Große Feierlichkeiten in Kiel im Beisein des Kaisers. Eine britische Flotte als Ehrengast. Mitten in das Festbankett am Lande hinein die schwarze Kunde vom Mord in Serajewo. Augenzeugen erzählen, daß im selben Augenblick die Engländer sich versteinerten. Nach ihren beim Aufbruch eisig-förmlichen Mienen schien ihnen an diesem Abend der Augenblick zum Krieg gegen Deutschland gekommen. 8 Die Fronten der Heimat Daheim ist es um die Mitte August still geworden. Die letzten Feld¬ grauen sind fort. Auf leeren Kasernenhöfen treibt der Sommerwind sein Spiel mit Strohhalmen. Schnell scheuern die Unteroffiziersfrauen die verlassenen Mannschaftsstuben, bis in den nächsten Tagen die Ersatz- truppen einrücken. Verhallt der markig-schütternde Tritt des Marsches zum Bahnhof — verklungen der tausendstimmige Gesang: „In der Heimat — da gibt's ein Wiedersehn!" Verweht das: „Die Vöglein im Walde, die sangen so wunder-wunderschön . . ." Die Front schweigt noch. Es fehlen noch die langen, langen Ver¬ wundetenzüge. Nur der eine oder andere blessierte Krieger trifft ein, den es draußen im Vorpostengeplänkel erwischt hat, überall bewundert und bestaunt. AIs erster deutscher Offizier fiel am 2. August 1914 Leutnant Mayer vom 5. Jäger-Regiment zu Pferd bei Delle an der füd- elsässisch-französischen Grenze. In den ersten Tagen nach Kriegsausbruch sind in den deutschen Städten seltsame, halb unbewußte Erinnerungen an verschollene Kriegs¬ nöte aus Urväterzeiten aufgedämmert: Angstkäufe in Lebensmittelläden — eine dumpfe Vorahnung der noch fernen Kohlrübenzeit —, Zurück¬ weisung von Papiergeld, als sei die Inflation späterer Jahre schon da! Die Stellvertretenden Generalkommandos, die die vollziehende Gewalt übernommen haben, greifen mit strengen Drohungen ein. Bald geht das Wirtschaftsleben, ohne Preissteigerung, seinen gewohnten Gang. Noch ist es wohl niemandem ganz zum Bewußtsein gekommen, daß es sich nicht um einen Krieg des Volks in Waffen, sondern des ganzen Volks und aller Völker handelt und handeln wird. Nur an einzelnen Stellen wirkt schon die Notwendigkeit der Hilfe durch die Heimat. Es bildet sich die F r o n t der Frauen. Auf den Bahnhöfen, durch die immer noch die Verschiebungen und Nachschübe der Truppen fluten, dampfen Tag und Nacht die mächtigen Kaffeekannen und türmen sich die belegten Brote zu Bergen. Die Frauen aller Stände walten da, in allen Städten und Städtchen, alt und jung. Aber vielen jungen Mädchen genügt das nicht. Der Iohanniterorden, das Rote Kreuz, die katholischen Schwesternschaften stellen Hilfsschwestern und Helferinnen für draußen ein. Hinaus in die Ferne! Wer kennt sie in der Etappe nicht — die flinken Mädels, die, Verpflegung spen- 36