Oer Krieg gegen Italien. sanguinisch und, wo er's sein darf, reichlich brutal. Aber Tapferkeit, Ausdauer, Mißachtung der Gefahr, das sind sol- datische Tugenden, die selbst Lobredner des italienischen Ratio- nalcharakters ihm nicht in hohem Maße zusprechen. Die Flamme nationaler Begeisterung lodert gewiß auch in italieni¬ schen Seelen — zu Beginn des Feldzuges hat sie beträchtlich viel deutsches Eigentum verzehrt —, aber als stille, intensive, dauernde Glut, wie sie das Herz unserer und der Kämpfer für Deutschlands Ehre füllt, wird sie sich auf längere Kriegszeit kaum konservieren lassen. Deshalb jedoch ist der heldenmütige Italiener durchaus keine seltene Erscheinung — ein Mann wie Garibaldi gereichte jeder nationalen Heroen-Legende zum Schmuck — nur braucht italienischer Heldenmut, um zu ge- deihen, eine gewisse Hochtemperatur der Gemütsverfassung. Fällt das Thermometer der Stimmung—und es fällt im Land der blühenden Zitronen mit der gleichen Raschheit, mit der es aufwärts klettert—dann kränkelt und siecht das Heroentum des Italieners, schlägt sogar nicht ungern in das Gegenteil um. Also ein Volksheer, wie es für die österreichisch-ungarische Monarchie und für Deutschland kämpft, wird Signor Zupelli kaum in die Wagschale der europäischen Geschicke werfen können. Aber Heerhaufen, stattlich an Zahl, eine vielhunderttausend- köpfige bewaffnete Menge, geschart um verläßliche Kerntruppen, mag Italien schon für seinen heiligen Raubkrieg auf die Beine bringen. Als schlechtestes Soldatenmaterial des Königreiches gelten die Süditaliener, insbesondere die Sizilianer, als bestes die Bewohner der Alpentäler, der lombardischen Ebene, und die ernsten, fleißigen Genuesen. Kerntruppen sind die „Bersag- lieri", ausgesuchte Mannschaft aller Landesdistrikte und die volkstümlichste Truppe Italiens, und die „Alpini", deren Be- stände sich aus den Leuten des Berglands rekrutieren. Die Bersaglieri werden besonders für das Zurücklegen langer Märsche in forcierter Gangart geschult, die Alpini naturgemäß mit den Verhältnissen im Hochgebirge wohlvertraut gemacht. Guten Ruf genießt die italienische Kavallerie. Ihre Offiziere sind sportlich hoch austrainierte Reiter, ihr Halbblut-Pftrde- Material ein gutes; insbesondere das Maremmenpferd, in voller Freiheit auf de» aus- gedehnten Weide« der toskani-- schen Tiefebene erwachsend, ist ungewöhnlich hart und leistungs- fähig. Seit die Italiener — den Rücken durch ihre Stellung im Dreibund gedeckt — Tripolis tanien und die Eyrenaika in Besitz genommen haben, sind sie auch Herren der Gegend, die als Urheimat des edlen arabischen Pferdes gilt: Lydiens. Italiens Streitmacht zu Lande gliedert sich in das stehende Heer (esercito permanente, i. Linie), die Mobilmiliz (milizia mobile, 2. Linie) und die Terri- torialmiliz (milizia territoriale, Z.Linie). Das Wehrgesetz ver- pflichtet zu einer 19 jährigen Dienstzeit, beginnend mit dem vollendeten 20. Lebensjahr. Die Tauglichen werden in drei Kategorien eingeteilt, deren erste und zweite acht Jahre im stehenden Heer, 7 Jahre in der Mobilmiliz zu dienen haben, indes die dritte, im Frieden dauernd beurlaubt, alle vier Jahre zu einer dreißigtägigen Ausbildung herangezogen werden kann. Die Präsenzdienst- pflicht dauert im allgemeinen, seit 1910 auch bei den be- rittenen Truppen, zwei Jahre. Das Einjährig-Freiwilligen-- recht, nicht an einen Nachweis wissenschaftlicher Befähigung, sondern an den Erlag einer Mindestsumme von 15cm Lire gebunden, stellt lediglich eine Begünstigung der vermögen- den Klasse bar und gewährt keinen Anspruch auf Erlangung der Reserve-Offiziers-Charge. Zum Zweck der Heeresergänzung ist das Königreich in 88 Militärbezirke eingeteilt, von denen 6 wieder in je zwei Bezirke gespalten sind, so daß also, entsprechend der Zahl der 94 Linien-Jnfanterie-Regimenter, auch 94 Militärbezirke bestehen. Das Ergänzungsprinzip der italienischen Armee im Frieden ist ein nationales (jeder Truppenkörper nimmt die Rekruten aus vier von seiner Friedensgarnison mehr oder minder weit entfernten Distrik- ten). Im Kriege jedoch ergänzen sich die Regimenter aus dem Bereich ihrer Friedensgarnison (regionale Ergänzung). Offiziere wachsen der Armee aus eigene» Schulen und Militärbildungsanstalten zu, sowie aus den Reihen der Reserveoffiziere, die eine besondere Prüfung abgelegt haben. Zu Reserveoffizieren ernennt der König Unteroffiziere nach entsprechendem Examen, und Frequentanten der Reserve- offiziersaspiranten-Kurse nach i2monatlicher Ausbildung mit folgender z—Monatlicher aktiver Dienstleistung (als Unter- leutnavt) bei der Truppe. Im Kriege gliedert sich die Streitmacht des apenttinischen Königreiches in 14 Armeekorps zu 2—3 Divisionen, die zu¬ sammen 24 Infanterie-Divisionen erster, 10 Infanterie- Divisionen zweiter Linie und 4 Kavallerie-Divisionen umfassen. Diese ganze Truppenmacht wird in vier Armeen eingeteilt, deren jede aus 2—4 Armeekorps und 1 Kavallerie-Division besteht. Das oberste Kommando im Krieg und Frieden hat der König. Im Frieden aber führt, wie in jedem parlamen- tarisch regierten Staat, den faktischen Oberbefehl der Kriegs- minister, dem als wichtigste Hilfsorgane zur Seite stehen: der