Art. 30. Außergerichtliche Festnahme des Zechprellers ist erlaubt. „Swer ainem sin phenning uz trait, chumt er nah im gelauffen und ziuchet in hin wider, wert er sich sin und geschieht im iht da von, da ist er niemm iht umb schuldikch“. uz tragen: s. art. 15; widerziehen: zurückziehen, zurückhalten; sin: sein — eius, abhängig von sich wehren; wern: sich wehren gegen; niemm: niemen, nieman; hier Dativ. Der Artikel ist eine Fortsegung zu art. 15. Nachdem schon im mittelalterlichen Wirtshausbetriebe Barzahlung die Regel und Kostgeld- schulden rechtlich privilegiert waren, räumen zahlreiche Stadtrechte dem Wirte die Befugnis ein, den Gast, der die Gaststätte ohne Zahlung verlassen wollte oder zahlungsunfähig war, bis zur Leistung der Schuld zu arrestieren. Er hatte den Fremden gleichsam auf handhafter Tat ertappt und daraus ergab sich sein Recht, den Schuldner auch ohne Gerichtshilfe zu verfolgen, den ihm gegenüber Friedlosen zu ergreifen und selbst mit Anwendung von Gewalt zurückzubringen, wie es unsere Stelle ausspricht. Die Entsprechungen in anderen, etwa gleichzeitigen deutschen und österreichischen Stadtrechten bei Planig (a. a. O., 332, Anm. 108). In manchen Städten!) wird nur die Pfändung der vor- rätigen Habe im außerprozessualen Verfahren erlaubt und dies ist überhaupt meist der Standpunkt späterer Rechtsquellen bis ins 19. Jahr- hundert?). Es ist dabei in erster Linie auf die Befriedigung des Gläu- bigers abgesehen?). Der Zusaß der St. Pöltener Fassung zum Passauer Texte „ee daz er in ains andern mans haus kumbt“%) besagt, daß die gewaltsame Verfolgung durch den Wirt, also das außergerichtliche Verfahren, mit der Aufnahme in einen fremden Hausfrieden ihr Ende findet. Wer den Zechpreller aufnahm, mußte für ihn dessen Schulden zahlen oder ihn ausliefern®). War der Gast wider Willen des Wirtes entflohen, so konnte dieser, wie art. 15 lehrt, im ordentlichen Verfahren gegen ihn wegen Austragens des Kostgeldes vorgehen. *) So München (StR. von 1340, art. 110), Augsburg (StR. von 1276, art. 139), Bamberg (StR. von 1306 $ 123). ?) Auch das Bürger]. Gesegbuch $ 704 gesteht dem Gastwirte ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Gastes zu. °) Vgl. auch Planig, a. a..O., 334 f. *) Winter, StR. von St. Pölten $ 27. 5) StR. von München 1340, art. 180; von Memmingen 1396, art. 14 (v. Frey- berg, IV, 266). 15 113