22 Groß-Jnquisitor erschienen, denen man verhältnismäßig nur wenige andere zur Abwehr entgegensetzte. Pötting schrieb unter dem 13. November an den Kaiser, die Antwort Nidhards sei schwächlich; er (Pötting) übersende sie ebenso wie die beste von den jetzt erscheinenden Flugschriften gegen Don Juan; er selber mische sich gar nicht ein. — Leopold war ebenfalls der Meinung, daß Don Juan und die Seinen dazu nur lachen würden und wendete auf die Schrift Nidhards das Sprichwort an: „Es gehört mehr zum Tanz als ein Paar Schuhe."') Ein nüchterner, dem Lärm und Streit entrückter Beurteiler mochte jedoch diese Widerlegung und die Art und Weise, wie sie gegeben wurde, entschieden höher werten. Beispielsweise hat ein namhafter Geschichtsschreiber, der hier gewiß unbefangen und unparteiisch ist, der Engländer William Coxe, ein Protestant, darüber folgender maßen geurteilt: „Es ist ein Werk voll Weisheit, welches von vielem Talente zeugt und Redlichkeit, wie die Ueberzeugung der Schuldlosigkeit atmet. Der Pater Nidhard widerlegt darin die vagen und unerwiesenen Beschuldigungen Don Juans, eines Prinzen, welcher übrigens in anderen Beziehungen achtbar, jedoch ehrsüchtig und auswallend war und sich in jener Angelegenheit Mittel bediente, die von der Ehre und dem Gewissen verworfen werden."^ Von der Inquisition wurden folgende drei Sätze aus dem Schreiben Don Juans unter Anklage gestellt: „Ich hätte den Pater Nidhard zu des Staates und meinem eigenen Besten aus der Welt schaffen sollen. Dieses ist mir von mehreren achtungswürdigen Theologen geraten worden, die in mich gedrungen haben, daß ich es tun solle, indem es eine erlaubte Handlung sei. Ich habe es nicht tun wollen, um nicht an seiner ewigen Verdammnis teil zu haben, denn es ist wahrscheinlich, daß der Jesuit alsdann im Zustande einer Todsünde gewesen sein würde." Die Zensoren bezeichneten den ersten Satz als irrig und ketzerisch, den zweiten als ver messen und beleidigend und in Hinsicht auf das darin ausgedrückte Urteil gleichfalls als irrig und ketzerisch, den dritten als vermessen, ärgerlich und ansthßig?) Der eingeleitete Prozeß wurde übrigens später niedergeschlagen. Nidhard hatte, wie bereits erwähnt, in seiner Schrift diese kühnen Behauptungen des Prinzen ins rechte Licht gerückt. y. Die Krise. Der Verleumdungsfeldzug gegen den Beichtvater der Königin dauerte nicht nur fort, sondern die Heftigkeit der Angriffe, die auch die Regentin selber nicht mehr verschonten, nahm zu. Nidhards Sturz bereitete sich allmählig vor. Don Juan „vagierte", wie Pötting schrieb/) seit seinem Briefe an die Königin in Aragonien und Catalonien herum. In Catalvnien fand er bei dem dortigen Vizekönig Osuna, seinem intimen Freunde, die wärmste Ausnahme und war auch der Machtsphäre der Regentin ziemlich entrückt. Wenn es wahr ist, was Pötting *) Schreiben vom 6. Dezember 1668. 2 ) Coxe, Memoirs of the kings of Spain of tlie house of Bourbon. London 1813. I. S. 157 (Einleitung), zitiert bei Cretineau - Joly a. a. O. S. 141; auch in „Historisch politische Blätter" a. a. O. S. 146 (Anmerkung). 3 ) So wenigstens nach I. A. Llorente, Kritische Geschichte der spanischen Inquisition. Deutsche Ausgabe. Gmünd 1821. III. S. 28. — Llorente, ein Tendenzschriftsteller ärgster Sorte, sagt im IV. Bd. S. 4 und 5, das System der Inquisition habe Nidhard so „verwegen" gemacht, „daß er sein Amt sogar mißbrauchte, um den Bruder (!) seines Königs als Ketzer anzugreifen, ohne einen anderen Beweggrund, als daß er sich für einige (!) persönliche Belei digungen rächen wollte, die dieser Prinz ihm zugefügt und der Jesuit verdient (!) hatte." — Das nennt sich „Geschichte" und noch dazu „kritische". 4 ) Schreiben vom 13. November 1668.