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Die Kriegführung der Gegner im Sommer und Herbst 1917.
einerseits ein Zeichen der schweren Not, in der sich Frankreich befand,
andererseits aber auch ein Beweis für die Entschlossenheit, die das fran¬
zösische Volk noch beseelte. Als Ministerpräsident und Kriegsminister zu¬
gleich verkörperte er ebenso wie Lloyd George in England den Willen
zur Fortsetzung des Kampfes bis zum vollen Endsiege.
In England hatten sich angesichts der ungeheuren Blutopser aber
geringen Erfolge der Offensive in Flandern ernste Reibungen zwischen
Lloyd George und den führenden Generalen ergeben. Da diese,
ebenso wie die französische Heeresleitung, aber auch wie einige Mitglieder
des englischen Kriegskabinetts der Ansicht waren, daß die Entscheidung
unbedingt an der Westfront gesucht und daher dort der letzte Mann ein¬
gesetzt werden müsse, hatte der Premierminister darauf verzichtet, den
Abbruch der Schlacht in Flandern zu verlangen. Ihr Verlaus schien ihm
aber zu bestätigen, daß der Krieg durch Angriff gegen die deutsche West¬
front nicht zum siegreichen Ende zu bringen, sondern daß Deutschland
nur nach vorheriger Ausschaltung seiner Verbündeten, vor allem Osterreich-
Ungarns, zu überwinden sei. In diesem Sinne war er, im Gegensatz zum
Reichsgeneralstabsches, General Robertson, und zum Oberbefehlshaber des
Expeditionsheeres, Feldmarschall Haig, schon frühzeitig für kräftige Unter¬
stützung Italiens eingetreten, um es zum Angriff auf die Donaumonarchie
zu befähigen. Mit der Herbstniederlage des italienischen Heeres war dieser
Plan zerronnen. Der Gedanke, statt dessen nunmehr die türkische Front
zum Einsturz zu bringen, ließ sich aus Mangel an Schiffsraum für den
Transport von Truppen und Gerät einstweilen nur in der beschränkten
Form des Angriffs auf Palästina ausführen.
Operativ bedeutungslose Geländegewinne an verschiedenen Stellen
der deutschen Westfront, geringfügige auch am Balkan und etwas größere
in Palästina waren seit dem Frühjahr die einzigen militärischen Erfolge
der Entente gewesen. Sie wurden völlig überschattet durch das Aus¬
scheiden Rußlands und Rumäniens, die Niederlage Italiens und schließlich
auch den Erfolg des deutschen Gegenangriffs westlich von Cambrai bei gleich¬
zeitigem Anhalten der würgenden Wirkung des Unterseekrieges und bedenk¬
licher Schrumpfung der eigenen Wehrkraft. Der östliche Arm der Zange, in
der man die Mittelmächte bisher zu erdrücken versucht hatte, war endgültig
zerbrochen. Auf Sowjet-Rußland war überhaupt nicht mehr zu rechnen,
auch die Hoffnungen auf die Ukraine entschwanden bald, nur im unbesetzten
Teile Rumäniens war die französische Militärmission einstweilen noch tätig.
Durch die Gesamtheit dieser Verhältnisse und die Abgaben an das
italienische Heer einerseits, durch das Freiwerden bisher gegen Rußland
eingesetzter deutscher Truppen andererseits war an der Front in Frankreich