12 gewesen, wie man nach langer Unterbrechung wieder das tieferbauliche Mysterium von der Auferstehung des Herrn in der Kirche aufführte. Was mochte es Seligeres geben für sie, die nur dem Heiligen lebte und die hütende Schwelle nie überschritt ? Propst Einwik (1295—1313) von St. Florian hat ihr frommes Leben beschrieben und uns in dieser Vita auch Nachricht von der geschilderten Aufführung des ludus paschalis gegeben.1) Der Brauch erhielt sich jahrhundertelang. So begegnet er uns wieder, nur wenig erweitert, in der liturgischen Auferstehungsfeier im Kodex XI, 434 der Stiftsbibliothek aus dem 14. Jahrhundert. Der Text2) lautet hier folgendermaßen: In sancta nocte ante pulsacionem matutinarum clam surgitur et a senioribus summa reuerencia crucifixus cum psalmis: Domine quid multiplicati, ps. Domini est terra, ps. Domine probasti me [uisitatur]. Deinde excipitur de sepulcro cum responsorio: Surrexit pastor bonus, qui posuit animam suam pro ouibus suis et pro suo grege mori dignatus est. Aeuia, aeuia, aeuia. q H, Pez, Script, rer. austriac. II, 286 (Vita Wilbirgis). Die betreffende Stelle lautet: Item quadam nocte dominicae resurrectionis, cum in monasterio ludus paschalis tam a clero quam a populo ageremur, quia eidem non potuit corporaliter interesse, coepit desiderare, ut ei Dominus aliquam specialis consolationis gratiam per resurrectionis suae gaudia largiretur. Et vidit quasi Dominum ad inferos descendentem et inde animas eruentem, quae quasi columbae candidissimae circumvolantes ipsum comitabantur et sequebantur ab inferis redeuntem. Aus diesem Texte hat man auf ein ziemlich ausgebildetes Osterspiel, das die Höllenfahrt Christi enthalten habe und wenigstens stellenweise deutsch gewesen sei, schließen zu dürfen geglaubt (L. Guppenberger, Anteil Ober- und Niederösterreichs an der deutschen Literatur seit Walthers von der Yogelweide Tod bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, Kremsmünsterer Gymn.-Progr. 1871, p. 55. W. Nagl-J. Zeidler, Deutschösterreichische Literaturgeschichte. Wien 1899, p. 138 f.). Allein die Gestalt des ludus, wie er noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts in St. Florian alljährlich in der Osternacht gefeiert wurde, spricht gegen diese Vermutung. Das Volk nahm insofern Anteil, als es am Schlüsse vor dem Tedeum den deutschen Ostergesang „Christ ist erstanden“ sang, ein Brauch, der erst der zweiten Entwicklungsstufe der Osterfeiern eigen ist und ebenso eine Rücksicht¬ nahme auf das zusehende Volk bedeutete, wie die Anfügung der Szene Joh. 20, 4 (L. Wirth, Die Oster- und Passionsspiele bis zum 16. Jahrhundert, Halle 1889, pag. 4). 2) Zuerst in Langes Osterfeiern, zuletzt korrekt gedruckt bei A. Franz, Das Rituale von St. Florian aus dem 12. Jahrhundert. Freiburg 1904, p. 195 f.