MM Unsere Offensive in Südtirol. Angreifenden sehr unangenehme'Verhältnisse aufwies, das Asticotal, das Folgaria mit Arsiero verbindet und endlich das Val Sugana. Letzteres kam bei der Offensive deshalb in Frage, weil es für eine italienische Gegenoffensive mit gleich- zeitiger Absicht eines Flankendruckes auf die frontal gegen Asiago—Arsiero vorgehenden k. n. k. Truppen von Be- dentnng war. Am Rande dieses Tales standen die Italiener auf dem Armenterrarücken mit der offenkundigen Absicht, Entwicklungen von Levico her im Keime zu ersticken. Zunächst handelte es sich für unsere Truppen darum, operativ Luft zu gewinnen. Das konnte nur durch frontales taktisches Überrennen der ganz nahe liegenden italienischen Front geschehen. Und obwohl die Italiener einiges geahnt haben mochten und vielleicht selbst hier in nächster Zeit offensiv werden wollten (Cadorna war mit dem großen Hauptquartier und einigen Reserven an der südöstlichen ^Grenze Tirols angekommen) wurden sie doch durch die Wucht unseres taktischen Verfahrens, sowie durch die Raschheit und Kraft unseres artilleristischen Angriffes überrascht. Ge-- rade als die Italiener sich anschickten, in thea- tralischer Weise und unter kräftiger Verwendung der bei ihnen üblichen Phrase ihr einjähriges Kriegsjubiläum zu feiern und bei dieser Gelegen- heit mit hochtönenden Worten und gegensei- tiger Beräucherung nach-- zuholen, was f? durch Kriegstaten bisher nicht zu erreichen imstande waren — gerade in die- sem Augenblick schlugen die Österreicher-Ungarn los und sicher- ten sich dadurch von vorneherein eine moralische Wirkung. Unsere 38 cm-Haubitzen in Tätigkeit In der zweiten Hälfte April waren alle Vorbereitungen getroffen. Aber tiefer Nebel und unsichtiges Wetter verzögerten den Angriff. Die Spannung der Nerven war groß, denn die Truppen brannten vor Begier, mit dem verhaßten Feind abzurechnen. Auf Vielgereuth erhöhte die Anwesenheit des Thronfolgers die Feierlichkeit des großen Augenblicks. Am 16. März hatte er das Kommando des XX. Korps übernommen und sein Hauptquartier zunächst in Acqnaviva, einem reizend gelegenen, aber dem Verfalle geweihten Schlosse nördlich Rovereto aufgeschlagen. Seine Truppen waren damals im Antransport begriffen, er konnte daher selbst den Aufmarsch und alle Vorbereitungen für die Offensive leiten. Es war erhebend, zu sehen, wie der Erzherzog bestrebt war, alle Soldaten mit seinem Geist des Gottvertrauens und der Überzeugung vom Siege, mit seinem Schwung und seiner Wärme zu durchdringen. Der Thronfolger hat jede Geschichte des Weltkrieges II. Kompagnie, jede Batterie, jeden Train, jede Sanitätsanstclt, jedes Magazin besucht. Zu Fuß wanderte er in tagelangen Märschen die Schützengrabenlinien vom Sattel von Serrada bis zum Asticotal ab, schon vom touristischen Standpunkt eine gewaltige Leistung, lag doch im Frühjahr auf den Bergen noch meterhoher Schnee, der oft Schützengräben und Hinder- nisse zudeckte. Der Erzherzog, augenscheinlich von dem Ge- danken erfüllt, daß ihn jeder Mann vor dem Befehl zum Angriffe gesehen haben müsse, setzte sich dabei wiederholt ärgster Lebensgefahr aus: unsere Linien lagen ja stellenweise auf 100 oder 200 Schritte von jenen des Feindes. Einmal lötete eine schwere Granate einen Mann in seiner Nähe, während ihm ein Hand- großer Splitter vor die Füße flog. Die meisten seiner Soldaten sprach er in jenen Tagen an. Den einen fragte er nach der Waffentat, die ihm die Tapferkeitsmedaille eingetragen, dem ande- ren überreichte er eine Dekoration mit herzlichen Worten, beim dritten erkundigte er sich nach den Verhältnissen in der Heimat, vom vierten ließ er sich Kriegserlebnisse erzählen und so fort. Be- sondere Fürsorge wandle Erzherzog Karl den oft weißbärtigen Stand- schützen zu, die die Grenze schirmten. Ihre urwüch¬ sige Art gefiel dem Erz- herzog außerordentlich gut. Jeder fühlte sich durch seinen Komman- danten emporgehoben, der die zähe Tapferkeit der Infanteristen, das zielsichere Feuer der Ma- schinisten, die wunder- bare Anpassungsfähigkeit der Kavallerie an die Kampferfordernisse einer neuen Zeit, die vernichtende Wirkung der Artillerie, die grandiosen Leistungen der technischen Truppen, kurz gesagt: die Eigenart und den besonderen im Kriege erhärteten Wert einer jeden Waffe wohl zu würdigen wußte. Auch in ferner gelegenen Auf- marschräumen versammelte Truppen^ wollten aus der An- Wesenheit des Thronfolgers aufdem Kriegsschauplatze doppelte Kraft schöpfen und erbaten sich die Ehre einer Besichtigung. So fuhr Erzherzog Karl einmal zum Landesschützenregiment Nr. 2, das in die Berge nördlich desMalsugana seinen eisernen Wehrschild gebracht hatte. Das Bild wird jedem unver- geßlich bleiben: schneebedeckte Berge ringsum; ein Alpensee; und auf den Hochmatten das brave Regiment, zerschossen und voll Narben, im Karree um den Wehrschild versammelt, in den eben tags vorher Kaiser Franz Joseph durch GO. Dankl in feierlicher Weise einen Nagel hatte ein- schlagen lassen. Die wetterharten Züge dieser Söhne der Hoch- gebirgswelt leuchteten in jugendlichem Feuer, als der Thron- folger, von einem Schneetreiben empfangen, unter sie trat. 20