Von anderer Seite aber höre ich, daß der Kronprinz ein gewisses Quantum von Waffen von Rußland verlangt und deswegen häufig den Kriegsminister General Suchomlinow besucht hat. Wie ich höre, ist die russische Regierung gesonnen, diesen Wunsch zu erfüllen, besonders jetzt, wo die Kriegsgefahr vorüber ist. Was für Waffen und wie viele dies sind, konnte ich nicht erfahren. Über den Aufenthalt des Kron¬ prinzen habe ich auch mit dem österreichischen und türkischen Bot¬ schafter gesprochen, die bei ihm waren, und auch sie erzählten mir un¬ gefähr dasselbe, was ich Ihnen im vorliegenden Berichte mitzuteilen die Ehre habe. Nr. iio. Der serbische Gesandte Simitsch, Wien, an das Ministerium des Äußern in Belgrad. Vertraulich! Wien, den 2 4- April 7. Mai I9°9- Mit dem Telegramm vom 18. d. M. habe ich die Ankunft der bosnisch- herzegowinischen Führer Jeftanowitsch, Wojislaw Scholja und Dr. Du- schan Wasiljewitsch gemeldet. (Später habe ich erfahren, daß die dritte Person nicht Dr. Wasiljewitsch ist, von dem seine Freunde nicht wissen, wo er ist, sondern Dr. Dimowitsch.) Die drei Führer der bos- nisch-herzegowinischen Serben kamen nach Wien, um mit den ton¬ angebenden Personen Fühlung zu nehmen und für das serbische Volk unter den neuen Umständen, die durch die Verfassung in den zwei serbischen Ländern entstanden sind, soviel Rechte und Freiheiten zu er¬ langen, als es nur immer möglich ist. Zu diesem Zwecke haben sie (verschiedene) Besuche gemacht, und zwar bei dem Gemeinsamen Finanzminister Burian, bei dem Handels¬ minister Dr. Weißkirchner, bei dem Sektionschef im Handelsministe¬ rium Riedl, bei Dr. Lueger, dem Chef der christlichsozialen Partei, bei Dr. Geßmann, dem früheren Minister und Mitglied dieser Partei, und bei noch einigen Parlamentariern, darunter auch bei Dr. Kramar. Überall wurden sie gut empfangen; Dr. Geßmann sagte, daß seine Partei aus Sarajewo ein Zentrum für alle Südslawen zu machen wünsche, was vollkommen mit dem Programm dieser Partei übereinstimme, näm¬ lich eine dritte Ländergruppe in Österreich-Ungarn zu bilden, die süd¬ slawische Gruppe (Trialismus statt Dualismus), um die Präponderanz der Ungarn einzudämmen. Der Gesandte berichtet ferner über einen Artikel des „Fremdenblatt“ über die Absichten der Deputation. 110