als Prinzip des Bösen steht der «Poilu» als Prinzip des Guten gegenüber. Da die satirische Kritik stets schwache Punkte braucht, um angreifen zu können, erfand man Greuel- und Kriegsschuldmärchen und lenkte den Haß der Welt auf den Gegner, um auf der anderen Seite das eigene Volk als Verteidiger des Rechts hinzustellen: die Kompromißlosigkeit in der geistigen Haltung dürfte einer der ausschlaggebenden Gründe für den Erfolg der französischen Bildpropaganda sein. Von Bedeutung ist auch die Tatsache, daß sich ein ganzes Heer von Künstlern in ihren Dienst stellte, die mit unerschütterlichem Vertrauen in die Kräfte ihres Landes und seiner Menschen an den Endsieg Frankreichs glaubten. Der Niederschlag dieses Glaubens fand sich in ihrer künstlerisch-propagandistischen Produktion und riß die Massen mit. Die Sprache der Künstler war dem Zweck ihrer Bilder an¬ gepaßt. Für den Tag geschaffen, konnten diese Zeichnungen nicht wie die Gemälde vergangener Zeiten geruhsam entworfen und geduldig aus¬ geführt werden. Flüchtige Ideen wurden mit leichtem Bleistiftstrich auf das Papier geworfen, um am nächsten Morgen in hunderttausendfacher Vervielfältigung den bildhaft anschaulichen Kommentar zur jeweiligen Frage des Tages zu liefern. In ihrem künstlerischen Stil steht die Propa¬ gandazeichnung zum Gemälde im gleichen Verhältnis wie ein feuilletonisti- scher Zeitungsartikel zu einer wissenschaftlichen Abhandlung. Auf der Titelseite des Blattes hat das Bild die Aufgabe, als Blickfang zu wirken, wobei es sich häufig dekorativer Elemente bedient. In der Erfüllung des Propagandazwecks wird es vom Wort unter¬ stützt. Zeichnungen ohne jede Worterklärung sind selten; sie erscheinen nur dann, wenn ihre Bildkomik für sich allein spricht, so bei Porträt¬ chargen. Der Regelfall ist, daß Bild und Beischrift («legende») so eng zu¬ sammengehören, daß eins ohne das andere nicht zu denken und sinnlos wäre. Oft genug dient das Bild nur dazu, die Aufmerksamkeit des flüch¬ tigen Zeitungslesers zu fesseln, während die Beischrift zum Nachdenken zwingt, d. h. den Propagandazweck erfüllt. In satirischen Angriffen auf die Deutschen ahmte man gern den deut¬ schen Akzent in der Aussprache des Französischen nach. Der Buchstabe K spielte in den Bildunterschriften eine große Rolle; die Worte: Kultur, Kaiser, Kronprinz, K-Brot (meistens heißt es in wenig delikater Weise: pain-KK.), kolossal, Kathedrale, Kochonnerie, Kluck, Krieg, Krupp, Kamelote und Kamarade kehren immer wieder. So wog die Schreibweise eines. Wortes mit K: „Kultur“ im Gegensatz zu «Culture» schließlich mehr als alle verstandesmäßigen Argumente. In der Erkenntnis seines hohen Propagandawerts räumte das fran¬ zösische periodische Schrifttum während des Krieges dem werbenden und agitierenden Bild einen bevorzugten Platz ein. Das ECHO DE Schulte Strathaus 9 123