Zwischen Himmel und Erde i. Tief in die Falten der Täler geduckt, warten die Dolomitendörfer, die Weiler, die einsamen Höfe auf den Feuerschlag aus dem Süden, der sie hinwegfegen soll. Es ist früh im Jahr und viel Schnee liegt noch auf den Bergen. Bis zu den schäumenden grauen Wildbächen herunter reichen noch die Lawinenzungen des letzten Winters. Und sickerndes Wasser überall, von den Fel¬ sen, auf den Hochwiesen, in den Schrunden und Schluch¬ ten, in den Talsohlen, wo die ersten Herdenglocken bimmeln. Hartes Land der himmelan ragenden Spitzen, Grenz¬ land seit eh* und je, Völker trennend, Welten trennend. Furchtbar weit reicht hier der welsche Süden in den deutschen Raum hinein, immer ist die große Ader Tirols, das Pustertal, in Griffweite des Feindes. Jedes Kind weiß, daß die alten, breiten Häuser aus Urväters Zeiten nur so lange stehen werden, als es den tapferen Söhnen des Landes gelingt, keinen Fußbreit Boden zu verlieren. Aber jetzt, im Frühling 1915, ist das Land arm an Männern wie noch nie. Von den Haufen, die im Hochsommer des letzten Jahres singend durch die Täler zogen, kommt nur hin und wieder ein einzelner zurück, müd, krank, zum Krüppel geschossen; und berichtet von den weiten Ebenen Galiziens, von der Sturmflut der Russenheere, von der Heimsuchung, die Tirol dort er¬ fahren hat an seinen besten Söhnen. Für die vertraute Bergwelt waren sie bestimmt gewesen, jeder von ihnen hat freudig gedient, weil sein Soldatentum mehr der Heimat galt, als das Soldatentum der andern Hundert¬ tausende des weiten Reiches. Immer waren sie in ihren Bergen gewesen, ob daheim oder bei den Kaiserjägern und Landesschützen. Jeden Sonntag hatte es auf den Schießständen geknallt und der Stutzen war jedem Manne vertraut, ob er nun Soldat war oder nicht. Und jetzt ruhen die Besten in der schwarzen Erde Galiziens, gefallen, aufgerieben in Massenschlachten, zu- 98