Drängen der O.H. L. auf rasches Handeln. 635 Am 1. Oktober erfuhr sie aber von Major Freiherr von dem Bussche, den i.o«o<>«. General Ludendorfs nach Berlin entsandt hatte, um — wenn gewünscht — im Reichstage Auskunft über die Kriegslage zu geben, daß in der Frage der für jenen Tag in Aussicht gestellten Regierungs-Neubildung bisher noch nichts erreicht sei. Major von dem Bussche erhielt daher am 1. Oktober mittags den Auftrag, Vizekanzler von Payer darzulegen: Nachdem die Oberste Heeresleitung einmal den schweren Entschluß gefaßt habe, müsse sie darauf bestehen, daß keine Zeit verloren werde; man müsse sich mit der Re¬ gierungsbildung beeilen. Der Vizekanzler wollte tun, was in seinen Kräften stehe; doch sei der neue Kanzler noch nicht ernannt, und es sei auch nicht sicher, ob es ihm gelingen werde, ein Kabinett zu bilden; ob denn die Aus¬ gabe des Friedensangebots nicht hinausgezögert werden könne. Die Oberste Heeresleitung befürchtete eine Verschleppung. Daher antwortete der Generalseldmarschall selbst: Rur falls bis heute um 7—8° abends ge¬ sichert wäre, daß Prinz Max die Regierung bilde, sei er mit Aufschub des Angebots bis 2. Oktober vormittags einverstanden; andernfalls halte er dessen Ausgabe noch heute Nacht für geboten. Schon vorher aber hatte General Ludendorff in Gegenwart des Obersten Heye die Legationsräte von Leisner und von Grünau, welch' letzterer sich im Gefolge des Kaisers befand, ersucht, bei Staatssekretär von Hintze dringend sofortige Hinausgabe des „Friedensangebots"^) zu erbitten, und dabei, offenbar bewußt, um seiner Forderung Nachdruck zu geben, die Lage an der Front in besonders düsteren Farben geschildert^): Heute hielte die Truppe noch und wir seien noch in einer würdigen Lage; es könne aber jederzeit ein Durchbruch er- folgen, und dann käme unser Angebot im allerungünstigsten Moment. Er käme sich vor wie ein Hazardspieler, und es könne jederzeit irgendwo eine Division versagen. Legationsrat von Grünau fügte seiner Meldung hinzu, er habe den „Eindruck, daß man hier völlig die Nerven verloren" habe. Dieser Eindruck war zwar unzutreffend, setzte sich aber bei den Regierungs- stellen in Berlin fest. 1) gm „Friedensangebot" sollte das Waffenftillstandsersuchen mit enthalten sein. 2) Hierzu schrieb Gen. von dem Bussche im Sept. 1943: „Das Drängen Ludendorffs auf schnelle Herausgabe des Angebots hatte seinen wesentlichsten Grund darin, eine schnelle Bildung der Regierung zu erzwingen. Nur solange die Regierung noch nicht gebildet war, hielt der scharfe Druck von Spa her an. Wer den politischen Schacher um die Ministerposten pp. in Berlin miterlebt hat, wie ich es zu meinem Entsetzen tun muhte, wird das verstehen. Trotzdem machte ich von Berlin aus gegen das Drängen starte Einwände, weil ich schon sah und fühlte, wie das später ausgeschlachtet werden würde, erhielt aber von General Ludendorff am Telephon — persönlich von ihm — die Antwort: «Ich will die Politiker in Berlin zwingen, endlich zu handeln und eine aktionsfähige Regierung zu bilden. Also drängen Sie energisch weiter»". — Denselben Gmnd für das Drängen des Gen. Ludendorff gibt der damalige Maj. von Stülpnagel bereits in einer Niederschrift vom Jan. 1919 an.