73 fürchtete sie. Sie schloss mit der Mutter einen kleinen Geheimbund gegen ihn. Unschuldig und nicht unedel in seiner Art. Aber sie gewöhnte sich daran, im Ueberlisten nichts Böses zu sehen. So manchen kargen Leckerbissen verbargen sie vor ihm. Weil er »eh nur greinat«. Und weil er »ja a an an Sunntag ins Wirtshaus geht und d’ Muatta a ganze Woch’n nix Guat’s net hat«. — Sie gewann die alte, kranke Frau immer lieber, seit ihre eigenen, jungen Schultern einen Teil nur ihrer Sorgenmühe zu tragen hatten. In ihrem guten, rasch verstehenden Gemüte ahnte sie die ganze grosse Bürde, die das arme, stille Weib, lebenslang geschleppt. Die Mutter wurde immer schlechter. Und eines Tages starb sie. »’s Wasser hat ihr ’s Herz austränkt«, sagten die Leute. — Dieses Gerede quälte die Mali besonders. Denn immer verband sich damit die Vorstellung einer schmutzigen Flut, die steigt und schwillt und über einem Herzen zusammenschlägt, das blutigrot ist wie jenes, das der heiligen Maria auf die Brust gemalen ist. Und es schliesst alles ein, was sie bisher an Liebe genossen und sie spürt seine Not.. . Bis in die Träume hinein verfolgt sie das Schreckbild. Wenn sie erwacht, fliegen ihre Pulse und der Schweiss steht in schweren Tropfen auf ihrer Stirne — — Die Mali trauerte am längsten um die Tote. Aber die Zeit ging auch darüber hin . . . Die mageren eckigen Formen des jungen Mädchens begannen sich zu runden. Die Kleider wurden ihr eng. Ihre blassen Wangen bekamen jene zartrosige Farbe, die Knospen haben, wenn sie die Hülle sprengen. Wenn sich die Genossinnen ihre Liebesgeschichten erzählten, dann horchte Mali aufmerksamer zu. Die Mysterien der Geschlechter zweisamkeit waren ihr früh und mit derber Umstandslosigkeit enthüllt worden. Trotzdem blieb sie gedankenkeuscher, als so manche der »Behüteten ihres Alters«, deren Phantasie durch einer Wucht von unvernünftig langer Geheimnistuerei erregt blieb. Was sie jetzt erlauschte, war nicht mehr, als sie schon wusste. Aber nur rieselte es ihr so seltsam dabei über den aufblühenden Leib. Wenn sie dann aus dem öden Saal, aus der tabakdunstigen Luft hinaustrat in den. Sonnenschein, wenn sie an müssigen, heiteren, ge schmückten Menschen vorüberschritt, dann quoll es heiss und ver langend auf in ihr: auch einmal leben, geniessen — und einen Menschen haben, der zärtlich ist mit ihr und lacht und scherzt und