43 Morgen helfe ich der Tante Kuchen backen, weil Donnerstag ihr Geburtstag ist. Ich spiele sehr fleißig Klavier. Vormittag machen wir täglich einen Spaziergang. Denke Dir, Inge hat mir eine silberne Armbanduhr geschenkt. Ich freue mich so darüber. Ich habe ein kleines Zimmerchen allein. Ich schlafe täglich 12 Stunden, von gh bis 9 h. Liebe Mutter, schicke mir Deine Phographie. Gestern waren wir in Herning bei einer bekannten Familie. Es ist eine ganz kleine Stadt (8000 Einwohner). Schone Dich, liebe Mutti, daß Du nicht krank wirst. Ich träum jede Nacht von Dir. Dänisch kann ich schon verstehen, aber noch nicht sprechen. Bitte heißt: versaa god (man spricht veska) Danke: tak. Das sage ich immer auf dänisch. Ich soll drei Monate hier bleiben, aber Tante will mich länger behalten, wenn Du keine Sehnsucht nach mir hast, auch die Schule ist ein gar großes Hinderniß. Du mußt es Dir halt ganz genau überlegen, mein liebes Muttchen. Onkel hat es sehr gerne, wenn ich Klavier spiele. Tante Esther schenkte mir eine däniche Fahne mit silberner Stange. Aus Herthas Tagebuch. 18. I. 1920. In Dresden ist ein wunderschöner Bahnhof. Die Deutschen waren sehr lieb und brachten uns zum Waschen warmes Wasser. 21. I. 1920. Der erste Tag in der Fremde!!! Ich bekam so viel Gutes zu essen, daß mir am Abend sehr schlecht war. Leider bin ich das gute Essen nicht mehr gewöhnt. Ich fühle immer das Bedürfnis, mich einmal ganz ausweinen zu können. Am allerliebsten möchte ich natürlich zu Hause bei meiner Mutti sein, doch das bißchen Heimweh wird sich schon geben. Sie sind ja hier alle so lieb zu mir! Heute ist es schön. Wir waren in einer Mühle. Ich möchte schon so gerne einen Brief von Mutti haben. Hier ist es völlig anders als in Wien. Viel eine bessere Luft; für Mama wäre diese Luft sehr gesund. Und viel besseres Essen. Ich helfe Tante plätten. Onkel spielt mit mir Ball. Dann turnten wir und Inge konnte 19 Mal und ich 17 Mal den Purzelbaum machen. Wir unterhalten uns immer sehr gut.