hatte das eigenmächtige Vorgehen der Russen in Persien sowohl die Politiker wie die öffentliche Meinung Englands sehr unangenehm berührt. Aber stärker war noch immer das Mißtrauen gegen Deutschland, dem man wegen seines mili¬ tärische» Gepräges und wegen seines wirtschaftlichen Aus- dehnungsbedürfnisses eine tatsächlich nicht vorhandene und höchstens von vereinzelten Schriftstellern ausgesprochene An¬ griffslust zumutete, für die man in jeder energischen Bewegung eine neue Bestätigung sah. Beim Ausbruch der serbischen Krise dürfte sich das britische Ministerium gesagt haben, daß hier eine Gelegenheit vorliege, Österreich-Ungarn und damit auch Deutschland ohne Schwertstreich zu schwächen und Ru߬ land einen Gefallen zu erweisen, der es an England fesseln und es zu dankbarem Verhalten in Asien bewegen müsse, während es sich, wenn England unparteiisch bliebe, dort, vielleicht im Verein mit Deutschland, unangenehm bemerkbar machen könnte. Die Möglichkeit einer kriegerischen Wendung haben Asquith, Grey und Haldane selbstverständlich gleichfalls in Betracht gezogen. Wenn sie sie nicht gesucht haben, was wir nicht wissen, so werden sie doch nicht mit Bangen an sie gedacht haben; sie unterschätzten Österreich-Ungarn und bewerteten auch die Kraft Deutschlands nicht hin¬ reichend hoch. In ihrem Mißverstehen des deutschen Staats- charakterd mögen sie auch geglaubt haben, wenn Deutschland diesmal nicht nachgebe, so sei dies ein Zeichen, daß ein Krieg mit ihm doch unvermeidlich sei. Was aber die praktisch politische Rechnung betrifft, so würde sie dahin gegangen sein, daß ein siegreicher Krieg an der Seite Rußlands gegen die Ientralmächte zwar die Besitz¬ ergreifung Konstantinopels durch den Zaren zur Folge haben werde, daß aber damit nicht nur ein russischer Herzenswunsch, sondern auch ein ewiger russischer Programmpunkt endlich erfüllt sei, nämlich das Verlangen nach einem Hafen an einem eisfreien Meere; dadurch werde jede Gefahr beseitigt sein, daß Rußland, um einen solchen Hafen zu gewinnen, einen Vorstoß an die persische Südküste, also in die Nähe der schwachen Stelle des englischen Weltreichs, nämlich Indiens, unternehme. Sollte doch jemals, was in England stets befürchtet wird, das ungeheuere Rußland über die mittelasiatischen Berge nach Indien gelangen und es erobern, so wäre dafür durch den Krieg ein großartiger Reservebesitz geschaffen, es wäre nämlich das afrikanische Reich um die deutschen Kolonien ver¬ mehrt, Ägypten wäre jeder Gefährdung durch eine 36