kompromißlose Gleichung „Karikatur gleich Meinung der Massen“ 8 geht an der vom schaffenden Künstler bewirkten willenshaltigen Nuancierung des allgemeinen Meinungsinhaltes vorbei, die er vornehmen muß, um den Willen der Massen in die von ihm gewünschten Bahnen zu lenken. Bei Beachtung dieser Einschränkung kann die Karikatur wertvolle Hilfs¬ dienste zur Erkenntnis des geistigen Standes einer Nation in Zeiten der Krise leisten, zumal in solchen Zeiten — wenn nicht die Zensur die Zügel allzu straff anzieht — schon eine beträchtliche mengenmäßige Verdichtung des satirischen Schaffens einzutreten pflegt, zu dem das Erscheinen eines bekämpfenswerten Gegners auf der politischen Bühne Vorbedingung ist. Eng verwandt mit der satirischen ist die humoristi sehe Kari¬ katur9, die nicht durch Lachen töten will, sondern bei der Witz und Scherz Selbstzweck sind. Über dem Streit der Parteien stehend und daher als Waffe des geistigen Angriffs nicht brauchbar, hatte sie dennoch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen: Bindeglied zwischen Heimat und Heer zu sein. Die durch die hauptstädtischen Witzblätter an der Front verbreiteten Erzeugnisse der lachenden Kunst heftete der Poilu an die Wand seines Unterstandes; sie waren ihm Ersatz der Pariser Atmosphäre. Um¬ gekehrt fand der Humor des Soldaten in der Frontzeitung seinen Niederschlag und gab — in der Tagespresse abgedruckt — dem verzagen¬ den „Civil“ mehr als einmal Haltung und Vertrauen zurück. Wenn in Frankreich die Heimat trotz schwerster Schläge an der Front, obwohl der Feind vor den Toren der Hauptstadt stand, nach dem berühmten Worte Forains „gehalten“ hat, so ist das nicht zuletzt ein Verdienst der Jour¬ nalisten des Zeichenstiftes. 6