Ins ewige Eis %. Als ein Gehege von Spitzen und Zacken, von Nadeln und Türmen ragen die Sextener und Ampezzaner Dolo¬ miten auf, wehrhaft von Natur aus, wie eine stein¬ gewordene Schar ungeheurer Ritter anzuschauen. Ihren südwestlichen Abschluß aber findet diese groteske Welt im breit hingelagerten Massiv der Marmolata, der Köni¬ gin der Dolomiten. Sie allein trägt ewiges Eis, ja sie ist ein einziger Eisblock, der von Norden her ansteigt und im Osten und Süden durch einen Ring von Felsspitzen und Wän¬ den abgeschlossen wird. Aus diesem Eisblock ragen einzelne Felsrippen, eine ausgesprochene Gipfelbildung fehlt; der höchste Punkt des Massivs, die Marmolata di Penia, 3344 Meter hoch, ist eine von ihrer Umwelt nur wenig unterschiedene Erhebung des Felsringes im Süden. Fast ein volles Jahr liegt die Königin der Dolomiten als ein unbetretenes Gebiet erhabenen Friedens zwischen den Gegnern. Während an anderen Stellen der Alpen¬ front schon um die höchsten Gipfel gerungen wurde, herrscht hier noch tiefste Einsamkeit. Den Italienern ist das Festhalten der Marmolata durch unendliche Schwierigkeiten verwehrt: sie hätten überall in ihrem Rücken Steilhänge und Wände und vor sich ein Meer aus Eis und Schnee, das von den österreichischen Stel¬ lungen auf Pescul und dem Sasso di Mezzodi einge¬ sehen ist. Freilich hätten sie in den ersten Kriegswochen reich¬ lich Gelegenheit gehabt, sich auch dieser Punkte zu be¬ mächtigen, denn die Abwehrstellung des Verteidigers war damals weit zurückgebogen und lag auf dem Pordojjoch, weil man sich auf einen mächtigen Ansturm gefaßt machen mußte; auf einen Ansturm, den man mit den vorhandenen Kräften nur auf den Paßübergängen hätte 255