Die Ermordung des bien, ist nun doppelt so stark wie vordem, eine wertvolle Bundes¬ genossenschaft, die Freundschaft Rumäniens ist gefährdet, der Anschluß an die Türkei verloren. Das russische Prestige hat ge- litten seit dem Verrat von Bukarest, die Türkei ist gedemütigt, aber nicht gebrochen, Griechenland vergrößert, aber um die albanischen Häfen verkürzt, Italien beunruhigt durch die plötzlich auftauchende Mittelmeermacht. Unruhiger ist die Welt als je zuvor. Die Pandorabüchse des Balkans ist von der ver- wegenen Hand Jswolskys geöffnet worden: zu schließen hat sie keiner vermocht, nun strömen ihre giftigen Dämpfe auf und beunruhigen die Atmosphäre Europas. Enger haben sich die großen Staatenkomplexe Rußland, Frankreich, England zu- Die Ermordung des Der Balkankrieg hatte keine Entspannung gebracht. Nur deutlicher waren die beiden Mächtegruppen geworden, nur reger waren die Regisseure des Krieges in Frankreich und Rußland am Werke: es war ihnen gelungen, das Gleichgewicht der Welt in Schwebe zu bringen, eine einzige brüske Bewegung ver- mochte nun das Unheil zerschmetternd niederstürzen zu lassen. Überall war die Glut von ihnen künstlich glimmend erhalten worden: Rußland hatte Bulgarien verraten, Rumänien gegen Österreich-Ungarn mißtrauisch gemacht, Serbien mit Größen- wahn vergiftet und das neugeschaffene Reich Albanien sollte ein Keim der Zwietracht zwischen Österreich-Ungarn und Italien werden. Immer neue Schwierigkeiten wurden ersonnen, um die Wahl eines Fürsten zu verzögern und dort die Anarchie auf- wuchern zu lassen, die der russische Minister nicht ganz ohne Ahnung der geheimen Tätigkeit seiner Agenten prophetisch an- gekündigt hatte. Jede kleine Angelegenheit bei der Gründung des jungen Staatenwesens wurde künstlich kompliziert und dem neuen, endlich bestellten Herrscher, dem Fürsten zu Wied, eine Reihe von Revolten auf den Hals gehetzt. Die Monarchie hatte diesen Staat als Gleichgewichtsfaktor, als Element der Ruhe mit- ten zwischen die ewig feindlichen, ewig gärenden Balkanstaaten setzen wollen, Rußland und Serbien trachteten ihn als einen Keil zu verwenden, der das Einvernehmen Österreich-Ungarns und Italiens auseinandersprengen sollte. Kleine Staaten waren für Rußland seit je nur Preller, Sturmböcke, um das Gefüge des nachbarlichen Reiches zu lockern und um dann, wenn dieser ins Wanken geriet, selbst hervorzutreten und in dem Zusain- menbruch sich das Beste zu rauben. So war Bulgarien gegen die Türkei, Rumänien wieder gegen Bulgarien vorgeschickt worden: nun sollte von Albanien und Serbien die systematische Unterwühlung der Monarchie beginnen. Österreich-Ungarn von Norden, Süden und Osten gefaßt, Deutschland von Westen, Osten und Norden umklammert — die Falle war vorbereitet und vielleicht existierte schon damals in den Archiven ähnlich wie in jenen der Balkanstaaten vor dem Kriege mit der Türkei der ausgearbeitete Teilungsplan, in dem der lebendige Körper der Monarchie schon in großen und kleinen Fetzen zerteilt war. Allerdings, der Überfall war noch nicht sofort geplant. Rußland, obzwar in den zehn Jahren seit dem japanischen Krieg und der Revolution unendlich gekräftigt, mußte noch militärisch rüsten, vor allem in jenem Sinne, den der französische Generalstab verlangte, im Sinne einer erhöhten Mobilisations- geschwindigkeit. Die gewaltigen Kräfte des gigantischen Reiches konnten erst allmählich an Ort und Stelle geschafft werden, während es Frankreich darum zu tun war — diese Fragen wurden ganz offen diskutiert — daß von beiden Seiten gleichzeitig gegen Deutschland gestoßen werde und ihm beide Flanken gewaltsam eingedrückt. Es war zu einer solchen raschen Thronfolgers. 1914 45 sammengeballt, enger auch Deutschland und Österreich-Ungarn, die Reibungsflächen sind vermehrt, die Gefahr vergrößert. Im deutschen Parlament bringt der Reichskanzler einen Milliardenkredit für Rüstungen ein, das französische antwortet mit der Annahme der dreijährigen Dienstzeit. Es ist eine schwüle Stunde, dichter und dichter ballt sich das Gewölk. Und alles deutet auf eine furchtbare Erinnerungsfeier des europäischen Zustand es vor hundert Jahren: der Völkerschlacht von Leipzig, da alle Staaten gegeneinander in Waffen standen, nur daß es diesmal das Herz Europas, das in Nibelungen- treue geeinte Deutschland und Österreich-Ungarn ist, das sich, einer gegen alle, zu verteidigen hat. Thronfolgers. 1914. Konzentrierung vor allem der Ausbau des Bahnnetzes in Polen nötig, für das Frankreich wieder eine Milliardenanleihe gerne bewilligte. Vorläufig wurden nur die bekannten „Probe- Mobilisierungen" eingeübt. Im Jahre 1916 sollte der Aufmarsch fertig sein, im gleichen Jahre wo der Handelsvertrag mit Deutschland ablief — für diesen Termin kündigten ganz un- verhohlen die Pariser Blätter die Abrechnung mit den Zentral- mächten an, denn dann könnte ja Serbien schon wieder erstarkt sein, und vielleicht Könnten der rollende Rubel und die fran- zösischen Anleihen inzwischen Italien und Rumänien für die Einkreisung gewinnen. Man wollte ja den Sieg möglichst bequem haben und — nach bewährtem System — möglichst auf Kosten der Bundesgenossen. Das offizielle Rußland brauchte also noch zwei Jahre, um seine kriegerischen Vorbereitungen zu vollenden. Deshalb wieder pathetische Reden über den Frieden und frenndfchaft- liche Besuche in Berlin. Inzwischen hatte das inoffizielle Ruß- land die Unterminierung des Terrains durchzuführen, die Slawophilen wurden vorausgeschickt, die an den Grenzen der Monarchie ihre „allslawischen", in Wahrheit aber panrussischen Kongresse abhielten, nationale Vereine stifteten, die unter un- politischer Maske systematisch Spionage und Aufwiegelung trieben. Die Rnthenen wurden durch ihre Popen bearbeitet, die als Kinder armer Leute umsonst in russischen Seminaren herangebildet wurden, um dann als Emissäre des Zaren- reiches wieber nach ihrer Heimat zurückgesandt zu werben. Zeitschriften, Kirchen wurden — angeblich mit dem Gelbe ber Ruthenen in Amerika, in Wirklichkeit aber mit ben Rubeln der Geheimfonds — gegründet, und ber Graf Bobrinsky, derselbe, ber so kühn war, beim Prozeß in Marmaros Sziget zu sagen, die Slawophilen seien der Monarchie nicht seind, kündigte ihnen die Befreiung vom polnischen Joche und die „russische Flagge auf der Höhe der Karpathen" an. Ganz Galizien wurde so systematisch von Agenten und Spionen unterwühlt, in der Bukowina die bekannten russischen „Kultur- vereine" gegründet; zweimal in kurzer Frist mußte der russische Militärattache Wien verlassen, weil er in sehr unangenehme Spionage-Affären verwickelt war. Überall arbeitete das un- offizielle Rußland, die Stellung der Monarchie zu unterhöhlen, unausgesetzt mußte die Staatsanwaltschaft dieser gefähr- lichen Maulwurfsarbeit nachgehen, die unterirdisch durch das ganze Grenzgebiet gezogen war und jede ihrer Maßnahmen wurde jenseits der schwarzgelben Pfähle als „Unterdrückung der slawischen Brüder" verkündet. Der Rubel rollte, von un- verantwortlichen Händen gestreut, aber die ungeheuren Mittel, die zur Vergiftung und Agitation der österreichisch-nngarischen Staatsuntertanen ausgegeben wurden, strömten aus den Ge- Heimfonds der Regierung. Das alte System der russischen