zu versuchen: Dynamit. Der Gedanke liegt nahe: Wenn man hinter der Wand einen Stollen vortreibt und die Wand auf das Felsband hinuntersprengt kann dort nichts mehr leben. Ja, noch mehr: Es ist möglich, daß das Band, durch die Wucht der stürzenden Steinmassen getroffen, überhaupt verschwindet, zumindest daß die beiden natürlichen Wehrtürme der Italiener, der „täto¬ wierte Stein" und der „Strebestein" in die Tiefe ge¬ schmettert werden. Aber dieser Minenvorstoß braucht Zeit, viel Zeit, Geduld und Ausdauer. Im Juli 1916 wird mit dem Vortrieb begonnen. Meter um Meter wächst der Stollen, der, seitlich an¬ geschlagen, mit der Wand paralell bis zu jenem Punkte geführt werden soll, der unmittelbar über der Fels¬ bandstellung der Alpin! liegt. Doch, man müßte keine Italiener zu Gegnern haben, wenn diese nicht sofort mit der gleichen Münze zahl¬ ten. Das Wühlen im Stein ist eines ihrer beliebtesten Kampfmittel. Bald wird es klar, daß sie zwei Stollen gegen die österreichische Felsbandstellung vortreiben, offenbar in der Absicht, den Schlag zu parieren; ein Umstand, der wieder auf Seite des Verteidigers Gegen¬ maßnahmen herausfordert: Der Angriffsstollen wird auf¬ gegeben und an seiner Stelle eine Doppelmine gebohrt, die mit zwei Querstollen den Italienern den Weg ver¬ legen soll. Monat für Monat geht der Kampf im Finstern wei¬ ter. Auch der katastrophale Winter von 1916 auf 1917 ändert daran nichts. Während ringsum Lawinen don¬ nern und die Posten auf Grat und Band mit klammen Fingern und blaugefrorenen Gesichtern Wacht halten, hämmern im Innern des Kleinen Lagazuoi pausenlos die Bohrer ins Geistein. Hier ist es weder kalt noch warm, hier gibt es keinen Winter oder Sommer; der Vortrieb, die gewonnen Meter — das ist alles. Ein halbes Jahr geht diese Maulwurfsarbeit weiter, bis endlich jener aufregende Wettlauf einsetzt, der manchmal um Stundenlänge entschieden wird. Harter Fels trennt die Gegner; sie sehen einander nicht, aber sie hören; und sie hören einander mit so überfeinen Ohren, daß jeder weiß, wo der andere ist, was er vorhat