Nirgends wurde daher der Mangel an Mann und Material bitterer empfunden, als an der stillen Front beiderseits der Etsch* Das Verhalten der Italiener lud geradezu ein, die wichtigsten Berge zu besetzen, aber es war niemand da, der dieser Einladung hätte folgen können* Noch während der schweren Kämpfe um die Hochflächen, als der Feind gegen den Plaut und die Pioverna anrannte und sich. vor den Werken verbiß, wäre es einigen Bataillonen bergtuchtiger Soldaten ge¬ lungen, die Front östlich der Etsch so gewaltig nach Süden auszubiegen, daß dieser Raum zur tödlichen Be¬ drohung Venetiens hätte werden müssen* Der Feldzug gegen Serbien und die menschenverschlingenden Abwehr¬ schlachten am Isonzo zwangen den Generalobersten Graf Dankl, den Verteidiger Tirols, darauf zu verzichten* Es bedeutete schon eine hohe Kunst in der Kräftever¬ teilung, die Südtiroler Bastion bis zur großen Stunde der Abrechnung vom Feinde freizuhalten. Daß diese Stunde schlug, war das Verdienst der Männer, die ein volles Jahr lang gegen erdrückende Uebermadit foch¬ ten; daß sie nicht zum Ziel führte, blieb schicksalhaft wie alles historische Geschehen . . * 5. Ohne ersichtlichen Grund flaut das Feuer der ita¬ lienischen Batterien gegen die sieben Werke von Fol- garia-Lavarone in der zweiten Junihälfte des Jahres 1915 immer mehr ab, um schließlich nur eine lästige Störung der Arbeiten des Verteidigers darzustellen* Viele tausend schwerer und schwerster Granaten sind umsonst verschossen worden. Die Männer in den Werken haben aus den bösen Tagen zu Kriegsbeginn kostbare Erfahrungen gesammelt und bemühen sich jetzt, diese Erfahrungen zu verwerten* Bald sind die Befesti¬ gungen stärker denn je. An Stelle der lächerlich gerin¬ gen Kräfte im Mai ist nun kampftüchtige Infanterie in den Zwischenräumen und vorgeschobenen Stellungen getreten, die Führung liegt in der Hand tatkräftiger und zu äußerstem Widerstand entschlossener Männer. Damit sinken die Aussichten des Feindes, die ihm so 190