Die Eroberung von Osel \9\7 Es war ein herrlicher Herbst in diesem Jahr. In den livländischen Wäldern stand der herbe Duft nordischer Rräuter. Die Sonne verschenkte, schon abschiednehmend, ihre letzte Wärme. Die Soldaten lagen auf den Dünen und verfolgten bis zum Horizont den weißen Rüftenstreifen; sie schlenderten zwecklos durch die Wälder und machten sich auf Acker und Feld zu schaffen. Die Offiziere sagten, man müsse sich jetzt wieder eingraben, damit man für den Winter rechtzeitig gerüstet sei. Aber die Gräben blieben in einem kläglichen Zustande. Es war ein geheimer widerstand, ein widerwilliges Zaudern in der Truppe. Man wollte nicht wieder in die Erde hinunter. Man wollte sich nicht vor diesen Revolutionshelden verkriechen, die, wenn man sie anpackte, wie die Hasen liefen. Die Generale hinten hatten in diesem Herbst ihre Gorgen. Das Jahr ging zu Ende, und die russische Armee, auf deren Selbstauflösung man so glühend hoffte, stand immer noch fest. Ludendorff drängte, er brauchte die Ostarmee dringend für den Westen. Die Dinge trieben dort zur letzten Entscheidung. Indessen, für eine weitreichende Offensive war es bereits zu spät im Jahr geworden. Höchstens zu einem kurzen zweiten Schlag mit beschränktem Ziel reichte die Zeit noch. Es gab eine große Überraschung. Eine Unternehmung zusammen mit der Flotte! — Zur See würden sie fahren. Sie freuten sich wie die Rinder. vlun winkte doch noch einmal das Abenteuer. Neugierig spazierten sie am Libauer Hafen herum, bewunderten die mächtigen Transportdampfer, die an der Raimauer angelegt hatten, ließen sich von den Blaujacken alles erklären und redeten bald so klug wie alte Seebären. Auf den gewaltigen Hafenmauern, die weit hinaus in die See führten, standen sie. Zu ihren Füßen brandete das Meer. Torpedoboote und Minensuchboote zogen mit langen Rauchfahnen hinaus, nach worden. Die Rameraden von der Marine erzählten, daß die Ostsee durch Minen verseucht sei. Minensuchflottillen und Räumdivisionen mußten die Wege nach Osel und in den Rigaschen Meerbusen, wohin die Schlachtflotte so bald als möglich vorstoßen sollte, säubern und freihalten. Es war eine schwere und nervenaufreibende Tätigkeit. Die Besatzungen der kleinen Fahrzeuge, die oben an Deck das Gerät bedienten oder unten an den Maschinen oder vor den Feuern standen, mußten jeden Augenblick darauf gefaßt sein, daß ihr Schiff auf eine den Suchnetzen ent¬ schlüpfte Mine stieß und in die Luft flog. Sie waren Helden stiller Pflichterfüllung. Aber den Ruhm ernteten nicht sie, sondern die Rameraden, die auf den großen Schiffen zur Schlacht hinauszogen oder die auf den U-Booten oder Torpedobooten nach erfolgreicher Fahrt in den Hafen zurückkehrten. Vielleicht übertrieben die Seeleute ein wenig, wenn man ihnen glauben sollte, dann wimmelte das Meer von U-Booten, und dahinter lag die ganze russische Flotte auf der Lauer. Die Musketiere hörten still zu. Sie spähten hinaus auf die See, ob nicht bereits das Sehrohreines U-Bootes in der Ferne auftauche. — wochenlang verzögerte das schlechte Wetter den Beginn der Unternehmung. Schon dachte man an¬ gesichts der späten Jahreszeit daran, sie aufzugeben. Die Ungeduld stieg aufs höchste. Da änderte sich im letzten Augenblick die Wetterlage, die nördlichen winde schlugen nach Süden um, und die Minenräu¬ mung konnte rasch zu Ende geführt werden. Am p. und ls. Oktober bestiegen die Soldaten die Schiffe. Bis zum Rande waren die Schiffsbäuche gefüllt mit Soldaten, Ranonen, wagen, Pferden und Proviant. Ein feindliches Torpedo, eine Mine, die der Sturm losgerissen hatte und die zu unrechter Zeit in die Fahrtrinne trieb, würde reiche Beute finden. — In endlos langer Riellinie fetzten sich die Schiffe am H. Oktober 1917 auf Osel zu in Bewegung, voraus wieder die braven Minensuchflottillen und Räumungsdivisionen, um die Transportstraße noch einmal abzusuchen. Dahinter Torpedobootsflottillen mit Infanterie an Bord, die rasch als erste an Land geworfen werden sollte, um die Landungsstellen für die Transportflotte zu gewinnen und die Ausladung zu decken. Dann kamen die Rolosse der Gchlachtflotte, bereit, sich auf die russische Flotte zu stürzen, wenn diese es wagen sollte, die Transportbewegung zu stören. Am Ende schließlich die dicken schweren Rauffahrteischiffe mit ihrer kostbaren Ladung an Menschen und Gerät, zu beiden Seiten begleitet von kleinen Rreuzern und Torpedobooten, die auf der Suche nach U-Booten wie Jagdhunde hin und her flitzten. ll