Den Poilu kannte auf die Dauer die schale Kost der Pariser Witz¬ blätter nicht befriedigen, ebensowenig der papierne Patriotismus der Tagespresse; er griff zur Selbsthilfe und schuf sich seine Front- und Grabenzeitungen. C. Frontzeitung. Schon im Oktober 1914, nur wenige Wochen nach Beginn des Stel¬ lungskrieges, erschien als unscheinbares, mit der Maschine geschriebenes und hektographiertes Blättchen die erste Nummer der ersten französischen Schützen graben zeitung L’ECHO DE L’ARGONNE. Ein Jahr später gab es bereits über sechzig verschiedene Frontzeitungen; gegen Kriegsende war ihre Zahl auf etwa dreihundert angewachsen. Die von keinem anderen der kriegführenden Länder erreichte Mannigfaltigkeit findet ihre Erklärung im französischen Volkscharakter und in der Wir¬ kung, die man sich von dieser Art Grabenjournalistik versprach 113. So groß die Zahl der Frontzeitungen war, so bescheiden blieb — mit wenigen Ausnahmen — ihre Auflage; der DIABLE AU COR mit 10 000 Exemplaren, das ECHO DES GUITOUNES und einige andere fanden weitere Verbreitung 114. Die in der Etappe gedruckten größeren Blätter verrieten in der technischen und künstlerischen Aufmachung häufig ge¬ nug das Wirken geschulter Kräfte. Schriftleiter und Mitarbeiter waren die Soldaten selbst; Druck, Verlag und Vertrieb lagen nicht selten in einer Hand. Zur Verwirklichung ihres doppelten Zieles, Zerstreuung und Aus¬ dauer zu vermitteln, mußte die Grabenpresse naturnotwendig lustig sein; Humor und Satire gehören darum zu ihren Wesensmerkmalen. Den Geist der Frontblätter verraten schon ihre Titel. Da gibt es den ARTILLEUR DECHAINE, den BOCHOPHAGE, die FEMME A BARBE, den IMBERBE GROGNARD, das LACRYMOGENE, den POINT DTNTERROGATION, den TROGLODYTE, den VER LUISANT, die MITRAILLE, den BOCHE, QUE VEUX-TU?, das LAPIN A PLUMES, das ECHO DES MARMITES ... Selbstver¬ spottung, beißende Satire und gallischer Witz feiern Triumphe. Im Untertitel findet man häufig das Wort Ronsards «Car l’humour et la mort n’est qu’une meme chose» und das bekannte Rabelaiszitat «Le rire est le propre de Phomme». Doch bleibt das Lachen des Frontsoldaten wie das des Rabelais «conscient de la realite» und vergißt nie den Ernst der Lage 115; es wird nicht zu jenem «optimisme beat», dem so viele Zeitungen der Heimat huldigen und der nur zu Enttäuschungen führt. Gleichzeitig ist es der lebendigste Protest gegen einen übertriebenen Pessimismus in der Zivilbevölkerung. 50