und energisch. Als Technik bevorzugt Raemaekers die für die Repro¬ duktion in der Massenpresse so sehr geeignete Bleistiftzeich¬ nung, aber auch da, wo ein Mehrfarbendruck technisch leicht möglich wäre, wie in den Witzblättern, fügt er als einzige Farbe ein leuchtendes Rot hinzu, um die in der Greuelzeichnung nötigen Blutströme wiederzu¬ geben. Solche Blätter gehören zu dem Wirksamsten, was bildliche Agi¬ tation je hervorgebracht hat. Das komische Element fehlt in Raemaekers’ Werk fast voll¬ ständig. Der Holländer ist kein Spaßmacher. Aus seinen Bildern sprechen Begeisterung und Wahnsinn, Bestialität und Grauen in höchster, nicht mehr zu überbietender Steigerung. Er beschwört die Mächte des Him¬ mels, bringt Gott, Christus und die Religion in Verbindung mit aktuellen politischen Ereignissen ... Seine Bilder sind ein schauriger Totentanz: Der Tod würfelt mit dem Kronprinzen um den letzten und höchsten Einsatz 236, in der Klei¬ dung eines Kellners bringt er dem Kaiser die Rechnung 237, Kaiser und Kronprinz stehen auf einem Hügel toter Soldaten und können Verdun noch nicht sehen, da er zu niedrig ist 238, der Kronprinz in der Uniform der Totenkopfhusaren reitet auf einem Pferd, das halb Gerippe ist, bis ihm ein Heer von uniformierten Skeletten deutscher Soldaten den Weg versperrt 239, der Tod tanzt mit der sich sträubenden Germania den furcht¬ baren Tanz „Von Osten nach Westen, von Westen nach Osten, — da capo al fine!“ 240 (vgl. Abb. 2). Auf dem Blatt «Mater dolorosa» hält eine Mutter mit wahnsinnigem Lachen die Leiche ihres geschändeten und ermordeten jungen Sohnes in den Armen 24°. Der Kaiser selbst erscheint als Kindermörder 241 und ein anderes Mal als Anführer einer messerbewaffneten Räuberbande, die sich auf den Ruf „Gott mit uns“ auf ihre Opfer stürzen soll 24°. Für Rae¬ maekers ist der Kaiser keine groteske oder verspottenswerte Figur, son¬ dern ein „starker und geschickter Mann, der aber seine Geschicklichkeit und seine Stärke für das Böse gebraucht, ein schlechter, heuchlerischer Mensch, der ein niederträchtiges Werk vollbringt. Er reizt nicht zum Lachen, sondern zur Empörung“ 242. Am 10. Februar 1916 brachte die BAIONNETTE eine Sonder¬ nummer, die ganz Raemaekers gewidmet war. Auf ihrem Titelblatt erschien das erwähnte Bild «Mater dolorosa». Als Beleg für die Skrupel¬ losigkeit des Künstlers sei eine Zeichnung aus diesem Heft erwähnt, die unter der Überschrift „Gott mit uns! Der beschimpfte Christus“ zeigt, wie der angebundene Christus von Deutschen und Türken verhöhnt wird. Ungeheuer eindrucksvoll ist das in einfachem und daher vielleicht um so unmittelbarer wirkendem Schwarz-Rot-Druck wiedergegebene Rückenblatt „Lüttich—Aachen“, das einen der blutigen Eisenbahnwagen darstellen 81