123 Nun ist es gerade ein bedeutender öster reichischer Künstler und Kunstgelehrte, RUDOLF von LARISCH, welcher in den letzten Dezennien ebenso wie englische Künstler, wie die Keimscott- und die Doves- presse, eine sehr verdienstvolle Reform der Schrift in künstlerische Richtung an ge bahnt, auf geistreiche und temperament volle Weise für sein genetisches, histori sches und kunstphilosophisches System, für seinen Lehrsatz vom materialgerechten Schreiben u. s.f. in Österreich und Deutsch land Schule gemacht, gekämpft und durch schlagende Erfolge erzielt hat, leider aber auch viel mißverstanden worden ist. Er hat darauf hingewiesen, daß das ganze Satzbild einheitlich, künstlerisch und ornamental gestaltet werden kann. Die Schrifttypen Lucian Bernhards, Paul Behrens, Otto Eckmann, F. K. Ehmke, Hupps Neudeutsch, Walter Tiemann, J. R. Weiß, Kleukens, Rudolf Koch u. A., kurz der ganze Reichtum der Gegenwart an reizenden, das Auge entzückenden Schrift typen basieren alle auf den grundlegenden Arbeiten von Larisch. Sein erster Erfolg lag bekanntlich schon darin, daß er Ein heitlichkeit und eine künstlerische Note als erster in die Schrifttypen, in ganze Schriftsätze und in deren Gesamtwirkung gebracht hat. Und wie entzückend sind Z. B. die von Max Klinger in der Brahms phantasie, in den radierten Zyklen, im Menzelblatt u. A. gebrauchten künst lerischen Schriftzeichen! Es ist auch Zweifellos, daß Schriftzeichen sich ebenso gut ornamental und dekorativ verwenden lassen, wie andere ornamentale Elemente, wie Mäander, Akanthusblätter, Perlenstäbe, wie Tier- und Menschengestalten u. A. Aber es muß beachtet werden, daß dies alles doch nur dort geschehen kann, wo man damit auf eine Nebenwirkung aus geht, wie es schließlich doch bei jedem Ornament der Fall ist, aber nicht dort, wo die Schrift, richtiger der Text, die Haupt sache ist und auf den ersten Blick schnell leserlich sein muß, wie beim Plakat. Es ist schon erwähnt worden, daß die Leh ren von Larisch mißverstanden worden sind und daß seine Warnung vor der „brutalen Leserlichkeit“ gerade beim Plakat hie und da Schaden angestiftet hat. So manche Typen seiner Schüler sind originell erdacht und künstlerisch reizvoll. Aber die massige Umformung altgewohnter Typen, das Zu sammendrängen der Schrift auf dekorative Flecke, der Blocksatz in geometrische Figuren, auf nach unten gestellte Dreiecke, das Einzwängen auf menschliche Konturen, auf freistehende Ornamente u. dgl. — das übrigens schon Alb. Dürer bekannt war und auf der Leipziger Buchgewerbeausstellung auch in Drucken des J6. Jahrhunderts zu sehen gewesen war — all das mag, be sonders die ersten Male, überraschend gewirkt haben, ist auch zweifellos überall dort künstlerisch berechtigt, wo die Schrift bloßer Schmuck, also Nebensache sein soll — aber gewiß nicht beim Plakat. Anhängen der Lettern an ganz überflüssige Zeilenlinien, Transparentschriften, mit un motivierter und das Auge verletzender schwarzer Ausfüllung der Zeilenabstände,