herrn Schebeko das Gespräch, das ich damals mit Herrn
Ristitsch hatte, dem ich vorschlug, daß wir uns auf der Basis der russi-
schen Ratschläge verständigen. Ristitsch, sagte ich ihm, erwiderte mir,
daß er persönlich damit einverstanden wäre, daß er aber fürchte, daß
seine Kollegen unnachgiebig sein würden. Am gleichen Abend trafen
unsere Delegierten mit den serbischen zusammen. Wir schlugen ihnen
vor, die serbische Grenze gemäß den russischen Vorschlägen zu ziehen
zum Zwecke, wie wir sagten, daß damit die grundlegende Bedingung für
eine spätere Freundschaft gegeben sei. Auf diesen unseren Vorschlag er-
widerte Spalajkowitsch, daß er eine Freundschaft mit uns für unmög-
lich erachte und daß er verlangen werde, daß uns ein Friede auf erlegt
werde, der uns stets in Angst vor den serbischen Waffen halten soll.
Diesen seinen Gedanken erläuterte er noch dadurch, daß er sagte, daß
der serbische Generalstab Strumiza fordere, damit Sofia ohne Schutz sei.
Herr Schebeko gab zu, daß sich die Serben unnachgiebig gezeigt hät-
ten und daß sie dadurch die Absichten Rußlands vereitelt haben. Was
Herrn Spalajkowitsch selbst betrifft, so sagte er, daß er auf ihn den Ein-
druck eines exaltierten und desequilibrierten, aus dem Gleichgewicht ge-
kommenen Menschen mache. Aus diesem Grunde konnte er seine Freude
nicht verhehlen, daß Spalajkowitsch nicht Minister des Äußern geworden
ist, wie dies vorgeschlagen worden war. Auf meine Bemerkung, ob nicht
die Stellung Spalaikowitschs in Petersburg etwas delikat sein wird, ent-
gegnete er, „Petersburg wird verstehen, ihn im Zaume zu halten“.
Diese Wendung im Gespräche voraussehend, hatte ich die Nummer 76
der Zeitung „Echo de Bulgarie“ mitgenommen, und ich lenkte die Auf-
merksamkeit von Herrn Schebeko auf die sonderbaren serbischen Ver-
waltungsgesetze in Mazedonien. Als ich ihm die Artikel 6, 16 und 26
vorlas, war er ganz erstaunt und sagte: «C’est une chose inouie.»
Nr. 885.
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den
Reichskanzler von Bethmann Hollweg. *)
Ausfertigung.
Nr. 346. Wien, den 6. November 1913.
Als ich heute nachmittag den Grafen Berchtold aufsuchte, sagte er
mir, soeben habe ihn König Ferdinand von Bulgarien verlassen. Irgend
etwas Konkretes sei aus seiner Unterhaltung mit Seiner Majestät nicht
zu entnehmen gewesen. In seiner gewohnten Weise hätte der König sich
in schön gesetzten französischen Phrasen ergangen, in denen er sein
Leid geklagt hätte über das große Unglück, das ihn und sein Land be-
troffen habe1), über all die schönen Pläne, die er für Bulgarien gehabt
und die nun hätten unerfüllt bleiben müssen. In längerer Ausführung
habe er dann die Verdienste hervorgehoben, die er sich um Österreich-
Ungarn erworben habe2)**), besonders dadurch, daß es ihm gelungen
sei, dem Panslawismus einen entscheidenden Schlag zu versetzen3).
Ihm sei es auch zu danken, daß der Balkanbund gesprengt
worden sei. Über die Geschichte des Beginns des zweiten Balkan-
krieges habe sich der König im einzelnen nicht ausgesprochen. Für den
unglücklichen Ausgang des Krieges habe er aber in erster Linie Ru-
mänien verantwortlich gemacht, dessen Vorgehen jede Aktion Bulgariens
lahmgelegt hätte. Ein Widerstand Rumänien gegenüber — auch beim
Übergang über die Donau — sei unmöglich gewesen. Dem Grafen
Berchtold gegenüber hat der König versichert, er habe, soweit es in
seinen Kräften gestanden, versucht3), eine von russischen Ein-
flüssen freie Politik zu machen.
Der Minister bemerkte weiter, er habe sich den Ausführungen des bul-
garischen Königs gegenüber in der Hauptsache zuhörend verhalten. Als
Seine Majestät dann am Schlüsse seinem Wunsche und seiner Hoffnung
Ausdruck gegeben habe, in gute und intimere4) Beziehungen zur
*) Die Große Politik Bd. 3g, Nr. 16799, S. 453.
**) Anspielung auf die bulgarisch-serbische Militärkonvention vom 29. April 1912
(vgl. dazu Bd. XXXIII, Kap. CCLXI), die in Artikel III bestimmte: „Falls Österreich-
Ungarn Serbien angreifen sollte, verpflichtet sich Bulgarien, Österreich-Ungarn sofort
den Krieg zu erklären und seine Truppen in Stärke von 200000 Mann auf serbisches
Gebiet zu entsenden und gemeinsam mit der ^serbischen Armee offensiv und defensiv
gegen Österreich-Ungarn operieren zu lassen.“ Die Militärkonvention wurde kurz dar-
auf am 25. November durch den Pariser „Matin“ veröffentlicht. Vgl. Schultheß
Europäischer Geschichtskalender Jg. I9i3, S. 757 ff. Da der Direktor des „Matin“,
Bunau-Varilla, nahe Beziehungen zu dem Anfang November in Paris weilenden bul-
garischen Außenminister Genadiew unterhielt (vgl. den Brief Iswolskis an Sasonow vom
6. November 1913, Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis 1911—1914, ed. Fr.
Stieve, III, 335), kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß die Veröffentlichung
mit Vorwissen und auf Veranlassung Genadiews erfolgte.
468
Monarchie treten zu können, habe er, der Minister, diesem zugestimmt5),
jedoch mit dem ausdrücklichen Hinzufügen, daß für jede Annäherung
zwischen Bulgarien und Österreich-Ungarn der Weg über Rumänien
gehen müsse.
König Ferdinand ist heute auch von Seiner Majestät Kaiser Franz
Joseph in Privataudienz empfangen worden. Der König gedenkt die
nächsten Tage auf den Besitzungen seines Bruders, des Prinzen Philipp
von Coburg, zu jagen, und dann nochmals zu kurzem privaten Besuche
nach Wien zurückzukehren.
von Tschirschky.
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.:
*) 1
2) Zumal als er Serbien 200000 Mann gegen Österreich versprach 1
3) mißglückt!
4) hoffentlich nicht.
ö) na nu?!
Nr. 886.
Der Gesandte in Bukarest von Waldthausen an den
Reichskanzler von Bethmann Hollweg.x)
Ausfertigung.
Nr. 323. Bukarest, den 7. November 1913.
Infolge der mir von Seiner Majestät dem Kaiser in Potsdam aller-
gnädigst erteilten Weisungen habe ich, als ich gestern in Sinaia zur
Frühstückstafel bei den rumänischen Majestäten geladen war, Seiner
Majestät dem Könige gegenüber mich für die Herstellung freundschaft-
licher Beziehungen zwischen Serbien und Österreich ausgesprochen und
höchstdemselben nahegelegt, auf Serbien in diesem Sinne einzuwirken.
Der König wiederholte seine schon früher zu mir öfters geäußerte
Überzeugung von der Notwendigkeit der Anbahnung eines besseren Ver-
hältnisses zwischen den beiden Ländern und sagte, daß er schon zur Zeit
der Friedenskonferenz Herrn Paschitsch und Herrn Spalaikowitsch in
dieser Richtung beeinflußt habe2). Es sei dann ja auch Herr Paschitsch
in Wien gewesen3) *). Jetzt aber wäre das österreichische Ultimatum4)
*) Die Große Politik Bd. 3g, Nr. i58oo, S. 455.
») Vgl. Nr. 15794.
3) Der Besuch Paschitschs bei Graf Berchtold war am 3. Oktober igi3 vor sich ge-
gangen. In einem Berichte des Prinzen zu Stolberg vom 15. Oktober Nr. 327 heißt
es darüber: „Im Laufe der freundschaftlichen Unterredung, die neulich zwischen Graf
Berchtold und dem serbischen Ministerpräsidenten Herrn Paschitsch stattgefunden hat,
sind, wie mir ersterer kürzlich erzählte, so ziemlich alle zwischen Österreich-Ungarn
und Serbien schwebenden Fragen kursorisch besprochen worden, und überall hat Herr
Paschitsch weitgehendes Entgegenkommen gezeigt, wenn auch mit der Neigung, sich
durch Abschieben der Verantwortung auf andere oder durch Hinweis auf Schwierig-
keiten seitens politischer Gegner oder des Parlaments ein Hintertürchen offen zu
halten. Dies hat den Grafen Berchtold mehrfach veranlaßt, Herrn Paschitsch an seine
unbestrittene Autorität zu erinnern.“
*) Vgl. dazu Bd. XXXVI, Kap. CCLXXX.
469
hindernd dazwischengetreten, das die Stimmung in Belgrad wieder ver-
schlechtert habe, so daß augenblicklich in der Sache nichts zu machen sei.
Nach der Ankunft des neuen österreichischen Gesandten Grafen
Gzernin, der Ende dieses Monats hier erwartet wird, werde ich nicht
verfehlen, mit diesem in der Angelegenheit Fühlung zu nehmen. Im
Einverständnis mit ihm werde ich dann Seiner Majestät dem Könige
gegenüber zur geeigneten Zeit auf die Sache zurückkommen.
Waldthausen.
Randbemerkung Kaiser Wilhelms II.:
*) Der hat aber bloß geflunkert.
Nr. 887.
Der bulgarische Gesandte Toscheff, Konstantinopel,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.1)
Konstantinopel, den
26. Oktober
8. November
1913.
Bei unserer gestrigen Begegnung sagte mir Talaat Bey, daß Popo-
witsch und Dimitriewitsch nach Belgrad gefahren sind, um die serbische
Regierung zu bitten, sie möge gestatten, daß jene Albanesen, welche die
Absicht haben, das Serbien abgetretene Territorium zu verlassen, aus-
wandern, und daß die Regierung auch erlaube, daß auch einzelne kom-
promittierte Albanesen in ihre Heimatorte zurückkehren. Zu dieser
Mission an die serbische Regierung sind die in Frage kommenden Serben
vom Albanesen Ejub Sabri Bey aus Ochrida, jetzt einem angesehenen
Mitgliede der jungtürkischen Partei in Konstantinopel veranlaßt worden.
Nebenbei sei gesagt, die Beziehungen zwischen diesem türkisierten Al-
banesen und den Serben bestehen schon seit langem. Nach erhaltenen
Mitteilungen ist er besonders eng befreundet mit dem allbekannten
Cirkowitsch aus Monastir. Jetzt nach der Rückkehr aus Belgrad hat
Dimitriewitsch Talaat Bey beigefügtes Memorandum eingehändigt,
sen Abschrift mir der Minister des Innern selbst vertraulich übergeben
hat. Wie Sie aus demselben ersehen werden, ist darin neben der
Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen auch von intimeren
Beziehungen die Rede zwischen Serbien und der Türkei. Herr Paschitsch
sprach den Wunsch aus bezüglich eines Abschlusses eines Defensivbünd-
nisses zwecks Garantie der Erhaltung der territorialen Integrität beider
Staaten im Falle eines Angriffes durch Bulgarien. Nach der Ansicht Pa-
schitschs gibt es nichts Natürlicheres als ein solches Bündnis, da die
Bulgaren früher mit den Serben sich auseinandersetzen wollten, um
daraufhin sich gegen die Türken zu wenden. Ja noch mehr, während
1) Bulgarisches Orangebuch Bd. 1, Nr. 187, S. 76.
der Friedensverhandlungen in Bukarest hat Paschitsch der Türkei vor-
geschlagen, Adrianopel und Ost-Thrakien zu besetzen, wobei er auch er-
klärte, daß sich die Russen dem keineswegs widersetzen würden. Und
tatsächlich, als dies damals geschah, hat sich Rußland nur dem Scheine
nach widersetzt. Im Falle eines Krieges könnten — alles nach Paschitschs
Ansicht — die Türken ganz Südbulgarien okkupieren, zumal in einem
solchen Falle es niemanden geben würde, der ihnen entgegentreten
würde, und auch Serbien keinen Grund hätte, die Bulgaren zu schonen,
sobald man die Sache mit Bukarest besprochen hätte. Schon gleich nach
dem Frieden von Bukarest hatten sich die Bulgaren in die Arme Öster-
reichs geworfen. Wenn auch die Türken, wie davon die Rede war, ein
Bündnis mit Bulgarien schließen würden, so würde das sicherlich die
Russen schwer verstimmen. Was die Inseln längst der asiatischen Küste
betrifft, so hatte Paschitsch Grund zu glauben, daß sie der Türkei ab-
getreten werden.
Im Gespräche mit Talaat über obiges sagte er mir, daß ihm damit
übereinstimmende Vorschläge an die türkische Regierung durch Pawlo-
witsch gemacht worden sind, bevor die Linie Enos—Midia durch die
türkischen Truppen besetzt wurde. Neben anderem hatten die Serben
damals vorgeschlagen, daß die Türken Südbulgarien zusammen mit
ganz Thrakien bis Mesta nehmen, damit es Serbien erleichtert würde,
sich in Kawala einzuquartieren. Die Pforte hatte damals diese Vor-
schläge angenommen, als man jedoch daran ging, diese Vorschläge
schwarz auf weiß zu präzisieren, ließen die Serben nichts mehr von sich
hören.
Im Zusammenhänge mit obigem erachte ich es für zweckmäßig, Ihnen
noch etwas mitzuteilen, was mir der österreichische Geschäftsträger Lö-
wenthal gesagt hat. Er habe erfahren, daß vor ungefähr zwanzig Tagen
der Großvezier den russischen Botschafter Giers gebeten habe, der ser-
bischen Regierung die Bereitwilligkeit der Türkei zur Kenntnis zu brin-
gen, ein Übereinkommen mit Serbien abzuschließen, wonach für den
Fall, daß Serbien in einem etwaigen türkisch-griechischen Kriege neutral
bleiben sollte, es dafür Lerina und Wrodeno erhalten würde. Giers be-
schränkte sich jedoch, dies Popowitsch mitzuteilen, der seinerseits er-
klärte, nicht bevollmächtigt zu sein, Fragen dieses Charakters zu er-
örtern.
Als mir Loewenthal dies mitteilte, fügte er hinzu, daß er an diese Mit-
teilung, obwohl er sie aus guter Quelle habe, nicht glaube. Augenschein-
lich hat die Sache etwas Unwahrscheinliches an sich. Daß Dimitriewitsch
und Popowitsch bloß in obiger Mission nach Belgrad gefahren sind, er-
scheint naiv. Vielmehr ist eher anzunehmen, daß die Serben gewisse
Vorschläge gemacht und daß sie fortfahren, der Türkei alle möglichen
Vorschläge zu machen, deren Spitze sich gegen uns richtet. Wahrschein-
lieh er ist jedoch, daß die Türkei die Gelegenheit benützt, um auf ver-
schiedene Arten den früheren Abschluß eines Übereinkommens zwischen
ihr und uns zu erwirken.
Nr. 888.
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission
Major von Laffert, z. Z. in Gorni-Belica
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.*)
Ausfertigung.
Nr. 7. Gorni Belica, den 2.November igi3.
Tätigkeit der Kommission.
Die Kommission hat in zehntägiger Tätigkeit 25 Kilometer der Grenze
festgelegt. Wenn sie mit derselben Schnelligkeit weiterarbeitet, hat sie
noch annähernd i5o Arbeitstage vor sich. Ich glaube daher, daß die
Arbeiten nicht vor Ende nächsten Jahres vollendet sein werden.
Die Arbeit selbst verläuft folgendermaßen: Die Kommission reitet ein
Stück der Grenze ab, einigt sich über den Verlauf derselben und errichtet
provisorische Grenzhügel. Demnächst folgen die Topographen, vermessen
die Lage der Grenzhügel und stellen eine Karte des Grenzgebietes von
etwa einem Kilometer Breite her. Hierbei besteht die Aufgabe der Kom-
mission zumeist darin, etwaige Rechte der Anlieger zu berücksichtigen.
Sehr schwierig aber wird die Sache, wenn das Londoner Protokoll sich
nicht genau ausspricht. Dann geht ein Kuhhandel in der Kommission
los um jedes verfallene Haus und jede jammervolle Ziegenweide. Bei dem
Beginne der Grenze am Ochridasee sagt das Londoner Protokoll nur,
daß die Grenze in der Umgebung von Lin anfangen solle. Der Streit
um dieses fast ganz von Serben bewohnte Dorf dauerte fünf Tage. Die
Bedeutung Lins für Albanien liegt nämlich darin, daß sich hier der
einzige brauchbare Hafen am albanischen Teile des Sees findet. Der
Engländer schlug sich auf die Seite der Allianz, so daß wir schließlich
den größten Teil von Lin für Albanien retteten. Das Dorf selbst aber
bleibt serbisch.
Bei der Aufstellung der Grenzsteine kam es zu sehr erregten Demon-
strationen der Dorfbewohner, die offenbar der Meinung waren, daß
ihnen der Teil ihrer Felder, der an Albanien fällt, auch privatrechtlich
verloren gehen würde. Der russische Delegierte, der ausgezeichnet ser-
bisch spricht, tat offenbar nicht das Nötige, um die Leute zu beruhigen.
Vielleicht war die Demonstration sogar von ihm und den Franzosen be-
x) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. 18971, S. 197.
472
einflußt. Schließlich wurde die Situation der bewaffneten und geradezu
rasenden Bevölkerung gegenüber kritisch, so daß unsere Deckung Befehl
zum Laden bekam. Dieses Mittel wirkte abkühlend, denn jeder ßalkan-
bewohner weiß, daß auf das Laden sofort das Schießen kommt, ohne
daß man erst dreimal trommelt und dann noch einmal blind schießt,
was bekanntlich erst recht erregend wirkt. Nachts aber wurden fünf
scharfe Schüsse auf unsere Posten abgegeben, doch ohne zu treffen.
Auf unsere Vorstellung bei den serbischen Behörden hin wird uns
jetzt täglich eine serbische Bedeckung mitgegeben. Das Wetter ist bis-
her sehr günstig gewesen. Hier im Gebirge, wo die Grenze durch-
schnittlich in Höhe von 1900 Metern läuft, liegt sonst um diese Jahres-
zeit schon tiefer Schnee, während jetzt nur die Nordabhänge verschneit
sind.
Wenn wir noch fünf Tage gutes Wetter haben, dann hat wenigstens
die Kommission (die Topographen noch nicht), das Jablanizagebirge hin-
ter sich und erreicht bei Lukowo den Drin. Wir hoffen dann in diesem
Jahre noch bis nördlich Dibra zu kommen, wo die Grenze wieder auf
den Gebirgskamm steigt.
Die Kommission hat beschlossen, an allen wichtigeren Punkten ge-
mauerte und gemeißelte Grenzsteine zu setzen, die nicht so ohne wei-
teres von der Bevölkerung zu entfernen sind. Die Kosten hierfür werden
sich für die ganze Grenze auf etwa 3oooo Kronen stellen. Österreich,
Italien und England haben sich bereit erklärt, sich an den Kosten zu be-
teiligen. Die anderen Delegierten haben vorbehaltlich anderer Entschei-
dung ihrer Regierungen eine Beteiligung abgelehnt. Ich sehe wirklich
nicht ein, warum wir für Serbien und Albanien die Grenzsteine bezahlen
sollen.
Zusammensetzung der Kommission.
Mein erstes Urteil über die Mitglieder der Kommission in Bericht
Nr. 2 *•) hat sich im allgemeinen bestätigt.
Der Russe Potapow mit seinem Kalmückengesicht ist liebenswürdig,
sehr sprachgewandt, absolut unaufrichtig (was für ihn nur darum ein
Fehler ist, weil man es zu bald merkt), nur scheinbar energisch und mili-
tärisch eine Null. Er ist etwas über 4o Jahre alt und will viel und schnell
arbeiten, weil er bald zu seiner Familie nach Cettinje zurück will. Das
ist der einzige Punkt, in welchem er sich mit dem Franzosen Four-
nier nicht einig ist. Dieser, körperlich schwach und daher faul, ist
ein aufgeregter, leicht beleidigter und vergrätzter Fünfziger, der ledig-
lich durch seine unangenehme Art zu sprechen schon den Widerspruch
herausfordert.
473
*) Siehe Nr. i3g4i.
Der Engländer Granet ist schon recht hinfällig, aber vornehm
und liebenswürdig. Kann daher auch den Franzosen persönlich nicht
leiden.
Der Österreicher Mietzl ist kein glücklich gewählter Vertreter.
Er entstammt einer einfachen Familie (der Vater war Unteroffizier),
was ihm noch anhängt. Durch seine aufgeregte, nervöse Art, fordert er
ähnlich wie der Franzose die Gegner direkt zum Widerspruch heraus.
Er ist ungeschickt — offen in seiner Bevorzugung Albaniens. Mit den
Offizieren seines Detachements steht er auf ständigem Kriegsfuß. Lei-
der wird durch seine Ungeschicklichkeit die schmutzige Wäsche der
Österreicher meist vor der ganzen Kommission gewaschen, so daß ich
schon mehrfach abfällige Urteile über die Österreicher hörte, die an und
für sich nicht berechtigt sind. Ich stehe mich persönlich vorzüglich mit
Mietzl, er erweist mir jede mögliche Gefälligkeit und hat mir das Du
angeboten.
Der Italiener Marafini ist ein außergewöhnlich geschicktes diplo-
matisches Talent, von dem man sicher noch eines Tages hören wird. Er
war Generalstabschef bei General Galli und soll auf dessen Veranlassung
zur Diplomatie übergehen wollen. Er ist bei weitem das bedeutendste
Mitglied der Kommission.
Äußerlich haben sich in der Kommission drei Gruppen gebildet. Der
Russe und der Franzose sind absolut serbenfreundlich und von einem
geradezu blinden Haß gegen die Albaner erfüllt. Im Gegensatz dazu
stehen die Österreicher und der Italiener, die unter allen Umständen
für Albanien sind. Der Engländer und ich vertreten die Unabhängigen,
die nur nach ihrem Gewissen entscheiden. Das heißt, ich tue wenigstens
so, um den Engländer nicht in die Hände der Serbenfreunde zu treiben,
was der Franzose unter Berufung auf die Entente schon mehrfach ver-
sucht hat. Der gute General hat es mir immer gleich wiedererzählt. Er
ist immer leicht für Albanien zu gewinnen, wenn man ihn bei seinem
Humanitätsgefühl faßt, worin ja die Engländer immer stark sind, so-
lange es sich nicht um ihre eigenen Kolonien handelt.
Serbische Verhältnisse.
Die Serben haben hier an der albanischen Grenze noch die mobile
Drinadivision stehen, die aber nicht der wirklichen Kriegsgliederung ent-
spricht, sondern auch Teile der Schumadiadivision enthält. Ich sah die
Regimenter 2 und 11, die im Grenzschutz von Lin über Struga viel-
leicht bis Lukowo stehen. Die Serben halten die Grenze noch immer
streng gesperrt, obgleich sie genau wissen, daß in ganz Albanien kein
Mensch vorläufig mehr an Angriff denkt. Der Grund hierfür kann nur
darin liegen, daß sie der geflohenen muselmännischen Bevölkerung die
Rückkehr gewaltsam verhindern wollen.
Viele Ortschaften sind völlig zerstört, die Ernte steht noch auf den
Feldern und verkommt, weil alle Einwohner geflohen sind. Serbische
Soldaten plündern, was noch da ist, und erpressen gelegentlich Geld von
armen türkischen Weibern, wovon ich selbst Augenzeuge war. In Ochrida
und Struga stehen die mohamedanischen Stadtteile gänzlich leer. Aller-
dings kann man es den Serben nicht verdenken, wenn sie sich von die-
sem unzuverlässigen und nicht assimilierbaren Volksstamme befreien
wollen.
Trotzdem die serbischen Soldaten aussehen wie die Komitatschis,
machen sie doch militärisch einen vortrefflichen Eindruck. Die Vorposten
hier im Gebirge wohnen in Erdlöchern inmitten von Eis und Schnee und
werden alle acht Tage abgelöst. Die Löhnung ist äußerst gering. Trotz-
dem sah ich nirgends unzufriedene Gesichter, sondern stets das lebhaf-
teste Interesse jedes Soldaten an der neuen Grenze des größeren Ser-
biens. Den Vorgesetzten, auch den sehr jungen Unteroffizieren, gehorch-
ten sie auf den Wink. Die beiden glücklichen Kriege haben pflicht-
getreue und gut disziplinierte Soldaten aus denselben Menschen ge-
macht, die wahrscheinlich nach einem verlorenen Feldzuge jetzt als f eiges
und unmoralisches Gesindel verrufen wären. Der Erfolg adelt, auch
im militärischen Sinne. Die Serben zeigen sich von großer Zuvorkom-
menheit gegen uns. Sie haben uns ihre Militärpost zur Verfügung ge-
stellt, die stets über unseren Aufenthalt unterrichtet ist. Briefe und Tele-
gramme erreichen mich daher jetzt am schnellsten Ochrida, serbische
Militärpost. Allerdings scheinen die Serben die Briefe zu erbrechen. Die
beiden letzten Briefe vom Auswärtigen Amt, der eine mit der Karte der
Grenze, der andere mit einer Vorschußangelegenheit, hatten beide Spuren
einer gewaltsamen Öffnung. Ich bitte daher, wichtige Angelegenheiten
auch im eingeschriebenen Briefe zu chiffrieren. Diesen Brief werde ich
mit direktem Boten nach Saklonik schicken.
Der die Kommission begleitende italienische Konsul von Üsküb, Ga-
lanti, hat in Struga einen serbischen Militärposten unverschämt genannt,
worauf gestern ein Brief an Marafini kam, der den Italienern die wei-
tere Benutzung der Militärpost untersagte. Darob große Entrüstung der
Italiener, Telegramme nach Rom, diplomatischer Zwischenfall.
Die österreichische Karte des Balkans in 1:200000 ist, soweit
ich sie verfolgen konnte, nur unmittelbar auf den Hauptstraßen zuver-
lässig. So ist zum Beispiel das Dorf Gorni Belica, in welchem wir uns
seit drei Tagen befinden und das etwa 600 Einwohner hat, auf der Karte
mit einem Fragezeichen versehen und befindet sich auch an falscher
Stelle.
Die Gebirge sind gänzlich phantasievoll dargestellt. Die Serben haben
schon mit der Herstellung einer Karte ihres neuen Besitzes begonnen.
Eine Karte von Albanien wollen im nächsten Jahre sowohl Österreich wie
Italien beginnen. Hoffentlich einigen sie sich wenigstens in diesem Kul-
turwerke. Beide Staaten lassen sich überhaupt ihre Zukunftskolonie etwas
kosten. Die täglichen Ausgaben für jedes der beiden Detachements be-
tragen etwa i5oo Kronen. Hiervon sind gegen 1000 Kronen nur die
Zulagen der Offiziere und Mannschaften. Die ganze Grenzregulierung
kann somit jedem der beiden Staaten etwa eine halbe Million kosten.
von Laffert.
Major.
Nr. 889.
M. Delcassé, Ambassadeur de France, à Saint-Péters-
burg, à M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères. *)
Saint-Pétersbourg, le 17 novembre 1913.
Le Ministre de Serbie est venu cet après-midi demander à M. Sazonoff
de reconnaître dès maintenant le statut donné aux provinces annexées.
Les négociations pour la conclusion du traité de paix avec la Turquie en
seraient singulièrement facilitées. M. Sazanoff a répondu qu’il serait
heureux de venir en aide à la Serbie mais qu’il ne peut s’engager avant
d’avoir consulté d’abord la France, puis l’Angleterre.
Delcassé.
Nr. 890.
M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères,
à M. Ribot, Chargé d’Affaires de France à Vienne;
et à MM. les Ministres de France à Belgrade,
Sofia, Athènes et Bucarest.* 2)
Paris, le 24 noveîmbre 1913.
Le Ministre de France à Cettigné m’a signalé la mauvaise impression
produite sur le Ministre de Serbie au Monténégro par la nomination
du Baron de Giesl comme Ministre d’Autriche-Hongrie à Belgrade.
Au cours d’une conversation qu’il vient d’avoir avec M. Delaroche-
Vernet, le Ministre d’Allemagne a caractérisé cette nomination d’une
façon assez pittoresque:
«C’est, a-t-il dit, comme si l’on envoyait dans une poudrière quelqu’un
qui fumerait des cigarettes toute la journée.»
!) Livre Jaune 1912, III, Nr. i32.
2) Livre Jaune 1912, III, Nr. i4i.
476
En me rapportant ce propos, M. Delaroche-Vernet ajoute que cette
comparaison lui paraît malheureussement fort exacte.
Je vous prie de considérer cette information comme confidentielle.
Pichon.
Nr. 891.
Der Delegierte der nordalbanischen Grenz-
kommission Major von Laffert, z. Z. in Nerezi am Drin,
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.*)
Ausfertigung.
Nr. 9. Nerezi, den 14- November 1913.
In der heutigen Kommissionssitzung kam es zu einem erregten, persön-
lich zugespitzten Streite zwischen Potapow und Marafini, in dessen Ver-
laufe der Russe und der Franzose erklärten, daß sie in dieser Kommission
nicht Weiterarbeiten könnten. Die äußere Veranlassung war die Redaktion
des offiziellen Protokolls, die von dem französischen Sekretär mehrfach
in einem der Majorität ungünstigen Sinne verfaßt war.
Der wahre Grund ist aber ein anderer. Nach anfänglichem Schwanken
hat der Engländer sich jetzt in allen wichtigen Fragen;
auf die Seite der Allianz begeben. Dadurch sehen der Russe
und der Franzose, deren unbedingte Serbenfreundlichkeit den Engländer
verstimmt hat, sich auch für die Zukunft stets in der Minorität. Es
bliebe ihnen ja nun allerdings Vorbehalten, da in allen Grenzfragen eine
Einstimmigkeit erzielt werden soll, jedesmal zu opponieren und die Ent-
scheidungen ihrer Regierungen anzurufen. Sie wissen aber wahrschein-
lich nur zu gut, daß keine Regierung Lust hat, wegen ein paar albani-
scher Dörfer eine neue Konferenz zu veranlassen. Sie versuchen es
daher, die Sache auf ein persönliches Gebiet hinüberzuspielen, um zu
erklären, daß sie nur aus diesem Grunde nicht Weiterarbeiten könnten.
Der heutige Konflikt wird wohl nicht zu einem endgültigen Bruche
führen. Ich habe Marafini gebeten, von jetzt ab jeden persönlichen
Streit sorgfältig zu vermeiden. Die Majorität wird in Zukunft ihre
Ansicht mit kurzen Worten begründen und dann sofort die Abstimmung
beantragen. Wenn die Minorität dann Einspruch erhebt, fällt das Odium,
die Arbeit verzögert oder unmöglich gemacht zu haben, auf sie.
Der Engländer, dem ich mich persönlich sehr genähert habe, bezeich-
nete sich mir gegenüber als ein Freund einer Verständigung mit Deutsch-
land, aus der, wie er hoffe, mit der Zeit ein Bündnis werden würde. Auf
die wiederholte Aufforderung des Russen und des Franzosen, sich auch 1
1) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. i3q94, S. 222.
477
in der Kommission der Entente anzuschließen, hat er erklärt, daß es,
soviel er wisse, keine offiziellen Verträge zwischen England und irgend-
einem anderen Staate gäbe. England wünsche mit allen Staaten in einer
freundschaftlichen Entente zu leben. In der albanischen Frage würde er
sich lediglich von seinem Gewissen leiten lassen.
von Laff ert.
Major.
Nr. 892.
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission
Major von Laffert, z. Z. in Dibra,
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg. *)
Ausfertigung.
Nr. 10. Dibra, den 2 2. November 1913.
Seit drei Tagen ist die Kommission hier. Das von mir schon erwähnte
Zusammengehen des englischen Deputierten mit denen der Dreibund-
mlächte* 2) hat sich, in erster Linie durch die ungeschickt provozierende
Art des Franzosen, nunmehr zu einem festen Block herausgebildet. Dem-
gegenüber treiben der Russe und der Franzose eine Art von Obstruktion,
die sich in den weitgehendsten Forderungen für Serbien ausspricht und
eine Entscheidung durch immer neue Ein wände zu verzögern sucht.
Um nicht jede weitere Arbeit unmöglich zu machen, hat die Mehrheit
beschlossen (das Prinzip der Majorität gilt leider nur in formalen Fra-
gen), dort, wo keine Einigung zu erzielen war, alle nötigen Elemente
durch die Topographen aufnehmen zu lassen, und dann die Arbeit
weiterzuführen. Hierdurch ist es möglich, bei einer späteren Einigung,
die entweder durch die Kommission oder durch die Regierungen erfol-
gen wird, das strittige Grenzstück festzusetzen, ohne daß die Kommission
noch einmal dorthin zurückzukehren braucht.
So ist das Stück vom Strizak im Jablanizagebirge bis nach Lukowo
am Drin noch unentschieden geblieben, und dasselbe wird voraussichtlich
hier bei Dibra der Fall sein, wo die Forderungen der Minorität weit über
das Londoner Protokoll hinausgehen.
Der Engländer ist besonders über das mangelnde Taktgefühl des
Russen und Franzosen verstimmt. Diese benehmen sich, als wenn sie
nicht einer internationalen Kommission angehören, die doch wenigstens
unparteiisch scheinen soll, sondern als wenn sie Vertreter Serbiens
wären. Sie empfangen allein serbische Deputationen, reiten zur Besieh-*
*) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. 18999, S. 23o.
2) Vgl. das vorhergehende Aktenstück.
478
tigung der neuen Grenzlinie mit serbischen Offizieren heraus und fassen
jedes Serbien ungünstige Urteil als persönliche Beleidigung auf.
Dabei gehen ihre Forderungen viel weiter als die der Serben selbst.
Man sieht daraus, daß die Serben sich infolge des österreichischen Ulti-
matums1) bis an die Linie zurückgezogen haben, die sie als die neue
Grenze betrachten. Diese Linie entspricht auch fast genau der von der
Majorität geforderten. Die Minorität geht aber in ihren Forderungen
wenigstens hier bei Dibra weit über diese Linie hinaus, ist also serben-
freundlicher als die Serben selber.
Zwischen dem sehr ruhigen und vornehmen Engländer und dem Fran-
zosen kam es vor einigen Tagen beim Essen infolge einer taktlosen Be-
merkung des letzteren zu einer sehr scharfen Zurechtweisung von seiten
des Engländers. Er verlangte durch Potapow eine formelle Entschuldi-
gung des Franzosen, die dieser dann auch gegeben hat.
Die Majorität beabsichtigt, wie ich bereits telegraphierte, nach Voll-
endung der hiesigen Grenzen direkt nach Prisren zu gehen, da das da-
zwischen liegende Korabgebirge völlig unter Schnee und Eis liegt. Nach-
richten erreichen mich dort, österreichisches Konsulat.
In Dibra befindet sich das 19. Infanterieregiment, das hier in Gar-
nison verbleibt. Nach Norden schließt im Rekadistrikt das 7. Regiment
an. Mein früheres günstiges Urteil über die militärischen Eigenschaf-
ten der serbischen Soldaten kann ich durchaus aufrechterhalten. Ihre
moralischen Qualitäten muß man allerdings mit orientalischen Augen
ansehen, um sie würdigen zu können.
Die Serben halten nach wie vor die Grenze durch eine dichte Vor-
postenkette gesperrt und verweigern jedem Albaner den Zutritt. Sobald
man die Grenze überschreitet, trifft man auf Albaner, die die Kom-
mission bitten, ihnen die Rückkehr in ihre Dörfer zu ermöglichen, was
wir leider nicht können.
Dibra, vor kurzem eine Stadt von über 3oooo Einwohner, ist völlig
verlassen. Nur ein kleines serbisches Viertel ist bewohnt. Die Häuser
sind nicht zerstört, aber bis auf das letzte ausgeplündert.
Die Serben haben ein großes Glück gehabt, daß die Albaner diesen
unglückseligen Aufstand unternahmen. Indem sie alle Albaner ohne
Unterschied als Rebellen erklärten und jeden, ob bewaffnet oder nicht,
ohne Gnade niederschossen, veranlaßten sie diese ungeheure Panik, die
sie mit einem Schlage von einer mißliebigen Bevölkerung von über
100000 Menschen befreite. Mit rücksichtsloser Zielbewußtheit und ohne
sich um das philantropische Wehgeschrei Europas zu kümmern, zogen
sie die von ihrem Standpunkt einzig richtige Konsequenz.
In der Umgebung von Dibra ist fast jedes Dorf eine völlige Brand-
stätte. Dazwischen finden sich einzelne wohlbehaltene serbische Dörfer.
') Vgl. dazu Kap. CCLXXX.
479
Ihre Bewohner bemühen sich, die noch immer auf den Feldern stehenden
Ernten der albanischen Dörfer einzubringen.
Der Gesundheitszustand unseres Detachements ist kein guter. Es tre-
ten viel Darmerkrankungen auf. Ein Typhuskranker ist gestorben, ein
anderer gilt als sehr bedenklich. Das fortwährende Biwakieren in der
schon recht kalten Jahreszeit hat viele Fälle von Rheumatismus verursacht.
von Laffert.
Nr. 893.
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission
Major von Laffert, z. Z. in Prisren,
an das Auswärtige Amt.*)
Entzifferung.
Telegramm. Prisren, den 5. Dezember 1913.
Ansicht in bezug auf Ljuma* 2 3) ist derartig auseinandergehend, daß
Entscheidung noch in diesem Jahre unmöglich erscheint. Minorität
wünscht Grenzlinie zwischen Prisren und Lj umadistrikt nach administra-
tiven Grenzen, die für Albanien sehr ungünstig waren. Majorität tele-
graphiert an die Regierungen, ob Abgrenzung nach administrativen oder
nach ethnographischen Distrikten stattfinden soll. Erbitte Drahtantwort,
ob ich Antwort der österreichischen Regierung als vorläufig für mich
gültig ansehen darf.
von Laffert.
Nr. 894.
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission
Major von Laffert, z. Z. in Prisren,
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.8)
Ausfertigung.
Nr. ii. Prisren, den 3o.November 1913.
Wie ich schon im 1 o. Bericht4) als wahrscheinlich aussprach, ist eine
Einigung über Dibra nicht erzielt worden. Der Franzose und der Russe
bilden nach wie vor die serbenfreundliche Minorität. Meine Versuche
*) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. i4oio, S. 2^0.
2) Näheres darüber in Nr. i4oi2.
3) Die Große Politik Bd.36 (I.Hälfte), Nr. i4oi2, S. 24o.
4) Siehe Aktenstück Nr. 892.
4So
sowie die des Österreichers, zwischen beiden Parteien zu vermitteln, schei-
terten in erster Linie an der Unnachgiebigkeit der beiden Serbenfreunde,
aber auch daran, daß der Italiener und der Engländer, durch die beiden
Gegner verärgert, von einem Kompromis nichts wissen wollten1).
Es besteht geringe Hoffnung, daß im Zusammenhang mit der hiesigen
Frage doch noch eine Einigung erzielt wird. Ich vermute nämlich, daß
der Russe und der Franzose doch nur ungern den Regierungen die Ent-
scheidung überlassen wollen, weil sie dann befürchten müssen, daß die
Ansicht der Majorität als entscheidend anerkannt wird.
Da bei Dibra nur bis zum Korabgebirge gearbeitet werden konnte,
wollten der Russe und der Franzose für dieses Jahr die Arbeit beendi-
gen. Die Majorität aber beschloß, nach Prisren weiterzugehen, um dort
möglichst noch das Ljumagebiet zu vollenden. Während die Majorität
den Weg durch albanisches Gebiet wählte, nahmen die beiden anderen
den Weg durch Serbien. Sie fürchteten einerseits die Schwierigkeiten
des kaum bekannten albanischen Gebietes, andererseits die Stimmung der
Albaner, die schon ganz genau wissen, wer ihre beiden Gegner sind.
Der viertägige Marsch von Dibra nach hier war sehr beschwerlich. Da
die Gefahr des Einschneiens bestand, wurde täglich acht, einmal sogar
zwölf Stunden marschiert. Wegen mangelnder Unterkunft mußte stets
biwakiert werden, am letzten Tage in tiefem Schnee.
Fast alle Dörfer sind ganz oder teilweise von den Serben verbrannt.
Der Weg führt fortwährend von etwa 5oo Meter Höhe auf 1000 Meter
und wieder herunter. Meist ist es nur ein schmaler Saumpfad. Die
österreichische Karte ist hier völlig unzuverlässig. Nicht nur die Ent-
fernungen sind oft die doppelten, sondern auch die Namen der Dörfer
stimmen absolut nicht. Richtig sind im allgemeinen die Hauptgebirgszüge
und die größeren Flußläufe. Wie überall in den bisher von mir ge-
sehenen Teilen Albaniens ist der Boden von großer Fruchtbarkeit und
imstande, die drei- bis vierfache Anzahl der jetzt vorhandenen Bevölke-
rung zu ernähren.
Beim Erreichen der südlich Prisren stehenden serbischen Vorposten,
die hier etwa zehn Kilometer über die voraussichtliche Grenze vorgescho-
ben sind, ereigneten sich die schon von mir telegraphisch gemeldeten
Vorfälle.
Der mit einem Kawassen vorausgeschickte italienische Konsul von Üs-
küb Galanti wurde auf Befehl des serbischen Vorpostenkommandeurs
gezwungen, einen halben Tag und eine Nacht bei den serbischen Vor-
posten zu verbringen, obgleich er seinen Paß als Konsul und eine Be-
scheinigung der Kommission bei sich hatte. Es besteht telephonische
Verbindung von den Vorposten nach Prisren, so daß der hiesige Kom-
mandeur sofort unterrichtet werden konnte. Nach seiner Ankunft in
*■) Vgl. auch Nr. i4o2I.
48 i
31 Boghitschewitsch, Serbien II.
Prisren begab sich Galanti zum serbischen Kommandanten Oberst Sto-
janowitsch, Komimandeur des 12. Infanterieregiments, machte ihm Mit-
teilung von dem Anmärsche der Kommission und erwirkte die Erlaubnis,
die nötigen Lebensmittel der Kommission entgegenzuschicken.
Obgleich somit die serbischen Truppen von der Ankunft der Kommis-
sion unterrichtet waren, wurden zwei Tage später unsere vorausgeschick-
ten quartiermachenden Offiziere wieder von den Vorposten festgehalten.
Ebenso wurde der Kommission zunächst der Durchmarsch verwehrt. Nach
einigem Pariamentieren ließ uns der serbische Feldwachkommandant
gegen eine schriftliche Bescheinigung durchmarschieren. Später beim
Herankommen unseres Detachements bildeten die Serben eine Schützen-
linie. Der vorne marschierende, sehr energische österreichische Ober-
leutnant Mühlhofer gab auf die Aufforderung des serbischen Feldwach-
kommandanten, halten zu bleiben, nur die klassische Antwort Götz von
Berlichingens an den Heilbronner Magistrat und setzte mit seinen Leuten
den Marsch fort. Nach einigen Kilometern wollte wieder ein serbischer
Posten uns aufhalten, aber auf die Aufforderung des Engländers, ohne
Antwort weiterzumarschieren, ritt die Kommission ohne weiteres durch
den Posten hindurch. Gleichzeitig schickten wir zwei Offiziere zu dem
nicht weit entfernten Vorpostenkommandeur. Dieser wollte die Offiziere
wieder zu den vordersten Vorposten zurückbringen lassen; als er aber
hörte, daß die Kommission bereits die Vorpostenlinie durchschritten
habe, schickte er die beiden Offiziere unter Bewachung nach Prisren.
Er erklärte den Offizieren, daß wir Glück gehabt hätten, daß seine Leute
nicht auf uns geschossen hätten. Es wäre strenger Befehl gekommen,
niemanden, wer es auch sei, durchzulassen.
In Prisren begaben wir uns sofort zu dem serbischen Kommandanten.
Hier führte der Engländer als ältester von uns eine höchst energische
Sprache und drohte mit der Intervention seiner Regierung. Der serbische
Kommandant erklärte sein tiefstes Bedauern, seine Befehle wären nur
mißverstanden und er würde den betreffenden Offizier bestrafen. Der
Engländer verzichtete auf eine Bestrafung des Offiziers, verlangte aber
dessen persönliche Entschuldigung vor der Kommission, die auch zugesagt
wurde. Gleichzeitig erklärte der serbische Kommandant, daß wir in
jeder Hinsicht Bewegungsfreiheit hätten.
Gestern morgen begab ich mich mit einem serbisch sprechenden öster-
reichischen Offizier auf die hiesige alte verfallene Zitadelle. Da vorne
uns ein serbischer Posten den Eintritt verwehrte, gingen wir außen um
die Zitadelle herum. Hier stand nirgens ein Posten, noch war irgendein
schriftliches Verbot angeschlagen. Plötzlich erschien ein serbischer Unter-
offizier mit mehreren Soldaten und erklärte uns für verhaftet. Der
Österreicher teilte ihm mit, wer wir wären und machte ihn auf die Folgen
seiner Handlung aufmerksam. Trotzdem wurden wir gezwungen, uns
unter Eskorte von drei Soldaten auf das Gouvernement zu begeben.
482
Erst mitten in der Stadt wurden wir auf Veranlassung eines serbischen
Offiziers befreit.
Auf meinen Versuch hin, sofort den Kommandanten zu sprechen,
wurde mir mitgeteilt, daß der Kommandant am Nachmittag meinen Be-
such erwidern würde.
Ich teilte der Kom!mission den Vorfall mit, sagte aber, daß ich die
Angelegenheit, da sie mich allein anginge, auch persönlich mit dem
serbischen Kommandanten erledigen würde. Als am Nachmittage der
Kommandant bei mir erschien in Begleitung des Platzoffiziers und des
Zivilgouverneurs, bat ich noch den österreichischen Delegierten und den
österreichischen Konsul dazu. Ich erklärte dem Serben, daß ich als
Vertreter Deutschlands aufs schwerste beleidigt sei. Persönlich fordere
ich ihn auf, mir hinreichende Genugtuung zu geben, ich könne aber nicht
dafür bürgen, ob meine Regierung sich damit zufriedengeben würde.
Der Kommandant entschuldigte sich wieder angelegentlichst und schob
die Schuld auf seine Unterorgane. Auf meine Forderung hin versprach
er, daß ein höherer serbischer Offizier, der gut deutsch spräche, sich
in seinem Aufträge formell bei mir entschuldigen solle.
Heute nachmittag kam denn auch ein serbischer Oberstleutnant im
Dienstanzuge zu mir und sprach mir die formelle Entschuldigung der
serbischen Militärbehörden aus.
Die vier Delegierten der Majorität sind der Ansicht, daß in den Schi-
kanen der Serben System liegt und daß die Zwischenfälle sich wieder-
holen werden, sobald die Kommission ohne den russischen Delegierten
ihre Erkundigungen anstellt. Die Serben sind offenbar darüber unter-
richtet, daß die weitgehenden Forderungen des Russen und Franzosen
bei den übrigen Delegierten auf Widerstand gestoßen sind.
Der serbische Kommandant treibt offenbar ein falsches Spiel. Er
schiebt alle Schuld auf seine Untergebenen, während die Schuld nur an1
ihm liegt, da die Serben seit Wochen wissen, daß die Kommission hier
tätig ist.
Der Italiener und der Engländer haben ihre Regierungen gebeten,
durch die serbische Regierung die Ablösung des Oberst Stojanowitsch zu
veranlassen. Der Italiener erwartet wegen der Arretierung seines Konsuls
eine Intervention seiner Regierung.
Hier in Prisren befinden sich augenblicklich das io. und 12. Infan-
terieregiment und eine Abteilung des Feldartillerieregiments 3. Am
10. Dezember wird das 12. Regiment Prisren verlassen und durch das
1. Regiment ersetzt werden, das jetzt noch in Diakowa steht.
Unter den Mannschaften des Detachements sind zwei weitere Fälle
von Typhus tödlich verlaufen. Im allgemeinen ist aber der Gesundheits-
zustand befriedigend.
von Laffert
Major.
483
Bericht des russischen Außenministers Sasonow
an den Zaren.1)
St. Petersburg, den
2 5. November
8. Dezember
1913.
Nachdem der Bericht mit einer allgemeinen Erörterung der Lage in
der Türkei und der Möglichkeit der Auflösung des ottomanischen Rei-
ches beginnt, fährt derselbe folgendermaßen fort:
Zu Beginn des Balkankrieges gab es eine Zeit, in der Bulgarien Erfolge
hatte und seine ehrgeizigen Heerführer die Absicht zeigten, Konstanti-
nopel zu nehmen und die bulgarische Oberherrschaft über die Balkan-
länder aufzurichten. Die maßlosen Ansprüche Bulgariens einigten dessen
jüngste Verbündete mit Rumänien und der Krieg endete mit einer bul-
garischen Niederlage. Schwerlich aber wird man annehmen können, daß
Bulgarien mit einem derartigen Ausgang sich zufrieden geben wird. Ist
es nicht wahrscheinlicher, daß es die Gelegenheit suchen wird, wiederzu-
erlangen, was ihm genommen wurde? Der alte Traum einer Hegemonie
und der Eroberung der Meerengen kann aufs neue lebendig werden.
Das Glück ist wankelmütig und die Türkei unfähig, aus den Lehren
des Schicksals zu lernen. Kein Mensch kann Tag und Stunde angeben,
wann Bulgarien sich in einem wilden Angriff, zu dem die Bulgaren fähig
sind, auf die Türkei stürzen wird. Dies könnte ein letzter und verderben-
bringender Schlag für das ottomanische Kaiserreich sein.
Nach einer Betrachtung über die Entwicklung der türkischen Marine
und ihres Stärkeverhältnisses im Vergleiche zur russischen Schwarzen-
Meer-Flotte heißt es im Berichte weiter:
Ich wiederhole meinen weiter oben ausgesprochenen Wunsch, daß der
Status quo möglichst lange unverändert bleibe. Ferner muß ich wieder-
holen, daß die Meerengenfrage schwerlich anders als auf dem Wege
über europäische Verwicklungen einen Schritt vorwärts kommen kann.
Diese Verwicklungen würden uns, nach den; gegenwärtigen Verhältnissen
zu urteilen, im Bunde mit Frankreich und möglicherweise, aber nicht
ganz sicher, auch mit England1 finden oder mindestens gegenüber einer
wohlwollenden Neutralität des letzteren. Im Falle von europäischen Ver-
wicklungen würden wir auf dem Balkan auf Serbien und vielleicht
auch auf Rumänien zählen können. Hierin liegt klar die Auf-
gabe unserer Diplomatie, die darin besteht, günstige Vorbedingungen zu
einer möglichst innigen Annäherung an Rumänien zu schaffen. Dieses
Unternehmen muß ebenso ununterbrochen wie vorsichtig und
vorurteilsfrei vor sich gehen. Die Stellung Rumäniens unter den
Balkanländern erinnert in vieler Beziehung an die Italiens in Europa.
1) Iswolski Bd.III, Nr. ii57, S.374.
Diese beiden Mächte haben Größenwahnsinn, und da sie nicht Gewalt
genug besitzen, ihre Pläne offen zu verwirklichen, so sind sie gezwungen,
sich mit einer Zweckmäßigkeitspolitik zu begnügen, indem sie immer
beobachten, auf welcher Seite die Macht liegt, um sich auf diese Seite
zu schlagen.
Bei einer vorläufigen Abwägung der Kräfte würde es ebenso gefähr-
lich gewesen sein, auf so zaudernde Elemente im voraus zu rechnen, wie
es wenig verständig wäre, sie ganz außer Betracht zu lassen.
Zwei Faktoren spielen bei der Unsicherheit der gegenwärtigen Lage
auf dem Balkan eine Hauptrolle. Der erste ist Österreich-Ungarn, wo die
Nationalitätenbewegung zusehends wächst, hervorgerufen
durch den Erfolg der Serben und der Kumänen, und durch den Eindruck,
den diese Erfolge auf ihre Landsleute innerhalb der Grenzen der habs-
burgischen Monarchie gemacht haben. Der zweite liegt in der Unmöglich-
keit für Bulgarien, sich bei den schmerzlichen Folgen des Bukarester
Friedens zu beruhigen.
Diese beiden Staaten können sich entweder zu einem gemeinsamen Ziel
der Umänderung der Karte des Balkans zusammenfinden oder sie tref-
fen sich in feindlichen Lagern, wenn Bulgarien Hoffnung haben kann,
Mazedonien auf andere Weise an sich zu bringen. Wie schwer es auch
sein mag, Serbien und Bulgarien einander zu nähern, so können alle
beide doch nur fortfahren, ihrem nationalen Ideal zuzustreben, wenn
sie sich miteinander verbinden. Als Feinde werden beide Staaten
sich wechselseitig paralysieren. Serbien kann sein hohes Ideal der
Vereinigung des ganzen Serbenvolkes nur verwirklichen, wenn Bulgarien
sich dem nicht widersetzt, ja ihm sogar hilft um den Preis der Heraus-
gabe des verlorenen Mazedoniens. Dennoch kann kein Zweifel darüber
bestehen, daß die eine oder andere Hypothese nur Wirklichkeit werden
kann, wenn auch Rußland zu dieser Zeit für sich selbst der Reali-
sierung seiner historischen Ziele zustrebt und mit diesen
Staaten gemeinsam handelt. Denn für sich allein sind die Balkan-
staaten unfehlbar Konflikten untereinander verfallen, die nur durch die
Gegenwart Rußlands als tatkräftiger und leitender Macht vermieden
werden können.
Nicht von dem Standpunkt theoretischer Träumereien aus oder in dem
Gedanken, es wäre hier für Rußland eine Mission zu erfüllen, müssen
wir alle diese Verhältnisse erörtern. Wir müssen an die Zukunft denken
und dem Rechnung tragen, daß die Erhaltung des so sehnlichst ge-
wünschten Friedens nicht immer in unserer Macht liegen wird. Deshalb
sind wir gezwungen, uns nicht auf die Probleme von heute und morgen
zu beschränken, damit wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen, den man
so oft dem russischen Staatsschiff macht: daß es, ein Spiel der Winde,
dahinsegelt, fortgerissen von der Strömung, ohne ein Steuer, fähig seinen
Kurs zu lenken.
485
Die hier dargelegten, so schweren und verwickelten Fragen erfordern
ein eingehendes Studium, damit diese oder jene Entscheidungen in Über-
einstimmung mit entsprechenden Maßnahmen unserer äußeren Politik
getroffen werden können.
Indem ich diese Erwägungen der Allerhöchsten Prüfung unterbreite,
nehme ich mir (die Freiheit, Euer Kaiserlichen Majestät gnädigste Er-
laubnis zu erbitten, sie einer besonderen Konferenz zur Besprechung vor-
legen zu dürfen.
Sasonow.
Nr. 896.
Der Delegierte dernordalbänischen Grenzkommission
Major von Laffert, z. Z. in Prisren,
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.x)
Ausfertigung.
Nr. 12. Prisren, den 9. Dezember 1913.
Eine Deputation Albaner des Bezirks Dibra ist bei der Kommission
vorstellig geworden, daß die Serben fortwährend albanisches Gebiet be-
träten und die friedliche Arbeit der Bevölkerung störten. Sie bäten daher
um eine baldige Festsetzung der Grenzen.
Da die Kommission gerade bei Dibra zu einer Einigung nicht gekom-
men ist, stellten die Delegierten der Majorität (Dreibund und England)
f olgenden Antrag * 2):
Jeder Delegierte möge an seine Regierung berichten, daß bei Dibra
die Schaff ung einer neutralen Zone angebracht wäre, solange die Grenze
noch nicht festgesetzt sei. Diese neutrale Zone, die zwischen den von
der Majorität und der Minorität gewählten Grenzen zu schaffen sei,
dürfte von beiden Seiten nur ohne Waffen betreten werden.
Der Russe und der Franzose widersprachen diesem Anträge, weil er
politischer Natur und daher indiskutabel wäre.
*) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. i4o23, S.258.
2) Nach einem Erlaß des Stellvertretenden Staatssekretärs Zimmermann an Botschaf-
ter von Tschirschky vom 10. Dezember (Nr. 1741) wäre es der italienische Delegierte
gewesen, der am 5. Dezember, unterstützt von seinen Dreibundkollegen, in der Grenz-
kommission den Antrag stellte, „den Mächten vorzuschlagen, solange die Grenze bei
Dibra nicht fixiert sei, die Bildung einer neutralen Zone zu beschließen. Diese solle
etwa zwei bis drei Kilometer breit sein und zwischen den von den Zweibunddelegierten
und den anderen Kommissaren gewählten Grenzlinien liegen“. Deutscherseits wurde
diese Anregung in London, Paris und Petersburg befürwortet. Wie Botschafter Graf
Pourtales am 18. Dezember (Nr. 363) berichtete, fand auch Sasonow den Vorschlag des
italienischen Delegierten praktisch und vernünftig, doch wollte er seine Zustimmung
von dem Ergebnis eines mit den Kabinetten von Paris und London eingeleiteten Ge-
dankenaustausches abhängig machen. Wie dieser Gedankenaustausch endete, ist aus den
Akten nicht zu entnehmen.
486
Darauf beschlossen die Delegierten der Majorität, allein an ihre Re-
gierungen zu berichten.
Ich lege eine Skizze des Geländes bei Dibra bei.
Der Russe erklärte später gesprächsweise, daß man den Serben nicht
das Recht nehmen dürfe, ihre Patrouillen nach Albanien hineinzuschicken.
Diese Äußerung des sehr mit den Serben befreundeten Russen sowie
die immer noch nicht erfolgte Demobilisierung der serbischen Grenz-
truppen lassen darauf schließen, daß die Serben immer noch Verwick-
lungen mit Albanien befürchten oder vielmehr wünschen, um Grenz-
berichtigungen in ihrem Sinne zu erlangen.
Die sehr schnelle Erledigung meines Zwischenfalles der Arretierung
durch die Serben *) hat mir die Glückwünsche meiner Kollegen des Drei-
bundes und Englands eingetragen, während der Russe und der Franzose
mich seit dieser Zeit mit erfreulicher Kälte behandeln. Am vierten Tage
nach dem Zwischenfalle hatte ich bereits das dortige Telegramm von der
Entschuldigung des serbischen Ministerpräsidenten, während der italieni-
sche Delegierte wegen des ungleich schwereren Falles seines Konsuls noch
bis heute ohne Nachricht ist.
Seit zwei Tagen fallt auch hier in der Ebene reichlich Schnee, so daß
damit endgültig eine weitere Arbeit im Gelände ausgeschlossen ist. Die
Kommission wird hier noch einige Fragen theoretisch erledigen, und sich
dann für dieses Jahr trennen1 2). Die Arbeiten werden wohl erst Ende
April wieder anfgenommen werden können und dann noch etwa drei
Monate dauern.
Ich beabsichtige, die Rückreise über Üsküb-Belgrad anzutreten und
werde gegen den 20. Dezember in Berlin sein.
von Laffert.
Nr. 897.
Der russische Außenminister an den russischen
Gesandten in Belgrad.3)
Geheimtelegramm.
St. Petersburg, den
29. November
12. Dezember
i9lS-
Nr. 3348.
Ich beziehe mich auf Iswolskis Telegramm Nr. 563.
Der französische Minister des Auswärtigen hat unserem Botschafter
sehr vertraulich die ihm vom österreichischen Botschafter mit der Bitte
um strenge Wahrung des Geheimnisses (?) überreichte Note mitgeteilt.
1) Vgl. Nr. l4oi2.
2) Die letzte Sitzung der Grenzkommission fand am 12. Dezember statt. Der
Wieder Zusammentritt erfolgte erst Anfang Mai 1914.
3) Iswolski Bd. III, Nr. 1166, S. 388.
487
Unter Hinweis auf das außerordentliche Interesse, das für Österreich
der Handelsaustausch mit Saloniki hat, sagt die Note, daß Österreich
niemals seine Absicht verborgen habe, Bedingungen zu fordern, die seiner
Handelsverbindung mit dem Ägäischen Meer Sicherheiten gegen un-
freundschaftliche Maßnahmen bieten. Es wünsche daher, daß die Bahn,
die das altserbische Gebiet mit Saloniki verbindet, wie bisher von der
Gesellschaft der orientalischen Bahnen unter Kontrolle ihrer Staats-
angehörigen nach den Vertragsrechten der Gesellschaft und den Grund-
sätzen, die in den Botschafterberatungen zu London festgelegt worden
seien, betrieben werde. Indem die österreichische Regierung diese For-
derung stelle, beanspruche sie keine Ausnahmestellung im Vergleich zu
andern Mächten. Sie wünsche nur, sich eine tatsächliche Kontrolle über
Linien zu sichern, die für sie ein Lebensinteresse hätten, und die Mög-
lichkeit auszuschließen, daß ihre Frachten weniger günstig behandelt
würden als die lokalen oder fremden Mächten gewährten Frachten.
Die österreichische Regierung werde befriedigt sein, wenn die Sicher-
heiten, deren sie durchaus bedürfe, durch eine finanzielle International^
sierung der nach Saloniki führenden Bahn geschaffen würden, um ge-
wisse Befürchtungen der serbischen Regierung zu beseitigen, und wenn
die französischen und die österreichischen Kapitalisten darin miteinander
sympatisierten. Sie finde jedoch, daß einige notwendige Voraussetzungen
für den Transport österreichischer Frachten auf serbischen Bahnen vor-
her durch ein Abkommen zwischen Österreich und Serbien festgestellt
werden müßten, deren Anwendung durch die internationalisierte Gesell-
schaft zu sichern sei.
Sasonow.
Nr. 898.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in Paris.1)
(Mitgeteilt nach Cetinje.)
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den 1 ./14- Dezember 1913.
Nr. 3366.
Ihr Telegramm Nr. 600 und dasjenige des Geschäftsträgers in Cetinje
Nr. 483 erhalten.
Wir würden es für wünschenswert halten, die französische Regierung
zu einer Anleihe an Montenegro zu bewegen, die sich bis auf 4o Millionen
unter möglichst günstigen Bedingungen belaufen müßte.
Sasonow.
Iswolski Bd. III, Nr. 1172, S. 422.
488
Nr. 899.
Der russische Außenminister an den russischen
Botschafter in Paris.*)
Geheimtelegramm.
St. Petersburg, den
20. Dezember
2. Januar
igi3/i4.
Nr. 35i3.
Ich verweise auf das Telegramm aus Konstantinopel Nr. iio5.
Wir können nicht umhin, die Aufmerksamkeit der französischen Re-
gierung darauf zu lenken, daß Frankreich der Türk eit periodisch pekuniäre
Hilfe zuteil werden läßt, entweder in Form von Vorschüssen seitens der
Privatbanken oder als Darlehen, die ihr durch Vermittelung des französi-
schen Delegierten bewilligt werden. Indes läßt sich diese Hilfe gegen-
wärtig keineswegs durch die Notwendigkeit rechtfertigen, die Türkei vor
dem Bankrott zu bewahren, insofern die Türkei noch soeben in England
ein Panzerschiff erworben hat, was unter gegenwärtigen politischen Um-
ständen sehr üble Nachwirkungen haben kann, sowohl auf die Inselfrage
als auch auf die Zwangsmaßnahmen, zu denen wir gezwungen sein
können, wenn die Verhandlungen mit Berlin nicht von Erfolg gekrönt
sein sollten. Ich bitte Sie, irgendeine günstige Gelegenheit zu benützen
und die französischen Minister, ohne überflüssige Erregung zu verur-
sachen, dennoch vertraulich darauf hinzuweisen, daß es äußerst wün-
schenswert sei, alle Finanzoperationen hinzuhalten, die bei den Türken
eine gefährliche Unnachgiebigkeit unterstützen könnten.
Abschrift nach Konstantinopel.
Gleichlautendes Telegramm nach London.
Sasonow.
Nr. 900.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.1 2)
„ . 1 22. Dezember 0
Paris, den—7—=-----iqio
4. Januar 0
Geheimtelegramm.
Nr. 6i5.
Die Ausgabe der serbischen Anleihe ist auf den 12. Januar neuen Stils
angesetzt worden. Es werden mit einem Male 2Öo Millionen Franken
emittiert, von denen jedoch die Banken 75 Millionen zum Umtausch
1) Iswolski Bd. IV, Nr. 1199, S. 10.
2) Iswolski Bd.IV, Nr. 1209, S. 16.
48$
gegen die in ihren Händen befindlichen Bons nehmen, mit der Verpflich-
tung, diese 75 Millionen für 3 Monate zu behalten, um nicht den Markt
zu belasten. Die Anleihe ist fünfprozentig. Der Emissionskurs beträgt
93,2 5 für 100. Die Serben erhalten 84,75.
Is wolski.
Nr. 901.
Sehr geheimes Schreiben des russischen Gesandten in
Bukarest an den russischen Außenminister1'
vom 11./2 4- Januar 1914.
Nachdem ich mit den hervorragendsten politischen Führern Rumäniens
Fühlung genommen habe, möchte ich in vorliegendem Schreiben meine
ersten Eindrücke zusammenfassen und gewisse Folgerungen ziehen, wo-
bei ich mich im voraus für eine gewisse Flüchtigkeit und vielleicht sogar
Oberflächlichkeit entschuldigen muß, die sich aus dem Umstande er-
geben, daß ich erst kurze Zeit in Bukarest bin.
Wie Euerer Exzellenz bekannt ist, ist mir in hiesigen Regierungskrei-
sen ein äußerst warmer Empfang zuteil geworden, und man hat mir
gegenüber immer wieder die Gefühle aufrichtiger Freundschaft zu Ruß-
land hervorgehoben. Denselben Empfang habe ich auch in der hiesigen
Gesellschaft gefunden; ich habe mit früheren Ministern. Senatoren, De-
putierten und verschiedenen Führern der rumänischen Armee gespro-
chen, wobei die Unverantwortlichkeit all dieser Personen es ihnen mög-
lich gemacht hat, ihre Gedanken und ihre Gefühle noch deutlicher zum
Ausdruck zu bringen.
Dies alles bestätigt meiner Ansicht nach die von meinem Vorgänger
hervorgehobene und auch von meinem französischen und englischen
Kollegen betonte Tatsache, daß in der hiesigen öffentlichen Meinung ein
bedeutender, ja vielleicht ein entscheidender Umschwung zu-
gunsten Rußlands eingetreten ist.
Außerdelm muß man beachten, daß die Ereignisse des letzten Jahres,
welche bei den Rumänen, in erster Linie bei den militärischen Führern,
das Vertrauen auf ihre eigene Kraft erweckten, gleichzeitig auch die
irredentistischen Bestrebungen gestärkt haben. Diese letz-
teren richten sich natürlich nicht so sehr auf Bessarabien wie auf Trans-
sylvanien mit seinen drei Millionen Rumänen. Dieser letztere Um-
stand erhöht natürlich auch die Sympathien Rumäniens zu Rußland.
Wenn man in Betracht zieht, daß Rumänien als eine Macht gilt, die
sich schon seit langem dem Dreibunde angeschlossen hat, so haben die
Erklärungen der hiesigen Minister, daß Rumänien völlige Aktionsfreiheit
Benckendorff Bd. III, Nr. io34, S. 2 48.
in seiner auswärtigen Politik besitzt, und daß diese in Zukunft aus-
schließlich rumänische Interessen verfolgen wird, für uns eine entschie-
den günstigere Bedeutung.
Man muß sich jedoch fragen, sind derartige Erklärungen aufrichtig
und ist Rumänien wirklich Österreich gegenüber durch keinerlei Vertrag
gebunden? Es will mir scheinen, daß man bei der Beantwortung dieser
Frage folgende Gesichtspunkte im Auge behalten muß: i. die alte und
sehr herzliche Freundschaft zwischen dem österreichischen Monarchen
und König Karl; 2. den großen Einfluß Deutschlands auf den König
und die rumänische Regierung. Diese Großmacht wird hier von vielen als
ein selbstloser Freund Rumäniens betrachtet. An sie wendet man sich um
Rat in schwierigen Augenblicken und sie läßt immer die nötigen Infor-
mationen und Ratschläge hierher gelangen. So ist es z.B. bekannt, daß
Kiderlen bis zu seinem Tode in einem privaten Briefverkehr mit König
Kari gestanden hat, welcher durch ihn schon im April 1912 den Ab-
schluß des Bündnisses zwischen Bulgarien und Serbien erfahren hat1).
Man kann nicht daran zweifeln, daß ein derartiger Einfluß Deutsch-
lands auf die rumänische Regierung besteht; dieser Einfluß wird ent-
schieden dazu benutzt, um Rumänien im Fahrwasser der österreichi-
schen Politik zu erhalten. 3. Obgleich die rumänische Regierung stets
geleugnet hat, daß ein Bündnis mit Österreich besteht, so darf man doch
kaum zweifeln, daß ein solches seinerzeit wirklich abgeschlossen worden
ist, und viele geben diese Tatsache hier zu. Wenn dem aber so ist,
so fragt man sich, zu welchem Zeitpunkt hat ein derartiges Bündnis
zu bestehen aufgehört, und es ist außerordentlich schwierig, diese Frage
zu beantworten, denn man kann in den Beziehungen zwischen den beiden
Staaten auf keine Periode hinweisen, in der eine gegenseitige Entfrem-
dung zu bemerken ist, die zweifellos die Folge des Erlöschens des Bünd-
nisses gewesen wäre. 4* Mir ist von mehreren Mitgliedern der hiesigen
Regierung gesagt worden, Rumänien müsse gute Beziehungen zu Öster-
reich unterhalten, da von letzterem das Schicksal der transsylvanischen
Rumänen abhängt. Wir sehen andererseits, daß auf den Posten eines
österreichischen Gesandten in Bukarest Graf Czernin ernannt worden
ist, kein Diplomat, sondern der Vertrauensmann des Erzherzogs Franz
Ferdinand, welcher während des letzten Besuches in Rumänien mit den
hiesigen Vertretern der transsylvanischen Rumänen gesprochen und bei
der Feststellung ihrer Wünsche die ungarische Regierung offen wegen
ihrer jetzigen Politik den Rumänen gegenüber kritisiert hatte. Graf
Czernin selbst hat vor einigen Jahren eine Schrift verfaßt, in der er für
die Rechte der von den Ungarn unterdrückten Nationalitäten eintrat, und
hat neulich in einem Zeitungsinterview der Hoffnung Ausdruck gegeben,
daß die ungarische Regierung den Rumänen Zugeständnisse machen
werde.
x) Vgl. Aktenstück Nr. 572, S. 180.
Wenn man ferner in Betracht zieht, daß die österreichischen und un-
garischen Zeitungen Lobgesänge für König Karl und Majorescu anstim-
men und auch dem neuen Ministerpräsidenten Bratianu sympatisch
gegenüberstehen, so kann man kaum von einer Entfremdung zwischen
diesen beiden Staaten sprechen. Es wäre meiner Ansicht nach daher
richtiger anzunehmen, daß Österreich alles versucht, um Rumänien da-
von abzuhalten, den Bündnisvertrag zu kündigen, was von seiten der ru-
mänischen Regierung bloß eine Bestätigung des vollzogenen Umschwun-
ges der öffentlichen Meinung bedeuten würde.
Das oben Ausgeführte sowie einige persönliche Eindrücke und Be-
obachtungen überzeugten mich davon, daß die rumänische Regierung
einstweilen den Vertrag mit Österreich nicht kündigen will oder kann,
und daß das Bündnis daher auch jetzt noch besteht. Diese meine per-
sönliche Ansicht habe ich einem Rumänen mitgeteilt, mit dem ich schon
seit Jahren in freundschaftlichen Beziehungen stehe. Diese Persönlich-
keit hat lange Zeit eine hervorragende Stellung in der rumänischen Diplo-
matie eingenommen und ist stets ein überzeugter Freund Rußlands ge-
wesen. Bei meiner Ankunft in Bukarest hat er mir viel nützliche Hin-
weise geben können und meine ersten Schritte bedeutend erleichtert.
Die genannte Persönlichkeit hat mir gesagt, daß sie ganz genau wisse,
daß in früheren Zeiten ein Bündnis zwischen Österreich und Rumänien
bestanden habe, und daß sie annähme, daß dieser Vertrag bis jetzt nicht
abgeändert worden sei. Gleichzeitig versprach sie, möglichst genaue Er-
kundigungen einzuziehen. Nach einigen Tagen teilte mir mein Freund
mit, daß der Vertrag in der Tat seine frühere Kraft besäße, und daß er
in allgemeinen Zügen darin bestünde, daß jede Seite sich verpflichte,
ihrem Bundesgenossen im Falle eines Angriffes von seiten Rußlands mit
allen militärischen Kräften zu Hilfe zu eilen. Dieser Vertrag sei von
dem verstorbenen Bratianu auf zehn Jahre geschlossen worden, sei dar-
auf für eine gleiche Dauer erneuert, aber während eines der Ministerien
Karps sei die Erwähnung der Vertragsdauer gestrichen und die Bestim-
mung hinzugefügt, daß der Vertrag ein Jahr nach der offiziellen Kün-
digung durch einen der vertragschließenden Teile erlösche.
Indem mir mein Freund diese Mitteilungen machte, gab er seiner
festen Überzeugung Ausdruck, daß schon jetzt das rumänische
Volk in keinem Falle einen bewaffneten Zusammenstoß
mit Rußland zulassen würde, und drückte die Hoffnung aus,
daß es der russischen Diplomatie bald gelingen möge, die rumänische
Regierung zu einer Kündigung des Bündnisses mit Österreich zu be-
wegen.
492
Poklewski-Koziell.
Nr. 902.
M. Gaston Doumergue, Président du Conseil,
Ministre des Affaires étrangères,
à MM. les Ambassadeurs de France à Londres,
Berlin, Vienne, Rome et Constantinople;
et à MM. les Ministres de France à Belgrade,
Sofia, Athènes et Bucarest. *)
Paris, le 31 janvier 1914-
M. Delcassé a vu M. Pachitch qui lui a confirmé les efforts du Gou-
vernement russe en vue d’une amélioration des rapports serbo-bulgares,
fût-ce au prix de la cession d’Istip et Kotchana] à la Bulgarie.
Le Président du Conseil serbe n’écarte pas absolument cette éven-
tualité, qui ne pourrait se justifier que pour empêcher la Bulgarie de se
joindre à l’Autriche dans le cas où de graves difficultés se
produiraient; il compte, d’aileurs, surtout sur la Roumanie, si cette
hypothèse se réalisait.
Gaston Doumergue.
Nr. go3.
Der russische Gesandte in Athen an den
russischen Außenminister.s)
Geheimtelegramm. Athen, den i8./3i. Januar 1914.
Nr. 17.
Vertraulich. Streit teilt mir eben mit, daß jetzt angestrengt zwischen
dem jungtürkischen Komitee und den Bulgaren über eine neue Teilung
Mazedoniens und Thraziens verhandelt wird. Wie weit die Verhandlungen
gediehen sind, weiß der Minister nicht, aber seine Nachrichten verdienen,
wie er meint, Beachtung, besonders da sich zahlreiche bulgarische Ban-
den zeigten, was die griechische Regierung veranlaßt hat, unter allen
Umständen den hier tagenden Rat der Generäle nach Saloniki über-
zuführen und sofort den General Damian nach Saros zu schicken, wo er
die dortige Brigade kommandiert.
Streit gab mir dabei zu verstehen, daß die bulgarisch-türkischen Ver-
handlungen notwendig zu einem lebhafteren Meinungsaustausch zwi-
schen Athen und Bukarest führen, und drückte die Hoffnung aus, die
*) Livre Jaune 1912, III, Nr. 186.
2) Iswolski Bd. IV, Nr. 1253, S. 43.
493
rumänische Regierung werde, falls es wider Erwarten zu einem Zusam-
menstoß kommen sollte, nicht vor Maßregeln der Einwirkung auf Bul-
garien, wie im letzten Kriege, zurückschrecken.
Abschrift nach Paris, London, Sofia und Bukarest.
D e m i d o w.
Nr. 904.
Der russische Geschäftsträger Obnorski, Cetinje,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Cetinje, den
28. Januar 10
10. Februar
i9i4.
Nr. 5.
„Durch Erlaß vom 28. November vorigen Jahres Nr. 1002 haben Euere
Exzellenz mir mitzuteilen geruht, daß die kaiserliche Regierung die Ent-
scheidung getroffen habe, die russische militärische Unterstützung und
die mihtärinstruktorische Tätigkeit in Montenegro auf neuen Grund-
lagen weiter zu gewähren, die von unserem Auswärtigen und Kriegs-
ministerium ausgearbeitet werden. Ich habe nicht unterlassen, König
Nikolaus diese Entscheidung mitzuteilen, die schon lang mit Ungeduld
von ihm erwartet wurde. Er erklärte sich dabei, wie von mir am 15. De-
zember unter Nr. 57 berichtet wurde, indem er seinem aufrichtigen und
tiefgefühlten Danke an die kaiserliche Regierung Ausdruck gab, voll-
ständig bereit, sich allen Bedingungen zu unterwerfen, welche Monte-
negro von Rußland auferlegt werden sollten. In dem in diesen Tagen
eingegangenen neuen Erlaß Euerer Exzellenz vom 23. Januar Nr. 61
wurden mir die von unserem Kriegsministerium ausgearbeiteten Berech-
nungen über die Ausgaben für die militärische Unterstützung Monte-
negros mitgeteilt, welche mir etwas übertrieben erscheinen. Nach dem
Anschlag unserer Militärbehörde sollen diese Ausgaben jährlich vier
Millionen Rubel für die Unterhaltung und Versorgung des Heeres
und 5ooooo Rubel für die Instrukteure betragen. Außerdem sind
fünfzehn Millionen Rubel für die Versorgung der montenegrinischen
Truppen mit Artillerie und Kriegsmaterial vorgesehen. Diese Ziffern
sind so bedeutend, daß das Kriegsministerium es für nötig hielt, darauf
hinzuweisen, daß es für Rußland äußerst schwierig sei, Montenegro
überhaupt militärische Unterstützung auf neuen Grundlagen zu gewäh-
ren, und es ist anscheinend zu seinem früheren Gedanken zurückgekehrt,
die militärische Unterstützung und Instrukteurtätigkeit in Montenegro
aufzugeben und diese Aufgabe den Serben zu überlassen. Aber, abge-
sehen davon, daß die kaiserliche Regierung schon die bestimmte, dem
König Nikolaus mitgeteilte Entscheidung in dieser Frage getroffen hat,
494
ist die Überlassung der Instrukteurtätigkeit an die Serben bei der jetzi-
gen politischen Lage ganz unmöglich, denn außer dem energischen
Widerstande seitens des montenegrinischen königlichen Hauses, welches
unter diesen Bedingungen Grund hätte, für seine eigene politische Exi-
stenz zu fürchten, würde die Zulassung von Serben in die montenegri-
nische Armee die größte Verlegenheit in dem benachbarten Österreich
hervorrufen, das ohne ernsten Kampf die in solchem Falle unvermeid-
liche Führung der Geschäfte Montenegros dem Königreiche Serbien
nicht überlassen kann. Diese Führung wird wahrscheinlich im Laufe
der Zeit angesichts der Verschmelzung der Grenzen der beiden Staaten
sowieso eintreten, aber natürlich nur im Laufe der Zeit. Hiermit rech-
net, wie ich gehorsamst berichtete, auch Österreich, das jedoch dem Ein-
tritte einer derartigen Sachlage möglichst vorzubeugen sucht, bis es die
Mittel zur Abgrenzung seiner Interessen gewählt hat. Von diesem Ge-
sichtspunkte aus ist unsere Anwesenheit in Montenegro in der Eigen-
schaft als Führer, die für unser Prestige vorteilhaft ist und die friedliche
Verschmelzung Serbiens mit Montenegro, falls sie stattfinden sollte,
sichert, welche ferner von Österreich als das geringere Übel angesehen
wird und ein Regulator des Status quo auf diesem Teile der Balkanhalb-
insel ist, nicht nur für Österreich wünschenswert, sondern auch, wie
Euerer Exzellenz bekannt, für die übrigen Großmächte, besonders für
Italien — siehe Bericht über das Gespräch San Giulianos mit Herrn
von Giers, das Euerer Exzellenz im Bericht vom 21. Oktober v. J. von
ihm mitgeteilt wurde. Um möglichst genaue Klärung der finanziellen
Seite der Frage bemüht, bat ich das montenegrinische Kriegsministerium,
mir einen Budgetentwurf mitzuteilen, der auf den neuen Grundlagen
aufgebaut ist und sowohl das neue vergrößerte Truppenkontingent als
auch die erwünschte russische Unterstützung für die militärischen Be-
dürfnisse des Landes in Erwägung zieht. Indem ich anbei den genann-
ten Entwurf mit dem Entwurf für die Organisation der Armee vorlege,
führe ich gehorsamst folgende allgemeine Angaben der beiden Entwürfe
an: Es ist beabsichtigt, sechs Divisionen (!) zu formieren, wobei für Frie-
denszeiten eine Verdoppelung im Vergleiche zu dem jetzigen Kontingente
bis zu 6000 Mann als ständige Kaders vorgesehen ist, welche im Kriegs-
fälle durch Ergänzung aus der Miliz bis auf 5o—60000 Mann gebracht
werden können. Diese Zahl ist, da sich die Bevölkerung des Landes um
mehr als das doppelte vermehrt hat, durchaus möglich, selbst ohne Zu-
hilfenahme der Albanesen. Es sind also zu gewöhnlichen Zeiten 6000
Mann zu halten. Was das Militärbudget bei der neuen Zusammensetzung
der Truppen anlangt, so ist es nach meinen Weisungen in zwei Ziffern
ausgedrückt: Minimum 71/2 und Maximum 91/2 Millionen Kronen. Hier-
bei ist der Betrag des Minimums, bei welchem die montenegrinische Re-
gierung jährlich 2 Millionen übernimmt, nach Ansicht der Personen,
welche das Budget aufstellen, vollständig ausreichend zur Deckung aller
495
notwendigen Ausgaben für die Unterhaltung der Armee. Ein derartiges
Assignieren ist der montenegrinischen Regierung durchaus möglich, denn
die Staatseinkünfte beliefen sich in diesem Jahre auf 91/2 Millionen
Kronen. Auf uns würden also jährlich ö1/^ Millionen Kronen entfallen,
d. h. etwas über 2 Millionen Rubel. In dem Entwurf ist auch die Orga-
nisation der Artillerie und anderer technischer Truppen vorgesehen, was
unserer Militärverwaltung die Möglichkeit gibt, die Ausgaben für die Be-
waffnung der Armee zu berechnen, die nicht auf einmal, sondern im
Laufe der nächsten Jahre ausgeführt werden könnte, was unsere Finanz-
operation zwecks technischer Ausrüstung der montenegrinischen Armee
wesentlich erleichtern würde. Was die Anzahl der Instrukteure betrifft,
so ist diese auf 17 Offiziere und 79 Unteroffiziere veranschlagt. Zum
Schluß verweile ich bei den im Erlaß Euerer Exzellenz erwähnten neuer-
lichen Versuchen des Herrn Paschitsch, in die montenegrinische Armee
wenigstens einige serbische Unteroffiziere zu bringen. Diese Versuche
erscheinen mir sehr seltsam, nachdem Herr Paschitsch unseren Gründen
bezüglich der Notwendigkeit, die montenegrinische Armee unter unserer
Mitwirkung zu organisieren, zugestimmt hat. (Siehe Telegramm Hart-
wigs vom 17. November igi3, Nr. 1390) und ganz unerklärlich von
einem in politischen Geschäften so erfahrenen Mann, wie es der Chef
des Belgrader Kabinetts ist, der nicht umhin kann, anzuerkennen, wie
schwierig die Verwirklichung dieses Gedankens bei der jetzigen politi-
schen Konstellation ist, — wenn er nicht etwa mit der östlichen Politi-
kern eigenen Hinterlist und Gleichgültigkeit in der Wahl von Mitteln
unsere machtvolle Unterstützung in dem dann unvermeid-
lichen und gewiß vorzeitigen Kampfe Serbiens gegen die
österreichische Monarchie auszunutzen gedenkt. (!) Aus
meinem im Januar erstatteten Bericht ist Euerer Exzellenz bekannt, daß
ich ein überzeugter Anhänger einer tatkräftigen Unterstützung des
wiederbelebten serbischen Königreiches bin; aber gerade deshalb halte ich
es für notwendig, sowohl Serbien als auch das mit ihm verwandte
Montenegro vor übereilten Plänen ihrer Politiker zu bewahren. Seien sie
auch talentvoll wie die des Herrn Paschitsch, sie zeichnen sich doch fast
immer durch Mangel an weitem Blick aus infolge eines gewissen
Provinzialismuses der politischen Gedanken, wie er den Politikern kleiner
Reiche eigen ist. Durch diesen Provinzialismus bin ich auch geneigt, die
oft von mir beobachtete Erscheinung zu erklären, daß selbst die besten
Balkandiplomaten in intellektueller Hinsicht den mittelmäßig begabten
europäischen Diplomaten bedeutend nachstehen. Deshalb dürfen die
Großmächte, wenn sie den kleinen Reichen Unterstützung und Hilfe
erweisen — wie es unser Vaterland immer tut, die Führung und Ini-
tiative nie aus der Hand lassen.“
496
Nr. 905.
Der russische Gesandte in Belgrad an den
russischen Außenminister.*)
Geheimtelegramm. Belgrad, den ‘Februar I9I^‘
Nr. .
Abschrift nach Paris und Wien.
222 erhalten. Da Paschitsch abwesend ist, habe ich mit Patschu ge-
sprochen, der ihn vertritt* 2). Die serbische Regierung findetidieTeilnahme
Italiens an der Internationalisierung der Orientbahn nicht erwünscht, da
sie zu neuen Verwicklungen führen kann. Aber die unversönliche Haltung
des römischen Kabinetts läßt Patschu befürchten, daß es nicht möglich
sein wird, Italien fernzuhalten. So hat dieser Tage der hiesige italieni-
sche Gesandte der serbischen Regierung eine Note übergeben, die in
allerkategorischester Weise erklärt, Italien werde keinerlei Eisenbahn-
abkommen anerkennen, das ohne sein Wissen abgeschlossen werde, und
der italienische Delegierte werde in der Pariser Finanzkommission einen
entscheidenden Protest gegen die in Wien geführten Verhandlungen er-
heben. Nach geheimen, sehr zuverlässigen Nachrichten, die man hier be-
sitzt, wird Italien von Berlin her in diese Rolle gedrängt, da man in
Berlin mit dem Vorgehen Österreichs sehr unzufrieden ist, das darauf
ausgeht, sich eine bevorrechtigte wirtschaftliche Stellung in Serbien zu
schaffen und bereit ist, letzterem materiell behilflich zu sein, die Orient-
bahn anzukaufen. Eine endgültige Entscheidung wird Serbien nach der
Rückkehr von Paschitsch mitteilen, der mit Venizelos heute abend er-
wartet wird.
Hartwig.
Nr. 906.
Bericht des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister3)
vom 11./2 4- Februar 1914.
Nr. 7.
Während des Aufenthaltes Venizelos’ und Paschitschs in Bukarest
waren in der Balkanpresse und in den europäischen Zeitungen Nach-
richten über den erfolgten Beitritt Rumäniens zum serbisch-griechisch-
montenegrinischen Bunde verbreitet worden.
x) Iswolski Bd. IV, Nr. 1269, S. 54-
2) Paschitsch befand sich damals in Petersburg, wo ihm volle Unterstützung ver-
sprochen wurde. Siehe Bd.I, Aktenstück Nr. 399, S. 4i4ff-
3) Benckendorff Bd. III, Nr. io38, S. 257.
32 Bo ghitsche witsch, Serbien II.
497
Wie mir Paschitsch ganz offen mitteilt, sind diese Nachrichten völlig
unzutreffend. Es ist weder ein formales Bündnis noch irgendeine
schriftliche Vereinbarung in Bukarest unterzeichnet worden. Dagegen
ist in den freundschaftlichen Erklärungen sowohl der rumänischen
Staatsmänner als auch der Vertreter Griechenlands und Serbiens zweifel-
los die ernste Neigung zum Abschluß eines Vertrages zutage getreten;
Puimänien ist fest entschlossen, die Bestimmungen des Bukarester Frie-
densvertrages vom 28. Juli 1913 aufrechtzuerhalten, und wird in keinem
Falle eine Änderung zulassen und jeden Versuch, den Status quo zu
ändern, zurückweisen. Diese Absicht wird auch von allen politischen
Führern und dem jetzigen Kabinett Bratianu unterstützt.
Nach den Worten des serbischen Ministerpräsidenten hat in Bukarest
niemand eine so richtige Auffassung der politischen Lage auf dem Bal-
kan wie König Karl selbst, der während der Paschitsch gewährten Audienz
seine Verurteilung des sinnlosen Beginnens der Türkei und Bulgariens
mit dem Ausruf schloß: „Wer sollte jetzt noch glauben, daß Rumänien
in die Notwendigkeit versetzt werden könnte, dafür einzutreten, daß ge-
wisse ägäische Inseln dem Besitzstände der Türkei erhalten bleiben?“
Dieser Ausruf des ehrwürdigen Königs hat auf Paschitsch einen großen
Eindruck gemacht, der daraus den Schluß zog, daß der König im Ernst-
fälle seine Armee zum Schutze der griechischen Interessen in Be-
wegung setzen wird.
Ohne Zweifel ist ein solcher Ausspruch aus dem Munde des Königs
ein Beweis dafür, daß sich in den politischen Ansichten des Monarchen
ein bedeutender Wandel vollzogen hat, da er bisher stets die Anweisungen
aus Berlin und Wien befolgt hatte.
Aus den Unterhandlungen mit den rumänischen Ministern schließt
Paschitsch, daß die Verhandlungen beider Staaten über Handels- und
wirtschaftliche Fragen gute Fortschritte machen und daß ihr Abschluß
für Serbien und Rumänien politisch von Vorteil sein wird.
Hartwig.
Nr. 907.
Vertrauliches Schreiben des russischen Außen-
ministers an den russischen Gesandten in Sofia1)
17. Februar
V°m 2. März 'H14-
Nr. 129.
Die von Ihnen nach Ihrer Ankunft in Sofia erhaltenen Schreiben und
Berichte schildern die schwierigen Verhältnisse, die seit dem letzten
Kriege in Bulgarien herrschen, und die zu überwinden ihm bis jetzt
1) Benckendorff Bd. III, Nr. io/jo, S. 261.
498
noch nicht gelungen ist. Seine Geschicklichkeit macht es König Ferdinand
möglich, zwischen den zahlreichen schweren Verwicklungen der inneren
Lage und dem Wunsche zu lavieren, zu Rußland in ein möglichst gün-
stiges Verhältnis zu gelangen, ohne sich Österreich gegenüber zu kompro-
mittieren, auf dessen Sympathien seine Regierung gegenwärtig ange-
wiesen ist.
Bei dieser verwickelten politischen Lage kann die Rolle des russischen
Vertreters im wesentlichen nur eine abwartende sein. Dies schließt natür-
lich einen wohlwollenden Meinungsaustausch mit dem König oder den
leitenden Persönlichkeiten nicht aus. Aber diese Aussprachen können,
wie Sie in Ihrem Rriefe vom 5. Februar erwähnten, bei uns kein be-
sonderes Vertrauen erwecken. Sie geben uns keine Gewähr für die Zu-
kunft, denn selbst Danew ist seinerzeit trotz seines Rufes als „russophil“
dazu gezwungen worden, mit Österreich zu gehen, statt sich auf unsere
Seite zu stellen. Ich darf infolgedessen Ihre Aufmerksamkeit auf den
Umstand lenken, daß das gegenwärtige Kabinett bei uns kein Vertrauen
genießt, um so mehr als der Ruf der einzelnen Persönlichkeiten, die es
bilden, ein sehr zweifelhafter ist.
Die bevorstehenden Wahlen werden vielleicht dem Kabinett Radosla-
wow eine Majorität bringen. Wie würden Sie sich in diesem Falle ver-
halten? Vielleicht könnten wir Bulgarien in einigen konkreten Fällen
unterstützen, wenn wir die Sicherheit erhielten, daß Bulgarien unab-
hängig von den einzelnen Persönlichkeiten des jetzigen oder eventuellen
zukünftigen Kabinetts handelt. Es ist aber schwierig eine Annäherung
Rußlands an Bulgarien und Bulgariens — unter russischer Vermitt-
lung — an Serbien herbeizuführen, wenn nicht ein völliger Umschwung
in der öffentlichen Meinung und ein Wechsel in der bulgarischen Regie-
rung eintritt. Denn solange die jetzigen Minister am Ruder bleiben, ist
für uns Zurückhaltung und äußerste Vorsicht geboten. Wie wenig zu-
verlässig die gegenwärtige Regierung ist, ergibt sich aus einer uns aus
ganz geheimer Quelle zugegangenen Mitteilung, daß die bulgarischen
Minister ausländischen Vertretern gegenüber erklärt hätten, Ihre langen
Unterredungen mit dem Könige machten den Eindruck, als wenn der
König hinter dem Rücken seiner Minister Politik treiben wollte, doch
werde seine persönliche Politik nicht ausgeführt werden.
Wenn das jetzige Kabinett durch ein Koalitionsministerium mit Ma-
linow an der Spitze ersetzt werden würde,, so würden wir ein derartiges
Ereignis in der Aussicht begrüßen, Bulgarien vor dem Verfall bewahren
zu können. Ein derartiger Ministerwechsel würde zu tatkräftiger Unter-
stützung von unserer Seite führen. Es würde uns z. B. möglich sein, den
Abschluß der bulgarischen Anleihe in Paris zu fördern und eine An-
näherung zwischen Bulgarien und Serbien in die Wege zu leiten. Aber
auch dann würden wir äußerste Vorsicht beobachten und nur ganz all-
mählich vorgehen können, weil wir sonst Gefahr laufen würden, das
499
Vertrauen Serbiens zu uns zu erschüttern und uns Rumänien
zu entfremden, wenn es uns nicht gelingen sollte, Bulgarien gleichzeitig
ganz fest an uns zu binden.
Sasonow.
Nr. 908.
Der bulgarische Gesandte Rizoff, Rom,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.*)
Rom, den
23. Februar 5
5. März
1914.
Das Kabinett Giolitti hat seine Demission gegeben. Sein wahrschein-
licher Nachfolger wird Carcano oder Salandra sein. Möglicherweise wird
der gegenwärtige Minister des Äußern im Amte verbleiben. Jedenfalls
wird keine Änderung in der auswärtigen Politik Italiens eintreten.
Der italienische Minister des Äußern und die hiesigen diplomatischen
Kreise halten den griechischen Aufstand in Epirus für einen Bluff.
Der italienische Generalstabschef gestand mir gestern abend, daß
er mit einem Kriege zwischen Rußland und Österreich
noch in diesem Jahre rechne. Im Hinblick auf diese Eventualität
ist er selbst fieberhaft tätig.
Nr. 909.
Auszug aus einem ganz vertraulichen Bericht des
russischen Botschafters in Berlin an den
russischen Außenminister2)
vom
27. Februar
——VtT.----1QI 4-
9. Marz y
Auszug.
Nach mir aus ganz vertraulicher Quelle zugegangenen Nachrichten
löst die wachsende Macht Rußlands in Berlin immer ernstere Befürch-
tungen aus. Nach der Ansicht hiesiger Regierungskreise wird im Jahre
1916 die russische Belagerungsartillerie fertiggestellt sein, und von die-
sem Augenblicke an wird Rußland als furchtbarer Gegner auf treten, mit
dem Deutschland den Kampf aufzunehmen haben wird.
Kein Wunder, daß man bei dieser Überzeugung sich in Deutschland
mit allen Kräften bestrebt zeigt, für den Kriegsfall mit uns vorbereitet
zu sein, und kein Wunder, wenn man versucht, uns einzuschüchtern und
!) Bulgarisches Orangebuch Bd.I, Nr. 161, S.95.
2) Benckendorff Bd.III, Nr. io44, S. 266.
5oo
damit zugleich den Verdacht zu zerstreuen, als ob Rußland von Deutsch-
land gefürchtet würde. Nach meiner Überzeugung spricht trotzdem aus
allen Zeilen, die in letzter Zeit gedruckt worden und den russisch-deut-
schen Beziehungen gewidmet sind, einzig und allein nur diese Furcht
vor Rußland. Ich erlaube mir zum Schlüsse die Hoffnung auszudrücken,
daß man in Berlin Grund dazu hat, und daß wir tatsächlich alle Maß-
regeln zur Stärkung unserer Heeresmacht ergreifen, einer Stärkung, die
Deutschland zwingen muß, weder Mittel noch Energie zu scheuen, um
die vollkommene Kriegsbereitschaft Deutschlands bis zum äußersten zu
erreichen.
S werbe j ew.
Nr. 910.
Telegramm des russischen Geschäftsträgers
Obnorski, Cetinje, an das russische Ministerium des
Äußern in Petersburg.1)
Nr. 17. Cetinje, den i3./2Ö. März 1914.
König Nikolaus hat in diesen Tagen nach langem Zögern den Befehl
erteilt zur Übergabe eines schon vor einiger Zeit nach Belgrad gesandten
eigenhändigen Schreibens an den König Peter von Serbien, in welchem
Serbien eingeladen wird, unverzüglich mit Montenegro eine Verein-
barung über die Vereinigung beider Staaten auf militärischem, finan-
ziellem und diplomatischem Gebiete zu treffen unter der Bedingung „des
Vorbehaltes der Unabhängigkeit und Eigenart beider Staaten und ihrer
Dynastien“. Am Schlüsse des Schreibens hebt König Nikolaus hervor,
daß eine derartige Vereinbarung „für das noch nicht befreite Serbentum
sehr nützlich sein werde“ und auch im Sinne des ewigen Protektors der
Slawen, Rußlands, sei.
Obnorski.
Nr. 911.
Telegramm des russischen Außenministers an den
russischen Gesandten in Belgrad* 2)
vom 16-/29. März 1914.
Nr. 602.
Ich beziehe mich auf die Telegramme aus Cetinje Nr. 17 und 18.
Der Versuch Serbiens, militärische Instrukteure nach Montenegro zu
J) Boghitschewitsch „Kriegsursachen, S. i42.
2) Benckendorff Bd.III, Nr. 1049, S. 270.
5oi
schicken, scheint augenblicklich politischen Schwierigkeiten zu begegnen.
Ich bitte Sie, Paschitsch hiervon vertraulich in Kenntnis zu setzen.
Sasono w.
Nr. 912.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister1)
vom 17./30. März 1914.
Nr. 10 4.
Ihr Telegramm Nr. 602 erhalten. Von der Sendung serbischer mili-
tärischer Instrukteure nach Montenegro ist nach der Meinung Miuschko-
witschs gar keine Rede, und Paschitsch hält diesen Plan unter den gegen-
wärtigen Umständen für unausführbar. Er ist der Ansicht, daß, wenn
derartige Erwägungen in Cetinje in Betracht gezogen worden seien, dies
ausschließlich den Zweck verfolge, die Frage der Entsendung russischer
Instrukteure in Verbindung mit der Bewilligung von weiteren Subsidien
nach Möglichkeit zu beschleunigen.
Hartwig.
Nr. 918.
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister2)
vom 17./30. März 1914.
Ich beziehe mich auf die Telegramme aus Cetinje Nr. 17 und 18. Das
in Frage stehende Schreiben des Königs von Montenegro ist mir von
Paschitsch vorgelesen worden, welcher mich in diesen Tagen zusammen
mit Miuschkowitsch besucht hat. Aus den klaren und aufrichtigen
Äußerungen des ersteren ersehe ich, daß das Anerbieten des Königs von
Montenegro schon längst erwartet und als ein weiterer Schritt zur
herzlichen Versöhnung und Annäherung beider Staaten betrachtet wird;
jedoch keine Verschmelzung bedeutet, an die man unter den jetzigen Ver-
hältnissen hier gar nicht denkt. Die Erhaltung der Dynastie und der
vollen staatlichen Unabhängigkeit ist eine Grundbedingung. Das Abkom-
men soll einen kulturellen Charakter tragen und die Finanz-, Handels-,
Zoll-, Verkehrs-, diplomatischen und teilweise auch die militärischen Be-
hörden betreffen und lediglich vom Gedanken eines gegenseitigen Schutzes
der beiden Staaten ausgehen. Die Frage der Instrukteure wird nicht be-
x) Benckendorff Bd.III, Nr. io5o, S.270.
2) Benckendorff Bd.III, Nr. io5i, 8.271.
502
rührt. Die Eurer Exzellenz bekannte staatsmännische Erfahrung und
Vorsicht Paschitschs sind eine Bürgschaft dafür, daß kein unvorsichtiger
Schritt getan werden wird, und daß das beabsichtigte Übereinkommen,
von dem wir rechtzeitig Nachricht erhalten haben, nicht die von unserem
Geschäftsträger in Cetinje befürchteten Verwicklungen nach sich ziehen
wird. Die in Aussicht genommene Antwort an König Nikolaus ist in
friedlichem Sinne gehalten. Ich erwarte die Abreise unseres Kuriers, um
Ihnen eine Abschrift dieser beiden Dokumente und einen ausführlichen
Bericht zuzustellen.
Hartwig.
Nr. 914.
Auszug aus einem Schreiben des russischen Botschaf-
ters in Wien an den russischen Außenminister1)
21. März
,om“37ÄpnTI9li'
So beklagenswert und empörend der zweite Balkankrieg vom Stand-
punkte des Slawentums auch gewesen sein mag, so kann man doch nicht
leugnen, daß das Ergebnis dieses Krieges, soweit die speziellen russischen
Interessen in Frage kommen, für uns vorteilhaft ist.
In der Tat — was wäre geschehen, wenn in Sofia beim Abschlüsse des
Waffenstillstandes mit der Türkei die Stimme der Vernunft gesiegt hätte
und die bulgarische Regierung bereit gewesen wäre, die berechtigten For-
derungen Serbiens hinsichtlich der Abänderung des zwischen ihnen be-
stehenden Vertrages und die völlig unberechtigten, aber verhältnismäßig
bescheidenen Forderungen Rumäniens anzunehmen? Bulgarien wäre,
was Ausdehnung seines Territoriums und Stärke seiner Bevölkerung an-
langt, der größte Balkanstaat geworden; Rumänien hätte sich beeilt, sich
ihm zu nähern, wahrscheinlich auch die Türkei; und wenn schließlich
auch noch eine Annäherung an Österreich stattgef unden hätte, was ich
stets für möglich gehalten habe, sogar noch vor dem Kriege mit Serbien,
so würde sich auf dem Balkan ein uns feindlicher Block gebildet haben,
der aus Österreich, Bulgarien, Rumänien und der Türkei bestanden hätte.
Jetzt aber ist unter den obwaltenden politischen Verhältnissen Öster-
reich auf dem Balkan völlig isoliert, und jeder Versuch seinerseits, den
Status quo zu ändern, würde einen entschiedenen Widerstand von seiten
des Blockes Rumänien, Serbien und Griechenland auslösen.
Aus diesem Anlasse muß man alles vermeiden, was Rumänien mit
Serbien und Griechenland entzweien könnte, was zu erreichen die öster-
reichische Diplomatie wahrscheinlich versuchen wird. In dieser Hinsicht
*•) Benckendorff Bd.III, Nr. io52, S.272.
5o3
besitzt Österreich in Albanien ein wirksames Mittel. In Belgrad und
Athen muß man verstehen, daß jede Unvorsichtigkeit ihrerseits Öster-
reich nur nützen kann, da hierdurch die Unzufriedenheit Rumäniens her-
vorgerufen werden würde, während Österreich und Italien, sich selbst in
Albanien überlassen, sich letzten Endes entzweien werden.
Diese Lage und die Erkenntnis, daß das Wiener Kabinett einen Fehler
begangen hat, indem es Bulgarien während der letzten Krise unterstützt
hat, rufen in Österreich-Ungarn jene allgemeine Nervosität hervor, die
sich in letzter Zeit bemerkbar macht.
Zum Schluß möchte ich mein Bedauern darüber aussprechen, daß
unsere und besonders die französischen Zeitungen ihrer Freude anläß-
lich der neuen Richtung der rumänischen Politik so geräuschvoll Aus-
druck geben. Dieser Lärm ist ganz unnütz; denn für uns ist die Tat-
sache bedeutsam, daß wir Rumänien von der uns gegenüber-
stehenden Koalition losgelöst haben, nicht aber der er-
rungene diplomatische Erfolg. Dieser Lärm regt aber unsere
Gegner auf und veranlaßt sie, alles zu tun, um das Verlorene wieder-
zugewinnen. In Rumänien wird dieser Umstand von den uns feindlich
gesinnten Elementen dazu benutzt werden, um die Sache so darzustellen,
als ob die Ententemächte Rumänien kompromittieren und ihm jeden
Rückzug abschneiden wollen.
Schebeko.
Nr. 915.
Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest, an das
Ministerium des Äußern in Sofia.1)
Sofia, den 6./19. April 1914.
Graf Czernin, der einen Ausflug nach Konstantinopel gemacht hatte,
besuchte mich nach seiner Rückkehr, um mit mir unter anderem auch
über seine Unterredungen mit dem österreichischen Botschafter in Kon-
stantinopel zu sprechen. Markgraf Pallavicini ist von dem Wiedererstar-
ken der militärischen Macht der Türkei überzeugt. Bezüglich der Lage
auf dem Balkan infolge des Bukarester Vertrages erachtet sie der Bot-
schafter als unbeständig, und daß alle Bemühungen zu deren Konsolidie-
rung vergeblich sind. Der Gesandte betonte die unumgängliche Notwen-
digkeit für Österreich bezüglich seiner Beziehungen mit Serbien im
reinen zu sein. „Wir müssen uns,“ sagte er, „entweder mit Serbien
verständigen, oder aber ihnen ehestens einen schweren Schlag zufügen,
denn die Lage der österreichischen Diplomatie Serbien gegenüber ist
!) Bulgarisches Orangebuch Bd. I, Nr. 166, J3.97.
5o4
eine unhaltbare geworden.“ Graf Czemin schloß seine Ausführungen
damit, daß die maßgebenden Kreise in Österreich sich darüber im klaren
sind, daß die Monarchie vor einer solchen kritischen Alternative stehe
und daß es unausbleiblich erscheint, einen energischen Entschluß nach der
einen oder nach der anderen Richtung hin zu fassen. Im Zusammen-
hänge mit diesem Gedanken fügte er hinzu, daß nach seiner Kenntnis der
Kaiser schwer krank gewesen ist und bemerkte, daß der Thronfolger eine
entschlossene Persönlichkeit sei und fähig, das Prestige Österreichs zu
heben, der der österreichischen Politik eine gute Richtung geben wird.
Ich erwiderte ihm darauf, daß nach meiner Auffassung Österreich sein
Prestige nach dem Osten hin nicht erhöhen kann, wenn es nicht von
Deutschland unterstützt wird.
Nr. 916.
Der russische Gesandte in Sofia an den
russischen Außenminister.’)
Geheimtelegramm. Paris, den 9-/22. April 1914.
Nr. 69.
Abschrift nach Paris und Bukarest.
Laut Nachrichten aus mehreren Quellen werden in Berlin Verhand-
lungen über eine bulgarische Anleihe von etwa 2Öo Millionen Franken
geführt. Die deutsche Regierung hat, angeblich auf Drängen des Kabi-
netts von Bukarest, bisher mit ihrer Zustimmung gezögert, obgleich
Wien für Bulgarien eintrat. Jetzt ist es offenbar gelungen, Rumänien
zu bewegen, sein „veto“ aufzugeben, und man glaubt dort, die Anleihe
werde unter der Bedingung abgeschlossen werden, daß kein Teil von ihr
zu Rüstungen benutzt werden darf. Es ist eine Frage von Tod und Leben
für das Kabinett Radoslawow, binnen einem Monat die Anleihe zu er-
halten, und deshalb hat es allen Bedingungen der Berliner Banken, ob-
gleich sie schwer waren, zugestimmt.
Sawinski. 1
1) Iswolski, Bd.IV, Nr.i322, S.93.
5o5
Nr. 9x7.
Der russische Gesandte in Sofia an den
russischen Außenminister.r)
Geheimtelegramm. Sofia, den i3./26. April 1914*
Nr. 72.
Abschrift Paris.
Siehe mein Telegramm 69.
Die Aussichten auf Abschluß der Anleihe steigen immer mehr. Mit
dem französischen Gesandten bemühe ich mich, dem Könige und der
hiesigen öffentlichen Meinung das Verderbliche der Finanzpolitik des
jetzigen Ministeriums in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht zu be-
weisen, wie ich mit nächstem Kurier ausführlich berichten werde. Nach
meinen Nachrichten und denen der Zeitungen ist anzunehmen, daß eng-
lisches und belgisches Geld für die Anleihe verwandt werden wird. Wür-
den Sie nicht nützlich finden, letzteres zu verhindern? Panafieu ver-
sichert, daß seine Regierung, die er auf dem Laufenden hielt, mit allen
Mitteln das Mitwirken französischen Kapitals verhindert. Der hiesige
Finanzminister hat Panafieu gestanden, daß die Anleihe nicht auf ge-
schoben werden könne, er wolle möglichst schnell abschließen, um die
Stellung der Regierung zu stärken. Es müssen daher alle Anstrengungen
daran gesetzt werden, um die Pläne Radoslawows und Tontschews zu
zerstören.
Sawinski.
Nr. 918.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.* 2)
Geheimtelegramm. Paris, den 16-/29. April 1914.
Nr. 106.
Doumergue bestätigt mir soeben, er habe den französischen Banken
den kategorischen Befehl gegeben, Bulgarien keine Unterstützungen
unter der Form einer in Deutschland aufgelegten bulgarischen Anleihe
zur Verfügung zu stellen. Nach den aus Berlin erhaltenen Nachrichten
der französischen Regierung sind die Verhandlungen in Berlin geschei-
tert, was Herr Doumergue auf die Weigerung der französischen Banken
zurückführt.
Is wolski.
*) Iswolski, Bd. IV, Nr. i324, S-94-
2) Is wolski, Bd.IV, Nr. i32Ö, S.94.
5o6
Nr. 919.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.1)
Geheimtelegramm.
Paris, den
21. April
4. Mai
i9ï4.
Nr. 109.
Abschrift nach Sofia.
Stantschew hat Raffalowitsch gesagt, er habe mehr als einmal seine
Regierung darauf hingewiesen, wie sehr unerwünscht in politischer wie
finanzieller Hinsicht es wäre, wenn sie eine Anleihe an irgendeiner ande-
ren Stelle als in Frankreich abschlösse. Von Verhandlungen mit Deutsch-
land war ihm nichts bekannt und die gestellten Bedingungen beunruhigen
ihn sehr. Er will den König auf die Gefahren einer Knechtung Bul-
gariens aufmerksam machen. Raffalowitsch hat den Eindruck gewon-
nen, daß Stantschew offenbar nur geringen Einfluß auf die jetzige Re-
gierung ausübt und ihren Sturz nicht bedauern würde, daß er sich aber
nicht entschließt, offen gegen Vorschläge Radoslawows und Tontschews
aufzutreten.
Die französischen Banken, die die Verpflichtung Bulgariens in Händen
haben. 75 Millionen Schatzscheine mit Hilfe der künftigen Anleihe
einzulösen — wo immer sie abgeschlossen werden mag —, warten ruhig
die Ereignisse ab. Bei einem Ministerwechsel in Bulgarien wachsen die
Aussichten für eine Anleihe in Frankreich, sowohl von seiten der Regie-
rung wie von seiten der Banken, die übrigens ohne Zweifel Garantien
verlangen werden.
Iswolski.
Nr. 920.
Der russische Außenminister
an den russischen Botschafter in London.1 2)
Geheimtelegramm.
Livadia, den
23. April
6. Mai
i9i4.
Nr. 9.
Abschrift nach Paris und Sofia.
Ich halte es für sehr wichtig, das Zustandekommen der bulgarischen
Anleihe auf dem Berliner Markt zu verhindern, und wir bitten die eng-
lische Regierung, ihren Vertreter in Sofia zu beauftragen, die Schritte
1) Iswolski, Bd.IV, Nr.1328, S.IOI.
2) Iswolski, Bd.IV, Nr. i33o, S.102.
5o7
Sawinskis energisch zu unterstützen, die darauf gerichtet sind, Bulgarien
vor dem Abschluß eines höchst unvorteilhaften Geschäfts zu bewahren,
das dahin führen würde, daß Deutschland sich wirtschaftlich Bulgariens
bemächtigte.
Der französische Gesandte in Sofia arbeitet bereits erfolgreich in dem
von uns gewünschten Sinn1).
Sasonow.
Nr. 921.
Der russische Gesandte in Sofia an den
russischen Außenminister.* 2)
Geheimtelegramm.
Nr. 83.
Sofia, den
29. April
12. Mai
1914.
Abschrift nach Jalta, Paris und London.
Ich habe die Telegramme Nr. 9 aus Jalta und 119 von Benckendorff
erhalten.
Da die Verhandlungen über die Anleihe in Deutschland fortschreiten
und die Opposition nicht auf ihre eigenen Kräfte rechnet, um sie zu
verhindern, hatte ich gestern eine sehr eingehende Unterredung mit
Dobrowitsch, den ich auf die großen Gefahren des von der Regierung
vorbereiteten Schrittes und auch darauf aufmerksam machte, daß in
dem Augenblick, in dem der König sich entschließen würde, die jetzige
Regierung zu beseitigen, Frankreich bei wohlwollender Haltung Ruß-
lands, Bulgarien entweder eine Anleihe unter günstigen Bedingungen
oder doch wenigstens einen Vorschuß vor Abschluß der Anleihe gewähren
werde. Diese Versicherung hat mir der französische Gesandte gegeben.
Dobrowitsch versprach, das Gespräch dem Könige zu wiederholen.
Der englische Gesandte, der über die Lage aus London befragt wurde,
wandte sich an mich mit dem Vorschlag, alles nach London zu telegra-
phieren, was ich wünsche. Ich bat ihn, Weisungen aus London zu ver-
anlassen, die ihn berechtigten, Dobrowitsch gegenüber im Sinne meiner
Unterredung zu sprechen. Genaueres durch Kurier3).
Sawinsiki.
!) Unerhörte Einmischung in die Angelegenheit eines souveränen Staates.
2) lswolski Bd.IY, Nr. i335, S. 106.
3) Was würden die Gegner Deutschlands sagen, wenn die deutsche Regierung es ge-
wagt hätte, solche Vorschläge zu machen?
5o8
Nr. 922.
Der russische Gesandte in Sofia an den
* russischen Außenminister.1)
Telegramm. Sofia, den ^3 ' Mai 1914.
Nr. 84.
Abschrift nach Jalta, Paris und London.
Dringend. Nach den in Paris und London unternommenen Schritten
haben wir alle Mittel, das Zustandekommen der Anleihe zu verhindern,
erschöpft. Aber die Notwendigkeit einer Anleihe macht sich hier immer
mehr fühlbar. Infolge dieser Erwägung und um Erstarkung des hiesigen
österreichisch-deutschen Einflusses vorzubeugen, entschließe ich mich,
Ihnen ein letztes Mittel vorzuschlagen, nachdem ich mich heute aus-
führlich mit meinem französischen Kollegen und den Vertretern der
französischen Banken ausgesprochen habe: Wir könnten zur Kenntnis
des Königs bringen, daß Rußland, das zwar der jetzigen Regierung nicht
traut, aber nach wie vor um Bulgarien und seine politische und finan-
zielle Unabhängigkeit besorgt ist, ihm jetzt folgenden Vorschlag macht:
Frankreich wird veranlaßt werden, den für das Land notwendigen Vor-
schuß, ungefähr 100 Millionen, dem Könige persönlich vorzustrecken,
ohne die schweren Bedingungen zu stellen, über die jetzt in Berlin be-
raten wird. Gleichzeitig muß man erklären, daß bis zum Abschlüsse einer
Anleihe Frankreich auf die Bezahlung der 75 Millionen Schatzscheine
und Rußland auf 45 Millionen Schatzscheine für militärische Lieferungen
verzichtet. Der Vertreter der französischen finanziellen Interessen in
Sofia ist überzeugt, daß eine derartige Operation der Realisation der An-
leihe gleichkommt und es den Berliner Banken unmöglich machen wird,
die Anleihe zu erhalten. Abgesehen davon, daß wir Bulgarien dem öster-
reichischen Einfluß in Zukunft entziehen, wird auf diese Weise auch
der hiesige Einfluß Österreichs und Deutschlands geschwächt, und früher
oder später wird auch der Sturz des jetzigen Kabinetts eintreten, wäh-
rend eine unmittelbare Entfernung der uns mißliebigen Minister große
Schwierigkeiten nach sich ziehen würde. Hiervon habe ich mir völlig
Rechenschaft gegeben, als ich gestern durch die Vermittlung
vonDobrowitschdem König riet, dasMinisteriumzu wech-
seln, und ich habe deshalb die Möglichkeit eines Kompromisses und
die Bildung eines Koalitionsministeriums angedeutet. Ich darf annehmen,
daß die französische Regierung wie früher, so auch diesmal auf unsere
Wünsche eingehen wird, wobei man natürlich im Auge behalten muß,
daß Paris viel günstigere Bedingungen als Berlin für eine eventuelle
1) Iswolski Bd. IV, Nr. 1336, S. 106.
509
Anleihe stellen muß, wovon übrigens der hiesige Vertreter der fran-
zösischen Banken überzeugt ist. Es ist dies ein sehr erfahrener Mensch,
der jederzeit alle Einzelheiten nach Paris übermitteln kann. Wenn die-
ser, ich gebe allerdings zu, nicht ganz gewöhnliche Plan Ihre Billigung
findet, so müssen wir uns ohne Verzug mit Paris verständigen, da der
Finanzminister die Anleihe jeden Tag unterzeichnen kann und dann die
ganze Frage wegen der deutschen Regierung verwickelt werden würde.
Ich habe mir diesen Schritt lange überlegt, bin aber zur Einsicht ge-
kommen, daß uns kein anderer Ausweg bleibt, wenn wir die Interessen
sowohl Bulgariens als auch Rußlands wahren wollen.
Sawinski.
Nr. 923.
Der russische Gesandte in Sofia an den
russischen Außenminister.*)
Geheimtelegramm. Sofia, den 4-/17- Mai I9I4«
Nr. 86.
Abschrift nach Paris und London.
Nach gewissen Anzeichen mißt man in Berlin der Anleihe so große
Bedeutung bei, daß man bereit ist, die Bedingungen zu mildern.
Der König hat mit seinem persönlichen Sekretär, einem gut russisch
gesinnten Franzosen, lange über die Schwierigkeit der Lage gesprochen.
Die Bedingungen seien schwer, aber er könne seinen Ministern, die diese
Bedingungen vorschlügen, keine andere Quelle nennen. Für den in Nr. 84
vorgeschlagenen Plan sei daher der psychologische Augenblick gekom-
men; versäume man ihn, so werde man vor einer vollendeten Tatsache
stehen.
Auch die französische Regierung sei in Sorge, die Anleihe könne den
Deutschen zufallen, und sie sei bereit, einen Vorschuß zu gewähren, wenn
Rußland sein veto aufgebe.
Sawinski.
1) Iswolski Bd. IV, Nr. i34i, S. 110.
5io
Nr. 924.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.J)
Geheimtelegramm. Paris, den 5./i8. Mai 19x4.
Nr. 122.
Nach Ansicht der französischen Regierung hegt es ebensosehr im fran-
sösischen wie im russischen Interesse, nicht zu gestatten, daß Bulgarien
unter den finanziellen und daraufhin den politischen Einfluß
Deutschlands und Österreichs gerät. Deshalb ist sie bereit, die
von unserem Gesandten in Sofia vorgeschlagenen Pläne anzunehmen.
Man gibt zu, es könne durch die Bildung eines Koalitionskabinettes Ma-
linow — Genadiew ein Kompromis gefunden werden. Die sofortige Ge-
währung eines Vorschusses schließe die Möglichkeit einer an einem an-
deren Orte geschlossenen Anleihe aus. Man könne dann die Gewährung
der Anleihe von dem Wechsel der politischen Ereignisse abhängig ma-
chen. Wenn Rußland hiermit einverstanden ist und sein veto zurück-
zieht, glaubt die französische Regierung, die französischen Banken be-
stimmen zu können, Bulgarien einen Vorschuß von 80 bis 90 Millionen
Franken zu gewähren und außerdem nicht auf der Zahlung der 75 Mil-
lionen Schatzbons zu bestehen. Die Anleihe könnte gegen Ende des
Jahres erfolgen.
Iswolski.
Nr. 925.
Streng vertraulicher Bericht des russischen Gesandten
in Belgrad an den russischen Außenminister* 2)
vom 6./19. Mai 1914.
Nr. 26.
Nachdem die Monarchen Serbiens und Montenegros rührende eigen-
händige Briefe gewechselt hatten, schien die Frage der Vereinigung der
beiden verwandten Länder ganz in Vergessenheit zu geraten. Da der
hiesige Vertreter Montenegros längere Zeit ohne jegliche Nachricht aus
Getinje geblieben war, begann er sich ernstlich zu beunruhigen und be-
fürchtete, daß König Nikolaus seine Haltung Serbien gegenüber wieder
geändert habe.
Entgegen allen Erwartungen hat jedoch Miuschkowitsch vor zwei Wo-
chen den dringenden Auftrag erhalten, sobald als möglich in einen
5i 1
*) Iswolski Bd. IY, Nr. i34a, S. m.
2) Benckendorff Bd.III, Nr. io56, S. 278.
endgültigen Meinungsaustausch mit Paschitsch über das in Aussicht ge-
nommene Übereinkommen zu treten und mit einem fertigen Programm
nach Cetinje zu kommen.
Natürlich hat sich Paschitsch wohlweislich enthalten, ein Programm
auszuarbeiten, bestätigte aber mit Vergnügen dem montenegrinischen
Vertreter mündlich, daß er mit den von mir schon früher erwähnten
Grundlagen eines Übereinkommens einverstanden sei, nämlich: Erhaltung
der Dynastie und der Unabhängigkeit beider Staaten; Verschmelzung der
beiden Armeen, wobei die beiden Monarchen die Kommandogewalt über
•die in den Grenzen eines jeden Königreichs befindlichen Truppen bei-
behalten; Gründung eines gemeinsamen Generalstabes, welcher gemein-
sam die militärischen Pläne ausarbeiten wird; gemeinsame Orientierung
der auswärtigen Politik und gemeinsame Auslandsvertretung; gleich-
artige gerichtliche und administrative Behörden; Vereinigung der Fi-
nanzen, der Zölle, der Post und Telegraphen.
Miuschkowitsch hat von diesen Wünschen Kenntnis genommen und
sich nach Cetinje begeben. Man besitzt hier keine offiziellen Nachrichten
über den Erfolg seiner Mission, aber aus geheimen Informationen geht
hervor, daß König Nikolaus seinem Gesandten einen sehr ungnädigen
Empfang bereitet hat und in eine nähere Besprechung über den ihm
gegebenen Auftrag nicht eingetreten ist. Ebenso ablehnend ist der Emp-
fang von seiten der Minister gewesen. Unter diesen Bedingungen ist
schwer damit zu rechnen, daß die serbischen und montenegrinischen Ver-
handlungen in nächster Zeit zu einem günstigen Resultat führen werden.
Unterdessen habe ich das geheime Schreiben des Ministergehilfen
Neratow vom 17. April Nr. 289 erhalten, durch das ich beauftragt werde,
mit dem serbischen Ministerpräsident über die militärische Lage in Mon-
tenegro in Verbindung mit der inneren und finanziellen Politik zu
sprechen.
Nachdem Paschitsch von mir erfahren hatte, daß wir prinzipiell be-
reit seien, die Frage der russischen Militärinstrukteure im Einklänge mit
den serbischen Plänen in Montenegro zu lösen, bat mich Paschitsch,
Ihnen seine aufrichtigste Dankbarkeit für unser beständiges Interesse
für Serbien auszudrücken. Er bittet mich, Ihnen zu versichern, daß in
dem in Aussicht genommenen serbisch-montenegrinischen Übereinkom-
men die russischen Wünsche hinsichtlich der militärischen Fragen be-
rücksichtigt werden sollen.
Hartwig.
5l2
Nr. 926.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.*)
Geheimtelegramm. Paris, den 10./23. Mai 1914.
Nr. 125.
Margerie sagt mir soeben, daß die Kreditinstitute, die sich bisher mit
den bulgarischen Anleihen befaßt haben, wie Banque de Paris et des
Pays-Bas, Crédit Lyonnais, Société Générale, Comptoir National d’Es-
compte usw. sich hartnäckig weigern, unter Berufung auf die unbefrie-
digende Lage des Marktes, was es auch sei, Bulgarien vorzuschießen.
Margerie beabsichtigt, sich an andere Finanzgruppen zu wenden, die Be-
ziehungen zu Creusot und der Régie Générale unterhalten und an Lie-
ferungen und dem Bau von Eisenbahnen in Bulgarien interessiert sind.
Er hofft, mir morgen Antwort geben zu können.
Is wolski.
Nr. 927.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister.1 2)
Geheimtelegramm. Paris, den 17./30. Mai 1914.
Nr. i34.
Die Verhandlungen mit den Banken sind noch nicht beendigt. Margerie
erhofft einen günstigen Ausgang, wird aber schwerlich vor Dienstag
Antwort erhalten, da Montag Festtag, der 2. Feiertag, ist. Was den
Wortlaut der dem Könige zu machenden Mitteilung anbetrifft, ist die
französische Regierung der Ansicht, er müsse einen durchaus freund-
schaftlichen Charakter tragen und an die traditionellen Gefühle Ruß-
lands Bulgarien gegenüber erinnern. Deshalb meint man hier, es würde
gerade gegen den beabsichtigten Zweck sein, wenn man schon jetzt vor
dem endgültigen Abschluß der deutschen Anleihe von dem König eine
bestimmte Verpflichtung verlangen wollte, das Ministerium Radoslawow
durch ein anderes zu ersetzen. Die französische Regierung schlägt fol-
genden Wortlaut vor, den unser Gesandter dem Könige mitteilen könnte:
„Eure Majestät wissen, daß die bulgarische Regierung unter Berufung
auf private Nachrichten es nicht für nötig erachtet hat, sich an die
französische Regierung zu wenden, um zur Befriedigung der finan-
ziellen Bedürfnisse Bulgariens den Pariser Markt in Anspruch zu nehmen.
1) Iswolski Bd. IV, Nr. 1348, S. 117.
2) Iswolski Bd.IV, Nr. 1354, S. 134.
33 Boghitscbewitscli, Serbien 31.
5i3
Die bulgarische Regierung hat sich an die deutschen Banken gewandt und
ein Abkommen unter für Bulgarien sehr drückenden Bedingungen steht
vor dem Abschluß. Ein derartiges Abkommen droht, für eine ziemlich
lange Zeit die wirtschaftliche und sogar bis zu einem gewissen Grade
die politische Unabhängigkeit des Landes zu beeinträchtigen. Die rus-
sische und französische Regierung, von dem Wunsche beseelt,
Bulgarien den Beweis ihrer uneigennützigen Freund-
schaft zu geben, (?!) haben sich an die Pariser und Peters-
burger Banken gewandt, um zu untersuchen, ob sich nicht der bulgarischen
Regierung die für ihre augenblicklichen Bedürfnisse nötigen Mittel zur
Verfügung stellen ließen, bis etwa in einigen Monaten günstigere Ver-
hältnisse gestatteten, eine endgültige Anleihe abzuschließen. Die rus-
sischen und französischen Banken haben sich in ihrer Antwort auf diese
Aufforderung bereit erklärt, sofort etwa 60 Millionen Franken vorzu-
schießen. Außerdem stimmen sie zu, daß die Zurückzahlung der Schatz-
bons bis zum Abschluß der Anleihe hinausgeschoben wird. Ich bin be-
auftragt worden, Eurer Majestät diese Mitteilung zu machen, die das
Interesse beweist, das Rußland und Frankreich an Bulgarien nehmen.
Meine Regierung hofft, Eure Majestät werden die Bedeutung dieses
Schrittes zu schätzen wissen.“
Iswolski*
Nr. 928.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 160.
Belgrad, den
20. Mai
2. Juni
1914.
Auszug: Bezieht sich auf Telegramm i54.
In letzter Zeit hat sich das Verhältnis zwischen der Regierung und
den Oppositionsgruppen auf Grund innerer Angelegenheiten verschärft.
Tatsächlich war der durch den Kampf besonders nach den durchlebten
schweren Ereignissen ermüdete Paschitsch geneigt, zurückzutreten; aber
ausschließlich unter dem Einfluß meiner freundschaft-
lichen Hinweise auf den ungünstigen Eindruck, den sein
Rücktritt vor Erledigung wichtiger politischer Fragen
auf die kaiserliche Regierung machen würde, hat er von
einem solchen Entschluß Abstand genommen. Inzwischen
hat sich die Lage der Dinge verschlechtert: die scharfen gegenseitigen
Beschuldigungen in der Skupschtina haben einen oppositionellen Block
geschaffen, der beschlossen hat, Obstruktion zu üben; zwei Tage hat
dieser Block an den Sitzungen nicht teilgenommen. Obwohl die Re-
5i4
gierung über ein Qtiorum verfügt, ist dasselbe doch so gering, daß eine
Arbeit unmöglich wird. Nach Erschöpfung aller Verständigungsmittel
ist Paschitsch entschlossen, wenn auch nicht heute oder morgen, die
Auflösung der Skuptschina vorzuschlagen. Vom Könige wird es abhän-
gen, wem die Durchführung der Wahlen übertragen wird — der gegen-
wärtigen Regierung oder dem Block, wenn letzterer in der Lage ist, ein
Koalitionskabinett zu bilden. In jedem Fall werden die Neuwahlen, so-
wohl den einen, wie den anderen in Anbetracht des Herannahens der
Feldarbeitssaison große Schwierigkeiten bereiten.
Die in dieser Zeit von der Opposition zur Verhinderung der Arbeit der
Skupschtina ausgeübte Obstruktion veranlaßte Paschitsch vom König den
Rücktritt des Kabinetts zu erbitten. Vor einer endgültigen Beschlußfas-
sung hat der König die Führer der oppositionellen Parteien zu einer
Besprechung aufgefordert. Die Bildung eines neuen Ministeriums durch
irgendeinen von ihnen wird schwierig sein, und daher wird es höchst
wahrscheinlich zu einer Auflösung der Skupschtina kommen, wobei dem
gegenwärtigen Kabinett die Durchführung der Neuwahlen übertragen
wird.
Nr. 929.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 162. Belgrad, den 1914.
Die sich durch eine ganze Woche hinziehenden Verhandlungen mit
den Führern der Opposition haben den König von der vollständigen Un-
fähigkeit der Letzteren zur Regierungsbildung überzeugt. In Anbetracht
dessen hat Seine Majestät Paschitsch auf’s neue berufen. Das Kabinett
bleibt im bisherigen Bestände mit dem Recht zur Erledigung einiger
eiliger Gesetzesprojekte, zur Auflösung der Skupschtina und zur Durch-
führung der Neuwahlen.
Nr. 930.
Der russische Botschafter in Paris an den
russischen Außenminister. *)
Geheimtelegramm. Paris, den 6./19. Juni 1914.
Nr. i63.
Eine Gruppe von Finanzleuten, mit der Bank Perier an der Spitze,
beabsichtigt, Bulgarien nicht eine gewisse Summe vorzuschießen, son- i)
i) Iswolski Bd. IV, Nr. i36g, S. i36.
5i5
dem sofort die Unterbringung einer Anleihe von 200 Millionen Franken
zu übernehmen. Sie rechnet auf die Beteiligung der russischen Banken,
die im Austausch von in ihrem Besitze befindlichen bulgarischen Schatz-
bons gegen Obligationen der neuen Anleihen bestehen würde, und zwar
so, daß sie keine neuen Ausgaben haben würden. Ich bitte Sie, mir
mitzuteilen, ob die russische Regierung diesen Plan billigt.
Iswolski.
Nr. 93i.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 175. Belgrad, den 11./2 4-Juni igi4-
Übertragung krankheitshalber der Regentschaft seitens Königs Peters
an den Thronfolger. Auflösung der Skupschtina. Ausschreibung von
Neuwahlen für den 1. August. Einberufung der Skupschtina für den
10. September.
Hartwig.
Nr. 932.
Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg,
an das Ministerium des Äußern in Sofia. *)
Petersburg, den 14-/27. Juni 1914«
Sasonow sprach in erregtem Tone über die Anleihe. „Ihr wollt euch
unter das Joch begeben als Vasallen Österreichs und Deutschlands. Ich
möchte sehen, was ihr davon haben werdet und wie ihr euch nachher
davon befreien werdet. Frankreich hat Geld auf rein finanzieller Basis
gegeben, aber es ist unmöglich, daß die Anleihe in Deutschland keinen
politischen Charakter hat. Euere Staatsmänner begehen ein großes Un-
recht an Bulgarien, daß sie diese Anleihe machen.
*) Bulgarisches Orangebuch Band I, Nr. 188, S. 108.
5i6
Nr. g33.
Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.1)
Petersburg, den 1914*
Gestern besuchte mich der türkische Militärattache, Major Mumtas
Bey, ein Kamerad und persönlicher Freund Enver Paschas. Er äußerte
sich in sehr bestimmter Form für ein Offensivbündnis zwischen Bul-
garien und der Türkei. Zum Ziele hätte dieses Bündnis: Bulgarien soll
Rumänien im Schach halten und Serbien bis zu einer gewissen Zeit, wäh-
rend dagegen eine türkische Armee von 3ooooo Mann durch Gjumurd-
schina durchmarschieren und die Griechen und Serben in Mazedonien
an greifen soll.
Ich sagte ihm, daß diese Kombination gut sei, nur müsse diesbezüglich
Konstantinopel mit Sofia direkt verhandeln. Er insistierte aber, daß ich
diesen Gedanken als meinen persönlichen nach Sofia lancieren solle.
Es scheint, daß Enver Pascha, als er die Unmöglichkeit die Griechen
zu Wasser zu bekämpfen einsah, sich zu einem Feldzuge zu Lande gegen
die Griechen entschloß.
Es wird gut sein, daß wir für eine solche Eventualität vorbereitet sind
und wenn wir uns entschließen neutral zu bleiben, daß wir in diesem
Falle die ägäische Küste schützen können gegen einen Einfall der Türken.
Hier habe ich mit den Russen nichts über diesen Vorschlag gespro-
chen. Ich werde auf ihre diesbezüglichen Instruktionen warten.
Neulich sagte mir Sasonow, er fürchte, daß sich Enver in ein Aben-
teuer stürzen wolle. Ich verbinde diese beiden Gespräche mit dem Be-
merken, daß es sich um eine seriöse Sache handelt.
Dimitrieff.
Vermerk: Bulgarien ist entschlossen, strenge Neutralität zu wahren.
Radoslawoff.
Nr. 934.
Legationsrat Ritter von Storck an Graf Berchtold.* 2)
Belgrad, den 29. Juni 1914«
Wir alle stehen noch immer derart unter dem erschütternden Eindruck
der gestrigen Katastrophe, daß es mir schwer fällt, mit der nötigen
Fassung, Sachlichkeit und Ruhe das blutige Drama in Sarajevo von hier
*) Bulgarisches Orangebuch Band I, Nr. 189, S. 108.
2) Österreichisches Rotbuch 1914, Nr. 1, S.i* 1
5l7
aus entsprechend zu beurteilen. Ich bitte daher, mich vorläufig auf die
Registrierung einiger Tatsachen beschränken zu dürfen.
Gestern — den i5./28. — wurde der Jahrestag der Schlacht a*n
Amselfelde festlicher als sonst begangen und der serbische Patriot Milosch
Obilitsch gefeiert, der 1389 mit zwei Gefährten den siegreichen Murad
meuchlings erstochen hat.
Wo Serben leben, gilt Obilitsch als der Nationalheros. An die Stelle
der Türken sind aber — 'dank der unter der Ägide der könig-
lichen Regierung gezüchteten Propaganda und der seit
Jahren betriebenen Preßhetze — nunmehr wir als die Erb-
feinde getreten.
Den drei jugendlichen Sarajewoer Attentätern, Princip, Tschabrino-
witsch und dem dritten unbekannten Bombenwerfer scheint daher eine
Wiederholung des Dramas auf dem Ivossovopolje vorgeschwebt zu
haben. Sie haben noch eine unschuldige Frau mit erschossen und mögen
glauben, damit ihr Vorbild noch übertroffen zu haben.
Jahrelang ist in Serbien Haß gegen die Monarchie gesät worden. Die
Saat ist aufgegangen und Mord ward geerntet.
Die serbische Regierung hat auf die zirka 5 Uhr nachmittags bekannt-
gewordene Nachricht hin die Obilitsch-Feier um io Uhr abends offiziell
abstoppen lassen; inoffiziell und in der Dunkelheit hat sie aber noch ge-
raume Zeit weiter gedauert.
Die Leute sollen sich vor Freude in die Arme gefallen sein (Augen-
zeugen), und man hörte Bemerkungen wie: „recht ist ihnen geschehen,
wir haben das schon lange erwartet“, oder „das ist die Rache für die
Annexion“.
Nr. 935.
Herr Crackanthorpe an Sir Edward Grey.1)
120. Vertraulich. Belgrad, den 2. Juli 1914«
Euerer Exzellenz
beehre ich mich zu berichten, daß die Nachricht von der in Sarajewo
erfolgten Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Ge-
mahlin, der Herzogin von Hohenberg, in Belgrad mehr ein Gefühl der
Betäubung als des Bedauerns hervorrief. Am meisten, besonders in
amtlichen Kreisen, fällt ein Gefühl der Besorgnis auf, daß gegen die
Serben in Bosnien und in allen Teilen der Monarchie, wo das serbische
Element vorherrscht, zu harte Unterdrückungsmaßnahmen ergriffen!
werden könnten. Man befürchtet, daß derartige Maßnahmen die öffent-
*) Britische Dokumente Bd. r, Nr. 27, S. 36.
5l8
liehe Meinung in Serbien erregen und den Anlaß zu österreichfeindlichen
Kundgebungen bieten würden, die nicht verfehlen können, eine Spannung
in den gegenseitigen Beziehungen der beiden Länder sowie ernstliche
Verwicklungen hervorzurufen.
Der vergangene Sonntag — der Tag, an dem der Mord stattfand —
war der 025. Jahrestag der Schlacht von Kossowo, als die Niederlage der
Serben durch die Türken den Untergang des serbischen Reiches Du-
schans herbeiführte. Diesen Jahrestag hat man in Serbien bislang als
Nationaltrauertag begangen; aber in diesem Jahre wurde er zum ersten-
mal zum Anlaß eines Nationalfestes gemacht, und zwar infolge der den
Türken im Jahre 1912 durch die serbische Armee beigebrachten Nieder-
lagen und zum Dank für die Wiedereroberung von Altserbien und Kos-
sowo durch die Serben. Der Tag wurde daher in ganz Serbien gefeiert,
und viele Serben und Kroaten kamen von jenseits der Grenze nach Bel-
grad, um an den Freudenkundgebungen teilzunehmen, die sich in Form
von patriotischen Umzügen durch die Straßen der Stadt abspielten. Als
sich in Belgrad die Nachricht von der Ermordung verbreitete (ungefähr
um 8 Uhr abends), erließ die serbische Regierung in der Befürchtung,
die chauvinistischen Elemente könnten in der durch die patriotischen
Festlichkeiten erzeugten Wallung den Demonstrationen eine österreich-
feindliche Färbung verleihen, eine Verfügung, daß sämtliche Vergnü-
gungsstätten einschließlich der Cafés zum Zeichen der Trauer um
10 Uhr die Lichter zu löschen und ihre Lokale zu schließen hätten.
In seiner Ausgabe vom 29. Juni veröffentlichte das Regierungsorgan
„Samouprava“ einen Leitartikel, der das traurige Geschehnis tief be-
klagte, den Mord am Erzherzog verurteilte und erklärte, daß es sich nur
um die Tat eines unverantwortlichen Wahnsinnigen handeln könne. Das
Organ der Hauptoppositionspartei1) (Unabhängige Radikale) äußerte je-
doch in seiner Nummer vom selben Tage — wenn es darin auch Aus-
drücke des Bedauerns fand — die Meinung, daß der Erzherzog einen;
Mißgriff beging, als er den Manövern in Bosnien beiwohnte, deren offen-
sichtlicher Zweck es gewesen sei, die Verteidigung der Provinz gegen
einen serbisch-montenegrinischen Angriff zu erproben, und als er in
einem Mittelpunkt des Serbentums wie Sarajewo just in dem Augenblick
Paraden abhielt, da in der serbischen Hauptstadt patriotische Festlich-
keiten stattfanden.
Der Generalsekretär des serbischen Auswärtigen Amtes, den ich heute
morgen sah, drückte sich, indem er jede Verantwortung der serbischen
Regierung für das Verbrechen ablehnte, ganz ähnlich darüber aus. Ich
wurde von meinem italienischen Kollegen vertraulich davon in Kenntnis
gesetzt, daß zwischen Herrn Gruitsch und dem österreichischen Ge-
schäftsträger eine ziemlich heftige Unterredung stattgefunden hat, als
*) „Odjek“.
5l9
dieser auf dem Auswärtigen Ministerium vorsprach, um Herrn Gruitsch
für seinen Kondolenzbesuch zu danken. Wie es scheint, hat Herr von
Storck den Generalsekretär inoffiziell gefragt, ob es die serbische Regie-
rung in Anbetracht der Tatsache, daß beide Verhaftete kürzlich in Bel-
grad gewesen seien, nicht für ratsam halte, eine Untersuchung über die
näheren Umstände des Verbrechens einzuleiten. Offenbar nahm Herr
Gruitsch dies als Andeutung einer Verantwortlichkeit der serbischen Re-
gierung für das Verbrechen recht übel auf. Es kam zu einem erregten
Wortwechsel, und für den Augenblick sind die Beziehungen zwischen der
österreichischen Gesandtschaft und dem serbischen Ministerium des
Äußern sehr gespannt.
Ich habe usw.
Dayrell Crackanthorpe.
Nr. 936.
Sir M. de Bimsen an Sir Edward Grey.1)
Erhalten 6. Juli.
Nr. 182. Wien, den 2. Juli 1914.
Euere Exzellenz!
Die sterblichen Überreste des ermordeten Erzherzogs und seiner Ge-
mahlin wurden am 3o.Juni mit dem Zuge von Sarajewo nach Metko-
witsch in Dalmatien, und von dort auf einem kleinen Dampfer zur Mün-
dung der Narenta gebracht, wo sie an Bord des österreichisch-ungarischen
Dreadnoughts „Viribus Unitis“ unter Eskorte eines Geschwaders von
Schlachtschiffen und kleiner Kreuzer nach Triest übergeführt wurden.
Unterwegs wurden ihnen feierliche Ehrenbezeigungen erwiesen; das ge-
schah namentlich in Triest, wo man die Särge heute morgen in den Zug
brachte, mit dem sie noch am späten Abend in Wien eintreffen sollen.
Die Särge werden bis morgen abend in der Kapelle der Hofburg bleiben
und von da nach ihrer letzten Ruhestätte in die Kapelle von Artstetten
verbracht werden, einem alten Schloß und Eigentum des verstorbenen
Erzherzogs, das ungefähr 60 Meilen westlich von Wien unweit des Nord-
ufers der Donau liegt. Die Aufbahrung und Seelenmesse werden mor-
gen in der Hofburgkapelle stattfinden.
Das Entsetzen, das durch die besondere Abscheulichkeit des am Sonn-
tag verübten Verbrechens erzeugt wurde, hat unglücklicherweise zu hef-
tigen Demonstrationen der Rassengegnerschaft in den südslawischen Pro-
vinzen der Doppelmonarchie, das heißt namentlich in Bosnien und
Kroatien, geführt. In Sarajewo selbst gingen die römisch-katholischen
*) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 28, S. 37. ,
020
Kroaten mit einer starken Beimischung mohamedanischer Slawen daran,
alles Eigentum der orthodoxen Serben, dessen sie habhaft werden konn-
ten, zu zerstören. Serbische Hotels, Läden und Privathäuser wurden ge-
plündert und ihre Einrichtungen auf die Straße geworfen. In einzelnen
Fällen trug man den marodierenden Banden österreichische Fahnen und
Bildnisse des Kaisers voran. Den schwächlichen Versuchen der Polizei,
die Ordnung wiederherzustellen, wurde Trotz geboten. Das Zerstörungs-
werk nahm am Montag, den 29. Juni, also dem auf den Mord folgenden
Tag, seinen Fortgang, und da Meldungen über ähnliche Gewalttätigkeiten
auch aus anderen Teilen der beiden annektierten Provinzen einliefen,
wurde am Nachmittag des 29. das Standrecht über Sarajewo und Um-
gebung und am i.Juli über das gesamte Gebiet der beiden Provinzen
verhängt. Unruhen werden auch aus Agram berichtet, und es scheint
ziemlich klar zu sein, daß die Arbeitsgemeinschaft zwischen Kroaten und
Serben, das Ergebnis des Fiumaner Manifestes vom Oktober 1905, durch
das man gehofft hatte, für die südslawischen Nationalitäten größere
politische Unabhängigkeit zu erlangen, vorerst völlig erledigt ist. In
Wahrheit trennt die beiden Völker bloß der Unterschied der Religion
und der Umstand, daß ihre gleichlautende Sprache von den Kroaten mit
lateinischen und von den Serben mit zyrillischen Buchstaben geschrieben
wird. Daher dürften diejenigen südslawischen Aspirationen, deren Ver-
wirklichung von der Vereinigung der verschiedenen slawonischen Rassen
unter der österreichisch-ungarischen Herrschaft abhängen, einen ent-
schiedenen Rückschlag erfahren haben.
Andererseits kann nur die Zukunft lehren, ob der Traum eines Groß-
serbien durch einen Frevel, der das Polizeiregime in Bosnien und der
Herzegowina noch unendlich strenger als bisher gestalten muß, der Er-
füllung nähergebracht worden ist oder nicht.
Was die Beziehungen zwischen der Doppelmonarchie und Serbien be-
trifft, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß nun eine Periode starker
Spannung eintreten wird. Herr Jowanowitsch, der serbische Gesandte in
Wien, ist über die Aussicht verzweifelt, seine Bemühungen um die Rege-
lung der Orientbahnfrage und anderer zwischen den beiden Ländern
schwebender Punkte vollkommen gescheitert zu sehen, wie er das jetzt
befürchtet. (?) Die Wiener Presse nimmt es als ausgemacht an, daß die
Mordtat von Sarajewo in Belgrad geplant wurde, und daß die serbische
Regierung, obgleich nicht unmittelbar in die Sache verwickelt, doch
schuldig ist, die Pläne der politischen Extremisten begünstigt zu haben,
die darauf abzielen, die österreichisch-ungarische Herrschaft in den be-
nachbarten Provinzen zu untergraben. Serbien wird daher dafür verant-
wortlich gemacht, daß es die Atmosphäre hat schaffen helfen, in der das
scheußliche Verbrechen von Sarajewo geboren wurde.
Ich bin usw.
, Maurice de Bunsen.
Ö2I
Nr. 937.
Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler.1)
Belgrad, den 2. Juli 1914* 2).
Wie mir der österreichisch-ungarische Geschäftsträger mitteilt, hat er
gestern von sich aus an den Generalsekretär im hiesigen Auswärtigen
Ministerium die Frage gerichtet, was die serbische Regierung angesichts
der selbst nach den slawischen Blättern auf Serbien und
Belgrad weisenden Zusammenhänge mit dem Attentat zu
deren Ermittelung angeordnet habe. Herr Gruitsch erklärte
ihlm darauf, daß bis jetzt nichts geschehen sei und die Sache die
serbische Regierung auch nichts anginge3), und fragte seiner-
seits, ob der Geschäftsträger im Namen seiner Regierung spreche. Herr
von Storck ist ihm dann sehr deutlich geworden und hat ihm sein
tiefstes Befremden darüber ausgedrückt, daß eine Regierung, die fort-
während versichere, mit ihren Nachbarn in korrekten Beziehungen
leben zu wollen, eine derartige Gleichgültigkeit an den Tag
lege. Die Unterredung scheint beiderseits ungemein erregt ge-
führtworden zu sein und hat damit geendet, daß der Generalsekre-
tär sofort mit dem Minister des Innern sich ins Benehmen setzte. Es
verlautet nunmehr, daß am gestrigen Abend einige Verhaftun-
gen und Haussuchungen in den von den Attentätern seiner-
zeit bewohnten Quartieren vorgenommen wurden. Auch sollen
nähere Ermittlungen darüber im Gange sein, welcher* Gesellschaften und
nationalistischen Vereinen die Attentäter angehört haben, wie sie in den
Besitz der Bomben gelangt sind und woher die angeblich
bei ihnen Vorgef undenen Gelder stammen.
v. Griesinger.
Randbemerkung des Kaisers:
sehr bezeichnend.
!) Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch I, Nr. 12.
2) Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 5. Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser
vor, von ihm am i3. Juli zurückgegeben, am 16. Juli wieder im Amt. Gemäßi kaiserj-
licher Randverfügung am 20. Juli der Botschaft in Wien mitgeteilt.
3) Die Worte „jetzt nichts geschehen“ und „nichts anginge“ vom Kaiser zweimal
unterstrichen, am Rand zwei Ausrufungszeichen des Kaisers.
522
Nr. g38.
Der bulgarische Gesandte Toscheff, Konstantinopel,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.x)
c i 20. JlUli ,
oona, den—ö-t T. iqi/h
o.Juli
Marquis Pallavicini* 2), den ich heute sah, sagte mir, er befürchte, die
Ermordung des österreichischen Thronfolgers werde gefährliche Folgen
für die innere und äußere Politik der Monarchie nach sich ziehen. Bezüg-
lich der inneren Politik fürchtet er, die antiserbische und bis zu einem
gewissen Grade auch antirumänische Bewegung möchte hauptsächlich von
seiten der Ungarn eine Verstärkung erfahren, die in der Person des auf
tragische Weise umgekommenen Thronfolgers mit Recht einen Be-
schützer der Rumänen und sogar auch der Serben ge-
sehen hätten. Das sei auch die Hauptursache gewesen, weshalb der
Erzherzog Franz Ferdinand sich nicht der Sympathien der Ungarn er-
freut habe. Insbesondere hätten diese nichts von dem sogenannten Tria-
lismus hören wollen, der einen der politischen Träume des verstorbenen
Fürsten gebildet habe. Mit der Verwirklichung dieser Idee habe er ein
noch größeres Gleichgewicht zwischen Österreich und Ungarn und eine
Minderung des Ansehens des serbischen Elements außerhalb der Grenzen
des Kaiserreichs durch Stärkung desselben Elements im Reiche selbst
verfolgt.
Marquis Pallavicini befürchtet, der Haß, der sich seit Jahren gegen die
Serben hauptsächlich in Bosnien und der Herzegowina aufgehäuft habe,
möchte sich in einer Weise äußern, die ernste innere Unruhen herbei-
führen könnte. Alle diejenigen Elemente, ohne Unterschied der Religion
und der Nationalität, die aus dem einen oder anderen Grunde Haß
gegen einzelne Serben nähren, würden selbstverständlich die Gelegenheit
benutzen, um sich zu rächen, indem sie sich dabei zu Plünderungen
und allen möglichen anderen Ausschreitungen hinreißen ließen.
Vom Gesichtspunkte der äußeren Politik aus befürchtet der Herr Bot-
schafter die Komplikationen, die mit der formellen Abdankung des
Königs Peter, mit der Vereinigung Serbiens mit Montenegro sowie auch
mit der obligatorischen und endgültigen Lösung der albanischen Frage
eintreten könnten. Der Funken könnte leicht gerade von der Seite auf-
kommen und diesmal auch außerhalb der Balkanhalbinsel einen Brand
entzünden. Dies bilde heute den schwärzesten Punkt am Horizonte. Daß
Albanien zwischen Serbien und Griechenland geteilt würde, würden
*) Bulgarisches Orangebuch Bd. I, Nr. 191, S. 109.
Deutsche Übersetzung „Kriegsschuldfrage“, März 1928.
2) Österreichisch-ungarischer Botschafter in Konstantinopel.
523
Österreich and Italien nicht gestatten, und daß sich die beiden letzteren
in das neue Fürstentum teilten, sei gleichfalls unmöglich, da weder die
Monarchie ein Interesse daran habe, Kolonien auf dem Balkan zu be-
sitzen, noch auch Italien gegenüber erlauben könnte, die Hand nach Va-
lona auszustrecken. Die einzige Lösung sei die Entsendung eines inter-
nationalen Korps von wenigstens 60000 Mann, das unter den Albanesen
Ruhe schaffe, indem es sie entwaffne und wenigstens 10 Jahre lang in
ihrem Lande bleibe. Auch das würde nicht leicht zu verwirklichen sein,
da nicht alle Großmächte mit einer solchen (Ziffer unleserlich) einver-
standen sein würden, und selbst, wenn sie einverstanden wären, würden
sie so gegeneinander intrigieren, daß der Effekt gerade dem angestrebten
Ziele entgegengesetzt sein würde.
Nach dieser kleinen Abschweifung wandte sich Marquis Pallavicini
wieder dem Morde in Sarajewo zu. Er ist überzeugt, daß eines der Re-
sultate dieses Verbrechens eine allgemeine Abkühlung gegenüber dem
offiziellen Serbien sein werde, da niemand mehr zweifle, daß die Regie-
renden in Belgrad bei dem vollbrachten Attentat ihre Hand im Spiele ge-
habt hätten. In England, wo sich das Königreich Serbien auch ohnedies
nicht besonderer Sympathien erfreue, würde jetzt die Stimmung noch
weniger Serbien günstig sein. Großen Einfluß würde das Attentat auch
in Berlin ausüben, wo man ein gewisses Wohlwollen Belgrad gegenüber
zu zeigen angefangen habe. Marquis Pallavicini meinte sogar, es werde
gar nicht gut auf die serbenfreundlichen Gefühle wirken, die man in
Rumänien hege, wo der verstorbene Thronfolger sich dank seiner be-
kannten Schwäche für das rumänische Volk überhaupt wirklicher Sym-
pathien erfreut habe.
Über den jungen Thronfolger äußerte sich Marquis Pallavicini, er sei
intelligent und vielversprechend, vom politischen Gesichtspunkte aus sei
er jetzt ein verschlossenes Buch.
Betreffs eines eventuellen Wechsels in der Wiener Regierung, infolge
des eingetretenen Ereignisses, sieht der Herr Botschafter keine beson-
deren Gründe, die einen solchen Wechsel motivieren könnten. Im Gegen-
teil würde jetzt mit dem Verschwinden eines so wichtigen Faktors, wie
es der ermordete Thronfolger gewesen sei, Graf Berchtold viel selbstän-
diger sein, da es niemanden gebe, der sich in seine Arbeit einmische.
Und wenn auch irgendein Wechsel käme, werde er wahrscheinlich erst im
Herbst stattfinden. Es würde nicht zu verwundern sein, wenn eines Tages
Graf Tisza zur Macht käme, obwohl dem Kaiser sehr an seinem Ver-
bleiben an der Spitze der ungarischen Regierung liege, bis die wichtigen
Reformen im Königreiche durchgeführt seien.
Aus anderer Quelle erfahre ich, daß unter den möglichen Nachfolgern
des Grafen Berchtold auch der Name des Marquis Pallavicini genannt
werde.
A. Toscheff.
524
Nr. 939.
Graf Sz6csen an Graf Berchtold.*)
Telegramm. Paris, 4* Juli 1914*
Ich habe heute Herrn Poincare den Dank der. k. u. k. Regierung für
sein Beileid übermittelt.
Auf die serbenfeindlichen Demonstrationen bei uns anspielend, er-
wähnte er, daß nach der Ermordung des Präsidenten Carnot in ganz
Frankreich alle Italiener den ärgsten Verfolgungen seitens der Bevölke-
rung ausgesetzt waren.
Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß die damalige Bluttat mit
keinerlei antifranzösischer Agitation in Italien im Zusammenhänge stand,
während man jetzt zugeben muß, daß in Serbien seit Jahren mit allen
erlaubten und unerlaubten Mitteln gegen die Monarchie gehetzt wird.
Zum Schlüsse sprach Herr Poincare die Überzeugung aus, die serbische
Regierung werde uns bei der gerichtlichen Untersuchung und der Ver-
folgung eventueller Mitschuldiger das größte Entgegenkommen zeigen.
Einer solchen Pflicht könne sich kein Staat entziehen.
Nr. 940.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 180. Belgrad, den 1914.
Auszug.
In Anbetracht der von der österreichischen Presse behaupteten An-
wesenheit der Mörder von Sarajewo in Belgrad haben die hiesigen Be-
hörden sofort Maßnahmen zur Nachprüfung der verbreiteten Nachrich-
ten getroffen. Unter anderem hat sich jetzt herausgestellt, daß die Bel-
grader Polizei im Frühling die Ausweisung Tschabrinowitschs aus Ser-
bien wegen Verdächtigkeit verfügt hat. Auf Bitten des letzteren hat sich
aber das österreichisch-ungarische Konsulat schriftlich an die Polizei mit
der Erklärung gewandt, daß die genannte Person völlig einwandfrei sei
und das Konsulat daher darauf bestehe, daß ihm das Recht des weiteren
Aufenthalts in Belgrad zugestanden werde* 2). Dieses Dokument wird im
*) Österreichisches Rotbuch igi4, Nr. 4» S.3.
2) Den genauen Sachverhalt siehe „Kriegsschuldfrage“ September 1927, S. 882 ff.
Wie nachträglich bekannt geworden ist, haben die österreichischen Behörden nicht des-
wegen darauf bestanden, daß Tschabrinowitsch auch weiter in Serbien verbleibt, weil er
gut beleumundet, sondern im Gegenteil, weil er seiner anarchistischen Gesinnung we-
gen übel beleumundet war und die österreichischen Behörden froh waren, daß sie ihn
losgeworden sind.
525
Archiv aufbewahrt. Was Princip anbetrifft, so mußte er wegen seiner
Bettelarmut und der Absage seiner Eltern, ihm die erbetenen minimalen
Summen zu schicken, was aus den in der von ihm gemieteten Unterkunft
befindlichen Antwortbriefen hervorgeht, für seine Ausreise aus Belgrad
einen warmen Mantel für 8 Franken versetzen, worüber sich im Lom-
bard eine Quittung befindet. Nach Ansicht der hiesigen Behörden er-
scheinen daher solche Enthüllungen über die Mörder sehr sonderbar.
Nr. 941.
Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler, *)
Belgrad, den 6. Juli igi4* 2)*
Die schicksalsvollen Ereignisse der vergangenen Wochen haben die
allgemeine Aufmerksamkeit in so hohem Maße auf die Wirksamkeit der
sogenannten „Narodna Odbrana“ (wörtlich übersetzt Volkswehr)
hingelenkt, daß eine zusammenfassende Übersicht ihrer Entstehung, Or-
ganisation, Ziele und Mittel im gegenwärtigen Zeitpunkt von besonderem
Interesse sein dürfte.
Das Jahr 1908, wo Serbien sich gegen die Annexion Bosniens und der
Herzegowina durch die Nachbarmonarchie wild aufbäumte, aber dann,
von Rußland im Stich gelassen, sich mit der Einverleibung dieser „echt
serbischen Länder“ in Österreich-Ungarn abfinden und sogar vor aller
Welt erklären mußte, hierdurch „nicht beleidigt zu sein“, hatte der ser-
bischen Volksseele eine nicht vernarbende Wunde geschlagen. Kurz zuvor
waren durch den Ausbruch der jungtürkischen Revolution die Hoff-
nungen Serbiens auf Mazedonien und Altserbien stark verringert worden,
und die Früchte einer vieljährigen, kostspieligen und opfer-
reichen Propaganda drohten verlorenzugehen. Die Poli-
tiker aller Parteien sahen die Zukunft des Landes auf das äußerste ge-
fährdet; sie waren überzeugt, daß Serbien sich nur mit Einsatz aller
Kräfte der Umklammerung durch den übermächtigen Nachbarn er-
wehren könne. Damals begannen die radikalen Regierungen in Serbien
sich ernstlich für einen Entscheidungskampf vorzubereiten
und eine Rüstungsanleihe nach der andern aufzunehmen.
Im Zusammenhang damit trat die Idee der Narodna Odbrana in
die Erscheinung.
Sie war gedacht als ein patriotisch-nationalistischer Geheimbund,
der nicht bloß das Königreich Serbien, sondern sämtliche
*) Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch I, Nr. 19 a.
2) Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 9. Juli vorm. Lag dem Kaiser vor. Durch
Randverfügung des Kaisers an Kultusminister, Minister des Innern und den Polizei-
präsidenten von Berlin mitgeteilt.
526
Länder mit serbischen Bevölkerungseiementen umfassen
sollte und bestimmt, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Stammes-
einheit zu entwickeln und zu kräftigen und auf dem so vorbereiteten
Boden an der realen Durchführung dieser Vereinigung mit allen Mitteln
zu arbeiten. Das Schlagwort lautete: „Arbeit an der Befreiung der
unterjochten Brüder.“ In die Leitung des Geheimbundes, als dessen
Ehrenpräsident der General a. D. Bosidar Jankowitsch, später
Kommandant der Ibardivision im serbisch-türkischen Kriege,
fungierte, traten Männer der verschiedensten Berufsarten ein: Beamte,
Offiziere (insbesondere diejenigen aus der Gruppe der viel bespro-
chenen „schwarzen Hand“), Abgeordnete, Kaufleute, Handwerker
u. dgl. Vertrauensmänner des Bundes wurden wie für das Innere Ser-
biens, so auch für Südungam, Bosnien und die Herzegowina, Dalmatien,
Altserbien und Mazedonien bestellt. Aber gewitzigt durch die unange-
nehmen Erfahrungen, die man mit dem früheren „Jugoslowenski Klub“
(Südslawischer Verein) in Serbien gemacht hatte, vermied es der neue
Geheimbund, sich durch schriftliche Festsetzungen der Gefahr einer
Kompromittierung auszusetzen. Insbesondere wurden weder schriftliche
Statuten abgefaßt, noch über die Sitzungen schriftliche Protokolle auf-
genommen. Die Sitzungen wurden je nach Umständen und Verabredung
bei dem einen oder andern der Vorstandsmitglieder abgehalten.
Man war sich darüber einig, daß vor allem die Jugend mit ihrer
Begeisterungsfähigkeit für unklare Freiheitsideen ge-
wonnen werden mußte. So begann die Narodna Odbrana mit dei*
systematischen Verhetzung und Fanatisierung der Jugend,
namentlich der Schuljugend. Im Königreich Serbien eigneten
sich trefflich hierzu die Sokol- und D uschanowzi-Vereine, in
denen mit der großserbischen Agitation praktische Unterweisung im
Waffengebrauch verbunden wurde. In den südslawischen Ländern
Österreich-Ungarns, wo derartige öffentliche Verbindungen auf Wider-
stand der Behörden stießen, bildeten sich überall unter den Schülern
serbischer Nationalität geheime Ivonventikel, die sich an der Lek-
türe aus Serbien eingeschmuggelter chauvinistischer und
auch einheimischer großserbischer Blätter berauschten.
Solcher großserbischer Blätter gibt es in Sarajewo, Fiume, Agram die*
Fülle. In letzterer Stadt ist es z.B. der „Srbobran“, ein Organ des kroati-
schen Landtagsabgeordneten und großserbischen Agitators Swetosar
Pribitschewitsch, eines Bruders des jetzt mit dem Atten-
tat in Sarajewo öffentlich in Verbindung gebrachten serbi-
schen Majors Milan Pribitschewitsch.
Ihren Zielen entsprechend wendete die Narodna Odbrana ferner dem
Bandenwesen in der Türkei ihre besondere Aufmerksamkeit zu. Sie hat
es zwar nicht geschaffen, denn die Komitadjis bestanden lange vor
ihr, aber sie hat zu ihrer Vermehrung und besseren Ausrüstung
viel beigetragen. Auf ihre Bearbeitung der Jugend ist es mit zurück-
zuführen, wenn fast täglich Schüler aus den Gymnasien und
Studenten von der Universität verschwanden, um als Freischärler
in Mazedonien aufzutauchen, oder wenn junge Offiziere aus
der Armee austraten und, mit falschen Pässen versehen,
nach Altserbien gingen. Frägt man, was aus diesen Komitadjis jetzt,
nach beendetem Krieg und erobertem Mazedonien geworden ist, so ist
die Antwort: ein Teil ist vom Staat bei den verschiedensten Betrieben
(Eisenbahn, Post, Monopol, Zoll, Polizeiverwaltung) untergebracht, wo
sie meistens kleine Sinekuren inne haben; ein anderer Teil strolcht
arbeitsscheu, und wahrscheinlich von der Narodna Od-
brana unterstützt, umher, auf eine Gelegenheit lauernd,
wieder seine wilden Instinkte zu betätigen. Es hat nicht an
warnenden Stimmen gefehlt, die auf die Gefahr hinwiesen, jene Komi-
tadjis möchten sich, nunmehr ihre Arbeit in der Türkei beendet war,
Bosnien und Südungarn zum Feld neuer Tätigkeit aussuchen.
Was die Mittel betrifft, mit welchen die Narodna Odbrana ihre man-
nigfachen Ziele bestreitet, so appelliert sie in erster Reihe an freiwillige
Massenbeiträge des Publikums. Sie geht dabei von der gewiß richtigen
Ansicht aus, daß kleine Beiträge, die in Massen geleistet
werden, ein ungleich ergiebigeres Erträgnis liefern, als vereinzelte größere
Spenden. Es werden daher bei gewissen Gelegenheiten und namentlich
an dern auf den i5. Juni a. St. fallenden St. Veitstage (Widowdan),
der der Erinnerung an den Untergang des mittelalterlichen Großserbiens
in der Schlacht auf dem Amselfeld gewidmet ist, öffentliche Sammlun-
gen in ganz Serbien veranstaltet, die regelmäßig höchst respektable Sum-
men einbringen. Sodann ist es Brauch geworden, bei letztwilligen Ver-
fügungen die Narodna Odbrana mit Legaten zu bedenken, ebenso, zum
Gedächtnis an verstorbene Familienangehörige der Narodna Odbrana Bei-
träge zu überweisen. Doch hat es mit diesen freiwilligen Beiträgen
keineswegs sein Bewenden. Oft genug entsendet die Narodna Od-
brana ihre Vertrauensmänner zu reichen Kaufleuten, Banken
usw., auch solchen, die, ohne Serben zu sein, mit Serbien
in dauernder Geschäftsverbindung stehen, oder, wie man
hier zu sagen pflegt, an Serbien „verdienen“ und fordert Beiträge.
So wurde mir erst kürzlich ein Fall erzählt, wonach ein solcher Ver-
trauensmann bei der hiesigen Filiale der Banque franco-serbe
einen Beitrag verlangte und als ihm bemerkt wurde, daß die Bank
ohne Genehmigung der Pariser Zentrale nicht über ioo Fr. beisteuern
könne, ausfällig und drohend wurde. Der Staat selbst, wenn er
gleich, um Verantwortlichkeiten zu vermeiden, darauf halten muß, daß
die Narodna Odbrana ihren privaten Charakter bewahre, beschränkt
sich indes keineswegs auf die Rolle eines passiven Zuschauers. Unter
harmlosen Titeln sind in das Staatsbudget gewisse Posi-
528
tionen aufgenommen, die der Narodna Odbrana zugute
kommen. Bezüglich der Anschaffung von Flinten für Schüler,
von Revolvern für Freischärler ist es notorisch, daß der Staat
sie geliefert hat. Charakteristisch ist, daß als Zentralstelle für* die
Verausgabung von Staatsmitteln für solche Zwecke und die Abrechnung
weder das Ministerium des Äußern, noch das Kriegsministerium, sondern
dasjenige für Kultus und Unterricht mitwirkt.
Mag daher die serbische Regierung noch so sehr ihren Abscheu und
ihre Entrüstung über die in Sarajewo begangene Bluttat kundgeben, mag
sie noch so sehr ihre Unschuld beteuern und darauf hin-
weisen, wie sinn- und zwecklos dieses Verbrechen sei und wie es der
Sache des Serbentums viel eher geschadet als genützt habe, eines
kann sie nicht ableugnen. Sie hat die Atmosphäre ge-
schaffen, in der solche Explosionen des blinden Fanatismus
allein möglich sind. In ihrem Lande und unter den Augen
ihrer Behörden sind die Elemente groß gezogen worden, die Serbien
vor der ganzen gesitteten Welt bloßgestellt und auf eine Stufe wieder
herabgedrückt haben, wie der verabscheuungswürdige Königsmord des
Jahres igo3.
v. Griesinger.
Nr. 942.
Gerent Herr Hoflehner an Graf Berchtold.x)
Nisch, 6. Juli 1914*
Die Nachricht vom entsetzlichen, nur zu wohlgelungenen Attentate in
Sarajewo rief hier Sensation im vollsten Sinne des Wortes hervor. Von
Bestürzung oder aber Entrüstung war so gut wie nichts zu bemerken, in
weitaus vorherrschendem Maße kamen nur Empfindungen der Genug-
tuung, ja der Freude und dies vielfach ganz unverhüllt, ohne jede
Zurückhaltung, nicht selten in ganz roher Form zum Ausdrucke. Dies
gilt hauptsächlich für die sogenannten führenden Kreise, die Intelli-
genz, wie Berufspolitiker, Lehrpersonen, Beamte, Offiziere und die
Studentenschaft. Etwas zurückhaltender zeigte sich noch die Kaufmann-
schaft.
Alle Erklärungen, die seitens serbischer amtlicher Stellen oder ein-
zelner höherer Persönlichkeiten abgegeben wurden und die Entrüstung
über das Attentat und dessen Verurteilung zum Ausdruck bringen sol-
len, müssen als bitterste Ironie auf den wirken, der Gelegenheit hatte, * 34
^Österreichisches Rotbuch igi4, Nr. 5, S. 4-
34 Bogbitschewitscli, Serbien. II.
529
in den jüngst verflossenen Tagen in nächster Nähe Einblicke in das
Gefühlsleben der serbischen intelligenten Bevölkerung zu gewinnen«
Der Gefertigte batte am Tage des Attentates gegen 9 Uhr abends ohne
Ahnung noch vom Geschehenen ein hiesiges Gartenkaffee besucht und
wurde hier zuerst von einem Bekannten über das ganz bestimmt aufge-
tretene Gerücht in Kenntnis gesetzt. Es war eine Pein sondergleichen
zu beobachten und zu hören, wie eine förmlich fröhliche Stimmung die
zahlreichen Gäste des Lokals erfaßt hatte, mit welcher ersichtlichen
Genugtuung man über die Tat debattierte und wie Ausrufe der Freude,
des Hohnes und Spottes aufflatterten — selbst den an Ausbrüche des
hier herrschenden politischen Fanatismus seit langem Gewöhnten muß-
ten diese Wahrnehmungen aufs äußerste deprimieren!
Nr. 943.
Telegramm des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Belgrad1)
vom 24. Juni/7. Ju^ i9i4-
Nr. i35i.
Vertraulich.
Die letzten Ereignisse in Österreich, die zu einer sehr großen Ver-
schärfung der antiserbischen Stimmung in Wien geführt haben, ver-
anlassen uns, der serbischen Regierung zu raten, alle Fragen, die diese
Stimmung noch verschärfen und eine gefährliche Lage hervorrufen kön-
nen mit der größten Vorsicht zu behandeln. Infolgedessen sind wir der
Ansicht, daß es ratsam wäre, die Verhandlungen über die serbisch-
montenegrinische Annäherung etwas hinauszuschieben, denn diese Ver-
handlungen haben bereits die Aufmerksamkeit Österreich-Ungarns und
selbst Deutschlands auf sich gezogen. Ich bitte Sie, diese Ansicht Pa-
schitsch vertraulich mitzuteilen.
Sasonow.
i) Benckendorff Bd. III, Nr. 1067, S.296.
53o
Nr. g44.
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 187. Belgrad, den *9*4.
Vertraulich.
Auszug.
Nr. i35i erhalten.
Ich habe den Inhalt Paschitsch mitgeteilt, der sagte, daß die serbische
Regierung, die Notwendigkeit, im augenblicklichen aufregenden Zeitpunkt
vorsichtig zu sein, voll erkennend, beschlossen habe, auf die unwürdi-
gen (?!) Provokationen Österreichs überhaupt nicht zu reagieren. Er ver-
urteilte das Sarajewoer Verbrechen streng und hat auf die Bitte der
hiesigen österreich-ungarischen Mission sofort zugesagt, das Verhalten
der schon früher aus Bosnien und Kroatien ausgewiesenen zweifelhaften
Elemente zu überwachen. Was die Frage der serbisch-montenegrini-
schen Annäherung betrifft, so hat Paschitsch besonders auf Grund der
von Ihnen geäußerten Erwägungen sich entschlossen, die Verhandlungen
mit Montenegro zu unterbrechen.
Hartwig.
Nr. 945.
Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt. *)
Telegramm. Wien, den 10. Juli 19142).
Nr. 85.
Ganz geheim!
Über seinen gestrigen Vortrag bei Sr. M. dem Kai-
ser Franz Joseph in Ischl teilt mir Graf Berchtold
nachstehendes mit:
S. M. der Kaiser habe mit großer Ruhe die Sach-
lage besprochen. Zunächst habe er seinem lebhaften
Dank Ausdruck gegeben für die Stellungnahme un-
seres Allergnädigsten Herrn und der kaiserlichen Re-
gierung und geäußert, er sei ganz unserer Ansicht,
1) Nach der Entzifferung. Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch I, Nr. 29,
S.49.
2) Aufgegeben in Wien 830 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt io32 nachm.;
Eingangsvermerk des Amts: n.Juli vorm. Am 11. Juli 1236 nachm, von Jagow nach
Vornahme einiger Änderungen und mit Auslassung der Worte: Graf Berchtold „sagte,
er würde gern wissen... denke“ und des vorletzten Absatzes „Der Anregung.. . alar-
mieren“, telegraphisch ins kaiserliche Hoflager mitgeteilt, dortselbst eingetroffen
io° nachm., Entzifferung vom Kaiser am 12. Juli zurückgegeben, im Auswärtigen Amt
am 16. Juli.
53i
da S. M. pro Memo-
ria etwa 14 Tage
alt ist, so dauert
das sehr lang!
Das ist doch eigent-
lich zur Begründung
des Entschlusses
selbst entworfen!
aber sehr!
und unzweideutig!
dazu haben sie Zeit
genug gehabt
der!
Hartwig ist tot!
den Sandschack räumen!
dann ist der Krakehl so-
fort da/ den muß Öster-
reich unbedingt sofort
wiederhaben, um die
Einigung Serbiens und
Montenegros und das Er-
reichen desMeeres seitens
der Serben zu hindern /
daß man jetzt zu einem Entschluß kommen
müsse, um den unleidlichen Zuständen Serbien gegen-
über ein Ende zu machen. Über die Tragweite eines
solchen Entschlusses, fügte Graf Berchtold hinzu, sei
sich S. M. völlig klar.
Der Minister hat hierauf dem Kaiser Kenntnis ge-
geben von den zwei Modalitäten, die in bezug auf das
nächste Vorgehen gegen Serbien hier in Frage stün-
den. S. M. hätten gemeint, es ließe sich vielleicht die-
ser Gegensatz überbrücken. Im ganzen hätten aber
S. M. eher der Ansicht zugeneigt, daß konkrete
Forderungen an Serbien zu stellen sein
würden. Er, der Minister, wolle auch die Vorteile
eines solchen Vorgehens nicht verkennen. Es würde
damit das Odium einer Überrumpelung Serbiens, das
auf die Monarchie fallen würde, vermieden und Ser-
bien ins Unrecht gesetzt werden. Auch würde dieses
Vorgehen sowohl Rumänien als auch England eine
wenigstens neutrale Haltung wesentlich erleichtern.
Die Formulierung geeigneter Forderungen gegenüber
Serbien bildet gegenwärtig hier die Hauptsorge3), und
Graf Berchtold sagte, er würde gern wissen, wie man
in Berlin darüber denke4). Er meinte, man könne
u. a. verlangen, daß in Belgrad ein Organ der öster-
reichisch-ungarischen Regierung eingesetzt werde, um
von dort aus die großserbischen Umtriebe zu über-
wachen, eventuell auch die Auflösung von Vereinen
und Entlassung einiger kompromittierter Of-
fiziere. Die Frist zur Beantwortung müsse mög-
lichst kurz bemessen werden, wohl 48 Stunden. Frei-
lich würde auch diese kurze Frist genügen, um sich
von Belgrad aus in Petersburg Weisungen zu holen.
Sollten die Serben alle gestellten Forderungen an-
nehmen, so wäre das eine Lösung, die ihm „sehr un-
sympathisch4 ‘ wäre, und er sinne noch darüber nach,
welche Forderungen man stellen könne, die
Serbien eine Annahme völlig unmöglich
machen würden.
Der Minister klagte schließlich wieder über die
Haltung des Grafen Tisza, die ihm ein energisches
3) Die Worte Tschirschkys „bildet... die Hauptsorge“ von Jagow im Telegramm an
den Kaiser in „wird... erwogen“ geändert; „erwogen“ vom Kaiser unterstrichen, am
Rand seine Bemerkung: „dazu haben... gehabt.“
*) Siehe Nr. 3i.
532
Vorgehen gegen Serbien erschwere. Graf Tisza be-
Mördern gegenüber haupte, man müsse „gentleman like“ Vorgehen,
gefallen ist f das sei a"er* wenn es sich um) so wichtige Staatsmter-
Blödsinn! essen handele und besonders einem Gegner wie
Serbien gegenüber schwerlich angebracht.
Der Anregung der kaiserlichen Regierung, schon
jetzt die öffentliche Meinung in England im Wege
der Presse gegen Serbien zu stimmen — worüber
Graf Szögyeny telegraphiert hat — wird der Minister
gern folgen. Nur müsse dies, seiner Meinung nach,
noch vorsichtig gemacht werden, um Serbien nicht
vorzeitig zu alarmieren.
Der Kriegsminister wird morgen auf Urlaub
gehen, auch Freiherr Conrad von Hötzendorf Wien
zeitweilig verlassen. Es geschieht dies, wie Graf
Berchtold mir sagte, absichtlich5), um jeder Beun-
ruhigung vorzubeugen.
Tschirschky.
ungefähr wie zur Zeit der Schlesischen
Kriege!
„Ich bin gegen die Kriegsräthe und
Berathungen, sintemalen die timidere
Parthey allemal die Oberhand hat“
Frd. d. Or.
kindisch !
Nr. 946.
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 189.
Belgrad, den ^ 1914.
Auszug :
Heute um 9 Uhr abends begab sich der Gesandte zu Baron Giesl,
anläßlich der von der österreichischen Mission verbreiteten böswilligen
und falschen Behauptung, daß am Tage der Bestattung des Erzherzogs
Ferdinand auf der kaiserlichen Gesandtschaft demonstrativ die Flagge
nicht gezogen und gesenkt worden sei. Dieses Gerücht wurde durch den
österreichischen Gesandtschaftsrat Storck verbreitet, der bis gestern Ge-
schäftsträger war. Nachdem der Gesandte ohne Mühe Giesl von der Un-
richtigkeit dieser Nachrede überzeugt hatte, brachte der Gesandte das
Gespräch auf den bevorstehenden Urlaub und wies auf die Unmöglichkeit
ö) Das „absichtlich“ Tschirschkys stand in der Entzifferung des kaiserlichen Hof-
lagers verderbt als „von possumus“; am Rand dazu zwei Fragezeichen des Kaisers.
533
hin, ungeachtet der vorhandenen Anzeichen einer Herzerweiterung, vor
dem 29. Juni, dem Geburtstage König Peters, abzureisen. Plötzlich ver-
stummte er, sank in sich zusammen und entschlief sanft, gestutzt von
Giesl. Der Leichnam wurde unverzüglich in die kaiserliche Gesandtschaft
gebracht. Von der Familie befand sich nur die Tochter des Verstorbenen
in Belgrad, die noch in der Nacht vom Kronprinzen Alexander und dem
Prinzen Paul besucht wurde. Die Frau des Gesandten war am Mittwoch
nach Konstantinopel gefahren und vor ihrer Rückkehr wird es kaum
möglich sein, einen Entschluß über Ort und Zeit des Begräbnisses zu
fassen. Wie ein Donnerschlag traf Belgrad die Nachricht vom Vorge-
fallenen. Der Tod des heiß geliebten Vertreters von Rußland bewirkt
schon Äußerungen leidenschaftlicher Gefühle.
Nr. 947.
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Belgrad.
Nr. 190. Belgrad, den ^ I91^-
Die Einsegnung der Leiche des Gesandten ist auf Dienstag festgesetzt.
Ausnahmslos wünschen alle Kreise der serbischen Gesellschaft und be-
reiten diesbezügliche Eingaben an die kaiserliche Regierung vor, daß die
Bestattung in Serbien, dessen Blühen und Festigung der Verstorbene alle
seine Kräfte gewidmet hat, stattfinden möge. Da der Verstorbene keine
nahen Angehörigen in Rußland hat, so sieht die Tochter keine Schwierig-
keiten, diesen Wunsch zu erfüllen, ohne aber ihrerseits eine Entscheidung
vor der am Montag den 3o. Juni erwarteten Rückkehr der Witwe zu
treffen.
Nr. 948.
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 193. Belgrad, den iqi4.
Nachdem die Witwe des Gesandten telephonisch aus Sofia der Tochter
die Entscheidung über den Ort des Begräbnisses überlassen hat, wird
dieses am Dienstag morgen auf dem Belgrader Friedhof stattfinden, so-
fern nicht von seiten der kaiserlichen Regierung oder auf Grund von
Beschlüssen der morgen zusammentretenden geistlichen Konferenz Schwie-
rigkeiten entstehen. Ganz Serbien wünscht einmütig Hartwig bei sich
534
za behalten und bei jeder Begegnung äußerte Paschitsch die Hoffnung,
eine zustimmende Antwort von Ew. Hohen Exzellenz auf die diesbezüg-
liche durch Spalaikowitsch übermittelte Bitte zu erhalten.
Strand mann.
Nr. 949.
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. ig4. Belgrad, den 1914.
Der durch die erfolgte Genehmigung der kaiserlichen Regierung zur
Beerdigung des verstorbenen Gesandten in Belgrad tief gerührte und
erregte Paschitsch kam soeben zu mir, um mir seine Dankbarkeit zu
bezeigen für dieses kostbare Zeichen des Allerhöchsten Wohlwollens des
Herrn und Kaisers zu Serbien in der für dieses so schweren Zeit. Die
zu morgen angesetzte Zeremonie — Abholung der Leiche aus der
kaiserlichen Gesandtschaft, Einsegnung in der Kathedrale und Bestattung
— ist von der Regierung in Ansehung des hohen Standes des Verstorbe-
nen und der seinem Gedächtnis gewidmeten Gefühle des serbischen Vol-
kes angeordnet worden.
S trandlmann.
Nr. 950.
Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler.1)
Ganz geheim! Wien, den i4. Juli 1914* 2).
Randbemerkungen des Graf Tisza suchte mich heute nach seiner Bespre-
Kaisers: chung mit Graf Berchtold auf. Der Graf sagte, er
sei bisher stets derjenige gewesen, der zur Vorsicht er-
mahnt habe, aber jeder Tag habe ihn nach der Rich-
tung hin mehr bestärkt, daß die Monarchie zu
unbedingt einem energischen Entschlüsse kommen
müsse3), um ihre Lebenskraft zu beweisen und den
unhaltbaren4) Zuständen im Südosten ein
Ende zu machen. Die Sprache der serbischen
!) Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch I, Nr. 4g, S. 74-
2) Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 15. Juli nachm. Bericht lag dem Kaiser
vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt. Gemäß kaiser-
licher Rand Verfügung am 26. Juli dem Generalstab mitgeteilt.
3) „Entschlüsse kommen müsse“ zweimal vom Kaiser unterstrichen.
4) „unhaltbaren“ zweimal vom Kaiser unterstrichen.
535
wie schade
*) „Entschlossenheit'
a) „ausgeschlossen“
Presse und der serbischen Diplomaten sei in ihrer
Anmaßung geradezu unerträglich. „Ich
habe mich schwer entschlossen,“ meinte der Minister,
„zum Kriege zu raten, bin aber jetzt fest von dessen
Notwendigkeit überzeugt, und ich werde mit
aller Kraft für die Größe der Monarchie einstehen.“
Glücklicherweise herrsche jetzt unter den hier maß-
gebenden Persönlichkeiten volles Einvernehmen
und Entschlossenheit1). S.M.Kaiser Franz Jo-
seph beurteile, wie auch Baron Burian, der S. M.
noch dieser Tage in Ischl gesprochen habe, berichte,
die Lage sehr ruhig und werde sicher bis zum letzten
Ende durchhalten. Graf Tisza fügte hinzu, die be-
dingungslose Stellungnahme Deutschlandsan der
Seite der Monarchie sei entschieden für die
feste Haltung des Kaisers von großem Einfluß ge-
wesen.
Die an Serbien zu richtende Note sei heute noch
nicht in ihrem letzten Wortlaut festgestellt worden.
Dies werde erst Sonntag geschehen. In betreff des
Zeitpunktes der Übergabe an Serbien sei heute be-
schlossen worden, lieber bis nach der Abreise Poin-
cares aus Petersburg zu warten, also bis zum 25.
Dann würde aber, sofort nach Ablauf der Serbien
gestellten Frist, falls dieses nicht unbedingt alle For-
derungen annehmen sollte, die Mobilmachung er-
folgen. Die Note werde so abgefaßt sein, daß deren
Annahme so gut wie ausgeschlossen2) sei. Es
komme besonders darauf an, nicht nur Versicherun-
gen und Versprechungen zu fordern, sondern Ta-
ten. Bei der Abfassung der Note müsse, seiner An-
sicht nach, auch darauf Rücksicht genommen wer-
den, daß sie für das große Publikum — besonders
in England — verständlich sei und das Unrecht klar
und deutlich Serbien zuschiebe.
Baron Conrad habe bei der letzten Besprechung
auf ihn einen sehr guten Eindruck gemacht. Er
habe ruhig und sehr bestimmt gesprochen. In näch-
ster Zeit müsse man sich freilich darauf gefaßt ma-
chen, daß die Leute wieder darüber klagen werden,
man sei hier unentschlossen und zögernd.
zweimal vom Kaiser unterstrichen,
zweimal vom Kaiser unterstrichen.
536
Es komme darauf aber wenig an, wenn man nur in
Berlin wisse, daß dies nicht der Fall sei.
Zum Schluß drückte mir Graf Tisza warm die
Hand und sagte: „Wir wollen nun vereint der Zu-
kunft ruhig und fest ins Auge sehen.“
vonTschirschky.
na doch mal ein Mann!
Nr. 95i.
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.
Nr. 195. Belgrad, den i./i4. Juli 1914«
Die Beerdigung des Gesandten fand soeben unter allgemeiner Trauer
und Feierlichkeit in Anwesenheit des Königs Peter und der Prinzen Georg
und Paul statt. Die Testamentseröffnung hat noch nicht stattgefunden.
Die Witwe und die Tochter hatten beschlossen, unter allen Umständen
von der Genehmigung der kaiserlichen Regierung die sterblichen Über-
reste des Verstorbenen gemäß dem heißen Wunsche aller Serben der
Erde in Belgrad zu übergeben, Gebrauch zu machen.
Strandmann.
Nr. 952.
Der bulgarische Gesandte Toscheff, Konstantinopel,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.1)
Konstantinopel, den 4-/17- Juli I9I4*
Auszug:
Heute sah ich den österreichischen und den deutschen Botschafter..
Marquis Pallavicini sagte mir, die Beziehungen zwischen Österreich-
Ungarn und Serbien seien äußerst gespannt. Diesmal werde sich die
Monarchie nicht nur mit Versprechungen begnügen, die Serbien niemals
halte. Letzteres müsse wenigstens eine Demütigung erfahren, die nicht
nur im Königreiche, sondern auch überall unter den Serben Spuren
hinterläßt. Wenn aber die Belgrader Regierung die Bedingungen des
Wiener Kabinetts nicht annehme, dann könnte die Sache zu noch größe-
ren Extremen führen. Im Hinblick auf die Möglichkeit eines Krieges
sei für Österreich-Ungarn die Haltung von höchster Wichtigkeit, die die
1) Bulgarisches Orangebuch Bd. I, Nr. 192, S. m.
Deutsche Übersetzung „Kriegsschuldfrage“ März 1928, S. 23off.
537
übrigen Balkanstaaten in einem solchen Falle einnehmen würden. Be-
treffs Bulgariens meint Marquis Pallavicini, es werde, wenn es sich nicht
aktiv gegen Serbien beteilige, neutral sein. Auch Rumänien könnte neutral
sein, aber der Herr Botschafter meinte, die Haltung dieses Staates werde
von den ersten Resultaten des Krieges abhängen. Wenn die Dinge sich
noch mehr verwickelten und es zu größeren Komplikationen käme, werde
Rumänien sich dem Stärkeren anschließen. Mit anderen Worten, auf
diesen Staat könne man nicht voll zählen. Da die Haltung Bulgariens
in hohem Grade von derjenigen der Türkei abhänge, habe Marquis Palla-
vicini schließlich den Großvezier gefragt, welches die Haltung der Kon-
stantinopeler Regierung im Falle eines Krieges zwischen Serbien und
Österreich sein würde. Prinz Said Ghalim habe ihm auf das katego-
rischste versichert, die Türkei würde die wohlwollendste Neutralität be-
wahren, und gegenüber Bulgarien würde sie die größte Korrektheit be-
obachten. Wenn Bulgarien sich in den Krieg gegen Serbien einmische,
werde es von der Türkei nichts zu befürchten haben.
Nach einer Erörterung über die Kombination eines Beitrittes der Tür-
kei zum Dreibünde fährt der Bericht fort:
Wieder auf die Beziehungen zu Serbien zurückkommend, fügte Mar-
quis Pallavicini hinzu, seine Meinung sei die, daß man energisch und
radikal handeln solle. Je nach der weiteren Entwicklung der serbisch-
österreichischen Beziehungen sei es nicht unmöglich, die Frage der
Autonomie Mazedoniens und Albaniens aufzuwerfen. Am erfreulichsten
sei es, daß heute Österreich-Ungarn mehr als je auf die vollste moralische
und materielle Unterstützung Deutschlands rechnen könne. Hierfür habe
es die größten Zusicherungen des Berliner Kabinetts. Auch Italien werde
solidarisch mit seinen beiden Verbündeten handeln. (?) Deshalb glaube er,
daß Serbien sich beugen werde. So würden auch weitere Verwicklungen
vermieden werden. Das werde Rußland den Serben auf erlegen. Ein
wenn auch kleines Zeichen in dieser Beziehung sieht Marquis Pallavicini
in der Abberufung des serbischen Geschäftsträgers Milan Georgewitsch
aus Konstantinopel infolge eines Briefes von ihm an das Blatt „Jeune
Ture“, worin er sich gewisse für Österreich durchaus nicht angenehme
Ausdrücke erlaubt habe.
Baron Wangenheim1), der an dem Tage aus Berlin zurückgekehrt
war, sprach mit mir ungefähr in demselben Sinne wie sein österreichi-
scher Kollege. Er unterstrich, daß, was auch kommen möge, Deutsch-
land Österreich-Ungarn unbedingt und bis zum äußersten unterstützen
werde. Er sagte mir, in Berlin wünsche man das Prestige Österreichs
nicht nur wiederhergestellt, sondern auch gestärkt zu sehen. Nach dem
Attentat von Sarajewo dürfe die Doppelmonarchie sich nicht nur mit
einigen leeren Versicherungen der Belgrader Regierung begnügen. Im *)
*) Deutscher Botschafter in Konstantinopel.
538
vorliegenden Falle spiele Österreich-Ungarn seine letzte Karte. Es müsse
entweder volle Genugtuung erhalten oder es laufe Gefahr, sein Prestige
endgültig verloren zu sehen. Das wünsche selbstverständlich Deutschland
nicht, noch wolle es das zugeben. Daher auch sein fester Entschluß,
nicht nur eine österreichisch-ungarische Aktion im vorliegenden Falle zu
unterstützen, sondern auch zu ermutigen. Man habe genug von soviel
Schlaffheit von seiten Wiens. Es genüge nicht, daß Serbien auf die Knie
falle. Die Demütigung müsse so weit gehen, daß dieser Staat sich vor
Österreich nicht nur auf den Knien, sondern „auf dem Bauche“ sehe.
Wenn Rußland sich einmische, sei Deutschland bereit, sich gleichfalls
einzumischen. Bezüglich Rumäniens ist Baron Wangenheim nicht so
pessimistisch wie Pallavicini. Er ist eher dafür, daß es bei einem öster-
reichisch-serbischen Konflikte neutral bleiben werde. Auf meine Frage,
ob die Rumänen sich ruhig verhalten würden, wenn auch Bulgarien sich
einmische, konnte der Herr Botschafter mir keine bestimmte Antwort
geben, wollte aber eher sagen, er glaube, daß auch in einem solchen Falle
die Gefahr von der Seite nicht so groß sei. Etwas mehr. Er glaubt,
daß mit Takt und Geduld die Annäherung zwischen Bulgarien und Ru-
mänien nicht ausgeschlossen sei. Im übrigen sei nach ihm le clou de la
question heute in Wien. Alles hinge von der Pose ab, die Österreich-
Ungarn einnehmen werde. Wenn dieses sich zum Handeln entschlossen
zeige, werde das auch in Rumänien Widerhall finden. Wenn letzteres
nicht mit einem schwachen Österreich rechnen wolle, werde es sich ge-
zwungen sehen, mit einem starken Österreich zu rechnen. Dies werde
einer Annäherung zwischen Bukarest und Sofia förderlich sein.
Was insbesondere Bulgarien betreffe, so müsse es schon jetzt ohne
Schwanken mit Österreich-Ungarn respektive mit dem Dreibunde gehen.
In diesem Sinne würden dem Herrn Botschafter zufolge der bulgari-
schen Regierung Vorschläge gemacht werden, wenn sie bis jetzt nicht
gemacht seien. Von einer solchen Kombination könnte Bulgarien nur
Vorteile haben. In Berlin hätten sich die Strömungen zu unseren
Gunsten verstärkt. Einzig und allein der Kaiser sei noch für eine grie-
chisch-türkische Freundschaft, „aber wir alle, fügte Baron Wangenheim
hinzu, sind entgegengesetzter Meinung“.
Der Bericht fährt über weitere Ausführungen des deutschen Bot-
schafters über die Türkei und die türkisch-griechischen Beziehungen
fort und schließt mit dem Ersuchen des Botschafters, seine Ausführun-
gen als streng vertraulich zu behandeln.
Nr.g53.
Herr Crackanthorpe an Sir Edward Grey.x)
Erhalten 23. Juli.
Nr. i33. Belgrad, den 18. Juli 1914.
Euere Exzellenz!
Im Laufe einer privaten Unterredung, die ich heute morgen mit dem
Generalsekretär des serbischen Auswärtigen Amtes hatte, spielte ich auf
den von der „Times“ am 16. d.Mts. aufgeworfenen Gedanken an, daß
es am klügsten für Serbien sei, wenn es selbst und aus eigenem Antrieb
eine Untersuchung der angeblichen südslawischen Verschwörung auf
serbischem Boden vornehmen würde. Herr Gruitsch wies auf die Un-
möglichkeit hin, irgendwelche bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, bevor
man das Ergebnis des Sarajewoer Gerichtsverfahrens, das bisher geheim
gehalten wurde, kennengelernt habe. Was Tschabrinowitsch betreffe,
der den ersten Anschlag auf das Leben des Erzherzogs gemacht hatte,
so sei bereits öffentlich bekannt, daß die serbische Regierung — wie
das bei österreichischen Untertanen, die nach Belgrad kommen, um sich
dort niederzulassen, herkömmlich sei — sich unlängst bei seiner An-
kunft in Belgrad in der üblichen Weise beim österreichischen Konsulat
nach seinem Vorleben erkundigt und darüber eine befriedigende Aus-
kunft erhalten habe. Von Princip wisse die serbische Regie-
rung nichts. (?) Bei Veröffentlichung des Ergebnisses der Unter-
suchung in Sarajewo sei die serbische Regierung durchaus bereit, jedem
mit dem internationalen Brauch in Einklang stehenden Verlangen nach
weiterer Untersuchung, die durch die Umstände etwa geboten sei, nach-
zukommen.
Der Generalsekretär sagte, er wisse wohl, daß es eine einflußreiche
Partei in Österreich gäbe, die gerne die gegenwärtige Lage benutzt
hätte, um den äußersten Druck auf Serbien auszuüben. Aber die ser-
bische Regierung habe sichere Nachricht, daß Berlin mäßigend auf
Österreich einwirken würde. Sollte indessen das Allerschlimmste ein-
treten und Österreich den Krieg erklären, dann werde Ser-
bien nicht allein da stehen. Rußland würde bei einem mutwilligen
Angriff auf Serbien nicht ruhig bleiben, und Bulgarien würde durch Ru-
mänien immobilisiert sein. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen müsse
nach Ansicht des Generalsekretärs ein Krieg zwischen einer Großmacht
und einem Balkanstaat unvermeidlich zu einer europäischen Feuers-
brunst führen.
(Gleichlautend nach Wien.)
Ich habe usw.
Dayrell Crackanthorpe. *)
*) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 80, S. 107.
54o
Nr. g54.
Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter
in Wien.1)* 2)
Telegramm 127. Berlin, den 20. Juli 1914 3).
Der serbische Geschäftsträger suchte mich heute auf4), um mir zu
sagen, die serbische Regierung werde alles tun, um die Beziehungen zu
Österreich-Ungarn zu bessern und zu befestigen, sie werde jedem Ver-
such auf serbischem Territorium, der darauf abzielen würde, die Ruhe
und Sicherheit der Nachbarmonarchie zu stören, energisch entgegen-
treten und den Forderungen der k. u. k. Regierung betreffend Verfol-
gung der Mitschuldigen am Attentat von Sarajewo, wenn solche fest-
gestellt werden sollten, entgegenkommen. Sie würde nur solche Forde-
rungen, die gegen die Würde und Unabhängigkeit des serbischen Staates
gingen, nicht erfüllen können. Die serbische Regierung bäte uns, in
Wien im Sinne der Versöhnlichkeit zu wirken.
Ich habe mich darauf beschränkt zu erwidern, daß ich die Demarche
des Geschäftsträgers in Wien zur Kenntnis bringen würde. Im übrigen
habe ich den Geschäftsträger darauf aufmerksam gemacht, daß die
serbische Regierung bisher, trotz der Langmut und der versöhnlichen und
friedlichen Haltung Österreich-Ungarns während der Balkankrise und
trotz unserer fortgesetzten dahingehenden Ratschläge, nichts getan habe,
um ihr Verhältnis zur benachbarten Monarchie zu bessern, und daß ich
es wohl begreifen könne, wenn man jetzt dort energischere Saiten auf-
zöge. Die Forderungen, die Österreich-Ungarn stellen wolle, seien mir
nicht bekannt.
Die Demarche des Geschäftsträgers erfolgte offenbar auf Grund eines
Zirkularerlasses seiner Regierung.
Jagow.
Nr. 955.
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold.5)
Belgrad, 21. Juli 1914*
Ich bin nunmehr — nach dem unglückseligen Verbrechen vom 28. Juni
— wieder seit einiger Zeit auf meinem Posten und kann mir erlauben,
über die hier herrschende Stimmung ein Urteil abzugeben.
1) Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch I, Nr. 91, S. 116.
2) Nach dem Konzept von Jagows Hand.
3) 935 nachm, zum Haupttelegraphenamt.
4) Siehe Die deutschen Dokumente I, Nr. 86 und 96.
5) Österreichisches Rotbuch 1914» Nr. 6, S. 4-
54i
Seit der Annexionskrisis waren die Beziehungen zwischen der Monar-
chie und Serbien auf Seite des letzteren durch nationalen Chauvinismus,
Feindseligkeit und eine wirksame Propaganda der großserbischen Aspi-
rationen in unseren von Serben bewohnten Ländern vergiftet, seit den
letzten beiden Balkankrisen hat der Erfolg Serbiens diesen Chauvinismus
zum Paroxismus gesteigert, dessen Ausbrüche stellenweise den Stempel
des Wahnsinns tragen.
Es sei mir erspart, hiefür Beweise und Beispiele erbringen zu müssen,
sie sind überall und immer in den Kreisen der politischen Gesellschaft
wie unter dem niederen Volke, in allen Parteien billig zu haben! Ich
stelle es als bekanntes Axiom hin, daß die Politik Serbiens auf die Ab-
trennung der von Südslawen bewohnten Gebiete und in weiterer Folge
auf die Vernichtung der Monarchie als Großmacht auf gebaut ist und
nur dieses eine Ziel kennt.
Niemand, der auch nur acht Tage in dem hiesigen politischen Milieu
zu leben und zu wirken bemüßigt sei, wird sich dieser Wahrheit ver-
schließen.
Infolge der jüngsten Ereignisse, welche die hiesigen politischen Stim-
mungen beeinflussen, und dazu rechne ich das Attentat in Sarajewo,
den Tod Hartwigs und die Wahlkampagne, hat sich der Haß gegen die
Monarchie noch vertieft.
Das Attentat in Sarajewo hat den Serben den bevorstehenden Zerfall
der habsburgischen Staaten — auf welchen man schon früher seine
Hoffnungen setzte — als in kürzester Zeit zu erwarten, den Abfall der
von Südslawen bewohnten Gebiete der Monarchie, die Revolution in
Bosnien-Herzegowina und die Unverläßlichkeit der slawischen Regimenter
— als feststehende Tatsachen vorgegaukelt und brachte System und
scheinbare Berechtigung in ihren nationalistischen Wahnsinn.
Das so verhaßte Österreich-Ungarn erscheint den Serben nunmehr
ohnmächtig und kaum mehr würdig, einen Krieg mit ihm zu führen —
zum Hasse gesellt sich die Verachtung — es fällt ohne Mühe als zer-
mürbter Körper in den Schoß des in naher Zukunft zu verwirklichen-
den großserbischen Reiches.
Blätter, welche nicht zu den allerextremsten gehören, besprechen in
täglichen Artikeln die Ohnmacht und den Zerfall der Nachbarmonarchie
und beschimpfen ohne Scheu und Furcht vor Ahndung ihre Organe.
Sie machen selbst vor der erhabenen Person unseres Herrschers nicht
Halt. Sogar das Regierungsorgan weist auf die Zustände in Österreich-
Ungarn als auf die einzigen Ursachen des fluchwürdigen Verbrechens
hin. Die Furcht vor Verantwortung besteht nicht mehr. Das serbische
Volk wird seit Jahrzehnten durch die Presse erzogen und die jeweilige
Politik hängt von der Parteipresse ab; eine Frucht dieser Erziehung ist
die großserbische Propaganda und ihre abscheuliche Ausgeburt, das
Attentat vom 28. Juni.
542
Ich übergebe die an Wahnwitz streifenden, von der „Times“ als „tob-
süchtig“ bezeichneten Anklagen und Verdächtigungen anläßlich des Todes
Hartwigs, überhaupt die lügenhafte Preßkampagne, welche aber die
Serben in der Überzeugung bestärken dürfte, daß die Regierung und die
Vertreter Österreich-Ungarns vogelfrei sind, und Bezeichnungen wie Mör-
der, Lump, infamer Österreicher usw. für uns als schmückende Beiwörter
gelten müssen.
Der Tod Hartwigs hat in der Erkenntnis der Schwere dieses Ver-
lustes in der serbischen politischen Welt einen fanatischen Kultus des
Verstorbenen ausgelöst, und man Heß sich dabei nicht allein von der
Dankbarkeit für die Vergangenheit, sondern auch von der Sorge um die
Zukunft leiten und überbot sich in slawischer Unterwürfigkeit vor Ruß-
land, um sich dessen Wohlwollen für kommende Zeiten zu sichern.
Als dritter Faktor vereinigt die Wahlkampagne alle Parteien auf der
Plattform der Feindseligkeiten gegen Österreich-Ungarn. Keine der auf
die Regierungsgewalt aspirierenden Parteien will in den Verdacht kom-
men, eines schwächlichen Nachgebens gegenüber der Monarchie für fähig
gehalten zu werden. So wird die Wahlkampagne unter dem Schlagworte
der Bekämpfung Österreich-Ungarns geführt.
Man hält die Monarchie aus inneren und äußeren Gründen für ohn-
mächtig, zu jeder energischen Aktion unfähig und glaubt, daß die ernsten
Worte, die schon an maßgebenden Stellen bei uns gesprochen worden
sind, nur Bluff seien.
Die Urlaube des k. u. k. Kriegsministers und Chefs des Generalstabes
haben in der Überzeugung bestärkt, daß die Schwäche Österreich-
Ungams nunmehr evident ist.
Ich habe die Geduld Eurer Exzellenz etwas länger in Anspruch zu
nehmen mir erlaubt, nicht weil ich mit Vorstehendem etwas Neues zu
bringen glaubte, sondern weil ich diese Schilderung als Ausgang zu der
sich auf drängenden Konklusion betrachte, daß eine Abrechnung
mit Serbien, ein Krieg um die Großmachtstellung der
Monarchie, ja um ihre Existenz als solche, auf die Dauer
nicht zu umgehen ist.
Versäumen wir es, Klarheit in unser Verhältnis zu Serbien zu bringen,
so werden wir mitschuldig an den Schwierigkeiten und der Ungunst der
Verhältnisse bei einem künftigen Kampfe, der doch, ob früher oder
später, ausgetragen werden muß.
Für den lokalen Beobachter und den Vertreter der österreichisch-unga-
rischen Interessen in Serbien stellt sich die Frage so, daß wir eine weitere
Schädigung unseres Prestiges nicht mehr ertragen können.
Sollten wir daher entschlossen sein, weitgehende Forderungen, ver-
bunden mit wirksamer Kontrolle — denn nur eine solche könnte den
Augiasstall der großserbischen Wühlarbeit reinigen — zu stellen, dann
543
müßten alle möglichen Konsequenzen überblickt werden, und es muß
von Anfang an der starke und feste Wille bestehen, durchzuhalten.
Halbe Mittel, ein Stellen von Forderungen, langes Parlamentieren und
schließlich ein faules Kompromiß wäre der härteste Schlag, der Öster-
reich-Ungams Ansehen in Serbien und seine Machtstellung in Europa
treffen könnte.
Nr. 956.
Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg,
an das Ministerium des Äußern in Sofia. *)
Petersburg, den 8./21. Juli i9i4.
Sasonow ließ mich heute rufen und erklärte mir, da wir eine Anleihe
abgeschlossen hätten, verlange man, daß man ihnen die zehn Millionen
Rubel bezahle, auch würden keine Fristverlängerungen mehr gestattet
werden. Er sprach in gereiztem Tone, als er mir sagte, daß auch die
Franzosen sehr durch uns beleidigt seien. Hier betrachtet man die An-
leihe als ein politisches Engagement mit dem Dreibunde. Die Gereiztheit
gegen uns verstärkt sich wieder. Dem Präsidenten der Republik hat man
einen warmen Empfang bereitet. Seine Ankunft bringt man mit dem
Abschlüsse auch einer russisch-französischen Marinekonvention in Ver-
bindung* 2). Sasonow sagt, die Rumänen hätten sich über unsere Heraus-
forderungen an der Grenze beklagt, und rät Vorsicht an. Ich sagte ihm,
die Rumänen forderten heraus und nicht wir, auch sei unbekannt, zu
welchem Zwecke. Er sagte, er dulde keinen neuen Krieg seitens Ru-
mäniens, aber wir sollten uns vor der Türkei hüten, wo sich in letzter
Zeit wieder eine gewisse Erregung gegen uns bemerkbar mache.
Dimitrieff.
Verfügung: 1. Herrn Dimitrieff. Die Anleihe ist ein reines Finanz-
geschäft.
2. Herrn Toscheff. Bei der Mitteilung einer Abschrift dieser Depesche
an ihn ist hinzuzusetzen, es müsse in Erfahrung gebracht werden, wie
die Stimmung der türkischen Regierung gegen Bulgarien sei.
Radoslawoff.
*) Bulgarisches Orangebuch Nr. ig4- Deutsche Übersetzung „Kriegsschuldfrage“
März 1928, S.23o.
2) Die russisch-französische Marinekonvention war bereits am 16. Juli 1912 zum Ab-
schluß gekommen. Die Schriftleitung.
544
Nr. 957.
Sir H. Rumbold an Sir Edward Grey.*)
Erhalten 27. Juli.
Nr. 299. Berlin, den 22. Juli 1914.
Euerer Exzellenz
beehre ich mich zu berichten, daß, als ich Herrn von Jagow an seinem
gestrigen Empfangstage spät nachmittags sah, er von selbst die Sprache
auf die Demarche brachte, die seitens der österreichisch-ungarischen
Regierung in Belgrad bevorstehe. Er hatte offenbar erwartet, daß die
österreichisch-ungarische Regierung den Schritt inzwischen unternom-
men haben würde.
Ich sagte, daß ich mit Interesse das Communiqué gelesen hätte, das
am 20. d. Mts. in der „Norddeutschen Zeitung“* 2) erschienen sei3).
Herr von Jagow erwiderte, dies Communiqué gäbe die Ansichten der
deutschen Regierung getreu wieder. Er könne mir sagen, daß er es
eigentlich selbst entworfen habe. Seine Exzellenz bemerkte beiläufig, er
wisse, wenn auch die deutsche Börse schwach gewesen und es noch sei,
doch ganz bestimmt, daß diese Schwäche auf die Machenschaften von
Spekulanten zurückzuführen sei.
Herr von Jagow behauptete mit großem Nachdruck, daß die zwischen
Österreich-Ungarn und Serbien schwebende Frage nur
diese beiden Länder allein angehe. Österreich-Ungarn fühle,
daß es die Sache mit Serbien ausfechten müsse, und er sah keinen Grund,
warum sich dritte Parteien einmischen sollten. Bei dieser Auffassung
fand er nicht, daß er sich hinsichtlich der bevorstehenden Demarche der
österreichisch-ungarischen Regierung gegenüber irgendwie hätte äußern
können.
Seine Exzellenz erklärte, daß er die serbische Regierung nicht der
direkten Mitschuld an dem Anschlag beschuldige, der zur Ermordung
des Erzherzogs geführt habe, er sei jedoch der Ansicht, daß die
serbische Regierung infolge ihrer Duldung der unge-
zügelten Auslassung eines Teiles der serbischen Presse für die
Schaffung einer Lage mitverantwortlich sei, die das Verbrechen ermög-
lichte. Er habe dem serbischen Gesandten 4) wieder und wieder gesagt, es
sei sehr erwünscht, daß Serbien seine Beziehungen zu Österreich-Ungarn
in das richtige Verhältnis bringe und Maßnahmen treffe, um die ser-
bische Presse zu überwachen. Der Gesandte habe entgegnet, die Presse
*) Britische Dokumente Bd. I, Nr. i58, S. 178.
2) Genauer: in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“.
3) Vgl. Nr. 78, 77.
4) Muß heißen: Geschäftsträger.
35 Boghitschewitsch, Serbien II.
545
in Serbien sei frei, und seine Regierung vermöge sie nicht zu kon-
trollieren.
Herr von Jagow bemerkte zu mir, daß, wenn jemand einen Nachbarn
habe, der entweder nichts tun könne oder nichts tun wolle, um einer?
Schädigung ein Ende zu machen, er das Recht habe, auf die bestmög-
liche Weise zur Selbsthilfe zu schreiten. Seine Exzellenz meinte, Öster-
reich habe sich seit langem sehr nachsichtig gezeigt. Ich glaubte diese
Bemerkung allgemein auf die österreichische Haltung in Balkanange-
legenheiten beziehen zu wollen, und dieser Eindruck fand eine Bestäti-
gung, als Herr von Jagow hinzufügte, daß er den Sandschak annektiert
hätte, wenn er damals österreichisch-ungarischer Minister des Äußern
gewesen wäre.
Dies Gespräch hinterließ, in mir den Eindruck, daß Herr von Jagow
ein rasches und tatkräftiges Vorgehen Österreich-Ungarns im gegenwär-
tigen Zeitpunkt billigen würde und daß er vom allgemeinen Charakter'
der bevorstehenden Demarche in Belgrad Kenntnis hat.
Ich habe usw.
HoraceRumbold.
V errnerk.
Das bestätigt den Eindruck, daß Herr von Jagow, wenn er überhaupt
etwas getan, die Österreicher aufgehetzt hat. —
E. A. G. 29. Juli.
(Sir Eyre Greiwe.)
Nr. g58.
Der Gesandte in Belgrad an das Auswärtige Amt.x)
Telegramm 32. Belgrad, den 24. Juli 19141 2).
Italienischer Geschäftsträger hat soeben vertraulich erzählt, der Kron-
prinz habe in größerer3) Aufregung seine Vermittlung in Anspruch ge-
nommen für ein Telegramm an die Königin von Italien, worin Höchst-
dieselbe um Hilfe für die Dynastie gebeten wird.
Die Militärs fordern kategorisch die Ablehnung der Note und Krieg.
Die Mobilisierung ist bereits in vollem Gange.
Griesinger.
1) Nach der Entzifferung. Die deutschen Dokumente I, Nr. i58, S. 172.
2) Aufgegeben in Belgrad 24- Juli 1150 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt
25. Juli i47 vorm.; Eingangsvermerk: 2Ö.Juli vorm. Am 2Ö. Juli von Jagow telegra-
phisch dem Kaiser mit Telegramm 127 mitgeteilt, aufgegehen in Berlin n44 vorm., an-
gekommen im Hoflager 345 nachm.; Entzifferung lag noch am gleichen Tage dem
Kaiser vor. Am 2Ö. Juli desgleichen telegraphisch den Botschaftern in Wien und Rom
mitgeteilt, Telegramme i30 nachm, zum Haupttelegraphenamt; auf der Botschaft in
Wien angekommen 915 nachm. Von den beiden letzten Abschnitten „Die Militärs ...
vollem Gange“ am 2Ö. Juli auch dem Generalstab Kenntnis gegeben; Mitteilung
830 nachm, durch Boten abgesandt.
3) So in der Entzifferung. Wahrscheinlich: größter.
546
Nr. 959.
Der bulgarische Gesandte Tschapratschikow, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.1)
Belgrad, den n./24. Juli 191/i«
Gestern um 6 Uhr abends hat der österreichische Gesandte Baron
Giesl dem Finanzminister Patschu, Vertreter des auf einer Wahlrund-
reise im Inneren befindlichen Paschitsch, eine Note wegen des Attentats
von Sarajewo übergeben. Patsch u hat die Note in Empfang genommen
und, ohne sie zu öffnen, dem Baron Giesl gesagt, er werde sie Paschitsch
und dem Ministerrate übergeben, worauf man sie besprechen und ant-
worten werde.
Heute früh sah ich den österreichischen Gesandten.
Mit Bezug auf den Inhalt der Note sagte er mir, er habe unerbitt-
lichen Befehl aus Wien, sie auf das strengste geheim zu halten, deshalb
habe er nicht einmal dem deutschen Gesandten ein Wort mitgeteilt.
Doch weiß Giesl, daß die königliche Regierung über ihren Inhalt von
dem soeben zurückgekehrten Grafen Tarnowski1 2) vollkommen unterrich-
tet ist. Die Note ist auf 48 Stunden befristet, und diese Frist läuft mor-
gen abend um 6 Uhr ab. Giesl beurteilt die Sache als sehr kritisch und
rechnet mit seiner Abberufung zusammen mit dem ganzen Gesandt-
schaftspersonal. Die gestellten Forderungen sind schwer. Der volle Text
der Note ist gestern abend oder heute früh in Wien veröffentlicht
worden.
Darauf sah ich den deutschen Gesandten, mit dem wir gestern abend
bis 1 i Uhr zusammen waren. Er bestätigte, daß ihm Giesl nichts mit-
geteilt habe, aber in Berlin sei man vollkommen unterrichtet. (?) Auch er
weiß, daß die österreichischen Forderungen sehr schwer sind, und hält
die Lage für sehr ernst und gefährlich. Ihm zufolge würden die Öster-
reicher eine Dummheit begehen, wenn sie nicht die letzte günstige Ge-
legenheit benutzten, um ein für allemal ihre Rechnung mit den Serben
zu begleichen; aber nach langer Zeit biete sich ihnen nun dieser günstige
Augenblick, und sie hätten auch unsere volle Unterstützung. Der deutsche
Gesandte hat für jetzt keine Schritte zu tun. Er bleibt in der Expektative.
Hierauf war ich im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten.
Dort fand ein Ministerrat statt und dauerte noch an, unter dem Vorsitze
des Thronfolgers. Paschitsch ist heute früh zurückgekehrt. Alle Be-
amten des Ministeriums sind niedergeschlagen, geknickt, erschrocken,
wie ich sie nie gesehen habe. Der Generalsekretär teilte mir mit, daß
die Note außerordentliche Forderungen enthält, die die Lage kritisch
1) Bulgarisches Orangebuch Bd. 1 Nr. 2o3.
2) Österreichisch-Ungarischer Gesandter in Sofia.
547
machen. Unter anderem solle Serbien in feierlicher Erklärung im
„Staatsanzeiger“ das Attentat von Sarajewo und die großserbische Agi-
tation tadeln, es solle eine Untersuchung in Belgrad beginnen, da Serben
aus dem Königreiche in das Attentat verwickelt seien, und an der Unter-
suchung sollten österreichische richterliche Beamte teilnehmen; es solle
seiner Presse verbieten, Österreich-Ungarn anzugreifen und allserbische
Ideen zu verbreiten, was auf eine Abänderung der Verfassung hinaus-
laufe. Die Aufregung im Ministerium ist groß.
Der belgische Gesandte teilte mir mit, daß in der Note auch die Auf-
lösung der Gesellschaft „Narodna Odbrana“, die Zulassung österreichi-
scher Polizeibeamter zur Verfolgung der Anarchisten in Belgrad und die
Entlassung einer Reihe serbischer Offiziere aus dem aktiven Dienste,
weil kompromittiert, verlangt werde. Inwieweit die Mitteilungen des bel-
gischen Gesandten richtig sind, dafür kann ich nicht einstehen.
Tschapratschikow.
Nr. 960.
Herr Crackanthorpe an Sir Edward Grey.1)
(Tel.) Nr. 5o. Belgrad, den 24. Juli iqi4‘
A. 440 nachm.
E. 620 nachm.
Streng vertraulich.
Kronprinz hat persönlich Telegramm an König von Italien geschickt,
in dem er Seine Majestät auf Grund der Familienbande zwischen italieni-
schem und serbischem königlichen Hause und in seiner Eigenschaft als
Verbündeten Österreichs dringend um seine guten Dienste bittet, um
Fristverlängerung und Milderung österreichischer Forderungen zu er-
langen.
(Nach Wien und Rom gesandt.)
Nr. 961.
Comuniqué des russischen Amtsblattes.* 2)
St. Petersburg, 24. Juli 1914.
Die St. Petersburger Telegraphenagentur meldet:
Das amtliche Organ veröffentlicht folgendes Communiqué:
Die kaiserliche Regierung, lebhaft besorgt durch die überraschenden
Ereignisse und durch das an Serbien durch Österreich-Ungarn gerichtete
Ultimatum, verfolgt mit Aufmerksamkeit die Entwicklung des öster-
reichisch-ungarisch-serbischen Konfliktes, in welchem Rußland nicht in-
different bleiben kann.
x) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 96, S. 127.
2) Österreichisches Rothuch 1914, Nr. i5, S. 18.
548
Nr. 962.
Graf Szapary an Graf Berchtold. *)
Telegramm. St. Petersburg, den 24. Juli 1914*
Der Herr Minister des Äußern empfing mich, indem er mir sagte, er
wisse, was mich zu ihm führe und erkläre mir gleich, daß er zu meiner
Demarche keine Stellung nehmen würde. Ich begann mit der Verlesung
meines Auftrages. Der Minister unterbrach mich das erstemal bei der
Erwähnung der Serie von Attentaten und fragte auf meine Aufklärun-
gen, ob denn erwiesen sei, daß diese alle in Belgrad ihren Ursprung hät-
ten? Ich betonte, daß sie Ausfluß der serbischen Aufwiegelung seien.
Im weiteren Verlauf der Verlesung äußerte er, er wisse, worum es sich
handle: Wir wollten Serbien den Krieg machen und dies! solle der Vor-
wand sein. Ich replizierte, daß unsere Haltung in den letzten Jahren ein
hinreichender Beweis sei, daß wir Serbien gegenüber Vorwände weder
suchen noch brauchen. Die geforderten solennen Enunziationen riefen
nicht den Widerspruch des Herrn Ministers hervor; er versuchte nur
immer wieder zu behaupten, daß Paschitsch sich bereits in dem Sinne
ausgesprochen habe, was ich richtig stellte. „II dira cela 25 fois si vous
voulez“, sagte er. Ich sagte ihm, niemand wende sich bei uns gegen
Serbiens Integrität oder Dynastie. Am lebhaftesten erklärte sich Herr
Sasonow gegen die Auflösung der „Narodna Odbrana“, die Serbien nie-
mals vornehmen werde. Weiteren Widerspruch von Seite des Herrn
Ministers löste die Beteiligung von k. u. k. Funktionären an der Unter-
drückung der subversiven Bewegung aus. Serbien werde also daheim
nicht mehr der Herr sein 1 „Sie werden dann immer wieder intervenieren
wollen und welches Leben werden Sie da Europa bereiten!“ Ich er-
widerte, es werde, wenn Serbien guten Willen hat, ein ruhigeres sein,
als bisher.
Den an die Mitteilung der Note angefügten Kommentar hörte der
Herr Minister ziemlich ruhig an; bei dem Passus, daß wir uns in unseren
Gefühlen mit jenen aller zivilisierten Nationen eins wissen, meinte er,
dies sei ein Irrtum. Mit allem mir zu Gebote stehenden Nachdruck ver-
wies ich darauf, wie traurig es wäre, wenn wir in dieser Frage, bei der
alles im Spiele sei, was wir Heiligstes hätten und, was immer der Herr
Minister sagen wolle, auch in Rußland heilig sei, kein Verständnis in
Rußland fänden. Der Herr Minister suchte die monarchische Seite der
Angelegenheit zu verkleinern.
Das zur Verfügung der Regierungen gehaltene Dossier betreffend,
meinte Herr Sasonow, wozu wir uns diese Mühe gegeben hätten, wo wir
*) Österreichisches Rotbuch igi4> Nr. i4, S. 17.
549
doch bereits ein Ultimatum erlassen hätten. Dies beweise am besten, daß
wir eine unparteiische Prüfung des Falles gar nicht anstreben. Ich
sagte ihm, daß für unser Vorgehen, in dieser zwischen Österreich-Ungarn
und Serbien spielenden Angelegenheit die durch unsere eigene Unter-
suchung erzielten Resultate genügen und wir nur bereit seien, den Mäch-
ten weitere Aufschlüsse, falls dieselben sie interessieren, zu geben, weil
wir nichts zu verheimlichen hätten.
Herr Sasonow meinte, jetzt nach dem Ultimatum sei er eigentlich
gar nicht neugierig. Er stellte die Sache so dar, als ob es uns darauf
ankomme, unbedingt mit Serbien Krieg zu führen. Ich erwiderte, wir
seien die friedliebendste Ma,cht der Welt, was wir wollten, sei nur
Sicherung unseres Territoriums vor fremden revolutionären Umtrieben
und unsere Dynastie vor Bomben.
Im Verlaufe der weiteren Erörterungen ließ Herr Sasonow nochmals
die Bemerkung fallen, daß wir jedenfalls eine ernste Situation geschaf-
fen hätten.
Trotz der relativen Ruhe des Herrn Ministers war seine Stellungnahme
eine durchaus ablehnende und gegnerische.
Nr. g63.
Mitteilung des deutschen Botschafters,
vom 24. Juli 19141).
Die Veröffentlichungen der österreichisch-ungarischen Regierung über
die Umstände, unter denen das Attentat auf den österreichischen Thron-
folger und seine Gemahlin stattgefunden hat, enthüllen offen die Ziele,
die sich die großserbische Propaganda gesetzt hat, und die Mittel, deren
sie sich zur Verwirklichung derselben bedient. Auch müssen durch die
bekanntgegebenen Tatsachen die letzten Zweifel darüber schwinden, daß
das Aktionszentrum der Bestrebungen, die auf Loslösung der südslawi-
schen Provinzen von der österreichisch-ungarischen Monarchie und deren
Vereinigung mit dem serbischen Königreich hinauslaufen, in Belgrad
zu suchen ist, und dort zum mindesten mit der Konnivenz von Ange-
hörigen der Regierung und Armee seine Tätigkeit entfaltet.
Die serbischen Treibereien gehen auf eine lange Reihe von Jahren
zurück. In besonders markanter Form trat der großserbische Chauvinis-
mus während der bosnischen Krisis in die Erscheinung. Nur der weit-
gehenden Selbstbeherrschung und Mäßigung der österreichisch-ungari-
schen Regierung und dem energischen Einschreiten der Großmächte war
es zuzuschreiben, wenn die Provokationen, welchen Österreich-Ungarn in
dieser Zeit von seiten Serbiens ausgesetzt war, nicht zum Konflikt führ-
x) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 100, S. i32.
55o
ten. Die Zusicherung künftigen Wohlverhaltens, die die serbische Re-
gierung damals gegeben hat, hat sie nicht eingehalten. Unter den Augen,
zum mindesten unter stillschweigender Duldung des amtlichen Serbiens,
hat die großserbische Propaganda inzwischen fortgesetzt an Ausdehnung
und Intensität zugenommen; auf ihr Konto ist das jüngste Verbrechen
zu setzen, dessen Fäden nach Belgrad führen. Es hat sich in unzwei-
deutiger Weise kundgetan, daß es weder mit der Würde noch mit der
Selbsterhaltung der österreichisch-ungarischen Monarchie vereinbar sein
würde, dem Treiben jenseits der Grenze noch länger tatenlos zuzusehen,
durch das die Sicherheit und Integrität ihrer Gebiete dauernd bedroht
wird. Bei dieser Sachlage können das Vorgehen sowie die Forderungen
der österreichisch-ungarischen Regierung nur als billig und maßvoll an-
gesehen werden. Trotzdem schließt die Haltung, die die öffentliche
Meinung sowohl als auch die Regierung in Serbien in letzter Zeit ein-
genommen hat, die Befürchtung nicht aus, daß die serbische Regierung
es ablehnen wird, diesen Forderungen zu entsprechen und daß sie sich
zu einer provokatorischen Handlung Österreich-Ungarn gegenüber hin-
reißen läßt. Es würde der österreichisch-ungarischen Regierung, will
sie nicht auf ihre Stellung als Großmacht endgültig Verzicht leisten,
alsdann nichts anderes übrigbleiben, als ihre Forderungen bei der ser-
bischen Regierung durch einen starken Druck und nötigenfalls unter der
Ergreifung militärischer Maßnahmen durchzusetzen, wobei ihr die Wahl
der Mittel überlassen bleiben muß.
Die kaiserliche Regierung möchte der Anschauung nachdrücklich Aus-
druck verheihen1), daß es sich in der vorliegenden Frage um eine
lediglich zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zum
Austrag zu bringende Angelegenheit handele, die auf die
beiden direkt Beteiligten zu beschränken das ernste Bestreben der Mächte
sein müsse. Wir wünschen dringend die Lokalisierung des Konflikts,
weil jedes Eingreifen einer anderen Macht infolge der verschiedenen
Bündnisverpflichtungen unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen
würde.
Deutsche Botschaft, London.
In BB Nr. 9 veröffentlicht.
Siehe das deutsche Original in DD Nr. ioo* 2).
1) Zu Beginn dieses Absatzes hieß es im Erlaß an Fürst Lichnowsky: „Ew. pp. be-
ehre ich mich zu ersuchen, sich in vorstehendem Sinne Sir E. Grey gegenüber auszu-
sprechen und dabei insbesondere der Anschauung nachdrücklich Ausdruck zu ver-
leihen ..Sonst ist der Wortlaut genau wie in DD Nr. ioo.
2) In der englischen Ausgabe ist noch bemerkt, daß die dort zum Abdruck gebrachte
englische Übersetzung identisch mit der Schreibmaschinenabschrift in englischer Sprache
ist, die der deutsche Botschafter auf dem Auswärtigen Amt hinterlassen hat.
V e r m e rk:
Sehr starke Unterstützung. — G. R. C. 25. Juli 191/h
Die Antwort lautet, daß infolge der äußerst scharfen österreichischen Forderungen
und der vorgeschriebenen Frist die Lokalisierung des Konflikts ungemein schwierig ge-
55i
Nr. 964.
Graf Szecsen an Graf Berchtold.*)
Telegramm. Paris, den 24. Juli 1914.
Baron Schoen wird auftragsgemäß heute hier mitteilen, daß unsere
Kontroverse mit Serbien nach Ansicht Berliner Kabinettes eine Ange-
legenheit sei, die nur Österreich-Ungarn und Serbien angehe.
Anknüpfend hieran wird er zu verstehen geben, daß, falls dritte Staa-
ten sich einmischen sollten, Deutschland, getreu seinen Allianzverpflich-
tungen auf unserer Seite sein wird.
Nr. g65.
Graf Szecsen an Graf Berchtold.2)
Telegramm. Paris, den 24. Juli 1914»
Baron Schoen hat die ihm aufgetragene Demarche soeben ausgeführt.
Herr Bienvenu Martin hat ihm gesagt, er könne sich noch nicht de-
finitiv äußern, soviel könne er aber schon jetzt sagen, daß die fran-
zösische Regierung auch der Ansicht sei, unsere Kontroverse mit Ser-
bien ginge nur Belgrad und Wien an, und daß man hier hoffe, daß)
die Frage eine direkte und friedliche Lösung finden werde.
Dem hiesigen serbischen Gesandten wurde bereits der Rat gegeben,
seine Regierung möge in allen Punkten soweit als nur möglich nach-
geben, freilich mit der Einschränkung: „insoferne ihre Souveränitäts-
rechte nicht tangiert werden“.
worden ist. Denn die österreichischen Bedingungen lassen deutlich die Merkmale der
Absicht erkennen, einen Krieg herbeizuführen. Die von Österreich aufgestellten und
nun von Deutschland wiederholten Behauptungen über die Missetaten Serbiens beruhen
bis jetzt auf keinem den Mächten zugänglichen Beweismaterial, obwohl die österreichi-
sche Regierung die Mächte auf gef ordert hat, jene Behauptungen hinzunehmen. Man
müßte ihnen Zeit lassen, sich von den Tatsachen zu überzeugen, die sie anerkennen
sollten. — E.A. C. 25. Juli.
Bei den Klubs sind Telegramme angeschlagen, wonach die konservative Presse Berlins
herumgeschwenkt ist und Einspruch dagegen erhebt, daß Deutschland in einen Konflikt
gezogen werde, den Österreich-Ungarn heraufbeschworen hat, und weil Deutschland in
bezug auf das Ultimatum nicht im voraus befragt wurde. Ich weiß nicht, ob dieser
Frontwechsel irgendwelche Bedeutung hat. — A. N.
Falls wahr, dann ist der Frontwechsel sehr überraschend. Ich habe in meinen Unter-
redungen mit Fürst Lichnowsky angenommen, daß ein Krieg zwischen Österreich und
Serbien nicht lokalisiert werden kann. — E. G.
Die Namen der Verfasser der Vermerke:
G. R, C. = G.R. Clerk.
E. A. C. = Sir Eyre Crowe.
A. N. = Sir Arthur Nicolson.
E. G. = Sir Edward Grey.
1) Österreichisches Rotbuch igi4, Nr. 12, S. 16.
2) Österreichisches Rotbuch 1914, Nr. i3, S. 16.
552
Baron Schoen betonte die europäische Notwendigkeit, daß der Herd
ewiger Beunruhigung in Belgrad endlich aus der Welt geschafft werden
müsse.
Nr. 966.
Sir Edward Grey an Sir M. de Bunsen.x)
Telegramm. Auswärtiges Amt, den 24. Juli 191/1.
Nr. i48. A. i30 nachm.
Österreichisch-ungarischer Botschafter hat mir die an Serbien ge-
richtete Note mit den Erklärungen der österreichisch-ungarischen Re-
gierung mitgeteilt* 2).
Ich sagte, die Ermordung des Erzherzogs sowie einige der in der
österreichisch-ungarischen Note hinsichtlich Serbiens angeführten Um-
stände erweckten natürlich Sympathien für Österreich, ich hielte es aber
für sehr bedauerlich, daß in diesem Stadium eine Frist, (?) und zwar
eine solch kurze Frist gestellt worden sei, und die Note scheine mir
das furchtbarste Dokument zu sein, das ich je einen Staat an einen an-
deren unabhängigen Staat habe richten sehen. Forderung Nr. 5 könnte
bedeuten, daß die österreichisch-ungarische Regierung berechtigt sein
solle, Beamte zu ernennen, die auf serbischem Gebiet amtliche Befug-
nisse ausüben dürften, und das würde mit Erhaltung unabhängiger Sou-
veränität Serbiens kaum vereinbar sein.
Ich machte diese Bemerkungen jedoch nicht, um die Rechtslage des
Streitfalles zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zu erörtern; da-
mit hätten wir nichts zu schaffen. Ich würde mich lediglich vom Ge-
sichtspunkt des europäischen Friedens aus mit der Sache befassen und
ich sei sehr besorgt.
Ich müßte die Ansichten anderer Mächte ab warten und wir würden
uns ohne Zweifel mit ihnen beraten, um zu sehen, was zur Behebung
von Schwierigkeiten geschehen könne.
Der österreichisch-ungarische Botschafter äußerte, Serbien habe eine
derartige Verschleppungstaktik befolgt, daß eine Befristung notwendig
sei. Seit der Ermordung des Erzherzogs wären einige Wochen verstri-
chen, von Serbien aber sei kein Zeichen der Teilnahme oder Hilfsbereit-
schaft erfolgt; hätte es nach dem Morde die Hand geboten, dann hätte
die gegenwärtige Lage verhütet werden können.
Ich bemerkte, man hätte zu irgendeinem späteren Zeitpunkt eine Frist
stellen können, falls Serbien mit einer Antwort gezögert hätte; wie die
Dinge lägen, verlange die österreichisch-ungarische Regierung nicht bloß
eine Antwort binnen achtundvierzig Stunden, sondern sie schreibe auch
den Wortlaut der Antwort vor.
*) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 91, S. 123.
2) Siehe Anhang A.
553
Nr. 967.
Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.x)
Petersburg, den 12./25. Juli 1914.
Jetzt habe ich Sasonow gesehen, der von der Unerwartetheit der öster-
reichischen Geste betroffen ist. Er glaubt, es werde ihm gelingen, die
Frist des österreichischen Ultimatums zu verlängern und Zeit zu ge-
winnen, um sich mit seiner Vermittlung einzumischen; wenn aber Öster-
reich unversöhnlich bleibe, dann, sagte er, werden wir Serbien nicht
vernichten lassen. Uns rät er, Neutralität zu bewahren. Er habe Nach-
richt, daß wir uns mit den Türken verabredet hätten; er sagte mir, wir
sollten uns hüten, denn man werde uns übervorteilen. Ich traf Iswolski
bei ihm, der meint, daß der Krieg unvermeidlich ist, wenn auch von
Rußland nicht gewünscht. Heute abend fährt er nach Paris zurück.
Buchanan sagte mir: Der Krieg ist beinahe unvermeidlich, aber ihr
Bulgaren seht zu, daß ihr eure Kräfte bewahrt, damit ihr nicht die
Rolle spielt, die Rumänien vergangenes Jahr gespielt hat. Paleologue
sagte mir, ganz Frankreich sei empört über das Benehmen Österreichs,
und der Krieg werde wahrscheinlich mit einer Arbitrage ausgehen; wenn
das aber nicht geschehe, dann werde Frankreich Rußland mit allen seinen
Kräften unterstützen. Hier finden beständige Sitzungen des Minister-
rates statt, und man erwartet wichtige Entscheidungen.
Dimitrieff.
Nr. 968.
Graf Berchtold an Graf Szapary in St. Petersburg.1 2)
Wien, den 25. Juli 1914.
In dem Augenblick, wo wir uns zu einem ernsten Vorgehen gegen Ser-
bien entschlossen haben, sind wir uns natürlich auch der Möglichkeit
eines sich aus der serbischen Differenz entwickelnden Zusammenstoßes
mit Rußland bewußt gewesen. Wir konnten uns aber durch diese Even-
tualität nicht in unserer Stellungnahme gegenüber Serbien beirren las-
sen, weil grundlegende staatspolitische Konsiderationen uns vor die
Notwendigkeit stellten, der Situation ein Ende zu machen, daß ein
russischer Freibrief Serbien die dauernde, ungestrafte
und unstrafbare Bedrohung der Monarchie ermögliche.
1) Bulgarisches Orangebuch Bd. I Nr. 210.
2) Österreichisches Rotbuch 1914, Nr. 26, S. 74*
554
Für den Fall, als Rußland den Moment für die große Abrechnung
mit den europäischen Zentralmächten bereits für gekommen erachten
sollte und daher von vorneherein zum Krieg entschlossen wäre, erscheint
allerdings nachstehende Instruierung Euer Exzellenz überflüssig.
Es wäre aber immerhin denkbar, daß Rußland, nach der eventuellen
Ablehnung unserer Forderungen durch Serbien und angesichts der sich
für uns ergebenden Notwendigkeit eines bewaffneten Vorgehens, mit sich
selbst zu Rate ginge und daß. es sogar gewillt sein könnte, sich von den
kriegslustigen Elementen nicht mitreißen zu lassen.
Dieser Situation sind die nachfolgenden Darlegungen angepaßt, die
Euer Exzellenz im gegebenen Moment und in der Ihnen geeignet er-
scheinenden Weise und nach der von Ihnen zu ermessenden Opportunität
bei Herrn Sasonow und dem Herrn Ministerpräsidenten verwerten
wollen:
Ich setze im allgemeinen voraus, daß Euer Exzellenz unter den gegen-
wärtigen Verhältnissen ein enges Einvernehmen mit Ihrem deutschen
Kollegen hergestellt haben, der seitens seiner Regierung gewiß beauftragt
worden sein dürfte, der russischen Regierung keinen Zweifel darüber zu
lassen, daß Österreich-Ungarn im Falle eines Konfliktes mit Rußland
nicht allein stehen würde.
Darüber gebe ich mich keiner Illusion hin, daß es nicht leicht sein
wird, für unseren unvermeidlich gewordenen Schritt in Belgrad bei
Herrn Sasonow Verständnis zu finden.
Es gibt aber ein Moment, das seinen Eindruck auf den russischen
Minister des Äußern nicht verfehlen kann und das ist die Betonung des
Umstandes, daß die österreichisch-ungarische Monarchie, dem von ihr
seit Jahrzehnten festgehaltenen Grundsatz entsprechend, auch in der
gegenwärtigen Krise und bei der bewaffneten Austragung des Gegen-
satzes zu Serbien keinerlei eigennützige Motive verfolgt.
Die Monarchie ist teritorial saturiert und trägt nach
serbischem Besitz kein Verlangen. Wenn der Kampf mit
Serbien uns auf gezwungen wird, so wird dies für uns kein
Kampf um territorialen Gewinn, sondern lediglich ein
Mittel der Selbstverteidigung und Selbsterhaltung sein.
Der Inhalt des Zirkularerlasses, der an sich schon beredt genug ist,
wird in das rechte Licht gerückt durch das Dossier über die serbische
Propaganda gegen die Monarchie und die Zusammenhänge, die zwischen
dieser Propaganda und dem Attentat vom 28. Juni bestehen.
Auf dieses Dossier wollen Euer Exzellenz die Aufmerksamkeit des
Herrn russischen Ministers ganz speziell lenken und dartun, es sei eine
in der Geschichte singuläre Erscheinung, daß eine Großmacht die
aufrührerischen Umtriebe eines angrenzenden kleinen Staates durch
so lange Zeit mit so beispielloser Langmut geduldet
hätte wie Österreich-Ungarn jene Serbiens.
555
Wir wollten keine Politik gegen das Aufstreben der christlichen Balkan-
staaten machen und haben daher — trotzdem uns der geringe Wert
serbischer Versprechungen bekannt war — nach der Annexionskrise
vom Jahre 1908 zugelassen, daß sich Serbien beinahe um das Dop-
pelte vergrößere.
Seitdem hat die subversive Bewegung, die in Serbien gegen die Mon-
archie genährt wird, so exzessive Formen angenommen, daß die Lebens-
interessen Österreich-Ungarns und selbst unsere Dynastie durch die ser-
bische Wühlarbeit bedroht erscheinen.
Wir müssen annehmen, daß das konservative, kaisertreue Rußland ein
energisches Vorgehen unsererseits gegen diese Bedrohung aller staat-
lichen Ordnung begreiflich und sogar notwendig finden wird.
Wenn Euer Exzellenz in Ihrem Gespräch mit Herrn Sasonow an
diesem Punkte angelangt sein werden, wird der Moment gekommen sein,
an die Aufstellung unserer Beweggründe und Absichten den Hinweis zu
knüpfen, daß wir — zwar wie Euer Exzellenz bereits in der Lage ge-
wesen wären darzulegen — keinen territorialen Gewinn anstreben und
auch die Souveränität des Königreiches nicht anzutasten gedächten, daß
wir aber andererseits zur Durchsetzung unserer Forderungen bis zum
Äußersten gehen würden.
Daß wir bisher, soweit es an uns lag, bestrebt waren, den Frieden zu
erhalten, den auch wir als das kostbarste Gut der Völker betrachten,
zeige der Verlauf der letzten 4o Jahre und die geschichtliche Tatsache,
daß unser Allergnädigster Herr Sich den glorreichen Namen eines Hüters
des Friedens erworben hat.
Wir würden eine Störung des europäischen Friedens schon deshalb
auf das lebhafteste bedauern, weil wir stets der Ansicht waren, daß das
Erstarken der Balkanstaaten zur staatlichen und politischen Selbständig-
keit, unseren Beziehungen zu Rußland zum Vorteil gereichen würde,
auch alle Möglichkeit eines Gegensatzes zwischen uns und Rußland be-
seitigen würde und weil wir immer bereit waren, die großen politischen
Interessen Rußlands bei unserer eigenen politischen Orientierung zu be-
rücksichtigen.
Eine weitere Duldung der serbischen Umtriebe würde unsere staat-
liche Existenz untergraben und unseren Bestand als Großmacht, daher
auch das europäische Gleichgewicht in Frage stellen. Wir sind aber
überzeugt, daß es Rußlands eigenstes, von seinen friedlichen Staats-
leitern wohlverstandenes Interesse sei, daß das gegenwärtige europäische,
für den Weltfrieden so nützliche Gleichgewicht erhalten bleibe. Unsere
Aktion gegen Serbien, in welcher Form immer sie erfolgt, ist eine durch-
aus konservative und ihr Zweck die notwendige Erhaltung unserer euro-
päischen Stellung.
556
Nr. 969.
Sir R. Rodd an Sir Edward Grey.*)
Telegramm. Rom, den 26. Juli 1914*
Nr. 122. A. 345 nachm.
E. 530 nachm.
österreichisch-serbischer Konflikt.
Meinen Eindrücken nach wird italienische Regierung, selbst wenn Ruß-
land zur Unterstützung Serbiens einschreiten sollte, zu argumentieren
versuchen, daß, da Österreich Italien vor Überreichung der Note nicht
befragt habe und es durch die Art seines Angriffs auf Serbien Rußland
zwangsläufig herausforderte, der im Bündnis vorgesehene casus foederis
nicht eintreten würde. Man gibt jedoch zu, daß Deutschland anderer
Meinung ist.
(Gleichlautend an Botschaften und nach Nisch.)
Nr. 970.
Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.* 2)
Bukarest, den 13./26. Juli 1914.
Heute hatte ich eine sehr lange Besprechung mit dem Minister der
Auswärtigen Angelegenheiten über den serbisch-österreichischen Kon-
flikt. Er sagte, er sei von der österreichischen Note überrascht gewesen,
von der Graf Czernin ihm vor einigen Tagen versichert habe, daß sie
erst nach Beendigung der Untersuchung übergeben werden würde. Von
der Note selbst sagte der Minister, sie stelle zwei Seiten dar: eine juristi-
sche und eine politische. „Alle Kulturstaaten,“ erklärte er, „finden es
sehr begründet, daß Österreich-Ungarn gerichtliche Sanktionen verlangt,
die wegen des Verbrechens von Sarajewo auferlegt werden. Insbesondere
werden alle Monarchien Österreich-Ungarn in seinem Wunsche unter-
stützen, ein an seinen Grenzen einquartiertes Nest der Anarchie, des
Terrors und des Betruges auszurotten. Was jedoch die politischen Garan-
tien betrifft, die die österreichische Note aufzählt, so muß man sehen,
ob sie nicht die Souveränität und die Verfassung Serbiens verletzen.“
Der Minister fügte hinzu, e:r habe den serbischen Geschäftsträger ge-
sehen, dem er dringende Ratschläge zu Vernunft und Nachgiebigkeit ge-
geben habe. Er habe ihm gesagt, die erste Pflicht des Belgrader Kabi-
!) Britische Dokumente I, Nr. i48, S. 168.
2) Bulgarisches Orangebuch Bd. I Nr. 211. Deutsche Übersetzung aus der „Kriegs-
schuldfrage“ März 1928, S.24i.
557
netts sei, sofort loyal und augenfällig alle Maßnahmen zu ergreifen, die
Österreich-Ungarn die Überzeugung beibringen könnten, daß Serbien
der nach der Annexion von Bosnien und der Herzegowina feierlich ab-
gegebenen Erklärung treu bleibe. Auf die Bemerkung des serbischen
Diplomaten, daß Österreich etwas mit der Verfassung Unvereinbares
verlange, habe der Minister geantwortet, die serbische Regierung dürfe
nicht aus den Augen verlieren, daß sie sich mit ihrer Erklärung vom
Jahre 1909 der Nachbarmonarchie gegenüber in eine exzeptionelle Stel-
lung gesetzt habe. Der letzte Rat des Ministers der Auswärtigen Ange-
legenheiten sei, wie er mir sagte, der folgende gewesen: Paschitsch solle
sofort den Weg der Zugeständnisse beschreiten, selbst auf die Gefahi
hin, die Verfassung zu verletzen, indem er sich bemühe, durch die wohl-
wollende Intervention der Mächte eine Verminderung der übermäßigen
Strenge der österreichischen Forderungen zu erlangen.
Bezüglich der durch die österreichische Note geschaffenen internatio-
nalen Lage ist der Minister noch nicht genau unterrichtet. Er meint,
daß Deutschland mit Österreich vollständig einig sei. Die Note sei in
Berlin besprochen und gutgeheißen worden, ehe sie übergeben wurde.
In Rom sei sie einen Tag vor der Übergabe vertraulich mitgeteilt worden.
Einige Faktoren, die er nicht bestimmter bezeichnete, glaubten, Rußland
werde sich nicht zu einer Einmischung entschließen, aber der Minister
hält dafür, daß die panslawistische Bewegung Sasonow zwingen werde,
den aktiven Schutz der Serben zu übernehmen. „In einem solchen Falle,
schloß der Minister, wird ein allgemeiner Krieg ausbrechen.“ Er fragte
mich sodann, welches der Standpunkt der bulgarischen Regierung sei.
Ich antwortete ihm, ich hätte keine Instruktionen, aber soweit ich den
allgemeinen Geist begriffe, von dem sich das Kabinett Radoslawoff leiten
ließe, sei ich der Meinung, daß Bulgarien bestrebt sein werde, sich nicht
in den Konflikt hineinziehen zu lassen, indem es sich bemühe, mit Ru-
mänien freundschaftlichen Kontakt und dauernden Meinungsaustausch
zu unterhalten. Der Minister erklärte mir, die rumänische Regierung sei
ebenso eingestellt.
Meine persönliche Überzeugung, wenn ich sie auch nicht durch Tat-
sachen bekräftigen kann, geht dahin, daß, im Falle eines Zusammen-
stoßes zwischen Österreich und Serbien, Rumänien in der ersten Zeit
Wien erklären wird, es bleibe neutral, wenn die Folgen des Krieges den
Frieden von Bukarest nicht antasteten.
Radeff.
558
Nr. 971.
Der bulgarische Gesandte Tschapratschikoff, Belgrad,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.*)
Belgrad, den i4*/27* Juli I9i4-
Jetzt, um 5 Uhr, hatte ich eine Zusammenkunft mit Paschitsch. Ich
fragte ihn, was er mir über die Lage sagen könne. Er gab folgende
Erklärung ab: Die Lage ist so gefährlich, daß, man von verschiedenen
Seiten ein Mittel sucht, um den Krieg zu vermeiden. Ich habe Nach-
richten, daß Österreich nicht zuerst angreifen will. Auch wir haben
keine solche Absicht. Aus Petersburg habe ich Nachrichten, daß Rußland
entschlossen unseren Schutz übernommen hat. Frankreich ist mit Ruß-
land solidarisch. Die italienische Regierung ist unzufrieden, weil das ver-
bündete Wiener Kabinett sie über seinen Schritt nicht vorher unterrichtet
hat. England wünscht sehr, daß der Krieg vermieden werde. Wenn er
erklärt wird, wird es nicht neutral bleiben, es wird sich einmischen. Über
die Haltung der Balkanstaaten ist Paschitsch sehr reserviert. Obwohl ich
fragte, was für Nachrichten er aus Rumänien, Griechenland und der
Türkei habe, wich er Gesprächen über dieses Thema aus. Betreffs Bul-
gariens beauftragt er mich, folgendes zu übermitteln: „Ihre Haltung in
dieser wichtigen Krisis hat für uns großen Wert. Zwar hat die bul-
garische Regierung erklärt, sie werde für jetzt Neutralität bewahren und
behalte sich ihre spätere Haltung vor. Aber von Ihnen wird es abhängen,
daß es für Bulgarien gute Folgen hat. Von anderer Seite sind wir in
Kenntnis gesetzt, daß man sich in Bulgarien rüstet, damit schon jetzt
Komitadschis aus Strumitza in Serbien einfallen.“
Ich bat Paschitsch, zu erklären, was er unter den Worten „gute Folgen
für Bulgarien“ verstehe. Er vermied es, eine Erklärung zu geben, und
verlangte, ich solle seine Worte wörtlich übermitteln. Bezüglich der
Komitadschis sagte ich, daß sei sicherlich eine griechische Intrige. Ob-
wohl Paschitsch die Lage Serbiens unter den europäischen Mächten für
günstig hinstellte, war sein Gesicht doch erschreckt, unruhig, welk. Mir
gegenüber war er jedoch lieb, liebenswürdig, eine Seele von Mensch. Er
hat Grund dazu. Er fügte hinzu, nach der gegebenen Antwort habe Ser-
bien nichts anderes hinzuzufügen, keine neuen Zugeständnisse. Hätte es
gewußt, daß es in dieser Weise unterstützt werden würde, würde es
sich nicht einmal auf die gemachten Zugeständnisse ein-
gelassen haben. Das Selbstvertrauen Paschitschs sowie auch das von
Strandtman machte mich aufmerksam. Sollte das vielleicht Eindruck in
Sofia machen, wenn ich es mitteilte, oder ist es tatsächlich begründet —
ich bin ohne Informationen —, ich weiß das nicht zu sagen.
Tschapratschikoff.
*■) Bulgarisches Orangebuch Bd. I Nr. 218.
559,
Nr. 972.
Sir M. de Bunsen an Sir Edward Grey.*)
(Tel.) Nr. 122. Wien, den 29. Juli 1914*
A. 430 nachm.
E. 727 nachm.
Französischer und italienischer Botschafter pflichten mir bei, daß es
augenblicklich nichts gibt, was wir nützlicherweise tun könnten, um
Krieg mit Serbien aufzuhalten, dem österreichisch-ungarische Regierung
nun durch Kriegserklärung und durch heute morgen veröffentlichten
Aufruf des Kaisers an sein Volk völlig Übermacht ist. Italienischer Bot-
schafter meint, daß Rußland bewogen werden könnte, ruhig zu bleiben,
wenn österreichisch-ungarische Regierung in St. Petersburg abgegebene
Erklärung, weder serbisches Gebiet erwerben noch Unabhängigkeit Ser-
biens vernichten zu wollen, in eine bindende Verpflichtung Europa gegen-
über verwandle. Aber italienischer Botschafter ist sicher, daß öster-
reichisch-ungarische Regierung dies ablehnen würde.
Vertraulich.
Französischer Botschafter berichtet seiner Regierung, daß ihn Geständ-
nisse des serbischen Gesandten1 2), mit dem er bis zu dessen Abreise am
26. Juli in enger Fühlung war, überzeugt haben, Zustand wachsender
Gärung in südslawischen Provinzen der Doppelmonarchie sei derart, daß
österreichisch-ungarische Regierung genötigt gewesen wäre, sich ent-
weder in Lostrennung dieser Provinzen zu fügen oder eine verzweifelte
Anstrengung zu machen, um sich die Provinzen dadurch zu erhalten, daß
sie Serbien als Machtfaktor ausschalte. Serbischer Gesandter äußerte im-
mer, die Zeit arbeite für Serbien, und er sagte französischem Botschafter,
südslawische Provinzen wären innerhalb drei Jahren bereit, sich gegen
Österreich-Ungarn zu erheben, ohne daß Serbien auch nur den kleinen
Finger zu rühren brauche. Österreich-Ungarn merkte, daß es nicht
länger warten konnte, und entschloß sich zum Kriege, von dem es jetzt
anscheinend nichts mehr abzuhalten vermag. Nach Ansicht französischen
Botschafters geht daraus hervor, daß Konflikt nicht Folge deutscher An-
stiftung ist; auch gehe nicht unbedingt daraus hervor, daß Deutschland
europäischen Krieg wünscht, wie viele in Frankreich glauben3).
(Gleichlautend an Botschaften.)
1) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 265, S.271.
2) Jowanowitsch.
ö) Im englischen Blaubuch von 1914 ist dieser Bericht unter Nr. 79 übernommen, der
letzte Absatz ist oben absichtlich weggelassen worden. D. V.
56o
Nr. 978.
Herr von Merey an Graf Berchtold.*)
Telegramm. Rom, den 3o. Juli igi4-
Nr. 557.
Heute aus Fiuggi zurückgekehrter deutscher Botschafter suchte mich
auf. In seinen Äußerungen fielen mir zwei kritische Bemerkungen auf:
1. Wir kämen mit allem zu spät, mit der Untersuchung, mit der Über-
gabe der Note in Belgrad, mit deren Mitteilung in Rom und jetzt mit der
Mobilisierung und dem Losschlagen.
2. Man sei sich in Berlin eigentlich über das Ziel unserer Aktion nicht
im klaren. Solange wir nämlich nicht Serbien ganz oder teilweise annek-
tieren, werde auch das durch eine Niederlage geschwächte Serbien in
der Lage sein zu agitieren, geheime Vereine zu gründen, Attentate zu
inszenieren usw.
Nr. 974.
Der bulgarische Gesandte Radeif, Bukarest,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.* 2)
Bukarest, den 17./3o. Juli 1914.
Graf Czernin, der gestern mit dem König auf einer Ausfahrt im Auto-
mobil war, sagte mir, er habe ihn ruhiger gefunden. Der König von Ru-
mänien sei geneigt zu glauben, daß der Krieg lokalisiert bleiben werde.
Die Komplikationen könnten sich erst beim Friedensschlüsse zeigen. Der
König habe mit großer Befriedigung die Versicherung entgegengenom-
men, daß Österreich nicht auf Gebietserwerbungen ausgehe. Er habe
erfahren wollen, welche Bedingungen Serbien nach dem Kriege gestellt
werden würden. Graf Czernin habe mit allgemeinen Worten geantwortet,
indem er gesagt habe, daß, Österreich-Ungarn hauptsächlich alle nötigen
Garantien gegen ein Wiederaufleben der großserbischen Propaganda ver-
langen werde. Der König habe eine sehr verurteilende Sprache gegen die
Torheit dieser serbischen Kreise geführt. Auf Befehl aus Wien habe
Graf Czernin dem Könige die friedfertige Erklärung mitgeteilt, die Sie
dem österreichischen bevollmächtigten Minister in Sofia gemacht haben.
Sie habe einen beruhigenden Eindruck auf den König gemacht, der sich
vor unseren Absichten sehr gefürchtet habe.
Radeff.
!) Diplomatische Aktenstücke zur Vorgeschichte des Krieges 1914, III. Teil, Nr. 37,
S.34.
2) Bulgarisches Orangebuch Bd. I Nr. 237.
36 Boghitscliewitscli, Serbien II.
56i
Nr. 975.
Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.x)
Bukarest, den i8./3i. Juli 1914.
Graf Czernin hatte heute früh wieder eine Zusammenkunft mit dem
Könige. Auch der Thronfolger ist zugegen gewesen. Der König ist in
großer Beunruhigung gewesen und hat gesagt, sein deutsches Herz sei
völlig auf der Seite des Dreibundes, aber; er fürchte, Volk und Heer wür-
den ihm nicht folgen, wenn er sich gegen Rußland erkläre. Der Wunsch
des Königs sei, daß Rumänien neutral bleiben könne, bis die ersten
großen Schlachten geschlagen würden und man sehe, auf welcher Seite
der Sieg sei. Czernin hat dem Könige erklärt: „Wer nicht mit uns ist,
ist gegen uns. Eure Majestät sind ein großer militärischer Führer und
wissen, daß bei einem allgemeinen europäischen Kriege von keiner Neu-
tralität die Rede sein kann.“ Der König hat schrecklich betreten er-
widert, er werde einen Kronrat einberufen, der die Haltung Rumäniens
bestimmen werde. Der Kronrat werde nach der Rückkehr Take Jonescus
aus dem Auslande, der telegraphisch zurückgerufen sei, einberufen
werden.
Radeff.
Nr. 976.
Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.* 2)
22. Juli ,
4. August J914*
Ich sah Sasonow, der mir die Note vorlas, die an Sawinski3) abgesandt
worden ist, damit sie Ihnen übergeben werde. Man will, daß Bulgarien
in diesem wichtigen historischen Augenblicke aus der Neutralität heraus-
trete und sich der allgemeinen slawischen Sache anschließe. Die Neutra-
lität hält man für eine dieser Sache gegenüber feindliche Einstellung.
Er sagte mir, die Serben seien schon jetzt sehr nachgiebig geworden und
wir könnten auf eine ansehnliche territoriale Kompensation bei der Liqui-
dation des Krieges rechnen. Ich setzte ihm auseinander, daß es nach
allem Gewesenen schwer sei, das bulgarische Volk dazu zu bewegen, Ser-
bien zu Hilfe zu kommen. Er antwortete, das werde man auch nicht ver-
!) Bulgarisches Orangebuch Nr. 2 44-
2) Bulgarisches Orangebuch Bd. I, Nr. 282.
3') Russischer Gesandter in Sofia.
Petersburg, den
562
langen, unser Kontingent könnte eine andere Aufgabe bekommen . . „
Hier ist die Begeisterung unbeschreiblich. Alle haben sich um den Kaiser
vereinigt, um den Krieg zu einem glücklichen Ende zu führen. Als Militär
zweifle ich nicht, daß letzten Endes Rußland siegen wird. Es ist wichtig,
daß wir nicht zwischen zwei Stühlen bleiben. Meine bescheidene Meinung
ist, daß wir in dieser schicksalsschweren Stunde die uns von Rußland
gebotene Hand nicht zurückweisen sollten, denn sonst laufen wir Gefahr,
alles zu verlieren. Österreich und Deutschland haben, soweit ich verstehe,
sehr wenig Aussicht auf Erfolg. Rumänien war unter dem Einflüsse des
Königs schwankend, aber die öffentliche Meinung war gegen Österreich.
Dimitrief f.
Nr. 977.
Lettre de M. Pierre Plamenatz,
ancien Ministre des Affaires étrangères du Montenegro
à M. M .Londres.
London, Hyde Park Hotel
Londres, le 2 3 mai 1917.
Très honoré Monsieur,
J’ai l’honneur de répondre à vos questions par ce qui suit:
Le gouvernement serbe a dû en 1908, au moment de l’annexion de la
Bosnie-Herzégovine donner des assurances à l’Autriche et faires des
déclarations publiques qui l’ont fortement humilié aux yeux de la partie
de notre peuple qui vivait dans les limites de la double monarchie.
Depuis ce jour il n’a jamais cessé de penser à une revanche. Le Monté-
négro quoique n’ayant pas comme la Serbie passé en 1909 sous les four-
ches Caudines de son puissant voisin, avait gardé à l’Autriche une ran-
cune profonde. La Bosnie étant perdue momentanément il fallait se
dépêcher de sauver le reste, c’est à dire fermer la route qui mène par
le Sandjak et la Vielle Serbie vers Salonique et empêcher ainsi l’Au-
triche d’occuper le corridor qui nous divisait et qui pris par elle, nous
aurait séparé à jamais de la Serbie. Il fallait donc sauver le Sandjak
pour nous. Pour le sauver il fallait le prendre à la Turquie. Ne pouvant
pas à nous seuls vaincre ce dernier pays nous nous sommes alliés avec
la Bulgarie et la Grèce. La diplomatie russe, également humiliée par l’Alle-
magne et par l’Autriche en 1908 dans la question bosniaque a patronné
l’alliance balkanique de 1912. Le traité d’alliance entre le Monténégro
et la Serbie contre la Turquie, signé le 2 3 séptembre 1912 visait surtouit
l’Autriche-Hongrie. On voit en effet dans son article IL l’obligation
mutuelle de la Serbie et du Monténégro d’attaquer l’Autriche avec toute
son armée, non seulement dans le cas ou elle annexerait, mais même
563
dans celui ou elle «essayerait d'occuper avec son armée, même momen-
tanément une partie de la Turquie d’Europe . . .», et dans l’article I.
de la convention militaire entre nous et la Serbie on lit textuellement:
«En cas de guerre avec L’Autriche-Hongrie la manière de faire la guerre
de la part de la Serbie et du Monténégro sera la défensive tactique en
n’excluant pas dans certaines directions et aux moments favorables
l’offensive stratégique.» Donc et surtout la défensive tactique du Monté-
négro et de la Serbie contre l’Autriche, en laissant à la Russie le soin de
l’offensive stratégique. C’est évident. N’étant pas en état à nous deux
seuls, sans d’autres alliés balkaniques de faire la guerre à la Turquie
comment nous aurions pu songer à faire la guerre à l’Autriche sans les
assurances données par la Russie quelle nous aidera le moment venu.
Ces assurances ont du être données à M. Pachitch et non pas à nous
comme vous le verrez dans un instant. La guerre contre la Turquie avait
épuisé le Monténégro physiquement et matériellement. En la commen-
çant, nous ne savions pas ce que coûte une guerre moderne. Par cette
guerre nous avions doublé notre territoire. Nous ne désirions pour le
moment rien d’autre que de vivre en paix le plus longtemps possible
et mettre l’ordre dans les riches contrées que nous avions pris aux Turcs.
Nos pertes en hommes dans la guerre balkanique étaient très fortes. De
tout notre coeur nous souhaitions un long repos. Nous ne voyions en ce
moment rien qui pouvait compromettre cette paix, vu que l’Autriche très
intéressée dans les Balkans avait accepté le résultat des deux guerres bal-
kaniques. Nous désirions des nouvelles complications d’autant moins,
que la Russie nous avait déjà en 1911 suspendu la subvention pour
l’armée. Il serait sans utilité de vous parler des raisons, qui ont poussé
la Russie à nous retirer cette aide. Il suffit de vous dire, que M. Pachitch
par ses intrigues nous avait supplanté à St. Pétersbourg et établi la légende
monstrueuse, que le Roi Nicolas était l’homme de l’Autriche et comme tel
peu sûr. Nommé Ministre des Affaires Etrangères du Monténégro en
avril 1913, j’ai fait tout ce qui était humainement possible pour fléchir
la Russie et l’emmener à nous donner au moins l’argent necessaire pour
payer nos officiers, que la Russie nous avait instruit et que nous ne
pouvions pas payer par les moyens ordinaires de notre budget. Tous mes
efforts ont été inutiles. Nous déséspérions, quand à un moment où nous
nous attendions le moins en avril 1914, le Roi m’appela et me dit, que
l’attaché militaire russe à Cettigné, par l’ordre de St. Pétersbourg était
venu chez lui pour lui annoncer que le gouvernement russe continuera
à payer la subvention militaire au Monténégro et qu’il payera même tous
les arriérés et qu’enfin il fournira les armements et les habillements
pour 5o 000 hommes. J’ai demandé au Roi s’il savait les raisons de ce
changement brusque d’opinion du gouvernement russe à notre égard.
Il m’a répondu que l’attaché militaire russe lui avait dit, qu’on envisage
la-bas une guerre prochaine. Nous avons été constémés, car nous pen-
564
sions que notre pays, aidé même militairement, n’était pas en état de
faire une guerre en ce moment. Le Roi qui était sous l’influence de son
fils ainé, Danilo, qui disait l’armée allemande invincible, ne croyait à
la victoire de la Russie contre l’Allemagne et l’Autriche. Nous ne pou-
vions pas prévoir l’entrée de la Russie en guerre contre les empires cen-
traux; non plus celle de l’Italie. Comme le Roi Nicolas avait des moyens
uniques pour savoir tout ce qui touchait l’armée russe, je l’ai prié de
prendre des renseignements confidentiels. Il le fit et déjà au commence-
ment de mai il put me dire qu’on n’était pas très loin d’une guerre contre
l’Autriche. Il me pria de garder le secrèt. Malgré tout, nous ne voyions
pas le roi et moi cette guerre entre la Russie et l’Autriche si prochaine.,
En ce moment il n’y avait pas entre ces deux pays de questions en litige
si graves qui pouvaient mener à une guerre. Le motif d’un acte pareil
nous échappait. Nous ne pouvions pas deviner quel en sera le casus
belli. Ceci nous calmait, d’autant plus que le ministre de Russie à Get-
tinjé disait hautement, — et il était sincère — que toute guerre entre la
Russie et l’Autriche était impossible, quoique son attaché militaire la
prédisait si proche. Nous étions au 28 juin igi4- Le Ministre d’Autriche
était en congé. L’Archiduc heritier d’Autriche-Hongrie assistait ces
jours aux manoeuvres en Bosnie. A cinq heures du soir de ce jour un
télégramme du bureau de Presse officiel de Vienne nous annonçait qu’un
certain Princip de nationalité serbe avait tué dans une ruè de Sarajévo
l’heritier d’Autriche et sa femme. Le Roi Nicolas était absent du pays.
Aussitôt la nouvelle reçue de l’assassinat de l’héritier du trône autrichien
je vois le casus belli d’une guerre prochaine, que deux mois auparavant
le Roi Nicolas et moi nous chérchions à deviner sans réussir. J’ai
été très inquiet et très nérveux. Le soir même de ce jour je trouve
monsieur Gavrilovitch, ministre de Serbie à Cettigné. Je suis surpris
de le trouver très calme. Nous causons du grave événement du jour et
envisageons toutes les éventualités. Monsieur Gavrilovitch se tait un
moment puis tout d’un coup il me dit: «Cette cartouche apportera la
liberté à la race serbe toute entière.» Je lui réponds: «pourvu qu’ils
ne perdent pas la liberté ceux d’entre nous, qui l’ont gagné avec tant
de sang et de sacrifices et ça arrivera si la Russie ne vient pas à notre
aide.» «Ne craignez rien, me répond-t-il, la Russie ne nous abandonnera,
pas.» «En êtes-vous sur?» je lui demande. «Oui me dit il, monsieur
Pachitch est trop habile, il n’est pas allé cette année inutilement en
Russie. Il a du s’assurer de ce côté.» Comme vous le voyez, très honoré
Monsieur, nous n’avons pas douté, ni moi, ministre des affaires étran-
gères du Monténégro, ni le représentant officiel serbe à Cettigné, que
l’assassinat de l’héritier du trône d’Autriche sera la cause de la guerre et
que cet assassinat à été préparé à Belgrade par monsieur Pachitch lui
même. Quelques jours après, le Roi Nicolas rentre de Kissingen à Cettigné.
Je lui raconte mon entretien avec le Ministre Serbe à Cettigné. Le Roi
565
croit également à la guerre et à l'intervention, armée de la Russie. A mon
observation; que le Ministre de Russie à Cettigné, monsieur de Giers est
d’un avis contraire et tient le même langage que monsieur Otto, ministre
d’Autriche, à savoir, que la Russie n’ira pas ste casser le cou pour
défendre «des assassins de femmes», le Roi me répond: «Monsieur de
Giers ne sait rien; mes renseignements et ceux de l’attaché militaire
russe à Cettigné sont meilleurs de beaucoup. J’étais alors fixé sur les
événements à venir, car monsieur Pachitch avait crée le casus belli. Nous
vivons les jours suivants à Cettigné dans une grande inquiétude, quoi-
que aussi bien le gouvernement autrichien que le gouvernement serbe
font semblant d’une grande tranquilité. Monsieur Pachitch même au
dire de son ministre à Cettigné, fait la campagne éléctorale ou il
était encore le io—2 3 juillet 1914» le jour de la remise de l’ultimatum
de l’Autriche, à la Serbie. Il est rentré à Belgrade le 24 juillet seulement.
Ce jour à dix heures du soir le ministre de Serbie monsieur Gavrilovitch
vient chez moi de la part de monsieur Pachitch me demander, si le
Monténégro, frère et allié de la Serbie fera cause commune avec celle-ci
contre l’Autriche. Monsieur Pachitch quelques heures après son retour
à Belgrade, ou il avait pris connaissance du contenu de l’ultimatum,
nous demandait notre secours dans la guerre. Il est évident qu’il avait
déjà celui de la Russie autrement il aurait accepté en entier les
exigeances autrichiennes et ne se serait pas engagé dans une guerre
contre l’Autriche avec le Monténégro seul comme allié. Monsieur Pachitch
n’est pas intelligent outre mesure, mais c’est un fourbe sans foi ni loi,
habitué en politique à transiger avec son propre honneur; il aurait s’il
n’était pas sûr du côté russe, transigé avec celui de la Serbie, avant de
perdre sa liberté. C’est clair. La guerre a commencée. En août 1915
j’ai donné ma démission. En octobre de la même année j’ai été nommé
gouverneur de Podgoriza avec la mission de recevoir l’armée serbe en dé-
route, le corps diplomatique en Serbie et les réfugiés politiques et civiles
serbes. Grâce! à mes fonctions j’ai dû entrer à Podgoriza en rélations avec
beaucoup d’hommes politiques serbes surtout avec un grand nombre de
députés de tous les partis. Tous ces gens croyaient que c’était la fin de la
Serbie. Tous, ils accusaient monsieur Pachitch et son gouvernement d’avoir
provoqué la guerre qui a eu pour conséquence la ruine de la Serbie. Ils
parlaient presque tous avec mépris de la Russie. Au paroxisme du dé-
sespoir ils disaient: «nos frères de l’Autriche auraient pu bien attendre.
Nous avions besoin avant de songer à les libérer de l’Autriche, de cin-
quante ans de repos et de paix pour digérer la Macédoine. Le bandit
(Pachitch) dont le fils n’a pas combattu pendant trois guerres, n’a pas
voulu attendre; il a provoqué l’Autriche, qui ne nous demandait rien.»
D’après eux, c’était monsieur Pachitch qui avait sous main préparé l’as-
sassinat de l’Archiduc et poussé l'Autriche à la guerre. Ils affirmaient ce-
ci d’une façon absolue. Ils en savaient long sur le complot. Ils en parlaient
566
à tout moment et avec abondance. C’est aussi en I9i5 à Podgoriza que
j’ai appris de ces mêmes gens qu’un agent secret et confidentiel de mon-
sieur Pachitch se trouvait parmi les conjurés. Que monsieur Pachitch
ait été le chef anonyme des conjurés de Sarajévo, il n’y a rien d’éton-
nant. Ce n’est pas ni le premier assassinat, ni le premier crime politique,
dont cet homme s’est rendu coupable. Monsieur Pachitch pour arriver
à son but se sert toujours de l’assassinat. En été 1907 monsieur Pa-
chitch, président du Conseil des Ministres et ministre des Affaires Etran-
gères de Serbie avait préparé, presque publiquement, un complot contre
la vie du Roi Nicolas de Monténégro. En septembre de cette même année
je me trouvais en mission à Londres. Monsieur Pachitch y était égale-
ment. Nous étions à un déjeuner assis à table un a côté de l’autre. Ce
jour là les journaux anglais avaient rapporté la nouvelle venue de Cet-
tigné, qu’un complot a été découvert contre la vie du Roi Nicolas et que
les conjurés avaient été arrêtés. Pendant le déjeuner monsieur Pachitch
me demande ce que signifie cette nouvelle de Cettigné. Je lui réponds
que je n’en sait rien et en réalité je n’en savait rien. A travers sa barbe
monsieur Pachitch me dit, que ce n’est pas bien pour le prince Nicolas
et que cela lui fait tort à l’étranger. Rentré au pays quelques semaines
plus tard, je fus désigné pour défendre les inculpés devant le tribunal et
quelle ne fut ma surprise d’apprendre que les principaux conjurés
étaient des étudiants de Relgrade, des Monténégrins, boursiers du fond
secret du Ministère des Affaires Etrangères serbe, dont monsieur Pa-
chitch était le chef, et que les six bombes, sous lesquelles le Roi Nicolas
devait succomber, provenaient de l’arsenal militaire serbe de Kragou-
jévaz, et enfin que dans ce complot était mêlé l’héritier du trône serbe
(Georges) et un cousin du roi de Serbie, le capitaine Yacha Nénadovitch.
Monsieur Pachitch était donc le chef occulte de la conjuration. Il voulait
assassiner le roi Nicolas, son ennemi, qui jadis pressenti par Pachitch
pour l’aider financièrement pour assassiner le roi Milan, il avait refusé de
le recevoir et de l’écouter. En igi5 certains officiers du grand quartier
général serbe étaient en train d’assassiner le roi Nicolas et de proclamer
ainsi l’union de l’armée monténégrine et de l’armée serbe devant l’ennemi.
Monsieur Pachitch Président du Conseil des Ministres en 1915 ne
pouvait pas ignorer la conjuration. Le désastre serbe seul a empêché ce
plan et si nous, Serbes et Monténégrins, étions restés dans nos pays
respectifs le roi Nicolas aurait été sûrement assassiné par les agents de
monsieur Pachitch. Cette année mêmje on a voulu assassiner à Paris le roi
Nicolas. Le baron Avezzano, ministre d’Italie auprès du roi Nicolas m’a
dit, que la vie de celui-ci est en danger. Il a 'ajouté que le gouvernement
français avait fait savoir à monsieur Yesnitch, ministre de Serbie en
France, qu’un crime pareil ne peut avoir lieu sur le territoire de la
Republique française. Je vous ai parlé longuement du crime le plus
odieux mentionné dans l’histoire et que monsieur Pachitch a commis
567
envers le Monténégro fin décembre 1915. En octobre et novembre igiö,
au moment de la débâcle serbe, monsieur Pachitch a conjuré le roi Nico-
las d’envoyer ses troupes en Serbie pour protéger la retraite serbe. Le
roi Nicolas* a dégarni ainsi le front de son pays et sauvé l’armée serbe.
Une fois sauvés et l’armée serbe et son honneur militaire par les seuls
Monténégrins, monsieur Pachitch en sûreté derrière les baïonettes mon-
ténégrines a trahi l’armée monténégrine par l’intermédiaire d’un officier
serbe sans honneur, qu’il avait élévé dans son école politique immorale,
le colonel Pétar Péchitch. Je vous ai fait voir les documents originaux,
signés par le colonel Péchitch et prouvant sans réplique sa trahison.
Ne voulant pas croire a tant de monstruosité, vous les avez fait examiner
et traduire par des hommes de métier et vous avez ainsi de vos propres
yeux vu «le crime sans pareil dans l’histoire, qui vous a, dites vous*,
ôté le sommeil pendant trois jours et trois nuits. A monsieur Pachitch
il ne faut rien croire.- Quand il jure et quand il nie le plus, ce qu’il
ment le plus. Il voulait cette guerre et il l’a provoqué. ; Il opérait
tranquillement, car il avait la promesse du secours russe en cas d’agres-
sion de la part de l’Autriche. Il ne lui resta plus que de trouver le
Casus belli. Pour cela il a fait assassiner l’héritier du trône austro-
hongrois par des sujets austro-hongrois, que lui, monsieur Pachitch,
payait dans ce but. Il a ainsi réussi a tromper l’honneteté et la naiveté
légendaire russe, qui le croyant incapable d’une telle perfidie, a cru de
bonne foi à l’agression autrichienne. Un jour arrivera où les conjurés
eux-mêmes vous avoueront que monsieur Pachitch a été le chef de la
conjuration. Il faut attendre. Nous saurons tout. Vous verrez que
monsieur Pachitch a été le malheur de l’Europe. Croyez, très honoré
Monsieur, à mes sentiments dévoués et à ma reconnaissance pour la
sympathie que vous portez à ma patrie.
P. Plamenatz.
Nr. 978.
Brief König Nikolaus an Präsident Wilson anläßlich
seiner Anwesenheit in Paris
vom i4. Mai 1919.
Très cher et grand ami.
Une grave et impérieuse nécessité pour moi me met en posture de
contrevention contre toutes les règles du protocole et les conventions
établies.
Au débarcadère même du Grand Homme de la victoire et de la paix
du monde je viens un des premiers, solliciteurs de sa justice et de sa
protéction.
568
Hier dans une ville principale du Monténégro ma déchéance a été
proclamée par l’éffet des bouches serbes et de la profusion d’argent sur
une populace mourant de faim.
La réunion de mon Etat à la Serbie fut aussi décrété par l’abus de
soldats serbes et cela au moment ou 9000 Monténégrins notables, dont
2000 officiers n’étaient pas rentrés des camps de concentration autri-
chiens et que leur Roi était retenu par les alliés en France.
Si je me permets de vous écrire, Monsieur le Président, c’est encore
par crainte d’intrigues venues des Serbes et de ses complices pour pré-
parer et captiver la bonne réligion du plus grand homme du siècle.
Tout perfides qu’ils sont, j’ai été le premier à leur tendre la main en
déclarant la guerre à l’Autriche le premier, tout en étant convaincu que
la provocation vient de leur côté par l’assassinat de Sarajévo et leur
«Main Noire». Le crime commis sur l’archiduc et sa femme fut la
cause que le monde déplore aujourd’hui 20,000,000 de victimes. Pensée
effrayante que ce pays ne veut pas se rendre compte du crime commis
et dont il est résponsable devant l’humanité.
Anhang.
Auszüge aus den Protokollen des Archivs der russischen Gesandt-
schaft in Belgrad.1)
Das Archiv befindet sich im ^Revolutionären Archiv“ in Moskau.
Gesandter in Belgrad war damals Herr Sergejew.
Protokollauszüge aus dem Jahre 1908.
Sendung Nr. VIII vom 15./28. April 1908 der Gesandtschaft an das
Ministerium des Äußern in Petersburg:
Geheimbericht Nr. 34. Bericht über den Zwischenfall des öster-
reichischen Gesandten, Grafen Forgach in Belgrad.
Sendung Nr. X vom 13/26. Mai 1908:
* Geheimbericht Nr. 4i. Gespräch des russischen Gesandten mit dem
österreichischen Gesandten Grafen Forgach über die serbische
Propaganda in Bosnien.
Sendung Nr. XI vom 26. Mai/8. Juni 1908:
Geheimbericht Nr. 46. Bericht über Mitteilungen aus bulgarischen
Quellen über die serbische Bandentätigkeit in Maze-
donien.
Sendung Nr. XIII vom 24. Juni/7. Juli 1908:
Geheimbericht Nr. 5 3. Bericht über die SchuldfrageimProzeß
von Cetinje die sog. Bombenaffäre (bombaschka afera).
Geheimbericht Nr. 58. Bericht über die Ankunft Munir Pa-
schas in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 59. Verhaftung österreichischer Spione in Ser-
bien, Festnahme Professor Cvijitsch’s in Bosnien.
Sendung Nr. XVI vom 5./i8. August 1908:
Bericht über die mit der sog. Bombenaffäre im Zusammenhang
stehende Affäre Nastitsch.
x) Alle aus Belgrad abgesandten Gesandtschaftsberichte wurden — dringende Aus-
nahmefälle abgesehen — alle 14 Tage durch Spezialkurier nach Petersburg gesandt. Die
für die auswärtige Politik Serbiens und Rußlands weniger wichtigen Sendungen sind
in diesem Auszuge nicht angeführt. Die Auszüge beginnen mit den Ereignissen, die
der Annexionskrisis unmittelbar vorangegangen sind. Einzelne telegraphische Berichte
der russischen Gesandtschaft in Belgrad finden sich bei Siebert, Graf Benckendorffs
Diplomatischer Schriftwechsel und bei Stieve, Der diplomatische Schriftwechsel
Iswolskis.
570
Sendung Nr. XIX vom 16./29. September 1908:
Geheimbericht Nr. 82. Bericht über die bisherige Tätigkeit der
nationalistische Ziele verfolgenden Vereinigung „Slovenski
Jug“ (Slawischer Süden).
Anm.: Dieser Bericht ist deswegen von Bedeutung, weil er die immer mehr zu-
nehmende propagandistische Tätigkeit serbischer nationalistischer Kreise, vor allem der
an der Verschwörung von 1903 beteiligten Offizierskreise vor Augen führt, eine Tätig-
keit, die neben anderen Gründen die österreichische Regierung bewogen hat, die An-
nexion Bosniens zu proklamieren, in der Hoffnung, damit auch dieser Bewegung besser
Herr werden zu können.
Sendung Nr. XX vom 3o. September/i3. Oktober 1908:
Geheimbericht Nr. 83. Bericht über die Beziehungen zwischen
Serbien und Montenegro.
Geheimbericht Nr. 84- Bericht über die erfolgte Annexion Bos-
niens und der Herzegowina.
Geheimbericht Nr. 85. Bericht über die Sonderaudienz bei
König Peter wegen der Annexion Bosniens und der Herzego-
wina.
Geheimbericht Nr. 86. Bericht über die Stellungnahme der
Skupschtina zur Annexions frage.
Sendung Nr. XXI vom 14-/2 7. Oktober 1908.
Geheimbericht Nr. 87. Bericht über die durch die Annexion hervor-
gerufene allgemeine politische Lage.
Geheimbericht Nr. 88. Bericht über den an das russische Volk und
die russische Regierung seitens der Universitätslehrer und
Schüler gerichteten Appell wegen der Annexion Bos-
niens durch Österreich.
Geheimbericht Nr. 89. Bericht über die Reise des Kronprin-
zen Georg nach Petersburg.
Geheimbericht Nr. 90. Bericht über das zu Ehren des montenegri-
nischen Serdars Janko Wukotitsch am Belgrader Hofe
gegebene Festessen.
Geheimbericht Nr. 91. Bericht über die Skupschtinadeklara-
tion wegen der Annexion Bosniens und der Herzegowina.
Sendung Nr. XXII vom 28. Oktober/10. November 1908:
Geheimbericht Nr. 92. Bericht über die auf die Annexion sich be-
ziehende Skupschtinadebatte.
Geheimbericht Nr. 93. Bericht über eine angebliche Geheimkon-
vention zwischen Serbien und der Türkei.
Geheimbericht Nr. 94. Bericht über die erfolgte Rückkehr des
Kronprinzen Georg aus Petersburg.
Geheimbericht Nr. 95. Bericht über die erfolgte Annäherung
zwischen Serbien und Montenegro.
071
Sendung Nr. XXIII vom 11./24*November 1908:
Geheimbericht Nr. 96. Bericht über das von der serbischen Regie-
rung an die Signatarmächte des Berliner Vertrages
gesandte Memorandum.
Geheimbericht Nr. 97. Bericht über eine Konferenz der diplo-
matischen Vertreter Englands, Frankreichs, Ita-
liens und Rußlands in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 98. Bericht über weitere Einzelheiten des
Inhaltes des an die Signatarmächte des Berliner Vertrages ge-
richteten serbischen Memorandums.
Geheimbericht Nr. 99. Bericht über die ökonomische Lage
Serbiens.
Geheimbericht Nr. 100. Bericht über die besondere Mission
des ehemaligen Ministerpräsidenten Nowäkowitsch
in Konstantinopel.
Sendung Nr. XXIV vom 2 5. November/8. Dezember 1908:
Geheimbericht Nr. 101. Bericht über die Frage des Patriarchates
von Ipek.
Geheimbericht Nr. 102. Bericht über den Gesundheitszustand König
Peters.
Geheimbericht Nr. io3. Bericht über Allianzvorschläge der
Türkei an Serbien.
Geheimbericht Nr. 104- Bericht über die politische Lage in
Serbien.
Anm.: Dieser Sendung ist noch ein Privatbrief Sergejews an Iswolski wegen eines
unrichtig wiedergeg ebenen Interviews MiloWanowitschs in der
„Nowoje Vremje“ beigefügt über eine angebliche Erklärung Iswolskis, daß er die An-
nexion anerkannt habe. (Brief vom 24. November/7. Dezember 1908.)
Sendung Nr. XXV vom 9722. Dezember 1908:
Geheimbericht Nr. 105. Bericht über das Patronatsfest des
königlichen Hauses, den Heiligen Andreas, am 3o. Novem-
ber/ 13. Dezember.
Geheimbericht Nr. 106. Bericht über die Geburtstagsfeier
Kaiser Nikolaus II. in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 107. Bericht über die allgemeine politische
Lage.
Geheimbericht Nr. 108. Bericht über Rüstungenundmilitäri-
sche Vorbereitungen Serbiens für den Kriegsfall (Spre-
manje, podgotovljavanje).
Sendung Nr. XXVI vom 2 3. Dezember/6. Januar 1908:
Geheimbericht Nr. 109. Bericht über die Aufnahme in Belgrad der
Erklärungen Iswolskis in der Duma.
Geheimbericht Nr. 110. Bericht über die Erklärungen Milo-
wanowitschs in der Skupschtina über die Annexion.
572
Geheimbericht Nr. m. Bericht über den Inhalt der soeben erschie-
nenen Broschüre Professors Cvijitschs über die An-
nexion Bosniens und der Herzegowina.
Geheimbericht Nr. 112. Bericht über angebliche Vertrags-
verhandlungen zwischen Serbien und Österreich-
Ungarn.
Anm.: Der Gesandte zeigt sich darüber beunruhigt und bittet den Minister des
Äußern, Milowanowitsch, um nähere Aufklärungen, die ihm auch dieser gibt.
Protokollauszüge aus dem Jahre 1909.
Sendung Nr. I:
Geheimberichte Nr. 1—4 sind im revolutionären Archiv in Moskau
nicht vorhanden, auch ist es unbekannt, bei wem sich dieselben
befinden.
Anm.: Nach dem Umstürze haben einzelne russische Professoren verschiedene Akten
aus dem Archiv an sich genommen, ohne sie wieder zurückzustellen. Damals nahm
man es auch mit den Empfangsbestätigungen entnommener Aktenstücke nicht so genau.
Seit einigen Jahren ist jedoch die Erlaubnis zur Einsicht, Benutzung und Veröffent-
lichung einzelner Dokumente genau geregelt.
Sendung Nr. II vom 20. Januar/2. Februar 1909:
Geheimbericht Nr. 5. Bericht über den Aufenthaltdes Duma-
mitgliedes Maklakows in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 8. Bericht über die Folgen der Annexion
Bosniens und der Herzegowina.
Geheimbericht Nr. 9. Bericht über geheime serbische Bünd-
nisvorschläge an Bulgarien.
Sendung Nr. III vom 3./i 6. Februar 1909:
Geheimbericht Nr. 10. Bericht über die Frage ausländischer
Kredite für Serbien.
Geheimbericht Nr. 11. Bericht über das andieGroßmächtege-
richtete serbische Memorandum.
Geheimbericht Nr. 12. Kombinierter Bericht über die Stellung
des Prinzen Georg und über die serbisch-bulgarischetn
Bündnis-Vertragsverhandlungen.
Sendung Nr. IV vom 17. Februar/2. März 1909:
Geheimbericht Nr. i3. Bericht über die politische Lage, die
durch die Annexion geschaffen worden ist.
Geheimbericht Nr. i4. Bericht über das neue Kabinett Stojan
Nowakowitsch.
Geheimbericht Nr. 17. Bericht über das Post- und Telegra-
phenabkommen zwischen Serbien und Bulgarien vom
3i. Januar/13. Februar 1909.
Sendung Nr. V vom 3./i6. März 1909:
Geheimbericht Nr. 18. Bericht über die Dampfschiffahrt auf
der Donau.
573
Geheimbericht Nr. 19. Bericht über die russisch-serbischen
Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 20. Bericht über Äußerungen des österrei-
chischen Gesandten Grafen Forgach über das Verhalten
der serbischen Regierung.
Sendung Nr. VI vom 17./30. März 1909:
Geheimbericht Nr. 22. Bericht über den Thronfolgeverzicht
des Kronprinzen Georg anläßlich der fahrlässigen Tötung
seines Kammerdieners.
Geheimbericht Nr. 2 3. Bericht über den neuen serbischen
Zolltarif.
Geheimbericht Nr. 24. Bericht über die Verzichtsleistungs-
note Serbiens anläßlich der Annexion Bosniens auf den Rat-
schlag der Großmächte.
Geheimbericht Nr. 26. Bericht über die Absichten Serbiens
bezüglich des Sandschaks Novi-Bazar.
Geheimbericht Nr. 27. Bericht über die serbisch-österreichi-
schen Beziehungen.
Sendung Nr. VII vom 3i. März/13. April 1909:
Geheimbericht Nr. 28. Bericht über die politische Lage nach
der Verzichterklärungsnote Serbiens.
Geheimbericht Nr. 29. Bericht über serbisch-österreichische
Handelsvertragverhandlungen.
Anm.: Zu bemerken ist, daß auch die wirtschaftlichen Verhandlungen mit Österreich
mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt werden aus Furcht vor politischen Rück-
wirkungen.
Geheimbericht Nr. 3o. Bericht über die Thronverzichtserklä-
rung und das Verhalten des Prinzen Georg.
Sendung Nr. VIII vom 14-/27. April 1909.
Geheimbericht Nr. 3i. Bericht über die Abberufung des deut-
schen Gesandten, Prinzen Ratibor und die Ernennung
Herrn von Reichenaus zum deutschen Gesandten in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 32. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Annäherungsversuche.
Geheimbericht Nr. 33. Bericht über die serbisch-österreichi-
schen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 34. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Beziehungen.
Sendung Nr. IX vom 28. April/11. Mai 1909:
Geheimbericht Nr. 35. Bericht über die Beziehungen Serbiens
zu Bulgarien.
Geheimbericht Nr. 36. Bericht über die innere Lage in Serbien.
Geheimbericht Nr. 37. Bericht über das Verhalten des Prin-
zen Georg nach seiner Thronverzichtserklärung.
574
Sendung Nr. X vom 12./25. Mai 1909:
Geheimbericht Nr. 38. Bericht über die Bündnisverhandlun-
gen zwischen Serbien und Bulgarien.
Geheimbericht Nr. 3g. Bericht über eine besondere Militär-
Kredit Vorlage in der Skupschtina.
Anm.: Dieselbe bezieht sich auf die Heeresorganisation.
Geheimbericht Nr. 4o. Bericht über die serbisch-österreichi-
schen Beziehungen.
Sendung Nr. XI vom 26. Mai/6. Juni 1909:
Geheimbericht Nr. 41. Bericht über die 100 jährige Sindje-
litschf eier in Nisch.
Anm.: Sindjelitsch wird als Nationalheld gefeiert, weil er im Aufstande gegen die
Türken 1809 in Nisch im Kampfe gegen dieselben eine Schanze in die Luft gesprcingtj
hat, um mit seinen Mitkämpfern nicht lebend in die Hände der Türken zu fallen.
Auch in den Statuten der „Narodna Odbrana“ wird als Ziel der Ertüchtigung der
Jugend die Erziehung zu Sindjelitschen und Obilitschen — Milosch Obilitsch hat in
der Schlacht am Amselfelde 1889 Sultan Murad ermordet — angegeben.
Geheimbericht Nr. 42. Bericht über die Reise des Ministers
des Äußern Milowanowitsch nach Paris wegen Anleihe-
verhandlungen.
Geheimbericht Nr. 43. Bericht über die Abberufung des tür-
kischen Gesandten Azarian Effendi und seine Erset-
zung durch den General Ali Fuad Pascha.
Geheimbericht Nr. 44. Bericht über die serbisch-bulgari-
schen Beziehungen.
Anm.: Es vergeht fast keine Absendung der Kurierpost, ohne daß der russische
Gesandte es unterläßt, über die Beziehungen und Verhandlungen zwischen Serbien und
Bulgarien zu berichten, ein Beweis, welche Bedeutung die russische Regierung schon
damals dieser Frage beigemessen hat.
Sendung Nr. XII vom 9722. Juni 1909:
Geheimbericht Nr. 45. Bericht über die allgemeine politische
Lage.
Geheimbericht Nr. 46. Bericht über die serbisch-öster-
reichischen Handelsvertrags-Verhandlungen.
Sendung Nr. XIII vom 29. Juni/12. Juli 1909:
Geheimbericht Nr. 49. Bericht über die serbisch-bulgari-
schen Beziehungen.
Anm.: Wegen der serbisch-bulgarischen Verhandlungen Kuriersendung außerhalb
der gewöhnlichen 14 tägigen Absendung.
Sendung Nr. XIV vom 7./20. Juli 1909:
Geheimbericht Nr. 5o. Bericht über die Ankunft der türki-
schen Spezialmission zwecks Notifizierung der
Thronbesteigung Sultan Murads.
Geheimbericht Nr. 51. Bericht über die serbisch-österreichi-
schen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 52. Bericht über die Geburtstagfeier
König Peters am 29. Juni/12. Juli.
Geheimbericht Nr. 53. Bericht über den Besuch russischer
Studenten in Belgrad und über die aus diesem Anlasse ver-
anstalteten Festlichkeiten.
Sendung Nr. XV vom i8./3i. Juli 1909 enthält keine Berichte allgemei-
ner politischer Bedeutung.
Sendung Nr. XVI vom 4./17- August 1909:
Geheimbericht Nr. 56. Bericht über die neue serbische An-
leihe.
Geheimbericht Nr. 57. Bericht über serbisch-österreichische
Grenzstreitigkeiten.
Geheimbericht Nr. 58. Bericht über serbisch-türkische
Grenzstreitigkeiten.
Sendung Nr. XVII vom i8./3i. August 1909:
Geheimbericht Nr. 60. Bericht über Fragen, die sich auf das
Kloster Detschani beziehen.
Geheimbericht Nr. 61. Bericht über die ungesetzliche Form
der Thronfolgeverzichtsleistung des Prinzen Georg.
Anm.: Auffällig ist das große Interesse, das der serbischen Dynastie und namentlich
auch dem Prinzen Georg entgegengebracht wird. In den Berichten werden die kleinsten
Details über alles, was am Hofe vorgeht, aufmerksamst registriert und kommentiert.
Geheimbericht Nr. 62. Bericht über die serbische Minister-
krise.
Sendung Nr. XVIII vom 1./14- September 1909:
Geheimbericht Nr. 63. Neuer Bericht über den Stand der ser-
bischen Ministerkrise.
Geheimbericht Nr. 64- Bericht über die serbisch-bulgarischen
Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 65. Bericht über den Prinzen Georg.
Damit schließt die Berichterstattung des Gesandten Sergejew, der ab-
berufen wurde und an dessen Stelle Herr Nikolai Henrikowitsch Hart-
wig zum Gesandten in Belgrad ernannt wurde. Damit tritt der russische
Einfluß in Serbien in eine neue und entscheidende Phase.
Beginn der amtlichen Tätigkeit des russischen Gesandten
Hartwig in Belgrad.
(Mitte September alten Styls 1909.)
Sendung Nr. XIX vom 16./2 9. September 1909:
Geheimbericht Nr. 66. Bericht über die Antrittsaudienz Hartwigs
und über die aus Anlaß des bei Hofe stattgefundenen Galadiners
gewechselten Trinksprüche zwischen König Peter und dem russi-
schen Gesandten.
576
Anm.: Der Empfang Hartwigs zeichnete sich durch ganz besondere Herzlichkeit
aus und auch die gewechselten Trinksprüche fielen ganz aus dem Rahmen der bei
solchen Gelegenheiten ausgetauschten Höflichkeiten. Aus der ganzen Art des Emp-
fanges und aus dem Inhalte der Reden mußte man den Eindruck gewinnen, daß es
sich bei der Ernennung Hartwigs um eine ganz besondere Mission gehandelt hat, was
auch auf Grund seiner ganzen Berichterstattung zur Genüge bewiesen wird.
Geheimbericht Nr. 67. Bericht über die erste Zusammenkunft Hart-
wigs mit dem Minister des Äußern, Milowanowitsch.
Anm.: Dieser wichtige Bericht enthält die Richtlinien der gemeinsamen
Zusammenarbeit und vor allem die Übereinstimmung bezüglich
der Notwendigkeit einer Annäherung zwischen Serbien und
Bulgarien. Die weitere Tätigkeit und Berichterstattung Hartwigs in dieser Be-
ziehung zeigt die große Bedeutung, die er dieser Frage beigemessen hat. Ohne Über-
treibung kann man daher sagen, daß er nur zwecks Lösung dieser Aufgabe, die den
Russen so sehr am Herzen lag, nach Belgrad gesandt wurde und daß er als der
geistige Urheber des serbisch-bulgarischen Bündnisses anzusehen ist.
Sendung Nr. XX vom 29. September/12. Oktober 1909:
Geheimbericht Nr. 68. Bericht über die serbisch-österreichi-
schen Handelsvertragsverhandlungen.
Geheimbericht Nr. 69. Bericht über die Hausstatuten des ser-
bischen Königlichen Hauses.
Geheimbericht Nr. 71. Bericht über die serbisch-bulgari-
schen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 72. Bericht über den Jahrestag der An-
nexion Bosniens und der Herzegowina. (Bericht vom
2 4. September.)
Sendung Nr. XXI vom 13./26. Oktober 1909:
Geheimbericht Nr. 73. Bericht über die außerordentliche
Skupschtina Session.
Geheimbericht Nr. 74. Bericht über den Ausflug des Königs
von Bulgarien auf den Kopaonik (Berg in Serbien) und
Begegnung mit dem serbischen Kronprinzen.
Geheimbericht Nr. 75. Bericht über das neue radikale Kabi-
nett
Sendung Nr. XXII vom 27. Oktober/9. November 1909:
Geheimbericht Nr. 76. Bericht über die Zusammenkunft des
Zaren mit dem Könige von Italien in Racconigi.
Geheimbericht Nr. 77. Bericht über die Reise König Ferdi-
nands nach Serbien.
Geheimbericht Nr. 78. Bericht über die gegenseitigen Beziehun-
gen zwischen dem Kronprinzen Alexander und dem
Prinzen Georg.
Sendung Nr. XXIII vom 10./23. November 1909:
Geheimbericht Nr. 79. Bericht über die Reise Milowano-
witschs ins Ausland. (Paris, Rom, London.)
Anm.: Der Text dieses Berichtes fehlt.
577
37 Boghitschewitscb, Serbien II.
Geheimbericht Nr. 80. Bericht über den Abschluß der serbischen
Anleiheverhandlungen im Auslande.
Anm.: Auch der Text dieses Berichtes fehlt im Archiv.
Geheimbericht Nr. 81. Bericht über die Zahlung der serbi-
schen Schuld an Rußland, eine Schuld die noch vom ser-
bisch-türkischen Krieg aus dem Jahre 1876 datiert.
Sendung Nr. XXIV vom 24. November/7. Dezember 1909:
Geheimbericht Nr. 82. Bericht über die Reisen des Ministers
Milowanowitsch nach Paris, London und Rom.
Geheimbericht Nr. 83. Bericht über den Besuch König Ferdi-
nands von Bulgarien in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 84. Bericht über die in Belgrad kursierenden
Gerüchte über einen Empfang König Peters inRußland.
Geheimbericht Nr. 85. Bericht über Demonstrationen gegen
den Fürsten von Montenegro und die montenegrinische
Regierung in Belgrad.
Sendung Nr. XXV fehlt im Archiv.
Sendung Nr. XXVI vom 22. Dezember 1909/4. Januar 1910:
Geheimbericht Nr. 90. Bericht über die Frage des Klosters
Detschani.
Geheimbericht Nr. 91. Bericht über den Besuch Djawid Beys
in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 9 2. Bericht über die Beendigungdes Fried-
jung Prozesses in Wien.
Protokoll des Gesandtschaftsarchivs aus dem Jahre 1910.
Sendung Nr. I vom 4./17. Januar 1910:
Geheimbericht Nr. 1. Bericht über die serbische Anleihe in
Paris.
Sendung Nr. II vom 19. Januar/3. Februar 1910:
Geheimbericht Nr. 2. Bericht über die Reise Milowano-
witschs nach Berlin (Bericht vom 16.1. 10).
Geheimbericht Nr. 3. Bericht über die serbisch-montenegri-
nischen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 4- Bericht über den Prinzen Georg.
Geheimbericht Nr. 5. Bericht über die Reise des Kronprinzen
Alexander nach Sofia.
Sendung Nr. III vom 2./15. Februar 1910:
Geheimbericht Nr. 6. Bericht über in Belgrad kursierende Ge-
rüchte über eine russisch-österreichische Annäherung.
Geheimbericht Nr. 7. Bericht über den bevorstehenden Besuch
König Peters in Petersburg.
578
Sendung Nr. IV vom 16. Februar/1. März 1910:
Geheimbericht Nr. 8. Bericht über die Ansiedlung montene-
grinischer Emigranten in Serbien, die wegen der sog.
Bombenaffäre aus Montenegro flüchten mußten.
Geheimbericht Nr. 9. Bericht über die Verhandlungen zwi-
schen Serbien und Rumänien wegen des Baues einer
Donaubrücke für die Donau-Adria-Bahn.
Geheimbericht Nr. 10. Weiterer Bericht über die bevorstehende
Reise König Peters nach Petersburg.
Geheimbericht Nr. 11. Bericht über den Reiseweg und über einen
auf der Rückreise stattfindenden Besuch König Peters in
Konstantinopel und Sofia.
Geheimbericht Nr. 12. Bericht über die Liste der den König be-
gleitenden Personen.
Sendung Nr. V vom 2./i5. März 1910:
Geheimbericht Nr. i3. Bericht über den Aufenthalt der mon-
tenegrinischen Emigranten in Serbien.
Geheimbericht Nr. i4* Bericht über die Möglichkeit der Rege-
lung der mazedonischen Frage mit Rücksicht auf die
gegenwärtigen serbisch-bulgarischen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. i5. Bericht über die serbisch-österreichi-
schen Beziehungen.
Sendung Nr. VI vom 16./29. März 1910:
Geheimbericht Nr. 16. Bericht über die gewonnenen Eindrücke
bezüglich der Reise König Peters nach Rußland.
Geheimbericht Nr. 17. Bericht über die serbisch-österreichi-
schen Beziehungen.
Sendung Nr. VII vom 3o. März/12. April 1910:
Geheimbericht Nr. 18. Bericht über den Eindruck in Serbien
bezüglich des Empfanges König Peters in Rußland.
Sendung Nr. VIII vom 12./25. April 1910:
Geheimbericht Nr. 20. Bericht über die Rückreise König
Peters aus Rußland.
Geheimbericht Nr. 21. Bericht über die gegenseitigen Be-
ziehungen zwischen König Peter und König Niko-
laus von Montenegro.
Geheimbericht Nr. 22. Bericht über serbisch-östereichische
Verhandlungen zwecks Abschlusses eines Handels-
vertrages.
Sendung Nr. IX vom 27. April/10. Mai 1910:
Geheimbericht Nr. 24. Bericht über den Eindruck, den der Tod
König Eduards von England in Serbien gemacht hat.
579
Geheimbericht Nr. 2 5. Bericht über die Stellungnahme Ser-
biens in der albanischen Frage.
Geheimbericht Nr. 26. Bericht über die Rückkehr des Prinzen
Georg nach Belgrad.
Geheimbericht Nr. 27. Bericht über Vorkommnisse am serbi-
schen Hofe.
Geheimbericht Nr. 28. Bericht über das Zehntausend-Rubel-
Geschenk Kaiser Nikolaus für die überschwemmten
Gebiete in Serbien.
Sendung Nr. X vom 2./i5. Mai 1910
Geheimbericht Nr. 29. Bericht über den Besuch Kaiser Franz
Josephs in Bosnien.
Geheimbericht Nr. 3o. Bericht über die Reise des Kronprinzen
Alexander nach London.
Geheimbericht Nr. 3i. Bericht über die Reise des türkischen
Thronfolgers nach Belgrad zu den Festen.
Sendung Nr. XI vom 23. Mai/5. Juni 1910:
Geheimbericht Nr. 32. Bericht über den Besuch des türki-
schen Thronfolgers in Belgrad.
Geheimbericht* Nr. 34* Bericht über die Entsendung einer beson-
deren Deputation aus dem Sandschak Novibazar zu
Kaiser Franz Joseph.
Geheimbericht Nr. 35. Bericht über das Verhalten des Prinzen
Georg.
Sendung Nr. XII vom 6./19. Juni 1910:
Geheimbericht Nr. 36. Neuer Bericht über den Besuch des tür-
kischen Thronfolgers in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 37. Bericht des Gesandten Hartwig über eine
bedeutsame Unterredung mit Rifaat Pascha.
Geheimbericht Nr. 39. Bericht über Gerüchte einer parlamenta-
rischen Krise in Ungarn.
Geheimbericht Nr. 4o. Bericht über den mißglückten Atten-
tatsversuch auf den Landeschef in Bosnien, Ware-
schanin.
Geheimbericht Nr. 4i. Bericht über schwebende Abgrenzungs-
fragen mit Österreich zwischen Serbien und Bosnien.
Sendung Nr. XIII vom 20. Juni/3. Juli 1910:
Geheimbericht Nr. 42. Bericht über die serbisch-türkischen
Beziehungen und über die verschiedenen Besuche türkischer
Staatsmänner in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 43. Bericht über den Besuch des Belgrader
Gesangs Vereins „Stanko witsch“ in Konstantinopel.
58o
Geheimbericht Nr. 45. Bericht über den allslawischen Kon-
greß in Sofia.
Sendung Nr. XIV vom 47i7* Juli 1910:
Geheimbericht Nr. 46. Bericht über die Geburtstagsfeier
König Peters am 29. Juni/11. Juli.
Geheimbericht Nr. 47- Bericht über den Besuch Belgrads seitens
der am allslawischen Kongreß in Sofia gewesenen russischen
D elegierten.
Geheimbericht Nr. 48. Bericht über das von der russischen Regie-
rung an den serbischen Offiziersverein (Ofizirska
Zadruga) zu gewährende Darlehn.
Sendung Nr. XV vom i8./3i. Juli 1910:
Geheimbericht Nr. 5o. Bericht über die Verhältnisse im ser-
bischen Kloster Dezani.
Geheimbericht Nr. 52. Bericht über den Abschluß des öster-
reichisch-serbischen Handelsvertrages.
Sendung Nr. XVI (ohne nähere Angabe des Datums):
Geheimbericht Nr. 53. Bericht über die in Belgrad verbreiteten Ge-
rüchte von einer beabsichtigten Reise König Peters
nach Wien.
Geheimbericht Nr. 54. Bericht über die serbisch-montene-
grinischen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 5 5. Bericht über die BegrüßungdesThron-
folgers Alexander in Montenegro anläßlich seines Be-
suches in Cetinje.
Sendung Nr. XVII vom 1./14. August 1910:
Geheimbericht Nr. 57. Bericht über die Stellungnahme Ser-
biens in der mazedonischen Frage.
Geheimbericht Nr. 58. Bericht über die ökonomische Lage
Serbiens mit Rücksicht auf den kürzlich abge-
schlossenen serbisch-österreichischen Handelsver-
trag und mit Rücksicht auf den zunehmenden wirt-
schaftlichen Einfluß Deutschlands in Serbien.
„Drang nach dem Osten.“
Sendung Nr. XVIII vom 17./30. August 1910:
Geheimbericht Nr. 5g. Neuer Bericht über den Besuch des Kron-
prinzen Alexander in Cetinje.
Geheimbericht Nr. 60. Bericht über die Festlichkeiten in Ce-
tinje anläßlich des Krönungs-Jubiläums des Fürsten Nikolaus
von Montenegro zum Könige.
Geheimbericht Nr. 61. Bericht über das dem Of fiziersverein
in Belgrad gewährte Darlehen seitens der russischen
Regierung.
58i
Geheimbericht Nr. 62. Bericht über die Ermordung des ser-
bischen Bandenführers (Woiwoden) Gligorije So-
kolo witsch.
Sendung Nr. XIX vom 3o. August/12. September 1910:
Geheimbericht Nr. 63. Abermaliger Bericht über den Aufent-
halt des Kronprinzen Alexander in Cetinje.
Geheimbericht Nr. 64- Bericht über die anläßlich der Durchreise
des Kronprinzen von und nach Montenegro durch österreichisches
Gebiet (insbesondere Spalato) stattgefundenen Demon-
strationen der österreichischen Slawen, zugunsten
des Kronprinzen.
Geheimbericht Nr. 65. Bericht über den Eindruck der auf Grund
des Cetinjer Prozesses anläßlich der Bombenaffäre verurteilten
und nunmehr vom König von Montenegro amnestierten mon-
tenegrinischen Verschwörer.
Geheimbericht Nr. 66. Bericht über die Unterredung des russischen
Geschäftsträgers Murawjews mit dem Minister des Äußern Milo-
wanowitsch über die beabsichtigte Zusammenkunft Mi-
lowanowitschs mit Iswolski.
Geheimbericht Nr. 67. Bericht über den Aufenthalt Lord Ro-
berts in Belgrad aus Anlaß der Notifizierung der Thronbestei-
gung König Georgs von England.
Sendung Nr. XX vom 14-/2 7. September 1910:
Geheimbericht Nr. 68. Bericht über die Jahrhundertfeier der
Schlacht von Warwarin (6./19. September 1810).
Geheimbericht Nr. 69. Bericht über den außergewöhnlich herz-
lichen Empfang des russischen Spezial Vertreters anläßlich die-
ser Jahrhundertfeier, des Grafen Orurk seitens König
P eters.
Geheimbericht Nr. 70. Bericht des zurückgekehrten Gesandten Hart-
wig über die gewonnenen Eindrücke Milowanowitschs
anläßlich seiner Reise ins Ausland und über seine Be-
gegnung mit dem russischen Botschafter in Paris
Iswolski in Frankfurt a.M.
Geheimbericht Nr. 72. Bericht über das Darlehn, das an den
Offiziersverein gewährt worden ist.
Sendung Nr. XXI vom 26. September/9. Oktober 1910:
Geheimbericht Nr. 73. Bericht über kursierende Gerüchte einer
rumänisch-türkischen Annäherung.
Geheimbericht Nr. 75. Bericht über den 2. Jahrestag der An-
nexion Bosniens und der Herzegowina.
582
Geheimbericht Nr. 74 Bericht über zwischen Serbien und
Österreich bestehende Unstimmigkeiten wegen verschiede-
ner Abgrenzungsfragen an der bosnisch-serbischen Grenze.
Geheimbericht Nr. 76. Abermaliger Bericht über den Abschluß
des an den Offiziersverein gewährten Darlehns.
Geheimbericht Nr.77. Bericht über die Schuld nebst Beifügung des
Schuldscheines des OffiziersVereins.
Sendung Nr. XXII vom 10./23. Oktober 1910:
Geheimbericht Nr. 78. Bericht über die Erkrankung des
Thronfolgers Alexander (Typhuserkrankung).
Geheimbericht Nr. 79. Bericht über den Gesundheitszustand
des Thronfolgers.
Geheimbericht Nr. 80. Bericht über die Eröffnung der Skup-
schtina (serbisches Parlament).
Geheimbericht Nr. 81. Bericht über die serbisch-bulgari-
schen Beziehungen.
Sendung Nr. XXIII vom 2 5. Oktober/7. November 1910:
Geheimbericht Nr. 82. Bericht über die Verschlimmerung im
Befinden des Kronprinzen Alexander.
Geheimbericht Nr. 83. Bericht über die serbisch-türkischen
Beziehungen.
Sendung Nr. XXIV vom 7./20. November 1910:
Geheimbericht Nr. 84. Bericht über die Enthüllungen des
Professors Masaryk in den österreichischen Delegationen.
Geheimbericht Nr. 85. Abermaliger Bericht über den serbisch-
österreichischen Handelsvertrag.
Geheimbericht Nr. 86. Bericht über weitere Verhandlungen
zwischen Serbien und Österreich — die sich auf ver-
schiedene andere Konventionen (Auslieferung, Erbschaftssachen
u. a. m.) beziehen.
Sendung Nr. XXV vom 21. November/4- Dezember 1910:
Geheimbericht Nr. 88. Weiterer ausführlicher Bericht über die
Krankheit des Thronfolgers.
Geheimbericht Nr. 89. Bericht über die wechselseitigen Beziehun-
gen zwischen dem Patriarchate und dem Exarchate
in Konstantinopel.
Sendung Nr. XXVI vom 6./19. Dezember 1910:
Geheimbericht Nr. 90. Bericht über die Aktenfälschungs-
affäre Wasitsch und über den Konflikt wegen dieser An
gelegenheit zwischen Professor Masaryk und dem österreichischen
Gesandten in Belgrad Grafen Forgach. Diesem Bericht ist ein«
Abschrift des Telegramm Wechsels in dieser Angelegenheit zwi'
sehen Milowanowitsch und dem Grafen Aehrenthal beigefügt.
583
Geheimbericht Nr. 91. Bericht über die Möglichkeit einer Balkan-
föderation.
Geheimbericht Nr. 92. Bericht über die Namenstagsf eier des
Kaiser Nikolaus am 6.Dezember (Heiliger Nikolaustag) in
Belgrad.
Sendung Nr. XXVII vom 22. Dezember 1910/4. Januar 1911:
Geheimbericht Nr. 93. Bericht über den serbisch-österrei-
chischen Handelsvertrag.
Geheimbericht Nr. 94. Bericht über die Vermittlungsver-
suche des serbischen Gesandten in Wien Simitsch in der
Angelegenheit Wasitsch.
Geheimbericht Nr. 95. Bericht über den Prinzen Georg.
Protokolle des Gesandtschaftsarchivs aus dem Jahre 1911.
Sendung Nr. I vom 2./15. Januar 1911:
Geheimbericht Nr. 1. Bericht über die Rolle des serbischen
Gesandten Simitsch in Wien in der Angelegenheit Wa-
sitsch.
Geheimbericht Nr. 2. Bericht über die Rolle des Büchsen-
machers Büchele in der Affäre Wasitsch.
Geheimbericht Nr. 3. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 4- Bericht über die Reise König Peters
nach Italien.
Sendung Nr. II vom 16-/2 9. Januar 1911:
Geheimbericht Nr. 5. Bericht über die Reise Tscharikows
nach Belgrad.
Geheimbericht Nr.6. Bericht über die Zustände im Sandschak
Novibazar.
Geheimbericht Nr. 7. Bericht über die Lage Montenegros in
bezug auf Albanien.
Sendung Nr. III vom 3o. Januar/12. Februar 1911:
Geheimbericht Nr. 8. Bericht über die Polemik des Generals
Holstmann mit dem Gesandtschaftssekretär Swetschin über
den Sandschak Novibazar.
Geheimbericht Nr. 9. Bericht über albanische Bandenbewe-
gungen und über das diesbezügliche Verhalten Montenegros.
Sendung Nr. IV vom 15./2 8. Februar 1911:
Geheimbericht Nr. 10. Abermaliger Bericht über die Polemik
mit Swetschin.
Geheimbericht Nr. 11. Bericht über die Reise König Peters
nach Italien.
584
Sendung Nr. V vom 27. Februar/10. März 1911:
Geheimbericht Nr. 12. Bericht über den Konflikt zwischen dem
serbischen Kriegsminister General Gojkowitsch und dem
deutschen Gesandten von Reichenau aus Anlaß einer
Rede des Kriegsministers in der Skupschtina (Parlament) über
verschiedene Lieferungsfragen.
Geheimbericht Nr. 13. Bericht über dieDemissiondes Kriegs-
ministers Gojkowitsch.
Geheimbericht Nr. i4. Bericht über das neue serbische Hof-
statut.
Geheimbericht Nr. i5. Bericht über Herrn Toscheff gemachte Mit-
teilungen seitens des russischen Gesandten wegen einer ser-
bisch-bulgarischen Annäherung.
Sendung Nr. VI vom 15./28. März 1911:
Geheimbericht Nr. 16. Bericht über die große Skupschtina -
Debatte über die auswärtige Politik Serbiens.
Geheimbericht Nr. 17. Bericht über die serbisch-montenegri-
nische Annäherung.
Sendung Nr. VII vom 29. März/11. April 1911:’
Geheimbericht Nr. 18. Bericht über den Tod des serbischen
Gesandten in Sofia Sweta Simitsch.
Anm.: Dieser Bericht ist insofern von Bedeutung, als er die außerordentlich rego
Tätigkeit des verstorbenen Gesandten in Sofia und seine Bemühungen, eine serbisch-
bulgarische Annäherung um jeden Preis zustande zu bringen, schildert.
Geheimbericht Nr. 19. Bericht über die an die serbische Regierung
gemachten Vorschläge König Nikolaus von Montene-
gro zwecks einer Annäherung an Serbien.
Geheimbericht Nr. 20. Bericht über die Ansichten des Gesand-
ten für die notwendigen Voraussetzungen einer ser-
bisch-montenegrinischen Annäherung.
Geheimbericht Nr. 21. Bericht über die bevorstehende Zu-
sammenkunft König Peters mit Kaiser Franz Joseph
in Budapest.
Sendung Nr. VIII vom 13./26. April 1911:
Geheimbericht Nr. 22. Bericht über die Lage in Albanien.
Geheimbericht Nr. 23. Bericht über die serbisch-montene-
grinischen Beziehungen und über die Abberufung des
serbischen Gesandten in Cetinje Petkowitsch.
Sendung Nr. IX vom 26. April/9. Mai 1911:
Geheimbericht Nr. 24. Bericht über die bevorstehende Reise
König Peters nach Frankreich.
Anm.: Dieser Bericht ist insofern von Interesse, als in demselben Erwähnung getan
wird, daß König Peter die Bewilligung zu dieser Reise durch den Gesandten vom
russischen Kaiser erbitten ließ.
585
Geheimbericht Nr. 25. Bericht über den nicht zustande ge-
kommenen Besuch König Peters beim Kaiser Franz
Joseph in Budapest.
Anm.: Diese Sendung enthält auch einen Brief des Gesandten Hartwig an den Ge-
hilfen des Ministers des Auswärtigen in Petersburg — Neratow — über einen dem
Gesandten vom russischen Botschafter in Wien, Herrn von Giers, geschickten Brief
über diese Angelegenheit, in dem auch Erwähnung geschieht über die Ansicht des
Stellvertreters des österreichischen Ministers des Äußern, des Grafen Pallavicini, der sich
sehr ungünstig über das Auf geben des Besuches König Peters in Budapest geäußert hat.
Geheimbericht Nr. 26. Bericht über die serbisch-bulgari-
schen Annäherungsbemühungen und über eine diesbe-
zügliche wichtige Unterredung zwischen dem Minister des Äußern
Milowanowitsch und dem bulgarischen Gesandten in Belgrad
Toscheff.
Sendung Nr. X vom 12./25. Mai 1911:
Geheimbericht Nr. 27. Bericht über die bevorstehende Reise
König Peters nach Frankreich.
Geheimbericht Nr. 28. Bericht über den bevorstehenden Empfang
König Peters in Paris und über seine Rückkehr nach Belgrad.
Geheimbericht Nr. 29. Bericht über die serbisch-bulgari-
schen Verhandlungen wegen eines Übereinkommens.
Geheimbericht Nr. 3o. Bericht des Gesandten über ihm persönlich
gemachte Mitteilungen des italienischen Gesandten in Belgrad
Baroli über erhaltene Nachrichten von montenegrinisch-
türkischen Bündnisverhandlungen.
Geheimbericht Nr. 3i. Bericht über die Ansichten deutscher
Finanziers über die Handelsbeziehungen auf dem
Balkan und über die Fragen des Zuganges Serbiens zum Adria-
tischen Meere, soweit sie sich darauf beziehen.
Sendung Nr. XI vom 24. Mai/6. Juni 1911:
Geheimbericht Nr. 32. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Verhandlungen.
Geheimbericht Nr. 33. Bericht über aus Konstantinopel erhaltene
Nachrichten bezüglich der Stellungnahme Serbiens und
Montenegros zur albanischen Frage.
Geheimbericht Nr. 34. Bericht über den Besuch des türki-
schen Thronfolgers in Belgrad.
Sendung Nr. XII vom 7./20. Juni 1911:
Geheimbericht Nr. 35. Bericht über die Reise des Kronprinzen
Alexander nach Paris zwecks Überreichung der höchsten
serbischen Auszeichnung des Karageorg-Ordens an den
Präsidenten der französischen Republik und über
seine Reise nach London zur Teilnahme an den eng-
lischen Krönungsfeierlichkeiten.
586
Geheimbericht Nr. 36. Bericht über die rätselhaften Reisen
König Ferdinands von Bulgarien ins Ausland und
über seine Politik.
Geheimbericht Nr. 37. Bericht über den Besuch des öster-
reichischen Politikers Bärnraither in Belgrad und
über seine Mission.
Geheimbericht Nr. 38. Bericht über die Hai tu ng Österreich-
Ungarns in der albanischen Frage.
Sendung Nr. XIII vom 2 1. Juni/4. Juli 1911:
Geheimbericht Nr. 39. Bericht über das serbische Budget.
Geheimbericht Nr. 4o. Bericht über die Frage der Autonomie
Albaniens.
Geheimbericht Nr. 41.Bericht über den Sturz des Kabinetts
Paschitsch.
Sendung Nr. XIV vom 5./18. Juli 1911:
Geheimbericht Nr. 42. Bericht über die Handelsbeziehungen
zwischen Österreich und Serbien.
Geheimbericht Nr. 43. Bericht über die Neubildung der serbi-
schen Regierung unter der Präsidentschaft des bis-
herigen Ministers des Äußern Milowanowitsch.
Geheimbericht Nr. 44- Bericht über den X. Journalistenkon-
greß in Belgrad.
Sendung Nr. XV vom 20. Juli/3. August 1911*.
Geheimbericht Nr. 45. Bericht über die Unterredung des Ge-
sandten Hartwig mit dem türkischen Gesandten
Fuad Pascha.
Geheimbericht Nr. 46. Bericht über die Verlobung des russi-
schen Großfürsten Johann Konstantinowitsch mit
der Tochter des König Peter, der Prinzessin Helene.
Sendling Nr. XVI vom 2./15. August 1911:
Geheimbericht Nr. 47- Bericht des russischen Geschäftsträgers Bibi-
kow über die in Belgrad herrschende Erbitterung gegen die
Zeitung Tribuna.
Geheimbericht Nr. 48. Bericht des russischen Geschäftsträgers über
das Adriabahn-Projekt und über die französisch-türkische
Eisenbahn-Regie.
Sendung Nr. XVIII vom 29. August/11. September 1911:
Geheimbericht Nr. 52. Bericht des Geschäftsträgers Bibikow über
die Hochzeit der Prinzessin Helene.
Geheimbericht Nr. 53. Bericht über die politische Agitation
der ehemaligen serbischen Verschwörer off iziere und
über die Gründung eines neuen nationalistischen
587
Blattes seitens dieser Gruppe mit dem Namen:
„Piemont“.
Sendung Nr. XIX vom 11./24. September 1911:
Geheimbericht Nr. 5 4. Bericht des von den Hochzeitsfei erlich-
keiten zurückgekehrten Gesandten Hartwig über den Eindruck
derselben in Belgrad.
Geheimbericht Nr. 55. Bericht über die aufrichtige Anteilnahme
der serbischen Regierung an der Ermordung Stolypins, des
russischen Ministerpräsidenten.
Sendung Nr. XX vom 28. September/11. Oktober 1911:
Geheimbericht Nr. 56. Bericht über den türkisch-italieni-
schen Konflikt und über seine Bedeutung für die poli-
tische Lage auf dem Balkan und für Serbien1).
Geheimbericht Nr. 57. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Verhandlungen und über das seitens des Gesandten Hartwig
gehegte Mißtrauen König Ferdinand gegenüber1 2).
Sendung Nr. XXI vom 12./2 5. Oktober 1911:
Geheimbericht Nr. 58. Bericht über die Stellung des Kabi-
netts Milo wanowitsch.
Geheimbericht Nr. 5 9. Bericht über die serbisch- bulgari-
schen Verhandlungen, über ihre Verständigungsmöglich-
keiten und über die Begegnung Geschoffs mit Milowanowitsch,
sowie über die Haltung König Ferdinands.
Geheimbericht Nr. 60. Bericht über die militärischen Maß-
nahmen Österreich-Ungarns an der Grenze des
Sandschaks Novibazar und über die serbischen militäri-
schen Vorbereitungen.
Geheimbericht Nr. 61. Bericht über den bevorstehenden Besuch
König Peters in Paris — dessen Abreise aus Belgrad auf
den 3o. Oktober 1911 festgesetzt ist.
Sendung Nr. XXII vom 26. Oktober/8. November 1911:
Geheimbericht Nr. 62. Bericht über den Besuch König Peters
in Paris.
Geheimbericht Nr. 63. Bericht über eine Balkanföderation.
Geheimbericht Nr. 64- Sehr vertraulicher persönlicher Bericht des
Gesandten Hartwig an den Minister Sasonow über die serbisch-
bulgarischen Verständigungsverhandlungen.
Sendung Nr. XXIII vom 10./2 3. November 1911:
Geheimbericht Nr. 65. Bericht über österreich-ungarische
militärische Maßnahmen an der serbischen Grenze und
an der Grenze des Sandschaks.
1) Siehe Aktenstück Nr. 529, S. i38.
2) Bezüglich der über diese Verhandlungen abgesandten Telegramme Hartwigs siehe
Aktenstücke Nr. 627, 53o, 53g, 54o, 54i, 542, 545, 548, 553, 554, 558, 56o.
588
Geheimbericht Nr. 66. Bericht über vom Gesandten Hartwig an den
französischen und italienischen Gesandten gemachte Mitteilungen
über die im vorigen Berichte erwähnten militärischen Maß-
nahmen Österreich-Ungarns.
Geheimbericht Nr. 67. Bericht über das neue serbische Gesetz über
die Apanagen der Mitglieder des königlichen Hauses.
Sendung Nr. XXIV vom 20. November/3. Dezember 1911:
Geheimbericht Nr. 68. Bericht über den erfolgten Besuch König
Peters in Paris.
Geheimbericht Nr. 69. Bericht über österreich-ungarische
militärische Vorbereitungen in Bosnien unter Be-
rufung auf die Berichte der russischen Militärattaches in Wien
und in Cetinje.
Geheimbericht Nr. 70. Sehr vertraulicher an den Minister des
Äußern persönlich gerichteter Bericht des Gesandten Hartwig
über die serbisch-bulgarischen Verständigungsver-
handlungen.
Geheimbericht Nr. 71. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Verständigungsverhandlungen.
Sendung Nr. XXV vom 8./21. Dezember 1911:
Geheimbericht Nr. 72. Bericht über die GeburtstagsfeierKai-
ser Nikolaus' von Rußland in Belgrad am 6.Dezember.
Geheimbericht Nr. 73. Bericht über österreich-ungarische
militärische Maßnahmen in Bosnien.
Geheimbericht Nr. 74. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Verständigungsverhandlungen.
Geheimbericht Nr. 75. Bericht über die Wahl des Metropoliten
von Prizren (Rasko prizrenska eparhija).
Anm.: Die serbische Regierung hatte auf den Vorschlag der Geheimorganisation
„Vereinigung oder Tod“ (Schwarze Hand) ein Mitglied derselben, den Konsul Radenko-
witsch, zum Metropoliten vorgeschlagen, um daselbst eine erhöhte Propagandatätigkeit
entfalten zu können, das Patriarchat in Konstantinopel entschied sich jedoch für den
montenegrinischen Kandidaten, den Bischof Dozitsch.
Sendung Nr. XXVI vom 22. Dezember 1911/5. Januar 1912:
Geheimbericht Nr. 76. Bericht über die Überführung der Ge-
beine des Fürsten Alexander Karageorgewitsch, des
Vaters König Peters, aus Wien nach Belgrad.
Geheimbericht Nr. 77. Bericht über die erfolgte Wahl des
montenegrinischen Kandidaten — des Bischofs Do-
zitsch — zum Metropoliten von Prizren.
Geheimbericht Nr. 78. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Verständigungsverhandlungen und über diesbezügliche
Meinungsverschiedenheiten zwischen Paschitsch und Milowano-
witsch.
589
Geheimbericht Nr. 79. Bericht über die Apanage der Groß-
fürstin Helene.
Protokolle des Gesandtschaftsarchivs aus dem Jahre 1912.
(Gesandter Hartwig.)
Sendung Nr. I fehlt im Archiv.
Sendung Nr. IV vom 2./i5. März 1912:
Geheimbericht Nr. 10. Bericht über den Tod des österreichi-
schen Ministers des Äußern Grafen Aehrenthal.
Sendung Nr. VI vom 20. März/3. April 1912:
Geheimbericht Nr. i3. Bericht über die schlechten persön-
lichen Beziehungen zwischen dem Schwiegervater und dem
Schwiegersöhne König Nikolaus und König Peters.
Geheimbericht Nr. i4. Bericht über die serbisch-montene-
grinischen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. i5. Bericht über den schlechten Gesund-
heitszustand König Peters.
Sendung Nr. VII vom 29. März/11. April 1912:
Geheimbericht Nr. 16. Bericht über die Durchfuhr für die
Türkei bestimmten Kriegsmaterials durch Serbien.
Geheimbericht Nr. 17. Streng vertraulicher Bericht über die Aus-
arbeitung einer serbisch-bulgarischen Militärkon-
vention.
Geheimbericht Nr. 18. Bericht über kroatische Angelegen-
heiten (20. 3. 1912).
Sendung Nr. VIII vom 10./23. April 1912:
Geheimbericht Nr. 19. Bericht über die Ankunft der kroati-
schen Studenten in Belgrad, über ihren Empfang und
über die politische Bedeutung desselben.
Sendung Nr. IX vom 2 5. April/8. Mai 1912:
Geheimbericht Nr. 22. Bericht über die Ablehnung des Bitt-
gesuches serbischer Offiziere zwecks Abkommandierung
einer Deputation nach Rußland.
Geheimbericht Nr. 2 3. Streng vertraulicher Bericht des Gesand-
ten Hartwig über seine Zusammenkunft mit dem
bulgarischen Sobranje-Präsidenten (bulgarisches Par-
lament) Dan eff und über seine Unterredung über die serbisch-
bulgarische Verständigung.
Sendung Nr. X vom 8./21. Mai 1912:
Geheimbericht Nr. 2 5. Bericht über die Organisierung des
albanischen Aufstandes.
Geheimbericht Nr. 26. Bericht über österreich-ungarische
Rüstungen an der serbischen Grenze.
590
Geheimbericht Nr. 2 7. Bericht über dem Gesandten Hartwig ge-
machte vertrauliche Mitteilungen des italienischen Ge-
sandten Baroli über den italienisch-türkischen Kon-
flikt.
Sendung Nr. XI vom 22. Mai/4. Juni 1912:
Geheimbericht Nr. 2 8. Bericht über die innereLageinSerbien.
Geheimbericht Nr. 29. Streng vertraulicher Bericht des Gesandten
(29.4.1912) über die serbisch-bulgarische Militär-
konvention nebst ausführlichen Kommentars.
Geheimbericht Nr. 3o. Bericht über die vom Pariser Blatt „Mat in“
gemachten Bemerkungen zum serbisch-bulgarischen
Übereinkommen.
Sendung Nr. XII vom
Geheimbericht Nr. 32. Bericht über ein Gespräch Hartwigs
mit dem bulgarischen Minister Bobtscheff über die ser-
bisch-bulgarischen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 33. Bericht über eine der Skuptschina einge-
brachte Gesetzesvorlage über einen neuen Militärkredit in
Höhe von 2i.5oo.ooo Dinars.
Geheimbericht Nr. 34. Bericht über die Geheimmission des
serbischen Honorarkonsuls in Venedig Volpi in
Belgrad.
Sendung Nr. XIII vom 19. Juni/2. Juli 1912:
Geheimbericht Nr. 37. Persönlicher Bericht des Gesandten über
den unerwartet erfolgten Tod des Ministerpräsidenten
Milowanowitsch.
Anm.: Dieser Bericht zeichnet sich durch große Herzlichkeit aus und spricht sich
in anerkennenswerter Weise über die politischen Fähigkeiten Milowanowitschs aus.
Geheimbericht Nr. 38. Bericht über die serbische Minister-
krise anläßlich des Todes von Milowanowitsch.
Sendung Nr. XIV vom 3./16. Juli 1912:
Geheimbericht Nr. 3g. Bericht über die Patronatsfeier des
XVI. Infanterie-Regiments des Zaren Nikolaus II. von
Rußland.
Geheimbericht Nr. 4o. Bericht über die Geburtstagsfeier Kö-
nig Peters am 29. Juni.
Geheimbericht Nr. [\2. Bericht über neue militärische Kredite.
Geheimbericht Nr. 43. Bericht über militärische Vorberei-
tungen Österreich-Ungarns an der Donau und an den
serbischen Grenzen.
Geheimbericht Nr. 44. Bericht über den bulgarischen Gesandten
in Belgrad Toscheff in Beziehung zu den serbisch-bulgari-
schen Bündnisverträgen.
Sendung Nr. XV vom 17./30. Juli 1912:
Geheimbericht Nr. 45. Bericht über die Ankunft Gutschkows
aus Bulgarien in Belgrad und über seine in der Türkei,
in Bulgarien und in Serbien gewonnenen Eindrücke.
Geheimbericht Nr. 47« Vertraulicher Bericht über eine Unter-
redung Paschitschs mit Toscheff über Balkan-An-
gelegenheiten.
Geheimbericht Nr. 48. Bericht über österreichische mili-
tärische Maßnahmen sowie über eine an die serbische Re-
gierung gerichtete Anfrage König Nikolaus* von Mon-
tenegro über die weiteren politischen Absichten Serbiens.
Sendung Nr. XVI vom 31. Juli/13. August 1912:
Geheimbericht Nr. 49. Bericht über die Abberufung des ita-
lienischen Gesandten Baroli und über die Ernennung
des neuen Gesandten Squitti.
Geheimbericht Nr. 5o. Streng vertraulicher Bericht des Gesandten
über den ihm bekannt gewordenen Angriffsplan der öster-
reichisch-ungarischen Monarchie im Falle eines
Krieges gegen Serbien.
Geheimbericht Nr. 5i. Bericht über die Anfrage der montene-
grinischen Regierung an die serbische Regierung be-
züglich der albanischen Frage sowie Bericht über die
Antwort der serbischen Regierung.
Sendung Nr. XVII vom i5./2 8. August 1912:
Geheimbericht Nr. 52. Bericht über einen Meinungsaustausch
seitens der serbischen Regierung mit dem Grafen
Berchtold über einen Besuch König Peters in Wien.
Geheimbericht Nr. 53. Bericht über österreichisch-ungari-
sche militärische Maßnahmen gegen Serbien. Diesem
Berichte ist ein sehr geheimer Privatbrief des Gesandten mit
verschiedenen sich auf den Bericht 53 beziehenden Angaben bei-
gefügt.
Geheimbericht Nr. 54- Bericht über die allgemeine politische
Stimmung in Serbien in bezug auf die letzten politischen
Ereignisse. Bericht über das Hervortreten des Grafen Berchtold
und über die albanische Bewegung. Diesem Berichte ist ein an
den Gesandten Hartwig gerichteter Privatbrief des russischen
Konsuls in Nisch Tschachotin, der sich auf albanische Fragen
bezieht, beigefügt.
Sendung Nr. XVIII vom 29. August/11. September 1912:
Geheimbericht Nr. 55. Bericht über die dem türkischen Kriege
vorangegangene politische Stimmung in Serbien.
592
Geheimbericht Nr. 56. Bericht über die zu treffenden und bereits
getroffenen militärischen Maßnahmen seitens der ser-
bischen Regierung.
Geheimbericht Nr. 57. Bericht über eine Unterredung Hartwigs
mit dem Gesandten Toscheff und mit dem bulgarischen Poli-
tiker Liaptscheff über die kriegerischen Absichten Bulgariens.
Geheimbericht Nr. 58. Bericht über die neue Regierungsbil-
dung in Serbien, wobei Paschitsch gleichzeitig Ministerpräsident
und Minister des Äußern wird.
Geheimbericht Nr. 5g. Streng vertraulicher persönlicher Bericht an
den Minister des Äußern Sasonow des Gesandten Hartwig
über seinen Besuch beim Grafen Berchtold.
(28. August/11. September 1912.)
Sendung Nr. XIX vom 11./2 4- September 1912:
Geheimbericht Nr. 60. Bericht über die Stimmung in Serbien.
Geheimbericht Nr. 61. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 62. Bericht über ein griechisches Bünd-
nisangebot an Serbien.
Geheimbericht Nr. 63. Bericht über die Zurückbehaltung für
Serbien aus Frankreich über Saloniki gesandten
Kriegsmaterials seitens der Türkei.
Sendung Nr. XX vom 26. September/9. Oktober 1912:
Geheimbericht Nr. 64- Bericht über die Mobilisierungen in
der Türkei und den vier übrigen Balkanstaaten (Bul-
garien, Griechenland, Montenegro, Serbien).
Geheimbericht Nr. 65. Bericht über neuerliche Okkupations-
absichten des Sandschaks Novibazar durch Öster-
reich-Ungarn.
Sendung Nr. XXI vom 10./2 3. Oktober 1912:
Geheimbericht Nr. 66. Bericht über die russisch-österrei-
chischen Beziehungen sowie über die Frage des Sand-
schaks.
Geheimbericht Nr. 67. Bericht über die politische Lage.
Geheimbericht Nr. 68. Bericht über den türkischen Gesand-
tenFuadPascha.
Geheimbericht Nr. 69. Bericht über die politischeLage.
Sendung Nr. XXII vom 24. Oktober/6. November 1912:
Geheimbericht Nr. 70. Bericht über die Stellung Serbiens un-
ter den Balkanstaaten und über die von den Serben
erzielten Erfolge.
Geheimbericht Nr. 71. Bericht über Gerüchte von besonderen
Separatverhandlungen zwischen Serbien und Öster-
reich-Ungarn.
8 Boghitschewitsoh, Serbien II.
593
Sendung Nr. XXIII vom 7./20. November 1912:
Geheimbericht Nr. 72. Bericht über eine Vermittlung seitens
der Mächte im Balkankonflikte. (Frage der Mediation.)
Geheimbericht Nr. 73. Bericht über den serbisch-österrei-
chischen Konflikt.
Geheimbericht Nr. 74. Bericht über den bevorstehenden Fall
von Bitolje (Monastir).
Geheimbericht Nr. 75. Bericht einer Konfidentin der Gesandtschaft
über militärische Maßnahmen Österreichs.
Sendung Nr. XXIV vom 22. November/5. Dezember 1912:
Geheimbericht Nr. 79. Den Geheimbericht Nr. 75 der vorigen Sen-
dung ergänzender Bericht über die militärischen Maßnah-
men Österreichs.
Geheimbericht Nr. 76. Bericht über das Bestreben der serbi-
schen Armee, so bald wie möglich an das Adriatische
Meer zu gelang en (Durazzo).
Geheimbericht Nr. 77. Bericht über den Kampf der Bulg aren
bei Tschataldscha.
Geheimbericht Nr. 78. Bericht über die Zusammensetzung der
serbischen Delegation für die Waffenstillstands-
Verhandlungen in London.
Sendung Nr. XXV vom 6./18. Dezember 1912:
Geheimbericht Nr. 80. Bericht über die Instruktionen f ür die
serbische Delegation für die Londoner Friedens-
verhandlungen.
Geheimbericht Nr. 81. Bericht über die Affäre Prochaska.
Geheimbericht Nr. 82. Bericht über die serbisch-bulgarischen
Beziehungen mit Bücksicht auf die Entsendung Nowako-
witsch’s als ersten Delegierten nach London.
Sendung Nr. XXVI vom 18./31. Dezember 1912:
Geheimbericht Nr. 83. Bericht über serbisch-albanische Ab-
grenzungsfrage xi.
Geheimbericht Nr. 84- Abermaliger Bericht über Gerüchte von
serbisch-österreichischen Separatverhandlungen.
Sendung Nr. XXVII vom 3i. Dezember 1912/13. Januar I9i3:
Geheimbericht Nr. 85. Bericht über die Affäre Prochaska.
Geheimbericht Nr. 86. Bericht über die serbisch-österrei-
chischen Beziehungen.
Geheimbericht Nr. 87. Streng vertraulicher Bericht des Gesandten
an den Minister des Äußern Sasonow über Hartwig gegenüber
gemachte Äußerungen des deutschen Gesandten von
Griesinger über das gespannte Verhältnis zwischen
Österreich und Serbien.
Auszug
aus den Protokollen der russischen Gesandtschaft in Belgrad
aus dem Jahre 1915.
Die Geheimberichte der Gesandtschaft, die durch einen regelmäßigen
Kurier alle i4 Tage nach Petersburg gesandt wurden, sind Ende 1926
im „Revolutionären Archiv“ nicht erhältlich gewesen, da das betref-
fende Aktenmaterial noch nicht gesichtet worden war. Dagegen konnte
in die telegraphische Berichterstattung der russischen Gesandtschaft
in Serbien, und zwar vom 3i. Mai/13. Juni 1913 bis zum 3o. Dezem-
ber 1915/12. Januar 1916 Einsicht genommen werden. Allerdings ist
auch in dieser Beziehung zu bemerken, daß auch die telegraphische
Berichterstattung des ersten Halbjahres igi3 eine sehr unvollständige
ist und daß auch die abgesandten Telegramme vom 1. Januar bis zum
31. März 1914 fehlen.
Da auch diese Sammlung von Telegrammen eine äußerst umfangreiche
ist, so konnte dieselbe bei der Kürze der Zeit, die zur Verfügung stand,
nur flüchtig durchgesehen werden und darum sind auch hier nur einige
uns wichtig erscheinende Telegramme zwecks Feststellung einzelner Zu-
sammenhänge angeführt.
Auszug
aus dem Inhaltsverzeichnis der von der russischen Gesandtschaft
in Belgrad abgesandten und erhaltenen Telegramme.
Einzelne Telegramme aus dem Jahre 1913.
Telegramm Nr. 63i vom 3i. Mai/13. Juni 1913. Instruktion des Mi-
nisters Sasonow an den Gesandten Hartwig bzgl. des serbisch-bul-
garischen Streitfalles. (Siehe auch Iswolski, Bd. 3 Nr. 9i3.)
Telegramm Nr. 636 vom 2./15. Juni igi3. Sendung des Ministers des
Äußern Sasonow einer Abschrift eines vom russischen Botschafter
in Berlin Swerbejew erhaltenen Telegramms bzgl. des serbisch-
bulgarischen Konfliktes an den Gesandten Hartwig (Nr. i58).
Telegramm Nr. 637 vom 3./16. Juni 1913. Weitere Sendung einer Ab-
schrift eines Télégrammes (Nr. 169) des russischen Botschafters in
Berlin Swerbejew über den serbisch-bulgarischen Konflikt.
Telegramm Nr. 645 vom 4-/17- Juni 1913. Neue Instruktionen (Nr. 620)
des Ministers des Äußern Sasonow an den Gesandten Hartwig über
den serbisch-bulgarischen Konflikt.
Telegramm Nr. 646 vom i4./27- Juni I91^* Mitteilung des russischen Ge-
sandten an das Ministerium des Äußern über den Text des Mani-
festes König Peters an die serbische Armee anläßlich des Angriffes
der bulgarischen Truppen.
595
Telegramme Nr. 65o—654 beziehen sich auf verschiedene Instruk-
tionen des Ministers Sasonow an die russische Gesandtschaft in
Belgrad mit Rücksicht auf den serbisch-bulgarischen Streitfall.
Telegramm Nr. 835. Bericht des Gesandten Hartwig an das Ministerium
des Äußeren in Petersburg über verschiedene von ihm an den
Ministerpräsidenten Pasitsch gemachte Mitteilungen bezüglich der
österreichisch-ungarischen Pläne gegen Serbien.
Telegramm Nr. 957. Mitteilung des Ministers Sasonow an Hartwig über
die Unaufrichtigkeit des Ministerpräsidenten Pasitsch unter Bezug-
nahme auf ein Telegramm des russischen Gesandten in Athen
Nr. 23i.
Telegramm Nr. 964 vom 7./20. Juli 1913. Antwort der serbischen Re-
gierung an die russische Regierung in Angelegenheiten des serbisch-
bulgarischen Streitfalles.
(Siehe auch Bd. I, Akt.-Stck. Nr. 3io, S. 337.)
Telegramm Nr. ii63 vom i8./3i.Juli igi3. Mitteilung des russischen
Ministers des Äußern Sasonow an den Gesandten Hartwig über eine
Beschwerde des montenegrinischen Ministers des Äußern Plamenaz,
die er an den russischen Gesandten von Giers in Cetinje gerichtet
hat, über das geringe Entgegenkommen der serbischen Regierung
in den Abgrenzungsfragen des Sandschaks Novi-Bazar.
Telegramm Nr. 1210 vom 12. September 1913. Mitteilung des Gesand-
ten Hartwig an den Minister des Äußern Sasonow über eine seitens
Italien an die serbische Regierung gerichtete Warnung bzgl. be-
absichtigter Schritte Österreich-Ungarns gegen Serbien unter Emp-
fehlung äußerster Vorsicht.
Telegramm Nr. 1261 vom 26. September—9. Oktober 1913. Bericht des
Gesandten Hartwig an den Minister des Äußern Sasonow über die
ihm vom Ministerpräsidenten Paschitsch gemachten ganz vertrau-
lichen Mitteilungen über seine Zusammenkunft mit dem Grafen
Berchtold in Wien.
Einzelne Telegramme aus dem Jahre 1914.
Telegramm Nr. i54 vom 15-/28. Mai 1914« Bericht des Gesandten Hart-
wig an den Minister des Äußern Sasonow über die für Rußland un-
günstigen Rückwirkungen eines eventuellen Rücktrittes des Mini-
steriums Paschitsch.
Telegramm Nr. 160 vom 20. Mai—2. Juni 1914« Mitteilung des Ge-
sandten Hartwig an den Minister des Äußern Sasonow über die er-
folgte Demission des Kabinetts Paschitsch und die bekanntgewor-
dene Absicht der Krone das neu zu bildende Ministerium mit Neu-
wahlen zu betrauen.
Telegramm Nr, 162 vom 29. Mai/11. Juni 1914* Bericht des Gesandten
Hartwig an den Minister des Äußern Sasonow, daß der bisherige
596
Ministerpräsident Paschitsch dank seinen Bemühungen abermals mit
der Neubildung der Regierung betraut worden ist.
Telegramm Nr. 175 vom 11./24. Juni igi4. Mitteilung des Gesandten
Hartwig an das Ministerium des Äußern, Petersburg, von der Über-
nahme der Regentschaft durch den Kronprinzen Alexander.
Telegramm Nr. 180 vom 22. Juni/5. Juli igi4. Bericht über die Ermor-
dung des österreichischen Thronfolgerpaares in Sarajewo, sowie
über die beiden Attentäter Princip und Tschabrinowitsch.
Telegramm Nr. 187 vom 26.Juni/5.Juli igi4- Weisung des russi-
schen Ministers des Äußern Sasonow an den Gesandten Hartwig, der
serbischen Regierung größte Vorsicht in ihrem weiteren Verhalten
der österreichisch-ungarischen Regierung gegenüber zu empfehlen.
Telegramme Nr. 18g—ig4 vom 27. Juni—10. Juli—3o. Juni—13. Juli.
Berichte des russischen Geschäftsträgers Strandmann über den
plötzlichen Tod des Gesandten Hartwig, über das Ersuchen der ser-
bischen Regierung, daß er in serbischem Boden bestattet werde, und
über die Feierlichkeiten der Beerdigung.
Da die weitere Berichterstattung sich mit Ereignissen befaßt, die sich
während des Krieges abgespielt haben, so ist von einer weiteren Anfüh-
rung von Berichten aus dieser Zeit, die bis zum montenegrinischen Frie-
densangebote reichen (Ende igi5), abzusehen.
597
Verzeichnis der Abkürzungen der in den Hinweisen
erwähnten Schriften.
Österreichisches Rotbuch 1909: Österreichisches Rotbuch Bosnien und die
Herzegowina betreffend Oktober 1908 bis Juni 1909.
Österreichisches Rotbuch 1912: Diplomatische Aktenstücke betreffend die
Ereignisse am Balkan i3. August 1912 bis 6. November 1913.
Österreichisches Rotbuch 191/i: Diplomatische Aktenstücke zur Vorgeschichte
des Krieges 1914«
Republik Österreich Rotbuch 1919: Diplomatische Aktenstücke zur Vor-
geschichte des Krieges 1914* Ergänzungen und Nachträge zum österreichisch-
ungarischen Rotbuch. Drei Teile Wien 1919 Staatsdruckerei.
Russische Dokumente: Dokumente aus den russischen Geheimarchiven soweit sie
bis zum i.Juli 1918 eingegangen sind. Berlin 1919 Auswärtiges Amt.
Deutsche Dokumente: Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch heraus-
gegeben im Aufträge des Auswärtigen Amtes von Karl Kautzky, Graf Max
Montgelas und Professor Walter Schücking, vier Bände Charlottenburg 1919
Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte m.b.H.
Deutsches Wefißbuch 1919: Weißbuch betreffend die Verantwortlichkeit
der Urheber des Krieges Berlin, Juni 1919. Auswärtiges Amt.
Die Große Politik: Die Große Politik der europäischen Kabinette 1871 bis
1914.. Sammlung der diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, heraus-
gegeben von Johannes Lepsius (f), Alhrecht Mendelssohn-Bartholdy und
Friedrich Thimme. 54 Bände Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und
Geschichte m.b.H.
Livre Jaune 1912: Ministère des affaires étrangères. Documents Diplomatiques.
Les Affaires Balkaniques 1912 bis 1914* 3 Volumes Paris 1922.
Livre Noir: Un livre noir Diplomatie d’avant-guerre d’après les documents des
archives russes. Novembre 1910 — Juillet 1914, Préface par René Marchand,
Paris, Librairie du Travail.
M aterialien: Materialien zur Geschichte der französisch-russischen Beziehungen
1910—1914* Sammlung der geheimen diplomatischen Dokumente des kaiserlich
russischen Ministeriums des Äußern. Herausgegeben von der Sowjetregierung
Moskau 1922.
Siebert: Diplomatische Aktenstücke zur Geschichte der Entente-Politik der Vor-
kriegsjahre, herausgegeben von B. v. Siebert. Berlin und Leipzig 1921.
Iswolski: Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis 1911 bis 1914* Aus den
Geheimakten der russischen Staatsarchive im Aufträge des deutschen Aus-
wärtigen Amtes, herausgegeben von Friedrich Stieve, Berlin 1924. Deutsche
Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte.
Benckendorff: Graf Benckendorf f s Diplomatischer Schriftwechsel, herausge-
geben von B. von Siebert (aus seinem Nachlaß). Neue stark vermehrte Auf-
lage der Diplomatischen Aktenstücke zur Geschichte der Ententepolitik der
Vorkriegsjahre III Bände Berlin und Leipzig 1928.
Britische Dokumente: Die Britischen Amtlichen Dokumente über den Ur-
sprung des Weltkrieges 1898 bis 191,4« Im Aufträge des Britischen Aus-
wärtigen Amtes in elf Bänden herausgegeben von G. P. Gooch und Harold
Temperley. Vom Britischen Auswärtigen Amt autorisierte einzige deutsche
Ausgabe, herausgegeben v. Hermann Lutz. Erste Hälfte, Der Ausbruch des
Krieges, Dokumente des Britischen Auswärtigen Amtes 28. Juni bis 4« August
1914. Berlin 1926, Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte
m.b. H.
Bulgarisches Orangebuch 1920: Die bulgarischen Dokumente über den
Eintritt Bulgariens in den Weltkrieg, II Bände, 1920.
598
Verzeichnis der im zweiten Bande enthaltenen
Aktenstücke (1901—1919).
Nr. Datum Absender und Empfänger
190!
418. Jan. 6. Der Botschafter in Wien Fürst zu Eulenburg an den Reichs- kanzler Grafen von Bülow
1902
419. Mai Russisch-bulgarische Konvention
1904
420. April i3. Serbisch-bulgarischer Vertrag
421. Mai II. Ratifikationsurkunde zum serbisch-bulgarischen Vertrag . . .
1908
422. Febr. 28. Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bülow
423. März 21. Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler Fürsten von Bülow
424. Mai 26. Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor an den Reichs- kanzler Fürsten von Bülow
425. Aug. 14. Der Geschäftsträger in Wien Graf Brockdorff-Rantzau an den Reichskanzler Fürsten von Bülow
426. » l8. Der Geschäftsträger in Belgrad Prinz Julius Ernst zur Lippe an den Reichskanzler Fürsten von Bülow
427. Sept. 28. Der Botschafter in Wien von Tschirschky an das Auswärtige Amt
428. » 29. Kaiser Franz Joseph an Zar Nikolai II
429. Okt. 8. Aufzeichnungen des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes von Schoen
43o. » 8. Freiherr von Aehrenthal an den Legationssekretär Franz in Belgrad Graf Berchtold an Freiherrn von Aehrenthal
43i. tt 8.
432. tt 8. Der Geschäftsträger in Belgrad Prinz Julius Ernst zur Lippe an den Reichskanzler Fürsten von Bülow
433. tt 9- Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von Marschall an das Auswärtige Amt
434. » 10. Der Botschafter in Wien von Tschirschky an das Auswärtige Amt
435. n i5. Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor an das Auswärtige Amt
436. tt 20. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes von Schoen
437. tt 23. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes von Schoen
438. tt 23. Der Botschafter in Rom Graf Monts an das Auswärtige Amt.
43g. w 25. Der Botschafter in Rom Graf Monts an den Reichskanzler Fürsten von Bülow
44o. Nov. I. Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales an den Reichskanzler Fürsten von Bülow
44i. tt 4. Zar Nikolai II. an Kaiser Franz Joseph
442. ft IO. Der stellvertretende Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Ge- sandter von Kiderlen an den Gesandten in Belgrad Prinzen
von Ratibor .
443. tt i3. Der Botschafter in Petersbuig Graf von Pourtales an den
Seite
26
27
l9
31
32
33
33
39
Reichskanzler Fürsten von Bülovv...............................4i
599
Nr. Datum 1908 Absender und Empfänger Seite
444. Nov. i4. Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtalès an den Reichskanzler Fürsten von Bülow 43
445. » 20. Der Botschafter in Wien von Tschirchky an das Auswärtige Amt 45
446. Dez. 7- Kaiser Franz Joseph an Zar Nikolai 11 46
447- » 8. Der österreichisch-ungarische Minister des Äußern Freiherr von Aehrenthal an den Reichskanzler Fürsten von Bülow .... 49
448. » 17- »909 Zar Nikolai II. an Kaiser Franz Joseph 53
449- Jan. 16. Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtalès an den Reichskanzler Fürsten von Bülow 56
45o. yy 28. Kaiser Franz Joseph an Zar Nicolai II 59
45i. yy 3o. Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor an den Reichs- kanzler Fürsten von Bülow 61
452. Febr. i9- Der Generalkonsul in Sofia Gesandter Freiherr von Romberg an den Reichskanzler Fürsten v. Bülow 62
453. yy 21. Aide-mémoire des Auswärtige^ Amtes an die Botschafter von England und Frank 1 eich in Berlin 63
454. » 27. Telegramm des russischen Außenminister an den russischen Gesandten in Belgrad 65
455. 27. Inhaltsangabe eines Télégrammes des russischen Außenministers an den russischen Gesandten Belgrad 66
456. März 2. Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi- schen Außenministers 66
457. yy 3. Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi- schen Außenminister 67
458. ” 3. Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi- schen Außenminister 67
45g. 3. Freiherr von Aehrenthal an d. k. u. k. Missionen in St. Peters- burg, Berlin, London, Paris, Rom, Konstantinopel, Bukarest, Sofia, Belgrad, Cetinje und Athen 69
46o. SS 5. Freiherr von Aehrenthal an Graf Forgach in Belgrad 70
46i. ” 7- Telegramm des russischen Außenministers an den russischen Gesandten in Belgrad 71
462. ” 7- Telegramm des russischen Außenministers an den russischen Gesandten in Belgrad 71
463. « 8. Telegramm des russischen Außenministers an den russischen Gesandten in Belgrad 73
464- ” 10. Herr Simitsch, königl. serbischer Gesandter in Wien, an Frei- herrn von Aehrenthal 73
465. » 10. Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtalès an den Reichs- kanzler Fürsten von Bülow 74
466. SS ii. Freiherr von Aehrenthal an Graf Forgach in Belgrad . . 74
467. si ii. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Frei- herrn von Schoen 76
468. SS ii. Der Botschafter in Wien v. Tschirschky an das Auswärtige 76
46g. SS 12. Aufzeichnung des Gesandten im Auswärtigen Amt von Kiderlen 78
470. SS i3. Telegramm des russischen Geschäfssträgers in Sofia an den russi- schen Außenminister 79
471. ” i5. Der serbische Gesandte Simitsch in Wien an Freiherrn von Aeh- renthal 79
472. » i5. Freiherr von Aehrenthal an Graf Forgach in Belgrad . . . 80
473. 16. Graf Forgach an Freiherrn von Aehrenthal 81
474. ” 16. Freiherr von Aehrenthal an die k. u. k. Missionen in London, Paris, Rom, Berlin, St. Petersbung, Konstantinopel, Bukarest, Sofia und Cetinje 81
6oo
Nr. Datum J9°9 Absender und Empfänger Seite
475. März 16. Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor an den Reichs- kanzler Fürsten von Bülow . 81
476« ” *7- Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi- schen Außenminister 82
477- ” *7* Telegramm des russischen Außenministers an den [russischen Gesandten in Belgrad 83
478. „ J9- Freiherr von Aehrenthal an Graf Mensdorff in London . . . 84
479- „ *9- Freiherr von Aehrenthal an Graf Mensdoiff in London . • . 85
48o. 24. Herr von Szögyegny an Freihern von Aehrenthal ..... 86
481. - 26. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Frei- herrn von Schoen 86
00 10 ” 3i. Die königlich serbische Gesandtschaft in Wien an das k. u. k. Ministerium des Äußern 87
483. 3i. Freiherr von Aehrenthal an Graf Forgach 87
484. Apr. 11’ Telegramm des russischen Gesandten in Sofia an den russischen Außenminister 88
485. 99 *1- Sir F. L. Cartwright, königlich großbritannischer Botschafter in Wien, an Freiherrn von Aehrenthal 88
486. ” 18. Telegramm des russischen Außenministers an den russischen Gesandten in Sofia 89
487. » 18. Telegramm des russischen Außenministers an den russischen Gesandten in Belgrad 89
488. 99 19- Fürst Urussow, kaiserlich russischer Botschafter in Wien, an Freiherrn von Aehrenthal 9°
489. 99 i9- Herr Crozier, Botschafter der französischen Republik in Wien, an Freiherrn von Aehrenthal 9°
490. 99 27. Bericht des russischen Gesandten in Belgrad an den russischen Außenminister 91
491. Mai 4. Telegramm des russischen Gesandten in Sofia an den russi- schen Außenminister 92
492. ” 12. Telegramm des russischen Außenministers an den russischen Gesandten in Sofia 9.2
493. 99 25. Bericht des russischen Gesandten in Belgrad an den russischen Außenminister * 98
4g4. 3o. Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler Fürsten von Bülow 93
4g5. Juni 8. Bericht des russischen Gesandten in Belgrad an den russischen Außenminister 94
496. Juli 28. Vertrauliche serbische Mitteilugg an die russische Regierung . 98
497- Aug. 16. Streng vertraulicher Brief des russischen Außenministers an den russischen Geschäftsträger in Sofia 100
498. Sept. 11. Der Erste Sekretär bei der Botschaft in Wien Graf Brockdorff- Rantzau an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg . . HO
499» Okt. 6. Der Geschäftsträger in Wien Graf Brockdorff-Rantzau an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg io3
5oo. ft 28. Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi- sehen Außenminister io4
5oi. it 3o. Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg io5
5o2. it 3o. Telegramm des russischen Geschäftsträgers in London an den russischen Außenminister 108
5o3. Nov. 3. Vertrauliches Schreiben des russischen Geschäftsträgers in London an den russischen Außenminister ........ ”9
5o4. a 4. Instruktionen des russischen Außenministers an die russischen Vertreter in Sofia, Belgrad und Getinje anläßlich der Monar- chenbegegnung in Racconigi IIO
5o5. a 9* Vertrauliches Schreiben des Geschäftsträgers in Rom an den russischen Außenminister hi
6oi
Nr. Datum
5o6. iqoq NovT 23.
507. „ 26.
5o8. „ 27.
509. „ 3o.
5io. Dez. 4-
5n: »
ÖI2. 1910 Febr. 2.
5i3. . 4.
5i4. Sept. 28.
5i5. Nov. 25.
5i6. 1911 Febr. i5.
517. März 11.
5i8. Apr. 2.
519. Mai 27.
520. Juli 8.
521. Aug. 19.
Ö22. Sept. 26.
523. „ 3o.
524. n 3o.
025. Okt. 2.
526. „ 4-
527. „ 6.
528. „ 8.
529. . 8.
53o. » i4-
53i. „ i4-
532. » i5.
533. „ i5.
Absender und Empfänger Seite
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Frei-
herrn von Schoen................................................ ii3
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi-
schen Außenminister...............................................n4
Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von Marschall an
den Reichskenzler von Bethmann Hollweg............................n5
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichs-
kanzler von Bethmann Hollweg.....................................116
Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von Marschall an
den Reichskanzler von Bethmann Hollweg...........................117
Russisch-bulgarische Militärkonvention (1909)....................118
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi-
schen Außenminister..............................................123
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Gesandten in Belgrad ............................................i23
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Gesandten in Sofia...............................................124
Geheimbericht des russischen Gesandten in Sofia an den russi-
schen Außenminister..............................................124
Vertraulicher Bericht des russischen Botschafters in Wien an
den russischen Außenminister.....................................127
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi-
schen Außenminister..............................................128
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den stell-
vertretenden russischen Außenminister................‘ . 128
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den stell-
vertretenden russischen Außenminister............................129
Telegramm des stellvertretenden russischen Außenministers an
den russischen Gesandten in Sofia................................129
Der russische Botschafter in Paris an den stellvertretenden
russischen Außenminister.........................................i3o
Der russische Botschafter in Paris an den stellvertretenden
russischen Außenminister.........................................i3o
Der Gesandte in Sofia von Below-Saleske an das Auswärtige
Amt...........................................................132
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg............................... . . . i33
Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg ........................................i34
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow, Petersburg,
an den russischen Gesandten Nekljudow in Sofia...................i35
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................i36
Der russische Botschafter Giers in Wien an den russischen
Außenminister....................................................137
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................i38
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................i4o
Der russische Geschäftsträger Obnorski, Getinje, an das Mini-
sterium des Äußern in Petersburg.................................i4i
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow, Petersburg,
an den russischen Gesandten in Sofia.......................i(\2
Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow, Petersburg,
an den russischen Gesandten Nekljudow in Sofia...................i43
602
Nr. Datum Absender und Empfänger Seite
I911
534. Okt. i5. Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow, Petersburg,
an den russischen Botschafter in Berlin Swerbejew . . . i43
535. „ 24. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg............................... . . . i44
536. „ 24. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg........................................i45
537. „ 25. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg........................................i45
538. „ 3o. Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow, Petersburg,
an den russischen Gesandten Nekljudow in Sofia...............i46
53g. Nov. 2. Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg........................................i47
540. „ 4- Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow, Petersburg,
an den russischen Gesandten Hartwig in Belgrad..................i48
541. n 4- Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................i48
542. „ 5. Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................i5o
543. „ 6. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................i53
544. „ 10. Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow, Petersburg,
an den russischen Gesandten Hartwig in Belgrad..................i54
545. „ i4- Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................i55
546. „ 21. Der russische Botschafter in Paris an den stellvertretenden
russischen Außenminister.....................................i56
547- „ 23. Der russische Botschafter in Paris an den stellvertretenden
russischen Außenminister........................................iÖ7
548. „ 23. Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................i58
549- » 23. Der russische Gesandte in Sofia an den Gehilfen des russi-
schen Ministers des Äußern in Petersburg..........................................IÖ9
550. Dez. 12. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an den stellvertreten-
den russischen Außenminister....................................161
551. „ 28. Der Geschäftsträger in Belgrad Graf von Kanitz an den Reichs-
kanzler von Bethmann Hollweg....................................162
552. „ 28. Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ..................................................... i64
553. „ 29. Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................i65
554. n 3o. Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
das Äußern in Petersburg.................................. 166
1912
555. Jan. 1. Der stellvertretende Minister des Äußern Neratow, Petersburg,
an den russischen Gesandten Nekljudow in Sofia..............166
556. „ 6. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................167
557. „ 11. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................167
558. „ 19. Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................168
559. „ 3o. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................169
560. Feb. 12. Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg....................................17°
561. „ i4. Questionnaire remis le i4 février 1912 par le Ministre des
Affaires étrangères de Russie à l’Ambassadeur de France . . 171
6o3
Nr. Datum Absender und Empfänger Seite
I9Ï2
56a. Feb. 29. Der russische Botschafter in Paris Iswolski an den Minister
des Äußern Sasonow...............................................171
563. März 4- Der russische Gesandte Nekljudovv, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................172
564. » i3. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................172
565. „ i4. Der russische Gesandte Nekljudow, Sofia, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................172
566. „ 3o. Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London...........................................................173
567. April 1. Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister..............................................174
568. „ 1. M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des
Affaires étrangères à MM. les Ministres de France à Sofia et à
Belgrade.........................................................174
569. „ 3. M. de Panafieu, Ministre de France à Sofia, à M. Raymond
Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires étrangères 176
570. „ 5. M. Georges Louis, Ambassadeur de France à Saint-Pétersbourg,
a M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des
Affaires étrangères..............................................177
571. „ 6. Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
Paris............................................................180
572. „ i5. Staatssekretär von Kiderlen an König Carol von Rumänien über
das Geheimnis des Balkanbundes...................................180
573. Mai i3. M. Raymond Poincaré, Président de Conseil, Ministre des Af-
faires étrangères, à M. Georges Louis Ambassadeur de France
à Saint-Pétersbourg..............................................i83
574. „ l5. M. Jules Cambon, Ambassadeur de France à Berlin, à M. Ray-
mond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires
étrangères.......................................................i84
575. „ 16. M. de Saint-Aulaire, Chargé d’affaires de France à Vienne, à
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires
étrangères ......................................................i84
576. „ 29. Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Botschafter in London............................................186
577. „ 3o. Streng vertrauliches Schreiben des russischen Außenministers
an den russischen Gesandten in Sofia.............................186
578. Juni 4- Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an den Minister des
Äußern Sasonow in Petersburg.....................................188
579- » 6- Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .........................................................................189
580. „ 8. M. Hermite, Chargé d’affaires de France à Berlin, à M. Ray-
mond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires
étrangères ......................................................192
581. „ 10. M. Dumaine, Ambassadeur de France à Vienne, à M. Raymond
Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires étran-
gères ...........................................................193
582. „ 20. Bericht des russischen Gesandten in Sofia an den russischen
Außenminister....................................................193
583. „ 20. Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ........................................................194
584- „ 25. Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg.............................................ig5
585. Juli 8. Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Botschafter in London............................................198
586. „ 8. Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London...........................................................198
604
Nr. Datum Absender und Empfänger
587. I912 Juli 8. M. Georges Louis, Ambassadeur de France à Saint-Pétersbourg à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires étrangères
588. 99 20. Telegramm des russischen Botschafters in Konstantinopel an den stellvertretenden russischen Außenminister
58g. ” 21. Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den stell- vertretenden russischen Außenminister
590. ” 23. Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den stell- vertretenden russischen Außenminister
5gi. M 25. Der russische Ministerpräsident Kokowzew an den Minister des Äußern Sasonow
592. Aug. i3. Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften in Berlin, London, Paris, Rom u. St. Petersburg
5g3. „ i4. Graf Somssich an Graf Berchtold
594. » i4. Der russische Geschäftsträger in Paris an den russischen Außen- minister
5g5. 99 i5. Vertraulicher Bericht des russischen Geschäftsträgers in Wien an den stellvertretenden russischen Außenminister
5g6. 99 16. Graf Thurn an Graf Berchtold
597- „ 21. Der Gesandte in Cetinje von Eckhardt an das Auswärtige Amt
598. 99. 29- Streng vertrauliches Schreiben des russischen Botschafters in Konstantinopel an den stellvertretenden russischen Außen- minister
599- » 29. Der russische Geschäftsträger in Paris an den russischen Außen- minister
600. « Voyage en Russie de M, Raymond Poincaré, Président du Conseil Ministre des Affaires étrangères
60l. Sept. 2. Graf Thurn an Graf Berchtold
602. » 3. Graf Somssich an Graf Berchtold
6o3. » i4- Der Geschäftsträger in Petersburg Freiherr von Lucius an das Auswärtige Amt
6o4. » 16. Der Gesandte in Cetinje von Eckhardt an das Auswärtige Amt
fio5. ” *7- Der russische Außenminister an die Vetreter Rußlands in Paris, Wien, London, Berlin, Rom und Konstantinopel
606. 99 *9- Aide-mémoire der kaiserlich russischen Botschaft
607. 99 *9- Der Geschäftsträger in Petersburg Freiherr von Lucius an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg
608. 99 *9- M. J. Cambon, Ambassadeur de France à Berlin, à M. Ray- mond Poincaré, Président du Conseil des Ministres, Ministre des Affaires étrangères
609. 20. Telegramm des russischen Gesandten in Sofia an den stellvertreten- den russischen Außenminister
610. 99 20. Telegramm des russischen Gesandten in Sofia an den stell- vertretenden russischen Außenminister
611. 99 21. Der Gesandte in Cetinje von Eckhardt an das Auswärtige Amt
612. 99 22. Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen- minister
6i3. 99 22. Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen Botschafter in Paris
6i4. 99 22. Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen Botschafter in Paris
6i5. ” 23. Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von Wangenheim an das Auswärtige Amt
616. 99 24. M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Af- faires étrangères, à MM. les Ambassadeurs de France à Vienne, Londres, Constantinople, Rome, Saint-Pétersbourg
€17. 99 27. Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von Wangenheim an das Auswärtige Amt
Seite
*99
199
200
201
201
202
203
204
205
206
20-;
208
209
210
212
212
213
2 14
214
215
216
217
218
218
219
219
220
220
221
221
222
Go5
Nr. Datum 1912 Absender und Empfänger Seite
618. Sept. 27. Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den stell- vertretenden russischen Außenminister 222
619. » 27. Der Geschäftsträger, in Wien Prinz zu Stolberg an den Reichs- kanzler von Bethmann Hollweg 223
620. 99 28. Der Geschäftsträger in Petersburg Freiherr von Lucius an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg 224
621. ” 3o. Telegramm des russischen Botschafters in Konstantinopel an den stellvertretenden russischen Außenminister . 226
622. » 3o. Telegramm des russischen Botschafters in Konstantinopel an den russischen Außenminister 227
623. 99 3o. Graf Mensdorff an Graf Berchtold 227
624. 33 3o. Telegramm des stellvertretenden russischenAußenministers an den russischen Gesandten in Belgrad 227
625. 3t 3o. Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen Außenminister 228
626. Okt. I. M. Descos, Ministre de France à Belgrade à M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires étrangères . . . 229
627. 33 I. M. Jules Cambon, Ambassadeur de France à Berlin, à M. Ray- mond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires étrangères 229
628. 3t 2. Der Botschafter in Paris Freiherr von Schoen an das Aus- wärtige Amt 23l
629. 99 2. Der russische Außenminister an den stellvertretenden russischen Außenminister 232
63o. 99 2. Herr von Ugron an Graf Berchtold 232
63i. 99 2. Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen Außenminister 232
632. 99 3. Aktennotiz des Baron von Schilling, Kanzlei-Direktors des Außen- ministeriums • . 234
633. 99 3. Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen Außenminister 235
634. 99 3. Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen Außenminister 235
635. 99 4. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Kiderlen an Kaiser Wilhelm IL, z. Z. in Rominten 236
636. >* 4. Aufzeichnung Kaiser Wilhelms IL, z. Z. in Rominten 237
637. 99 4. Der Gesandte in Sofia von Below-Saleske an des Auswärtige Amt 238
638. ” 4. Der russische Außenminister an den stellvertretenden russischen Außenminister 238
63g. 99 4. Der russische Botschafter in Rom an den russischen Außen- minister 239
64o. 99 5. Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen Außenminister 239
64i. 6. Der Botschafter in Konstantinopel Freiherr von Wangenheim an das Auswärtige Amt 24o
642. 3t 7- Graf Berchtold an die k. u. k. Gesandtschaften in Athen, Bel- grad, Cetinje und Sofia 24o
643. 3t 8. Herr von Ugron an Graf Berchtold 24i
644. 33 8. Der Gesandte in Belgrad Freiher von Griesinger an das Auswärtige Amt 242
645. 33 8. Der österreichisch-ungarische Minister des Äußern Graf Berch- told an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kider- 242
646. 33 8. Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg 243
647. 33 9- Der Gesandte in Cetinje von Eckhardt an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg 245
6o6
Nr. Datum 1912
648. Okt. 9-
64g. ff IO.
65o. » 11.
651. » 12.
652. ff 12.
653. ff i5.
654. 99 i5.
655. 99 16.
656. 99 16.
657. 99 18.
658. 99 18.
659. 99 i9-
660. „ 20.
661. 99 23.
662. 99 23.
663. ff 26.
664. ff 28.
665. ff 29-
666. h 3o.
667. „ 3o.
668. tt 3o.
669. a 3i.
670. tt 3i.
671. tt 3i.
672. tt 3i.
673. Nov. 3.
674. „ 5.
675. >• 6.
676. ft 7-
677. tt 7-
Absender und Empfänger Seite
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes von
Kiderlen......................................................2 46
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes von
Kiderlen.........................................................2Öo
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanz-
ler von Bethmann Holl weg........................................2ÖI
Der russische Botschafter in Paris an den stellvertretenden
russischen Außenminister.........................................253
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichs-
kanzler von Bethmann Hollweg.....................................253
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ...................................................... 256
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Af-
faires étrangères, à M. Paul Cambon, Ambassadeur de France
à Londres........................................................256
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ........................................................260
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
Paris............................................................261
Kriegsmanifest König Ferdinands..................................261
Königlich serbische Gesandtschaft an das k. u. k. Ministerium
des Äußern.......................................................262
Der russische Gesandte Nekljudow in Sofia an den Minister des
Äußern S. D. Sasonow in Petersburg...............................264
Graf Berchtold un Herrn von Ugron in Belgrad.....................261
Ganz geheimes Schreiben des stellvertretenden russischen Außen-
ministers an den Vorsitzenden des Ministerrates.............265
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ........................................................267
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg.............................................269
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ........................................................270
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister..............................................271
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister..............................................272
Graf Berchtold an Graf Szôgyény in Berlin........................273
M. Raymond Poincaré Präsident du Conseil, Ministre des Affaires
étrangères, aux Ambassadeurs de France à Berlin, Vienne, Rome 275
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an den
Botschafter in Wien von Tschirschky..............................275
Streng vertrauliches Schreiben des russischen Außenministers
an den russischen Botschafter in London..........................277
Der russische Außenminister an die russischen Botschaften in
Paris und London.................................................279
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg.............................................279
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an
Kaiser Wilhelm II................................................280
Graf Szôgyény an Graf Berchtold..................................283
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ........................................................283
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister..............................................284
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an
den Botschafter in Wien von Tschirschky..........................285
Nr. Datum i912
678. Okt. 7.
679- 7*
680. 8.
681. 8.
682. 8.
683. 8.
684. 8.
685. 8.
686. 8.
687. 9-
688. 9-
«89. 9-
690. 9-
691. 9-
692. 9-
693. IO.
69*. 11.
695. 11.
696. 11.
697- 12.
698. 12
699- 12.
700. i3.
701. i3.
7O2. i4.
CO O t"* i5.
704. i5.
705. i5.
706. 16.
707. *7-
Absender und Empfänger
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an
den Botschafter in Wien von Tschirschky......................
M. Paul Cambon, Ambassadeur de France à Londres, à M.
Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires
étrangères...................................................
Graf Berchtold an Herrn von Ugron in Belgrad.................
Der Geschäftsträger in London von Kühlmann an das Auswärtige
Amt..........................................................
Der Botschafter in Paris Freiherr von Schoen an das Aus-
wärtige Amt..................................................
Der Botschafter in Paris Freiherr von Schoen an den Reichs-
kanzler von Bethmann Hollweg.................................
Conversation entre l'Ambassadeur d’Allemagne à Paris et le
Directeur des Affaires politiques............................
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Af-
faires étrangères, aux Ambassadeurs de France à Londres, Ber-
lin, Rome, Vienne............................................
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Botschafter in Rom...........................................
Herr von Mérey an Graf Berchtold ............................
Der Botschafter in Petersburg Graf Pourtalès an das Aus-
wärtige Amt..................................................
Der Botschafter in Rom von Jagow an den Reichskanzler von
Bethmann Hollweg.............................................
Note der englischen Botschaft in Berlin an das Auswärtige
Amt......................................
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi-
schen Außenminister..........................................
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London . ..................................................
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger an das Aus-
wärtige Amt......................................
Herr von Ugron an Graf Berchtold.............................
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg...........................
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London ......................................................
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London ......................................................
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister..........................................
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger an das Aus-
wärtige Amt..................................................
Graf Mensdorff an Graf Berchtold.............................
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister..........................................
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
Paris........................................................
Der Botschafter in London Fürst von Lichnowsky an den Reichs-
kanzler von Bethmann Hollweg.................................
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an den
Botschafter in Wien von Tschirschky..........................
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an den
Gesandten in Belgrad Freiherr von Griesinger.................
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger an das Aus-
wärtige Amt..................................................
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an das Auswärtige
Amt..........................................................
Seite
286
288
289
290
291
292
293
294
295
295
296
297
298
298
299
3oi
301
302
302
303
304
304
305
305
306
3o8
3o8
3og
3io
3io
608
Nr.
Datum
1912
708. Nov. *7-
7°9- » *7-
710. » 18.
7ïi. » 18.
712. » 18.
71З. » 18.
714. » i9-
716. 99 20.
716. „ 20.
717. 99 20.
718. 99 22.
7*9- » 24.
720. 99 26.
721. 26.
722. »> 26.
72З. » 27.
724. » 27.
726. » 27.
726. ” 27.
727. „ 28.
728. « 29.
729- 99 29.
7З0. » 3o.
7З1. Dez. i.
7З2. flu 2.
7ЗЗ. » 4.
734. « 6.
735. 6.
7З6. 99 9-
7.37- 9:
Absender und Empfänger Seite
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .......................................................З12
Der Botschafter in Petersburg Graf Pourtalès an das Auswär-
tige Amt........................................................3i3
Der Botschafter in London Fürst von Lichnowsky an das Aus-
wärtige Amt ......................................« . . . 3i4
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .......................................................3i5
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister.............................................З16
Der russische Botschafter in Paris an den ; russischen Außen-
minister .........................................* ... «317
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ....................................4..................З17
Graf Mensdorff an Graf Berchtold............................З16
Der Botschafter in Rom von Jagow an das Auswärtige Amt . З16
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtalès an den
Reichskanzler von Bethmann Hollweg.....................¿.З19
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter . З20
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister.............................................З20
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister.............................................З22
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .......................................................З22
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister.............................................З2З
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichs-
kanzler von Bethmann Hollweg З2З
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Botschafter in London...........................................Зг5
Der Botschafter in Rom von Jagow an den Reichskanzler von
Bethmann Hollweg................................................З26
M. Descos, Ministre de France à Belgrade, à M. Raymond
Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires étran-
gères ....................................................З28
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg............................................З28
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften in London und
Paris...........................................................33o
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtalès an den
Reichskanzler von Bethmann Holl weg .........................331
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an den
Botschafter in Wien von Tschirschky.............................334
Kaiser Wilhelm IL, z. Z. in Donaueschingen, an das Auswär-
tige Amt...................................................... 335
Herr von Ugron an Graf Berchtold................................336
Aide-mémoire der österreichisch-ungarischen Botschaft in Berlin
dem Auswärtigen Amte überreicht.................................336
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an den
Botschafter in London Fürsten von Lichnowsky....................ЗЗ7
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg............................................338
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des
Affaires étrangères, â MM. les Ambassadeurs de France à
Londres et à Saint-Pétersbourg..................................34i
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ...................................................... 34s
609
39 Boghitschewitsch, Serbien II.
Nr. Datum
1912
738. Dez. 9*
789- . „ 10.
74o. • » 10,
74i- » 10,
742. - „ 10,
743. » 11.
744. » 11.
745. « i3.
746. . » i9-
747- ». 21.
00 . » 22.
749- » 28.
I91 3. .
7Ö0. Jan. 2.
7ÖI. » 4.
752. » 8.
753. 9*
754. » 16.
755. „ 18.
756. ” 22.
757. » 22.
758. • » 29.
759- 3o.
760. * ,y> 3o,
76l. Feb. 1.
762. »• . 2.
763. 2.
764. » 8.
765. 8.
766. » 9-
6lO
Absender und Empfänger Seite
M. Paul Cambon, Ambassadeur de France à Londres, à. M.
Raymond Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires
étrangères , . . ..........................................343
Der Botschafter in Petersburg, Graf von Pourtalès an den
Reichskanzler von Bethmann Hollweg............................343
Der Botschafter in London Fürst Lichnowsky an das Auswär-
tige Amt ......................................................345
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister . 347
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London......................................................... 347
M. Dumaine, Ambassadeur de France à Vienne, à M. Raymond
Poincaré, Président du Conseil, Ministre des Affaires étran-
gères ............................. . ....................34g
M. Raymond Poincaré, Président du Conseil. Ministre des
Affaires étrangères à M. Descos, Ministre de France à Belgrade 349
Streng vertrauliches Schreiben des russischen Außenministers
an .dep russischen Botschafter in London.......................35o
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg...........................................354
Der russische Gesandte in Belgrad an den russischen Bot-
schafter in London ............................................355
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen an den
Geschäftsträger in Wien Prinzen zu Stolberg....................356
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg.......................................... 357
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Botschafter
in London......................................................359
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ......................................................359
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London....................................................... 36o
Graf Mensdorff an Graf Berchtold ..............................36o
Der russische Geschäftsträger in Paris an den russischen Außen-
minister ......................................................361
Graf Berchtold an Graf Mensdorff in London...................361
Der russische Geschäftsträger in Paris an den russischen Außen-
minister ......................................................362
Telegramm des russischen Botschafters in London an den
russischen Außenminister.......................................363
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London ....................................................... 364
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ......................................................364
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ......................................................366
Brief Kaiser Franz-Josephs an Kaiser Nikolaus II. von Rußland 367
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
Paris .........................................................368
Herzog Albrecht von Württemberg, z. Zt. in Wien, an den
Fürsten Maximilian Egon zu Fürstenberg ........................36g
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
Paris .........................................................372
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London................................ ......................373
M. Georges Louis, Ambassadeur de France à Saint-Pétersbourg,
à. M. Jonnart, Ministre des. Affaires, étrangères..............374
Nr. Datum igi3
767. Feh. IO.
768. 99 12.
769 ’• 12.
77°. 99 l3.
771. » 22.
772. » 22.
773. » 26.
774- }> 28.
775. März 3.
776. 99 3.
777- - 4.
778. 99 4.
779- 99 5.
78O. » 11.
781. - i3.
00 to 99 i3.
783. » i3.
784. - i4.
785. 20.
786. - 20.
787. „ 22.
788. •t 27.
789- Apr. 6.
79°- 99 12.
791- 99 i5.
792- 99 18.
793- 99 23.
794- 99 23.
795- 99 24.
796- 24.
797- 99 24.
Absender und Empfänger Seite
M. Georges Louis, Ambassadeur de France à Saint-Pétersbourg
à M. Jonnart, Ministre des Affaires étrangères...............3 ;5
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Botschafter in London..........................................376
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes von
Jagow.................*......................................376
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister ...........................................377
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister............................................378
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister............................................378
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Botschafter in London .........................................379
Telegramm des russischen Botschafters in London an den russi-
schen Außenminister............................................379
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ......................................................38o
Der Gesandte in Sofia von Below-Saleske an das Auswärtige
Amt............................................................38o
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow an den
Botschafter in Konstantinopel Freiherrn von Wangenheim . . 381
M. Carlier, Consul de France à Uskub, à M. Jonnart, Ministre
des Affaires étrangères........................................382
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow an den
Botschafter in London Fürsten Lichnowsky...........382
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg...........................................383
Der österreichisch-ungarische Minister des Äußern Graf Berch-
told an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow 385
Der Botschafter in Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg...........................................38g
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ......................................................393
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ......................................................393
Brief des Erzherzogs Franz-Ferdinand an den Zaren Niko-
laus II. . 3g4
Der Präsident der französischen Republik an den russischen
Kaiser....................................................... 395
Herr von Ugron an Graf Berchtold...............................3g6
Der Botschafter in London Fürst von Lichnowsky an den Reichs-
kanzler von Bethmann Hollweg ..................................399
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London........................................................ 397
Télégramme du Ministre des Affaires étrangères de Serbie à
M. Yesnitch, Ministre à Paris, et communiqué par celui-ci au
Ministre des Affaires étrangères de France ....... 398
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London....................................................... 399
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London....................................................... 399
Graf Berchtold an Graf Mensdorff in London.....................4oo
Freiherr von Giesl an .Graf Berchtold .........................4oi
Graf Thurn an Graf Berchtold.................................. 4oi
Graf Szécsen an Graf Berchtold.................................402
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .............*........................................4o3
6ll
Nr. Datum igï3
798. tt 25.
799- 27.
800. >J 27.
801. )) 28.
802. tt 28.
8o3. ff 28.
8o4. ff 3o.
8o5. Mai 2.
806. 99 5'
807. 39 6.
808. ff 11.
809. ff 20.
810. ff 23.
811. ff 26.
812. Juni 2.
8i3. » 8.
8i4. » 9-
8i5. tt 10.
816. >* 11.
817. tt 11.
818. tt 12.
819. tt i3.
820. tt i3.
821. 39 16.
822. ' „ *9-
823. tt i9-
824. f 23.
825. Juli 3.
826. tt 8.
827. tt i5.
828. tf 16.
829. tt 16.
83o. tt 23,
83i. ff 24.
832. tt 28.
Absender und Empfänger Seite
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .......................................................4o3
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold..........................4o4
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold..........................4o4
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold..........................4o4
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Gesandten in Cetinje..........................................4o6
Telegramm des russischen Außenmininisters an den russischen
Botschafter in London...........................................4o6
Graf Szécsen an Graf Berchtold..................................407
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold..........................¿08
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold..........................4o8
Der russische Minister des Äußern Sasonow an den russischen
Gesandten in Belgrad Hartwig....................................4o8
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London..........................................................4io
M. Deville, Ministre de France à Athènes, à M. Gaston Dou-
mergue, Président du Conseil, Ministre des Affaires étrangères 4n
Graf Tarnowski an Graf Berchtold..............................4i2
Graf Tarnowski an Graf Berchtold . . ‘...................4i2
M. Dumaine, Ambassadeur de France à Vienne, à M. Pichon,
Ministre des Affaires étrangères................................4i3
Telegramm des Kaisers Nikolaus von Rußland an den König
Ferdinand von Bulgarien.........................................4i3
Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen
Botschafter in London.......................................:...4i4
Der russische Botschafter von Giers, Wien, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg........................................4i5
Graf Thurn an Graf Berchtold....................................4i5
M. Delcassé, Ambassadeur de France à Saint-Pétersbourg, à M.
Pichon, Ministre des Affaires étrangères........................4i6
M. Jules Cambon, Ambassadeur de France à Berlin, à M.
Pichon, Ministre des Affaires étrangères........................4i6
M. de Panafieu, Ministre de France à Sofia, à M. Pichon, Mi-
nistre des Affaires étrangères..................................4i7
M. de Panafieu, Ministre de France à Sofia, à M. Pichon, Mi-
nistre des Affaires étrangères ................................4i 7
M. Delcassé, Ambassadeur de France à Saint-Pétersbourg, à M.
Pichon, Ministre des Affaires étrangères........................4i8
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London..........................................................4i9
M. Descos, Ministre de France à Belgrade, à M. Pichon, Mi-
nistre des Affaires étrangères..................................419
M. Descos, Ministre de France à Belgrade, à M. Pichon, Mi-
nistre des Affaires étrangères..................................420
M. Delcassé, Ambassadeur de France à Saint-Pétersbourg, à
M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères.....................4i2
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .......................................................421
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften in Berlin, London,
Paris, Rom u. St. Petersburg....................................422
Graf Thurn an Graf Berchtold....................................422
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ,...............,......................................423
Graf Berchtold an Herrn von Ugron in Belgrad...............424
Herr von Ugron an Graf Berchtold ............................ . 424
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister 425
612
Nr. Datum i9ï3
833. Juli 28.
834. ,, 3o.
835. Aug. 9-
836. » 9-
837. » 9-
838. tt IO.
839. tt 12.
84o. tt i3.
84i. it 16.
842. » 16.
843. ft i7-
844. *7-
845. 22.
846. ft 23.
847* »s 26.
848. ff 27.
84g- Sept. 21.
85o. ft 23.
85i. 9? 21.
852. tt 24.
853. tt 25.
854. ft 25.
855. tt 27.
856. tt 3o.
857. Okt. 1.
858. tt 1.
859. tt 7*
860. ft 9-
861. ” 9-
862. IO.
863. 99 IO.
864. 99 11.
865. 99 11.
866. 99 i4.
867. i5.
868. 99 16.
869. !7-
870. 5* *7*
Absender und Empfänger Seite
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen- *
minister.........................................................4^5
Graf Berchtold an Prinz K. E. Fürstenberg in Bukarest . 426
Prinz K. E. Fürstenberg an Graf Berchtold......................426
Graf Szécsen an Graf Berchtold...................................427
M. de Manneville, Chargé d’affaires de France à Berlin, à M.
Pichon, Ministre des Affaires étrangères.........................427
Herr von Mérey an Graf Berchtold.................................428
Graf Berchtold an Graf Thurn in St. Petersburg...................428
Der bulgarische Gesandte Salabascheff, Wien, an das Ministe-
rium des Äußern in Sofia.........................................429
Graf Thurn an Graf Berchtold.....................................429
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ........................................................43o
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger an das Aus-
wärtige Amt......................................................431
Herr von Ugron an Graf Berchtold.................................43a
M. Descos, Ministre de France à Belgrade, à M. Pichon, Mi-
nistre des Affaires étrangères...................................43a
Der Geschäftsträger in Bukarest Graf von Waldburg, z. Z. in
Sinaia, an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg .... 433
Der Geschäftsträger in Bukarest Graf von Waldburg, z. Z. in
Sinaia, an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg .... 434
Der Geschäftsträger in Bukarest Graf v. Waldburg z. Z. in Sinaia
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.......................434
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold ....... 435
Freiherr von Flotow an Graf Berchtold...........................436
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.......................436
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow an den
Botschafter in Rom von Flotow...................................436
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad, an das
Ministerium des Äußern in Petersburg............................437
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad, an das
Ministerium des Äußern in Petersburg............................438
Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen
Geschäftsträger in London.........................................439
Der stellvertretende russische Außenminister Neratow, Peters-
burg, an den russischen Geschäftsträger Strandmann in Bel-
grad .......................................................44o
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad, an das
Ministerium des Äußern in Petersburg............................441
Der russische Geschäftsträger in Paris an den stellvertretenden
russischen Außenminister..........................................442
Graf Berchtold an Legationsrat von Storck in Belgrad . . . 442
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.........................443
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg..........................................443
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.........................445
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften in Berlin und
Rom...............................................................445
Freiherr von Flotow an Graf Berchtold.............................445
Graf Berchtold an Graf Ambrozy in Rom.............................446
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschafter in Berlin und Rom 446
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.........................447
Königlich serbische Gesandtschaft an das k. u. k. Ministerium
des Äußern..................................................... ^ 447
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold....................... 448
Graf Berchtold an Legationsrat von Storck in Belgrad . . . 448
6i3
Seite
Nr. Datura 1913
8; 1. Okt. 11-
872. » 18.
873. ?» 18.
874. - 18.
875. 20.
876. » 21.
r- r- 00 - 21.
878. 99 23.
879- 99 23.
880. 99 25.
881. 99 25.
882. Nov. I.
883. 6.
884. », 6.
885. „ 6.
886. „ 7-
887. „ 8.
888. »» 12.
889. »? 14.
890. »» 17-
S91. » 22.
892. 99 24.
893. 99 3o.
894. Dez. 5.
895. 99 8.
896. V « 9-
Absender und Empfänger
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften in Berlin, London,
Paris, Rom und St. Petersburg ................................
Der russische Botschafter in Paris an den stellvertretenden russi-
schen Außenminister...........................................
Der stellvertretende russische Außenminister an den russischen
Geschäftsträger in London.....................................
Der russische Gesandte in Belgrad an den russischen Geschäfts-
träger in London..............................................
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschaften in Berlin, London,
Paris, Rom und St. Petersburg.................................
M. Dumaine, Ambassadeur de France à Vienne, à M. Pichon,
Ministre des Affaires étrangères..............................
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger an den Reichs-
kanzler von Bethmann Hollweg..................................
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission Major von
Lafïert, z. Z. in Lin am Ochridasee, an den Reichskanzler von
Bethmann Hollweg..............................................
Der Gesandte in Belgrad Freiherr von Griesinger an den Reichs-
kanzler von Belhmann Hollweg..................................
Der stellvertretende Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Zim-
mermann an den Botschafter in Rom von Flotow..................
Legationsrat von Storck an Graf Berchtold.....................
Der russische Gesandte in Belgrad an den russischen Außen-
minister .....................................................
Bericht des russischen Außenministers an den Zaren über seine
Reise nach Paris und Berlin...................................
Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest, an das Ministerium
des Äußern in Sofia...........................................
Der Botschafter ir Wien von Tschirschky an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg..........................................
Der Gesandte in Bukarest von Waldthausen an den Reichskanzler
von Bethmann Hollweg..........................................
Der bulgarische Gesandte Toscheff Konstantinopel, an das Mi-
nisterium des Äußern in Sofia.................................
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission Major
von Lafïert, z. Z. in Gornji-Belica an den Reichskanzler von
Bethmann Hollweg. ..................................
Der Delegierte der nordalbanischen Grenzkommission Major von
Laffert, z. Z. in Nerezi am Drin, an den Reichskanzler von
Bethmann Hollweg..............................................
M. Delcassé. Ambassadeur de France, à Saint-Pétersbourg, â M.
Pichon, Ministre des Affaires étrangères......................
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission Major
von Laffert, z. Z. in Dibra, an den Reichskanzler von Beth-
mann Hollweg..................................................
M. Pichon, Ministre des Affaires étrangères, â M. Ribot, Chargé
d’Affaires de France à Vienne, et à MM. les Ministres de France
â Belgrade, Sofia, Athènes et Bucarest .......................
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission Major von
Laffert, z. Z. in Prizren, an den Reichskanzler von Bethmann
Hollweg
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission Major von
Laffert, z. Z. in Prizren, an das Auswärtige Amt..............
Bericht des russischen Außenministers Sasonow an den Zaren
Der Delegierte der nordalbanischen Grenzkommission Major von
Laffert, z. Z. in Prizren, an den Reichskanzler von Bethmann
Hollweg.......................................................
449
451
452
453
454
454
456
458
46o
462
468
464
464
466
468
46g
470
472
477
476
478
476
48o
48o
484
486
6i4
Nr. Datum
897- I9ï3. Dez. 12.
898. » i4.
899. I9ï4. Jan. 2.
9°°. „ 4,
9o1* „ 24.
9°2. „ 3i.
9°3. „ 3i.
904. Feb. 10.
905. „ 12.
9°6. „ 24.
907- März 2.
908. „ 9-
909- „ 9-
9i°. „ 26.
911. » 29.
9Ï2. ., 3o.
91З. ,, 3o.
9*4* April 3.
9í5. » 19-
9ï6. 9*7- 918. „ 22. „ 26. » 29.
919- Mai 4*
920. „ 6.
921. 922. 923. 924. „ 12. „ i3. 17- „ 18.
925. » 19-
926. „ 2З.
Absender und Empfänger Seite
Der russische Außenminister an den russischen Gesandten in
Belgrad.....................................................487
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
Paris...........................................................488
Dsr russische Außenminister an den russischen Botschafter in
Paris.......................................................... 489
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .......................................................489
Sehr geheimes Schreiben des russischen Gesandten in Bukarest
an den russischen Außenminister.............................490
M. Gaston Doumergue, Président du Conseil, Ministre des
Affaires étrangères, à MM. les Ambassadeurs de France à Lon-
dres, Berlin, Vienne, Rome et Constantinople; et à MM. les
Ministres de France à Belgrade, Sofia, Athènes et Bucarest . 4дЗ
Der russische Gesandte in Athen an den russischen Außen-
minister .......................................................49З
Der russische Geschäftsträger Obnorski, Cetinje, an das Mini-
sterium des Äußern in Petersburg................................494
Der russische Gesandte in Belgrad an den russischen Außen-
minister .......................................................497
Bericht des russischen Gesandten in Belgrad an den russischen
Außenminister...............................................497
Vertrauliches Schreiben des russischen Außenministers an den
russischen Gesandten in Sofia ..................................498
Der bulgarische Gesandte Rizoff, Rom, an das Ministerium des
Äußern in Sofia.............................................5oo
Auszug aus einem ganz vertraulichen Berichte des russischen
Botschafters in Berlin an den russischen Außenminister . . 5oo
Telegramm des russischen Geschäftsträgers Obnorski, Centinje,
an das russische Ministerium des Äußern in Petersburg . . . 5oi
Telegramm des russischen Außenministers an den russischen
Gesandten in Belgrad.......................................... 5oi
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi-
schen Außenminister.............................................602
Telegramm des russischen Gesandten in Belgrad an den russi-
schen Außenminister............................... .............602
Auszug aus einem Schreiben des russischen Botschafters in Wien
an den russischen Außenminister.............................5o3
Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest, an das Ministerium
des Äußern in Sofia..........................................5o4
Der russische Gesandte in Sofia an den russischen Außenminister 5o5
Der russische Gesandte in Sofia an den russischen Außenminister 5o6
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ..................................................... 5o6
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ................................ ....... 507
Der russische Außenminister an den russischen Botschafter in
London....................................................... 607
Der russische Gesandte in Sofia an den russischen Außenminister 5o8
Der russische Gesandte in Sofia an den russischen Außenminister 509
Der russische Gesandte in Sofia an den russischen Außenminister 510
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister ..........................................................5n
Streng vertraulicher Bericht des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister...................................5ii
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .........................................................5i3
6i5
Nr. Datum 1914
927- Mai 3o.
928. Juni 2.
929- tt 11.
9З0. ft i9-
9З1. tt 24.
9З2. ff 27.
933. ff 2 7*
93i ff 29.
935. Juli 2.
9З6. ff 2.
937- ff 2.
9З8. ft 2.
9З9. „ 4.
640. 99 6.
g4i. „ 6.
942. ,, 6.
943. 99 7-
944. » 9-
945. tt IO.
946. » 10.
947- tt 11.
948. tt 12.
94g. » i3.
g5o. tt i4.
95i. tt i4.
962. tf !7-
953. tt 18.
954. fr 20.
955. tt 21.
956. 21.
867. 99 22.
858. 99 24.
959- 99 24.
960. 99 24.
961. 99 24.
962. 99 24.
963. 99 24.
Absender und Empfänger Seite
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .......................................................5i3
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................5i4
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg ....................................5i5
Der russische Botschafter in Paris an den russischen Außen-
minister .............................. ........ 5i5
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................5i6
Der bulgarische Gesandte DimitriefT, Petersburg, an das Mini-
sterium des Äußern in Sofia.....................................5i6
Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg, an das Mini-
sterium des Äußern in Sofia.....................................617
Legationsrat Ritter von Storck an Graf Berchtold.................617
Herr Crackanthorpe an Sir Edward Grey........................518
Sir M. de Bunsen an Sir Edward Grey..........................620
Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler.................622
Der bulgarische Gesandte Toscheff, Konstantinopel, an das Mi-
nisterium des Äußern in Sofia...................................523
Graf Szecsen an Graf Berchtold...................................Ö2Ö
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.........................................626
Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler.................626
Gerent Herr Hoflehner an Graf Berchtold......................629
Telegramm des russischen Außenministers an den Gesandten in
Belgrad..........................................................53o
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, an das Ministerium
des Äußern in Petersburg.....................................531
Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt................531
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad, an das
Ministerium des Äußern in Petersburg.............................533
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad, an das
Ministerium des Äußern in Petersburg.............................534
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad, an das
Ministerium des Äußern in Petersburg.............................534
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad, an das
Ministerium des Äußern in Petersburg.............................535
Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler.................535
Der russische Geschäftsträger Strandmann, Belgrad, an das
Ministerium des Äußern in Petersburg.........................537
Der bulgarische Gesandte Toscheff, Konstantinopel, an das Mi-
nisterium des Äußern in Sofia...................................5З7
Herr Crackanthorpe an Sir Edward Grey............................54o
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes an den Botschafter
in Wien..........................................................54i
Freiherr von Giesl an Graf Berchtold.........................541
Der bulgarische Gesandte Dimitreff, Petersburg, an das Mini-
sterium des Äußern in Sofia.....................................544
Sir H. Rumbold an Sir Edward Grey............................545
Der Gesandte in Belgrad an das Auswärtige Amt................546
Der bulgarische Gesandte Tschapratschikoff, Belgrad, an das Mini-
Herr Crackenthorpe an Sir Edward Grey........................548
Communique des russischen Amtsblattes............................548
Graf Szapary an Graf Berchtold...................................549
Mitteilung des deutschen Botschafters an das Foreign Office in
London...........................................................55o
616
Nr. Datum i9r4 Absender und Empfänger Seite
964. Juli 24. Graf Szécsen an Graf Berchtold 552
965. 99 24. Graf Szécsen an Graf Berchtold 552
966. 99 24. Sir Edward Grey an Sir M. de Bunsen 553
967- ” 2Ö. Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg, an das Mini- sterium des Äußern in Sofia 554
968. „ 25. Graf Berchtold an Graf Szapary in St. Petersburg .... 554
969- 99 26. Sir R. Rodd an Sir Edward Grey 557
97°- ” 26. Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest, an das Ministerium des Äußern in Sofia 557
971- 99 27. Der bulgarische Gesandte Tschapratschikoff, Belgrad, an das Ministerium des Äußern in Sofia 559
972- 99 29. Sir M. de Bunsen an Sir Edward Grey 56o
973. 99 3o. Herr von Merey an Graf Berchtold 56i
974. 99 3o. Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest, an das Ministerium des Äußern in Sofia 561
975- 99 3i. Der bulgarische Gesandte Radeff, Bukarest, an das Ministerium des Äußern in Sofia 562
976- Aug. I9I7 4. Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg an das Mini- sterium des Äußern in Sofia 562
977- Mai 1919 23. Lettre de M. Pierre Plamenatz, ancien Ministre des Affaires étran- gères du Montenegro, à M. M .. . Londres 568
978- Mai i4. Brief König Nikolaus an Präsident Wilson anläßlich seiner An- wesenheit in Paris * 568
Anhang.
Auszüge aus den Protokollen des Archivs der russischen Gesandtschaft in Belgrad.
Protokollauszüge aus dem Jahre 1908
Protokollauszüge aus dem Jahre 1909
Protokollauszüge aus dem Jahre 1910
Protokollauszüge aus dem Jahre 1911
Protokollauszüge aus dem Jahre 1912
Auszug
aus dem Inhaltsverzeichnis der von der russischen Gesandtschaft in Belgrad
abgesandten und erhaltenen Telegramme
aus den Jahren 1913 und 1914.
Verzeichnis
der Abkürzungen der in den Hinweisen erwähnten Schriften.
617
ШвЩ