Nebenarchitektur eingespart wird, die Sakristei, da das Turmunter geschoß Raum hiefür bietet. In der Passauer Gegend ist der Turm an der südlichen oder auch nördlichen Chorseite die Regel, z. B. Neukirchen, Engertsham, Sulz bach, Würding, Mittich, Karpfham. Trotzdem in Braunau selbst der Turm am Chore steht, haben anscheinend die Braunauer Meister in der Regel Westtürme gebaut. Immerhin finden sich auch in der Passauer Gegend Westtürme, z. B. Keilberg und Höhenstadt. Wie die Passauer so bevorzugen auch die Landshuter den Chor turm. Im Landshuter Bezirk haben ihn 30 Kirchen, dagegen nur 7 den Westturm. Im Bezirk Ebersberg sind ausnahmslos Chortürme. Selbst im Bezirk Wasserburg überwiegt noch der Chorturm. Dagegen sind im Bezirk Laufen (25:2) und Mühldorf die Westtürme in der Überzahl. Es scheint also, daß der seit der Jahrhundertmitte sehr häufig anzutref fende Westturm von südlichen Bezirken übernommen wurde. Die Burg hauser scheinen sich besonders für ihn eingesetzt zu haben. Für die Aufrißkomposition spielte die Dachgestaltung eine wich tige Rolle. Die Proportionen des Daches sind ungewöhnlich steil. Im allgemeinen ist die Firsthöhe gleich der doppelten Langhausmauerhöhe. Vor der Mitte des Jahrhunderts waren Chorfirst und Langhaus first nicht in gleicher Höhe. Eine sehr unschöne Giebelmausr kletterte vom Chordach zum Langhausdach empor. Später wächst der Chorfirst zum Langhausfirst empor und ermöglicht damit das kolossale einheit liche Dach der Spätgotik. Allerdings bleiben gelegentlich noch Reste der Stirnwand (Abb. 28). Im Osten schließt das Dach den Chorseiten entsprechend polygonal. Die Nebenarchitekturen waren den Spätgotikern deshalb sehr unerwünscht, weil sie die leidenschaftlich erstrebte Einheitlichkeit und kubische Geschlossenheit zu zerstören drohten. Aber bei den Bauten mit Westturm war ein Sakristeianbau nicht zu umgehen. (Das mag mit ein Grund gewesen sein, warum die stilsicheren Landshuter den West turm vermieden.) War also eine Sakristei anzufügen, so half man sich nicht ungeschickt dadurch, daß man das Chordach im unveränderten Neigungswinkel bis über den Sakristeibau herunterzog. Was der Sakristei noch glückte — unter die einheitliche Baumasse unterzuschlüpfen — blieb der Vorhallenarchitektur meist versagt. So erfreulich die Schöpfungen dieser Kleinarchitekturen an sich sind, so 61