Antwerpen einen Tag nach seinem Fall. 297 auch wir nahmen im Vorüberfahren an ihrer Heiterkeit teil, besonders als der Mann einen Augenblick seinen Gesang unterbrach und uns drollige Honneurs machte. Als wir wieder um die Kathedrale in Mecheln herumfuhren, wo wir am Morgen haltgemacht hatten, bemerkte Kes, es komme ihm so vor, als seien seitdem mehrere Tage vergangen. Was hatten wir auch an diesem einen Tag für merkwürdige Dinge gesehen und erlebt! Wir waren bewaffnet gekommen wie zu einem Feldzug, aber alles war friedlich verlaufen, und das Gerücht, der Rest des belgischen Heeres werde auf dem westlichen Scheldeufer einen Angriff unternehmen, hatte sich, wenigstens bis jetzt, nicht bewahrheitet. Wir hatten bloß bcutfdie Soldaten in malerischen Gruppen auf altertümlichen prächtigen Plätzen und Straßen gesehen. Was von der Zivilbevölkerung zurückgeblieben, waren höchst friedfertige Menschen gewesen, die sich mit bestem Willen in ihr Geschick zu finden schienen. In Brüssel aber, wo wir in der Dunkelheit anlangten, wollte niemand den Fall Antwerpens glauben! Die Führer der Verbündeten hatten ja den Glauben genährt, diese Stadt sei uneinnehmbar! Als daher die deutschen Berichte über den Fall der Stadt in französischer und flämischer Sprache erschienen, versammelten sich wohl kleine Gruppen eifrig lesender Menschen vor den Anschlägen, aber alle waren der festen Überzeugung, die ganze Geschichte sei er¬ dichtet.* * In seinem neulich erschienenen Buche „Krieg und Kultur" — einer Arbeit, die ich aufs wärmste jedermann empfehle, der in die sozialpsychologischen Labyrinthe des Weltkriegs eindringen will — teilt Professor Gustav F. Steffen folgende Stelle aus „Göteborgs Handels- och Sjöfartstidning" vom 9. Oktober, also vom selben Tag, an dem Antwerpen fiel, mit: „In ihrem ersten Leitartikel vom 1. d. M. erklären die ,Times h die deutschen Batterien schienen vor Antwerpen nicht so viel auszurichten, wie sie Lärm machten. Tatsächlich schienen sie keiuen sonderlichen Schaden anzurichten, und es wäre höchst unwahrscheinlich, daß die deutschen Landwehrtruppen, die jetzt in Belgien wären, auch nur etwas gegen die äußeren Festungswerke ausrichten könnten, da die belgische Feldarmee so stark sei. Und wenn auch alle Forts zerstört würden, würden die Deutschen Antwerpen doch nicht einnehmen können, denn das wichtigste Verteidigungs¬ mittel der Stadt seien nicht die Forts, sondern die Feldbefestigungen. Die Belgier verteidigten eine der stärksten Festungen Europas. Sie hätten dort mindestens 120000 Soldaten und hätten einen offenen Hafen. Sie hätten nur Truppen zweiten Grades gegen sich. Ihre Außenwerke seien die neuesten und furchtbarsten,