Leben Deutschlands bewegte und den gerade die Arbeiterschaft als 
auf die Dauer unerträglich empfinden mußte. Die deutschen Ge- 
werkschaftsorganisationen, so jung sie waren, hatten doch längst alle 
gleichgerichteten Organisationen des Auslandes überflügelt. Ihre 
Stärke, ihr Geist, ihre Verwaltungs- und Kampfmethoden waren 
zum internationalen Muster geworden. Im Wirtschaftsleben 
stellten sie eine Macht dar, mit der das Arbeitgebertum ernsthaft 
rechnen mußte. Selbst vom Regierungstisch aus waren Worte der 
Anerkennung für ihre Leistungen gefallen. Deutschlands wirtschaft¬ 
liche Blüte gründete sich mehr und mehr aus die Arbeit der Werk¬ 
tätigen in Industrie, Lande! und Gewerbe. Die Masse der gewerb¬ 
lichen Lohnarbeiterschaft hatte ihre Intelligenz und ihre schöpferische 
Tüchtigkeit in der Aufrichtung eines achtunggebietenden Organisa¬ 
tionswesens erwiesen, ihre Vertreter in zahllosen öffentlichen und 
sozialpolitischen Körperschaften hatten ihre Fähigkeit und ihren 
guten Willen zur Mitarbeit an den Fragen des Gesamtwohls be¬ 
kundet: und die Gewerkschaften, die Träger dieser großen Aufwärts- 
bewegung, waren amtlich nur für die Statistik und die Polizei vor¬ 
handen, Gesetzgebung und Verwaltung standen ihnen mißtrauisch 
und kühl abweisend gegenüber, man überwachte sie und erschwerte 
ihnen die Arbeit, ja man entschloß sich nicht einmal dazu, die Be¬ 
strebungen zurückzuweisen, die die Zerstörung der gesetzlichen Grund- 
lagen des gewerkschaftlichen Wirkens zum Ziel hatten. Dieser 
Widerspruch erschien im gleichen Maße zeitwidriger, wie die Ge¬ 
werkschaften wuchsen an äußerer und innerer Kraft, er mußte darum 
das Verhältnis zwischen den Organen des öffentlichen Wesens und 
den Gewerkschaften um so unleidlicher gestalten, je länger er anhielt. 
Der Gewerkschaftskongreß von 1914 war ein Zeugnis, wie sehr 
dies Verhältnis auf Lochspannung stand. 
Am so überraschender mußte darum das Verhalten der Ge¬ 
werkschaften bei Ausbruch des Krieges wirken. 
Am ersten Mobilmachungstage traten die Vertreter der Zen¬ 
tralverbände in Berlin zu einer Konferenz zusammen. Diese Kon¬ 
ferenz beschloß: 
1. alle schwebenden Arbeitsstreitigkeiten sofort aufzuheben; 
2. neue Lohnbewegungen nicht einzuleiten; 
3. die Geldmittel und den Verwaltungsapparat der Organisa- 
tionen so weit wie möglich in den Dienst der sozialen Kriegs- 
sürsorge zu stellen. 
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