Man versuche einmal, den französischen Dationalcharakter in (einen wesentlichsten Cebensäufeerungen vorurteilslos zu betrachten und man wird finden, daß ein durchgehender Grundzug der Jranzojen die Pedanterie ist. Sie haben sich eine Sprache geschaffen, die ganz vor¬ züglich zum Reden und Schreiben geeignet ist. 6s ist eine Sprache, in der es unmöglich ist, schlecht zu schreiben: man hat nur die Mahl, ein korrektes und schönes Französisch zu schreiben oder ein gänzlich unverständliches, lächerliches und absurdes, also gar kein Französisch. Uber es ist zugleich eine Sprache, in der es unmöglich ist, natürlich zu schreiben. (Ebenso unmöglich, individuell zu schreiben. Und eben¬ so unmöglich, groß zu schreiben. Sie haben die klassische Cragödie geschaffen, in der es unmöglich ist, unklar, unübersichtlich, verworren zu dichten. Jlber ebenso unmöglich, plastisch, lebendig, differenziert zu dichten. Sie besitzen eine philosophische Terminologie, in der es unmöglich ist, unlogisch und dunkel zu denken, aber ebenso unmög¬ lich, verwickelt und tief zu denken. Sie sind die Gründer einer bis ins Kleinste zentralisierenden Uerwaltung, ohne die die Revolution in ihren sämtlichen Stadien nicht denkbar gewesen wäre. Denn nur dieses System hat es ermöglicht, daft derjenige, der zufällig den ßaupthebel dieser ungeheueren Maschine in der stand hatte, der unbedingte Ge¬ bieter ganz Frankreichs war, so daß ein stand von fünfundzwanzig Millionen Bewohnern zuerst von einer völlig untätigen und regierungs¬ unfähigen aristokratischen Oligarchie, dann von einer standvoll hohl- köpfiger juristischer Doktrinäre, gleich darauf von einer Rotte irrsinnig gewordener Rnechte, dann wieder von einer standvoll diebischer Geld¬ leute und schließlich von dem Gehirn und (Dillen eines genialen Kon¬ quistadors beherrscht wurde. Und selbst in ihrer größten Zeit unter Ludwig XIV., als sie nicht bloß die politische, sondern auch die geistige Dormacht Europas waren, haben sie nur pedantische Schöpfungen monumentalen Stils hervorgebracht: abgezirkelte stofpoeme, stofgemälde und stofphilosophien. Methodik, Programmatik, poetische Mathematik, 29