11 waren, ihren heimischen Regierungen erstatteten. Selbstverständlich sind sie rein menschliche Dokumente und nicht immer unparteiisch. Aus den Berichten der kaiserlichen Gesandten wurden ja bereits zahlreiche Proben mitgeteilt. Unter allen diesen Schriften, sagt Ranke, „ragen vor allen die venetianischen Relationen hervor." Venedig „schickte oft seine erfahrensten und gewandtesten Bürger an fremde Höfe."*) Marino Zorzi, welcher als venetianischer Botschafter die letzten Jahre Philipps IV. und die Anfangszeit der neuen Regierung am spanischen Hofe zubrachte, hat nun in seinem Berichte über das Jahr 1666 von der Königin folgendes Bild entworfen: „Die Königin-Mutter erbaut durch ihren musterhaften Lebenswandel und ihre Sittenunschuld, einem überaus reinen Spiegel vergleichbar; mehrere Stunden verwendet sie auf Uebungen der Frömmigkeit, andere bestimmt sie für Audienzen; mit den Depeschen beschäftigt sie sich jeden Tag nach Maßgabe der Geschäfte. Indem sie so ihre Zeit verteilt, bringt sie ihr Leben hin im Dienste Gottes, des Königs, ihres Sohnes, und ihrer Untertanen. Ihre häufigen Kopfschmerzen belästigen sie sehr und sind in etwa der schnellen Erledigung der Geschäfte hinderlich. Bei dem Tode des Königs gänzlich unerfahren in der Leitung wichtiger Geschäfte, nimmt sie sich jetzt mit vieler Tatkraft der Regierung an, um die Bewegungen einer so großen Maschine zu leiten."^ Aehnlich äußerte sich ein späterer venetianischer Botschafter Carlo Contarini (1670 bis 1673)?) Die französischen Gesandtschaftsberichte beschuldigen hingegen die Königin der Starrköpfigkeit und Herrschsucht. Bon letzterer konnte bei ihr wohl keine Rede sein, da sie in den letzten Lebensjahren ihres Gemahls vom Kaiser immer wieder gemahnt werden mußte, sich den Negierungsgeschäften zu widmen. Mit ihrem kaiserlichen Bruder hatte sie eine Schwäche gemeinsam: die Unentschlossenheit und das lange Schwanken, wo es galt, wichtige Entscheidungen zu fällen. So hatte sie wie von selbst das Bedürfnis eines Ratgebers, dem sie in allem ihr vollstes Ver trauen schenken könnte. An den einmal gefaßten Beschlüssen hing sie freilich meist mit großer Zähigkeit. Wie schon erwähnt, hatte Philipp IV. in seinem Testamente seiner Gemahlin nebst der Vormundschaft über den Jnfanten die volle Regierungsautorität hinter lassen. Bezüglich des ihr an die Seite gegebenen Regentschaftsrates, dem nur beratende Stimme bewilligt worden war, hatte er ihr angeraten, sich seiner Ratschläge besonders in den auswärtigen Angelegenheiten zu bedienen. Zu Mitgliedern des selben hatte er sechs Männer aus den höchsten geistlichen und weltliche:: Würdenträgern ernannt und zwar: den Erzbischof von Toledo, den Präsidenten von Castilien, den Vizekanzler von Aragon, den Groß- oder General-Inquisitor, dann als Ver treter des Staatsrates den Grafen Pennaranda und als Vertreter der Granden den Marques von Aytona. Groß-Jnquisitor war damals seit kurzer Zeit Kardinal Pascual von Aragon, der jedoch diese Stelle niederlegte, als er im Oktober 1665 Erzbischof von Toledo wurde, in welcher Eigenschaft er gleichfalls dem Regentschaftsrate anzugehören hatte. Die Königin hatte die Absicht, ihren Beichtvater zu dieser Würde zu erheben, jeden falls um ihm ein noch größeres Ansehen zu verschaffen und ihm auch den Eintritt in den Regentschastsrat zu ermöglichen. Galt ja doch das Amt des Groß-Jnquisitors, 0 Ranke a. a. O. S. VI. 2 ) Uebersetzt und abgedruckt in „Historisch-politische Blätter." 98. Bd. (1886) S. 141. s ) Ebd. S. 142.