vorgezogen hat und die jetzt durchtjäßt, frierend und fluchend in ihren Zelten liegt. Wann wird endlich der Bergwinter weichen? Noch wäre Zeit, den ganzen Plan fallen zu lassen, die Aufmerksamkeit dem Nordosten zuzuwenden, wo nur schwache Kräfte stehen und der russische Riese längst wieder zu Kräften gekommen sein muß. Noch wäre Zeit, dem Verhängnis zu begegnen, das später Olyka-Luck heißen und ein wahrhaft ungeheuerlicher Wendepunkt des großen Ringens werden sollte. Rußland ist weit, und die beiden besten Armeen Oesterreich-Ungarns sind am andern Pol des Feuerkreises, sind in Südtirol zu¬ sammengepfercht. Vor Verdun mühen sich die deut¬ schen Divisionen gegen eine verderbliche Uebermacht ab, zerschellen, verbluten an einer Menschenmühle, die keinen Stillstand kennt . . . Aber niemand fühlt die Gewalten der Zukunft nahen, kein hellseherischer Blick durchdringt den Schleier, der die nächsten Wochen verhüllt. Regen fällt auf den Frühlingsschnee von Lavarone-Folgaria, zehrt dieses letzte Hindernis rasch auf. Bald zeigen sich dunkle Flecken, leuchtendes Grün greift um sich, in den Schluchten und Tälern donnern die Wasser. Um die Monatsmitte des Mai ist die Walstatt frei für einen Gigantenkampf in den Bergen, wie ihn die Welt vordem noch nicht gesehen hat . . . 2. Der Raum brüllt wie eine Riesenorgel und die Erde zittert unter dem Einschlag tausender Geschosse. Grauer Dunst schwebt über den Höhen südlich von Folgaria, am Westufer der Etsch und beiderseits der Val Sugana, auf dem Salubio und der Armenterra — und nur das Mittelstück dieses gewaltigen Kampfbodens, der Keil, der zwischen Brenta und Astico weit nach Süden reicht, bebt noch nicht unter den Donnerschlägen der Zer¬ störung. 15. Mai 1916 — Tag der Vergeltung für fünf Schlach¬ ten am Isonzo, für die Hekatombenopfer, die in Blut und Leid und Durst und Elend untergingen; aber auch 202