16 diesem evangelischen Märtyrerblut, das blinder Haß vergossen hatte. Luther war tief erschüttert und beschämt durch diese opferfreudige Treue seines Schülers. „Ich Unglücklicher", schreibt er, „wie wenig komme ich unseren: Leonhard gleich, ich, der ich mit vielen Worten predige, diesem mächtigen Täter des Wortes! Er heißt billig nicht ein König bloß, sondern ein Kaiser, weil er denjenigen besiegt hat, dessen Macht keine aus Erden gleich kommt — er ist ein rechter Leonhard, das heißt Löwenhart." In einer Zeit tiefster äußerer und innerer Anfechtungen wurde Luther der Heldenmut dieses Mannes zu einem Erleben, öffnete sich der Wunder born dieses Dichtergenius zu dem gewaltigsten seiner Lieder, das gleich wuchtig in Text und Vertonung, seither durch die ganze evangelische Christenheit erklingt: „Ein feste Burg ist unser Gott!" Die Wildwasser des Inn haben längst jede Spur der einstigen Richt- stätte verwischt. Die herrlich ausgegangene Saat jener evangelischen Früh lingszeit ist hundert Jahre später (1626) durch die römische Hochflut in der Gegenreformation, die unser Volk zum Märtyrertum um Glaube und Heimat weihte, fast restlos vernichtet worden. Seit dem 15. August 1927 ist aber der Name Kaisers wieder lebendig geworden, steht vor den Mauern Schärdings, unweit der alten Richtstätte an: Ufer des rauschenden Inn ein ebenso schlichtes wie würdiges Denkmal aus harten: oberösterreichischen Granit mit eingefügter Marmortafel, welche in Reliesarbeit ein von einer Dornenkrone umranktes, von Flammen um- lohtes weißes Kreuz zeigt und darüber im Halbkreis: „Ein feste Burg ist unser Gott!" (Abbildung Seite 84.) Unvergeßlich für alle Teilnehmer gestaltete sich die feierliche Ent hüllung dieses Denkmales. Heiliger Ernst wuchtete auf der großen Volks menge, feierlicher Choralgesang stieg zum wolkenverhängten Himmel, die Gedächtnisrede pochte an aller Herzen. Da sielen die Hüllen des Denk males, brach die Sonne aus dem Gewölk, erklang angesichts des aus Flammen ragenden Kreuzes weihevoll und ergreifend, vom Männergesang verein Schärding gesungen, das Lied, das vor vierhundert Jahren das Volk an dieser Siegesstätte gesungen hatte: „Komm, heiliger Geist, Herre Gott!" — stimmte die Menge, von einem Bläserchor begleitet, zum Schluß das mit Leonhard Kaisers Tod aufs innigste verknüpfte Lutherlied an: „Ein feste Burg ist unser Gott!" So lebt Leonhard Kaisers Märtyrergestalt in Luthers gewaltigem Liede unsterblich fort, sind Luther und das Landl auch durch die Ent stehungsgeschichte dieses Liedes für immer verbunden. Sommersonnenwende Auch die evangelische Kirche Oberösterreichs hatte einen Sommer, freilich nur einen kurzen und dazu von schweren Wetterstürmen unter brochenen, die eisig durchs Landl fegten, wie Vorboten eines frühen Winters. Die Evangelischen hatten noch nicht einmal volle Religions-