Die Kricgserl die uugesorderte, die freiwillig von Osterreich-Ungarn gegebene, ließ es störrisch verstreichen. Und erst am 28. Juli 1914 unter- schrieb der Friedenskaiser Franz Joseph schwerer Hand die Kriegs- erklärung und jenes denkwürdige Manifest: „An Meine Völker!" Es war Mein sehnlichster Mansch, die Jahre, die Mir durch Gottes Gnade noch beschieden find, Werken des Friedens zu weihen und Meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren. Im Rate der Vorsehung ward es anders beschlossen. Die Umtriebe eines haßerfüllten Gegners zwingen Mich, zur Wahrung der Ehre Meiner Monarchie, zum Schutze ihres Ansehens und ihrer Machtstellung, zur Sicherung ihres Be¬ sitzstandes nach langen Jahren des Friedens zum Schwerte zu greifen. Mit rasch vergessendem Undank hat das Königreich Serbien, das von den ersten Anfängen seiner staatlichen Selb- ständigkeit bis in die neueste Zeit von Meinen Vorfahren und Mir gestützt und gefördert worden war, schon vor Jahren den Weg offener Feindseligkeiten gegen Österreich- Ungarn betreten. Als Ich nach drei Jahrzehnten segensvoller Friedensarbeit in Bosnien und der Hercegovina Meine Herrscherrechte auf diese erstreckte, hat diese Meine Verfügung im Königreiche Serbien, dessen Rechte in keiner Weise verletzt wurden, Aus- brüche zügelloser Leidenschaft und erbittersten Hasses hervor- gerufen. Meine Regierung hat damals von dem schönen Vor- rechte des Stärkeren Gebrauch gemacht und in äußerster Nach- ficht und Milde von Serbien nur die Herabsetzung seines Heeres auf den Friedensstand und das Versprechen ver- langt, in Hinkunft die Bahn des Friedens und der Freund- fchaft zu gehen. Von demselben Geist der Mäßigung geleitet, hat sich Meine Regierung, als Serbien vor zwei Jahren im Kampfe mit dem türkischen Reiche begriffen war, auf die Wahrung der wichtigsten Lebensbedingungen der Monarchie beschränkt. Dieser Haltung hatte Serbien in erster Linie die Erreichung des Kriegszweckes zu verdanken. Die Hoffnung, daß das serbische Königreich die Langmut und Friedensliebe Meiner Regierung würdigen und sein Wort einlösen werde, hat sich nicht erfüllt. Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus empor, immer unverhüllter tritt das Streben zu- tage, untrennbare Gebiete Österreich - Ungarns gewaltsam loszureißen. Ein verbrecherisches Treiben greift über die Grenze im Südosten der Monarchie, die Grundlagen der staatlichen Ordnung zu untergraben, das Volk, dem Ich in landes- väterlicher Liebe Meine volle Fürsorge zuwende, in seiner Treue zum Herrscherhaus und zum Vaterlande wankend zu machen, die heranwachsende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten des Wahnwitzes und des Hochverrates aufzureizen. Eine Reihe von Mordanschlägen, eine plan- mäßig vorbereitete Verschwörung, deren furchtbares Ge- lingen Mich und Meine treuen Völker ins Herz getroffen hat, bildet die weithin sichtbare blutige Spur jener geheimen Machenschaften, die von Serbien aus geleitet und ins Werk gesetzt wurden. Diesem unerträglichen Treiben muß Einhalt geboten, den unaufhörlichen Herausforderungen Serbiens ein Ende be- reitet werden, soll die Ehre und Würde Meiner Monarchie unverletzt erhalten und ihre staatliche, wirtschaftliche und rimg. 1914. 57 militärische Entwicklung vor beständigen Erschütterungen be¬ wahrt bleiben. Vergebens hat Meine Regierung noch einen letzten Wunsch unternommen, dieses Ziel mit friedlichen Mitteln zu er- reichen, Serbien durch eine ernste Mahnung zur Umkehr zu bewegen. Serbien hat die maßvollen und gerechten Forderungen Meiner Regierung zurückgewiesen und es abgelehnt, jenen Pflichten nachzukommen, deren Erfüllung im Leben der Völker und Staaten die natürliche und notwendige Grundlage des Friedens bildet. So muß Ich denn daran schreiten, mit Waffengewalt die unerläßlichen Bürgschaften zu schaffen, die Meinen Staaten die Ruhe im Innern und den dauernden Frieden nach außen sichern sollen. In dieser ernsten Stunde bin Ich Mir der ganzen Trag- weite Meines Entschlusses und Meiner Verantwortung vor dem Allmächtigen voll bewußt. Ich habe alles geprüft und erwogen. Mit ruhigem Gewissen betrete Ich den Weg, den die Pflicht Mir weist. Ich vertraue auf Meine Völker, die sich in allen Stürmen stets in Einigkeit und Treue um Meinen Thron geschart haben und für die Ehre, Größe und Macht des Vaterlandes zu schwersten Opfern immer bereit waren. Ich vertraue auf Oster- reich-Ungarns tapfere und von hingebungsvoller Begeisterung erfüllte Wehrmacht. Und Ich vertraue auf den Allmächtigen, daß er Meinen Waffen den Sieg verleihen werde. Franz Joseph in. p. Der Friede war nun verloren, aber noch war es nicht der Weltkrieg geworden, die furchtbarste Katastrophe der Mensch- heit. Noch glimmte nur ein Funke, ein einzelner loser Balke an dem herrlichen Bauwerk, das die Jahrtausende Kultur auf- gerichtet, noch konnte ein energischer Griff, ein gemeinsamer Wille die aufzüngelnde Flamme niedertreten, noch die entsetz- liche Gefahr beschränken. Osterreich-Ungarn und das Deutsche Reich taten ihr Bestes. Unsere Truppen wurden zurückgehalten, die Operationen mit Absicht verlangsamt, nur um den Groß- mächten Zeit zu geben, Serbien aufzurütteln und zu ver-- anlassen, einen verlustlosen Frieden zu schließen, ohne Krieg geführt zu haben. Nochmals meldete unser Botschafter in Petersburg, Osterreich-Ungarn begehre keine Gebietserwei-- terung und garantiere die uneingeschränkte Souveränität des Balkanstaates; Deutschland, und vor allem sein Kaiser be- kräftigten mit ihrem Einfluß und ihrer makellosen Ehre dies Versprechen, auch Italien — wir wissen heute, daß es uns diplomatisch nur unterstützte, weil es sich militärisch zum Verrat noch nicht gerüstet fühlte — suchte zu vermitteln, aber in Petersburg war man taub. Man wollte dort nicht den Frieden, Jswolsky lechzte nach einer Demütigung Osterreich-Ungarns, nach einer Satisfaktion. Reuig, beschämt, gemaßregelt und verhöhnt, mit beschmutztem Prestige sollte die Monarchie aus diesem Konflikte hervorgehen, sklavisch sollte unsere Macht ein- knicken vor Rußlands erhobener Faust. Der Großfürst Nikolaj Nikolajewitfch, ehrgeizig, die langjährige Ungnade des Hofes durch die Bewunderung der Nation wettzumachen, gierig nach dem verheißenen und nur durch den Krieg zu erlangenden Titel des Generalissimus, hungrig nach Unsterblichkeit, wenn auch nach einer Herostratischen, peitschte die Kriegslust auf. Um ihn rottete sich die alte slawophile Garde, die pravoslawe Kirche, alle Mächte, die ungestüm die Russifizierung der Welt an-