Die Religion und das absolute Wissen. 417 1. Der Kultus. Das abstracto Kunstwerk. In dem Tempel erscheint die menschlich geformte Bildsäule des ■ Gottes, nicht als dunkles Naturwesen, nicht in titanenhafter Ungestalt, sondern in olympischer Klarheit und Schönheit. Wie sich auch die Menge dazu verhalte, bewundernd und verehrend, anbetend und opfernd, oder auch einige mit Kennermiene urtheilend und meisternd: der Künstler ist der Schöpfer und Meister und fühlt sich als solcher. Das stumme Kunstwerk ist kein Gegenstand des Kultus. Soll der Gott in seiner Gemeine gegenwärtig sein, wie es der Kultus fordert, so müssen beide Seiten durch die Sprache geistig beseelt werden: die Sprache der andächtigen Gemeinde ist der hymnische Gesang, die Sprache der Götter sind die Orakel und, wie Antigone gesagt hat, jenes sichere, ungeschriebene Gesetz der Götter, das ewig lebt und von dem niemand weiß, von wannen es erschien. Aber „in der Nacht, wo die Substanz verrathen ward und sich zum Subject machte", haben auch die ewigen Gesetze des Wahren und Guten aufgehört die Sprache der Götter zu sein, und das Selbstbewußtsein, das wissende Denken ent hüllt sich als deren Quelle. Die Orakel bleiben bei den Göttern, und bei den Orakeln sind nicht die allgemeinen Wahrheiten, sondern die besonderen Angelegenheiten des Volks und die nützlichen Rathschläge, die das Zufällige und Besondere betreffen. „Wie jener Weise des Alterthums, was gut und schön sei, in seinem eigenen Denken suchte, dagegen den schlechten zufälligen Inhalt des Wissens, ob es ihm gut sei, mit diesem oder jenem umzugehen, oder einem Bekannten gut, diese Reise zu machen, und dergleichen bedeutungslose Dinge dem Dämon zu wissen überließ, ebenso holt das allgemeine Bewußtsein das Wissen vom Zufälligen von den Vögeln oder von den Bäumen oder von der gährenden Erde, deren Dampf dem Selbstbewußtsein seine Besonnenheit nimmt; denn das Zufällige ist das Unbesonnene und Fremde, und das sittliche Bewußtsein läßt sich also auch, wie durch ein Würfeln, auf eine unbesonnene und fremde Weise darüber be stimmen." * Der andächtige Hymnus ist keine Handlung und hat kein fort dauerndes gegenständliches Bestehen. Beides gehört zum Kultus. Die wirkliche Handlung ist das Opfer der Thiere und Früchte, die Hin gabe eines Besitzes, die sich aber durch das Opfermahl wieder aufhebt - Ebendas. S. 514-518. Fischer, Gesch. d, Philos. VIII. N. A. 27