uns vorerst klar zu machen haben, woher der Krieg gekommen ist. Daß wir dabei nicht beim Attentat von Sarajevo und unserem Streitfälle mit Serbien stehen bleiben können, ist selbstverständlich; wir müssen uns klar machen, wie es kommt, daß Europa lieber sich selbst zerfleischte, als daß es die Strafe über die fluchwürdigen Mörder und die Anstifter des Mordes verhängen ließ. Wir dürfen auch nicht bei der Frage stehen bleiben, welche persönliche Schuld am Kriege diesen oder jenen Großfürsten oder Minister oder Botschafter trifft; wer immer genannt werden mag, so ver¬ mochte keiner aus eigener Kraft die Welt in den Krieg zu stürzen. Was sie alle getan haben, konnten sie nur tun, weil ungeheuere Volkskräfte zum Kriege bereit standen. Wenn Bismarck von sich gesagt hat, daß er nicht mehr als der Steuermann war im Strome der Volkskraft, so gilt dies gewiß auch von den Staatsmännern unserer Gegner, sie stehen im Dienste der großen Strömungen, die in Rußland, in England, in Frankreich, in Italien in Bewegung sind, und über diese Strömungen müssen wir uns klar werden, wenn wir den Ursprung des Krieges und seine Ziele erkennen wollen. Dazu brauchen wir die Geheimakten der Kabinette nicht zu lesen. Die großen politischen Strömungen sind von Massenkräften getrieben, welche der Beobachtung ohneweiters offen sind. Wenn wir ihre Gesetze deuten können, so eröff¬ nen sich uns die Lehren des Krieges. Wir beginnen mit Rußland, weil seine Verhältnisse die durchsichtigsten, die einfachsten sind; freilich sind sie entfernt nicht so einfach, wie es die naive Volksmeinung denkt, die naive Volksmeinung, die auch die von sehr vielen Gebildeten ist, denn mit der Bildung von heute, literarisch und technisch so hoch, verträgt sich ein wohlgemessenes Stück politischer Anbildung. In einer politischen Kinderfibel wäre die Volks¬ meinung über Rußland mit wenigen Konturen einzuzeichnen: oben das eine Väterchen Zar und unten die weite Masse der vielen Millionen, vom Selbstherrscher aller Reußen despotisch regiert; nach der Volksmeinung hätte der eine Wille des 11