Abwehrvorbereitungen der 4. Armee.
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Einschießen großen Stils habe noch nicht begonnen. Es sei auch nicht zu
erkennen, ob der Angriff gegen die ganze genannte Front oder nur gegen
einen schmalen Streifen beabsichtigt sei; der feindliche Artillerieausmarsch
passe für beides. Südlich von Warneton bis zum linken Armeeflügel
lägen keine Anzeichen für einen Angriff vor. Den neuen Schlag werde
der Feind jedenfalls planmäßig vorbereiten. „Trotz der feindlichen Über¬
legenheit sind die Kampsverhältnisse für uns günstig. Führung und
Truppe sehen mit Vertrauen der Entwicklung der Lage entgegen."
Fm Anschluß an die Besprechung wurde die Angrisssabsicht des Ma¬
rinekorps gegen den Brückenkopf von Nieuport erörtert. Tags daraus
wurde ihm das Generalkommando des Gardekorps für seine Landsront
überwiesen. Ob der vorgeschlagene Angriff durchgeführt werden solle,
hing davon ab, inwieweit Kräfte verfügbar gemacht werden konnten.
Am 27. Juni fand im Armee-Hauptquartier eine weitere Besprechung rr. g»»r.
mit General von Kühl statt, der die von der Obersten Heeresleitung unter
Übersendung eines Vorschlages der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz1)
angeregte Frage vorlegte, ob es zweckmäßig und möglich sei, die vordere
Stellung vor Beginn des Großkampfes zu räumen und zur Täuschung
des Gegners als Vorstellung beseht zu halten. Er wies darauf hin, daß es
in den seltensten Fällen gelinge, den ersten, monatelang vorbereiteten
großen Schlag wirksam zu parieren. Oberbefehlshaber und Chef des
Eeneralstabes der 4. Armee sprachen sich aber mit großer Entschiedenheit
gegen solches Ausweichen aus. Oberst von Loßberg betonte, die Armee
sei jetzt mit allem Notwendigen^) ausgestattet. „So gut hat noch nie eine
Armee vor der Abwehrschlacht gestanden. Die Truppen und alle Divi¬
sionskommandeure sehen ihr mit voller Zuversicht entgegen." Die Gründe,
die im einzelnen gegen das Ausweichen angeführt wurden, faßte die
Heeresgruppe tags darauf in einer Meldung an die Oberste Heeresleitung
zusammen. In ihr hieß es, daß ein Ausweichen bei den örtlichen Verhält¬
nissen nicht vorteilhaft sei. So weites Ausweichen, daß der Gegner
zu neuem Artillerieausmarsch gezwungen werde, komme nicht in Frage,
da man sonst die ganze Tiefe des eigenen Stellungssystems ausgeben
müsse; dabei würde eine sehr ungünstige Einbuchtung entstehen, weil im
Norden die Anlehnung an das Überschwemmungsgebiet, im Süden an
den Kanal Dpern—Comines erhalten bleiben müsse. Geringeres Ab¬
setzen vom Feinde, um wenigstens die Vorbereitungen der Engländer
gegen die I. Stellung auszuschalten, bringe empfindliche Nachteile für
*) „Über die künftige Abwehr an der Westfront" vom 14. Juni 1917.
®) In der Niederschrift über die Besprechung: „mit dem allernotwendigsten", ver¬
mutlich ein Schreibfehler.