§ 83. Die letzte Thoraredaktion Volke das Verlangen nach Synagogen, in denen ein mehr dem per sönlichen Gefühle zusagender Gottesdienst eher möglich war als in dem Haupttempel mit seiner zahlreichen Priesterschaft, seinen pracht vollen Levitenchören und seinen prunkvollen Opferdienstzeremonien. Die Synagogen waren jene Versammlungen der „Frommen“ („Kehal chassidim“), von denen in den Psalmen die Rede ist 1 ). Es waren dies nicht nur Bethäuser, sondern auch Lehrhäuser. Hier wurden periodisch bestimmte Kapitel aus der Thora vorgelesen, denen zum Schluß Abschnitte aus den Propheten folgten. Die Andachtsstimmung kam in dem Gesang von religiösen Hymnen oder Psalmen unter Mitwirkung der ganzen Gemeinde zum iYusdruck; vielleicht wurden schon zu jener Zeit manche der Gebete volkstümlich, die nach der Überlieferung von der Großen Versammlung verfaßt worden sind (§ 81). Vermutlich hatte die demokratische Geistlichkeit der Soferim in den Synagogen und religiösen Zirkeln dieselbe Stellung inne, welche die offizielle Priesterschaft der Kohanim und der Leviten am Jeru salemer Tempel einnahm. Die Soferim waren die wahren Lehr meister des Volkes. Sie verbargen nicht ihr Wissen wie die Priester, verwandelten es nicht in ein Berufsgeheimnis, um sich von der un aufgeklärten Volksmasse abzuheben, sondern strebten im Gegenteil danach, dieses Wissen allen Schichten des Volkes ohne Ausnahme zugänglich zu machen. Ihnen war es zu verdanken, daß die Syn agoge zu einem Schulhause, die Thora und die anderen alten Bücher zu Werkzeugen der Volksaufklärung wurden. Die „Schriftgelehrten“ befestigten im Volke die Macht der Schrift und entwanden so den Priestern das ausschließliche Vorrecht der Ausschöpfung der Re ligionsquellen. Ein mit der Thoraschrift wohl vertrauter Laie war nicht mehr blindlings der Autorität des Klerus ausgeliefert. § 83. Die letzte Thoraredaktion Der bis zu uns gelangte Thoratext (das Gesetz, der Pentateuch) hat sich im Laufe von Jahrhunderten aus einer Reihe übereinander - geschichteter Rezensionen herausgebildet, die in verschiedenen Zeiten 1 ) Psalm i4g. In einem Psalm aus der Makkabäerzeit werden die Synagogen „gottgeweihte Versammlungen“ („Moade El“, Psalm 74, 8) genannt. 4i5