I „Reiz' mich ja nicht; wenn Du noch einmal fragst —" Drohend hob er die geballte Faust. „Jedoch wozu rege ich mich auf? Weibergeschwätz — Was schreibt eigentlich unser Junge?" IV. Der Brief enthält nur die kurze Nachricht, daß Josef am nächsten Tage in's Vaterhaus zurückkehrt. Er hat die Ackerbauschule mit dem besten Zeugniß verlassen und eine Ehrengabe erhalten. , Beide Eltern freuen sich, jedes auf seine Art. Aber die Freude bricht nicht so recht durch, sie trägt etwas Schmerzliches mit sich. Gleichmütigkeit und Ruhe des Herzens ist die unerläßliche Bedingung für Freude, und diese Bedingung fehlt Beiden. , r,. Ein stiller, trüber Nachmittag brach herein. Bauer Krahkamp verriegelte sich in seinem Zimmer und ließ die Bäuerin mit einer Fluth von trüben Gedanken allem zurück. Wie im Traum schritt sie durch Stallungen und Scheunen, die nunmehr wieder unbestritten dem alten Herrn gehörten, um die nothwendigsten Arbeiten zu verrichten. Die leeren Viehstände würden sich dald wieder füllen, in den halbdunklen Scheunen das lustige Geplauder von Knechten und Mägden erklingen. Alles wieder würde werden wie einst — aber mit ihr war in der letzten Zeit eine Veränderung vorgegangen, die bleibend war. Wenn sie früher am Abend vom Thor der Außen¬ mauer des Heidehofes das Gesinde im langen Zuge aus den Feldern hatte heim¬ kehren sehen, auf denen der goldene Abendschein schimmerte, während fernher die Glocken klangen, dann waren ihr, der rauhen, arbeitsfreudigen Bäuerin wohl schon die Thränen reiner Freude in's Auge geschossen, hatte gerechter Stolz ihr Herz ge¬ schwellt ; so würde es nie mehr sein ! Jetzt war der arme Taglöhner, der mit ferner Familie von Brod und Kartoffeln lebte, reicher und glücklicher wie sie; fern armes Mahl, feine schlichte Habe war sein Eigenthum, dessen er sich freuen konnte, weil er es selbst im Schweiße seines Angesichts erworben hatte. Aber in ihrem Herzen würde der Verdacht nie schwinden, daß Krahkamp's Geld, das ihn und seinen Hof in letzter Stunde gerettet hatte, unrecht erworben sei. Von Tag zu Tag würde der Verdacht fortleben und an ihr zehren wie ein Vampyr —. Gegen Abend kamen schon Mägde und Knechte, die außer Arbeit waren und sich dingen lassen wollten; sie miethete diejenigen, welche ihr tauglich schienen. Es mußte ja doch geschehen, und sie wollte nicht mehr allein sein. Die Einsamkeit war ihr furchtbar geworden. .. , n , Das neue Gesinde erhielt sofort einen Imbiß und bald herrschte buntes Leben in der Küche. Für die Knechte war ein Faß Braunbier herbeigeschafft worden, und nicht lange dauerte es, bis aus den rauhen Kehlen der Trinkenden eines der schwer- müthigen Volkslieder ertönte, die jener Gegend eigen sind. Am Fenster aber saß die Bäuerin und sah ins verglimmende Abendroth, während stille Thränen auf ihre krampfhaft gefalteten Hände niedertropften. , , Die Lampe wurde angezündet. Schon verlief sich der eine oder andere Knecht und ging an seine ihm zugewiesene Arbeit. Draußen windete es heftig, und bald schoß der Regen in Strömen hernieder. , . . . : In diesem Augenblick verwandelte sich das langgezogene, winselnde Geheul des Hofhundes in ein kurzes, wüthendes Gebell. . Herrjeh, Fremde!" rief der Großknecht, der eben die letzte Neige ans dem schiefgehaltenen Faß in fein Glas rinnen ließ. Er ging zur Thür und öffnete die¬ selbe; das Dunkel schien wie eine schwarze Riesenwelle durch den Thürrahmen ettv zudringen.