152 aller Hader und Nationalitätenstreit ruht. Hier ist der starke Wall, die geheiligte Grenze, welche der Hader nicht überschreitet. In ernsten und düstern und wieder in hellen, frohen Tagen kam der Kaiser nach Böhmen und immer fand er denselben innigen Empfang bei all’ seinen Unterthanen. Das hundertthürmige Prag, die altehrwürdige Stadt, war immerdar die Getreue dem Hause Habsburg und durch die Generationen hat sich die Treue vererbt, unbeirrt und unbekümmert durch die religiösen und nationalen Streitigkeiten, welche das alte, vielgestaltige Culturland durchtobten. Oft harrte die Stadt Prag jahrelang mit Sehnsucht auf die Nachricht, dass der Kaiser nach Böhmen und in die Hauptstadt kommen werde, und wenn er kam, zeigte sich ihm die Stadt in ihrer ganzen Schönheit. Und wie viel Lob hat die Schönheit, die historische Herrlichkeit dieser Stadt, nicht schon erfahren! Ihres Lobes voll sind alle bedeutenden Besucher, die ein Verständnis hatten für den wundervollen Zusammenklang einer vielbewegten Vergangenheit mit der lebendigen Gegenwart, wie er in der äusseren Erscheinung dieses Stadtgebildes zum Ausdrucke kommt. Voran in dem grossen Kranze ihrer Bewunderer steht der Altmeister Goethe, welcher bei dem Anblick von Prag den bekannten Ausspruch that: »Prag ist in der Mauerkrone der Erde kostbarster Stein!« Es gibt in der That keinen Ort, der in seiner äusseren Erscheinung grossartiger, Ehrfurcht gebietender auftritt, als die Hauptstadt von Böhmen. In vielen anderen Hauptstädten malt sich uns ihr Leben nur aus der Vogelperspective, oder aus der Ferne, gross; ihre Herrlichkeit verschwindet aber bei näherer Beleuchtung. In Prag hingegen PRAG; IN DER AUSSTELLUNG. * 1 strömt uns der Farbenglanz der Erinnerung überall frisch entgegen und die Vergangenheit hat die Fülle der Gegenwart zur Folie. Prag ist wie ein hundertjähriger Greis, aus dessen Gang ein rüstiges Mannesalter schimmert. Wenn Wien vorzugsweise den Charakter der Grösse und stattlicher Wohlhabenheit hat, so ist Prag die »Königliche durch Alterthum, Bauart und Natur zugleich«. Und als die Stadt sich rüstete, um den Kaiser zu empfangen, als das Geläute von den hundert Thürmen zusammen klang mit dem Donner der Kanonen vom Vyschehrad und Hradschin, als die sämmtlichen Häuser und die alten Paläste sich schmückten mit Fahnen, Flaggen und Blumen und die Landes ausstellung mit den originellen Bauten sich öffnete und die ab- und zuwogende freudig bewegte Menschenmenge die Gassen erfüllte, da hatte Prag seine schönsten Festtage, seine historischen Kaisertage. Am 26. September 1891 hielt der Kaiser seinen Einzug. In der Frühe lag ein dichter Nebel über der Stadt; ängstlich wurde er beobachtet: wird er Regen bringen oder Sonnenschein? Und er brachte Sonnenschein! Allmählig hob sich das Nebelmeer; es wegte und wallte über den bewegten Gassen und dann stiegen die Thürme, die Zinnen, die Triumphbogen siegreich empor aus dem bunten Gedränge. Es bot sich jetzt dem Auge ein reiches, fantastisches Schauspiel. Modern war das Bild und alterthümlich * i, Carl Max Graf Zedwitz.