40 Drittes Kapitel. sie freie ärztliche Behandlung, und wenn sie geheilt sind, kehren sie zum Regiment zurück. Bald gibt es wohl kaum eine Stadt in Deutschland, die nicht ihren Kriegshelden und ihr Eisernes Kreuz hat. Man kann sich den Jubel vorstellen, mit dem er empfangen wird, wenn er aus dem Krieg zurückkehrt, und die warmen Wünsche, die ihn begleiten, wenn er zum zweitenmal die Stadt verläßt, um unter die Fahne zu treten. Man sprach auch von einem neuen Zug Verwundeter, der abends % 11 Uhr erwartet wurde, und zu dessen Empfang sich die Ärzte bcreit- hielten. Wenn solch ein Zug ankommt, gehen sie durch alle Wagen, um die Patienten zu untersuchen. Die Soldaten, deren Zustand be¬ denklich ist, trügt man auf Bahren ins Lazarett. Die andern setzen die Reise fort, aber ihre Verbände werden erneuert. Ein neuer Kampf zwischen Leben und Tod beginnt. Der Arzt kämpft für das Leben und will die, die der Tod vergebens auf dem Schlachtfeld zu treffen suchte, für das Leben zurückgewinnen. Schließlich sehen wir in einen der Vorratsränme hinein, dessen Boden mit ganzen Ballen von Baumwolle, Gazebinden, Wachstuch, Heftpflaster und Bandagen aller Art bedeckt ist. Ganze Eisenbahnzüge voll Verbandartikel, chirurgischer Instrumente und Apothekerwaren rollen aus dem Herzen Deutschlands nach Westen und Osten. Wenn man die bleichen Gesichter der Verwundeten, ihre roten Wunden und dann die Verbandvorräte kilometerlang aufgestapelt sieht und diese durchdringende Krankcnhausluft von Karbol, Äther und Chloroform einatmet, dann glaubt man auch das Pfeifen der Gewehrkugeln und das grelle Abend¬ lied der Granaten zu hören, die all diese Geschäftigkeit im Lazarett ver¬ anlaßt haben. Als wir schließlich aufbrachen und nach dem „Trierischen Hof" wanderten, hatte ich für meinen Teil das Gefühl, daß es nicht mehr weit sein konnte bis zum Abendlied der Granaten.