geben sind, beweist die französische Agitations- und Werbetechnik wäh¬
rend des Weltkrieges, die die Waffe des Bildes in seiner dreifachen Form,
der begeisternden, spottenden und hetzenden, in wahrhaft genialer Weise
zu handhaben wußte 6*.
Weinen und Lachen, Entrüstung und Heiterkeit liegen eng beiein¬
ander. Während eben noch die Leiden des Krieges dem Menschen die
Tränen in die Augen treiben, richtet ihn im nächsten Augenblick ein be¬
freiendes Lachen des Spottes über eine sterbliche Stelle des sonst vielleicht
übermächtigen Gegners wieder auf. Ein solches Lachen kann belebend
auf die Seele wirken wie ein Trunk Wassers auf den verdurstenden
Körper. Das Lachen der Satire ist ätzend, es greift den Feind in tausend¬
fach wiederholten Nadelstichen an, sucht ihn moralisch zu töten. Und
was dem Spott nicht gelingen will, das erreicht der Haß. Der Haß
in seiner durch äußere kunstvolle Gestaltung gedämpften Form bis zum
unverhüllten, vitalsten Ausbruch in Wort und Bild. Hier ist für das
Lachen kein Platz mehr. Stumm, erschüttert vor so viel Hemmungslosig¬
keit menschlicher Leidenschaft betrachtet man heute, nach zwanzig
Jahren, das in wenigen Bleistiftstrichen zusammen^epreßte Hassen der
Völker, die gegeneinander standen.
Das Wort von der „Bataille, die der König verloren hat“, weshalb
Ruhe die erste Bürgerpflicht sei, hat heute keine Geltung mehr. Im Augen¬
blick eines Konfliktsausbruches zwischen zwei modernen Staaten wird die
öffentliche Meinung des ganzen Volkes in allen seinen Schichten aufs
tiefste ergriffen. Das geistige Leben der Nation richtet sich aus nach dem
einen großen Ziel: Verteidigung des Heimatbodens. Eine „Objektivität“,
die auch den Gegner zu Wort kommen läßt, ohne ihn gleichzeitig einer
zersetzenden Kritik zu unterziehen, gibt es nicht mehr. Recht drastisch
drücken dies die Worte aus, die einmal einem französischen Meister der
Musik in den Mund gelegt wurden: „Der größte Künstler ist heute, wer
die größte Anzahl von Feinden erledigt!“ 7
In solchen Zeiten der höchsten Erregung kann der Künstler in seinem
Werk nicht die Tatsachen als solche wiedergeben, sondern
er gibt das Bild, das er sich über diese Tatsachen macht, und seine Wünsche
im Anschluß daran. Der Propagandacharakter des Tendenzbildes ver¬
langt, daß er zur Erzielung einer möglichst weitgehenden Breiten- und
Tiefenwirkung auf die in der Masse des Volkes bereits vorhan¬
denen Gefühlsströme zurückgreift, denen die politischen Ge¬
gebenheiten der Gegenwart nur eine neue Nuancierung auflegen.
Somit wird die Behauptung gerechtfertigt, daß aus der Karikatur
eines Volkes seine Leidenschaften, Hoffnungen und Befürchtungen wie
aus - einem Spiegel zurückstrahlen. Aus einem Spiegel, bei dessen Be¬
nutzung allerdings Vorsicht walten muß! Denn die manchmal gehörte
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