-J , ! «¡OÍÍ0J1H S. r X rLlSSiViX fi _ .<
tf¿íM0.4H:>VX SXHS.-lVHZâOHdloàv:xX?:\-"îOTài\^
IKMHHIIJ AUW XVW.LSHHaO
mm
ifM##
sawftgisai
LEMBERG 1914
I(M H
VON
MAX FREIHERR VON PITREICH
OBERST DES EHEM. K. U. K. GENERALSTABSKORPS
■Z é? (û /
WIEN 1929
VERLAG VON ADOLF HOLZHAUSENS NACHFOLGER
UNIVERSITÄTSBUCHDRUCKER
OÖLB LINZ
llllllllll
11 +XO9859202
51103
Alle Rechte vorbehalten.
Copyright 1929 by Adolf Holzhausens Nachfolger, Wien.
Druck: Adolf Holzhausens Nachfolger, ^iversitätsbuchdrucker, Wien.
: ' ! '■$ * '
' à/àâC-
VORWORT.
Die Literatur über den Krieg hat sich mit unseren Anfangsschlachten
1914 bisher nur wenig befaßt, und wo sie es getan hat, ist dies in einer nur
wenig zutreffenden Weise geschehen. Speziell die Anfangsereignisse in Ost-
galizien und die Schlachten bei Lemberg blieben vielfach mit falschen Vor-
stellungen verknüpft. Man hat, sehr unberechtigt, diesen Kämpfen die Schuld
gegeben, daß unser Anfangsfeldzug gegen Rußland keinen siegreichen Aus-
gang gefunden hat.
Die vorliegende Arbeit hat sich die Aufgabe gestellt, eine möglichst um-
fassende Darstellung der Schlachten bei Lemberg zu geben, auf ihren Zusam-
menhang mit den Gesamtoperationen hinzuweisen und auch alles anzuführen,
was zur Klärung der dortigen Begebenheiten beitragen kann. Der Wunsch
hiezu ist schon 1914 auf den Schlachtfeldern entstanden, als die damaligen
Ereignisse plötzlich aus dem Rahmen unseres gewohnten militärischen Den-
kens heraustraten und großes, schicksalhaftes Geschehen deutlich fühlbar
wurde. Persönliche Eindrücke sind daher mit dieser Darstellung verwoben.
Als im Sommer 1919 in den Zeitungen eine Besprechung dieser Ereig-
nisse zwischen hochgestellten Persönlichkeiten stattfand, hat sich der Ver-
fasser erlaubt, auf mancherlei Umstände hinzuweisen, die für die Anfangs-
emtwicklung maßgebend waren (Dz. Armee-Ztg. vom 26. Juli 1919): auf
den Einfluß der Grenzkämpfe, das allmähliche Hinausziehen und Herum-
schieben unserer Truppen; auf das Zusammenbrechen der Grenzsicherung
und die daraus erwachsende Unsicherheit; auf die plötzlich eintretende selb-
ständige Verwendung großer Teile der 3. Armee im Räume südöstlich Lem-
berg, ohne inneren Zusammenhang mit der Hauptoperation und auf die
überhastete Durchführung des Angriffes. Die Eindrücke hierüber hatten sich
schon unter den Kriegsereignissen aufgedrängt, und gleichzeitig war damals
auch schon der Mangel an einheitlicher Organisierung der Verteidigung und
Aufklärung in Ostgalizien hervorgetreten. '
Alle diese Erscheinungen mußten auch4$ier den Schlachtenschilderungen
vorangestellt werden, weil sie den Beginn ci¿r Operationen tiefgehend beein-
flußten. N-/
Im Jahre 1923 erschien der IV. Band von „Feldmarschall Conrad: Aus
meiner Dienstzeit 1906 bis 1918" und gab einen Überblick über die seiner-
zeitigen Auffassungen und Entschlüsse des AOK., sowohl bezüglich der
Gesamtführung des Krieges als auch über die Führung in Ostgalizien. Am
interessantesten war vielleicht hiebei ^¿¿^¿amals aufgetauchte Idee des
IV
Vorwort.
Stoßes. Im Jahre 1924 erschien weiters die Broschüre des seinerzeitigen
Generalstabchefs der 3. Armee, FML. Rudolf Pfeffer, „Zum zehnten Jahres-
tage der Schlachten von Zloczów und Przemyslany", welche insofern wert-
volle Ergänzungen brachte, als sich die Ursachen der Meinungsverschieden-
heiten zwischen AOK. und 3. AK. damit wesentlich klärten.
Der IV. Band „Feldmarschall Conrad" legte gleichzeitig auch die großen
Gesichtspunkte dar, die für Anlage und Führung der zweiten Schlacht maß-
gebend waren.
1925 und 1926 erschienen dann noch die Veröffentlichungen von russischer
Seite („Daniloff", „La Grande Guerre") und ergänzten das Bild. So wurde
es allmählich möglich, über die Schlachten bei Lemberg eine abgerundete,
zusammenfassende Darstellung zu bringen, die nicht nur von historischem
Interesse sein dürfte, sondern vielleicht auch einen persönlichen Widerhall
bei all jenen findet, welche diese Ereignisse miterlebt haben.
Die Darstellung konnte sich nicht auf die Schlachtenschilderung be-
schränken, sondern mußte auch die Zusammenhänge klarlegen, die den Sinn
des Geschehens ausmachen. Deshalb mußte über die Beurteilung operativer
und taktischer Augenblickssituationen hinausgegangen und vielfach auf
unsere Friedensauffassungen zurückgegriffen werden. Doch bedurften auch
diese einer Erklärung, und so ist im zweiten Teil eine kurze, zusammen-
hängende Darstellung auf kriegshistorischer Basis entstanden. Es schien da-
bei zweckmäßig, die historische Entwicklung der Probleme durch Zurück-
greifen auf eine entferntere Vergangenheit klarzulegen, weil sich nur aus
einem konstanten Zusammenhang die Gesetzmäßigkeit erklären läßt.
Das Grundproblem des Stoßes mit seiner Eigenart als großes Kampf-
mittel, seine Rückwirkung auf den Krieg, hat Prof. Hans Delbrück in seiner
„Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte" für
frühere Zeiten geistvoll dargelegt, und von hier aus haben die Betrachtungen
sowohl im Kapitel „Kampfverfahren" als auch über „Krieg- und Schlachten-
führung" ihren Ausgangspunkt genommen. Es hat sich darum gehandelt,
diese Gedanken weiterzuführen und aus den Erfahrungen unseres Krieges
eine Verbindung mit den Erscheinungen der Schlachten vergangener Zeiten
herzustellen.
Die leitende Absicht hiebei war, alle Fragen, welche der Krieg aufwirft,
möglichst einheitlich zu erfassen und auf das essentielle Problem der Kraft-
verwendung mit seiner Rückwirkung auf Offensive und Defensive hinzu-
weisen.
Wien, im Jänner 1929.
INHALTSVERZEICHNIS.
Seite
Vorwort................................................................III
Inhaltsverzeichnis........................................................V
Skizzenverzeichnis......................................................IX
Abkürzungen............................................................X
Quellenverzeichnis......................................................XI
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe............................i
Bewegungsräume und strategische Linien................................i
Der Aufmarschraum....................................................3
Der Kriegsbeginn...................................6
Einbruch bei Zalozce....................................................8
Einbruch bei Sokal......................................................8
Die Lage am 13. August................................................8
Die Kämpfe am 14. und 15. August......................................9
Die Lage am 15. August...............................10
Die Fernaufklärung durch die Kavalleriedivisionen......................12
1. KD..................................................................12
5. HKD................................................................13
8. KD..................................................................14
4. KD.....................................15
24. HKBrig..............................................................17
2. KD..................................................................18
Resultate..............................................................20
Anfangslage und Grenzkrieg auf russischer Seite........................22
Die erste Schlacht.........................................26
Die Entwicklung der Operationen beim AOK. und 3. AK................26
21. August ......................................................28
22. August............................................................28
23. August............................................................3°
24. August............................................................3°
25. August................-..........................33
Die Anmärsche der Korps ..............................................35
III. Korps ..................................................35
XII. Korps............................................................37
Ii. ID.............................................39
XI. Korps ............................................................41
Die Operationen auf russischer Seite....................................41
Die Kämpfe ............................................................43
b*
VI
Inhaltsverzeichnis.
Seite
2 6. August......................................^
III. Korps..........................................................43
XII. Korps..........................................................46
XI. Korps.............................
Abendhge..........................................................49
27. August............................................................52
XI. Korps....................................£2
III. Korps....................................................^
XII. Korps..........................................................54
26. und 27. August auf russischer Seite....................................56
28. August..............................
29. August............................................................58
30. August............................................................60
28. bis 30. August auf Feindesseite.............................64
Die Ereignisse und Kämpfe im südlichen Teil Ostgaliziens und in der
Bukowina (21.—26. Aug.)............................................66
Gefecht bei Buczacz....................................................67
Gefecht bei Czernowitz ...............................................68
Gefecht bei Monasterzyska...................... . 71
Gefecht bei Podhajce....................................................71
Der Vormarsch der russischen 8. Armee....................................72
Versammlung und Kämpfe der 2. Armee................................74
Die Kämpfe bei Rohatyn..........................................76
Die Kämpfe bei Halicz.............................80
Die Kämpfe bei Rohatyn und Halicz auf russischer Seite..................82
Rückzug unserer 2. und 3. Armee......................................84
Die Lage am 31. August................................................84
1. September..........................................................85
2. September..........................................................87
Die Lage der Russen bis zum 2. September................................88
Die zweite Schlacht....................................................90
Die Vorbereitungen....................................................90
3. September..........................................................90
4. September..................................................92
5. September..........................................................93
Die Russen bis 5. September..............................................94
Der Beginn der Schlacht, 6. und 7. September..........................95
4. Armee..............................................................95
6. September .....................................................95
7. September............................................96
3. Armee (6. und 7. September)..........................................98
2. Armee (6. und 7. September)..........................................99
Die Russen am 6. und 7. September ......................................99
Die Lage am 7. September abends....................100
Die Fortsetzung der Schlacht am 8. und 9. September..........101
2. Armee...............................101
8. September............................101
1
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
9. September............................102
3. Armee...............................103
8. September............................103
9. September............................104
4. Armee...............................104
8. September............................104
9. September............................105
Die Russen am 8. und 9. September ...................106
Die Lage am 9. September abends....................107
Das Ende der Schlacht, 10. und 11. September.............107
2. Armee...............................107
10. September ...........................107
11. September ...........................108
3. Armee.............................. . 109
10. September ...........................109
11. September ...........................110
4. Armee...............................in
10. September...........................in
11. September ...........................112
Die Russen am 10. und 11. September.....................112
Der Rückzug . .............................n3
Die Grundprobleme des Krieges..................121
Das Kampfverfahren..........................122
Die Infanterie .............................122
Der Stoß als Kampfmittel......................122
Sein Einfluß auf die Entwicklung taktischer Formen...........123
Einfluß der Feuerwaffen.......................123
Lineartaktik............................124
Französische Revolution und Tirailleurgefecht.............124
Napoleonische Kriege........................125
Reglement des Erzherzogs Karl 1807/08................125
Nach den Napoleonischen Kriegen..................125
Feldzüge 1848/49..........................126
Der Krieg von 1859........................126
Die Reglements von 1863......................126
Stoßtaktik 1866..........................127
Die Änderungen durch den Krieg 1870/71................127
Der Krieg von 1877/78.......................127
Die Entwicklung der Feuerwaffen am Ende des 19. Jahrhunderts......127
Unser Reglement von 1901.....................127
Das neue Manöversystem 1907....................128
Bemerkungen des Erzherzog-Thronfolgers 1909 ............128
Entwicklungstendenz unseres Angriffsverfahrens.............128
Erfahrungen im Mandschurischen Kriege................129
Der Reglemententwurf 1911.....................129
Die taktischen Erscheinungen am Kriegsbeginne.............130
Frontausdehnungen und Kräfteentwicklung...............130
Kampferscheinungen . . . ......................132
vin
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vergleiche mit 1870..........................33
Feuerkampf und Stoß in unserem Kriege................134
Die Artillerie...............................
Feuervereinigung und Feuerverteilung.................135
Geschützsysteme...........................^6
Mangelnde Friedenserfahrungen . •..................137
Verdeckte Kampfstellungen......................138
Kampferscheinungen am Kriegsbeginne................138
Die Kampfführung des Feindes.....................i4o
Andere Auffassungen über die Kriege 1877/78 und 1904/05.......140
Taktisches Verfahren am Kriegsbeginne................141
Krieg- und Schlachtenführung.....................142
Geschlossene Heere und ihre Rückwirkungen.............142
Der Dreißigjährige Krieg......................145
Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege.................146
Kriege Friedrichs des Großen.....................146
Vergleiche mit unserer Zeit.....................148
Die Revolutionskriege........................148
Napoleonische Kriege........................151
Die Zeit nach den Napoleonischen Kriegen.............151
Entwicklung der Anschauungen im 19. Jahrhundert ...........154
Einfluß des Krieges 1870/71....................154
Auffassungen am Kriegsbeginne 1914.................156
Unser Aufmarsch in Galizien....................157
Erwägungen über das Verhalten des Feindes..............157
Aufmarsch hinter San und Dnjestr..................159
Ausgangsstellung unseres Heeres am 23. August ............160
Der Operationsbeginn unserer Armeen.................160
Die Lage anfangs September.....................161
Die Frage der Zusammenführung der Kräfte.............162
Die großen Fragen des Krieges auf russischer Seite...........163
Offensive und defensive Tendenzen .................165
Beurteilung der Feindlage am Kriegsbeginne beim AOK.........167
Defensive Aufgaben in Ostgalizien..................168
Über Offensive, Defensive und das Problem der Kraftverwendung.....169
Schlußbetrachtung..............................171
Register................................176
SKIZZENVERZEICHNIS.
Seite
Skizze i : Ubersicht des Kriegsschauplatzes............................XII
„ 2: Beiderseitige Lage am 30. August 1914........................63
„ 3: Beiderseitige Lage am 11. September 1914 und Rückzug unserer Armeen . 115
„ 4: Beiderseitige Aufmarschlage und Operationsbeginn........Anhang
„ 5: Beiderseitige Situation am 26. August ca. 4 h nm., 28. August abends
und 5. September abends.............., Anhang
Unterskizzen:
Gefechtsfeld der 4. KD. am 21. August 1914.
Gefechtsfeld der 5. KD. am 19. August 1914.
Gefechtsfeld der 38. HID. am 25. August 1914.
Gefechtsfeld der 43. LID. und 35. LstBrig. am 23. August 1914.
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN.
AG. =6 Armeegruppe. KosD. — Kosakendivision.
AGK. é= Armeegruppenkommando. Kp. '== Kompagnie.
AK. = Armeekommando. Ldw. == Landwehr.
AOK. = Armeeoberkommando. LID. ==■ Land wehrinfanteriedivision.
Aug. — August. LIR. —s Landwehrinfanterieregiment.
Baon. = Bataillon. Lsch. r= Landesschützen.
Brig. — Brigade. Lst. = Landsturm.
Bt., Btn. == Batterie, -n. LstBrig. — Landsturmbrigade.
DR. = Dragonerregiment. LstlR. — Landsturminfanterieregiment.
Esk. = Eskadron. LstRgt. == Landsturmregiment.
FML. == Feldmarschalleutnant. MBrig. == Marschbrigade.
FZM. — Feldzeugmeister. MRgt. = Marschregiment.
G. d. I.- — General der Infanterie. MG. == Maschinengewehr.
Gr. = Grenadierkorps. MGA. == Maschinengewehrabteilung.
HIBrig. %: Honvédinfanteriebrigade. NDet. — Nachrichtendetachement.
HID. = Honvédinfanteriedivision. nm. — nachmittag.
HKBrig. == Honvédkavalleriebrigade. Op.-Nr. == Operations-Nummer.
HKD. '== Honvédkavalleriedivision. Rgt. = Regiment.
HMRgt. = Honvédmarschregiment. Res. = Reserve.
Hus. = Husaren. ResID. = Reserveinfanteriedivision
IBrig. = Infanteriebrigade. (russisch).
ID. == Infanteriedivision. S. — Seite.
IR. —: Infanterieregiment. Sept. = September.
Jg- = Jäger. SchBrig. — Schützenbrigade.
kauk., k. == kaukasisch. Stawka — russische oberste Heeresleitung.
KBrig. — Kavalleriebrigade. Tir. — Tiroler.
KD. = Kavalleriedivision. Trig. — Trigonometer.
Kdo. =±= Kommando. UR. r Ulanenregiment.
KK. == Korpskommando. vm. = vormittag.
komb. = kombinierte.
Anmerkung :
Die Schreibweise z. B. III/95 bedeutet: III. Bataillon des Infanterieregiments 95.
Die Marschbrigaden und Landsturmbrigaden waren nicht als Kampftruppen organi-
siert. Erstere enthielten die ersten Ersatzmannschaften, letztere waren für Dienste hinter der
Front bestimmt.
QUELLENVERZEICHNIS.
Abkürzungen
im Texte.
Conrad, Feldmarschall: „Aus meiner Dienstzeit 1906 bis 1918", IV. Band
(Wien 1923).......................C. IV.
Auffenberg-Komarów, Minister a. D., Führer der 4. Armee: „Aus Öster-
reich-Ungarns Teilnahme am Weltkriege" (Wien 1920)........A.
Pfeffer, Rudolf, FML.: „Zum zehnten Jahrestage der Schlachten von Zloczów
und Przemyslany, 26. bis 30. August 1914" (Wien 1924).......Pf.
D a n i 1 o f f, Jurij, Generalquartiermeister der kaiserl. rus s. Feldarmee: „Rußland
im Weltkriege 1914—1915" (Jena 1925)............D.
Russischer Generalstab : „La Grande Guerre", Relation de l'État Major
Russe. Traduit par le Commandant Edouard Chapouilly (Paris 1926) . . L. gr. gu.
D e 1 b r ü ck Hans : „Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Ge-
schichte" (Berlin 1900—1920)................Dlb.
Szaszkiewicz, Heinrich von, Oberst: „Leitfaden der allgemeinen Kriegs-
geschichte" (Wien 1896).
Horsetzky, Adolf von, FZM.: „Kriegsgeschichtliche Übersicht der wichtigsten
Feldzüge in Europa seit 1792" (Wien 1905) ...........H.
Kraus, Alfred, G. d. I.: „Moltke, Benedek und Napoleon I." (Wien 1901). —
„1805. Der Feldzug von Ulm" (Wien 1912).
Binder von Kriegelstein, Karl Freiherr: „Zur Psychologie des Großen
Krieges. II. Ein Krieg ohne Chancen" (Wien und Leipzig 1893) . . . . B. K.
Schlieffen, Alfred Graf von, GO.: „Gesammelte Schriften" (Berlin 1913).
H o e n i g, Fritz: „Untersuchungen über die Taktik der Zukunft, entwickelt aus der
neueren Kriegsgeschichte" (Berlin 1890) . . . .........Hoe.
Reglements,
— Reglementsstudien aus Strefileurs „österreichische Militärische Zeitschrift" . Streffl.
— besonders Aufsätze der Generale Freiherr von Gallina und'Otto von Meixner Mx.
— Aufsätze aus der „österreichischen Wehrzeitung", besonders der Majore von
Schwarzleitner und von Lauer.
/
<?
o
kVi/ns
u
Brest- Litowsk
O
Lemberg
wten
Budapest
Ubersicht des Kri
Maßstab 7: 9 Millionen.
KRIEGSVORBEREITUNGEN UND ERSTE KÄMPFE.
Bewegungsräume und strategische Linien.
Alle großen Kriege sind von der Natur in bestimmte Richtungen ge-
wiesen. Die gewaltigen Bewegungen, die stattfinden müssen, um Schlachten
zu schlagen und die Hauptpunkte des feindlichen Widerstandes zu erreichen,
sind schwierig, daher in noch viel höherem Maße als der friedliche Verkehr
an möglichst gerade und gute Bewegungslinien gebunden. So wie dieser
trachten auch militärische Operationen unwirtlichen und schwer gangbaren
Gegenden nach Tunlichkeit auszuweichen und halten sich vorwiegend an
jene kürzesten und besten Hauptkommunikationen, die sich aus dem Ver-
kehrsbedürfnisse der Völker allmählich entwickelt haben.
Das ausgedehnte und beinahe durchwegs flache Gebiet des russischen Skizze i
Kriegsschauplatzes ist durch die große Sumpfzone am Pripjet in zwei Be-
wegungsräume geteilt. Der südliche Bewegungsraum dürfte am besten durch
die Verbindung Kiew—Lemberg, der nördliche durch die Linie Moskau—
Warschau—Posen bezeichnet werden. Beide Räume haben abwechselnd in
der Geschichte der Kriege eine Rolle gespielt.
Im südlichen Bewegungsraume haben zahlreiche Eroberungszüge asiati-
scher Völker stattgefunden. An den Karpathen sind sie teilweise östlich und
westlich abgeglitten, teilweise in das ungarische Donaubecken weitergegangen,
ähnlich wie manche Offensivversuche der Russen in unserem Kriege.
Karl XII. hatte seinen großen Feldzug, den er aus Sachsen gegen Moskau
führen wollte, zuerst im nördlichen Bewegungsraum angesetzt. Als er dort
sein Ziel nicht erreichte, verlegte er den Angriff in den südlichen Raum,
von wo er dann in die Türkei abgedrängt wurde.
Im Siebenjährigen Kriege tritt die Linie Thorn—Posen—Schlesien mit
besonderer Deutlichkeit hervor. Auf ihr bewegen sich — über Posen gegen
Warschau — die Franzosen im Jahre 1806.
Im Feldzuge Napoleons gegen Rußland 1812 bildet die Verbindung
Warschau—Moskau die große geographische Leitlinie des Kaisers. Nach dem
Zusammenbruche der Franzosen folgen die Russen über Warschau nach
Schlesien und beeinflussen damit den Kriegsverlauf 1813. Am Kriegsbeginne
1914 forderte die Entente eine sofortige Offensive der Russen von Warschau
gegen Posen.
In allen Kriegen machen sich gleiche Bedingungen geltend. Die Heere
treten sich in ausgedehnten Räumen gegenüber. Um den Feind zur Schlacht
zu finden und ihn auf sich zu ziehen, ist es notwendig, auf den kürzesten
und besten Bewegungslinien einen entscheidenden Druck zu führen.
Pit reich. t
2
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
In einem Kriegsfalle lediglich zwischen Österreich-Ungarn und Ruß-
land wäre dem südlichen Bewegungsraume stets eine große Bedeutung zu-
gekommen. Es zeigte sich dies sowohl gelegentlich mehrfacher politischer
Spannungen im letzten Jahrhundert als auch bei der am Kriegsbeginn in
Rußland erfolgten Teilmobilisierung.
Aber die allseitige politische und militärische Entwicklung des letzten
halben Jahrhunderts hatte Österreich-Ungarn mit dem Deutschen Reich in
engste Verbindung gebracht. Damit war der Krieg gegen Rußland von selbst
mit seiner Schwergewichtslinie an den nördlichen Bewegungsraum gewiesen.
Abgesehen davon, daß Deutschland der stärkere Teil war, konnte auch ein
Zusammenwirken österreichisch-ungarischer und deutscher Truppen nur im
nördlichen Bewegungsraume rasch und einfach erreicht werden.
Die rasche Kriegsversammlung großer Heere erfordert viele Vorberei-
tungen, besonders den Bau von Eisenbahnen. Zumeist reichen die notwendi-
gen Maßnahmen auf Jahrzehnte zurück und können niemals ganz geheim-
gehalten werden. Dies gibt allen Staaten immer wieder Gelegenheit, sich
ein Urteil über fremde Kriegspläne zu bilden. So entwickeln sich in Wechsel-
wirkung zwischen Beobachtung des Feindes und eigenen Erwägungen die
Absichten, die für den Kriegsbeginn entscheidend werden.
Auf allen Seiten besteht der Wunsch, den Ausgangspunkt der Bewegun-
gen so nahe als möglich am Feinde zu finden. Maßgebend hiefür sind vor
allem die Auffassungen über die Leitlinien, auf denen Schlachten gesucht
werden müssen, und, im Zusammenhange damit, der Verlauf der Staaten-
grenzen, weil nur im eigenen geschützten Bereiche Vorbereitungen getroffen
werden können.
Seitdem durch die Verbindung unserer Monarchie mit dem Deutschen
Reiche die Schwerlinie im nördlichen Räume gegeben war, bewegten sich
auch die Kriegsvorbereitungen auf allen Seiten in einer dadurch bestimmten
Art. Der Grenzverlauf Galiziens und Ostpreußens ermöglichte es beiden
Verbündeten, schon bei der Versammlung ihrer Heere verhältnismäßig nahe
an die große Leitlinie heranzukommen und zangenförmig gegen diese vor-
zugehen. Daraus ergab sich für unsere Hauptkräfte eine Stoßrichtung östlich
der Weichsel, Richtung Nord oder Nordost.
Auch die Russen hätten den Wunsch gehabt, ihre Versammlung weit
nach vorwärts zu verlegen. Aber die Gefahr, aus Galizien und Ostpreußen
gleichzeitig und umfassend angegriffen zu werden, veranlaßte sie, die Bereit-
stellung ihrer Kräfte weiter rückwärts, im Räume Warschau—Brest Litówsk,
durchzuführen.
So wurde der Krieg schon durch die Vorbereitungen entscheidend be-
einflußt. Leider brachte uns der Kriegsbeginn ungünstigere Verhältnisse als
jemals gedacht. Die Deutschen mußten ihre überwiegenden Kräfte nach Westen
führen, und für Ostpreußen blieben nur wenige Divisionen. Die Russen
wußten, daß am Kriegsbeginne nicht mehr die Deutschen ihre stärkeren
Bewegungsräume und
3
Feinde waren, sondern wir. Deshalb führten sie die Mehrzahl ihrer Kräfte
gegen uns. Leider trat auch in unserer Mobilisierung gegen Rußland eine
mehrtägige Verspätung ein, und so gewannen die Russen auch noch jenen
Vorteil, der sich aus der möglichen Umfassung Galiziens bot.
Soweit der Krieg militärisch aufgefaßt wird, kämpft man letzten Endes
um Bewegungsfreiheit. Die Angriffe der Russen gegen Galizien und Ost-
preußen am Beginne des Krieges verfolgten daher auch vornehmlich den
Zweck, die Bewegungsfreiheit auf der Hauptlinie des Krieges zu gewinnen.
In unserem Kriege mag es vielleicht schwierig sein, die Bedeutung der
strategischen Linien hervorzuheben. Nach einigen Anfangserscheinungen,
die eine scharf ausgeprägte Kriegführung zeigten, nahm der Krieg bald
den verschwommenen Ausdruck endlos zusammenhängender Fronten an
und behielt denselben mit wenig Unterbrechungen bis zum Ende. Mehr-
mals versuchten die Russen, ihren Druck in den südlichen Raum zu ver-
legen. Doch ist dies erst geschehen, nachdem der ursprüngliche große Plan
gescheitert war. Versuche, an feindlichen Fronten Punkte geringeren Wider-
standes zu finden, haben sich auf allen Kriegsschauplätzen oftmals gezeigt,
aber dies darf nicht täuschen. Wie stark der leitende Gedanke des Krieges
war, zeigte sich sofort, als die Russen nach den Eingangsschlachten in
Galizien glaubten, die österreichisch-ungarischen Heere entscheidend ge-
schlagen zu haben. Dann versuchten sie, den Stoß in der Richtung gegen
Schlesien fortzusetzen. Aber auch aus unseren Operationen im Jahre 1915
ist ersichtlich, wie der Gedanke, die Entscheidung im nördlichen Bewegungs-
räume zu suchen, vorherrschte. Es ist ein gemeinsames Merkmal aller Kriege,
daß die großen Massenbewegungen immer wieder auf die natürlichen Be-
wegungslinien zurückkommen, wenn sie davon abgewichen sind.
So bedeutend auch die Eröffnungsschlachten in Galizien waren, so
mögen sie vielleicht doch nur als eine Episode angesehen werden, wie Schlach-
ten überhaupt oft nur als Episoden des Krieges erscheinen. Die Bedingungen,
welche den Kampf hervorrufen, überdauern zumeist die auf Schlachtfeldern
fallenden militärischen Entscheidungen und zwingen dazu, den Kampf über
diese hinaus fortzusetzen.
Der Aufmarschraum. Skizze 4
Entsprechend der Absicht, den Krieg gegen Rußland im Räume östlich
der Weichsel zu eröffnen, kam hauptsächlich der östliche Teil Galiziens
als Aufmarschraum in Betracht. Laufrichtung und Hindernis-Charakter der
Weichsel, des San und des Dnjestr waren hiebei von besonderem Belang.
Der cien Flüssen San und Dnjestr in einem großen Bogen nördlich vor-
gelagerte Teil des Landes war der militärisch wichtigste. Er ist zumeist flach,
nördlich des Dnjestr nimmt er Hochlandformen mit tief eingeschnittenen
Tälern an. Zwischen Lemberg und Tarnopol erhebt sich dieses Hochland zu
4
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
einem stellenweise stark durchschnittenen Bergland. Auch diese Terrain-
gestaltungen waren gelegentlich von Einfluß.
Am bedeutsamsten war anfangs die ausgedehnte und bewaldete, stellen-
weise auch versumpfte Niederung am Bug und Styr (beiläufig zwischen
Rawa Ruska und Zloczów). Durch sie bestand eine gewisse Trennung zwischen
der Nordfront Galiziens (von der Weichsel bis Rawa Ruska) und der Ost-
front (von Zloczów bis Czernowitz).
In Galizien waren drei unserer Korps bodenständig:
Das I. Korps Krakau bis an die Wisloka; das X. Korps
Przemysl bis an die Linie Rawa Ruska—S^dowa Wisznia—Sambor. Der
ganze östliche Teil einschließlich der Bukowina bildete den Bereich des
XI. Korps Lemberg; es wird in der Folge hauptsächlich von diesem
Bereiche die Rede sein.
In den Verband d es XI. Korps gehörten: die n. und 30. ID.;
von beiden waren die Kommanden und mehrere Truppenteile in Lemberg,
die restlichen Truppen in kleineren Garnisonen verteilt; die 43. LID., Kom-
mando in Czernowitz, ihre Truppen waren zumeist südlich des Dnjestr
stationiert; die 4. KD. war im nördlichen Teile, die 8. KD. im südlichen
Räume verteilt. Die Marsch- und Landsturmbrigaden aller Korps wurden
erst im Kriegsfall aufgestellt, in Ostgalizien die 11. MBrig. und 93. LstBrig.
in Lemberg, die 35. LstBrig. in Czernowitz.
Die Grenzkorps mußten nahe am Feind ihre Mobilisierung durchführen
und hatten weiterhin die Aufgabe, den großen Eisenbahnaufmarsch zu sichern.
Dazu waren sofort bei eintretender Kriegsgefahr einige Vorkehrungen nötig.
Zunächst sollte eine möglichst kräftige Grenzabsperrung eintreten. Die Gen-
darmerieposten wurden durch landsturmpflichtige Leute aus ihrer nächsten
Umgebung auf 30 bis 40 Mann verstärkt. Dahinter waren die Truppen ent-
sprechend ihrer Friedensgarnisonierung als Reserve gedacht, so in Ostgalizien
die Garnisonen von 2olkiew, Kamionka Strumilowa, Zloczów, Tarnopol,
Czortków, Zaleszczyki und Czernowitz als kleinere Abschnittsreserven, die
große Garnison Lembergs als Hauptreserve.
Die Territorialbereiche der Korps wurden als „Hauptrayone" bezeichnet
und diese zur Erleichterung der Kommandoführung in „Rayone" (Unter-
abschnitte) geteilt, wobei operative Gesichtspunkte maßgebend waren.
In Ostgalizien geschah dies in nachfolgender Weise:
Die kürzesten Einbruchswege gegen Lemberg führten von Norden her über
Sokal und Stojanów. Unter Zusammenfassung dieser beiden Einbruchslinien
wurde der Abschnitt 2olkiew gebildet (von Rawa Ruska bis an den Styr).
Zum Schutze des der Grenze nahegelegenen Teiles der Hauptbahn waren
zwei Abschnitte vorgesehen: Zloczów (bis südlich Zalozce) und Tarnopol. Bei
ersterem Orte wurde die 4., im zweiten die 8. KD. zu Kriegsbeginn zu-
sammengezogen.
Südlich wurde noch je ein weiterer Abschnitt am Zbrucz und in der Buko-
wina gebildet.
Der Aufmarschraum.
5
Alle diese Vorkehrungen, die für jeden eintretenden Kriegsfall gegen Ruß-
land gleichmäßig gedacht waren, wurden unter dem Namen „Korps-Alarm"
zusammengefaßt. Hiefür wurde vom Chef des Generalstabes, alljährlich neu
redigiert, eine Alarm-Instruktion ausgegeben. Noch im "Winter 1913/14 war
daraus zu ersehen, daß der große Aufmarsch an der Bahn Jaroslau—
Przemysl—Lemberg—Zloczów—Tarnopol und südlich bis Zaleszczyki, also
sehr nahe an der Grenze, geplant war. Speziell war aber auch noch bekannt,
daß weitere vier Kavalleriedivisionen sofort bei Kriegsbeginn nach Ost-
galizien gelangen sollten, und zwar je eine nach Zolkiew, Kamionka Strumi-
lowa, Mikulince und Czortków.
Alle Vorkehrungen für den Alarm wären klar und einfach gewesen, wenn
nicht gleichzeitig auch schon die Zusammenziehung der in Ostgalizien mobili-
sierenden Heereskörper für den Zeitpunkt nach beendeter Mobilisierung, also
für den 8. bis 12. Kriegstag, anbefohlen gewesen wäre. Dies hat in der
Folge einigermaßen gestört.
Der Kriegsbeginn brachte jedoch für das XI. Korps ganz wesentliche
Änderungen. Am 25. Juli erhielt das KK. eine neue Instruktion. Der Auf-
marsch der Hauptkräfte war nicht mehr im vorderen Teil Ostgaliziens, son-
dern hinter San und Dnjestr in Aussicht genommen. Dem vor diesen Flüssen
gelegenen Räume kam daher nicht mehr dieselbe Bedeutung zu wie früher.
Nur auf die Dauer der Mobilisierung des XI. Korps, also längstens zehn bis
zwölf Tage, war seine Festhaltung nötig.
Jetzt waren auch die Versammlungsräume der im Korpsbereiche mobili-
sierenden Heereskörper teilweise abgeändert worden:
30. ID.: früher Zloczów, jetzt Lemberg;
Ii. ID.: früher Tarnopol, jetzt Brzezany;
43. LID. bei Zaleszczyki;
3 5. LstBrig. in Czernowitz ;
n.MBrig. und 93. LstBrig. bei Lemberg blieben unverändert.
Die Aufmarschräume der Kavalleriedivisionen waren die gleichen ge-
blieben.
Während früher die zusammengezogenen Infanteriedivisionen an der
Linie des großen Aufmarsches Zloczów—Tarnopol—Zaleszczyki sich hätten
behaupten müssen, war dies jetzt für die viel weiter rückwärts gelegenen
Räume nicht mehr bindend vorgeschrieben.
Die neue Instruktion sagte: „Diese Räume sind, da in der ersten Zeit nur
Angriffe russischer Kavallerie zu gewärtigen sind, zu halten. Sollten wider
Erwarten überlegene feindliche Infanteriekörper über die Grenze einbrechen
und zum Angriffe gegen die festzuhaltenden Räume einsetzen, so haben, einen
entscheidenden Kampf vermeidend, den Anschluß an die in Versammlung
begriffenen Armeen zu suchen:
die Gruppe Lemberg in der Direktion auf Sambor,
die Ii. ID. in der Direktion auf Martynów Str.,
6
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
die 43. LID. und 35. LstBrig. in der allgemeinen Direktion auf Ottynia
südlich des Dnjestr."
In einer kaum mißzuverstehenden Weise war somit gesagt, daß vor
Beginn der Operationsfähigkeit der Armeen isolierte Kämpfe in Ostgalizien
vermieden werden sollten. Es haben aber, wie sich bald zeigen wird, ver-
schiedene Umstände zusammengewirkt, um diesen Hauptgedanken in den
Hintergrund zu drängen.
Zunächst war die neue Instruktion überhaupt in einen Zusammenhang
mit der früheren gebracht worden: „Die dem XI. Korps zugewiesenen Auf-
gaben bleiben im allgemeinen aufrecht mit der sinngemäßen Änderung, daß
die Behauptung der Bahn und des Raumes nördlich des Dnjestr und östlich
der Linie Kolomea—Stanislau nur für den Alarm und die Mobilisierung
des XI. Korps unbedingt notwendig ist." Dadurch blieb die frühere Alarm-
instruktion anfangs nahezu unverändert in Geltung, und bald erwiesen sich
die Ereignisse stärker als alle Instruktionen.
Da somit der ursprünglichen Alarminstruktion auch jetzt noch eine
gewisse Bedeutung zukam, muß auf zwei dort enthaltene Punkte hingewiesen
werden.
Es hätte sich im Wesen darum gehandelt, vorzeitig einbrechende feind-
liche Kräfte, speziell die erwarteten russischen Kavalleriekörper, nicht an die
Linie 2olkiew—Kamionka Strumilowa—Zioczow—T arnopol—Zaleszczyki
gelangen zu lassen. Diese Aufgabe war aber nur durch die Weisung um-
schrieben, „daß die Truppen des Hauptrayons zunächst an und innerhalb
der bezeichneten Linie festen Fuß zu fassen hätten". Diese Ausdrucksweise
-war bemerkenswert, denn obwohl es sich letzten Endes um nichts anderes
als um die Feststellung einer Verteidigungslinie handeln konnte, war deren
Präzisierung umgangen worden, um nicht offensive Lösungen hintanzuhalten.
Auch war verfügt worden, Detachierungen der Kavallerie so weit als
möglich zu vermeiden. Mit Rücksicht auf die nahe an der Grenze gelegenen
Versammlungsräume war dies allerdings leichter gesagt als getan.
Aus den sich zum Teile widersprechenden Verfügungen haben sich bald
größere Komplikationen ergeben.
Der Kriegsbeginn.
Am 31. Juli war der Mobilisierungsbefehl in Lemberg eingetroffen.
Als erster Alarmtag war der 2. Aug., als erster Mobilisierungstag erst der
4. Aug. bestimmt worden.
Am 2. Aug. waren Alarmgruppierung und Grenzabsperrung bereits
durchgeführt.
Dem XI. KK. war darum zu tun, möglichst rasch die Verbände nach
Kriegsgliederung und Versammlungsplan zusammenzuziehen, die entsprechen-
den Weisungen wurden hiefür ausgegeben.
Die Russen hatten im Frieden ihre Grenze durch eigene Grenzwach-
brigaden kordonartig abgesperrt. Jetzt zogen sie diese Truppen abschnitts-
Der Kriegsbe
7
weise zusammen. Schon vom 2. Aug. an kamen Meldungen über Gruppen-
bildungen beim Feind und veranlaßten bei uns einige Änderungen. So wurde
ein in Sokal befindliches Baon. (III/5 5, 11. ID.) dort belassen, die 4. KD.
zum besseren Schutze der Bahn von Zloczów nach Olesko—Podhorce vor-
geschoben und ein Baon. von Zloczów nach Zborów verlegt.
Am 5. Aug. begann der Feind unsere Grenze abzutasten.
Am 6. Aug. früh konnten bei uns die Feindseligkeiten eröffnet werden,
doch schon in den ersten Morgenstunden hatte ein russischer Überfall auf
unseren Posten in Podwoloczyska stattgefunden und die Zusendung von
Unterstützungen aus Tarnopol notwendig gemacht.
Im Abschnitte 2olkiew trafen die ersten Transporte der 2. KD.
ein. Auch von dort mußten sofort Abteilungen in den Grenzraum vorge-
schickt werden. Kosaken streiften bis Toporow. Das DR. 15, welches in
Zolkiew gelegen war und zur 4. KD. hätte einrücken sollen, wurde jetzt in
Zolkiew zurückgehalten.
Am 7. Aug. wurde die feindliche Tätigkeit bereits in allen Abschnitten
lebhaft.
Speziell bei der 4. KD. hatte sich die Lage verschärft. In einem Umkreise
von 30 bis 40 km waren zahlreiche Versammlungen und kleine Aktionen des
Feindes gemeldet.
Obzwar die Alarminstruktion genau vorgeschrieben hatte, Detachierun-
gen der Kavallerie zu vermeiden, machte sich überall das lebhafteste Bedürfnis
geltend, den Grenzraum verläßlich aufzuklären und den feindlichen Ein-
brüchen schon an der Grenze scharf entgegenzutreten. Es entsprach dies auch
ganz den offensiven, energischen Absichten des XI. KK.
Am 8. Aug. nahmen die kleinen Grenzkämpfe ihren Fortgang. Be-
sonders in der Gegend südwestlich Sokal, dann bei Brody. In letzterer
Gegend hatte es sogar den Anschein, als ob eine größere feindliche Unter-
nehmung gegen Zloczów geplant wäre. Die entstandene Unsicherheit veran-
laßte das KK., die Aufklärung nunmehr auch auf feindliches Gebiet, ca. 10 km
über die Grenze, anzuordnen. Außerdem wurde die in Zloczów mobilisierende
Infanterie (LIR. 35 und LstlR. 35) der 4. KD. unterstellt.
Auch gegen Podwoloczyska schien eine neue Aktion in Vorbereitung,
der Bahnhof stand stundenlang unter Artilleriefeuer.
Am Zbrucz war die feindliche Tätigkeit nur gering, hingegen zwischen
Dnjestr und Pruth lebhaft.
9. Aug. Der ganze Raum zwischen Cholojów—topatyn und Toporow
wurde von Kosaken durchschwärmt. Von Lesniów aus richtete der Feind
eine Unternehmung gegen Brody. Sowohl im Abschnitte Tarnopol als auch
am Zbrucz richtete der Feind heftige kleine Angriffe gegen unsere Posten,
am stärksten bei Husiatyn. Von der eben in Czortków eintreffenden 1. KD.
mußten Eskadronen an den Zbrucz vorgeschoben werden.
Der Krieg hatte erst vier Tage gedauert und schon stand der ganze
Grenzraum in Flammen. Das Verhalten des Feindes war damals roh und
gewalttätig. Unsere Gendarmerie- und Landsturmposten hatten einen
8
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
schweren Stand, doch hielten sie sich tapfer. Überall waren Entsendungen
notwendig, und unsere Kavallerie kam trotz des Befehles, sich zurückzuhalten,
schon mit nennenswerten Kräften in Bewegung.
Einbruch bei Zalozce.
Noch am 9. Aug. war eine in Zalozce (Rayon Zloczów) befindliche
Kp./LIR. 35 nach Olejów zurückgedrängt worden. Gleichzeitig griff der
Feind Brody an, wodurch die 4. KD. für den Moment gebunden war. So
erhielt die 8. KD. den Befehl, ein Baon. mit Bahn nach Zborów und von dort
zur Unterstützung über Olejów vorzudirigieren. Das Gros der 8. KD. sollte
von Tarnopol auf Zalozce in den Rücken des Feindes vorgehen.
Im Laufe der Nacht zum 10. Aug. überfiel und nahm der Feind aber-
mals Podwoloczyska, so daß der Abmarsch der 8. KD. zunächst nicht zu-
stande kam.
Vom AOK. kam der Befehl (Op.-Nr. 466; C. IV., S. 362): „Zurück-
drängen des eingedrungenen Feindes sehr erwünscht! Hiezu Grenzschutz-
truppen und Kavallerie an geeigneter Stelle zu kräftigem Schlag einsetzen."
Es entstand ein lebhafter Depeschen Wechsel zwischen -dem XI. KK. und
der 8. KD., in welchem das KK. zwar zur Unternehmung drängte, aller-
dings aber auch immer wieder von „instruktionsgemäßem Verhalten" sprach.
So blieb das 8. KDKdo. vorläufig bei der Sicherung des eigenen Abschnittes.
Erst ein dezidierter Befehl am 11. Aug. vm., nachdem Podwoloczyska
wieder in eigenem Besitz war, veranlaßte die Entsendung einer Kavallerie-
brigade, auf deren Annäherung sich der Feind von Olejów „fluchtartig"
zurückzog.
Einbruch bei Sokal.
Am Ii. Aug. nm. wurde das in Sokal befindliche Baon. III/55 drei
Stunden lang durch Artillerie beschossen und dann angegriffen, anscheinend
durch eine Kavalleriebrigade mit Artillerie und Grenzwachabteilungen. Das
Baon. ging nach Krystynopol zurück und erhielt dort den Befehl zu halten. Es
ging aber in der Nacht ohne Grund nach Bojaniec zurück.
Am 12. Aug. ging die 2. KD. von Zolkiew Richtung Krystynopol—
Sokal vor. Das im Abmärsche zur 4. KD. befindliche DR. 15 wurde aber-
mals zurückgehalten und mitgenommen, ebenso auch ein Baon. von 2olkiew
und 2 Baone./IR. 95, welche in der Nacht von Lemberg zugeschoben wurden.
Während des Vormarsches kam vom AOK. der Befehl: „Eingedrungenes
russisches Detachement angreifen und zurückwerfen. Erfahrungen an deutscher
Ostfront zeigen, daß energisches Angreifen überall erfolgreich" (Op.-Nr. 548;
C. IV., S. 371).
Zu einem Gefechte kam es nicht mehr, denn als die 2. KD. um 3 h nm.
Krystynopol erreichte, war der Feind schon wieder über die Grenze zurück-
gegangen.
Die Lage am 13. August.
Die Unternehmungen des Feindes hatten nunmehr schon zahlreiche Ver-
schiebungen und Bewegungen bei uns hervorgerufen. Vom AOK. waren zwei
Der Kriegsbeginn.
9
Befehle gekommen, die unbedingt zu offensivem Verhalten im Grenzraume
drängten. Außerdem kam auch noch der Befehl für die am 15. beginnende
Fernaufklärung der Kavalleriedivisionen.
Im Augenblicke schien es, als ob unsere beiden Aktionen bei Zalozce und
Sokal Ruhe geschaffen hätten. So wollte das KK. nun darangehen, die Ver-
sammlung der unterstellten Heereskörper endlich durchzuführen. Demnach
sollten die beiden nach ¿ólkiew entsendeten Baone. wieder zurückgezogen
werden, die noch im Abschnitte Zolkiew befindlichen Teile der 4. KD. (sieben
Eskadronen) nach Zloczów einrücken, von dort die Infanterie nach Lemberg
gelangen. Doch kamen auch diese Befehle nur zum Teil zur Ausführung.
Das AOK. hatte mittlerweile am 11. Aug. die 43. LID. und 35. LstBrig.
nach Tlumacz—Ottynia heranziehen wollen, widerrief aber diese Maßnahme
am 12. Aug. (C. IV., S. 366 und 371).
Mit erneuter Heftigkeit begannen, und zwar noch am 13. Aug. nm.,
feindliche Einbrüche in allen Abschnitten, speziell bei Husiatyn, dann bei
Brody und westlich des Bug.
Die Kämpfe am 14. und ly August.
Über Belzec Richtung Rawa Ruska rückte ca. ein feindliches Regiment
vor. Die alarmierenden Meldungen nahmen überhand: Narol genommen,
Uhnów bedroht, Feind brennt alles nieder, Panik in der Bevölkerung, Zeichen-
wechsel mit den Russen; abends: das vom X. Korps in Rawa Ruska befind-
liche Baon. II/89 zurückgeworfen, die Stadt vom Feinde genommen.
Das im Abtransport von Krystynopol nach Brzezany befindliche
Baon. IV/95 mußte auswaggonieren. Dadurch gelang es, am 15. Aug. vm.
den Feind zum Rückzüge zu veranlassen.
An diesem Tag überschritt die 2. KD. die Grenze bei Poryck, aber
gleichzeitig setzten feindliche Angriffe bei und westlich Sokal ein. Die Lage
für die KD. wurde dadurch bedrohlich und machte neue Entsendungen von
Lemberg nötig.
In Kamionka Strumilowa war die 24. HKBrig. (der 11. HKD., deren
Gros von der serbischen Grenze erst später herankam) bereitgestellt, sie sollte
am 15. Aug. die Grenze bei Stojanów überschreiten. Sie war von Kosaken
umschwärmt, noch am 14. hatte der Feind die Brücke bei Cholejów gesprengt.
Als am 15. mittags die Brigade die Grenze überschritt, wurde sie heftig
angegriffen und noch in der Nacht zum 16. mußten ihr weitere Kräfte von
Lemberg aus zugeschoben werden.
Brody wurde seit dem 13. angegriffen, und der Kampf dauerte am
14. fort. Um der 4. KD. für die bevorstehende Aufklärung Luft zu ver-
schaffen, wurde auch dorthin die Entsendung eines Baons. von Lemberg nötig.
Auch am Zbrucz herrschte lebhafte Tätigkeit. Dort sollten am 16. Aug.
die 5. HKD. von Grzymalów, die 1. KD. von Skala aus vorgehen. Mit
Rücksicht auf die lebhafte Tätigkeit des Feindes, speziell bei Husiatyn,
wurde auch dort die Entsendung zahlreicher Infanterie an die Grenze nötig.
IO
Kricgsvorbereitungen und erste Kämpfe.
So kamen % III/95 (11. ID.) und IR. 41 mit 1 Bt. (43. LID.) nach Husiatyn,
dann LIR. 36 (43. LID.) nach Skala.
Damit gelang es, der Kavallerie den Weg über die Grenze freizumachen.
Die Lage am 15. August.
Hand in Hand mit diesem Erfolge gingen auch gewisse unverkennbare
Nachteile.
Es war bisher nicht gelungen, die Heereskörper des XI. Korps dem
Versammlungsplan entsprechend zusammenzuführen, im Gegenteil, es hatte
immer mehr und mehr Infanterie an die Grenze geschoben werden müssen.
Aber auch von der Kavallerie waren schon große Teile in Bewegung
gekommen. Die Folge davon war eine vorzeitige Abnützung der Kraft, noch
bevor die eigentliche große Aufgabe begonnen hatte.
Am stärksten war der Kraftverbrauch bei den Grenzsicherungsposten.
Die Ereignisse hatten sich natürlich nicht nur im Rahmen der hier ge-
schilderten größeren Gefechte abgespielt. Es war ein gleichzeitiger und kon-
stanter Druck im ganzen Grenzraume, verbunden mit unausgesetzten
Patrouillenkämpfen, Plünderungen, Brandlegungen und brutalster, oft auch
bestialischer Niedermetzelung von Gefangenen oder einzelnen Bewohnern
durch die Russen. Die Hauptlast dieser Kämpfe hatten die Grenzgendarmerie-
posten zu tragen. Es ist interessant, den Meldungen zu entnehmen, wie in den
ersten Tagen auf allen Seiten die größte Zuversicht herrschte und wie unge-
fähr nach dem 12. Aug. dieselbe überall nahezu gleichzeitig im Abnehmen
begriffen war. Eine Meldung sei zum Beispiel herausgegriffen (vom 13. Aug.
aus dem Räume Lopatyn—Toporów): „Kosaken beunruhigen die ganze Um-
gebung. Unter der Bevölkerung herrscht große Verzweiflung, daß keine regu-
lären Truppen herkommen, wodurch die Russophilen die Übermacht ge-
winnen. Die Landbevölkerung trägt den Kosaken Nahrungsmittel zu. Der
Landsturm ist durch das immerwährende Zurückdrängen und durch die vielen
Flüchtlinge von der Grenze nicht mehr widerstandsfähig und zieht sich bei
Ansichtigwerden von Kosakenabteilungen zurück."
Es handelte sich dabei im Grenzraum Ostgaliziens insgesamt um ca.
5000—6000 Mann Landsturm; es wäre wohl notwendig gewesen, die Posten
endlich gruppenweise zusammenzuziehen und zu stützen. Das XI. KK. wollte
auch einen solchen Antrag an das 3. AK., welches den Befehl bereits über-
nommen hatte, stellen. Aus Anlaß einer anderen initiativen Stellungnahme
hatte es aber inzwischen eine scharf tadelnde Bemerkung erhalten, und so
unterblieb leider dieser so notwendige Antrag. In kurzer Zeit verschwand
der Grenzschutz nahezu spurlos, und es entfiel damit auch ein wichtiges Glied
im Nachrichtendienste.
Wesentlicher als diese Abnützung der Kräfte war aber noch, daß sich die
Lage in Ostgalizien in einem gewissen Widerspruche zu den grundlegenden
Auffassungen des AOK. zu entwickeln begann.
Dem AOK. wäre es Hauptsache gewesen, am Tage des Operations-
beginnes alle Heereskörper, dem Versammlungsplan entsprechend, geschlossen
Der Kriegsbeginn.
bereit zu haben. Dazu sollten größere isolierte Kämpfe in Ostgalizien über-
haupt vermieden und durch die kleinen Grenzkämpfe die große Absicht
möglichst wenig berührt werden. In diesem Sinne war schon die Instruktion
vom 25. Juli abgefaßt.
Aus Anlaß der Abgabe einiger Landsturmformationen aus Lemberg an
die Dnjestr-Brückenköpfe hatte das XI. KK. dem AOK. am 8. Aug. gemeldet,
d^iß es Lemberg unbedingt zu halten beabsichtige. Das AOK. hatte hierauf
nicht unmittelbar geantwortet, gab jedoch am 11. Aug. abermals „Direktiven
für das Verhalten in Ostgalizien" (Op.-Nr. 519; C. IV., S. 366). Es hieß: ,,Ob
das XI. Korps (gemeint waren 30. ID., 11. MBrig. und 93. LstBrig., die
fernerhin das XI. Korps bilden sollten, während die übrigen bei Kriegs-
beginn unterstandenen Heereskörper in andere Verbände übertreten sollten)
im Falle einer vorzeitigen überlegenen russischen Offensive den Raum um
Lemberg zu halten haben wird..., wird vom AOK. befohlen werden. Gegen
Einfälle sekundärer russischer Kräfte, sofern sie nicht ohnehin zurückgeworfen
werden, ist Lemberg zu halten----cc
Bei derart großzügigen Weisungen kommt es natürlich noch viel mehr
auf die Lesart an als bei bindend gehaltenen Befehlen. Die ganze Friedens-
schulung hatte für Aufgaben, wie sie im Grenzraum entstanden, niemals
andere als offensive Lösungen gekannt. Gleichzeitig mit dieser Instruktion
waren aber auch noch die erwähnten Telegramme eingetroffen: „Zurück-
drängen des eingedrungenen Feindes sehr erwünscht, hiezu Grenzschutz-
truppen und Kavallerie an geeigneter Stelle zu kräftigem Schlage einsetzen."
„Eingedrungenes russisches Detachement angreifen und zurückwerfen...."
Aber auch in der Instruktion vom 11. hieß es noch speziell, daß einbrechende
feindliche Kavallerie energisch zurückzuwerfen sei.
Die großen Direktiven des AOK. waren auf einer anderen Voraus-
setzung aufgebaut, als sie tatsächlich bestand. Man hatte im Frieden stets
auf Einbrüche großer und geschlossener feindlicher Kavalleriekörper für den
Kriegsbeginn gerechnet. Solche waren aber nicht erfolgt, hingegen hatte sich
ein Druck an der ganzen Grenze gleichzeitig gezeigt. Es waren also tat-
sächlich überall nur „sekundäre" russische Kräfte vorhanden.
Am entscheidendsten war aber, daß unmittelbar nach diesen Direktiven
der Befehl für die Fernaufklärung der Kavalleriedivisionen eintraf. Die
Kavallerie vorgehen lassen und die Infanterie zurücknehmen, war natürlich
gänzlich ausgeschlossen.
Als noch am 15. abends weitere Kräfte aus Lemberg in die Gegend von
Sokal und Stojanów abgehen mußten, meldete das 3. AK. dies mit dem Zu-
sätze, daß in Lemberg außer Landsturm und Ersatztruppen nur noch drei
Heeresbataillone nebst Artillerie verblieben. Das AOK. antwortete, obwohl
über die Detail-Lage laufend unterrichtet: „Zersplittern des XI. Korps ver-
meiden, daher Vorsendung einzelner kleiner Abteilungen unterlassen. Schläge
gegen einbrechenden Feind nur mit zusammengehaltenen Kräften führen,
eventuell erst bei Lemberg. Daher dort auch eigene Kräfte beisammenhalten.
Ii. ID. Brzezany belassen" (Op.-Nr. 700; C. IV., S. 395).
12
Kricgsvorbereitungen und erste Kämpfe.
Mit diesem Befehle war mit Rücksicht auf die Kavallerie nichts anzu-
fangen. Das 3. AK. sandte einen ausführlichen schriftlichen Bericht, erhielt
aber keine Antwort mehr. Allerdings stand auch schon der allgemeine Opera-
tionsbeginn bald bevor.
Ganz in der gleichen Weise wie im Bereiche der 3. Armee haben sich
auch im Bereiche der Armeegruppe Stanislau die Ereignisse an der
Grenze zwingend erwiesen. Auch dort wurden in den nächsten Tagen
noch weitere Verschiebungen in den Grenzraum unvermeidlich, so daß nach
wenigen Tagen, entgegen den ursprünglichen Absichten des AOK., fast alle
in Ostgalizien mobilisierten Truppen und Heereskörper ausgespielt waren.
Das Zurückziehen dieser erfolgte dann in einem höchst ungünstigen Augen-
blick und großenteils auch zu spät.
Die Fernaufklärung durch die Kavalleriedivisionen.
Am 15. Aug. hatten die Kavalleriedivisionen aller Armeen zur Fern-
aufklärung über die Grenze vorzugehen (AOK. Op.-Nr. 520; C. IV., S. 368).
Nach den von den Armeekommanden hierauf getroffenen Verfügungen
hatten vorzugehen:
2. KD. nach Wladimir Wolinskij,
24. HKBrig. nach Luck,
4. KD. nach Dubno,
8. KD. (mit zwei Regimentern) nördlich der Bahn Tarnopol—Proskurow,
5. HKD. (verstärkt durch 15. KBrig. der 8. KD.) südlich der Bahn,
i. KD. über Skala und Kamieniec Podolski nördlich des Dnjestr.
Im nachfolgenden werden die Ereignisse, wie sie sich bei den einzelnen
Kavalleriedivisionen abgespielt haben, der Reihe nach dargestellt.
/. KD.
Die i. KD. marschierte am 15. Aug. von Czortków Richtung Skala.
Während des Marsches kam die Meldung über einen feindlichen Einbruch
bei Husiatyn gegen Wasylkowce, die Division erhielt den Befehl des AGK.
Stanislau, dorthin einzugreifen. Bei Tlustenkie kam dann die Nachricht, daß
der Feind schon zurückgegangen war. Daraufhin marschierte die KD. in den
Nächtigungsraum bei Gusztyn, während das LIR. 36 die Zbrucztibergänge
in Besitz nahm.
Am 16. Aug. wurde Zerdzie erreicht.
Am 17. Aug. wurde Kamieniec Podolski, wo sich ein irregulärer
Widerstand geltend machte, angegriffen und gegen Abend genommen. Die
Division besetzte die Stadt, doch lag diese in der Tiefe, und nach einbrechender
Dunkelheit fielen auch wieder Schüsse. So wurden die Truppen in der Nacht
wieder herausgezogen.
Am 18. Aug. wurde bei strömendem Regen die Vorrückung auf Sza-
tawa fortgesetzt. Mit Rücksicht auf die ständige Beunruhigung durch Kosa-
ken mußte trotz Regen Freilager bezogen werden.
Die Fernaufklärung durch
ll
Am 19. Aug. wurde der Vormarsch in der Gegend von ¿wanczyk fort-
gesetzt. Es wurde kein stärkerer Feind getroffen, ein NDet. kam jedoch bei
Dunajewcy in Kampf und hatte dort 19 Mann Verluste. Das LIR. 36 war
bis Szatawa gefolgt.
Um 10 h vm. erhielt die Division bei Rachnówka den Befehl, nach Skala
zurückzukehren. Die Division kehrte sofort in einem Marsche bis Orynin
zurück.
Am 20. Aug. früh kam sie in außerordentlich ermüdetem Zustande nach
Skala zurück. Über das Aufklärungsergebnis wird später zusammenfassend
berichtet.
J- HKD. f Skizze 5
Die 5. HKD. wurde am 15. Aug. nm. bei Grzymalow zusammengezogen.
In ihren Verband kamen dort auch III/15 und Jg. 32 (der 11. ID.), dann die
15. KBrig. und zwei reitende Batterien der 8. KD.
Die Infanterie wurde noch am Abend an den Zbrucz nahe bei Satanów
herangeschoben.
Im Laufe des 16. Aug. wurde der Zbrucz knapp nördlich Satanqw an
vier Stellen überschritten. Feindliche Kavallerie war in nächster Nähe, doch
störte sie den Übergang nicht, östlich Kozina wurde Lager bezogen. Über
den Zbrucz wurde eine Brücke hergestellt, Gefechtstrain und Munitions-
kolonnen herangezogen, die übrigen Trains blieben am westlichen Zbruczufer.
Am 17. Aug. erfolgte der Vormarsch über Skotyniany nach Gorodok in
einer Kolonne. Kleine Kosakenabteilungen umschwärmten die Kolonne. Die
Vorhut mußte mehrmals attackieren, auch MG. ins Feuer setzen. Jedesmal
zogen sich dann die feindlichen Abteilungen zurück.
Um ca. 2 h nm. hatte die Vorhut den Ort Lysowody in der Richtung auf
Gorodok passiert, als ihr mehrere feindliche Sotnien entgegenkamen. Sie ging
sofort zur Attacke über, und der Feind wich, anscheinend in Unordnung, zum
Teil gegen das Südende, zum Teil gegen das Nordende von Gorodok. Der
Divisionär ließ sofort die Artillerie nördlich und die beiden MGA. südlich des
nach Gorodok führenden Weges in Feuerstellung gehen. Die Haupttruppe
(zusammen 25 Esk., denn 11 Esk. und 1 MGA. waren im Aufklärungsdienst)
erhielt den Befehl, von Lysowody in der Niederung gegen Kremienna nörd-
lich abzubiegen.
Kurz darauf eröffnete feindliche Artillerie von Gorodok her das Feuer
auf unsere Artillerie. Dies genügte, um beim Divisionär sofort den Angriffs-
befehl auszulösen, getreu dem bei den Kavalleriemanövern großgezogenen
Grundsatze, wo die Artillerie ist, ist auch das feindliche Gros. Die 19. und
23. HKBrig. wurden zur Attacke Direktion Nordende von Gorodok befohlen,
die an der Queue marschierende 15, KBrig. erhielt Befehl zum Umkehrt-
Schwenken und weitere Angriffsdirektion Südende von Gorodok.
Diese Befehle waren in wenigen Augenblicken gegeben und in kürzester
Zeit in Ausführung. Mittlerweile hatten die Vorhuteskadronen die Attacke
bis beinahe an den Ortsrand von Gorodok durchgeführt, hatten Schützen-
gräben überritten und mußten umkehren.
14
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
Die Raschheit der Angriffsbefehle unter so gänzlich unklaren Verhält-
nissen hatte aber innerhalb des KDKdo. Bedenken hervorgerufen, und über
Vorstellung des Generalstabchefs wurde den Brigadieren der Befehl nach-
gesendet, daß es ihnen überlassen bleibe, den Angriff zu Pferd oder zu Fuß
durchzuführen. Es war aber schon zu spät, die vorderen Eskadronen der
Haupttruppe waren bereits zur Attacke gegen das Nordende von Gorodok
vorgegangen. Sie wurden mit heftigem Feuer empfangen, und nur einem ge-
ringen Teil gelang es, über die feindlichen Schützengräben hinauszukommen.
Alle erlitten schwere Verluste. Die anderen Teile der Division hatten den
abändernden Befehl noch rechtzeitig erhalten und waren zum Fußangriff
übergegangen.
Der gesamte Eindruck über die zu rasche und ungünstige Einleitung und
den ganz unerwarteten Verlauf des Gefechtes veranlagte den Divisionär, den
Rückzug anzubefehlen. Eine Notwendigkeit hiefür bestand nicht.
Die ganze Division sammelte sich bei Lysowody. Da eröffnete der Feind
nochmals Artilleriefeuer. Obwohl die Einschläge auf einige Entfernung blie-
ben, veranlaßte dies das KDKdo., den Rückmarsch in das Lager bei Kozina
anzuordnen.
Der Rückmarsch wurde in voller Ordnung in mehreren Kolonnen
angetreten. Nach Passierung des Ortes Skotyniany war es bereits ganz finster
und es regnete auch. Bei vorausmarschierenden Fuhrwerken begann Unord-
nung. Hinter Skotyniany trafen die Kolonnen zusammen, alles marschierte
gegen Satanów im Schritt, mit vielen Aufenthalten. Es herrschte vollkom-
mene Ruhe.
Die Truppenkolonne gelangte um i h nachts nach Jury nee (knapp bei
Satanów), als von vorn plötzlich Gewehrfeuer hörbar wurde. Das Feuer
wurde lebhafter und kam näher. Das KDKdo. ließ die Truppen aus dem
Orte herausführen, wobei in der Dunkelheit Unordnung entstand und die
wilde Schießerei auch auf Truppenteile übergriff. Der Großteil der Truppen
konnte jedoch beisammengehalten und nach Tagesanbruch in das durch Infan-
terie geschützte Lager bei Kozina geführt werden. Der Divisionär war tot
am Platze geblieben.
Bei den Trains war eine große Panik ausgebrochen. Einzelne Fuhrwerke
erreichten schon am 18. Aug. zeitlich früh Tarnopol und veranlaßten ganz
unsinnig übertriebene Gerüchte.
Die Division wurde noch am 18. nach Grzymalów zurückgeführt. Das
AGK. Stanislau sandte dorthin noch ein Baon. von Tarnopol und gab der
5. HKD. den Befehl, sich zu retablieren, nötigenfalls nach Trembowla
zurückzugehen.
Da der Feind nicht folgte, blieb die Division zunächst in Grzymalów.
8. KD.
Die 8. KD. marschierte mit zwei Regimentern, einem Baon. und einer
reitenden Batterie am 15. Aug. nach Zbaraz. In Tarnopol blieben drei
Baone. und zwei Batterien (der 11. ID.).
Die Fernaufklärung durch die Kavalleriedivisionen.
IS
Am 16. Aug. wurde der Vormarsch über die Grenze angetreten, doch
konnte dieser mit Rücksicht auf die in der Nähe gemeldeten überlegenen
feindlichen Kavalleriekräfte nicht weit durchgeführt werden. Zu besonderen
Ereignissen kam es nicht. Am Abend sollte zur Nächtigung nach Roznoszynce,
also wieder über die Grenze, zurückgegangen werden. Bei einbrechender
Dunkelheit erreichten die Truppen Sieniachówka (8 km nordöstlich). Mittler-
weile waren 3 Sotnien bei Podwoloczyska eingebrochen und standen im
Gefechte mit unserem Landsturm.
Am 17. Aug. wurde der Rückmarsch nach Zbaraz fortgesetzt und die
Aufklärung von dort aus weitergeführt. Als am 18. Aug. Nachrichten über
größere feindliche Ansammlungen an der Grenze sowohl gegenüber Zbaraz
als auch gegenüber Podwoloczyska eintrafen, führte das KDKdo. die beiden
Kavallerieregimenter wieder nach Tarnopol zurück und beließ in Zbaraz
nur ein Baon. «
Am 19. Aug. kamen Nachrichten über den Einmarsch feindlicher Kräfte
bei Zalozce in südwestlicher Richtung. Auch bei Toki wurde Feind aller
Waffen gemeldet.
Am 20. Aug. rückte die bei der 5. HKD. gewesene 15. KBrig. in äußerst
ermüdetem Zustand ein. Vom AGK. Stanislau kam die Mitteilung, daß mit
Rücksicht auf den Einbruch des Feindes bei Zalozce die bei Brzezany gestan-
denen Teile der 11. ID. nach Zborów vorrückten. Gemeinsam mit diesen und
der 4. KD. sollte auch die 8. KD. dorthin vorgehen.
Am 21. Aug. erreichte die 8. KD. um 11 h vm. Jezierna (Zeit der
Attacke der 4. KD.). Eine Verbindung zur 4. KD. bestand nicht, auch hatte
man keine näheren Nachrichten über den Feind. Von der 11. ID. kam die
Mitteilung, daß sie wegen Ermüdung vorläufig nicht bis Zborów gelangen
könne.
Im Laufe des Nachmittags kamen Meldungen über den Vormarsch
starker feindlicher Kolonnen sowohl von Nord als von Ost gegen Tarnopol,
weshalb die 8. KD. nicht weiter gegen Zborów rückte, sondern bei Jezierna
blieb. Die 11. ID. aber hatte am Nachmittag den Vormarsch gegen Zborów
doch fortgesetzt und feindliche Kavallerie dort zum Rückzüge genötigt.
4. KD.
Nach dem Gefechte bei Brody am 14. Aug. hatte der Feind den Ort im
Laufe der Nacht zum 15. geräumt und war dann durch unsere Truppen auch
aus Radziwillów verdrängt worden. Die 4. KD. konnte hierauf am 15. vm.
bei Drancza die Grenze überschreiten, doch war sie infolge der vorangegan-
genen Strapazen (besonders DR. 9 und DR. 15, letzteres 220 km in fünf
Tagen) nur in geringem Maße bewegungsfähig. Sie konstatierte die An-
wesenheit starker feindlicher Kräfte im gegenüberliegenden Grenzraum und
ging abends wieder nach Suchowola zur Nächtigung auf eigenes Gebiet zurück.
Am 16. Aug. blieb die KD. in Suchowola und setzte die Aufklärung
von dort aus fort.
16
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
Am 17. Aug. ging die Division neuerdings, in der Richtung auf Rudnia,
über die Grenze. Gleichzeitig rückte eine r. KD. von Aleksiniec über
Niemiacz gegen Podkamien vor. Die 4. KD. sah sich deshalb veranlaßt,
wieder nach Suchowola zurückzugehen, um sich eventuell gegen die feindliche
KD. wenden zu können.
Im Laufe des 18. Aug. war außer dem Feinde bei Podkamien auch
noch eine starke feindliche Gruppe bei Lesniów und Szczurowice in Gali-
zien eingedrungen und schob abermals ein starkes Detachement gegen Brody
vor. Doch wurde diese Stadt von unserer Infanterie gehalten. Gleichzeitig
trafen auch mehrfache Meldungen ein, daß eine dritte feindliche Gruppe
aller Waffen über Zalozce und Ratyszcze vorgehe.
Die 4. KD. ging vormittags mit 2 Baonen. über die Höhe Mogila dem bei
Podkamien gemeldeten feindlichen Kavalleriekörper entgegen, worauf dieser
sich zurückzog. Die 4. KD. kehrte abermals nach Suchowola zurück.
Auch am 19» Aug. blieb sie dort und setzte ihre Aufklärung fort. Aus
den einlaufenden Meldungen war immer deutlicher zu ersehen, daß der Feind
im Räume bei und nördlich Zalozce ein größeres Unternehmen plane.
Im Laufe des 20. Aug. streiften zahlreiche feindliche Patrouillen schon
bis knapp an die Bahn. Viele Flüchtlinge verließen Zborów, es war kein
Zweifel mehr, daß ein größerer feindlicher Kavalleriekörper sich im Räume
Olejów—Zalozce befand und weiter vorzudringen beabsichtige. Die 4. KD.
brach daher am 20. mittags von Suchowola auf, um diesen Feind anzugreifen.
Sie gelangte am Abend nach Nuszcze, 2 Baone./LIR. 3 5 nach Perepelniki. Dort
erhielt die Division den Befehl, am nächsten Tag in den Rücken des bereits
bei Zborów vermuteten Feindes vorzugehen.
Am 21. Aug. bezog die 4. KD. zunächst eine Bereitschaftsstellung knapp
hinter der Trig.-Höhe 418. Als von den zahlreich ausgesendeten Aufklärungs-
abteilungen keine Nachrichten eintrafen, wurde zwischen Jaroslawice und
der Strypaniederung eine Verschiebung gegen Süd, Richtung Zborów, durch-
geführt. In der Gegend von Kabarowce angelangt, erhielt der Divisionär
Meldungen, daß der Feind noch immer in der Gegend von Olejów stehe,
Zborów sowohl vom Feind als auch von eigenen Truppen frei sei. Von der
Ii. ID. und 8. KD. war nichts zu hören und nichts zu sehen. Daraufhin
wurde knapp südlich von Jaroslawice abermals eine Bereitschaftsstellung be-
zogen. Die Artillerie (8 Geschütze) ging in eine offene Feuerstellung, die
Regimenter blieben wegen eines eventuell bevorstehenden Reiterkampfes ge-
schlossen.
Um ca. 9 h vm. debouchierten 2 Baone./LIR. 35 in Marschkolonne aus
dem Walde bei Hukalowce, Richtung Jamny-Höhe. Da wurden sie plötz-
lich von den Höhen bei Olejów mit Artilleriefeuer überfallen und zersprengt.
Gleich darauf wendete sich die feindliche Artillerie gegen die großenteils
offen stehende Kavallerie und brachte zwei Regimenter in Unordnung. Dann
legte sich das feindliche Artilleriefeuer auf unsere offen dastehenden Batterien
und schoß diese zusammen.
Die Fernaufklärung durch
17
Unterdessen hatte der Divisionar die Seitenverschiebung der Kavallerie-
regimenter auf die günstige Trig.-Höhe 418 angeordnet. Als er selbst an der
Spitze einer Brigade den steilen Höhenrand dort erreichte, sah er unmittelbar
vor sich einen größeren geschlossenen feindlichen Kavalleriekörper. Dieser hatte
sich soeben gegen zwei angreifende Eskadronen UR. 13 gewendet, wurde nun
in der Flanke getroffen und geworfen. Als sich der Knäuel auf russischer
Seite zu lösen begann, legte sich das feindliche Artilleriefeuer auf das Melée
und trieb Freund und Feind auseinander. Auch unsere Kavallerie mußte nun
zurückgehen, traf dabei auf die versumpfte Niederung der Strypa, was einige
Unordnung hervorrief.
Es war dies das einzige größere Kavalleriegefecht, es hatte ohne
wesentliche Entscheidung geendet, hat aber unseren Reiterregimentern und
ihrem tapferen Kommandanten auch von Feindesseite gebührendes Lob ein-
gebracht (C. IV., S. 461, und „österr. Wehrzeitung" Nr. 39, 41 und 44 von
1924 und dortiger Hinweis auf „Cavalry Journal", Juli 1923).
Die 4. KD. ging zunächst nach Koltów und abends befehlsgemäß nach
Sassów.
24. HKBrig.
Die 24. HKBrig. war am 15. Aug. mittags bei Überschreiten der Grenze
bei Stojanów von Kosaken mit 16 Geschützen und 4 MG. angegriffen worden.
Unsere Truppen gingen sofort zum Angriff über, konnten jedoch keinen
durchgreifenden Erfolg erzielen, behaupteten sich aber bis zum Abend, dann
ging die Brigade in vollster Ordnung nach Radziechów zurück, wo sie am
16. Aug. rastete.
Nach Lemberg waren ganz entstellte Gerüchte über dieses Gefecht ge-
kommen. Nachdem die Lage durch einen entsendeten Generalstabsoffizier ge-
klärt war, wurden zwei Baone. und zwei Btn. von Lemberg zugeschoben,
die Brigade ging am 17. Aug. neuerdings über die Grenze und erreichte
Ochlopów. Der Feind zog sich überall zurück.
In Radziechów war mit dem Gefechtstrain eine halbe Kompagnie zurück-
gelassen worden. Dort machte sich ein feindlicher Druck in der Umgebung
bemerkbar, zahlreiche Flüchtlinge trafen in Radziechów ein.
Am 18. A u g. früh versuchten ca. zwei feindliche Eskadronen Radziechów
zu überfallen, wurden jedoch abgewiesen. Im Laufe des Tages war der ganze
Raum um Lopatyn vom Feinde überschwemmt. Die Kavalleriebrigade setzte
an diesem Tage den Vormarsch über Gorochów nach Tereszkowiec fort. Sie
traf nirgends auf Feind, die Bevölkerung war überall geflüchtet, ein Leben
vom Lande daher ausgeschlossen.
Am 19. Aug. wurde bei Ulgówka ein größerer Kavalleriekörper ge-
sichtet, der sich aber einem Kampf entzog.
Ein eigenes Nachrichtendetachement warf bei Czarukow zwei feindliche
Sotnien mit MG.
Die Brigade erreichte Szklin und blieb am 19. dort.
P i t r e i c h. 2
i8
Kriegsvorbereitangen und erste Kämpfe.
Am 20. Aug. erhielt sie den Befehl, nach Gorochów zurückzugehen.
Die Brigade blieb aber auch an diesem Tage noch in Szklin. 5% Esk. standen
im Aufklärungsdienste.
Am 21. Aug. rückte der Feind mit einer starken Infanteriekolonne und
Artillerie über Czarukow, mit einer zweiten starken Kolonne von Osten
gegen Mysliny, also gegen die Rückzugsrichtung des Détachements. Die Bri-
gade ging nach Gorochów zurück, und kaum eine Stunde nach ihrem Ab-
märsche besetzte der Feind Szklin. Die Brigade ging im Laufe des Abends
nach Druzkopol zurück. Dort erhielt sie die Nachricht, daß eine feindliche
Kavalleriedivision westlich Sokal bis Kamionka Strumilowa eingedrungen sei.
Daraufhin ging sie am 21. Aug. noch bis Stojanów, am 22. nach Kamionka
Strumilowa zurück.
2. KD.
Die 2. KD. hatte am 15. Aug. Poryck erreicht. 2 Baone./IR. 30 waren
mit Trains in Sokal geblieben, wurden dort am Abend heftig angegriffen.
Auch bei Warçz wurde gekämpft. Trotzdem rückte die Kavalleriedivision am
16. Aug. auftragsgemäß gegen Wladimir Wolynskij vor, wo sie um ca. 10h
vm. eintraf. Die Stadt war im Süden befestigt. Der größere Teil der Divi-
sion ging zu Fuß zum Angriffe vor.
Die Situation wurde jedoch bald schwierig. Die Artillerie hatte nur die
Protzenmunition bei sich und war bald ausgeschossen. Auch das Sumpfterrain
hinderte den Angriff. Weiters traf die Nachricht ein, daß starke feindliche
Kavallerie mit Infanterie und Artillerie von Lokaczy vorgehe. Die Division
mußte daher nach Markostaw zurückgehen (vgl. D., S. 175).
Im Laufe des 17. Aug. vm. wurde der Anmarsch starker Kräfte von
Nord her auf Wladimir Wolynskij (24 Geschütze) und einer anderen Kolonne
weiter östlich über Dominopol festgestellt und die Turya-Übergänge besetzt
gefunden. Von Wladimir Wolynskij aus waren nur feindliche Patrouillen
gefolgt, östlich rückte jedoch ein größerer Kavalleriekörper bis an die Luga
bei Lukowicze (8 km östlich Markostaw) vor. Der feindliche Grenzraum war
auch hier von der Bevölkerung evakuiert, eine Verpflegung aus dem Lande
daher unmöglich. Die 2. KD. ging nach Poryck zurück.
Die Lage im Rücken der 2. KD. wurde immer bedrohlicher. Schon am
16. hatte ein Einbruch westlich der Chaussee 2olkiew—Sokal immer mehr an
Ausdehnung zugenommen. Der ganze Raum um Beiz war von feindlicher
Kavallerie überschwemmt. Am 17. hatte der Feind neuerdings Rawa Ruska
genommen, und es bestand der Eindruck, als ob wenigstens eine feindliche
Kavalleriedivision mit Artillerie in der Richtung Butyny oder Mosty Wielkie
vordringe. Nordwestlich von Zolkiew hatte der Feind noch am 17. abends
Dobrosin erreicht, und es schien, daß er sich dort weiter ausdehne. Versuche,
im Wege der 4. Armee eine Mitwirkung unserer in der Gegend bei Narol
vermuteten 6. KD. zu erreichen, blieben ergebnislos.
Zum Schutze des Trains der 2. KD. hatte das XI. KK. zunächst
i Kp./LIR. 19, dann auch noch das JgBaon. 30 von Lemberg entsendet. Auch
Die Fernaufklärung durch
19
IV/95, welches nach Brzezany hätte gelangen sollen, blieb gebunden. Immer-
hin gelang es nun, den durch Infanterie geschützten Train zur 2. KD. vor-
zubringen.
Unbekümmert um diese Ereignisse versuchte die 2. KD. am 18. Aug.
neuerdings ihrer Aufgabe nachzugehen und erreichte Grybowica. Bei Wla-
dimir Wolynskij war ca. eine feindliche Infanteriedivision, östlich davon eine
Kavalleriedivision. An ein weiteres Vorgehen war um so weniger zu denken,
als der Einbruch des Feindes in der Gegend bei Zólkiew immer mehr an Aus-
dehnung zunahm. Die 2. KD. kehrte daher am 19. Aug. nach Poryck zurück.
Unterdessen hatte sich der Druck des Feindes über Dobrosin und Krechów
gegen Niemirów, Wiszenka, Magierów fortgesetzt, überall standen die Orte
in Flammen und Flüchtlinge kamen nach Janów. Von Gródek (X. Korps)
mußte je ein Baon. nach Kamienobród (Bahn) und Wola Dobrostanska
(Lemberger Wasserleitung) verlegt werden. Von Lemberg wurde eine Auf-
klärung eingeleitet und dort auch die Besetzung der Gürtelwerke befohlen.
Am 20. Aug. war die 2. KD. befehlsgemäß nach Sokal zurückgegangen.
Die Lage um 2olkiew war dahin geklärt, daß das Gros der feindlichen Kaval-
lerie nördlich an der Stadt vorüber gegen Kamionka Strumilowa, eine kleinere
Gruppe westlich über Kunin vordringe. Das XI. KK. hatte nach Zolkiew
weitere Kräfte gesendet (1 Baon./IR. 80, 1 Esk., 1 Bt.), und die Lage schien
nunmehr reif zu einem entscheidenden Schlage. Von Zolkiew und Sokal aus
sollte der Feind eingeklemmt werden. Die 2. KD. konnte aber infolge Er-
müdung der Truppen erst am nächsten Tage von Sokal gegen 2olkiew ab-
marschieren.
Am 21. Aug. früh erreichten feindliche Détachements bereits Zoltance
und Kulików. Um 5 h früh begann der Angriff gegen Kamionka Strumilowa.
Der dortige Stationskommandant hatte keine Truppen zur Verfügung. Aus
einigen Gendarmerieposten und dem dort befindlichen Train der 24. HKBrig.
sammelte er alle Leute in der Kavalleriekaserne und verteidigte diese. Bis
mittags waren 22 Tote und 40 Verwundete, der Kommandant selbst zweifach
verwundet, die Situation begann kritisch zu werden. Da zog sich der Feind
plötzlich zurück, denn unsere 2. KD. hatte Mosty Wielkie erreicht.
Es ging nun in den ersten Nachmittagsstunden je ein Detachement von
¿ólkiew und Mosty Wielkie gegen Turynka, das Gros der 2. KD. über
Strzemien vor. So wurde der von Kamionka Strumilowa über Batiatycze
im Rückzüge befindliche Feind in eines der gegen Turynka anmarschierenden
Détachements getrieben. In der Zeit zwischen 3 und 5 h nm. kam es zu einem
für den Feind höchst ungünstigen Gefecht, in welchem das Gros der feindlichen
Kavallerie zersprengt wurde. Ca. 150 Gefangene, zahlreiche Waffen, Pferde
und Fuhrwerke wurden eingebracht. Das Gros des Feindes entkam aber trotz-
dem, in kleine Teile aufgelöst, durch die Wälder.
Am 22. Aug. wurde noch von 2olkiew aus der Versuch gemacht, die
über Kunin vorgegangene Gruppe des Feindes, ca. 400—500 Reiter, abzu-
schneiden. Diese hatten sich aber schon zurückgezogen.
20
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
Nun war im Räume um 2olkiew Ruhe geschaffen. Die Infanterie wurde
frei, die 2. KD. konnte für die bevorstehenden Operationen bei Mosty
Wielkie bereitgestellt werden.
Resultate.
Der nennenswerte Einfluß, den der bisherige Grenzkrieg auf die begin-45
nenden Operationen nahm, macht einen Rückblick nötig, wobei auf den
Zeitpunkt, die angewandten Methoden und die Ergebnisse
der Aufklärung speziell hingewiesen werden soll.
Der frühe Beginn der Aufklärungstätigkeit hatte die Gefahr eines raschen
Kraftverbrauches in sich geschlossen und ebenso auch die Gefahr, daß die
erzielten Nachrichten durch Ereignisse überholt werden konnten (C. IV.,
S. 367). Leider ist beides eingetreten. Doch hat es gewiß auch wichtige Gründe
für den zeitlichen Beginn der großen Aufklärung gegeben.
Der Zweifrontenkrieg war das Kernproblem des Krieges in Galizien.
Während man gegen Norden schlagen wollte, mußte man sich irgendwie gegen
Osten sichern. Deshalb handelte es sich dem AOK. darum, Nord- und Ost-
gruppe des Feindes mit einiger Deutlichkeit festzustellen: „Von entscheidender
Wichtigkeit ist die sichere und rasche Aufklärung des Raumes zwischen Bug
und Weichsel und die Konstatierung des feindlichen Südflügels im Räume
nördlich des Dnjestr." Weiters war hinsichtlich der am Sereth stehenden 8., 5.
und i. KD. befohlen: „Kavalleriegros möglichst vereint südlich der Bahn
Tarnopol—Proskurow—2merinka ansetzen (C. IV., S. 368). Wenn auch
vielleicht weniger auf große Ergebnisse frontaler Aufklärung zu rechnen war,
so konnten wenigstens aus der Lage des feindlichen Südflügels recht weit-
gehende Rückschlüsse auf die Gesamtverteilung des Feindes gezogen werden.
Es ist dies aber leider aus dem Befehle heraus nicht ganz verstanden worden,
und so sind die Ergebnisse der Aufklärung nahezu vollständig verpufft.
Wenn weiters von den seitens unserer Kavalleriedivisionen angewandten
Methoden die Rede ist, sei einleitend eine Reminiszenz gestattet.
Die Verwendung von Kavallerie vor den Armeen ist uralt, aber Metho-
den und Organisationen haben vielfach gewechselt. Lange Zeit bestanden
Unterschiede zwischen schwerer Schlachtenkavallerie und leichten Truppen für
den Dienst vor den Fronten. Die Schaffung einheitlicher Kavallerie, ihre Zu-
sammenfassung in Divisionsverbände und ihre einheitliche Verwendung nach
bestimmten Grundsätzen zur Aufklärung wurzelt in den Napoleonischen
Kriegen. Es haben sich dann 1866 bei uns und 1870 bei den Deutschen sehr
bedeutende Ansätze für diese Art der Verwendung ergeben, und von dieser
Zeit an ist der Gedanke theoretisch zu einem System entwickelt worden.
Mit der beabsichtigten Verwendungsart hatte sich auch der Glaube an
große Reiterkämpfe vor den Armeefronten entwickelt, mit dem Ziele, einen
eventuellen Schleier feindlicher Kavallerie durchzureißen, gleichzeitig aber
auch die feindliche Aufklärung in ihrem Zentrum zu treffen und zu lähmen.
Solange die Feuerwirkung noch wesentlich geringer war als heute, war
der Gedanke an Reiterkämpfe beim Zusammenstoße von Kavallerien durch-
Die Fernauf klärung durch die Kavalleriedivisionen.
21
aus begründet. Die modernen Feuerwaffen haben jedoch die Verhältnisse so
grundlegend geändert, daß jede rechtzeitig zum Feuergefecht absitzende Kaval-
lerie einem attackierenden Feinde gegenüber wesentlich im Vorteil ist. Man
hatte dies stellenweise im Frieden wohl geahnt, doch hätte niemand es auf
sich nehmen können, mit einer festeingelebten Tradition zu brechen.
Reiterkampf und Fußgefecht sind für jede Reitertruppe entgegen-
stehende Probleme. Während die Truppe in einem Falle geschlossen und
massiv wirkt, erfordert das Feuergefecht lockere, weit auseinandergezogene
Kampfformen. Und das Pferd, welches im Reiterkampfe beinahe die Haupt-
sache ist, wird im anderen Fall eher zum Hindernisse.
Die eingelebte Dienstesroutine der Truppe war im Frieden fast aus-
schließlich durch die so schwierige Ausbildung zum geschlossenen Reiterkampf
absorbiert und stand deshalb jeder Änderung entgegen. Aber auch von den
höchsten Stellen aus wollte man keine Experimente bezüglich unserer anerkannt
vorzüglichen Kavallerie zulassen.
So zogen unsere Kavalleriedivisionen, wie sie es gelernt hatten, ge-
schlossen an den Feind, und in Konsequenz der eigenen Anschauungen erwar-
teten sie Reiterkämpfe. Aber auf Grund der Erfahrungen des Mandschurischen
Krieges traten die Russen beinahe ausschließlich nur in kleineren Gruppen,
dafür aber in breiten Fronten gleichzeitig auf. Oft machten sie vom Feuer-
gefechte Gebrauch, zumeist wichen sie aus, um bald an anderer Stelle wieder-
zukehren. Dies führte bei uns sehr rasch zu einer gewissen Unsicherheit und
zu dem immer mehr sich steigernden Ruf nach Infawterieunterstützung.
Aber auch ein enormer Kräfteverbrauch war damit verbunden. Die
stete Bereitschaft in Feindesnähe ließ zumeist nur Freilager, höchstens ge-
drängte Notunterkünfte zu, dazu kamen auch noch Futterwechsel und Witte-
rungseinflüsse, und so sank die Kondition der Pferde sehr rasch. Dadurch ent-
standen immer mehr und mehr Druckschäden. Gleichzeitig zerrte der durch
häufige Regen immer wieder aufgeweichte lehmige Boden an Hufbeschlägen
und Sehnen. Am Ende der dritten Augustwoche waren nahezu die Hälfte
der Pferde schon gänzlich dienstunfähig, die andere Hälfte nahe daran, es
zu werden. Die Rolle der Kavallerie war zu diesem Zeitpunkte beinahe schon
zu Ende.
Seit der großen Entwicklung der Feuerwaffen in den letzten Jahrzehnten
vor dem Kriege ist die Kavallerieaufklärung natürlich unverhältnismäßig
schwieriger geworden, weil schon geringer Feuerwiderstand die Kavallerie
fernhalten kann. Und doch sind durch Patrouillenaufklärung immer wieder
gute Erfolge erzielt worden. Allerdings sind hiefür sehr sorgsame Methoden
nötig, hauptsächlich ein Binden der Aufklärungsabteilungen und des Melde-
dienstes an bestimmte Punkte und Linien. Auch hier wäre dies nötig gewesen,
um die Aufklärung von den stets in Bewegung befindlichen Kavalleriegros
unabhängig zu machen.
Es lag sowohl an den- im Frieden großgezogenen Auffassungen als auch
an den mehrfachen Befehlen, Schläge zu führen, daß sich unsere Kavallerie-
22
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
divisionen in einer ständigen Jagd auf den Feind befanden und damit doch
von der wichtigeren Aufklärungstätigkeit abgezogen wurden. Trotzdem war
das Ergebnis ihrer Aufklärung recht weitreichend, es kann aber hier nur in
großen Umrissen festgehalten werden.
Die 2. KD. hatte bei Wladimir Wolynskij eine feindliche Infanterie-
division festgestellt, östlich davon die 7. r. KD. Westlich, in der Gegend von
Zamosc, waren zwei russische Kavalleriedivisionen gemeldet, von denen eine
die Unternehmung gegen Kamionka Strumilowa ausgeführt hatte.
Die 24. HKBrig. hatte die Gegend beinahe bis Luck vom Feinde frei
gefunden, am 21. hatten sich feindliche Kolonnen gezeigt.
Die 4. KD. hatte die 11. r. KD. gegenüber, außerdem hatte sie vorwärts
Dubno und bei Kremieniec in nahezu geschlossener Linie stärkere Kräfte
festgestellt.
Die 8. KD. hatte im Räume Nowo Aleksiniec—Wyszgorodok die 9.
und 10., bei Podwoloczyska die 12. r. KD. gegenüber. Dahinter waren große
Versammlungen bei Proskurow gemeldet.
Die 5. HKD. hatte gleichfalls die Anwesenheit starker Kräfte im Räume
Proskurow—Felsztyn und an der Linie Kuzmin—Gorodok—Kupin fest-
gestellt.
Ob die in und vorwärts der Linie Dubno—Proskurow gemeldeten Kräfte
stärker waren als die dort schon im Frieden befindlichen Korps XI und XII,
war seitens der Kavallerie nicht zu ermitteln.
Weiter südlich hatte die 1. KD. keinen Feind angetroffen. Aber immer
wieder hatte sie Aussagen über große Transporte via 2merinka und Winnica
gemeldet, ebenso große Versammlungen, angeblich einer ganzen Armee
bei Proskurow und andere, kleinere Versammlungen südlich des Dnjestr.
Schließlich war am 19., als die Division umkehrte, eines ihrer Détachements
bei Dunajewcy auf Feind gestoßen, und es waren Gerüchte entstanden, daß
aus nordöstlicher Richtung zwei Korps im Anmärsche seien. Es hatte sich hier
allerdings nur um unkontrollierbare Nachrichten gehandelt. Immerhin hatten
sich diese aber öfter wiederholt, und wie man jetzt nachträglich sieht, wären
sie wohl wert gewesen, verzeichnet zu werden.
Anfangslage und Grenzkrieg auf russischer Seite.
Gegenüber unserem Territorialbereiche Lemberg standen im Frieden die
russischen Korps XIX (Cholm-Wladimir Wolynskij), XI (Rowno), XII (Win-
nica). Die Grenze war im Frieden durch Grenzwachbrigaden für den Verkehr
nahezu vollständig abgesperrt.
Die Alarmierung der Grenzkorps erfolgte bereits am 25. Juli, also schon
eine Woche vor unserem Grenzalarm, und es wurden schon von diesem Zeit-
punkt an eine Anzahl Kavalleriedivisionen aus rückwärtigen Korpsbereichen
in den Grenzraum verlegt.
Die Teilmobilisierung von 13 Korps gegen Österreich-Ungarn wurde mit
30. Juli früh, die allgemeine Mobilisierung mit 31. Juli früh angeordnet und
Anfangslage und. Grenzkrieg
23
gewann damit einen vier- bis fünftägigen Vorsprung gegenüber unserer
„allgemeinen Mobilisierung gegen Rußland". Es hat sich dies später für uns
als entscheidender Nachteil erwiesen.
Die Kriegserklärung erfolgte am 5. August, und schon am 6. August
begann die Kavallerie ihre Versuche, in unser Gebiet einzudringen. Doch
fand sie an unserer improvisierten Grenzabsperrung ein wesentliches Hinder-
nis. Die Raids größerer Kavalleriemassen, wie wir sie erwarteten, waren im
Frieden nicht vorbereitet worden und konnten daher nicht stattfinden. Es
entwickelten sich die bereits geschilderten Grenzkämpfe.
Die Verteilung der russischen Kavallerie, bzw. ihre Unternehmungen
ergaben folgendes Bild:
Zwei Kavalleriedivisionen bei Tyszowce, wovon die eine Richtung Bel-
zec—Rawa Ruska vorging (Kämpfe am 14. und 15.), die andere, die 1. komb.
KosD., Richtung Beiz—Kamionka Strumilowa (17. bis 21.);
7. KD. bei Wladimir Wolynskij (Gefecht bei Sokal am 11., bei Stojanów
am 15.);
11. KD. südwestlich Dubno (Gefechte bei Lesniów, Radziwillów, Brody);
9. KD. südlich davon im Räume Nowo Poczajew (Reitergefecht bei
Jaroslawice am 21.);
10. KD. bei Nowo Aleksiniec (Gefechte bei Zalozce, 9. bis 11.);
12. KD. gegenüber Podwoloczyska;
2. komb. KosD. bei Gorodok.
Weiters je eine Kavalleriegruppe nördlich und südlich des Dnjestr.
Es waren somit 7 bis 8 russische gegenüber unseren 5% Kavalleriedivi-
sionen. Von ihnen war es nur zweien gelungen, tiefer in unser Gebiet ein-
zudringen, der i. komb. KosD., die am 21. bei Turynka nahezu vollständig
zersprengt wurde, und der 9. KD., die zwar im Reiterkampfe zum Rückzüge
genötigt wurde, sich aber unter dem Schutze ihrer Artillerie in der Nähe des
Gefechtsfeldes behaupten konnte.
Ein Aufklärungsergebnis brachten alle diese mit schweren Opfern er-
kauften Unternehmungen den Russen nicht (D., S. 176).
Unterdessen erfolgte der Aufmarsch wie folgt (D., S. 134):
Gegenüber der Nordfront Galiziens bis zum 23. Aug.:
4. Armee: 9 ID. und 4V2 KD. bei Lublin;
5. Armee: 13 ID., 5 KD. in der Linie Cholm—Kowel.
Gegenüber der Ostfront Galiziens bis zum 19. Aug.:
3. Armee: 12 ID., 4 Kd. beiderseits Dubno;
8. Armee: 9 ID., 2 SchBrig., 5 KD. bei Proskurow und südlich bis
Dunajewcy.
Die Ostgruppe hatte den Vormarsch früher zu beginnen als die Nord-
gruppe, und zwar hatte die 8. Armee am.22., die 3. Armee am 23. die Grenze
zu überschreiten.
24
Kriegsvorbereitungen und erste Kämpfe.
Wenn man diese Daten mit dem Aufklärungsergebnis unserer Kavallerie
vergleicht, so zeigt sich bezüglich der Ostfront ein den tatsächlichen Verhält-
nissen sehr nahekommendes Bild. Aber leider sind die Nachrichten, speziell
bezüglich des wichtigen feindlichen Südflügels, nur höchst verschwommen zum
AOK. gelangt und überdies waren auch noch andere widersprechende Mel-
dungen gekommen (C. IV., S. 447, Fliegermeldung und Bericht des AGK.
Stanislau).
Noch ein anderer Umstand machte sich in verhängnisvoller Weise geltend.
Mit dem ursprünglichen Aufklärungsbefehle (AOK., Op.-Nr. 520) waren
ziemlich weite Ziele gegeben gewesen. Als sich bis zum 17. Aug. die großen
Schwierigkeiten zeigten, die der Kavallerie entgegenstanden, waren diese Ziele
wesentlich eingeschränkt und die weiter vorgedrungenen Kavalleriedivisionen
am 19. Aug. zurückgerufen worden, wie dies bereits früher erwähnt wurde.
Es war nun ein Verhängnis eigener Art, daß die Rückmärsche beinahe auf
Tag und Stunde mit dem Vormarschbeginne des Feindes zusammenfielen.
Allerdings kamen auch hierüber noch mehrfache Meldungen, und zwar am
21. über Einbrüche am Zbrucz, über den Vormarsch starker Kolonnen von
Ost und Nord gegen Tarnopol, dann auch von der 24. HKBrig. über
feindliche Kolonnen, die Szklin und Mysliny erreichten. Des weiteren riß
aber die Aufklärung zu diesem Zeitpunkte nahezu gänzlich ab, speziell
aus dem wichtigsten Räume Zloczów—Tarnopol kamen nahezu überhaupt
keine Nachrichten mehr.
Nach dem Unternehmen vom 21, war die 4. KD. wieder an die Chaussee
Lemberg—Zíoczów, die 8. KD. nach Tarnopol zurückgenommen worden,
und es klaffte nun zwischen beiden eine 60 bis 70 km breite Lücke, in die
sich die 9. und 10. r. KD. einschoben. Diese Tatsache hätte gewiß nicht
so weitgehende Folgen haben können, wenn die Aufklärung in Ostgalizien
einheitlich geregelt worden wäre. Aber dies war nicht geschehen.
Ursprünglich hatte wohl das XI. KK. den Befehl über den ganzen
Hauptrayon einheitlich geführt, gegen Mitte August aber war die Befehls-
führung geteilt auf das 3. AK. und AGK. Stanislau übergegangen. Die Ab-
grenzung der Befehlsbereiche war mitten durch den Grenzrayon Zloczów (bei
Podkamien) gegangen, und so kam es, daß schon von vornherein gerade dieser
wichtige Raum bezüglich Aufklärung vernachlässigt war. Außerdem war auch
noch infolge der nur auf Offensive eingestellten Denkungsart die Aufklärung
nur nach vorwärts geregelt worden, und eine Abgrenzung der Zonen nach
rückwärts, wie dies nun plötzlich notwendig geworden wäre, hatte überhaupt
nicht stattgefunden. So waren auf einmal, ohne daß man sich dessen versehen
hatte, nahezu sämtliche aus dem Räume Zloczów—Tarnopol gegen Lemberg
führenden wichtigen Marschlinien von unserer Kavallerie gänzlich entblößt,
Es verblieben in diesem Räume noch Teile der 11. ID., doch nahmen diese,
wie sich noch zeigen wird, an der Aufklärung nicht teil.
Gewiß war es dem AOK. recht gewesen, daß bis zu diesem Zeitpunkte
die Abhaltung des Feindes gelungen war. Aber an einem großen und ein-
heitlichen Plane, der die Ergebnisse der Grenzkämpfe in einen direkten
Anfangslage und Grenzkrieg
25
Zusammenhang mit den Operationen gebracht hätte, hatte es gefehlt. Und
dies hat seine Rückwirkungen durchaus nicht nur auf die Kavallerie, sondern
noch viel mehr bezüglich Infanterieverwendung gehabt. Es bestand ein
ständiges Schwanken zwischen drängender Notwendigkeit, die Kräfte im
Grenzraume zu belassen, und den Befehlen des AOK., welche die Bereitstellung
der Infanterie bei Lemberg, Brzezany, bzw. Zaleszczyki gefordert hätten.
Die Ereignisse waren jedoch stärker, und so waren bis zum 21. Aug. unsere
30. und Ii. ID. in den Grenzraum hinausgezogen worden. Da kamen Nach-
richten über einen feindlichen Anmarsch gegen Czernowitz und veranlaßten
das AGK. Stanislau, nun auch noch die ganze 43. LID. dort zum Gegen-
angriff anzusetzen. So zogen also nahezu die letzten der im Hauptrayon
mobilisierten Truppen an die Grenze, leider in den äußersten Winkel des
Hauptrayons, von wo sie einen rechtzeitigen Anschluß an die Hauptopera-
tionen nicht mehr finden konnten.
Durch den Mangel an Einheitlichkeit und Planmäßigkeit war die auf-
opferungsvolle Tätigkeit unserer Truppen, Infanterie, Kavallerie und Grenz-
posten, in ihrem Werte für das Ganze wesentlich beeinträchtigt worden. Es
wird sich dies bald mit voller Deutlichkeit zeigen.
Ein großer Erfolg war aber unzweifelhaft erreicht. Der Widerstand im
Grenzraume hatte, wie schon erwähnt, den Russen jeden Einblick nach
Galizien verwehrt. Sie kannten die Ausgangssituation unserer Armeen nicht
und täuschten sich hierüber wesentlich. Erst wenn man das vollständige Ver-
sagen der feindlichen Aufklärung unseren Ergebnissen gegenüberstellt, sieht
man, was unsere Kavallerie geleistet hat.
DIE ERSTE SCHLACHT.
Skizze 4 Die Entwicklung der Operationen beim AOK. und 3. AK.
Grundgedanke war: Offensive unserer Hauptkräfte zwischen Weichsel
und Bug. Dabei sollte das Schwergewicht auf den linken Flügel gelegt werden,
um nicht vom deutschen Ostheere, von Schlesien und Westgalizien abgedrängt
zu werden (C. IV., S. 425 u. a.).
Auf Grund der bis Mitte August eingelangten Nachrichten vermutete
man, daß der Feind uns gegenüber etwa fünf bis sieben Korps im Räume
Lublin—Kowel—Brest Litowsk, etwa acht bis zehn Korps im Räume Luck—
Proskurow und vielleicht auch noch weiter südlich bereitstellen würde (C. IV.,
S. 391 bis 395).
Unsere Offensive gegen Nord sollte bald beginnen, noch bevor die Russen
alle ihre Kräfte versammelt haben konnten. Man konnte für diese Offensive
nicht stark genug sein. Es blieb aber die Frage offen, in welchem Maße
diese Offensive von Ost her gefährdet werden konnte. Während man anfangs
geglaubt hatte, auf einen baldigen Vormarsch des Feindes von Ost her
rechnen zu müssen, glaubte man später, hoffen zu können, daß ein solcher
Einmarsch des Feindes sich nicht vor dem 27. oder 28. August geltend machen
würde (C. IV., S. 391, bzw. S. 428).
Der Aufmarsch unserer Armeen war an der Linie San—Dnjestr in
Durchführung. Bis zum 18. Aug. war folgende Situation eingetreten:
Westlich der Weichsel marschierte eine Gruppe von drei Landsturm-
divisionen von Krakau gegen Opatów; weiter nördlich ein deutsches Land-
wehrkorps von Piotrków gegen Radom.
Unsere 1. Armee stand bereits komplett mit neun Infanteriedivisionen
zwischen der Sanmündung und Lezajsk.
Die 4. Armee mit sieben Infanteriedivisionen im Räume Jaroslau
—Przemysl, zwei Infanteriedivisionen fehlten noch.
Von der 3. Armee war im Versammlungsräume bei Sambor eine
Infanteriedivision operadonsfähig, eine zweite soeben im Eintreffen. Weitere
zweiundeinhalb Infanteriedivisionen wurden bis 24. Aug. erwartet.
Von der 2. Armee, die in der Gegend von Stryj und Stanislau ver-
sammelt werden sollte, waren vier Infanteriedivisionen bereits eingetroffen,
zwei Infanteriedivisionen wurden in den nächsten Tagen erwartet. Zwischen
26. und 30. Aug. sollten dann noch weitere vier Infanteriedivisionen vom
serbischen Kriegsschauplatz eintreffen. Jedem unserer Korps folgten im Auf-
Die Entwicklung der Operationen beim AOK. und j. AK.
^7
marsche noch eine Landsturm- und eine Marschbrigade, dann bis Ende August
die Heeresanstalten.
Der Eisenbahnaufmarsch war fast ausschließlich nur von dem Gesichts-
punkte der besten Ausnützung aller Bahnen geleitet worden und hätte als
Ergebnis die Aufstellung von dreißig Infanteriedivisionen in einer ca. 280 km
breiten, gegen Nordost gerichteten Front gehabt (Sanmiindung—Stanislau).
Für die Offensive Richtung Nord mußte daher sowohl eine Schwenkung als
auch ein wesentlich engeres Zusammenziehen der Heereskörper stattfinden.
Aus allen vorstehend angeführten Grundlagen und Erwägungen war
folgender Plan entstanden, der schon in den ersten Befehlen des AOK.
(Op.-Nr. 838 und 878; C. IV., S. 426, bzw. S. 444) Ausdruck fand:
Für den Angriff gegen Nord sollten zunächst die 1. und 4. Armee bis
zum 21. Aug. in die Linie Sanmündung—Niemirów gelangen. Dann sollte
die i. Armee rasch die unangenehme Tanew-Waldzone durchschreiten und
die nördlichen Höhen erreichen. Die über Opatów anrückende Landsturm-
gruppe sollte später über die Weichsel an die 1. Armee anschließen.
Gleichzeitig sollte die Versammlung der 3. Armee von Sambor in die
Gegend von Lemberg vorverlegt und dort bis zum 25. August durchgeführt
werden. Von der Armeegruppe Stanislau sollten III. und XII. Korps an
den Dnjestr zwischen ¿ydaczów und Halicz herangeschoben werden, um
dann bis zum 23. in den Raum südöstlich Lemberg zu gelangen.
3. Armee und die Armeeteile von Stanislau wurden damit in ein Staffel-
verhältnis zur 4. Armee gebracht. Aus einer solchen Lage blieb es immerhin
möglich, diese Kräfte entweder dem Hauptangriffe gegen Nord folgen zu
lassen oder sie gegebenenfalls zum Schutze gegen Ost abzudrehen. Die Ent-
scheidung hierüber konnte einem späteren Zeitpunkte vorbehalten bleiben.
Von den geschilderten Ereignissen im Grenzraume nahm das AOK. nur
wenig Notiz. Es schätzte in den Unternehmungen lediglich feindliche
Kavalleriedivisionen und etwas Infanterie (C. IV., S. 428). Diese konnten
den großen Plan nicht stören.
Dem 3. AK. wurde nunmehr befohlen, im Fall eines feindlichen An-
griffes den Raum um Lemberg zu halten. Die 11. ID. sollte vorläufig bei
Brzezany verbleiben und im Fall eines überlegenen feindlichen Druckes Rich-
tung Bóbrka zurückgehen. Die 43. LID. und 35. LstBrig. sollten ein Vor-
gehen feindlicher Kräfte zwischen Dnjestr undPruth hintanhalten, gegebenen-
falls auf Tlumacz—Ottynia ausweichen.
Im Bereiche der Armeen jedoch konnte die Lage im Grenzraume nicht
so einfach übergangen werden. Das 3. AK. mußte sich trotz des Befehles,
die Kräfte bei Lemberg zu versammeln, dafür entscheiden, die auswärts be-
findlichen Teile des XI. Korps, also beinahe die ganze 30. ID., auch weiterhin
draußen zu belassen. Das AGK. Stanislau erhielt Meldung über einen starken
feindlichen Einbruch bei Zalozce und hielt für notwendig, die noch bei
Brzezany befindlichen Reste der 11. ID. (5 Baone. und 5 Btn.) nach Zborow
vorgehen zu lassen, und damit war nun auch die ganze 11. ID. ausgespielt.
Das AOK. genehmigte dies nachträglich (C. IV., S. 458).
28
Die erste Schlacht.
21. August.
(AOK., Op.-Nr, 975; C. IV., S. 459.) Die Märsche der 1. und 4. Armee
erwiesen sich als äußerst anstrengend, beiden Armeen mußte am 22. Aug.
Zeit gelassen werden, aufzuschließen. Hingegen drängte das AOK. auf rasche
Versammlung der 3. Armee, die nicht mehr westlich Lemberg, sondern bis
zum 25. Aug. abends an der Linie Magierów—2olkiew—Zydatycze auf-
marschieren sollte. Sowohl aus dieser Aufmarschfront als auch aus dem bei-
gefügten Befehl: „Aufklärung speziell gegen den Raum Sokal—Stojanów"
verstärkte sich der Eindruck beim 3. AK., daß die 3. Armee für eine Ver-
wendung Richtung Nord bestimmt sei. Betreffend Versammlung war dies-
mal auch das XI. Korps speziell erwähnt worden. Deshalb gab das 3. AK.
nunmehr den Befehl, die 30. ID. einzuziehen und gemeinsam mit 11. MBrig.
und 93. LstBrig. bis 25. Aug. abends bei Lemberg marschbereit zu stellen.
Dadurch wurde den Kavalleriedivisionen die so notwendige Infanterieunter-
stützung entzogen, und sie mußten zurückgehalten werden. Die 4. KD. ge-
langte nach Krasne, die 24. HKBrig. nach Kamionka Strumilowa, wo sie sich
mit dem eintreffenden Gros der 11. HKD. vereinigen sollte. Die 2. KD.
wurde, wie schon erwähnt, in Mosty Wielkie bereitgestellt.
Durch Flieger waren starke Kräfte im Räume Lublin—Krasnostaw
gemeldet. Aus dem Räume Wladimir Wolynskij—Luck—Dubno—Kreme-
niec bestanden zu dieser Zeit beim AOK. überhaupt keine Nachrichten. Aus
dem Räume südlich der Straße Proskurow—Tarnopol bis zum Dnjestr lau-
teten die zum AOK. gelangten Meldungen negativ. Auch war das AOK.
durch einen etwas übereilten Bericht des AGK. Stanislau vom 19. Aug. in
der Annahme bestärkt worden, daß aus diesem Räume keine nennenswerten
Feindkräfte zu erwarten seien (C. IV., S. 447). Allerdings hatte das AGK.
am 20. berichtigt, daß der Südflügel des Feindes sich bei Gorodok befinden
dürfte, doch scheint diese nur allgemein gehaltene Feststellung wenig Eindruck
gemacht zu haben. Deshalb wollte das AOK. die 1. und 5. KD. näher an
Zborów und Tarnopol heranziehen, um dort eine geschlossene Gruppe von
drei Kavalleriedivisionen und einer Infanteriedivision zur Verfügung zu
haben.
Spät abends nach Ausgabe aller Befehle kamen Nachrichten über den
Kampf der 4. KD. bei Jaroslawice, über den Einmarsch feindlicher Kolonnen
gegen Tarnopol und zahlreiche starke Einbrüche von Kavallerie und Infanterie
über den Zbrucz. Dort gingen unsere Grenzdetachements zurück. Die 43. LID.,
deren rechtzeitige Heranziehung das AOK. stets vor Augen gehabt hatte,
erhielt nun Befehl, über Tlumacz nach Nizniów zu gelangen (C. IV., S. 459).
Bevor aber dieser Befehl eintraf, hatte das AGK. Stanislau bereits den Ab-
marsch der Division gegen Czernowitz befohlen und das AOK. genehmigte
auch dies nachträglich.
22. August.
(AOK., Op.-Nr. 1004; C. IV., S. 472.) Bewegungen des Feindes von
Lublin gegen Süd drängten zum baldigen Vormarsche der 1. Armee durch die
Die Entwicklung der Operationen beim AOK. und j. AK.
29
Tanew-Region. Am 23. Aug. sollte die 1. Armee die Höhen knapp nördlich
der Waldzone in Besitz nehmen, die 4. Armee in der Linie Tereszpol—Narol—
Rawa Ruska angriffsbereit gestellt werden. Ein weiteres Vorgehen kam erst
in Aussicht, bis die 3. Armee im Räume Magierów—2ólkiew—Lemberg
operationsbereit sein würde, was nicht vor dem 25. Aug. abends geschehen
konnte.
Mittlerweile drängten die von Osten eingebrochenen feindlichen
Kolonnen gegen Tarnopal, Trembowla und Czortków. Man schätzte diesen
Feind beim AOK. nun schon auf mehrere Kavalleriedivisionen, durch Infan-
terie, vielleicht sogar durch einzelne Infanteriedivisionen unterstützt. Eine
unmittelbare Bedrohung unserer Armeen, deren Zusammenschluß günstig fort-
schritt, schien aber vorläufig nicht zu bestehen.
Trotzdem sollten Maßnahmen getroffen werden, um den Feind nicht
zu nahe an den Operationsbereich unserer Armeen herankommen zu lassen.
Zunächst wurden die im Räume Zborów, Tarnopol und Czortków stehenden
Kräfte, die 11. ID., 8., 5. und 1. KD. beauftragt, den Feind aufzuhalten
(C. IV., S. 473). Ihre Zusammenziehung unterblieb. Außerdem wurde das
XII. Korps, welches im Anmärsche von Halicz am 23. Aug. die Gegend
von Przemyslany erreichen sollte, dazu bestimmt, gegen Ost einen Schlag
zu führen, falls der Feind die Linie Krasne—Dunajów überschreiten sollte.
Gegen den von Ost eingebrochenen Feind waren damit die im Augen-
blick notwendig erscheinenden Maßnahmen getroffen. Wichtiger aber, weil
für die Hauptoperationen maßgebend, war die Frage einer unmittelbaren
Sicherung des Ostflügels der 4. Armee. Es bestanden verschiedene Nach-
richten über feindliche Versammlungen im Räume Cholm—Kowel—Luck.
Eine Sicherung dagegen war nur durch die nachfolgende 3. Armee möglich.
Solange diese nicht operationsbereit war, konnte daher auch an den weiteren
Vormarsch gegen Norden nicht gedacht werden. Doch wurde das am 23. Aug.
knapp südöstlich Lemberg eintreffende III. Korps jetzt in den Verband der
3. Armee überwiesen. Damit war eine Gruppierung angebahnt, aus welcher
die 3. Armee ab 26. Aug. die Vorrückung mit sechs bis sieben Divisionen in
erster und mit zwei bis drei Divisionen in zweiter Linie, je nach Bedarf,
Richtung Nord oder Nordost antreten konnte.
Aber der 26. Aug. lag noch weit und bis dahin konnte manches ge-
schehen. Der rechte Flügel der 4. Armee, der sich ab 23. bei Rawa Ruska
befinden sollte, konnte dort umgangen werden, ohne daß der Feind den
Versammlungsraum der 3. Armee zu berühren brauchte. Aus diesem Grunde
erhielt nun die 3. Armee den Befehl, bis zur Beendigung ihrer Versammlung
„feindliche Einbrüche aus der Richtung über Sokal, Radziechów und Brody
abzuweisen".
Das war jetzt, nachdem die Einziehung der Infanterie bereits angeordnet
war, eine schwierige Aufgabe. Vielleicht wäre es zu diesem Zeitpunkte noch
möglich gewesen, die 30. ID. an der Linie Zloczów—Kamionka Strumilowa
zusammenzuziehen, von wo aus sie noch immer an einer Offensive Richtung
3°
Die erste Schlacht.
Nord hätte teilnehmen können, wenn bis dahin von Ost kein Feind kam.
Aber leider blieb es bei der angeordneten Versammlung bei Lemberg.
23. August.
Es kam die überraschende Meldung, daß ein feindliches Korps bei Brody
in Galizien einmarschiert sei. Das 3. AK. gab daraufhin dem soeben an-
marschierenden III. Korps den Befehl, für den Angriff dorthin am 24. früh
bereit zu sein (Op.-Nr. 181; Pf., S. 11). Mit Rücksicht auf die Entfernung
des Feindes war dieser Befehl außerordentlich rasch gegeben. Die 30. ID.
wurde soeben aus dem Grenzraum eingezogen und drei andere Divisionen
zum Angriffe dorthin bereitgestellt, noch dazu in einer Richtung, die mit
Rücksicht auf die Hauptoperation doch etwas weit abseits lag.
Aber in einer Atmosphäre, die so sehr auf Angriff abgestimmt war
(z. B. C. IV., S. 488, 489 oder S. 448: „im Interesse der erhofften eigenen
Offensivoperation" usw.), nahm das AK. den Befehl „feindliche Einbrüche
abzuweisen" nicht anders auf, als „Angriff auf einbrechenden Feind"
(Pf., S. Ii).
Es war ein Verhängnis, daß in dem Räume, in welchem das 3. AK.
Einbrüche abweisen sollte, sich der Feind zuerst bei Brody gezeigt hatte,
sonst hätte sich vielleicht die Auffassung in anderer Weise entwickelt. Aller-
dings hatte sich hier auch noch der Einfluß der Geländeverhältnisse geltend
gemacht. Es war eine eingelebte Auffassung, daß Kämpfe in Ostgalizien
unwillkürlich im „Manövrierterrain" südlich der Bahn Lemberg—Brody zur
Austragung gelangen würden und nicht im „Durchzugsgelände" des Bug-
bassins (C. IV., S. 505, 506; Pf., S. 12).
Hier hätte es nun beinahe geschehen können, daß unser III. Korps,
welches am 23. bereits die Linie Winniki—Wankowce erreichen sollte, über
das Bergland hinausgelangte. Es wurde deshalb rasch in die Linie Gliniany—
Lahodów gedreht.
Das III. Korps hatte ebenso wie das XII. Korps zu jenen Kräften gehört,
die vom AOK. von Haus aus für eine eventuelle Verwendung Richtung
Ost gedacht waren. Deshalb genehmigte das AOK. den Entschluß des 3. AK.
Um aber den Schlag gegen Ost, der sich immer mehr als notwendig erwies,
einheitlich zu führen, erhielt das 3. AK. den Befehl, III., XII. Korps, 11. ID.,
8. KD. einheitlich zusammenzufassen (Op.-Nr. 1077; C. IV., S. 490). Das
3. AK. wurde damit allerdings etwas unerwartet vor eine neue Aufgabe
gestellt.
An dem großen Plan aber sollte sich nichts ändern. Auch sollte die
Versammlung des XIV. Korps durch die von Ost möglicherweise heran-
kommenden Ereignisse nicht gestört werden.
24. August.
Die Feindlage im Osten schien höchst ungewiß. Bei Czernowitz war
tags vorher gekämpft worden, Ausgang unbekannt. Unsere 1. und 5. KD.
Die Entwicklung der Operationen
31
waren bereits an die Strypa zurückgegangen. Bei Tarnopol war die Lage
ungeklärt. Der Feind hatte schon am 22. dort angegriffen, das Gros der
Ii. ID. war aber noch am 23. in Zborów gewesen.
Von Brody her erreichte der Feind am 24. vm. Podhorce, Patrouillen
streiften schon bis an den Bug. Da kam plötzlich auch Nachricht über Feind
aller Waffen, wenigstens eine Infanteriedivision und eine Kavalleriedivision
in der Gegend bei Radziechów und Ruda, von wo aus Abteilungen bereits
gegen Cholojów, Toporów und Sokolowka vorgingen (Pf., S. 18).
In der Gegend von Sokal, die für die 4. Armee von besonderem Belange
war, schienen sich vorläufig nur feindliche Kavalleriekräfte zu befinden.
Die Eile, mit der das Umschwenken des III. Korps in der Nacht durch-
geführt worden war, hatte sich nicht ausgezahlt. Denn das XII. Korps
hatte die für den 23. bestimmt gewesenen Marschziele Swirz und Przemyslany
nicht erreichen können, war erst spät in der Nacht mit den Teten bis
Hulków und Bakowce gelangt und mußte am 24. unbedingt rasten. Aber
auch das III. Korps war dringend rastbedürftiig.
Aus den Mitteilungen des AOK. hatte das 3. AK. den Eindruck erhalten,
daß ca. ein bis zwei Infanteriedivisionen von Tarnopol, ca. zwei Infanterie-
divisionen von Brody Richtung Lemberg im Anmärsche seien und sah jetzt
auch noch eine dritte Gruppe des Feindes nördlich der Bahn. Die zum Schlage
gegen Ost zu verwendenden Kräfte sollten gemäß Op.-Nr. 1077 im all-
gemeinen nicht über die Linie Krasne—Dunajów hinausgeführt werden. Doch
sah das 3. AK. den Feind konzentrisch näherkommen und fühlte sich zu
raschem Handeln gedrängt (Pf., S. 17). Deshalb gab es am 24. Aug. mittags
den Befehl (Op.-Nr. 196; Pf., S. 19) für den 25. Aug. zur Vorbereitung des
Angriffes, der wie folgt geplant war:
Mit dem III. Korps über die Höhen zwischen dem Peltew und der
Linie Bóbrka—Przemyslany—Pluhów, Stoßrichtung Ost, starker rechter
Flügel. Der Zeitpunkt für die Vorrückung des III. Korps sollte gekommen
sein, wenn der Gegner die Tiefenlinie Gologóry—Dunajów zu übersetzen
beginnen würde.
Bis dahin sollte das XII. Korps mit Zuziehung der 11. ID. bereit sein,
zuerst die von Tarnopol voraussichtlich über Pomorzany anrückenden feind-
lichen Kräfte zurückzuschlagen und dann das III. Korps unterstützen.
Weiters sollten die 4. KD. nördlich, die 8. KD. südlich die Flanken der
Korps sichern und den Angriff unterstützen.
Der nördlich der Bahn befindliche Feind war nicht zu ignorieren. Denn
er konnte sich entweder Richtung 2olkiew gegen das XIV. Korps wenden,
dessen Versammlung nicht gestört werden sollte (Op.-Nr. 1077), oder aber,
er hätte die zum Angriff vorgehenden Korps III und XII in der Flanke ge-
fährden können. Deshalb erhielt nun das bei Lemberg noch in Versammlung
begriffene XI. Korps vom 3. AK. den Befehl, am 25. mit den Teten an der
Linie Jakimów—Dziedzilów bereitzustehen. Es sollte am 26. August gegen
Busk vorrücken.
32
Die erste
Unterdessen mußte aber die bei Kamionka Strumilowa stehende
il. HKD. dringend unterstützt werden. Die Festhaltung von Kamionka
Strumilowa war für die Sicherung des Nordflügels wichtig. Die dort gewesene
Infanterie der 30. ID. war soeben nach Lemberg eingezogen worden, jetzt
mußten neuerdings drei Baone. von Lemberg abgehen, ebenso ein Baon. des
III. Korps zur 4. KD., zur Festhaltung der wichtigen Punkte Busk und
Krasne. Das Einziehen der 30. ID. machte sich bereits empfindlich fühlbar.
(AOK., Op.-Nr. 1102 und 1117; C. IV., S. 506, bzw. S. 508.) Mittler-
weile wurden aber auch die Nachrichten aus dem Räume südlich der 3. Armee
ungünstiger. Der Feind war bereits weit über Tarnopol und den Sereth vor-
gerückt. Die 8. KD., die in den Verband der 3. Armee übertreten sollte, war
über Kozowa anscheinend gegen Rohatyn, die 5. und 1. KD. an den Koropiec-
bach zurückgegangen. Zu deren Unterstützung hatte das AGK. Stanislau die
zum XII. Korps gehörende 38. HID. am 24. früh von Halicz nach Podhajce
und Monasterzyska abschwenken lassen. Das 3. AK. hatte mit dieser Division
gerechnet, ihr Ausfall war unerw¡artet und empfindlich.
Im Laufe der Nacht zum 25. sollte das 2. AK., vom serbischen Kriegs-
schauplatz kommend, in Stanislau eintreffen. Es sollte die wenigen am
Koropiecbache und am Dnjestr verfügbaren Truppen zusammenfassen und
den Feind dort zurückschlagen oder wenigstens aufhalten.
Die 43. LID. hatte am 23. den Feind geworfen. Aber sie stand jetzt bei
Czernowitz abseits der großen Ereignisse. Sie erhielt nunmehr Befehl, wo-
möglich über Zaleszczyki Richtung Buczacz in den Rücken des an den
Koropiecbach vorgegangenen Feindes vorzustoßen, was natürlich bestenfalls
erst in einigen Tagen geschehen konnte.
Gleichzeitig erhielt nun auch das 3. AK. den Befehl, „den Schlag gegen
den bei Brody und Tarnopol eingebrochenen Feind zu führen". Dazu sollten
die dazu bestimmten Kräfte bis 25. abends in der Linie Gliniany—Lahodów—
Przemyslany—Firlejów bereitstehen und die 11. ID. entsprechend heran-
gezogen werden.
Aus dem Befehl Op.-Nr. 1102 war zu ersehen, daß das AOK. auch das
XI. Korps südlich der Bahn erwartete. Dies wirkte beim 3. AK. vollkommen
überraschend. Am 22. war vom AOK. das XII. Korps für einen eventuellen
Schlag gegen Ost bestimmt worden. Am 23. mittags hatte das 3. AK. den
Befehl zum Umschwenken des III. Korps gegeben. Am 23. abends hatte das
AOK. als Antwort den Befehl Op.-Nr. 1077 gegeben, vom XI. Korps war
darin nichts erwähnt. Am 24. vm. war Feind nördlich der Bahn gemeldet,
und das 3. AK. hatte deshalb die Verwendung des XI. Korps gleichfalls
nördlich der Bahn in Aussicht genommen. Es war dies dem AOK. gemeldet
worden und dieses hatte nicht dagegen gesprochen. Jetzt wurden die Gründe
dem AOK. neuerdings vorgetragen und schließlich wurde die Verwendung
nördlich der Bahn genehmigt (Pf., S. 26).
Während die Ereignisse in Ostgalizien sich derart entwickelten, hatten
die Kämpfe bei der 1. Armee bereits begonnen. Beim Austritt aus der Wald-
Die Entwicklung der Operationen
33
zone war sie am 23. auf Feind gestoßen und hatte diesen zurückgeworfen.
Am 24. war sie in der Gegend bei Krasnik abermals in schwere Kämpfe
verwickelt. Sie erhielt nun vom AOK. die weitere Richtung auf Lublin
angewiesen. Die auf dem westlichen Weichselufer vorgehende Landsturm-
gruppe sollte möglichst bald über die Weichsel an den linken Flügel der
1. Armee anschließen. Auf dem linken Weichselufer sollte nur das deutsche
Landwehrkorps bleiben und gegen Iwangorod sichern.
Die 4. Armee stand noch in der Linie Tereszpol—Narol—Potylicz, zwei
ihrer Divisionen hatten noch nicht angeschlossen. Am 24. waren vier feind-
liche Infanteriedivisionen im Anmärsche gegen die 4. Armee gemeldet, worauf
auch diese zum Angriffe drängte. Auch sie erhielt nun den Angriffsbefehl.
Sie sollte mit ihrem rechten Flügel längs der Huczwa vorgehen, unter starker
Sicherung gegen Ost. Der linke Flügel ging Richtung Zamosc vor, wodurch
sehr rasch ein Zusammenschieben der 4. Armee in nordöstlicher Richtung und
eine allmählich größer werdende Trennung von der 1. Armee entstand.
Aber selbst das Zusammenschieben der 4. Armee gegen den rechten
Flügel konnte noch immer nicht genügend Sicherheit gegen eine Um-
fassung von Ost her bieten. Wenn der Angriff gegen Nord möglich werden
sollte, dann mußten der 4. Armee auch noch andere Kräfte am östlichen
Flügel folgen. Das AOK. bestimmte nun hiezu das in der Linie Magierów—
Zolkiew stehende XIV. Korps (3., 8., 41. ID. und 2. KD.).
Somit waren nun die großen Entschließungen für die Offensive unserer
Armeen gefaßt: 1. Armee Richtung Lublin, 4. Armee und XIV. Korps in die
Linie Zamosc—Tyszowce, 3. Armee in die Linie Busk—Dunajów. (Die
2. Armee bestand noch nicht.)
Von dem ursprünglichen Grundgedanken, das Schwergewicht aller
Heereskräfte am westlichen Flügel an der Weichsel zu halten, war nichts
mehr übriggeblieben. Strahlenförmig gingen jetzt die Armeen auseinander,
wobei allerdings die Offensive der 3. Armee nur begrenzt, als Abwehrmaß-
nahme, gedacht war.
In der großen Lücke, die dadurch zwischen 3. und 4. Armee entstehen mußte,
standen dem AOK. in nächster Zeit noch folgende Kräfte zur Verfügung:
44. LID., die am 25. nach Kulików zu gelangen hatte; 23. HID., die so-
eben in S^dowa Wisznia eintraf; zu ihr sollte aus der Festung Przemysl die
97. (Kassaer) LstBrig. gelangen. Dann noch 88. TirLschBrig., 108. (Inns-
brucker) LstBrig., 3. und 14. MBrig., die zwischen 25. und 28. in Lemberg
eintreffen sollten.
25. August.
Es kamen Meldungen, daß am 24. nm. in Cholojów, Dmytrów, Ohla-
dów, Majdanstr. Russen einquartiert waren, in Radziechów Truppen aller
Waffen (3. AK., Op.-Nr. 202).
Am 24. mittags hatte der Feind Zloczów besetzt. Eine russische Kaval-
leriedivision war am 24. bei Pomorzany auf unsere 11. ID. gestoßen und
durch Artilleriefeuer zum Umkehren genötigt worden.
Pitreich. •>
34
Die erste Schlacht.
Schließlich war die 11. HKD. von Kamionka Strumilowa zurückge-
gangen, der Feind hatte den Ort besetzt.
Der Feind zog seine Kreise immer enger. Das 3. AK. schätzte daher sehr
begreiflicherweise, daß ein Angriff besser zu einem Zeitpunkt geschehe, bevor
der Feind seine getrennten Gruppen zusammengeführt haben konnte. Es
beantragte daher beim AOK., die Vorrückung noch am 25. zu beginnen.
Der Chef des Generalstabes hatte Bedenken. Aus den eingelaufenen
Nachrichten hatte er allmählich einen anderen Eindruck gewonnen. Der Um-
stand, daß immer wieder neue feindliche Kräfte auftauchten, hatte bei ihm
anscheinend die Meinung geweckt, daß der Feind stärker sein müsse, als dies
gemeldet worden war. So schätzte er am 24. nm. den Feind im Räume nord-
östlich und östlich Lemberg auf ca. zehn Divisionen und vermutete, daß deren
Hauptkräfte von Tairnopol gegen Lemberg im Vorrücken wären (C. IV.,
S. 505). Der Chef des Generalstabes sah also nicht mehr einzelne feindliche
Gruppen, sondern er sah eine, wenn auch lockere, so doch einigermaßen zu-
sammenhängende Front und diese wollte er durchstoßen. Deshalb wollte er
die 3. Armee mit allen ihren Kräften im Berglande südlich der Chaussee
Lemberg—Zloczów eng zusammengefaßt wissen, um sie dort zu einem eng-
geschlossenen Stoß anzusetzen (C. IV., S. 505, 516 und 533; AOK., Op.-
Nr. 1191).
Mit Rücksicht auf das eingelebte allseitige Streben nach Umfassungen
war die Idee eines solchen Stoßes damals recht ungewohnt. Es ist aber auch
selbstverständlich, daß ein derartiger Stoß den Schutz der Flügel zur unbe-
dingten Voraussetzung hat. Anscheinend hatte der Chef des Generals tabes
die am Koropiecbache getroffenen Maßnahmen für ausreichend gehalten, um
den südlich vordringenden Feind genügend lange zum Stehen zu bringen.
Ebenso hatte er wahrscheinlich erwartet, daß 11. und 4. KD., vielleicht durch
etwas Infanterie verstärkt, den Feind am Bug aufhalten würden.
Dem 3. AK. aber konnte das Tempo, in welchem der Feind rechts und
links vorrückte, beinahe unheimlich erscheinen. Dabei wußte es kaum, was
sich im Räume südlich Brzezany zutrug; es sah jedoch, daß auf einen Wider-
stand am Bug nicht mehr zu rechnen war. So fehlte also dem 3. AK. durch-
aus jene Basis, auf welcher sich der Gedanke eines Stoßes hätte aufbauen
können. Nicht nur, daß es diesen Gedanken selbst nicht finden konnte, er
war auch vom AOK. durchaus nicht deutlich ausgesprochen worden (AOK.,
Op.-Nr. Ii 17: „einen Schlag gegen den über Brody und Tarnopol eingebro-
chenen Feind führen ...").
Wenn man die Befehle des AOK. jetzt nachträglich zusammenfassend
liest, so wird man wohl erkennen, wie die Absichten des Chefs des General-
stabes sich einheitlich und in einer bestimmten Richtung entwickelten. Aber
häufig wechseln im Wortlaute der Befehle die Wendungen und die Präzisie-
rung der Aufgaben, und dies hat natürlich die Übertragung der Auffassungen
wesentlich beeinträchtigt.
Der Chef des Generalstabes mit seinem weiter reichenden Blick war in
seiner Auffassung , der Wirklichkeit nähergekommen als die anderen Stellen.
Die Entwicklung der Operationen beim AOK. und j. AK.
35
Aber diese Auffassung war dem 3. AK. nicht übermittelt worden. Dieses
hatte selbst nur wenig Nachrichten, aus dem wichtigsten Räume Zloczów—
Tarnopol, in welchen die 3. Armee vorstoßen sollte, überhaupt keine. Bei
dieser geringfügigen Orientierung schöpfte das 3. AK. begreiflicherweise die
Beurteilung der Lage hauptsächlich aus dem Wortlaute der AOK.-Befehle.
Von einer auch nur halbwegs zusammenhängenden Front des Feindes war
darin nichts enthalten. Das 3. AK. sah daher nur getrennte feindliche Grup-
pen und sah diese konzentrisch näherkommen. Es sah ferner auch, daß die
3. Armee weder von rechts noch von links auf irgendeine Unterstützung zu
rechnen hatte, und so wurde der Gedanke, endlich loszuschlagen, beim 3. AK.
immer drängender. Den unzweifelhaften Befehl für den bevorstehenden An-
griff hatte das 3. AK. ohnehin schon in Händen. Nur um den Zeitpunkt
handelte es sich noch: ob der Vormarsch aus der Linie Gliniany—Firlejów
noch am 25. nm. oder erst am 16. früh beginnen sollte.
Dem 3. AK. wurde auf seine eindringliche Vorstellung freie Verfügung
gegeben. Daraufhin erteilte es sofort den Vormarschbefehl, wonach die
Korps III und XII noch am 25. den Olszanicabach und die westliche Zlota
Lipa im Abschnitte Bortków—Gologory—Dunajów zu erreichen hatten
(Op.-Nr. 209; Pf., S. 38).
Die Vorrückung aus dieser Linie am 26. früh führte dann zur Schlacht.
Bevor diese jedoch dargestellt wird, ist es nötig, ihre Entwicklung auch noch
von einem anderen Gesichtspunkte aus zu verfolgen, nämlich von Seite der
Korps, die in den Kampf zogen.
Durch den Apparat zahlreicher Kommandostellen gehen die Forderun-
gen der Führung bis zu den Truppen, wo sie zur Tat umgesetzt werden
müssen. Dies geschieht glatt und reibungslos, wenn auf die ausführenden
Kräfte ausreichend Rücksicht genommen ist, knarrend und holprig, wenn die
Leistungsfähigkeit überspannt wurde. Sofort melden sich die Widerstände,
die aus den seelischen und physischen Elementen des Krieges herrühren, und
können sich bis zur Unausführbarkeit der Befehle, zum inneren Zusammen-
bruche der Truppen steigern. Sobald Schwierigkeiten eintreten, ist es Auf-
gabe der verschiedenen Führerstellen, einen Ausgleich zwischen dem Gefor-
derten und dem Erreichbaren herbeizuführen. Dies ist nicht immer leicht.
Zweifellos erfordert der Krieg gedankliche Entwürfe und Ausführung
in gleicher Weise. Doch wo es gilt, Befehle durchzuführen, hat der Krieg
stets ein anderes Gesicht als dort, wo er sich in rein geistiger Sphäre bewegt.
Sein Ausdruck wird härter, wenn mit Schweiß und Blut dem Schicksal abge-
rungen werden muß, was abzuringen geht.
Die Anmärsche der Korps.
III. Korps.
Am 19. Aug. abends waren die 6. und 28. ID. im Räume bei Stryj ver-
sammelt, die 22. LID. noch im Anrollen.
3"'
36
Die erste Schlacht.
Im Laufe des 20. Aug. war das Korps bei 2ydaczów und ¿urawno an
den Dnjestr marschiert und hatte sodann bis zum 23. den Raum Winniki—
Hermanów zu erreichen.
Dementsprechend wurde der Vormarsch vom Dnjestr am 21. Aug. an-
getreten. Die Weg Verhältnisse waren zum Teil recht schlecht, die Marsch-
leistungen betrugen bei der 6. und 28. ID. durchschnittlich 30 km, bei der
22. LID. etwas mehr.
Nach diesen immerhin recht anstrengenden Märschen sollten am
23. Aug, nm. die anbefohlenen Ziele, und zwar von der 6. ID. Winniki, von
der 28. ID. Gaje-Hermanów, erreicht werden. Die 22. LID. konnte an die-
sem Tage nur bis Bóbrka gelangen.
Knapp bei Eintreffen kam vom 3. AK. der Befehl: „Das III. Korps
hält sich ab 24. August früh bereit, zum Angriff auf aus der Richtung Brody
vorgehenden Feind.... Es versichert sich, wenn tunlich am 23., sonst am
Morgen des 24. der Höhen nächst Lahodów und östlich Gliniany" (3. AK.,
Op.-Nr. 181; Pf., S. 11).
Dem III. KK. erschien dieser Befehl dringlich genug, um gleich nach
wenigen Raststunden die Frontveränderung durchzuführen. Die Märsche
dauerten bis in die Vormittagsstunden des 24. Aug. Die 22. LID. wurde bei
Hanaczów, südlich der Zloczówer Chaussee, die 28. ID. bei Schloß Kuro-
wice—Wyzniany, also auf der Chaussee, und die 6. ID. hinter der 22., süd-
lich der Chaussee, bei Mikolajów—Romanow, Front Ost, aufgestellt. Nach-
mittags wurden im Räume Swirz—Laszki Królewskie, Podhorodyszcze
Unterkünfte bezogen, mit geschlossenen Vorposten auf den Höhen östlich
Przemyslany—Polonice.
Die 4. KD. war hinter die Vorposten nach Gliniany zurückgegangen.
Ein Baon. der 28. ID. wurde nach Busk—Krasne vorgeschoben.
Im Laufe des Nachmittags kam die schon früher erwähnte Disposition
(Op.-Nr. 196) des 3. AK. für den 25. Aug. :
Das III. Korps sollte zum Angriffe vorgehen, sobald der Gegner die
Tiefenlinie Gologory—Dunajów übersetzen würde.
Vorläufig war aber der Gegner von dieser Linie noch weit, so daß wenig-
stens für die Mehrzahl der Truppen die Nachtruhe ungestört blieb.
Im Laufe des 25. Aug. vm. wurde bekannt, daß der Feind tagsvorher
Zloczów mit ca. zwei Infanterieregimentern und Kavallerie besetzt hatte,
daß gegenüber der 11. ID. zwei starke Kavalleriekörper mit zwei Baonen
und 18 Geschützen aufgetreten waren, weiters daß eine feindliche Kavallerie-
brigade aus der Richtung Zloczów gegen Gologory im Vorgehen sei.
Mittags kam der Befehl Op.-Nr. 209 des 3. AK. (Pf., S. 38): Das Korps
hatte sofort aufzubrechen und noch am 25. bis an die Linie der Olszanica
und der westlichen Zlota Lipa, linker Flügel Bortków, rechter Flügel Wis-
niowczyk, vorzugehen. Die Hauptkräfte sollten am 25. auf den westlichen
Höhen bleiben, nur die Vortruppen hinüber gelangen. Südlich und anschlie-
ßend sollte das XII. Korps den Abschnitt Ciemierzynce—Dunajów erreichen.
Die Anmärsche
37
Nördlich des Peltew sollte das XI. Korps am 26. Aug. von Dziedzilow
gegen Busk vorgehen.
Die 22. LID. marschierte mit der Hauptkolonne um 3 h nm. von Prze-
myslany über Lipowce, eine nördliche Kolonne über Unjów—Lasowe. Die
Hauptkolonne traf auf den Höhen östlich Przemyslany (Plak Trig. 411)
abgesessene feindliche Kavallerie und mußte diese erst vertreiben. Der Feind
zog sich Richtung Wisniowczyk zurück, doch war die Verzögerung bedeu-
tend. Nach einer längeren Rast bei Lipowce wurde um 11 h 30 nachts der
Marsch an die Zlota Lipa fortgesetzt, doch entstand in der Dunkelheit eine
wilde Schießerei, so daß der Marsch für den Rest der Nacht eingestellt wer-
den mußte.
Auch bei der 6. ID. war der Marsch nicht glatt verlaufen. Bei Jaktorów
hatte sich gleichfalls feindliche Kavallerie (ca. drei Sotnien) vorgelegt und
ein Gefecht nötig gemacht. Die Division erreichte erst spät abends den Raum
Nowosiólki—Slowita—Lahodów und stellte geschlossene Vorposten auf. Sie
hatte somit nur mit der Tete das anbefohlene Marschziel erreicht und blieb
über Nacht 10 km tief gruppiert. Die rechte Kolonne marschierte sogar den
größten Teil der Nacht hindurch.
Lediglich die 28. ID. war ohne Störung an die Olszanica gelangt, aber
wegen des spät eingetroffenen Marschbefehles gleichfalls erst in den vor-
gerückten Abendstunden.
X1L Korps.
Die 16. und 35. ID. waren bei Stanislau noch kaum auswaggoniert, als
sie schon am 19. an den Dnjestr bei Halicz und Jezupol in Marsch gesetzt
wurden. Die Trains waren noch nicht endgültig formiert, eine Division des
Korps (38. HID.) fehlte noch gänzlich.
Ab 21. Aug. marschierten die beiden Divisionen (16. und 35.) mit
starken Märschen auf Swirz und Przemyslany.
Am 22. Aug. hatte das Korps den Befehl des AOK., Op.-Nr. 1004,
erhalten, wonach es ab 23. Aug. in der Lage sein sollte, „gegen den von
Osten in Galizien eingedrungenen Feind dann einen Schlag zu führen, wenn
dieser an die Linie Dunajów—Krasne vorgehen sollte". Es wurde daher alles
aufgeboten, die vorgeschriebenen Marschziele (Swirz und Przemyslany) am
nächsten Tage zu erreichen. Obwohl die Divisionen täglich über 30 km
zurücklegten, eine Brigade in zwei Tagen sogar 76 km, gelang dies doch nicht.
Spät in der Nacht zum 24. Aug. erreichte die 16. ID. mit der Vorhut
Hulków, mit dem Gros Firlejów, die 35. ID. mit der Vorhut Bakowce, ihr
Gros Strzeliska Nowe. Die starke Ermüdung der Truppen und die einge-
tretenen Schwierigkeiten in der Verpflegung machten für den 24. Aug. einen
Rasttag unerläßlich.
Am Morgen des 24. jedoch erhielt das XII. KK. zufällig durch eine in
seinem Standorte durchlaufende Disposition des III. Korps die Mitteilung,
daß dieses schon bis zum 24. früh in der Linie Przemyslany—Gliniany für
einen eventuellen Kampf mit der Front gegen Osten bereitgestellt wurde.
38
Die erste Schlacht.
Da-raus entstand der Eindruck, daß schon in nächster Zeit ein Zusammenstoß
mit dem von Ost anrückenden Feind stattfinden dürfte. So sah sich das KK.
veranlaßt, den selbst erbetenen Rasttag zu unterbrechen und im Laufe des
Nachmittags gleichfalls eine Gruppierung mit der Front gegen Ost anzu-
nehmen. Dementsprechend marschierte die 16. ID. auf der Chaussee weiter
gegen Nord in den Raum Borszów—Wolków—Meryszczów, während die
35. ID. von Strzeliska Nowe gegen Osten umschwenkte und an die Chaussee
im Räume Hulków, Firlejów herangezogen wurde, dorthin, wo vorher die
16. ID. gestanden war.
Mittlerweile wurde das XII. Korps dem 3. AK. unterstellt und von
diesem mit Op.-Nr. 196 (Pf., S. 79) die Vorbereitung des Angriffes verfügt.
Für das XII. Korps trug dieser Befehl allerdings nur den Charakter einer
Direktive. Die Bereitstellung der Truppen war dem Korps überlassen und
lediglich dahin begrenzt worden, daß die Vorrückung gegen Ost baldigst
„ohne Umständlichkeiten" in der allgemeinen Direktion Dunajów angetreten
werden könne.
Die bei Zborów gestandene 11. ID. wurde dem XII. Korps unterstellt.
Sie sollte unter Vermeidung isolierter Kämpfe rechtzeitig zurückgezogen
werden.
Am 25. Aug. blieb die 16. ID. stehen und schloß nur in sich auf. Die
35. ID. jedoch wurde in den Raum Blotnia—Janczyn geschoben. Die 11. ID.,
welche tagsvorher zwischen Zborów und Pomorzany gestanden war, erhielt
den Befehl, wenn vom Feinde gedrängt, auf Dunajów und weiterhin südlich
der Bahn auf Höhe Trig. 405 zurückzugehen.
Bis Mittags war das KK. wie folgt orientiert: 11. ID. war zeitlich früh
infolge einer Bedrohung in ihrer Nordflanke von Pomorzany nach Dunajów
zurückgegangen. Die 8. KD. war bis in die Linie Brzezany—Potutory zu-
rückgegangen, wo sie gegen eine feindliche Kavalleriedivision mit Schützen-
brigade im Kampfe stand. Bei ihr befanden sich noch drei Baone. der 11. ID.
Es mußte somit gerechnet werden, daß auch das XII. Korps bald an den
Feind gelangen würde.
Nachmittags erhielt das Korps den Befehl des 3. AK., Op.-Nr. 209
(Pf., S. 38): Im Anschluß an das III. Korps sollte das XII. Korps noch am
25. nm. bis in die Linie Ciemierzynce—Dunajów vorgehen und Vortruppen
auf den Höhen jenseits der Zlota Lipa aufstellen.
Den Truppen wären Marschleistungen von 12 bis 15 km auf schlechten
Wegen in den Abendstunden erwachsen. Auch war der Unterschied in der
Entfernung gegenüber dem III. Korps nicht so groß, daß nicht der Abmarsch
besser auf den 26. früh festzusetzen gewesen wäre. Dies wurde vom AK. ge-
nehmigt und das III. Korps angewiesen, während der Nacht alle Teile west-
lich der Zlota Lipa zurückzuhalten.
Bis zum Abend bestand noch folgende Orientierung: Die 11. ID. war
ohne Kontakt mit dem Feind auf die Höhe Trig. 405 zurückgegangen. Flieger
meldeten, daß von Remizowce mehrere Eskadronen, Baone. und viel Artil-
Die Anmärsche der Korps.
39
lerie vorrückten. Dahinter war die Straße gegen Tarnopol, ebenso die Straße
Jezierna—Zborów vom Feinde frei gesehen worden.
Die 8. KD., welche bei Brzezany die südliche Flanke des Korps decken
sollte, war von 8 h vm. bis gegen 3 h nm. in heftigem Gefechte gestanden,
und die bei der 8. KD. eingeteilt gewesenen drei Baone. der 11. ID. waren
abends äußerst erschöpft nach Narajow m. zurückgegangen. Die 8. KD.
wurde nachmittags bereits am Rückwege von Potutory gegen Rohatyn ver-
mutet. Nachrichten hierüber fehlten.
Zwei feindliche Baone. waren bei Gologóry, zwei bei Szumlany, eine
Schützenbrigade bei Brzezany gemeldet. Die 16. ID. war nachmittags bei
Borszów von feindlicher Kavallerie zu Fuß angegriffen worden und hatte
diese gemeinsam mit der 22. LID. zurückgeworfen.
Die Lage wurde beim KK. dahin geschätzt, daß sowohl dem III. als
auch dem XII. Korps gegenüber fast nur Kosakenformationen mit einiger
Infanterie gegenüberständen, hinter diesen Kräften noch eine feindliche
Kolonne aller Waffen. Dementsprechend sollte die 11. ID. auf der Höhe
Trig. 405 dem Feind entscheidenden Widerstand entgegenstellen und die
beiden anderen Divisionen (16. und 35.) sollten beiderseits der 11. ID. zum
Angriffe vorgehen.
Spät abends erhielt das KK. noch die Disposition für den 26. Aug.
(Op.-Nr. 218; Pf., S. 43). Demnach sollte das XII. Korps auf dieHöhen öst-
lich der Zlota Lipa, südlich Remizowce, das III. Korps nördlich hievon auf
die Höhen südwestlich Zloczów gelangen. Die 11. ID. und die 8. KD.
sollten möglichst aktiv diese Vorbewegungen gegen etwaiges feindliches Vor-
gehen über Brzezany in der südlichen Flanke decken.
Kurz darauf kamen zum KK. auch noch unkontrollierbare, wenig gün-
stige Nachrichten über die Kämpfe unserer Truppen am unteren Koropiec-
bach. Dies, im Zusammenhang mit dem bereits erfolgten Rückzug der
8. KD., rief beim KK. einige Sorge für die Südflanke hervor. Daher ließ das
KK. am 26. früh zunächst nur die 16. ID. über die Zlota Lipa vorgehen.
Die Ii. ID. erhielt entsprechend dem Armeebefehle den Auftrag, sich bis
8 h vm. des 26. bei Narajow m. zu sammeln. Die 35. ID. sollte zunächst
nach Nowosióika gelangen und dort bereit sein, entweder der 16. ID. zu
folgen oder aber gemeinsam mit der 11. ID. den Schutz der südlichen Flanke
zu übernehmen.
Ii. ID.
Fünf Baone. und zwei Batterien standen seit Kriegsbeginn in Tarnopol
bei der 8. KD. Vier Baone. waren in den Abschnitt am Zbrucz gelangt, ein
Baon. noch im Abschnitte Zolkiew festgehalten. Das Gros (5—2—5) hatte,
wie erinnerlich, am 21. Aug. Zborów erreicht.
Am 22. und 23. Aug. hatte das AOK. zuerst mit Op.-Nr. 1048, dann
mit Op.-Nr. 1077 aufgetragen, daß sich die 11. ID. nicht in isolierte Kämpfe
gegen Übermacht einlassen, sondern nur im Vereine mit dem XII. Korps
40
Die erste Schlacht.
kämpfen sollte; falls dieses zum Angriffe Richtung Dunajów—Krasne vor-
gehen würde, hatte die n. ID. Richtung Dunajów anzuschließen.
Am 23. Aug. stand die Division noch auf den Höhen knapp westlich
Zborów und meldete, daß sie seit 21. mit dem Feinde keinen Kontakt mehr
habe. Neben ihr jedoch stand die 8. KD. schon seit 22. nm. bei Tarnopol
im Kampfe.
Am 24. vm. stand das Gros der 11. ID. in der Linie Kulby—Zabin—
M. H. Emilowkâ. Von Tarnopol hatten zwei Baone. Anschluß genommen.
Vormittags ging eine feindliche Kavalleriedivision von Pluhów gegen
Machnowce vor, wurde aber durch die Artillerie der 11. ID. zum Umkehren
veranlaßt.
Die 8. KD. kämpfte bei Glinna und ging nachmittags nach Kozowa,
hierauf das Gros der 11. ID. nach Pomorzany zurück.
Für den 25. Aug. erhielt die Division vom XII. KK. den Befehl, wenn
gedrängt, auf Dunajów und weiterhin südlich der Bahn auf Höhe Trig. 405
(ca. 7 km westlich Dunajów) zurückzugehen.
Im Laufe der Nacht zum 25. war eine Meldung über Bewegung irgend-
welcher feindlicher Kräfte in der nördlichen Flanke der Division eingetroffen,
daraufhin wurde am 25. früh der Rückmarsch nach Dunajów angetreten.
Eine weitere, vormittags eingetroffene Meldung über den Anmarsch
einer Kavallerie- und einer Infanteriedivision von Tarnopol gegen Po-
morzany veranlaßte den weiteren Rückmarsch auf die Höhe Trig. 405. Dort
hätte die Division entscheidenden Widerstand leisten sollen.
Aber mit dem Befehl Op.-Nr. 218 hatte das 3. AK. die Verwendung
der Ii. ID. am Südflügel angeordnet. So wurde sie am 26. früh bei Nara-
jów m. zusammengezogen. Dort rückten die noch bei der 8. KD. gewesenen
drei Baone. vollkommen erschöpft ein. Dafür wurde ein Infanterieregiment
der 35. ID. zugeschoben.
Die allmähliche und stoßweise Entwicklung der Operationen hatte eine
große und bedeutende Rückwirkung sowohl auf den Zustand der Truppen
als auch auf die Entwicklung des nun beginnenden Kampfes.
Die Märsche und Verschiebungen waren recht anstrengend. Marsch-
leistungen von 28 bis 30 km benötigen 10 bis 12 Stunden. Doch ist die große
Ermüdung, die dabei eintritt, immer nur der geringere Nachteil. Aufklärung
und Sicherungsdienst funktionieren bei großen Marschleistungen nicht ver-
läßlich genug, es kommt Unruhe in die Truppe. Die Führung verliert die
feste Basis für weitere Entschließungen, wenn mit Marschleistungen gerechnet
wird, die nicht erreicht werden. So ergeben sich dann bedenkliche Friktionen
aller Art.
Über alle Hindernisse hinweg war aber trotzdem die einheitliche Bereit-
stellung der Korps III und XII am 25. Aug. in der Linie Gliniany—Firlejów
zustande gekommen. Aber der Entschluß, den Vormarsch noch am 25. anzu-
treten, brachte die Armee wieder gänzlich auseinander, so daß es am nächsten
Tage nur isolierte, zusammenhanglose Angriffe gab.
Die Anmärsche der Korps.
41
XL Korps.
Laut Kriegsgliederung sollte mit Operationsbeginn das Korps aus
30. ID., Ii. MBrig. und 93. LstBrig. zusammengesetzt sein. Versammlungs-
raum Lemberg—2ydatycze.
Die 30. ID. war, ausgenommen zwei Baone. und einige Batterien, in den
Abschnitten 2olkiew und Zloczów verteilt. Am 22. Aug. war die
Einziehung verfügt worden, bis 24. Aug. waren die Transporte nach Lem-
berg zurückgelangt, und am 25. Aug. marschierte die Division von Lemberg
nach 2oltance. Dort rückten noch die letzten, bei ¿ólkiew gewesenen Baone.
mit Fußmarsch ein. Drei Baone. waren mittlerweile zur 11. HKD. nach
Kamionka Strumilowa abgegangen, so stand die 30. ID. am 25. abends mit
10 Baonen. und sieben Batterien bei Zoltaiice.
Ii. MBrig. und 93. LstBrig. wurden als kombinierte Infanteriedivision
zusammengefaßt. Von der Landsturmbrigade waren ein Baon. im Eisenbahn-
sicherungsdienste bei Zloczów, zwei Baone. in den Gürtelbefestigungen Lem-
bergs gestanden und erst am 24. abends in Lemberg zusammengekommen.
Die Truppen waren durchwegs Neuformationen und sehr wenig kriegsfähig.
Zur Landsturmbrigade gehörte eine Reservekanonenbatterie.
Etwas günstiger war die Zusammensetzung der Marschbrigade, die zwar
gleichfalls Neuformation war, aber durchwegs ausgebildete Mannschaft hatte.
Weder Marsch- noch Landsturmbrigade hatten MG. Zwei Haubitzbatterien
wurden von der 30. ID. an die kombinierte Infanteriedivision überstellt, so
daß also insgesamt drei Batterien vorhanden waren.
Bis zum 25. abends hatte die 93. LstBrig. Kukizów, die 11. MBrig.
Jaryczów erreicht. Die Truppen hatten an diesem Tage mehrfach die Grup-
pierung geändert, was bei diesen ungeübten und schwerfälligen Körpern nur
mit Umständlichkeit geschehen konnte. Sie waren erst spät in die Unter-
künfte gelangt, es fehlte an Fahrküchen und Verpflegsausrüstung. Trotz ge-
ringer Märsche war die Inanspruchnahme der Truppen groß.
Nur ganz schwache Sicherungen waren vom XI. Korps in die vom AK.
befohlene Linie Jakimów—Dziedzilów vorgeschoben. So war also das
XI. Korps gegenüber dem am 25. abends bei Bortków befindlichen linken
Flügel des III. Korps um mehr als 25 km zurück. Um diese Distanz einzu-
holen, wurde am nächsten Tage bereits um 2 h morgens abmarschiert. Das
nahm den Truppen den größten Teil der Nachtruhe, doch konnten sie trotz-
dem nicht rechtzeitig in den Kampf gebracht werden. Mit zeitlichen Auf-
bruchstunden lassen sich kleine räumliche Trennungen »ausgleichen, wenn
aber Tagesleistungen in Frage kommen, dann sind so zeitliche Aufbruch-
stunden eher nachteilig, weil sie zu einer vorzeitigen Ermüdung führen und
die Leistungen herabsetzen.
Die Operationen auf russischer Seite.
(D., von S. 223 an; L. gr. gu., S. 72 und 81.) Der Einmarsch in Galizien
sollte konzentrisch erfolgen, 4. Armee an den unteren San, 5. Armee in die
42
Die erste Schlacht.
Linie Cieszanów—Rawa Ruska, 3. Armee Direktion Lemberg, 8. Armee süd-
lich anschließend im Räume bis zum Dnjestr. Um unsererseits einen raschen
Angriff gegen die 4. und 5. Armee möglichst hintanzuhalten, sollten 3. und
8. Armee den Vormarsch schon zu einem Zeitpunkte beginnen, bevor noch
die beiden anderen Armeen ihre Versammlung beendet hatten. Die 8. Armee
hatte am 22. Aug., die 3. Armee am 23. Aug. die Grenze zu überschreiten,
während die 4. und 5. Armee bis dahin nur eine Vorhut in die Linie Wil-
kolaz—Wladimir Wolynskij vorzusenden hatten. Die Hauptkräfte dieser
beiden Armeen konnten erst am 23. aus ihren Versammlungsräumen Lublin—
Kowel den Vormarsch antreten.
Auf Grund noch im Frieden erhaltener Nachrichten hatten die Russen
mit der Versammlung unserer Hauptkräfte in der Linie Jaroslau—Kamionka
Strumilowa—Zloczów—Tarnopol—Zaleszczyki gerechnet, so wie dies auch
noch im Winter vor dem Kriege bei uns beabsichtigt war. Deshalb erwarteten
sie auch, daß die Ostgruppe bald nach Grenzüberschreitung auf unsere ver-
sammelten Kräfte stoßen würde. Der Vormarsch der 3. Armee erfolgte daher
in gedrängtem Echiquier, mit der Hauptkraft südlich der Bahn Brody—
Lemberg, also gleichfalls in der Absicht, den entscheidenden Kampf im Berg-
lande zu suchen und die Gegend am Styr und Bug möglichst zu meiden. Dort
marschierte nur das XXI. Korps mit zwei Kavalleriedivisionen. Die Märsche
erfolgten methodisch, mit Tagesleistung von kaum 15 km für die Armee-
front. Anschließend marschierte die 8. Armee in einer gegen den südlichen
Flügel zu etwas lockerer werdenden Formation.
Am 24. Aug. hatten die beiden Armeen die Linie Strypa—Pluhów—
Sassów—Radziechów erreicht.
Dort, wo unsere Kavalleriedivisionen standen, kamen über den Ein-
marsch des Feindes doch recht gute Nachrichten, so aus dem Marschraume der
r. Korps XXI, XI, XII, VII und VIII. Daß die Nachrichten kein voll-
ständiges Bild ergaben, war begreiflich, weil eine frontale Aufklärung immer
schwierig ist und sich auch starke feindliche Kavalleriekräfte vor der Front
befanden. Immerhin war in diesen Räumen der Einmarsch zahlreicher
Kolonnen gemeldet. Leider kamen gerade aus dem Marschraume der r. Korps
IX und X aus den bereits angegebenen Gründen überhaupt keine Nachrichten,
und es blieb der Eindruck über getrennte feindliche Gruppen.
Nahezu ohne Orientierung marschierten unsere Truppen in einen Raum,
der beinahe bis unmittelbar vor der Schlacht von eigenen Truppen besetzt
war. Im Räume Zloczów—Tarnopol waren doch zwei Kavalleriedivisionen
und 15 Baone. mit Artillerie gestanden, die, einheitlich verwendet, eine
prächtige Vorhut für die 3. Armee hätten abgeben können. Doch war die
8. KD. rechts, die 4. KD. links abgezogen.
Größere Teile der 11. ID. waren noch bis zum letzten Moment vor der
Front gewesen. Ob sie Nachrichten hätten bringen können, ist schwer zu
sagen. Tatsache ist, daß sie fast keine gebracht haben. Niemand hatte der
Die Operationen auf russischer Seite.
43
Ii. ID. gesagt, daß sie an der großen Aufklärung mitzuwirken hätte. Es
war ihr lediglich befohlen worden, isolierte Kämpfe zu vermeiden und
rechtzeitig Anschluß an das XII. Korps zu suchen. So war sie zurück-
gegangen, bevor sie mit dem Feind in Kontakt gekommen war. Im letzten
Augenblicke war beim 3. AK. noch der Gedanke aufgetaucht, die 11. ID.
auf den Höhen bei Pomorzany, wohin nächsten Tages das XII. Korps
kommen sollte, zu belassen. Aber die Division war damals schon nach
Dunajów zurückgegangen. Ähnlich war der Gedanke des XII. Korps, die
11. ID. wenigstens auf den Höhen westlich Dunajów bis zum Eintreffen
des Korps halten zu lassen. Aber mittlerweile hatte das 3. AK. -die Ver-
wendung der Ii. ID. am südlichen Armeeflügel angeordnet.
Die Ergebnisse waren sonderbar. Während das III. und XII. Korps
mit nennenswerter Anstrengung dem Feind entgegengingen, am 26. in den
Kampf traten, fehlten alle Truppen, die in Ostgalizien bodenständig waren
und rechtzeitig an jedem Punkte des Kampfraumes geschlossen hätten stehen
können. Die 43. LID. stand in der Bukowina, das XI. Korps einen Tag-
marsch hinter dem III., und die 11. ID. marschierte noch im letzten Moment
aus der Front an den südlichen Flügel, sie verlor Zeit und konnte am 26.
am Angriffe nicht mehr teilnehmen.
Bis in die Details griff das Verhängnis ein. Im Grundbau unserer
Operationen hatte ein Stein gefehlt, und so großartig auch das Gebäude vom
AOK. gedacht war, mußte es ins Wanken kommen.
Die Kämpfe, Skizze 5
26. August.
III. Korps.
Laut Befehl des 3. AK. (Op.-Nr. 218; Pf., S. 44) hatte das Korps auf
die Höhen südwestlich Zloczów zu gelangen.
Die 6. I D. hatte auf die Höhen südlich der Chaussee vorzugehen. Die
Vorrückung erfolgte in drei Kolonnen, die 11. IBrig. über Scianka, die
12. IBrig. in zwei Kolonnen über Majdan Gologorski und Kondratów. Die
Truppen hätten die Tiefenlinie der Olszanica um- 8 Uhr vm. überschreiten
sollen, doch verzögerte sich dies trotz zeitlichen Aufbruches, weil am Vor-
tage die Marschziele größtenteils nicht erreicht worden waren.
Über den Feind war nahezu nichts bekannt. Wären nicht überall flüch-
tende Juden vorübergekommen, so hätte man kaum gewußt, daß Feind
in der Nähe war. So bestand aber doch allgemein das Gefühl eines un-
mittelbar bevorstehenden Zusammenstoßes, und die Vorrückung wurde
überall bereits in Gefechtsformation aufgenommen, wodurch allerdings
erhebliche Verzögerungen eintraten. Ein Regiment war auf die Höhe bei
Scianka vorgeschoben worden. Die linke Kolonne überschritt die Tiefen-
linie um 9 h vm., die beiden anderen Gologóry um 10 h vm. Die rechts
44
Die erste Schlacht.
befindliche 22. LID. war noch weiter zurück. Von ihr war seit 9I1 vm.
heftiges Geschützfeuer zu hören.
Schon bald nach Überschreiten der Tiefenlinie machte sich feindliches
Artilleriefeuer bemerkbar, das aber anfangs nur geringe Wirkung hatte. Die
Truppen blieben unaufhaltsam in Vorrückung, die durch das durchschnittene
Gelände und zahlreiche Waldparzellen allerdings wesentlich erschwert wurde.
Allmählich traten um die Mittagszeit die Truppen in Kampf mit einem
nahezu unsichtbaren Feinde.
Am besten kam die Mittelgruppe vorwärts, die hintereinander mehrere
feindliche Stellungen nahm. Mit der Zeit wurden aber die Verluste in dem
sich immer mehr steigernden Artilleriefeuer so groß, daß die Schwarmlinien
nicht mehr weiter konnten. Es wurden Reserven eingesetzt, um dem Angriffe
neue Impulse zu geben. Die nördliche Angriffsgruppe (11. Brig.) hatte gleich
vom Beginn an äußerst schwierige Verhältnisse gefunden, gewann daher auch
nur langsamer Raum. In den Wäldern hatte sich der Feind in kleinen Partien
eingenistet und mußte einzeln geworfen werden.
Das als rechte Kolonne vorgegangene IR. 17 hatte die ungünstigsten
Verhältnisse. Es verlor nach beiden Seiten die Verbindung, stürmte aber
trotzdem vorwärts, bis es schließlich in ein schweres Artilleriekreuzfeuer
geriet, unter dem es in den Nachmittagsstunden schwer zu leiden hatte.
Über die Formen und Erscheinungen des Kampfes, die sich bei allen
Divisionen wiederholten, wird später noch einiges zu sagen sein.
In der Zeit zwischen 3 und 4 h nm. war der Angriff der 6. ID. auf
ganzer Linie zum Stehen gekommen. Obwohl die Anstrengungen nicht auf-
hörten, den Kampf vorwärts zu tragen, gelang dies jetzt doch nicht mehr.
Über die Nachbar di visionen bestand keine regelrechte Orientierung, doch
war nachmittags aus mancherlei Anzeichen zu erkennen, daß ihre Gefechts-
lage keine günstige war. Trotzdem hielt sich die 6. ID. in allen erreichten
Linien und ertrug mit größter Ausdauer den auf sie ununterbrochen nieder-
gehenden Hagel der feindlichen Artilleriegeschoße.
Die 28. ID. hatte umt Uhr vm. den Vormarsch aus der Linie Olsza-
nica—Bortków in iökm breiter Front angetreten. In Skwarzawa und längs
der Eisenbahn stand feindliche Infanterie, und bald kamen unsere Truppen
auch in heftiges Artilleriefeuer.
Die linke Kolonne traf bei Trig. 254 auf überlegenen Feind. Ihre
Situation wurde schon in den ersten Vormittagsstunden besonders wegen der
feindlichen Artilleriewirkung sehr schwierig, so daß drei weitere Baone. dort
eingesetzt werden mußten.
Die Mittelgruppe hatte den Feind von der Eisenbahn vertrieben, geriet
aber dann gleichfalls in schwierige Verhältnisse. Trotzdem wurde der An-
griff gut vorwärts getragen, doch konnten die weiteren feindlichen Stellungen
nicht mehr genommen werden. Die Infanterie blieb im offenen Gelände
liegen und hatte unter dem feindlichen Artilleriefeuer schwer zu leiden. Die
eigene Artillerie war in diesem gänzlich offenen Terrain außerstande, nach
Die Käm
45
vorwärts Stellung zu wechseln, nachdem jede Bewegung ganze Lagen feind-
licher Artilleriegeschoße auf sie lenkte.
Die südliche Gruppe fand die Trig.-Höhe 269 vorwärts der Bahn vom
Feinde besetzt und führte den Angriff unter ebenso ungünstigen Verhält-
nissen wie die anderen Gruppen.
Bis mittags waren nahezu alle Reserven eingesetzt. Am empfindlichsten
war, daß der Eisenbahndamm westlich Kniaze durch eine feindliche Batterie
enfiliert wurde. Zwischen 3 und 4 h nm. begann ein Abbröckeln in den
Gefechtslinien. Dennoch gelang es, die Lage noch weiter zu halten.
Um 4 h nm. begannen die Truppen des linken Flügels zurückzugehen,
um 6 h ging auch die rechte Gruppe zurück, und die vielfachen Anstrengungen,
die Situation zu halten, nützten nichts mehr. Fünf Geschütze blieben im
Sumpfe stecken.
Die 22. LID. hätte um 8 h vm. von der Zlota Lipa in zwei Brigaden-
Kolonnen über Zaszków—Czeremchowiec, bzw. Wiisniowczyk-Höhe Gesle
Trig. 408 vorrücken sollen. Doch hatte sich der Marsch schon in der Nacht
wesentlich verzögert. Überdies fand die Division die Höhen östlich der Zlota
Lipa besetzt. Es war feindliche Kavallerie mit Artillerie, die erst zwischen
10 und il h vm. vertrieben werden konnte. Dadurch war die 22. LID. gegen-
über der 6. ID. weit abgeblieben.
Zwischen 1 und 2 h nm. wurde die Vorrückung gegen die Gnila Lipa
aufgenommen, doch begann von den Höhen östlich letzterer bald sehr heftiges
Artilleriefeuer. Die eigene Artillerie war noch auf der Höhe Wysoka
Trig. 403 zurückgeblieben.
Der Angriff der südlichen Gruppe gewann zwischen 3 und 5 h nm. nur
langsam Raum und konnte nur bis auf ca. 1000 Schritt an die feindlichen
Stellungen vorgetragen werden.
Mittlerweile war die nördliche Kolonne von Zaszków gegen 2ukow,
also etwas südlich, abgebogen. Sie befand sich um 3 h nm. in Vorrückung
beiderseits dieses Ortes. Nachdem die den Ort nördlich umgehenden Teile
zunächst auf keinen Feind trafen, versuchten sie, die südlich 2ukow befind-
lichen feindlichen Stellungen zu umfassen. Bei dieser Gelegenheit wurden sie
aber selbst in der Flanke gefaßt und mit schweren Verlusten geworfen. Sie
behaupteten sich aber weiterhin im Anschluß an die südliche Gefechtsgruppe.
Die Division war aber jetzt auf verhältnismäßig engem Räume zusammen-
gedrängt und Verbindung bestand weder nach rechts noch nach links. So
konnte der Feind beiderseits flankierend wirken.
Zwischen 5 und 6 h nm. begann sich eine Krise vorzubereiten, zuerst im
südlichen Teile des Gefechtsraumes, wo sich stark flankierende Wirkung
geltend machte.
Kurz nach 6 h nm. begann ein allgemeines Zurückgehen. Die Artillerie,
die im Laufe der späteren Nachmittagsstunden endlich näher an die Infanterie
herangekommen war, mußte nun wieder nach rückwärts Stellung wechseln.
Das eigene Artilleriefeuer hörte damit sofort wieder vollkommen auf, das
feindliche setzte dafür mit doppelter Vehemenz ein.
46
Die erste Schlacht.
Auch bei der nördlichen Gefechtsgruppe hatte mittlerweile flankierendes
feindliches Maschingewehrfeuer den Rückzug hervorgerufen. Die Division
sollte auf der Höhe Wysoka halten, doch setzten sich die Befehle in der
Dunkelheit nicht mehr durch.
Der hier besonders ungünstige Ausgang des Kampfes hatte mehrfache
Ursachen: Vor allem in dem nahezu 30 km betragenden Anmärsche, ver-
bunden mit der durch das Auftreten feindlicher Kavallerie hervorgerufenen
großen Unsicherheit, der gänzliche Entfall der Nachtruhe und der Ausfall
jeder Verpflegung am 26. Im Kampfe selbst war die Division auf einen
kaum mehr als 3 km breiten Raum zusammengedrängt und bot dem feind-
lichen Artilleriefeuer besonders massige Ziele. Außerordentlich empfindlich
war die von beiden Seiten sich geltend machende flankierende Wirkung des
Feindes. Dazu kam auch noch der nahezu gänzliche Entfall eigener Artillerie-
wirkung, was allerdings eine allgemeine Erscheinung unserer ersten Kämpfe
war. An anderer Stelle wird dies noch erklärt werden.
Jedenfalls haben auch diese braven Truppen später bei allen Gelegen-
heiten Ausgezeichnetes geleistet.
XII. Korps.
Die 16. ID. marschierte auf der Straße über Wypyski, vier Baone. und
zwei Btn. über die südlich begleitenden Höhen. Bei Ciemierzynce war ein
großer feindlicher Kavalleriekörper gemeldet. Tatsächlich fanden sich auch
die Höhen östlich der Zlota Lipa (von Kibanów Trig. 422 bis Trig. 405)
vom Feinde durchwegs besetzt. In der Zeit zwischen 10 und 11 h vm. gelang
es, den Feind zu vertreiben. Jetzt zeigte sich aber, daß der Feind die dahinter-
liegenden Höhen bei Trig. 426 Orne fest in der Hand hatte. Das feindliche
Artilleriefeuer steigerte sich rasch zu großer Heftigkeit, trotzdem wurde der
Angriff seitens der Hauptkolonne bis mittags nahe an die feindliche Stellung
herangebracht. Die Artillerie wurde nachgezogen, doch dauerte dies mit Rück-
sicht auf die Terrainschwierigkeiten bis in die Nachmittagsstunden. Die rechte
Kolonne war im Walde vorwärts Trig. 428 auf eingegrabenen Feind ge-
stoßen, warf denselben, machte zahlreiche Gefangene, blieb aber dann vor
neuen feindlichen Stellungen in schwerem Kampfe liegen.
Nach Eintreffen der Artillerie wurde der Angriff der Hauptkolonne
fortgesetzt. Um ca. 4 h nm. begann unvermutet und mit großer Heftigkeit
feindliches Artilleriefeuer aus nordwestlicher Richtung und brachte den linken
Infanterieflügel zum Weichen. Dadurch waren nun auch die dort befindlichen
Batterien zum Zurückgehen genötigt. Das Gros der Infanterie hielt aber un-
verändert aus.
Die 35. ID. war um 4h früh auf schlechten und steilen Wegen nach
Nowosiólka abmarschiert und überging dort befehlsgemäß in eine Bereit-
schaftsstellung, um von dort je nach Klärung der Lage entweder der 16. ID.
zu folgen oder, wenn der Südflügel ernstlich gefährdet sein sollte, der 11. ID.
zu helfen.
Die Käm
47
Bald nach ioh vm. zeigten sich feindliche Kavallerieabteilungen auf
den Höhen Richtung Dunajów. Sie wurden durch Artilleriefeuer vertrieben.
Mittlerweile hatte das 3. AK. auf dem Umwege über das III. Korps den
Aufenthalt der Division erfahren und gab Befehl, daß die 35. ID. sofort
Richtung Pomorzany vorgehen solle.
Ab 12 h mittags marschierten: Hauptkolonne über Dunajów—Nestiuki—
Pomorzany, ein Baon. als linke Kolonne über Biale—Mereszówka, ein Regi-
ment mit zwei Kanonenbatterien als rechte Kolonne über Potoczany—
Rozhadów.
Der Feind hatte den Waldrand östlich Dunajów und die Höhen westlich
Potoczany besetzt. Von der 16. ID. her war lebhafter Kanonendonner hör-
bar. Bis 2 h nm. hatten, die Vorhuten aller Kolonnen die Niederung der
Zlota Lipa bereits überschritten und der Feind war sowohl östlich Dunajów
als auch von den Höhen bei Potoczany bald verjagt. Die Artillerie wurde
nachgeführt.
Die Truppen der linken und Mittelkolonne waren bereits im Wald im
Vordringen, doch war infolge der raschen Vorrückung der Zusammenhang
verlorengegangen. Da entstand bei nachfolgenden Munitionsfuhrwerken eine
wilde Panikschießerei, die Truppen, welche Feind im Rücken glaubten, kehrten
aus dem Walde zurück. Die Lage wurde zwar bald geklärt, aber für einen
zweiten Angriff war es an diesem Tage zu spät geworden. Auch waren die
Truppen sehr ermüdet.
Ii. ID. Die von der 8. KD. eingerückten drei Baone. waren voll-
kommen erschöpft, das vom XII. KK. zudisponierte Rgmt. 51 noch nicht
eingetroffen.
Inzwischen war der Ort Wierzbów von feindlicher Kavallerie mit
Artillerie besetzt worden. Vier Baone. mit Artillerie wurden zum Angriffe
befohlen und der Ort um ca. 6 h nm. genommen, zahlreiche Gefangene ge-
macht. Es war dies ein ganz isoliertes Gefecht. Im Laufe des Nachmittags
waren auch die übrigen Truppen bei Narajów m. eingetroffen, es standen
jetzt dort neun Baone. und sechs Btn., die an diesem Tage zu keiner Tätig-
keit gelangten.
In der näheren Umgebung der 11. ID. hatte sich auch weiters nur feind-
liche Kavallerie gezeigt. Abends war noch eine Meldung gekommen, daß
eine feindliche Kolonne aller Waffen von Brzezany nach Stratyn marschiere
und drei russische Eskadronen Rohatyn erreicht hätten.
XI. Korps.
Am 26. erfolgte der Abmarsch zwischen 2 und 3 h morgens in zwei
Divisionskolonnen zunächst in eine Raststellung bei Milatyn und Nowosiólki.
Zur 30. I D. kamen Nachrichten über den Anmarsch feindlicher Kräfte
über Adamy und Jablonówka Richtung Busk, weiters auch, daß feindliche
Kräfte über Spas gegen die nördliche Flanke des Korps vorgingen.
48
Die erste Schlacht.
Nach Rzepniów wurde ein Baon. als stehende Seitenhut entsendet. Die
Vorhut erhielt den Befehl, den Marsch ohne Unterbrechung nach Busk fort-
zusetzen. Sie fand dort eine Kompagnie JgBaon. 7 und konnte den Ort
besetzen. Bald darauf wurde sie vom Feinde heftig angegriffen (JgBaon. 7
war am 24. Aug. von der 28. ID. zur 4. KD. entsendet worden; eine Kom-
pagnie nach Busk, drei Kompagnien nach Krasne—Ucisków, was aber beim
XI. Korps nicht bekannt war).
Die Haupttruppe hatte zu Mittag den Marsch fortgesetzt. Drei Baone.
mußten zur Unterstützung der in Busk schwer kämpfenden Vorhut zum
Angriff über Kupcze Direktion Wierzblany eingesetzt werden, und der Feind
wurde zurückgeworfen.
Mittlerweile wurde die Lage am nördlichen Flügel immer gespannter.
Die il. HKD. stand nun schon den dritten Tag bei Kamionka Strumilowa
im Kampf und mühte sich in vergeblichen Attacke versuchen ab. Gegen den
nördlichen Flügel der 30. ID. entwickelten sich am 26. nm. immer mehr
Kräfte aus der Richtung Spas und Derewlany. Trotz eines nur sehr tropfen-
weisen Einsatzes der noch verfügbaren Teile und unter Zuziehung der
Korpsreserve wurde die Linie Rzepniów—Zelechów gehalten.
Bei Kulików und ¿óltance stand die 44. LID. als Reserve zu dem Zwecke,
„entweder einen feindlichen Vorstoß von Nordost auf Lemberg abzuweisen
oder ostwärts flankierend einzugreifen" (AOK., Op.-Nr. 1127; C. IV., S. 515).
Das XI. KK. richtete nun, nachdem die Lage am Nordflügel immer schwieriger
wurde, die Aufforderung an die 44. LID., unterstützend einzugreifen; doch
wurde dem leider nicht entsprochen.
Die kombinierte Infanteriedivision rastete mittags bei
Nowosiólki. Als um diese Zeit vom III. Korps her Kanonendonner hörbar
war, erhielt sie den Befehl, Richtung Krasne dem III. Korps zu Hilfe zu
eilen. Der Befehl schien im höchsten Maße dringlich. Um den Übergang
über die versumpfte Peltewniederung bei Kutkorz in Besitz zu nehmen, mußte
eiligst abmarschiert werden. Ab 5 h nm. trafen die Truppen vollkommen
ermüdet bei Kutkorz ein und mußten rasten.
Aus Busk war lebhafter Gefechtslärm hörbar, aus Krasne kamen flüch-
tende Landsturmleute zurück, angeblich waren sie durch Artillerie aus dem
Bahnhofe herausgeschossen worden. Vom III. Korps war trotz zahlreich
ausgesendeter Verbindungsorgane nichts zu sehen und nichts zu hören. Es
hieß, daß der Kampf über Krasne hinaus vorgetragen sei und günstig fort-
schreite. Doch war Gefechtslärm lediglich aus weit südöstlicher Richtung, aus
dem Berglande, hörbar.
In den Abendstunden wurde der Marsch noch gegen Krasne fortgesetzt,
doch erreichten die Truppen diesen Ort nicht mehr. Mit einbrechender
Dunkelheit wurde zwischen Krasne und Kutkorz Lager bezogen. Die seit
2 h morgens in Bewegung gewesenen Truppen waren totmüde und blieben
auch an diesem Tag ohne geregelte Verpflegung.
Eine kalte Nacht folgte dem heißen Tage. Bis an den Horizont standen
alle Ortschaften in Flammen, der Ort Busk brannte wie eine Riesenfackel.
Die Kam
49
Aber ringsherum herrschte vollkommene Stille, nicht ein einziger Schuß fiel.
Auch von den zahlreich ausgesendeten Patrouillen war keine Meldung mehr
gekommen. Eine Unterstützung des III. Korps war nicht gelungen.
Abendlag e.
Der Tag hatte schwere Enttäuschungen gebracht. Zuerst war zum AOK.
die Nachricht gekommen, daß die am Koropiecbache gestandenen Truppen
noch am 25. abends von dort zurückgegangen waren, ihr Großteil nach
Nizniów, also gegenüber der 3. Armee vollkommen exzentrisch. Kurz darauf
war die Meldung gekommen, daß die 8. KD. südwestlich Brzezany vom
Feinde neuerdings gefaßt und zum Rückzug auf Rohatyn genötigt worden
war. So war also der südliche Flügel der 3. Armee im Augenblicke voll-
kommen ungeschützt. Solange man aber auf einen durchschlagenden Erfolg
seitens der 3. Armee hoffen konnte, schien dies noch nicht von ausschlag-
gebender Bedeutung zu sein.
Da kamen nun im Laufe des Nachmittags Meldungen vom III. Korps,
aus denen immer deutlicher zu ersehen war, daß auf einen Angriffserfolg
vorläufig nicht zu rechnen war. Gegen Abend bestanden auch schon Anzeichen
über stellenweise Rückschläge, man hoffte aber zunächst, daß sich das
III. Korps an der Olszanica und Zlota Lipa behaupten würde, bis die Nach-
bargruppen, XI. und XII. Korps, sich fühlbar machen würden.
Allerdings bestand über XI. und XII. Korps nur wenig Orientierung.
Infolge der großen Ausdehnung und der Raschheit des Vormarsches funktio-
nierte der Verbindungsdienst weder innerhalb der Korps noch zum AK. in
einer Weise, wie dies für die Leitung einer Schlacht nötig gewesen wäre.
Dem. war im Frieden, bei der raschen Abwicklung der Manöverkämpfe viel
zu wenig Bedeutung beigelegt worden. Das XI. Korps wurde in der Gegend
von Busk im Kampfe mit schwächeren feindlichen Kräften vermutet, vom
XII. Korps wußte man die 16. ID. im Kampfe nördlich Dunajów, über den
Südflügel (35. und 11. ID.) bestand keine ausreichende Orientierung (vgl.
Pf., S. 50), und so glaubte man auch, daß sich dort kein nennenswerter Feind
befinde.
Aus dieser geringen Übersicht entstand nun beim 3. AK. der Plan, daß
am nächsten Tage das III. Korps an Olszanica und Zlota Lipa halten und
auch noch Teile der 28. ID. in das Höhenterrain ziehen sollte. Das XI. Korps
sollte unter Sicherung gegen Nord „mit allen verfügbaren Kräften" auf die
Höhen von Bialy kamien, das XII, Korps mit 16. und 35. ID. über die
Höhe Lipki und Czyzów von Süd her umfassend vorstoßen. Zur Sicherung
des Südflügels sollte die 11. ID. auf den Höhen bei Dunajów bleiben.
Die einzige im Augenblick verfügbare Armeereserve war die soeben in
Lemberg eintreffende 88. LschBrig. Diese sollte sofort mit Bahn nach Dunajów
weitergeführt werden und dem XII. Korps zur Verfügung stehen (3. AK.,
Op.-Nr. 238; Pf., S. 53).
Pitreich. 4
5°
Die erste
Die Gefahr, die sich in Ostgalizien entwickelt hatte, war in diesem
Augenblicke deutlich hervorgetreten. Bei Stanislau und Stryj liefen noch die
Aufmarschtransporte. Die wenigen, zum Schutze vorhanden gewesenen
Truppen, i. und 5. KD., 38. HID., waren nahezu zerschlagen. Die 43. LID.
stand in der Bukowina, die weiter eintreffenden Truppen, 20. HID., 17. und
34. ID., 40. und 103. LstBrig., 12. MBrig., konnten erst allmählich im Laufe
mehrerer Tage verwendungsbereit gemacht werden.
Die Ereignisse, die sich bei der 2. Armee entwickelten, blieben von der
3. Armee nahezu unabhängig und werden später getrennt dargestellt.
Vom Dnjestr zum Südflügel der 3. Armee war eine 60 bis 70 km breite
Lücke, in der sich lediglich die schon vollkommen abgebrauchte 8. KD. befand.
Die zum III. Korps gehörende 105. LstBrig. war über Stryj nach Bóbrka
weiterinstradiert worden, die zum XIV. Korps gehörende 108. LstBrig. nach
Lemberg. Beide wurden nun dem 3. AK. zur Sicherung der Südflanke zur
Verfügung gestellt. Sie konnten aber gleichfalls erst nach einigen Tagen in
eine hiefür geeignete Lage gebracht werden. Weiters hatte das AOK. in
gleicher Absicht der 23. HID. den Befehl gegeben, von S^dowa Wisznia nach
Lemberg, 97. LstBrig. nach Lubien Wk. zu marschieren. Aber auch dies be-
durfte noch mehrerer Tage.
Am bedenklichsten erschien die Lage am Nordflügel. In die nahezu
100 km breite Lücke von der 3. zur 4. Armee begann sich der Feind ein-
zuschieben.
Der Angriff unserer 1. und 4. Armee war bereits in günstigem Fort-
schreiten, die 4. Armee jedoch an ihrem rechten Flügel bedroht. Deshalb
war das XIV. Korps dorthin in Marsch gesetzt worden, es stand am 26.
abends in der Linie Hujcze—Butyny—Mosty Wielkie. Vom Eingreifen dieses
Korps bei der 4. Armee hatte das AOK. außerordentlich viel erwartet. Im
übrigen stand als Reserve nur noch die 44. LID. bei Kulików zur Verfügung.
Bei der jetzt kritisch gewordenen Lage der 3. Armee entschloß sich das
AOK., sowohl 44. LID. als auch, sehr wider Willen, das ganze XIV. Korps
der 3. Armee zur Verfügung zu stellen (Op.-Nr. 1172; C. IV., S. 532).
Über die Verwendung dieser Heereskörper entstand nun eine Meinungs-
verschiedenheit zwischen AOK. und 3. AK. Letzteres wollte diese Kräfte über
Lemberg in den Angriffsraum des III. Korps ziehen. Es hätte dies drei bis
vier Tage erfordert und der Zweck der Unterstellung wäre damit wohl kaum
erreicht worden. Der damalige Generalstabschef der Armee hat in seiner
Broschüre (Pf., S. 54) die für diesen Entschluß maßgebenden Gründe dar-
gelegt. Wahrscheinlich waren dabei die zahlreichen ausstelligen Bemerkungen
wegen der bisher zu geringen Kraftverwendung im Höhenterrain ausschlag-
gebend, denn sonst würde die geplante Verschiebung kaum verständlich er-
scheinen. Das AOK. genehmigte dies jedoch nur bezüglich der 4.4. LID. und
verlangte den direkten Einsatz des XIV. Korps über Kamionka Strumilowa
(C. IV., S. 534), was sowohl wegen der Raschheit als auch mit Rücksicht
auf die Aufgabe, die 4. Armee zu schützen, vorzuziehen war. Als jedoch
am 27. nrn. die Situation der 3. Armee wieder hoffnungsvoller erschien, ent-
Die Kämpfe.
SI
schloß sich das AOK., das XIV. Korps zur 4. Armee weiter marschieren zu
lassen (Op.-Nr. 1208; C. IV., S. 542). Damit wurde dort die eingetretene
Krise überwunden und ein großer Erfolg zustande gebracht. Man muß die
Gefahren, welche von Ost her drohten, im Auge behalten, um zu erkennen,
wie bedeutend der damalige Entschluß des AOK. war.
Die aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten zwischen AOK. und 3. AK.
haben lediglich einen theoretischen Charakter behalten. Immerhin werfen
sie ein gutes Streiflicht auf die Anlage der Operationen in Ostgalizien. So-
lange man auf einen Erfolg im Angriffe der 3. Armee hoffen konnte, hatte
das gegenseitige Verhältnis zwischen 3. und 4. Armee nur wenig und die
Terraingestaltung eine entscheidende Rolle gespielt. Von dem Augenblick an,
wo man auf einen raschen und durchschlagenden Erfolg nicht mehr rechnen
konnte, trat die Gefahr, die aus dem Räume von Kamionka der Haupt-
operation drohte, in den Vordergrund. Daher auch der plötzliche "Wechsel
in den Anschaungen des AOK. bezüglich Kraftverwendung im nördlichen
Kampfräume der 3. Armee. Während früher selbst für die dortige Verwen-
dung des XI. Korps nur widerstrebend die Bewilligung gegeben wurde, wäre
jetzt vom AOK. auch noch der Einsatz des XIV. Korps dort verlangt worden.
Dies war in der eingetretenen Lage gewiß höchst begreiflich, und es war nur
zu bedauern, daß nicht schon von Haus aus viel stärkere Kräfte nördlich der
Bahn angesetzt wurden.
Interessant ist, daß ein nahezu gleicher Wechsel der Anschauungen um
diese Zeit auch bei den Russen vor sich gegangen ist. Auch dort waren
die Hauptkräfte der von Ost gegen Lemberg vorrückenden 3. Armee
südlich der Bahn angesetzt worden, ebenfalls unter dem Gesichtspunkt eines
selbständig zu führenden Kampfes. Zwischen dem 23. und 25. hatte sich
aber der Angriff unserer Hauptkräfte zwischen Weichsel und Bug ent-
wickelt, und jetzt wurde der frühere Gedanke an selbständige Kämpfe in
Ostgalizien durch den Wunsch unterdrückt, daß die 3. r. Armee der 5. mög-
lichst rasch Hilfe bringen sollte.
Es ist eben immer und überall dasselbe: Solange der Feind weit ist
und man noch auf rasche Erfolge rechnet, spielt die Frage der Verbindung
zwischen den Heeresteilen eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle. Wenn
aber der harte Zugriff des Feindes beginnt, dann tritt der Gedanke an Zu-
sammenschluß und gegenseitige Hilfe mächtig hervor. Wird darauf nicht
Rücksicht genommen, so kann es geschehen, daß Armeen wie ein Spielzeug
auseinanderbrechen.
Während die Entschließungen über die Verwendung der zu dieser Zeit
noch verfügbaren Heereskörper in der angedeuteten Weise hin- und her-
gingen, blieben die im Kampfe befindlichen Korps zunächst auf sich allein
angewiesen.
Beim III. Korps hatte man gehofft, an der Olszanica und Zlota Lipa
halten zu können. Die 28. ID. war aber nach Gliniany zurückgegangen,
wo die Truppen äußerst deprimiert um Mitternacht eintrafen. Bei der
4*
52
Die erste Schlacht.
22. LID. hatte sich der Rückzug in der Dunkelheit stellenweise in Unord-
nung aufgelöst, und es war zu mehrfachen Panikschießereien gekommen. Die
Lage der Division war in den späten Abendstunden nicht festzustellen.
Mit Rücksicht auf das Zurückgehen der beiden Nachbargruppen erhielt dann
auch die 6. ID. den Befehl, auf die Höhen hinter der Olszanica zurück-
zugehen. Aber der Rückzug der Nachbargruppen wirkte sich aus, und die
Mehrzahl der Truppen wurde noch im Laufe der Nacht bis Slowita zurück-
genommen.
Beim XII. Korps waren über Befehl des KK. 16. und 35. ID. an die
Zlota Lipa zurückgenommen worden, um sich dort für den am nächsten Tag
abermals bevorstehenden Angriff vorzubereiten. Die 16. ID. stand in der
Nacht knapp westlich, die 35. ID. größtenteils östlich der Tiefenlinie. Die
Ii. ID. war in der erreichten Situation Wierzbów—Narajów m. geblieben,
sie sollte am nächsten Tag an dem allgemeinen Angriffe mitwirken. Die
eintreffenden Teile der 88. LschBrig. sollten bei Dunajów als Korpsreserve
bereitgestellt werden.
Das XI. Korps war inzwischen am nördlichen Flügel immer stärker be-
droht worden, so daß sich das KK. in der Nacht veranlaßt sah, der 30. ID.
den Befehl zum Rückzug auf Jaryczów zu geben. Die kombinierte Infanterie-
division war noch immer ohne Fühlung mit dem Feind, ohne Nachricht über
das III. Korps und auch in Unkenntnis der Lage bei der 30. ID. Sie sollte
bei Tagesanbruch die Vorrückung aufnehmen.
27. August.
XI. Korps.
Die kombinierte Infanteriedivision ging um 5h früh über
Krasne zum Angriffe vor. Im Laufe der Nacht waren versprengte Mann-
schaften vorübergekommen und hatten angegeben, daß die 28. ID. am Vor-
tage zwischen Sknilów und Skwarzawa ungünstig gekämpft hätte und abends
zurückgegangen sei, doch schien letzteres wenig glaubwürdig. Die Vorrückung
wurde über Trig. 254 in der allgemeinen Direktion Skwarzawa angetreten,
und zwar: das MRgt. in breiter Front zunächst längs der Straße, die LstBrig.
in tieferer Gruppierung, weiter nördlich über den Bahnhof Krasne ausgreifend.
Ein Dunstschleier lag über der Ebene, und auch die aufgehende Morgen-
sonne störte die Fernsicht erheblich. Bald machte sich feindliches Artillerie- und
Infanteriefeuer bemerkbar, doch gingen die Truppen unaufhaltsam vor. Der
Feind stand in gut verborgenen Stellungen bei und nördlich Trig. 254. Die
drei Batterien wurden an die Straßengabel östlich Krasne vorgezogen, wo sie
offen auffuhren und die Beschießung der wenigen sichtbaren Ziele aufnahmen.
Die Infanterielinien hatten bereits die Straßeneisenbahnkreuzung zwi-
schen Krasne und Trig. 254 weit überschritten, als plötzlich heftiges Maschin-
gewehrfeuer, besonders am linken Flügel, einsetzte und auch die feindliche
Artillerie große Wirkung gewann. Teile der LstBrig. kamen ins Wanken,
und es begannen rückgängige Bewegungen. Sie konnten bald wieder zum
Die Kämpfe.
53
Stehen gebracht werden, doch übertrug sich die Unruhe sehr bald auf
andere Teile. Eingesetzte Reserven machten die Linien noch dichter, wodurch
sich Verluste und ungünstige moralische Eindrücke verstärkten. Trotz per-
sönlichen Eingreifens des Divisionärs ging die LstBrig. zurück, unausgesetzt
von der feindlichen Artillerie mit Geschoßen überschüttet.
Das Marschregiment hatte sich an der Eisenbahn gehalten.
Der Feind vereinigte nunmehr sein ganzes Artilleriefeuer auf unsere
offen dastehenden Batterien, die in treuester Pflichterfüllung aushielten. Die
Mehrzahl der Bespannungen wurde zusammengeschossen, weshalb sechs
Geschütze, allerdings demontiert, am Gefechtsfelde zurückgelassen werden
mußten. Überdies hatte die Artillerie mehr als die Hälfte der Offiziere und
Mannschaften verloren.
In einem Lager bei Zadwórze wurde die Division gesammelt und näch-
tigte dort. Es kam zu mehreren Panikschießereien; am 28. wurde sie befehls-
gemäß nach Winniki zurückgeführt.
30. I D. Als das KK. zeitlich früh die Meldung über den begonnenen
Angriff der kombinierten Division erhielt, bekam die 30. ID. erneut Befehl,
ihre Stellungen zu halten.
östlich des Bug rückten stärkere feindliche Kräfte durch Busk gegen
Süden. Von Spas her war der Anmarsch starker feindlicher Infanterie ge-
meldet und gleichzeitig begann auch ein feindlicher Angriff von Busk gegen
Kozlów. Gegen Mittag wurde der Rückzug von Rzepniów unvermeidlich.
Das Gros der 30. ID. ging, ohne vom Feinde gestört zu werden, über Banunin,
die rechte Gruppe entlang des Jaryczowski Kanal auf Jaryczow Nowy
zurück. Dort erhielt die Division den Befehl, die Höhen beiderseits
J. H. Majorka, Front nach Nord, zu besetzen. Diese Situation wurde spät
abends erreicht.
III. Korps.
Die geringe Orientierung, welche das 3. AK. bis zu den Morgenstunden
gewonnen hatte, ließ die Lage beim III. Korps ungünstiger erscheinen, als
sie tatsächlich war. Die einzigen Truppen, die dem 3. AK. zur Hand waren,
Teile der 88. LschBrig., die noch nicht nach Dunajów abgerollt waren, die
in Lemberg eintreffende 108. LstBrig. und zwei Ersatzbaone. sollten dem
III. Korps in Kurowice zur Verfügung gestellt werden.
Die in den Morgenstunden recht düster klingenden Meldungen ver-
anlaßten das AOK., Weisungen für den Rückzug auszugeben (Op.-Nr. 1196;
C. IV., S. 541). Als sich jedoch bald darauf die Lage klärte, wurde dieser
Rückzugsbefehl wieder aufgehoben und, wie schon früher erwähnt, das
XIV. Korps zur 4. Armee dirigiert (Op.-Nr. 1208; C. IV., S. 542)* Die
3. Armee sollte nun den Angriff fortsetzen.
Die 44. LID. hatte auf den Höhen bei Zoltance ein Detachement zur
Unterstützung der von Kamionka Strumilowa zurückgegangenen 11. HKD.
gelassen und war mit dem Gros nach Winniki abmarschiert.
54
Die erste
Die 23. HID. und 97. LstBrig. wurden jetzt dem 3. AK. definitiv
unterstellt und sollten am 29. in die Gegend von Kulików gelangen (Pf.,
s- 7i)-
Alle diese Kräfte konnten kaum vor dem 30. Aug. in den Kampf ein-
greifen.
Auf die Nachricht, daß die kombinierte Infanteriedivision zeitlich früh
zum Angriffe vorgehe, wurden Teile der 28. ID. zum Vorgehen Richtung
Bortków befohlen. In den Vormittagsstunden kam es dort zu einem kleinen
Gefechte. Nachmittags erhielt die Division den Befehl, hinter Gliniany
Stellung zu nehmen. Dies wurde durchgeführt.
Bei der 6. ID. wurden in den Vormittagsstunden kleine feindliche An-
griffe bei Tredowacz und Gologory durch die Nachhut der 6. ID. abgewiesen.
Meldungen hierüber hatten das AK. glauben lassen, daß noch alle Truppen
der 6. ID. in der vorgeschriebenen Linie stünden. Deshalb wurde der
22. LID. befohlen, sofort wieder auf die Höhen östlich Lipowce zurück-
zukehren.
Die 6. ID. bezog aber schon um diese Zeit über Befehl des KK. eine
Stellung zwischen Jaktorów und Lahodow. Vom Feinde folgte an diesem
Tage nur etwas Kavallerie.
Noch im Laufe der Nacht waren die Trains der 22. und 16. ID. in
Przemyslany stark durcheinander geraten, und der Ort war vollständig ver-
stopft. Ab 4 h morgens trafen einzelne Truppenteile der 22. LID. dort ein,
wodurch die Unordnung zunächst noch erhöht wurde. Immerhin gelang es
aber im Laufe des Vormittags, die Trains zum Abfließen zu bringen und die
Truppen zu sammeln.
Um il h vm. kam der Befehl zum abermaligen Vormarsch an die
Zlota Lipa. Die Truppen waren jedoch durch 48 Stunden gehetzt worden
und durch den ungünstigen Kampf und den nächtlichen Rückzug stark er-
schüttert. Zahlreiche Mannschaften waren erschöpft, eine große Zahl noch
abgängig.
Mit Rücksicht auf den Zustand der Truppen ordnete das Divisions-
kommando zunächst nur die Besetzung der Höhen zwischen Przemyslany
und Majdan Lipowiecki in einer ca. 4 km breiten Aufstellung an, mit einer
Reserve hinter der Mitte.
Der Feind verfolgte nicht, die Reserve wurde im Laufe der Nacht nach
Przemyslany zurückverlegt. Die Nacht zum 2&. verlief ruhig.
XII. Korps.
Der Befehl Op.-Nr. 238 des 3. AK. (Pf., S. 53) basierte noch immer auf
der Meinung, daß der Feind in getrennten Gruppen stehe. Zur Unter-
stützung des III. Korps hätten 16. und 35. ID. über die Höhe Lipki und
Czyzów vorgehen sollen, während die 11. ID. mit dem Gros bei Dunajow,
mit einer schwächeren Gruppe bei Narajów m. sichern sollte. Doch hatten
16. und 35. ID. eine geschlossene feindliche Front gegenüber, während "im
Die Kämpfe.
55
Räume südlich Dunajów anscheinend nur wenig Feind war. So entschloß
sich das XII. KK., den Angriff unter Heranziehung der n. ID. vom
südlichen Flügel aus zu beginnen. Nach Maßgabe der Fortschritte der n. ID.
sollten sich 35. und später auch 16. ID. dem Angriffe anschließen. So hoffte
man, den Feind von Süd aus aufrollen zu können.
Die Ii. ID. erhielt Direktion über Potoczany auf Pomorzany, fünf
Baone. blieben zur Sicherung in Narajów m., wohin auch die 4. KD. ge-
langen sollte.
In der Zeit zwischen 6 und 8 h vm. begann die Vorrückung der 11. ID.
über Poruczyn—Rekszyn unter heftigem feindlichen Artilleriefeuer. Der
Feind hatte die Höhen bei Potoczany in Besitz und andere Kräfte befanden
sich dort in den Wäldern. Bald schloß sich auch die über Pisarówka vor-
gehende 69. Brig, der 35. ID. dem Angriff an. Schon um 9 h vm. war der
Feind von den Höhen östlich Potoczany geworfen. Nach Gefangenenaus-
sagen verschanzten sich stärkere Kräfte in der Gegend von Nestiuki und
Pomorzany.
Um diese Zeit war wenigstens eine feindliche Infanteriedivision im An-
griffe gegen die 16. ID. und gegen den nördlichen Flügel der 35. ID., die
noch immer in ihren Stellungen an der Zlota Lipa standen. Bis mittags
waren 11. ID. und 69. Brig, in den Wald nördlich Potoczany eingedrungen.
Das KK. hielt nun den Zeitpunkt für gekommen, die ganze 35. ID. zum
Angriffe zu befehlen und gegen Nord einschwenken zu lassen, mit dem rech-
ten Flügel über Nestiuki, worauf dann auch die 16. ID. bald angreifen
sollte. Doch gewann der Angriff der 11. und 35. ID. um die Mittagszeit
nicht wesentlich Raum. Besonders die Artilleriewirkung des Feindes von
Nestiuki her war ungemein groß; gleichzeitig begann auch ein feindlicher
Angriff gegen Dunajów. Er wurde allerdings bald zum Stehen gebracht,
und dann im Laufe des Nachmittags der Feind auch noch von der Wald-
lisiere östlich Dunajów vertrieben. Zwischen 4 und 5 h nm. war der Angriff
der 35. ID., unterstützt durch die Tiroler Schützen, auf der ganzen Linie
gelungen.
Die 16. ID. hatte in ihrer Stellung an der Zlota Lipa wiederholt starke
Feindangriffe abgewiesen, und es war zu hoffen, daß auch sie nun bald zum
Angriffe werde vorgehen können.
Rechts war die 11. ID. im Walde östlich Potoczany vorgedrungen. Ihr
Angriff erfolgte befehlsgemäß Direktion Pomorzany. Zwischen 4 und 5 h nm.
wurde sie plötzlich durch sehr starke Kräfte in ihrer rechten Flanke gefaßt.
Mit schweren Verlusten wurden unsere braven Truppen geworfen, eine
Gebirgsbatterie, die in der Schwarmlinie stand, ging verloren. Um 6 h nm.
ging die Ii. ID. bei Buszcze über die Bahn zurück. Damit war nun auch der
Flügel der 35. ID. offen. Soeben hatten unsere Truppen Nestiuki erstürmt,
als sie in der Flanke gefaßt und zum Rückzüge genötigt wurden. Ein Ver-
such, sich bei Potoczany zu behaupten, gelang nicht mehr, um 7 h nm. mußte
der rechte Flügel der 35. ID. auf die Höhen bei Pisarówka zurückgehen.
5<S
Die erste Schlacht.
Beiläufig zur gleichen Zeit wurde auch der nördliche Flügel der 16. ID.,
der seit dem Rückzüge der 22. LID., also seit 24 Stunden, offen geblieben
war, vom Feind umfaßt. Schon im Laufe des Nachmittags waren einzelne
feindliche Abteilungen von Nord her nahe an Wypyski herangekommen,
aber vertrieben worden. In den Abendstunden wurde nun der linke Flügel
durch einen vehementen Angriff geworfen und mehrere Geschütze dabei ver-
loren. Um nicht gänzlich aufgerollt zu werden, mußte sofort der Rückzug
durchgeführt werden. Er erfolgte während der Nacht nach Ladance, haupt-
sächlich südlich der Straße. Mit Rücksicht auf die Gesamtlage hatte das
3. AK. inzwischen den allgemeinen Rückzug an die Gnila Lipa, und zwar
für das XII. Korps in den Abschnitt Uszkowice—Firlejów, angeordnet.
Dieser Rückzug wurde teilweise in der Nacht, teilweise am 28. vm. durch-
geführt. Damit hatten die Kämpfe momentan ein Ende erreicht.
26. und 27. August auf russischer Seite.
(D., S. 231—234, und L. gr. gu., S. 157 und 164.) Die 3. Armee hatte
am 26. die Linie Busk—Krasne—Gologóry—Dunajów in Besitz zu nehmen.
„Mit Energie wurde der erste Ansturm des Feindes ertragen", im Berglande
von Zloczów (bei unserem III. Korps) war es zum Handgemenge gekom-
men. Nach der Entwicklung ihrer Kräfte gingen die Russen zur Offensive
über, und zwar besetzte das XI. Korps die Orte Uciszków und Skwarzawa.
(Ersteres war nur von 3 Kp./Jg. 7, letzteres überhaupt nicht besetzt.)
Das IX. Korps besetzte Kniaze und behauptete sich bei Majdan Golo-
górski und 2ukow. Die 31. ID. des X. Korps schlug sich auf der Höhe Orne,
während die anderen Divisionen des X. Korps, die sich bei Pomorzany be-
fanden, an diesem Tage nicht in den Kampf traten. (60. ResID. erreichte
Pomorzany, 9. ID. Konjuchy—Urman.)
Aus diesen Daten ist ersichtlich, daß am 26. August unsere 28., 6., 22.
und 16. ID. mit 56 Baonen. (C. IV, Ani. 21) gegen sechs bis sieben Infanterie-
Divisionen zu je 16 Baonen., also gegen 100 bis 110 russische Baone. frontal
im Angriffe waren, während die Umfassung des russischen Südflügels, die an
diesem Tage vielleicht noch möglich gewesen wäre, nicht zustande kam, weil
unsere 11. ID. überhaupt nicht, die 35. ID. zu spät in den Kampf kam.
Am nördlichen Flügel (XXI. Korps) hatte die r. 33. ID. nach Busk zu
marschieren, die 44. ID. war zur Offensive in die Flanke unserer gegen Busk
und Krasne vorgesendeten Truppen bestimmt. Nach Kampf mit russischer
Infanterie (69. ResID.) wurde unsere 11. HKD. von Kamionka Strumilowa
nach 2oltance zurückgedrängt.
Bezüglich des 27. Aug. ist gesagt, „daß der feindliche Widerstand stellen-
weise nachgelassen habe, zeitweilig noch kräftige Angriffe stattgefunden
hätten".
Tatsächlich hat unsere 11. HKD., verstärkt durch nur drei Baone., gegen
die Ii. r. KD. und 69. ResID. (16 Baone.) gekämpft. Gegen unsere 30. ID.
mit insgesamt 10 Baonen. waren die 33. und 44. r. ID. mit zusammen ca.
32 Baonen. vorgegangen. Unsere kombinierte Infanteriedivision hat mit
Die Käm
57
9 Baonen., beiderseits entblößt, in der Front des r. XI. Korps angegriffen.
Unser XIL Korps hat, mit beiderseits offenen Flügeln, mit insgesamt
33 Baonen. gegen 48 r. Baone. gekämpft, wozu am Abend noch Teile des
IX. r. Korps kamen. Das r. VII. Korps (der 8. Armee), welches knapp süd-
lich des r. X. Korps gestanden war, hatte noch am 27. den Befehl erhalten,
gegen Dunajów einzugreifen. Ob auch von dort noch Truppen in den Kampf
kamen, ist nicht bekannt.
Mehr als Worte zeigen diese ziffernmäßigen Gegenüberstellungen die
Ungleichheit des Kampfes, und noch deutlicher werden alle Nachteile, denen
unsere Truppen ausgesetzt waren, hervortreten, wenn später vom beider-
seitigen Kampfverfahren die Rede sein wird. Bei uns hatte wohl niemand
gewußt, gegen welche Überlegenheit angerannt worden war. Wie eine Ent-
schuldigung klingt die Meldung der 16. ID., daß auch russische Heeresregi-
menter (und nicht nur Kosakenformationen) im Kampfe gewesen seien.
Jetzt gelangte unsere 3. Armee in eine neue, taktisch zwar günstige Stel-
lung, aber den Forderungen der operativen Lage war durch die so starke
Zurücknahme des linken Flügels nur wenig gedient. Die 11. HKD. war nach
viertägigen Kämpfen vollkommen erschöpft nach Lemberg zurückgegangen.
Die 44. LID. war, wie bekannt, nach Winniki abmarschiert, die 30. ID. von
der Straße Zoltance—Busk, auf der sie gestanden war, nach JaryczówNowy,
obzwar der Feind wohl auch eine Loslösung in mehr westlicher Richtung zu-
gelassen hätte. Zum Glück war der Feind durch die kraftvollen Angriffe
unserer Truppen im Augenblick viel zu sehr geschwächt, als daß er die so
weitgehende Trennung unserer 3. und 4. Armee hätte ausnützen können.
Das Kdo. der r. 3. Armee war durch den abgelaufenen Kampf tief impressio-
niert und hielt eine zwei bis dreitägige Ruhepause für die unterstellten Korps
für unvermeidlich. Damit war auf unserer Seite einige Zeit gewonnen, um
Maßnahmen zur Abwehr im Räume nördlich Lemberg zu treffen.
Im Augenblick war die Lage recht ungünstig, der Weg in den Rücken
der 4. Armee offen. Aber die Kampfkraft unserer Truppen war ungebrochen
und auch unsere Führung ließ sich durch das Mißgeschick nicht im geringsten
beeinflussen.
28. August. . Skizze 5
Die 3. Armee ging nun in die Linie Zydatycze—Przemyslany—Firlejów
—Ruda zurück, südlich sollte die 2. Armee anschließen, doch blieb ihre Lage
durchaus ungeklärt.
Die weite Zurücknahme des nördlichen Flügels der 3. Armee öffnete die
zur 4. Armee bestehende Lücke noch mehr und bot dem Feinde auch Gelegen-
heit, die 3. Armee bei Lemberg zu umgehen. Deshalb wurden die einzigen
verfügbaren Reserven, 23. HID. nach Jasniska, 97. LstBrig. nach Kozice
dirigiert, um ab 30. am nördlichen Flügel der 3. Armee verwendbar zu
werden.
Zur Sicherung der über 2olkiew führenden Straße sollten die 11. HKD.
von Lemberg und die 10. HKD. mit 4 MBaonen. von Rawa Ruska als Kaval-
S8
Die erste Schlacht.
leriekorps bei ¿ólkiew zusammengezogen werden (Op.-Nr. 1267; C. IV.,
5. 559). Zur direkten Unterstützung der 3. Armee konnten nur noch die
soeben eintreffenden Marsch- und Landsturmtruppen bestimmt werden (3.,
14. MBrig., 10. LstRgt. aus Krakau).
Das XI. Korps ging schon zeitlich früh in die neue Stellung. Die
30. ID. gelangte in den Abschnitt Michaíowszczyzna Trig. 357, bis nördlich
Prusy. Anschließend daran bis Gaje stellte die bei Podberezce als Armee-
reserve eingetroffene 44. LID. Sicherungen auf. Die kombinierte Infanterie-
division wurde aufgelöst, die Landsturmtruppen kamen in die Werke von
Lemberg, die MBrig. als Korpsreserve hinter die 30. ID.
Das III. Korps blieb bis mittags in der Linie Gliniany—Przemyslany.
Nur an die 6. ID. bei Lahodow kam Feind heran. Im Laufe des Nach-
mittags ging die 28. ID. in den Abschnitt Mogila Trig. 276—Kurowice, die
6. ID. in eine Stellung beiderseits Turkocin und Stanimirz, rechter Flügel bei
Zaciemne, die 22. LID. anschließend bis Uszkowice zurück. An letztere schob
sich der Feind noch am Abend heran und es kam zu beiderseitigem lebhaften
Artilleriefeuer. Als Reserven sollten 3. und 14. MBrig. und 108. LstBrig.
zum III. Korps gelangen.
Schwieriger war der Rückzug beim XII. Korps. Die 16. ID. hatte sich
am 27. abends vom Feinde nur schwer loslösen können, am 28. aber war ihr
der Feind nicht mehr unmittelbar gefolgt, und sie gelangte nachmittags in
die Stellung zwischen Uszkowice und Meryszczów. Bei der 35. und 11. ID.
war die Loslösung vom Feind unbehelligt erfolgt und Nachhuten blieben bis
28. Aug., 9h vm., an der Zlota Lipa zurück. Im Laufe des Rückzuges aber
machte sich die Einwirkung feindlicher Kavallerie mehrfach geltend, speziell
auf der Straße über Narajów m. gegen Janczyn. Die Truppen, welche schon
durch die Umfassung am 27. schwer gelitten hatten, wurden dadurch stark
beunruhigt. Immerhin konnte die Besetzung durchgeführt werden: 35. ID.
beiderseits Brzuchowice, den Ort vor der Front durch ein Baon. Landes-
schützen festgehalten; 11. ID. von Trig. 295 bis Firlejów. Von dort bis
Ruda gelangte die 105. LstBrig. in Stellung. Weiter südlich wurde die 4. KD.
bei Podkamien, die 8. KD. bei Rohatyn vermutet. Von der 2. Armee wurde
ein baldiges Eingreifen am südlichen Flügel erhofft. Die 88. LschBrig. sollte
bei Wojciechowice als Korpsreserve gesammelt werden, doch waren drei
Baone. noch beim III. Korps. Auch gegen das XII. Korps rückte der Feind
noch am Abend heran und das Feuer dauerte die ganze Nacht.
29. August.
Unsere 1. Armee hatte mit dem I. und V. Korps die Linie Opole—
Bychawa erreicht. Die Landsturmgruppe übersetzte die Weichsel bei Józefów
und sollte an den linken Flügel anschließen. Das X. Korps war in die Linie
Zolkiewka—Deszkowice gelangt.
Die 4. Armee hatte mit dem linken Flügel Zamosc, mit dem rechten
Tarnawatka—Laszczów erreicht, wurde aber am 27. überraschend in der
rechten Flanke gefaßt und arg bedroht. Aber unser XIV. Korps stand be-
Die Käm
59
reits an der Solokija und somit waren günstige Aussichten zu einer Um-
fassung des Feindes gegeben. Gleichzeitig gelang dem linken Flügel der
4. Armee, gegen Dub vorzudringen, so daß sich die Chancen für einen großen
Erfolg steigerten.
Aber auch für die 3. Armee waren neue Hoffnungen aufgetaucht.
Speziell rechnete man auf baldiges Eingreifen des VII. Korps (2. Armee),
über welches später berichtet wird. Auf dem Nordflügel sollte gleichfalls
ein Angriff angesetzt werden. Auf Grund Fliegermeldungen bestand der
Eindruck, als ob ca. vier bis fünf feindliche Infanteriedivisionen aus dem
Räume Krasne—Kamionka Strumilowa gegen Lemberg vorrücken würden.
Das AOK. wollte daher, daß 23. HID. und 97. LstBrig. noch an diesem
Tage von Kulików zum Gegenangriffe vorgehen sollten (AOK., Op.-Nr.
1293; C. IV., S. 572, und 3. AK., Op.-Nr. 301; Pf., S. 85). Die Truppen
waren aber an den beiden vorhergehenden Tagen 65 km marschiert, hatten
den Befehl erst spät erhalten und gelangten am 29. nur auf die Höhen bei
Kulików. Aber auch der Feind kam nicht gegen Lemberg.
Dem XI. Korps gegenüber zeigten sich an diesem Tage nur ganz
schwache feindliche Kräfte.
Beim III. Korps hatte sich der Feind nahezu überall an die Stellungen
unserer Truppen herangeschoben. 28. und 6. ID. hatten stellenweise unter
Artilleriefeuer schwer zu leiden. Gegen die 6. ID. machten sich mehrere An-
griffsversuche geltend, doch ohne Erfolg. Die 22. LID., die noch starke Ab-
gänge hatte, schien im Laufe des Nachmittags durch einen heftigen feind-
lichen Angriff in der Gegend bei Przemyslany zeitweilig bedroht. Sie wurde
sowohl von der Korpsreserve, als auch von der 16. ID. her unterstützt und
wies den Angriff ab. Zur weiteren Degagierung war beabsichtigt, daß die
44. LID. und anschließend die 28. ID. vom linken Flügel aus zum Angriff
übergehen sollten. Doch war der Befehl spät erteilt, die Truppen in den aus-
gedehnten Stellungen stark auseinandergezogen, so daß der Angriff nicht weit
vorwärts kam.
Auch beim XII. Korps begannen die feindlichen Angriffe bereits in
den ersten Vormittagsstunden. Die Besetzung der Stellung war speziell bei
der 35. und 11. ID. infolge der großen Abgänge nur sehr dünn erfolgt, es
wurde ein baldiger Einsatz der Reserven unerläßlich und damit erfolgte eine
starke Vermischung der Verbände. Auch machten sich bald Munitionsmangel
und Verpflegsschwierigkeiten geltend, weil die Trains durch die feindliche
Kavallerie am Vortage stark in Unordnung gebracht worden waren. Am
stärksten machte sich dies bei der 11. ID. fühlbar.
Bei Meryszczów schienen ca. drei bis vier russische Infanteriedivisionen
zum Angriffe vorzugehen. Bis mittags war die russische Infanterie bis auf
ca. 1400 Schritte an unsere Linien herangekommen, und es begannen nach-
mittags Angriffe mit großer Heftigkeit, die stundenlang in hin- und her-
wogenden Kämpfen andauerten, bis zum Abend aber überall abgewiesen
wurden. Der Ort Brzuchowice wurde vom Feinde mehrmals genommen,
6o
Die erste Schlacht.
abends aber von unseren Truppen zurückerobert. Hingegen wurde die Lage
am Südflügel der 35. ID. und bei der 11. ID. äußerst kritisch.
Gegen die 11. ID. hatte im Laufe des Nachmittags der Angriff starker
Kräfte aus dem Räume bei und südlich Janczyn begonnen. Die 105. LstBrig.
hatte vom 3. AK. Befehl erhalten, ihre Kräfte am nördlichen Flügel zu
sammeln und zum Gegenangriffe vorzugehen. Es war ihr wohl möglich,
Kräfte am nördlichen Flügel zusammenzuziehen, dann hatte sie sich aber
selbst starker Angriffe zu erwehren. Bis zum Abend gelang es dem Feinde,
die vorderste Linie unserer 11. ID. einzudrücken. Eine Übersicht konnte
infolge der beginnenden Dunkelheit nicht mehr erzielt werden. Vier Baone.
waren im Laufe der Nacht bis Bóbrka zurückgegangen, andere Teile aber
hatten sich in der Nähe der früheren Gefechtslinie behauptet und der Ein-
bruch des Feindes blieb vorläufig lokalisiert, hatte sich aber auf den rechten
Flügel der 35. ID. bei Trig. 295 ausgedehnt. Unsere Truppen wehrten sich
bis zum Äußersten, und so gelang es dem Feinde auch hier nicht, nennenswert
Raum zu gewinnen. Einzelne Abteilungen der 35. ID. waren bis über Woj-
ciechowice zurückgegangen, andere hatten aber den Feind wieder aus den
Stellungen geworfen, und so bestand auch hier noch am nächsten Morgen
der Eindruck, daß das Gelände im allgemeinen gehalten worden sei. Es war
dies wohl auch tatsächlich der Fall, aber die Widerstandskraft war nicht
mehr groß.
jo. August.
Die Nacht war ohne besondere Ereignisse vorübergegangen. Die größten
Hoffnungen wurden nun auf das Eingreifen der 2. Armee von Süd her ge-
stellt. Auch der Nordflügel der 3. Armee sollte zum Angriff übergehen.
Aus Fliegermeldungen wurde schon zeitlich vormittags der Eindruck gewon-
nen., daß aus dem Räume Kamionka Strumilowa—Zelechow—Krasne Kräfte-
verschiebungen in nordöstlicher Richtung stattfänden, speziell daß eine feind-
liche Infanteriedivision von Kamionka Strumilowa gegen Mosty Wielkie
abmarschiert sei. Das bei 2olkiew in Bildung begriffene Kavalleriekorps
schien nicht mehr ausreichend, die 4. Armee erhielt nun Befehl, die Sicherung
ihres Rückens durch die 2. und 6. KD. bei Krystynopol und Beiz zu ergänzen
(C. IV., S. 582).
Um 8 h vm. begann der Angriff der Honvéd von den Höhen bei Kuli-
ków in östlicher Richtung. Doch war diese Angriffsrichtung mit Rücksicht
auf den Feind, der sich aus nordöstlicher Richtung geltend machte, nicht bei-
zubehalten. Mittags stand die 23. HID., die 97. LstBrig. an ihrem rechten
Flügel, in der Linie Zwertów—Kocurowa Mogita Trig. 285, im Angriffe.
Bis dahin war das Gros der 30. ID. von 2ydatycze über Zapytów bis
nahe an Kukizów gekommen und hatte die dort gestandenen feindlichen Ab-
teilungen zurückgeworfen. Jetzt begann auch die Vorrückung des rechten
Flügels der 30. ID. über J. H. Majorka—Chalupki, und dort entwickelte
sich bald ein starkes Gefecht. Über Befehl des XI. KK. schwenkte nun ein
Teil der Hauptgruppe über Jaryczów gegen Süd. Bis 5 h nm. gelang es, den
Die Kämpfe.
Feind aus den Waldungen bei Chalupki zu verjagen, ihm 200 Gefangene,
vier Geschütze und mehrere Munitions wagen abzunehmen. Aber ein weiterer,
die Kampffront der 3. Armee entlastender Erfolg konnte an diesem Tage
nicht mehr erreicht werden. Die 30. ID. nächtigte in der Linie Ceperów—
Jaryczów Nowy—Chalupki, Front gegen Ost.
Auch die 23. HID. war erfolgreich gewesen, bis 6 h nm. hatte sie die
Linie Zapuscie Trig. 284—Klodzienko im Angriffe genommen, doch hatte
dieses gänzlich isolierte Gefecht keine Rückwirkung auf das Gros der 3. Armee.
Dabei war nun ihr eigener rechter Flügel vollkommen ungeschützt.
Südlich der 30. ID. war auch die 44. LID., unterstützt durch Teile der
28. ID., zum Angriffe vorgegangen, und der Feind wurde nach Zurawniki
zurückgedrängt. Ein durchschlagender Erfolg gelang aber auch hier nicht.
Die 6. ID. wurde zeitweilig vom Feinde hart bedrängt, hatte auch unter
dem außerordentlich wirkungsvollen feindlichen Artilleriefeuer schwer zu
leiden, wies aber alle Angriffe restlos ab.
Gegen die 22. LID. hatte schon um 7 h vm. ein starker feindlicher An-
griff begonnen. Das Artilleriefeuer steigerte sich immer mehr bis zur größten
Heftigkeit, und auch die feindliche Infanterie drang mit großer Vehemenz
zum Angriffe vor. Doch gelang es, bis Mittag die Krise zu überwinden. Um
12 h 30 nm. erhielt die Division die Mitteilung, daß das südlich im Anschlüsse
gestandene XII. Korps zurückgehe. Trotzdem ging die Kärntner Landwehr
zum Gegenangriff über und warf den Feind aus dem brennenden Orte
Przemyslany. Die 22. LID. hielt sich bis abends.
Auch beim XII. Korps wiederholten sich die Feindangriffe mit großer
Heftigkeit. Die 16. ID. hielt sich in den Vormittagsstunden unentwegt, wenn
auch stellenweise nur mit großer Mühe.
Bei der 35. ID. hatten die Kämpfe ebenfalls mit einem hoffnungsvollen
Ausblicke begonnen. Trotz der schon zeitlich früh einsetzenden Angriffe be-
hauptete sich die Front, und selbst der davor liegende Ort Brzuchowice wurde
von den Landesschützen noch immer gehalten. Das Eingreifen des VII. Korps
war schon für die nächsten Stunden avisiert, und so konnte auf eine glückliche
Wendung gehofft werden.
Am Südflügel begann ein Abbröckeln der Truppen. Noch um 7 h früh
war die Trig. Höhe 295 im eigeneg Besitze, doch begann unsere dünne Ver-
teidigungslinie stellenweise zurückzugehen. Überall wurden die äußersten
Versuche gemacht, die Truppen aufzuhalten. Es gelang dies stellenweise, doch
nahmen die rückgängigen Bewegungen überhand und dehnten sich allmählich
auch weiter nördlich aus. Erst jetzt, zwischen 8 und 9 h vm., wurde es klar,
daß die 11. ID. sowie Teile der 35. ID., auch mehrere Btn., schon längst
zurückgegangen waren.
Die Umfassung von Süd her wurde immer stärker. Um 10 h vm. war
der Rückzug der 35. ID. bereits unaufhaltsam, und die Infanterie flutete
über die Artilleriestellungen zurück. 11 Kanonen und 5 Haubitzen blieben
zurück. Es kam ein Befehl nach dem anderen, unbedingt auszuharren, weil
das VII. Korps noch in den Vormittagsstunden Firlejów erreichen werde und
62
Die erste Schlacht.
auch am Nordflügel der 3. Armee ein erfolgreicher Angriff im Gange sei.
Immerhin gelang es, den Waldrand bei Ostalowice bis gegen 3 h nm. zu
halten und dadurch wurde viel Unglück verhütet.
Inzwischen hatte der Rückzug auch schon auf die 16. ID. übergegriffen.
Gleichzeitig in der Front stark angegriffen und von Süd her umfaßt, hatten
um ca. i h nm. die bis dahin tapfer verteidigten Stellungen aufgegeben wer-
den müssen. Nur kurze Zeit konnten die Truppen am Waldrand abermals
zum Stehen gebracht werden. Auch die weiteren Versuche, bei Kruhle
Trig. 418 und Niedzieliska Stellung zu nehmen, hatten nur vorübergehende
Wirkung. Unaufhaltsam gingen Truppenteile beiderseits Niedzieliska auf
Swirz zurück. Es dürfte 4 h nm. gewesen sein, als plötzlich feindliche Artil-
lerie zuerst aus der Richtung Ghlebowice Swierskie, dann auch aus der Rich-
tung Ostalowice gegen die nach Swirz zurückflutenden Truppen Feuer er-
öffnete. Dadurch wurde die ohnehin bereits eingetretene Auflösung wesent-
lich vergrößert. Auf den Höhen knapp südlich Swirz (Trig. 386) und beim
Friedhofe gelang es, einige hundert Mann zum Besetzen einer Stellung, Front
gegen Süd, zu veranlassen. So konnte wenigstens eine Attacke von ca.
300 Kosaken abgewiesen werden.
Der Feind, durch die Kämpfe gleichfalls vollkommen erschöpft, hatte
mit stärkeren Abteilungen über Ostalowice nicht mehr hinauskommen kön-
nen. So gelang allmählich das Abfließen des XII. Korps. Aber in der ein-
getretenen Auflösung hatte die Leitung nahezu aufgehört. Trains und
Truppen waren bei Swirz gänzlich durcheinandergekommen, die Mehrzahl
kam auf den nach Romanow führenden Weg und setzte den Marsch die
ganze Nacht hindurch Richtung Lemberg fort. Ein kleinerer Teil gelangte
nach Bóbrka, wo neuerdings der Versuch gemacht wurde, eine Stellung zu
beziehen. Als am 31. mittags sich feindliche Kavallerie dort näherte, wurde
sie durch Artilleriefeuer abgewiesen. Sie konnte den weiteren Rückzug nicht
mehr stören.
Um 6 h nm. hatte das 3. AK. den Befehl für den nun unvermeidlich
gewordenen Rückzug aller Korps an die Linie Bialy potok—Bóbrka—Lem-
berg ausgegeben. Mit der 105. LstBrig. und 11. ID. bestand vorläufig keine
Verbindung.
Trotz der Ereignisse beim XII. Kqrps hatte sich das III. Korps bis
abends behauptet. Die 22. LID. mußte infolge Gefährdung ihres Südflügels
ab 6 h nm. den Kampf abbrechen, doch blieben eine Kompagnie Landwehr
und zwei Kompagnien Landsturm bis 10 h nachts auf der Höhe östlich Usz-
kowice als Nachhut stehen.
Bei der 6. ID. begann der Rückzug erst zwischen 8 und 9 h abends und
verzögerte sich durch zahlreiche Trainstockungen. Um 4 h früh des 31. Aug.
waren die Truppen bei Podjarków—Wankowce eingetroffen, woselbst die
14. MBrig. eine Nachhutstellung bezogen hatte. Abends erreichte die Divi-
sion Szolomyja—Dzwinogród.
Auch bei der 28. ID. und 44. LID. war der Rückzug ohne feindliche
Einwirkung durchgeführt worden. Die 28. ID. gelangte am 31. abends in die
64
Die erste Schlacht.
vorgeschriebene Stellung bei Czyzyków, die 44. LID. an die Ostfront Lem-
bergs. Die 30. ID. ging von Jaryczów erst am 31. ab 4 h früh an die Nord-
front von Lemberg zurück.
28.—30. August auf Feindesseite.
(D., S. 244, 245, und L. gr. gu.5 S. 178—183.) Die 3. r. Armee sollte am
28. die Linie Kamionka Strumilowa—Rozworzany—Przemyslany—Firlejów
erreichen, dort zwei bis drei Tage rasten und sich für den Angriff auf Lem-
berg vorbereiten. Auf unseren Widerstand an der Gnila Lipa hatte der Feind
nicht gerechnet.
Für den 29. ist folgende Verteilung angegeben:
Ii. KD.: Teodorshof,
XXI. Korps: Kamionka Strumilowa—Zadwórze,
XI. Korps: Rozworzany—Gliniany,
IX. Korps: Unterwaiden—Przemyslany,
X. Korps: Kosteniów,
3. und 10. KD.: Richtung Bóbrka, bzw. Strzeliska Nowe.
Südlich der 3. stand die 8. r. Armee. Von dieser waren 12. KD. und
VII. Korps im Räume Janczyn—Ruda, von den weiter südlich befindlichen
Teilen der 8. Armee wird später die Rede sein.
Die 3. r. Armee hatte schon mehrfach Befehl erhalten, der 5. Armee zu
Hilfe zu kommen. Deshalb wurden auch XXI. und XI. Korps am 30. Aug.
in der Richtung gegen Mosty Wielkie in Marsch gesetzt. Es erreichten: je
eine Division des XXI. Korps Mosty Wielkie, Kupiczwola und Kamionka
Strumilowa, das Gros des XI. Korps den Raum 2elechow—Lisko. 11. und
9. r. KD. waren Richtung Butyny—Beiz angesetzt. Gegen unsere 23. HID.
kämpften Teile des XXI. Korps. Gegenüber dem rechten Flügel unserer
30. ID. und gegenüber unserer 44. LID. wurde die 11. r. ID. des XI. Korps
festgestellt. Somit war das Kräfteverhältnis im Hauptkampfraum wie folgt:
Gegen unser III. und XII. Korps mit insgesamt ca. 100 Baonen. die r. Korps
IX, X und VII mit ca. 128 Baonen. Dabei war aber die Kräftemassierung
der Russen ausgesprochen gegen den südlichen Teil gerichtet (gegen XII. Korps
und 105. LstBrig.). Hier hatten ca. 50 wesentlich geschwächte Baone. von uns
gegen ca. 80 r. Baone. kämpfen müssen.
Ebenso heißt es, daß das VII. r. Korps am 29. auf sehr ernsten Wider-
stand (bei unserer 35. und 11. ID.) gestoßen war. Von jenen Teilen, die
weiter südlich bei Ruda gegen unsere 105. LstBrig. kämpften, wird gesagt,
daß ihr Angriff auch am 30. nicht fortschreiten konnte. Es stimmt dies auch
mit unseren Daten überein.
Jedenfalls haben aber auch im Räume der 11. ID. noch am 30. er-
bitterte Kämpfe stattgefunden, denn sonst wäre der Feind entweder dem
XII. Korps oder der 105. LstBrig. mit starken Kräften in den Rücken
gekommen. So aber und durch den stundenlangen Widerstand unserer Nach-
huten bei Wojciechowice und Ostalowice war die ärgste Gefahr gebannt
Die Käm
¿5
worden. Ein sehr böser Zufall wollte es, daß alle Rückzugswege aus dem
Kampfräume der 35. und 16. ID. konzentrisch gegen Swirz führten und sich
deshalb dort bei dem doch sehr plötzlich eingetretenen Rückzüge Trains und
Truppen in einen Knäuel zusammendrängen mußten. Als es dem Feinde
dann noch gelang, einige rasch vorgezogene Geschütze ins Feuer zu bringen,
war eine Auflösung der Verbände ganz unvermeidlich, und es war begreif-
lich, daß unsere braven Truppen, die so heldenmütig gekämpft hatten, in große
Unordnung gerieten. Der Feind nahm in den Stellungen ca. 20 Geschütze,
und infolge der ganz besonders ungünstigen Rückzugsverhältnisse in Swirz
blieben auch noch große Parks an Munitions- und anderen Fuhrwerken zurück.
Diese verhältnismäßig leichte Beute hat eine sehr übertriebene Dar-
stellung gefunden und scheinbar bei den Russen stellenweise die Meinung
hervorgerufen, daß unsere 3. Armee vernichtend geschlagen worden sei.
Selbst der vorliegende Bericht (L. gr. gu., S. 184) spricht beinahe wie von
einem Wunder, daß kurze Zeit später unsere 3. Armee wieder mit unver-
minderter Kraft an der Wereszyca stand. Nur durch die besondere Ungunst
der Terrainverhältnisse, die ein Kesseltreiben auf das zurückgehende
XII. Korps ermöglichten, war dieses, aber auch nur dieses allein, schwer
getroffen worden. Alle anderen Teile waren ungebrochen, und nirgends sonst
war es dem Gegner gelungen, in unsere Stellungen einzudringen. Wo immer
von unserer Seite Angriffe stattgefunden hatten, wie in Przemyslany, bei
2urawniki, Chalupki, Jaryczów und ¿óltance, war der Feind geworfen
worden. Deshalb waren die Russen auch nicht in der Lage, eine rasche Ver-
folgung einzuleiten. Nur schrittweise, zögernd und mit eng zusammen-
gehaltener Kraft wagten sie sich in den nächsten Tagen an das nur durch
einige kleine Erdschanzen geschützte Lemberg heran.
Den befohlenen Abmarsch, Richtung Nordwest, zur Unterstützung ihrer
5. Armee, hatten die Russen nicht ausführen können. Durch die in den
nächsten Tagen noch fortgesetzten Angriffe unserer 23. HID. und 97. LstBrig.
blieben starke Kräfte des r. XXI. Korps gebunden, und dieses hatte bis zum
2. Sept. die Linie Mosty Wielkie—Turynka nicht überschreiten können. Des-
gleichen wurde das r. XI. Korps mit Rücksicht auf unsere am 30. statt-
gefundenen Angriffe am nächsten Tage gegen Jaryczów abgeschwenkt und
blieb vorläufig dort festgehalten.
„So waren 22 (russische) Divisionen durch 12 (unserer) Divisionen ge-
bunden und hatten dem Nachbar keine Hilfe bringen können." Mit diesen
wenigen Worten kennzeichnet der Feind den ruhmvollen Anteil unserer
Heeresteile in Ostgalizien an dem bisherigen Einleitungsfeldzuge. Eine Ent-
scheidung war weder hier noch in Russisch-Polen endgültig zustande gekom-
men, und der Kampf wurde bis Mitte September fortgesetzt. Bevor dies aber
geschildert wird, ist es nötig, über diejenigen Ereignisse zu berichten, die sich
weiter südlich, durch die Ungunst der Verhältnisse von der 3. Armee voll-
ständig getrennt, bei unserer 2. Armee abgespielt haben. Um auch diese
Kämpfe aus ihrer Entwicklung heraus zu verstehen, muß auf einen früheren
Zeitpunkt zurückgegriffen werden.
Pitreich. c
Die erste Schlacht.
Die Ereignisse und Kämpfe im südlichen Teil Ostgaliziens
Skizze 4 und in der Bukowina (21.—26. Aug.).
Wie erinnerlich, war am 21. Aug. die Lage im Grenzraume wie folgt:
Gros der 11. ID. Zborów, 8. KD. Jezierna, 5. HKD. Grzymalów. Die
i. KD. mit III/95 hatte am 20. den Befehl erhalten, von Skala nach Czort-
ków zurückzugehen, Infanterie und Artillerie der 43. LID. wurden abgezogen.
Am 21. nm. erfolgte der Einmarsch einer feindlichen Kolonne über
Zbaraz, Richtung Tarnopol, und einer zweiten von Bogdanówka gegen Borki
Wk. Unsere Infanterie ging bei Tarnopol in Stellung, die 8. KD. abends
nach Hluboczek Wk.
Gegenüber der 5. HKD. hatten sich schon am 20. Aug. feindliche Kolon-
nen Infanterie und Artillerie bei Satanów und Luka mala gezeigt, und es
wurde dort die 15. r. ID. (VIII. Korps) festgestellt. Im Laufe des 21. setzte
der Feind die Vorrückung nach Chorostków und Grzymalów fort, die
5. HKD. ging nach Dobropole zurück.
Am 21. nm. zeigten sich überraschend auch stärkere Kräfte weiter
südlich am Zbrucz. Mehrere Kosakenregimenter gingen gegen Wasylkowce
vor, der Ort wurde durch Artillerie beschossen und Kosaken bedrohten
abends schon Kopyczynce. Bei Trybuchowce waren angeblich sechs Infanterie-
regimenter.
22. Aug. Die Kavalleriedivisionen erhielten Befehl (gemäß AOK.,
Op.-Nr. 1004; C., S. 472), zähen "Widerstand entgegenzusetzen, nicht offen-
siv, sondern durch Feuerkampf. Zu Pferd sollte nur dort gekämpft werden,
wo ein Erfolg bestimmt zu erwarten sei.
Die i. KD. sollte bis zum Abtransporte der Verpflegsgüter Czortków
halten, vor überlegenen Kräften sich langsam zurückziehen und bei Buczacz
neuerdings Widerstand leisten.
Der Feind blieb in Vorrückung. Schon zeitlich früh waren Kosaken
bei Korulówka, Infanterie bei Krogulee, überall flüchtende Juden. Vor-
mittags rückte zahlreiche Kavallerie mit Infanterie und Artillerie von
Krogulee nach Kopyczynce, und um 6 h nm. wurde bereits der Vormarsch
von Kopyczynce nach Czortków gemeldet. Die 1. KD. wurde auf die Höhen
westlich Czortków zurückgenommen. Nur das Baon. III/95 wurde noch
in Czortków belassen.
Für die Wahl der Verteidigungsstellungen in diesem ganzen Räume
waren die Geländeverhältnisse von großem Einflüsse. Weder die tief einge-
schnittenen Flußläufe noch die felsigen und steilen Talränder sind für die
Verteidigung günstig. Diese kann am besten auf den breiten und flachen
Oberteilen des Hochlandes geführt werden, doch gewähren selbst die Kamm-
linien dort nur wenig Überblick.
Der Feind überschritt noch abends die Serethniederung bei Skorodyncze,
schob sich durch die Wälder nahe an die 1. KD. heran, worauf diese nach
Buczacz zurückging.
Die Ereignisse und Kämpfe im südlichen Teil Ostgaliziens und in der Bukowina.
67
Die 5. HKD. mit vier Baonen. und einer Bt. stand in Dobropöle und
sollte gegebenenfalls nach Burkanów zurückgehen. Das JgBaon. 32 war in
Trembowla geblieben. Der Feinti, ca. eine Infanteriedivision, erreichte die
Linie Chorostkow—Hleszczawa—Sorocko. In den Abendstunden rückten
feindliche Kräfte bereits nahe an Trembowla heran. Die 5. HKD. ging
abends nach Burkanów, das JgBaon. 32 wurde noch in Trembowla belassen.
Im Abschnitte der 8. KD. war die Infanterie bei Tarnopol, die Kavallerie
bei Czystylów in Stellung. Die Kavallerie hatte Weisung, wenn gezwungen,
an die Strypa bei Plotycza—Kupczynce zurückzugehen und sich dort zähe
zu behaupten. Die Infanterie von Tarnopol sollte im Falle des Rückmarsches
allmählich mit der 11. ID., die sich auf Pomorzany zurückzuziehen hatte,
vereinigt werden.
Bei Tarnopol kam es am 22. nm. noch zu einem Kampfe, der Feind
wurde abgewiesen. Die Kavallerie ritt von Czystylów nach Poczapince zur
Nächtigung zurück. Die 11. ID. stand noch bei Zborów ohne Berührung mit
dem Feind. Ihr späterer Rückzug ist bereits geschildert worden.
Gefecht bei Buczacz.
23. Aug. Der Feind hatte am 22. das Baon. III/95 aus Czortków
geworfen und die Stadt und Umgebung mit starken Kräften besetzt.
Die i. KD. erhielt den Befehl, sich bei Buczacz „für höhere operative
Zwecke" bis zum äußersten zu halten. Sie nahm nun am 23. auf den Höhen
östlich der Teichlinie Stellung. Das Baon. III/95, welches schwer gelitten
hatte, sammelte sich in Buczacz, es war vorläufig nicht verwendbar. Ca. 180
gesammelte Landsturmmänner, Mannschaften vom Train und auch einige
hundert Mann der 5. HKD., die mit maroden Pferden über Buczacz zurück-
gingen, wurden zur Verteidigung herangezogen.
Bis mittags zeigte sich feindliche Kavallerie zuerst gegenüber dem Süd-
flügel, dann auch an der Chaussee. Unsere reitenden Batterien eröffneten das
Feuer, bald aber brachte auch der Feind Artillerie in das Gefecht, und es
gelang ihm, sowohl in Handpferdegruppen als auch in Artilleriebespannungen
Unordnung zu bringen und unsere offen aufgefahrenen Batterien zu be-
schädigen.
Zwischen 2 und 3 h nm. war der Südflügel umfaßt und zum Zurück-
gehen genötigt. Es wurde nun beabsichtigt, durch Einschwenken des noch
wenig behelligten Nordflügels den Feind zu werfen. Dieser Gegenangriff
sollte durch die noch verfügbaren Reserven (Hus. 12 und Teile Hus. 14)
ausgeführt werden.
Während der Durchführung erfolgte überraschend eine Attacke der
Russen in 2000 bis 3000 Schritt breiter Lavaform auf die nördlichen Batterien,
die durch den Rückzug der südlichen Gruppe isoliert waren.
Hus. 12, welche zur Attacke hätten vorgehen sollen, waren irrtümlich
nach Medwedowce statt nach Pyszkowce gelangt und konnten die Teichlinie
nicht mehr passieren, da die Brücke durch zurückfahrende Protzen und
68
Die erste
Fuhrwerke verstopft war. 1% Esk. Hu s 14, die den Angriff allein aus-
führten, warfen den Feind, und dieser flutete in südöstlicher Richtung zurück.
Hus. 12 und Artillerie hatten sich durch Feuer beteiligt.
Nunmehr eröffnete russische Artillerie östlich Pyszkowce ein wirksames
Feuer, gleichzeitig rückte sehr starke Kavallerie heran, weshalb um 6 h abends
der Rückzug nach Monasterzyska angetreten wurde. Die südliche Kampf-
gruppe, die inzwischen Befehl erhalten hatte, in ihre Stellung zurückzu-
kehren, hatte dies nicht vermocht, doch leistete sie an der Strypa Wider-
stand, so daß der Feind den Fluß an diesem Abend nicht mehr überschreiten
konnte. Der Feind war eine Schützenbrigade und ca. vier bis sechs Kavallerie-
regimenter mit Artillerie stark, also jedenfalls weit überlegen. Die eigenen
Verluste, besonders an Offizieren, waren sehr groß, am stärksten bei der
reitenden Artillerie und bei Hus. 14.
Im Abschnitte der 5. HKD. begann der Angriff auf Trembowla am
23. zeitlich früh, durch Artillerie unterstützt. Es entstanden zahlreiche Brände
in der Stadt. Feindliche Infanterie und Kavallerie umging durch die Waldun-
gen bei Mikulince die Stellungen unserer Jäger, die dadurch zum Rück-
züge genötigt wurden. Nachmittags wurde die Vorrückung feindlicher Kolon-
nen über Hleszczawa und Loszniów, um 10 h abends das Eintreffen starker
Kräfte in Nastasów wahrgenommen. Bei der 5. HKD. wurde angenommen,
daß das ganze r. VIII. Korps am 23. Aug. bereits westlich Trembowla stand.
Es hätte 'dies eine größere Beachtung verdient. (Zum AOK. war nur die
Meldung gelangt: mindestens eine Division westlich Trembowla.)
Die 8. KD. und die bei ihr befindlichen Teile der 11. ID. hatten auch
am 23. Angriffen standzuhalten und kämpften in der Linie Iwaczów Dl.—-
Tarnopol—Berezowica Wk.
Mittags waren feindliche Infanteriekolonnen im Vormarsche gegen
Berezowica Wk. und Myszkowice. Als diese Kräfte nachmittags ihre Vor-
rückung fortsetzten, war die 8. KD. zum Rückzüge genötigt, sie ging nach
Taurów, drei Baone. nach Plotycza, zwei Baone. rückten zur 11. ID., die auf
die Höhen westlich Zborów zurückgegangen war, ein. Am selben Tage
kämpften 43. LID. und 35. LstBrig. bei Czernowitz.
Skizze 5 Gefecht bei Czernowitz.
Die 35. LstBrig. hatte schon am 21. eine Verteidigungsaufstellung bei
Mahala und Rarancze bezogen, rechter Flügel am Pruth.
Das IR. 41 war am 21. mit Bahn nach Studianka und von dort nach
Suczka neben die 35. LstBrig. gelangt.
Das Gros der 43. LID. marschierte am 22. Aug. von Zaleszczyki in den
Raum Czernawka—Waslouc—Jurkoutz. LIR. 36 gelangte von Skala am 22.
bis Zaleszczyki.
Bis 6 h nm. wußte man, daß der Feind in drei Kolonnen auf Bojan,
Rarancze und Toporoutz anrückte.
Die Ereignisse und Kämpfe im südlichen Teil Ostgaliziens und in der Bukowina.
69
Man erwartete, daß er an die Stellung der 35. LstBrig. und des IR. 41
gelangen würde. Dann sollte er durch einen Gegenangriff am nördlichen
Flügel gefaßt werden. Hiezu wurde die 59. IBrig. (sechs Baone. und zwei
Btn.) nördlich Toporoutz angriffsbereit gestellt. Zwei Baone. blieben am
Südende Czernawka, wohin am 23. auch das LIR. 36 gelangen sollte.
Am 23. Aug. begann der Kampf bereits um 5 h früh. Bis gegen 10 h vm.
war wenigstens eine feindliche Brigade mit ca. sechs Baonen. zum Angriffe
gegen die 35. LstBrig. zwischen Pruth und Rarancze angesetzt. Der Feind
umging den Südflügel, weshalb mittags der Befehl zum Gegenangriffe ge-
geben werden mußte. Die 59. IBrig. begann die Vorrückung, die Front-
gruppe sollte sich baldigst anschließen. Der Feind scheint das gefahr-
drohende Vorgehen der 59. Brig, sehr rasch bemerkt zu haben, denn un-
mittelbar darauf ging er schon zurück. Noch um 2 h nm. waren feind-
liche Truppenmassen im Räume Slobodzia—Rarancze—Bojan gemeldet.
Um 2h 45 nm. war schon die Höhe östlich Rarancze von unseren Truppen
genommen. Die Verfolgung wurde bis an die Linie Rakitna—Bojan ein-
geleitet. Der Feind war ca. ein bis einundeinhalb Divisionen stark, es wurden
einige hundert Gefangene eingebracht. Die eigenen Verluste waren nur bei
der 35. LstBrig. erheblich.
Die an der Grenze gestandenen Gendarmerieposten hatten an der Auf-
klärung ausgezeichnet mitgewirkt, unsere Führung hatte daher hier größere
Sicherheit als anderswo. Immerhin ist die konsequente Durchführung des
gefaßten Planes höchst bemerkenswert. Interessant ist aber auch der feind-
liche Rückzug nach dem Grundsatze „sauve qui peut". Es war dies bei
uns gänzlich unbekannt, hat sich aber in Fällen, wo sich die Gefahr nicht
auf andere Truppen überträgt, jedenfalls gut bewährt.
Leider hat das Ansetzen der 43. LID. Richtung Czernowitz wesentliche
Nachteile gebracht. Der Vormarsch des Feindes nördlich des Dnjestr war
für unsere Operationen ganz unvergleichlich empfindlicher als eine eventuelle
Besitznahme von Czernowitz durch den Feind. Unsere Kavalleriedivisionen
benötigten dringend eine Unterstützung, so mußte nun von Halicz aus die
38. HID., anstatt sich an die 3. Armee anzuschließen, an den Koropiecbach
geschoben werden.
Die 43. LID. erhielt am 24. den Befehl, über Zaleszczyki auf Buczacz
vorzustoßen. Als sie am 26. Zaleszczyki erreichte, waren unsere Truppen
vom Koropiecbach schon zurückgegangen, und ein Vorstoß über den Dnjestr
kam nicht mehr in Frage. Die 43. LID. wurde daher nach Halicz heran-
gezogen, konnte aber nicht mehr rechtzeitig in ein richtiges Verhältnis zur
Hauptkraft der 2. Armee gebracht werden.
*
24. Aug. Der Feind folgte der 1. KD. zunächst bis Jezierzany. Ca. 2 h
nm. traf das Gros der 38. HID. (sechs Baone. und vier Btn.) über Tousto-
baby in Monasterzyska ein, ein Baon. und drei Btn. sollten noch folgen.
Um diese Zeit kamen auch schon feindliche Kräfte heran. Der Feind begnügte
sich aber vorläufig mit einem Herantasten an die Stellungen unserer Truppen
7 o
Die erste
und ließ auch Artillerie in Tätigkeit treten. Ein Angriff fand an diesem
Tage nicht statt. Die i. KD. wurde in den Stellungen von der Infanterie
abgelöst und ging abends nach Toustobaby zur Nächtigung zurück.
Die 5. HKD. erhielt nachts zum 24. in Burkanow den Befehl, im
Fall eines übermächtigen feindlichen Angriffes auf Podhajce zurückzugehen.
Eine Kolonne der 38. HID. (75. BrigKdo. mit drei Baonen. und zwei Btn.)
sollte von Halicz am 24. nm. nach Podhajce gelangen.
Noch am 24. um 8 h vm. stand die 5. HKD. auf den Höhen beiderseits
Mogila Trig. 382 östlich Burkanow. Gegen ihre Stellung rückte in den Vor-
mittagsstunden kein Feind heran. Hingegen marschierten starke feindliche
Kräfte über Tarnopol, Nastasów und Zazdrosce Richtung West. Auch im
Orte Buczacz hatte sich der Feind schon im Laufe der Nacht festgesetzt. Die
5. HKD. konnte daher unmöglich in ihrer isolierten Stellung bleiben, sie
ging vormittags nach Podhajce zurück.
Bald darauf waren feindliche Vortruppen in den von den Honved-
husaren geräumten Stellungen, abends war der ganze Raum beiderseits
Burkanow vom Feinde besetzt, alle Orte an der Strypa in Brand und zahl-
reiche Flüchtlinge im Abzüge über Podhajce. Auch wurde der Vormarsch
von drei Kavallerieregimentern von Siemikowce (10 km nördlich Burkanow)
gegen Podhajce gemeldet, ebenso die Anwesenheit aufklärender Kavallerie
bei Gnilowody (10 km südöstlich Podhajce). Die Teten der feindlichen
Haupttruppen waren bis auf die Höhen zwischen Burkanow und Trembowla
—Budzanów gelangt. Kosakenpatrouillen waren noch im Laufe des Nach-
mittags sogar bis Zawalow (an der Straße Halicz—Podhajce) an die Trains
der 38. HID. herangekommen. Die 5. HKD. nächtigte in Podhajce und blieb
an diesem Tage vom Feinde unbehelligt.
Die 8. KD. hielt am 24. die Strypaübergänge bei Plotycza und
Kupczynce und wurde vormittags aus der Richtung Chodaczkow Wk. an-
gegriffen. Der Feind wurde abgewiesen. Trotzdem ging die 8. KD. nach-
mittags Richtung Brzezany zurück. Durch Befehl des AOK. (Op.-Nr. 1077
vom 23. Aug.) hätte sie in den Verband der 3. Armee überstellt werden
sollen, doch war die Verbindung mit ihr verlorengegangen. Die Kavallerie
ging in einem Zuge bis Brzezany zurück, die bei ihr befindlichen drei Baone.
waren nachmittags in Kozowa, nächtigten in Dryszczów, um von dort zur
Ii. ID. einzurücken. Aber schon war der Feind im Vormarsch über Kozowa
gegen Brzezany.
25. Aug. Das 2. AK. war in Stanislau eingetroffen und hatte den
Befehl übernommen. Laut Op.-Nr. 1117 des AOK. sollte es die im Raum
um Stanislau einlangenden Kräfte ehestens vereinigen, mit denselben vorerst
den vom Zbrucz her erfolgenden Vorstoß zurückschlagen. Im Augenblick
stand nur die 40. (Brünner) LstBrig. bei Tlumacz zur Verfügung. Am 26.
sollte die 20. HID. bei Bursztyn, die 12. MBrig. bei Jezupol bereitstehen
und dann konnte eventuell an eine Verstärkung unserer Truppen am Koro-
piecbache gedacht werden. Noch am selben Tag aber waren dort die Kämpfe
zum Nachteil unserer Truppen entschieden.
Die Ereignisse und Kämpfe im südlichen Teil Ostgaliziens und in der Bukowina.
7*
Gefecht bei M on as ter zy ska. Skizze 5
Bis zu den Morgenstunden hatte sich der Feind nahe an den Stellungen
unserer Truppen festgesetzt. Unsere Honveds gingen am 25. Aug. früh zum
Angriff über, warfen den Feind aus dem Ort und von den gegenüberliegenden
Höhen. Die 1. KD., welche nördlich anschließend vorgehen sollte, traf erst
um 10 h vm. bei Huta Nw. ein. Inzwischen war feindliche Infanterie im
Walde südlich dieses Ortes eingedrungen. Gleichzeitig kam auch Meldung,
daß Holhocze vom Feinde besetzt sei und drei bis vier Baone. über Dobro-
wody vorgingen, ein Baon. sich bereits im Rücken der 1. KD. im Walde
befinde.
Mittags kam der Angriff der Honveds östlich des Koropiecbaches ins
Stocken, der feindliche Widerstand in der Front hatte wesentlich zugenommen,
und bald wurde der nördliche Flügel umfaßt. Obwohl dies gemeldet wurde,
erhielt die Division Befehl, unbedingt am Feinde zu bleiben. Die Lage wurde
dadurch rasch katastrophal.
Schon um 6 h nm. war der allgemeine Rückzug unausbleiblich. Ver-
suche, auf den Höhen westlich des Ortes Monasterzyska nochmals Stellung
zu nehmen, führten zur vollkommenen Zertrümmerung des nördlichen
Flügels. Der Weg nach Halicz war verlegt, die Truppen mußten nach
Nizniów zurückgehen.
Die i. KD. ging im Laufe der Nacht über Wyczólki auf die Höhen
nördlich Uscie Zielone und bezog dort gegen 12 h nachts Freilager.
Gefecht bei Podhajce.
Das Detachement der 38. HID. stand vormittags im Orte Podhajce, die
5. KD. auf der Höhe Mohylka Trig. 393 nördlich des Ortes.
Nachdem sich vormittags bei Podhajce kein Feind zeigte, jedoch feind-
liche Abteilungen weiter südlich den Koropiecbach überschritten, auch Ge-
fechtslärm von Süd hörbar war, entschloß man sich, gegen Süd vorzustoßen,
um dem Gros der 38. HID. im Kampfe zu helfen. Demnach sollte die In-
fanterie von Podhajce längs der Straße gegen Süd vorrücken, während die
Kavallerie den Koropiecbach bei Nowosiólka übersetzen und weiter über
Bialokiernica vorgehend, die Infanterie in der östlichen Flanke schützen sollte.
Die Kavallerie hatte schon Bialokiernica erreicht, die Artillerie passierte
soeben den Koropiecbach in Nowosiólka, als der Feind überfallartig aus
nordöstlicher Richtung Artilleriefeuer eröffnete. Die Husaren, die sich in
geschlossener Formation befanden, wurden auseinandergesprengt und mußten
nach Podhajce zurückgehen. Die Artillerie erhielt beim Marsche über die
Brücke mehrere Volltreffer, verlor ein Geschütz und zwei Munitionswagen.
Sie wurde dann später südwestlich Podhajce in Stellung gebracht.
Dieser Überfall war um so bedauerlicher, als sonst die Aufklärungs-
tätigkeit der 5. HKD. besonders gut war. Er zeigt, wie schwer die Auf-
klärung im engeren Bereich ist, wenn beide Teile in Bewegung sind.
72
Die erste Schlacht.
Bis 3 h nm. war die Infanterie bereits über Wysoka Ga. Trig. 406
südöstlich Podhajce in Vorrückung. Die Kavallerie erhielt Befehl, neuer-
dings vorzugehen. Doch war dies nicht mehr ausführbar, weil feindliche Ab-
teilungen schon bei Nowosiólka den Koropiec überschritten hatten. Ein Teil
der Husaren wurde sofort dorthin entsendet, doch kamen sie zu spät, da
der Feind westlich des Koropiecbaches schon gegen Podhajce vorrückte. Da-
durch war die ganze Gruppe im Rücken gefaßt, und nur mit dem Bajonette
konnten sich die tapferen Honveds den Rückzug erkämpfen. Infolge der
feindlichen Umgehung erlitten die Truppen schwere Verluste, und die
Infanterie, die den Rückzug zu spät angetreten hatte, geriet in Unordnung,
die in der einbrechenden Dunkelheit naturgemäß vermehrt wurde. Der Rück-
zug wurde im Laufe der Nacht in der Richtung auf Halicz durchgeführt.
Die i. und 5. KD. waren durch die Ereignisse seit 15. Aug. äußerst er-
schöpft und auf weniger als den halben Stand heruntergekommen. Sie mußten
jetzt in Retablierung zurückgezogen werden. Aber auch die 38. HID. hatte
schwer gelitten.
Die 8. KD. hatte im Laufe der Nacht zum 25. Befehl bekommen,
Brzezany festzuhalten und die südliche Flanke der 3. Armee zu sichern. Die
bei Plotycza abgewiesene feindliche Kavallerie war im Laufe des 24. nm.
über Taurów ausgebogen und abends nach Medowa gelangt. Eine andere
feindliche Kavalleriekolonne mit Infanterie war anscheinend über Sosnów
gegen Kozowa vorgegangen.
Die nach Dryszczów gelangten drei Baone. wurden am 25. früh wieder
herangezogen, und zwar nach Brzezany, während die Kavallerieregimenter
die Höhen bei Potutory besetzten. Vormittags entwickelte sich bei Brzezany
ein Gefecht. Zwischen 3 und 4 h nm. wurde die Infanterie von Brzezany
zurückgedrängt und ging nach Narajów m. zur 11. ID. zurück. Die 8. KD.,
welche selbst nur schwachen Feind gegenüber hatte, nächtigte zum 26. in
Mieczyszczów mit Sicherungsposten an der Zlota Lipa.
Am 26. Aug. war das 8. KDKdo. unterrichtet, daß die 5. HKD. von
Podhajce zurückgegangen war. Von Nord her war Kanonendonner hörbar.
Es kamen auch Meldungen über die Anwesenheit stärkerer feindlicher
Kavalleriekräfte bei Brzezany. So wurde der Marsch auf Podwysokie an-
getreten.
Als die Vorhut Demnia passierte, wurde sie durch feindliche Kavallerie,
die von Brzezany kam, aus nördlicher Richtung angegriffen. Es entwickelte
sich ein Feuergefecht, bei welchem auch noch Teile der Haup'ttruppe und
Artillerie eingesetzt werden mußten. Ca. 100 Mann und 100 Pferde gingen
verloren, aber dem Gros gelang es auszubiegen und den Rückmarsch durch-
zuführen. Abends erreichte die 8. KD. Rohatyn.
Der Vormarsch der russischen 8. Armee
(D., S. 231: L. gr. gu., S. 81 und 158) erfolgte am 22. in die Linie Zbaraz—
Sorocko—Kopyczyncze. Die 12. KD. mit einer Schützenbrigade marschierte
über Tarnopol, die 2. KosD. mit einer Schützenbrigade über Czortków.
Die Ereignisse und Kämpfe im südlichen Teil Ostgaliziens und in der Bukowina. 7 3
Vom XII. Korps war die halbe 12. ID. gegen Czernowitz angesetzt.
Vom XXIV. Korps (aus Kasan) marschierte nur eine Division auf gleicher
Höhe mit den anderen Korps, während die andere Division ca. drei Tag-
märsche infolge spätreren Eisenbahntransportes zurück war. Sie nahm an
den Kämpfen bis zum 30. Aug. nicht teil, bildete aber eine Reserve gegen-
über eventuellen Einwirkungen vom Dnjestr aus. (Linker Flügel der 8. Armee
etwas zurückgehalten.)
Am 23. nahmen die Russen Tarnopol nach Kampf und überschritten
die Linie Mikulince—Trembowla—Czortków. Die 2. KosD. mit 4. SchBrig.
traf östlich Buczacz auf unsere 1. KD. und drängte diese zurück.
Am 24. Aug. kämpfte die 12. KosD. mit 3. SchBrig. ohne Erfolg bei
Plotycza gegen unsere 8. KD., während die 2. KosD. bei Monasterzyska
an die Stellungen unserer 38. HID. heranrückte. Die Armeekolonnen er-
reichten an diesem Tage die Strypa.
Der Vormarsch am 25. führte zu den Kämpfen bei Podhajce und
Monasterzyska, worüber gesagt wird: daß im Abschnitte des XXIV. Korps
bei Monasterzyska ein plötzlicher Angriff des Feindes auf die r. Kavallerie
begann, die durch die Vorhut der r. Infanterie unterstützt wurde. Der
Kampf dauerte bis zum Abend, der Feind zog sich in Unordnung zurück,
vier Kanonen und zahlreiche Munitionswagen wurden genommen; weiters:
daß im Kampfe des VIII. r. Korps bei Podhajce mit dem Bajonette ge-
kämpft wurde, ein Beweis, wie hart sich unsere tapferen Honveds geschlagen
haben.
Auf Grund der Aufklärungsergebnisse unserer Kavalleriedivisionen
ließ sich tagweise der Vormarsch der r. Armeekolonnen ziemlich genau ver-
folgen. Besonders bei der 5. HKD. waren die Aufklärungsresultate außer-
ordentlich günstig, während sie bei der 1. und 8. KD. durch die feindlichen
Kavalleriedivisionen eingeschränkt waren. Selbstverständlich hatte die Stärke
des Feindes nicht so genau übersehen werden können, wie dies jetzt nach-
träglich, auf Grund der russischen Berichte, möglich ist. Immerhin waren
zahlreiche Anhaltspunkte gewonnen worden, die aber leider nicht alle zum
AOK. gelangten.
Unsere zwischen Tarnopol und Dnjestr verwendeten Kräfte waren
selbstverständlich viel zu schwach, um dem in breiter Front vorrückenden
Feind einen nennenswerten Aufenthalt zu bereiten. Jede unserer Kavallerie-
divisionen, zu Fuß formiert, gab die Kampfkraft von höchstens zwei Baonen.
Die Infanterie der 43. LID. war sofort, jene der 11. ID. allmählich von
den Kavalleriedivisionen abgezogen worden. An die Landsturmmannschaften,
in diesem Räume ca. 2000 bis 3000 Mann, war kaum mehr gedacht worden.
So ist also die Kampfkraft unserer Truppen (am 23. und 24.) in einer
fast 60 km breiten Linie (gemessen von Kozlow nach Buczacz) mit neun bis
zehn Baonen. und sechs reitenden Btn. (24 Geschütze) zu veranschlagen,
was natürlich für einen nachhaltigen Widerstand um so weniger ausreichte,
als aus den Friedensgewohnheiten her stets das engste Zusammenhalten der
74
Die erste Schlacht.
Kräfte, auch der zum Feuergefecht abgesessenen Kavallerie, die Regel
war. So konnten die Stellungen unserer Truppen überall leicht umgangen
werden.
Von ausschlaggebender Bedeutung war aber aucH^ daß, gleichfalls aus
der Friedensschulung herrührend, selbst die kleinsten Détachements und
Gruppen, wenn sie auch noch so isoliert waren, bis zur Entscheidung kämpfen
sollten, wie z. B. die i. KD. bei Buczacz, die 38. HID. bei Monasterzyska.
Mit diesen Gefechten war der Detachementkrieg, ausgenommen in einem
Winkel der Bukowina, zu Ende. Fiarte Erfahrungen haben uns gelehrt,
daß man mit schmalen Fronten einem breiteren Feinde gegenüber nicht
standhalten kann, wenn keine Reserven zur Verfügung stehen. Überall hat
der Krieg gezeigt, daß Umfassungen sehr leicht zur Zertrümmerung der
Truppen führen. Deshalb muß man 'auch vermeiden, umfaßt zu werden,
und wenn man umfaßt wird, so bleibt nichts übrig, als zu schauen, daß
man davonkommt.
Versammlung und Kämpfe der 2. Armee.
26. Aug. Die Ereignisse waren von Ost herangebraust, bevor die
2. Armee noch irgendwelche nennenswerte Kräfte auf dem Kriegsschauplatze
versammelt hatte. Die 40. LstBrig. war in den Brückenkopf Nizniów ge-
stellt worden. Das Eintreffen der 20. HID. und der 12. MBrig. verzögerte
sich, am 2 6. abends waren erst einige Baone. zur Stelle. Aber in unaus-
gesetzt sich folgenden Transporten sollte nun auch das VII. Korps (17. und
34. ID.) bei Ghodorow und Stryj eintreffen. Es hing alles davon ab, diese
Kräfte zusammenzubringen und verwendungsbereit zu stellen.
Der von der 3. Armee am 16. Aug. aus der Linie Gologóry—Dunajów
begonnene Angriff war von starken Hoffnungen begleitet. Man erwartete,
daß sich ein Erfolg bei der 3. Armee bis an den Dnjestr geltend machen
und die Vorrückung des Feindes über den Koropiecbach zum Stehen bringen
würde. So konnte man hoffen, daß die 2. Armee Zeit haben würde, ihre
Truppen rechtzeitig zu versammeln. Vorläufig erhielt sie den Auftrag
(Op.-Nr. Ii72; C. IV., S. 532), „mit vereinter Kraft den Vorstoß des
Feindes gegen den Dnjestr abzuweisen". Dementsprechend bestimmte das
2. AK. folgende Bereitstellung: 38. HID. und 40. LstBrig. Nizniów,
12. MBrig. Halicz, 20. HID. Martynów Str., VII. Korps Zurawno—
Zydaczów, 103. (Kolozsvárer) LstBrig. Stanislau. Die 43. LID. sollte über
Horodenka herangezogen werden.
27. Aug. Der Kampf der 3. Armee hatte nicht die erwarteten Fort-
schritte gemacht. Der an den Koropiecbach herangerückte Feind schien nicht
gegen die 2. Armee vorzugehen, sondern eher in nordwestlicher Richtung,
also gegen die Südflanke der 3. Armee. Deshalb gab nun das AOK. bald
nach Mittag den Befehl, daß die 2. Armee alles aufzubieten habe, den
südlich Brzezany stehenden Feind abzuhalten und zurückzuschlagen, vor
allem aber ein Eingreifen gegen die Südflanke der 3. Armee zu verhindern
Versammlung und Kämpfe der 2. Armee.
75
(C. IV., S. 543). Das war nun etwas ganz anderes, und die 2. Armee war
im Augenblicke gar nicht in der Lage, dies durchzuführen. Trotzdem
setzte aber das 2. AK. alles daran, die eintreffenden Kräfte in der Gegend
von Rohatyn zusammenzubringen. 20. HID. und 12. MBrig. sollten sofort
dorthin marschieren, das VII. Korps in der Linie Chodorów—Zurawno
bereitgestellt werden. Die 38. HID. sollte über Maryampol nach Hnilcze
gelangen, 43. LID. nach Halicz. Der Durchführung dieser Verschiebungen
traten jedoch bedeutende Hindernisse entgegen.
28. Aug. Die 3. Armee war an die Gnila Lipa zurückgegangen. Das
3. AK. empfahl der 2. Armee, die Versammlung in Ruhe und Ordnung durch-
zuführen und nur im Fall eines heftigen feindlichen Angriffes einzugreifen,
doch hielt die 3. Armee einen solchen vorläufig nicht für wahrscheinlich.
Diese letztere Mitteilung klang beruhigend.
Die angeordnete Konzentrierung der 2. Armee bei Rohatyn—Halicz
war in Durchführung. Vom VII. Korps konnten bis mittags zehn Baone.
und sechs Btn. nördlich Rohatyn eintreffen. Damit war dann wenigstens
im großen eine Verbindung mit der 3. Armee, bzw. deren 105. LstBrig.
hergestellt.
20. HID. und 12. MBrig. hatten am 27. nicht mehr abmarschieren
können, weil die Truppen erst abends an den Dnjestr gelangt waren. Zwei
Baone. fehlten noch. Die 20. HID. erreichte am 28. mittags Rohatyn, die
12. MBrig. gleichzeitig Puków.
Ungünstiger stand es mit der 38. HID. Diese hatte nach einem sehr
unangenehmen Nachtmarsche die Brücke bei Maryampol am 28. früh er-
reicht.
Bei der 43. LID. begann der Abtransport aus der Gegend von Horo-
denka erst am 28. früh. Bis zum 29. früh konnte bei Halicz auf sechs
Baone. und zwei Btn. gerechnet werden.
So war zu diesem Zeitpunkte noch Hoffnung vorhanden, daß die be-
absichtigte Konzentrierung rechtzeitig durchgeführt werden könne.
Die Aufklärung hatte nahezu aufgehört. Man wußte nicht, ob der
Feind über die Linie Nizniów—Brzezany vorgerückt war oder was er sonst
unternommen hatte. Die wenigen Meldungen, die eintrafen, kamen von der
8. KD. und waren negativ. Der Raum bei Stratyn bis zur Zlota Lipa war
anscheinend vom Feinde frei. Eine Klärung trat erst ein, als gegen 4 h nm.
vom Festungskommando Halicz gemeldet wurde, daß starker Feind von
Delejów gegen die Ostfront Halicz und Zagórze Konkolnickie am Brücken-
kopf vorüber gegen Nordwest vorrücke. Daraufhin erhielt die bei Maryam-
pol rastende 38. HID. den Befehl, sofort gegen Nord vorzustoßen.
Die Division bestand damals nur aus zehn schwachen Baonen. und sechs
Btn. (die am 25. von Podhajce nach Halicz zurückgenommenen Teile
hatten noch nicht angeschlossen). Außerdem waren die Truppen derart
ermüdet, daß von einem sofortigen Aufbruche nicht die Rede sein konnte.
Bevor der Befehl durchgeführt werden konnte, hatte sich aber die Lage
neuerdings geändert.
Die erste Schlacht.
Bis abends war das AK. wie folgt orientiert: Die 12. MBrig. hatte im
Vormarsch leichtes Geplänkel gehabt. An der Ost- und Nordfront des
Brückenkopfes Halicz anscheinend nur schwacher Feind. Bei Nizniów seit
ih nm. heftiges Artilleriefeuer, das sich in den Abendstunden steigerte.
Gleichzeitig feindliche Infanterieansammlungen, die einen Angriff bevor-
stehend erscheinen ließen. Weiter östlich waren mehrfach kleine feindliche
Versuche, den Dnjestr zu überschreiten, gemeldet. Von Zaleszczyki kamen
Nachrichten über Märsche nachfolgender feindlicher Truppen, speziell
Kavallerie und großer Trainkolonnen (Teile des r. XXIV. Korps), zumeist
Richtung West, einige angeblich auch gegen Zaleszczyki.
Abends war endlich die Fliegerabteilung aktionsfähig und meldete den
Vormarsch zweier feindlicher Divisionskolonnen, eine von Podhajce Rich-
tung Podszuimlance, die andere Brzezany—Podwysokie. Überdies war auch
die 8. KD. nm. bei Sarnki Grn. auf Feind gestoßen.
Es war nun plötzlich klar geworden, daß der Feind mit starken Kräften
die Linie Halicz—Podwysokie erreicht, vielleicht auch schon überschritten
habe. 38. HID. und 43. LID. waren somit von der Versammlung bei
Rohatyn abgeschnitten. Es mußte nun ein neuer Entschluß gefaßt werden:
VII. Korps mit 20. HID. und 12. MBrig. gruppiert sich zur Verteidi-
gung zwischen Rohatyn—Nastaszczyn mit Reserven am Südflügel, wohin
auch die 8. KD. zurückgeht. 38. HID. und 43. LID. werden bei Halicz
angriffsbereit gestellt. Der Angriff dieser Gruppe beginnt aber erst dann,
wenn der Feind hinreichend gegen die Gnila-Lipa-Front engagiert ist.
Aus dieser Disposition entwickelten sich im Laufe des 29. Aug. heftige
Kämpfe, getrennt bei Rohatyn und Halicz.
Die Kämpfe bei Rohatyn.
Die Versammlung des VII. Korps hätte, wie erinnerlich, ursprünglich
im Räume Chodorów—¿ydaczów stattfinden sollen. Für den 27. war jedoch
ein abändernder Befehl gekommen, das VII. Korps sollte am Dnjestr bereit-
gestellt werden, was einige Verschiebungen bei den schon auswaggonierten
Truppen zur Folge hatte. Im Laufe des 27. nm. wurde der Plan abermals
geändert, die Versammlung sollte nun in der Linie Chodorów—2urawno
(statt 2ydaczow—2urawno) stattfinden. Abends waren 14 Baone. und
8 Btn. teilweise in Chodorów, Zurawno und Zydaczow eingetroffen, doch
waren die Verbände durch die mehrfachen Abänderungen einigermaßen
durcheinander gekommen.
Am 28. sollten alle verfügbaren Teile des VII. Korps in die Gegend
von Czercze gelangen, um von dort aus möglichst bald der 3. Armee helfen
zu können. Bis 28. mittags waren bei Czercze schon neun Baone. und
acht Btn. (unter 34. IDKdo.) versammelt, weiters drei Baone. bei Knihynicze.
Nördlich bei Ruda war die 105. LstBrig. (der 3. Armee), südlich bei Rohatyn
die 20. HID. und 12. MBrig. Die 8. KD. wurde in der Gegend bei Koniuszki
vermutet.
Versammlung und Kämpfe der 2. Armee.
77
Die ofganisationsgemäßen Verbindungsmittel fehlten noch, und so war
das KK. ohne geregelte Verbindung mit dem 2. AK. und den Truppen.
Im Laufe des Nachmittags war aber vom Festungskommando Halicz be-
kanntgegeben worden, daß der Feind am Brückenkopfe vorüber in nord-
westlicher Richtung vorrücke. Auch das Zusammentreffen der 8. KD. mit
dem Feinde bei Sarnki Grn. war bekannt geworden.
Das VII. KK. hatte mittlerweile Befehl erhalten, sich gegenüber der
3. Armee als „Flankenstaffel" anzusehen. Unter dem Eindrucke der von
Südost anrückenden feindlichen Kräfte gab nun das KK. für den 29. fol-
genden Befehl:
20. HID. sollte auf den Höhen westlich Rohatyn mit zurückgebogenem
rechten Flügel Aufstellung nehmen und die 12. MBrig. in Reserve stellen.
Nördlich sollten nur drei Baone. und zwei Btn. bei Czercze bleiben,
das Gros des VII. Korps in einer Stellung vorwärts Knihynicze zusammen-
gezogen werden, die Verbände ordnen und das Eintreffen der noch fehlen-
den Transporte abwarten. Und zwar sollte die 34. ID. zwischen Mogilka
Trig. 354 und Jawcze, die 17. ID. rechts rückwärts bei Oskrzesincze Stellung
nehmen.
Nach Ausgabe dieses Befehles kam in der Nacht die schon erwähnte
Disposition des 2. AK., wonach VII. Korps mit 20. HID. und 12. MBrig.
eine Verteidigungsaufstellung an der Gnila Lipa beziehen sollte, um dort den
anrückenden Feind aufzuhalten, während 38. HID. und 43. LID. bei Halicz
bereit sein sollten, dem Feind in die Flanke zu stoßen. Das KK. hatte die
Versammlung des VII. Korps etwas weiter rückwärts angeordnet, um die
Truppen endlich zusammenzubringen. Für eine rasche Befehlsänderung wäh-
rend der Nacht standen die Verbindungsmittel nicht zur Verfügung, dem
Sinne des AK.-Befehles war ohnehin entsprochen, und so ließ es das KK. bei
dem bereits ergangenen Befehle bewenden. Nur die 17. ID. erhielt Befehl,
zeitlich früh auf der Höhe Malowice, näher an der 34. ID., Aufstellung zu
nehmen.
29. August. Bis mittags war folgende Situation erreicht: Auf den
Höhen östlich Czercze standen drei Baone. und zwei Btn. der 34. ID.,
anschließend die 20. HID., auf den Höhen westlich Rohatyn und westlich
Wierzbolowce mit zurückgebogenem rechten Flügel, die 12. MBrig. hinter
Mitte und rechtem Flügel. Das Gros der 34. ID. stand im Abschnitte Mo-
gilka—Jawcze, mit zehn Baonen. und vier Btn., die 17. ID. mit sieben
Baonen. und vier Btn. bei Malowice, zwei Baone. und eine Bt. der 17. ID.
waren bei Czerniów zur Sicherung der südlichen Flanke detachiert. Sechs
Baone. und fünf Btn. waren noch nicht zur Stelle. Die 8. KD. wurde vor-
mittags bei Jawcze vermutet.
Der Feind hatte schon zwischen 6 und 7 h früh die Gnila Lipa bei
Bursztyn—Luczynce und Putiatynce erreicht. (Im Räume Podwysokie—
Ruda schienen nur schwache feindliche Kräfte zu sein. Hingegen wurden
starke feindliche Kräfte, wahrscheinlich ein Korps, im Räume Sarnki Grn.—
Skomorochy und südlich davon vermutet. Laut Fliegermeldungen sollten
78
Die erste Schlacht.
mehrere feindliche Kolonnen um 9 h 30 vm. aus der Linie Podwysokie—
Podszumlance Richtung West im Vormarsche sein, Direktion der nördlichsten
Kolonne Rohatyn, der südlichsten Bursztyn. Demgegenüber schien die Auf-
stellung unserer Truppen durchaus entsprechend.
Da kam plötzlich vom 3. AK. der Ruf nach Unterstützung. Sowohl von
dort als auch von der 8. KD. trafen Mitteilungen ein, daß starke feindliche
Kräfte aus dem Räume Brzezany—Stratyn sich gegen den südlichen Flügel
des XII. Korps gewendet hätten. Dringend befahl nun das AOK. der
2. Armee, alle verfügbaren Teile dorthin zur Unterstützung zu senden. Dem-
entsprechend erhielt das VII. Korps den Befehl, sofort alle verfügbaren
Teile der 20. HID. und 34. ID. bei Czercze—Potok gegen Nord bereit-
zustellen. Bei Rohatyn und südlich sollten nur die unbedingt nötigen Kräfte
belassen werden. Das VII. KK. ließ nun die 34. ID. sofort wieder nach
Czercze zurückmarschieren, die 20. HID. erhielt Befehl, möglichst viele
Kräfte am nördlichen Flügel nahe bei Czercze bereitzustellen. Die 17. ID.
sollte die Stellung der 34. ID. bei Mogilka—Jawcze übernehmen. Gleich-
zeitig war vom 2. AK. an die Gruppe Halicz der Befehl ergangen, unbeküm-
mert um die erst später eintreffenden Teile der 43. LID. den Angriff Richtung
Nord sofort zu beginnen.
Auf den Höhen Peczona Ga. Trig. 331 und westlich Rohatyn entwickelte
sich nachmittags ein lebhaftes Gefecht. Feindliche Artillerie schoß aus der
Gegend östlich und nordöstlich Rohatyn. Bald nach 6 h nm. erreichten die
Truppen der 34. ID., die von Mogilka kamen, die Höhen östlich Czercze.
Um 7 h abends wurde das Zurückgehen längerer Trainkolonnen von
Rohatyn gegen Knihynicze im Trab und in großer Hast und Unruhe bemerk-
bar. Artilleriefeuer aus südlicher Richtung gegen Rohatyn wurde wahrge-
nommen, doch glaubte man zunächst, auf das Eingreifen der 38. HID.
schließen zu können.
Um 7 h abends war das VII. KK. in Czercze und vernahm Gewehrfeuer
in der Nähe. Ebenso war sehr lebhafter Gefechtslärm aus der Gegend von
Rohatyn zu hören, oftmaliges „Hurrah", das aber nur von den Russen her-
rühren konnte. Auf einmal hatte es den Anschein, daß der Feind in die Stel-
lungen der 20. HID. eingedrungen war. Die 34. ID. wurde daher angewiesen,
in der Gegend bei Czercze einen Haken zu bilden. Alle anderen Teile sollten
die innehabenden Stellungen halten.
In den Abendstunden kamen noch mehrere dringende Befehle des AK.,
von denen der letzte und wichtigste den schleunigsten Einsatz der 34. ID.
gegen Ruda forderte, wo eine feindliche Brigade gemeldet war. 17. ID.,
20. HID. und 12. MBrig. sollten aus dem Räume bei Rohatyn, 38. HID. und
43. LID. von Halicz aus angreifen und alle gemeinsam den Feind zurück-
werfen.
Dementsprechend hatte nun die 34. ID. am 30. früh auf den Höhen
westlich der Gnila Lipa gegen Nord vorzustoßen. Nachdem aber gleichzeitig
die Höhe Peczona Ga. Trig. 331 gehalten und ein Haken gegen Rohatyn
gebildet werden mußte, blieb für den Vorstoß nicht viel mehr als eine Bri-
Versammlung und Kämpfe der 2. Armee.
79
gade übrig. Es war ferner beabsichtigt, 17. ID. und 20. HID. am 30. gemein-
sam zum Gegenangriffe Richtung Rohatyn anzusetzen. Erst viel später wurde
festgestellt, daß sich die Ereignisse am 29. wesentlich ungünstiger entwickelt
hatten, als angenommen worden war.
Während die 20. HID. am 28. nm. befehlsgemäß ihre Reserven auf dem
nördlichen Flügel zusammenzog, war sie am südlichen Flügel überraschend
angegriffen, umfaßt und trotz harter Gegenwehr nahezu zersprengt worden.
In der Nacht waren die Truppen noch weiter auseinandergekommen, so daß
am Morgen des 29. weder von ihr noch von der 12. MBrig. Kräfte vorhanden
waren. Aber auch die 17. ID. war, während sie nachmittags die Stellung bei
Mogilka—Jawcze bezog, am südlichen Flügel umfassend angegriffen worden.
Einem von zwei Baonen. sofort angesetzten Gegenangriffe gelang es, den
Feind 2 km weit zurückzuwerfen. Nachdem sich aber die Umfassung von
Süd her immer mehr geltend machte, wurden die zum Gegenangriffe vor-
gegangenen Truppen abends wieder nach Jawcze zurückgenommen. Die
8. KD. war nach Podmichalowce zurückgegangen.
30. August. Vom VII. Korps waren noch immer nicht alle Truppen
eingetroffen. Es fehlten noch drei Baone., sieben MGA., die schwere Haubitz-
division, die technischen Truppen, Munitionskolonnen und Anstalten. Von
der 20. HID. wurden zwei Baone. in Knihynicze, ein Regiment bei Psary
gesammelt, die anderen Teile, ebenso auch die 12. MBrig., waren viel weiter
zurückgegangen. Der Feind stand auf den Höhen knapp westlich der Gnila
Lipa und hatte seine weiter vorn befindlichen Abteilungen dorthin zurück-
gezogen.
Von der 3. Armee kamen unausgesetzt Rufe um Unterstützung. Das
2. AK. gab diese an das VII. Korps weiter, mit dem Bemerken, daß zunächst
der gegenüber befindliche Feind zurückgeworfen werden müsse. Das VII. KK.
hätte gerne alle Teile der 34. ID. über Ruda folgen lassen, nach Sammlung
auch die 20. HID., und für den Angriff Richtung Rohatyn lediglich 17. ID.
und 8. KD. bestimmen wollen, aber die Ereignisse ließen es nicht zu.
Zwischen 9 und 10 h vm. ging die 17. ID. beiderseits der Straße nach
Rohatyn zum Angriffe vor. Heftiges feindliches Artilleriefeuer wirkte kon-
zentrisch von der Trig. Höhe 311 bei Potok und aus der Gegend von Babu-
chów. Die Infanterie ging glatt vorwärts, die im offenen Gelände nach-
gezogenen Batterien wurden der Reihe nach vom Feinde zugedeckt. Dem
nördlichen Angriffsflügel gelang es, feindliche Stellungen zu nehmen und
Gefangene zu machen, doch konnte die Trig. Höhe 311 nicht genommen
werden. Die an und südlich der Chaussee vorgehenden Kräfte erreichten
mittags eine Linie beiläufig von Kote 321 gegen Süd. Die 8. KD. hatte ver-
sucht, von Podmichalowce gegen Koniuszki vorzugehen, war aber in An-
betracht der feindlichen Artillerie nicht über den halben Weg hinausgekom-
men. Südlich von ihr hatte ein Detachement der 17. ID. (zwei Baone., eine
Bt.) die Höhe Trig. 329 in Besitz genommen.
Sowohl die auf Peczona Ga. Trig. 331, als auch die bei Czercze ge-
standenen Teile der 34. ID. waren nachts etwas zurückgegangen. Vormittags
8o
Die erste Schlacht.
griffen sie gemeinsam an, nahmen den Ort Czercze und 'die Höhe Trig. 331
wieder in Besitz.
Nachmittags war die Mehrzahl der Truppen der 20. HID. bei Psary
gesammelt. Um sie der 34. ID. gegen Ruda folgen zu lassen, war es zu spät.
Hingegen sollten sie dem Angriff auf Rohatyn einen frischen Impuls geben,
und so wurde die 20. HID. nördlich der Straße zum Angriff angesetzt. Bevor
sie aber noch die Gefechtslinie der 17. ID. erreicht hatte, war der südliche
Flügel letzterer bereits im Rückzug. Aus der Linie Nastaszczyn—Babuchów
hatte sich nachmittags ein starker Angriff entwickelt, die 8. KD. war auf
Malowice zurückgegangen, das südliche Detachement der 17. ID. blieb gänz-
lich isoliert und wurde abgedrängt. Die 17. ID. wurde am südlichen Flügel
sehr rasch umfaßt, und bevor man sich dessen versah, erreichte der Feind
bereits Jawcze. Vier Baone. der 12. MBrig., die bis dahin bei Knihynicze
gesammelt waren, konnten das Gefecht am Südflügel nicht mehr herstellen,
ebensowenig auch die 20. HID. am Nordflügel, weil auch die 34. ID. bereits
von Ruda auf Podkamien zurückging.
Die Angriffsgruppe der 34. ID. hatte bei Ruda die feindlichen Stellungen
erstürmt, doch war sie schließlich von dem weit überlegenen Feinde geworfen
worden.
Inzwischen war das 2. AK. orientiert, daß das XII. Korps durchbrochen
worden war. Auch die 105. LstBrig., die bei Firlejów tapfer ausgeharrt hatte,
ging schon zurück. Das VII. Korps erhielt Befehl, sich möglichst nahe an
Rohatyn zu behaupten und nur äußersten Falles an die Teichlinie Psary—
Zurow zurückzugehen. Letzteres war bereits in Durchführung.
Die Verluste waren groß. Vollständig versagt hatten alle Versuche, eine
Verbindung mit der Angriffsgruppe Halicz herzustellen. Von dieser war
beim Korps überhaupt nichts bekannt geworden.
Am 31. Aug. fanden beim VII. Korps keine Kämpfe statt. Die Höhe
Mogilka wurde bis mittags durch ein Baon. der 17. ID. gehalten.
Der Feind hatte seine Truppen wieder an die Gnila Lipa zurückgezogen.
Nördlich rückten starke feindliche Kolonnen von Przemyslany gegen Swirz
und von Janczyn gegen Tuczna. Ein russisches Infanterieregiment mit zwei
Eskadronen hatte angeblich Strzeliska Nowe erreicht. Eine starke, ca. 20 km
lange feindliche Kolonne war zwischen 9 und 101h vm. von Buczacz über
Monasterzyska im Marsche (vermutlich Teile des XXIV. Korp§).
Befehlsgemäß wurde der Rückzug hinter die Chodorówer Teichlinie
durchgeführt. Bis 2 h nm. wurde in der Linie westlich Fraga—Doliniany—
Wolczatycze gerastet. Die Abendsituation war: 34. ID. Holdowicze—Horo-
dyszcze, 17. ID. Chodorów—Bukowina, ein Detachement bei 2urawno,
20. HID. und 8. KD. nächtigten im Räume bei Ruda (5 km westlich Horo-
dyszcze).
Die Kämpfe bei Halicz.
Auf Grund der Meldungen über den Anmarsch feindlicher Kolonnen
von Brzezany und Monasterzyska war die 38. HID. am 28. nm. von
Maryampol nach Halicz gezogen worden, wo sie spät abends eintraf.
Versammlung und Käm
81
Beim 2. AK. hatte ursprünglich der Plan bestanden, die aus 38. HID.,
43. LID. und 103. LstBrig. bestehende Gruppe Halicz erst dann angreifen
zu lassen, wenn der Feind gegen die Gnila-Lipa-Front genügend angebissen
hatte. Aber am 29. wurde die Lage bereits drängend.
Von der 43. LID. konnten bis 29. früh im Bahntransporte von Horo-
denka fünf bis sechs Baone. und zwei Btn. eingetroffen sein. Die 103. LstBrig.
konnte erst am 29. abends von Stanislau in Halicz eintreffen, hingegen war
ein Honved-Marschregiment in Maryampol verfügbar.
Obwohl also die Versammlung der Gruppe Halicz durchaus noch nicht
beendet war, wurde die Vorrückung Richtung Nord angetreten: Als rechte
Kolonne die 38. HID. nach Sarnki Dl., als linke Kolonne die eingetroffenen
Teile der 43. LID. nach Stasiowa Wola, das Honvéd-MRgt. 9 von Maryam-
pol nach Zagórze Konkolnickie. Zwischen 4 und 5 h nm. überschritten Teile
der 43. LID. die Trig. Höhe 335, die 38. HID. die Niederung südlich Her-
butów. Die Truppen der 43. LID. trafen bei Kurów auf eingegrabenen
Feind, warfen denselben, wurden aber dann aus der Gegend von Zelibory
flankiert und mußten wieder auf Trig. Höhe 335 zurückgehen. Der Angriff
wurde wiederholt, ging auch in den Abendstunden gut vorwärts. Bis abends
war beiläufig die Hälfte der 43. LID. auf dem Kampfplatz eingetroffen.
Die 38. HID. hatte indessen die Stellungen des Feindes bei Herbutów östlich
umfaßt. Der Gesamteindruck am Abend war, daß die Gruppe Halicz ca.
eine feindliche Infanteriedivision gegenüber habe und unser Angriff auf der
ganzen Linie gut fortschreite.
Am 30. Aug. sollte die 43. LID. mit der Direktion auf 2ólczów vor-
rücken. Zwei Baone. der 20. HID., die erst jetzt in Martinów Str. einge-
troffen waren, wurden unterstellt und sollten über Bursztyn die Verbindung
mit der Gruppe Rohatyn herstellen. Die 38. HID. erhielt Direktion Pod-
wysokie, die 103. LstBrig. sollte östlich Herbutów als Gruppenreserve ge-
langen.
Bei der 43. LID. war im Laufe der Nacht einige Unordnung eingetreten,
einzelne Abteilungen waren bis Bolszowce zurückgegangen, andere in den
erreichten Stellungen geblieben. Einzeln kamen die erst eintreffenden Baone.
und Btn. auf das Gefechtsfeld. In den Morgenstunden sollte die Artillerie
zusammengefaßt werden, um den bevorstehenden Angriff kräftig vorzu-
bereiten, doch hinderte dichter Nebel die längste Zeit die Aussicht. Die
beiden Baone. Honvéd waren bis 7 h früh nahe an den Ort Demianów
herangekommen und gingen gegen Bursztyn vor.
Bis 9 h vm. entwickelte sich ein heftiger Artilleriekampf, speziell gegen
den linken Flügel der 43. LID. Bald nach 9 h kam es dort ganz überraschend
zu einem umfassenden feindlichen Angriff, in welchem zwei Baone. des linken
Flügels beinahe gänzlich aufgerieben wurden. Durch einen Gegenangriff
wurden die Russen geworfen, doch dann setzten neue russische Kräfte ein
und nötigten zum Rückzüge. Die 43. LID. verlor über 100 Offiziere und
2800 Mann. Die Überlegenheit der feindlichen Artillerie war bedeutend, der
Gegner drängte nicht nach.
P i t r e i c h • 6
82
Die erste Schlacht.
Bei der 38. HID. hatte der Kampf gleichfalls in den Morgenstunden
begonnen, es war ihr aber nicht gelungen, Raum zu gewinnen. Die Russen
haben den Kampf mit unseren tapferen Honvéds bei Zelibory am 30. Aug.
als besonders schwer bezeichnet (L. gr. gu., S. 181). Mit Rücksicht auf das
Zurückgehen der 43. LID. mußte auch die 38. HID. vormittags zurück-
genommen werden. Im Gürtel von Halicz wurde ein neuer Widerstand ein-
gerichtet, doch folgte der Feind nicht.
Während dieser Zeit war die 103. LstBrig. für sich allein im Vormarsch
über Slobódka Konkolnicka. Sie traf nunmehr isoliert auf den Feind und
wurde mit schweren Verlusten zurückgeschlagen.
Die 43. LID., welche nachmittags bei Krylos ralliiert wurde, hatte am
31. Aug. nach Siwka zu gelangen. Die 38. HID. sollte noch in Halicz blei-
ben und erst am 1. Sept. Richtung 2urawno abmarschieren. Als Besatzung
des Brückenkopfes sollte die 103. LstBrig. in Halicz zurückgelassen werden.
Mit Rücksicht darauf, daß feindliche Kräfte mittlerweile über die
Bukowinagrenze eingerückt waren, zwischen Dnjestr und Pruth vorgingen,
hatte die 1. KD. mit unterstellter 40. LstBrig. eine Sicherung bei Tysmienica
bezogen. Die 35. LstBrig. hatte Befehl, von Czernowitz im Bahntransport
nach Sambor abzugehen. Dies gelang aber nicht mehr, und der Rückzug
wurde mit Fußmarsch Richtung Delatyn angetreten.
Die Kämpfe bei Rohatyn und Halicz auf russischer Seite.
(D., S. 245, und L. gr. gu., S. 178—184.) Schon am 26. Aug. hatte die
8. Armee Befehl erhalten, in den Kampf der 3. Armee unterstützend ein-
zugreifen. Dies war aber nicht geschehen, weil die 8. Armee damals noch
stärkere Kräfte vor ihrer Front glaubte. Jedoch gelangten am 28. die 12. KD.
und das VII. Korps auf die Straße Narajów m.—Janczyn, von wo aus sie
sich in den nächsten Tagen am Angriffe gegen unsere 3. Armee beteiligten.
Der Südflügel des r. VII. Korps stand zwischen Firlejów und Ruda im
Kampfe gegen unsere 105. LstBrig.
Das r. XII. Korps (mit 19. und halber 12. Division) marschierte über
Brzezany—Podwysokie auf Rohatyn, traf am 29. Aug. bei Rohatyn auf
die Stellungen unserer 20. HID. und hatte sich dort zum Angriff entwickelt.
Die 19. ID. war weiter nördlich ausgebogen und am 30. bei Ruda im
Kampfe. Der russische Bericht sagt, daß das XII. Korps (ebenso wie das VII.)
auf sehr ernsten Widerstand traf.
Das r. VIII. Korps (3. SchBrig., 14., 15. ID. und eine Reservedivision)
war über Podhajce—Podszumlance in den Raum Babuchów—Bursztyn diri-
giert. Eine über Babuchów vorgegangene Division gelangte in den Rücken
der 20. HID., andere Teile waren bis Jawcze vorgedrungen.
Das r. XXIV. Korps (2. KosD., 4. SchBrig., 48. und 49. ID.) war auf
der Straße über Monasterzyska anmarschiert. Kavallerie und Schützen waren
gegen Nizniów, ein Teil von dort gegen Halicz vorgegangen. Eine Division
war um zwei bis drei Tage zurück und erreichte Monasterzyska erst am
31. Aug.
Versammlung mid Kämpfe der 2. Armee.
83
Die Russen wurden durch den Vorstoß unserer Gruppe Halicz am 29.
überiascht. Gegenüber Halicz standen damals die 2. KosD., die 3. SchBrig.
und Teile der 48. ID. Der russische Bericht sagt: Die österreichische Gruppe
Halicz erzielte Fortschritte zwischen der Narajówka und der Gnila Lipa, auf
den Höhen von Bolszowce.
Für den 30. Aug. war vom 8. r. AK. befohlen worden: VII. und XII.
Korps haben mit starkem rechten Flügel den Angriff fortzusetzen, das VIII.
Korps hat sich in der Linie Zelibory—Babuchów zu halten. Deshalb gingen
jene Abteilungen des r. VIII. Korps, die am 29. bereits bis Jawcze vorge-
drungen waren, wieder an die Linie Babuchów—Nastaszczyn zurück. Hin-
gegen wurden größere Teile des Korps vormittags gegen unsere Gruppe
Halicz angesetzt und umfaßten den ungeschützten Flügel der 43. LID.
Nach dem Rückzüge der Gruppe Halicz wurde dann das ganze
VIII. Korps nachmittags gegen den Südflügel unseres VII. Korps angesetzt
und dadurch ist dem Feind auch dort die Umfassung der einzelnen isolierten
Gefechtsgruppen unserer 17. ID. leicht gelungen.
Weiter nördlich war das r. XII. Korps durch die Angriffe unserer
Truppen hart getroffen worden, und zwar so sehr, daß die Russen vermein-
ten, es wären dort unser VII., XII. und XIII. Korps im Kampfe gestanden.
Tatsächlich war es lediglich unsere 34. ID., die dem r. XII. Korps schwere
Verluste zugefügt und es zurückgeworfen hatte. Deshalb sollte das XII. Korps
„sich in der Verteidigung organisieren", während nördlich davon das
r. VII. Korps weiter angreifen sollte, und zwar von Ostaiowice Richtung
Strzeliska. Als gegen Abend die Angriffe unserer Truppen nachließen, erhielt
das XII. Korps neuerdings den Befehl zum Angriff und konnte dann die
Höhen an der Gnila Lipa in Besitz nehmen.
Das gegenseitige Kräfteverhältnis am 30. dürfte wie folgt gewesen sein:
Bei der Gruppe Halicz annähernd 1:1. Wenn ein geschlossener Einsatz
unserer Truppen dort möglich gewesen wäre, so wären die Russen zweifellos
geworfen worden. Unsere 34. ID. hat mit 13 Baonen. gegen ca. 24 r. Baone.,
unsere 17. ID. mit 11 Baonen. gegen wenigstens 25 bis 30 r. Baone gekämpft.
Zusammenfassend bemerkt der russische Bericht, daß unsere Truppen
große Verluste erlitten, auf einem Punkte hat man bis zu 5000 Leichen be-
graben (es dürfte dies bei Rohatyn gewesen sein). Auch die russischen Ver-
luste waren namhaft, besonders an Offizieren. Die Russen haben eine Fahne
und 32 Kanonen erbeutet.
Jedenfalls war seitens unserer 2. Armee und unseres VII. Korps das
Äußerste geschehen, um der 3. Armee Hilfe zu bringen. Diese Unterstützung
hätte aber nur dann erfolgen können, wenn unsere 38. und 43. Division nicht
aus dem Rahmen der Hauptoperation herausgekommen wären. Denn nur
diese beiden Divisionen wären der Zeit nach imstande gewesen, rechtzeitig
an die 3. Armee Anschluß zu finden. Für unser VII. Korps war dies voll-
kommen unmöglich. Wie die russischen Mitteilungen beweisen, hat es unseren
tapferen Truppen wohl nicht an heldenmütiger Hingabe gefehlt, aber Un-
6*
84
Die erste Schlacht.
mögliches konnten sie nicht leisten. Die nötige Geschlossenheit im Kampfe
hatte nicht erzielt werden können, und so hatten schließlich, nachdem alle
Gefechtsgruppen einzeln umfaßt worden waren, die Angriffe unserer braven
Truppen zusammenbrechen müssen.
Der Angriff unseres VII. Korps hatte aber dennoch einen großen, in
seiner Bedeutung nicht genug hervorzuhebenden Erfolg. Das r. VII. Korps,
welches den südlichen Flügel unserer 3. Armee durchbrochen hatte, war nicht
dieser gefolgt, sondern auf Strzeliska zur Unterstützung des r. XII. Korps
dirigiert worden. Diesem Umstände war es zuzuschreiben, daß unsere 3. und
2. Armee nicht dauernd voneinander getrennt wurden, was sonst sehr leicht
hätte geschehen können. So sind die schweren Opfer, die hier gebracht wur-
den, für das Ganze doch nicht umsonst gewesen, denn kurze Zeit später
standen unsere 2. und 3. Armee vereint an der Wereszyca.
Die Situation der Russen ist mit 31. Aug. wie folgt angegeben:
VII. Korps: Strzeliska Nowe,
XII. Korps: Ruda—Rohatyn,
VIII. Korps: Babuchów—Ludwikówka—Sarnki Grn.,
3. SchBrig.: Skomorochy,
XXIV. Korps: Dryszczów,
4. SchBrig.: gegenüber Nizniów und Halicz.
Man sieht, daß auch hier, ebenso wie gegenüber unserer 3. Armee, der
Feind im Angriffe nicht weit vorwärts gekommen war.
Rückzug unserer 2. und 3. Armee.
Skizze 2 Die Lage am 31. August.
Das Gros unserer 1. Armee war im Räume zwischen der Weichsel und
der Lubliner Chaussee nicht mehr vorwärts gekommen. Das X. Korps war
durch die 4. Armee weit gegen Ost abgezogen. Diesem Korps war es ge-
lungen, Krasnostaw zu nehmen und die Verbindung zwischen der 4. und
5. r. Armee zu unterbrechen (D., S. 236). Beim Feinde war der Eindruck
hierüber so groß, daß der gänzliche Rückzug der Russen in Erwägung gezogen
wurde (L. gr. gu., S. 184). Aber unser X. Korps stand isoliert, weil der linke
Flügel unserer 4. Armee weit rechts abgekommen war, und so blieb leider
eine gute Chance ungenützt.
Unserer 4. Armee, der einzigen, die in einem annehmbaren Kräfte-
verhältnisse mit dem Feinde kämpfte (mit 190 gegen 220 Baone.), war es
nach Zuweisung des XIV. Korps gelungen, den ihr gegenüber befindlichen
Feind, die 5. r. Armee, von beiden Flügeln aus zu gefährden. Ein großer
Erfolg schien in nächster Zeit möglich.
Höchst mißlich war die Lage unserer 3. und 2. Armee. Es bestand
nicht nur zwischen beiden keine Verbindung, sondern auch die Armeen
selbst waren in sich nicht geschlossen. Von der 2. Armee ging eine Gruppe
nördlich, die andere südlich des Dnjestr nach Mikolajów zurück, von wo aus
Rückzug unserer 2. und 3. Armee.
«5
Anschluß an die 3. Armee hergestellt werden sollte. Von letzterer stand das
XI. Korps (mit 44. LID.) in den Stadtbefestigungen von Lemberg, anschlie-
ßend daran südlich das III. Korps bis Lipniki. Vom XII. Korps, der 11. ID.
und 105. LstBrig. fehlten Nachrichten, es war auf sie vorläufig nicht zu zählen.
So klaffte eine breite Lücke von der 3. zur 2. Armee. Nördlich Lemberg
stand die Honvédgruppe bei Kulików ohne direkte Frontverbindung mit
dem XI. Korps. In dem ausgedehnten Räume von dort bis zur 4. Armee
waren lediglich vier abgehetzte Kavalleriedivisionen und einige Marschbaone.
verfügbar.
Das 3. AK. war über die Gesamtlage nur wenig orientiert, es hielt für
wünschenswert, die unterstellten Kräfte in einem Zuge hinter die Wereszyca
zurückzuführen und bekam hiefür zunächst auch die Genehmigung des AOK.
(C. IV., S. 596). Dann aber widerrief das AOK. diese Zustimmung und'gab
Befehl, Lemberg aus „politischen und militärischen" Gründen' zu halten
(C. IV., S. 598). Gleichzeitig erhielt das 3. AK. den Befehl Op.-Nr. 1380
(C. IV., S. 597): Nebst der 10. und 11. KD. eine Gruppe von mindestens
zwei intakten Infanteriedivisionen im Räume Zolkiew—Kulików zu be-
lassen, um den gegenüber befindlichen Feind zu hindern, von seinem rechten
Flügel aus gegen Flanke und Rücken der 4. Armee, Richtung Uhnów, Rawa
Ruska und Niemirow vorzudringen. Damit wäre einer schon längst bestan-
denen Notwendigkeit, eine starke Gruppe quer über die Straße Zolkiew—
Rawa Ruska zu stellen, Genüge geschehen. Aber es war schon zu spät.
23. HID. und 97. LstBrig. konnten, wie sich bald zeigen wird, nicht mehr in
das richtige Verhältnis gebracht werden. Sie mußten auch fernerhin die Front
gegen Nord beibehalten, und dies veranlaßt^ wenige Tage später ihren Rück-
zug nach Süd, Richtung Lemberg. Aber auch bezüglich der Kraft wurde dem
Befehle nicht entsprochen. Das 3. AK. wollte die 93. LstBrig. zur Honvéd
nach Kulików dirigieren, doch unterblieb dies wegen des geringen Gefechts-
wertes, den die Brigade hatte.
Wenn schon nicht das Gros der 3. Armee von Haus aus viel weiter nörd-
lich angesetzt worden war, so hätten mindestens seit dem 27. alle Vorkehrun-
gen getroffen werden müssen, um den Raum bei Zolkiew Richtung West zu
sichern. Daß dies nicht geschehen war, wurde zu einem großen Nachteile für
die weiteren Operationen.
i. September.
Die Gefahr im Rücken der 4. Armee mußte von Tag zu Tag zunehmen,
und es war fraglich, ob die 4. Armee Zeit haben würde, den Kampf zur Ent-
scheidung zu bringen oder ob sie nicht früher zurückgenommen werden müßte
(Op.-Nr. 1397; C. IV., S. 593). Jedenfalls mußte getrachtet werden, 3. und
2. Armee möglichst lange in der Linie 2olkiew—Lemberg—Mikolajów zu
halten.
Die Lage bei Zolkiew schien sich planmäßig zu entwickeln. Die 10. KD.
hatte mit Unterstützung einiger Gendarmerie- und Landsturm-Abteilungen
am 31. Aug. eine feindliche Brigade dort abgewiesen, am 1. Sept. sollte auch
86
Die erste Schlacht.
die il. HKD. nach ¿ólkiew gelangen. Die 23. HID. marschierte von Kuli-
ków auf die Höhen südöstlich ¿ólkiew, und um diesen Flankenmarsch zu
schützen, wurde die 97. LstBrig. auf die Höhen bei Smereków geschoben.
Dort kam es zum Kampfe.
Von Ost drängte der Feind nicht. Am 31. Aug. war er anscheinend
nicht über die Linie Przemyslany—Rohatyn hinausgekommen, lediglich
schwache Vortruppen hatten Bóbrka und Strzeliska Nowe erreicht. Am
i. Sept. wurde der Vormarsch mehrerer feindlicher Kolonnen in die Linie
Gaje—Wodniki, weiter südlich Verschiebungen aus der Gegend von Rohatyn
und Strzeliska Nowe in nordwestlicher Richtung bemerkt.
Bedenklich war vor allem die große Lücke zwischen der 3. und 2. Armee.
Die 3. Armee erhielt den Auftrag, gegebenenfalls ihren rechten Flügel von
Sokolniki über Nawarya nach Komarno zurückzubiegen und diese Linie
wenigstens punktweise zu besetzen. Das XII. Korps sollte hinter der Were-
szyca gesammelt werden. Die 11. ID. war im Rückmarsch über Mühlbach
Richtung Dornfeld, die 105. LstBrig. am 31. Aug. bei Ostrów in den Bereich
der 2. Armee gelangt.
Die 2. Armee hoffte bis zum 2. Sept. drei Infanteriedivisionen (34., 17.,
20.) bei Mikolajów zusammenbringen zu können. Ihr wurde aufgetragen,
falls der Feind sich zwischen Dnjestr und Lemberg einschieben sollte, den-
selben durch einen Flankenstoß in nördlicher Richtung anzugreifen. Die von
Halicz zurückkehrenden Truppen sollten gegebenenfalls am Stryjflusse
sichern. Von den noch im Anrollen befindlichen Transporten sollten zunächst
die 102. (Temesvarer) LstBrig. in Stryj, die 7. MBrig. in Drohobycz, weiters
das IV. Korps zwischen 1. und 5. Sept. im Räume Stryj—Sambor aus-
waggonieren.
Nach langer, sorgenvoller Spannung kam endlich spät abends die er-
lösende Siegesmeldung von der 4. Armee. Sie konnte nun in einigen Tagen
an der Ostfront eingreifen.
Leider verschob sich das Bild wieder sehr rasch. Denn im gleichen Augen-
blick, in welchem die günstigen Nachrichten von der 4. Armee beim AOK.
eintrafen, vollzog sich in Nacht und Dunkelheit ein Ereignis bei der 3. Ar-
mee, welches deren weiteren Verbleib bei Lemberg mit einem Schlag unmög-
lich machen sollte. 23. HID. und 97. LstBrig. gingen nach Lemberg zurück.
Die 97. LstBrig. hatte anfänglich den Feind bei Smereków geworfen,
war aber dann selbst später immer mehr und mehr ins Gedränge gekommen.
Andere Truppen wurden ihr zu Hilfe gesendet, doch kamen sie zu spät.
Nachmittags wurde auch die Bedrohung der rechten Flanke über Remenów
und Zwertów immer größer. Nach Lemberg war die Bitte um Unterstützung
gerichtet worden, das 3. AK. hatte aber die Erledigung dem Gutdünken des
XI. Korps überlassen. Dieses benötigte jedoch seine Truppen im eigenen
Bereich, und so war keine Unterstützung zustande gekommen. Nachmittags
war deshalb die Honved nach Grzeda zurückgegangen und lagerte dort eng-
gedrängt. Gegen 10 Uhr nachts brach in einem Artillerielager Unruhe aus,
Rückzug unserer
87
losgerissene Pferde brachten einzelne Truppenteile in Unordnung und diese
gingen nach Lemberg zurück. Dies veranlaßte dann auch den Rückmarsch
mehrerer Baone. Andere Teile blieben bis zum Morgen stehen und wurden
erst dann nach Lemberg zurückgeführt.
Dieser unvermutete Rückzug hat begreiflicherweise einiges Aufsehen her-
vorgerufen, schon wegen der Rückwirkung auf die Gesamtlage der 3. Armee.
Die tagelange Isoliertheit und die ständige Gefahr am ungeschützten, dem
Feinde zugekehrten Ostflügel hatten ihre Rückwirkung auf die psychische Ver-
fassung der Truppen. Dabei steht die Tapferkeit dieser braven Honvéds außer
Zweifel, denn sie haben sich kurze Zeit später im Janówer Walde bestens
bewährt, insbesondere aber als Verteidiger von Przemysl einen ehrenvollen
Platz in der Geschichte unseres Heeres errungen.
2. September.
Was von der 3. Armee im Augenblick kampffähig war, insgesamt fünf
Infanteriedivisionen des XI. und III. Korps, stand in einer nur 25 km breiten
Aufstellung von Michalowszczyzna bis Lipniki. Nördlich nichts und südlich
bis Mikolajów auch nichts. Demgegenüber standen in einem großen Bogen
wenigstens zwölf russische Infanteriedivisionen und waren in der Lage, beide
Flügel der 3. Armee umfassend anzugreifen. Auf eine Unterstützung von
Mikolajów her schon jetzt zu rechnen, wäre durchaus problematisch gewesen.
Die 4. Armee aber brauchte noch fünf bis sechs Tage, um in der Gegend bei
Lemberg eingreifen zu können.
Unter diesen Umständen stellte das 3. AK. abermals den dringenden
Antrag, die Armee hinter die Wereszyca zurückzuführen (Op.-Nr. 367;
C. IV., S. 620).
Dem AOK. war die Räumung Lembergs begreiflicherweise höchst uner-
wünscht, denn sie mußte bei Freund und Feind ungeheures Aufsehen hervor-
rufen. Die Öffentlichkeit mißt Erfolg und Mißerfolg hauptsächlich nach dem
Ortsbesitze. Man kann in einem Falle wie hier nicht gleichzeitig veröffent-
lichen, daß die Truppen hinter der Wereszycalinie neuerdings Stellung neh-
men werden und daß dort die 4. Armee eingreifen wird. Es kam auch noch
dazu, daß Lemberg als „befestigt" galt und es daher fast den Anschein hatte,
als ob eine Festung geräumt werde. Daß die Befestigungen in Wirklichkeit
nichts anderes waren als leichtprofilierte Schützengräben und kleine Erd-
schanzen zur Abwehr größerer Kavallerieeinbrüche, die man am Kriegsbeginn
erwartet hatte, wußte die Öffentlichkeit nicht. Auch die Russen hatten von
den Befestigungen Lembergs ganz übertriebene Vorstellungen. Überdies war
auch noch mit dem Eindruck zu rechnen, den die Räumung der Stadt auf die
in unserer Monarchie recht gewichtigen polnischen Kreise haben mußte.
So bestanden also für unser AOK. außerordentlich große Bedenken
gegenüber dem Antrage der 3. Armee. Erst nach eingehender Orientierung
und Berichterstattung über die Lage in und bei Lemberg entschloß sich das
AOK. am 2. Sept. mittags, den Rückmarsch der 3. und 2. Armee zu befehlen.
88
Die erste Schlacht.
Je schwerer der Entschluß war, um so größer muß er erscheinen. Die ver-
bliebenen Teile der 3. Armee hätten bei Lemberg ohneweiters eingeschlossen
werden können, und es war jedenfalls gut, daß man sie dieser Gefahr nicht
ausgesetzt hat.
Die Lage der Russen bis zum 2. September.
(D., S. 246, und L. gr. gu., S. 188—189.) Mehrfach waren schon an die
3. r. Armee Befehle ergangen, in nordwestlicher Richtung Anschluß an die
5. r. Armee zu nehmen. Deshalb wurde bis zum 30. Aug. die Verschiebung
der Korps XXI und XI eingeleitet, jedoch kam der Angriff des Nordflügels
unserer 3. Armee am 30. Aug. hindernd dazwischen. Bis zum 2. Sept. konn-
ten lediglich zwei russische Kavalleriedivisionen mit kleinen Infanterie-
detachements die Gegend von Mosty Wielkie überschreiten, und zwar die
9. KD. Richtung Sokal, die 11. KD. Richtung Beiz. Das Gros des r. XXI.
Korps war bis dahin über den Raum Mosty Wielkie—Turynka noch nicht
hinausgekommen.
Das r. XI. Korps war wieder gegen Lemberg zurückgeschwenkt. Am
2. Sept. standen r. XI., IX. und X. Korps eng geschlossen in der Linie
Jaryczów—Dzwinogród, 10. und 3. kauk. KD. am linken Flügel der
3. r. Armee.
Entsprechend der geplanten Rechtsverschiebung der 3. r. Armee hätte
auch die 8. r. Armee nordwestlich Direktion nehmen sollen. Doch hatte man
es vorgezogen, die Korps VII und VIII in gerader Richtung unseren zurück-
gehenden Truppen folgen zu lassen, während das r. XII. Korps hinter der
Front des r. VII. Korps gegen Lemberg verschoben wurde. Die Situation der
8. r. Armee am 2. Sept. ist wie folgt angegeben: VII. Korps Stozki,
XXIV. Korps Hnilcze, 12. KD. Wolków, komb. KosD. Chodorów, während
das XII. Korps im Marsche von Strzeliska No we gegen Lemberg in die
Gegend von Choderkowce gelangte.
Am 3. Sept, marschierten die Russen in die von uns geräumten Städte
Lemberg und Halicz ein, und deren Besitznahme rief bei ihnen große Be-
geisterung hervor. Halicz war ehemals ein kleinrussischer Fürstensitz und
hatte daher für die Russen einen historischen Klang. Für uns hatte diese
örtlichkeit keine Bedeutung mehr. Unsere Dnjestrbrückenköpfe, von denen
über Gebühr geredet wurde, hatten nur so lange Wert, als Truppen dahinter
standen, mit der Absicht, bei Annäherung des Feindes über den Fluß zu
gehen. Das war aber nach unserem Rückzüge nicht mehr der Fall. Die alt-
artigen Erdschanzen aus den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit
ihren geringen Landsturmbesatzungen und den wenigen Geschützen ältester
Systeme hätten ein längeres Haken ganz unmöglich gemacht.
Die Russen haben die Räumung von Lemberg und Halicz als „militär-
psychologischen Fehler" bezeichnet, doch scheint dies nicht berechtigt. Es hat
im Gegenteil der Gedanke an die Festhaltung Lembergs in den Operationen
eher zu stark vorgewaltet, und damit wurde die Aufmerksamkeit von dem
für die Gesamtlage viel wichtigeren Räume Kamionka Strumilowa—2olkiew
Rückzug unserer 2. und 3. Armee.
89
abgelenkt. Ähnlich war es kaum zwei Wochen früher in bezug auf Czerno-
witz.
Der Wunsch, bedeutende Lokalitäten festzuhalten, mischt sich häufig in
die Kriegführung ein, unvermeidlich und beinahe ohne daß man es merkt.
Wenn sich dann die Lage ungünstig entwickelt, so ist es stets besser, selbst
über ungünstige Eindrücke hinweg die Konsequenzen zu ziehen, wie unser
AOK. in diesem Falle getan hat. Die Forderungen, die sich aus dem gegen-
seitigen Verhältnisse der Heeresteile ergeben, stehen im Kriege immer obenan.
Die Hauptkräfte müssen für den entscheidenden Kampf zusammengehalten
werden. Für alle anderen Truppen darf es nur eine einzige Aufgabe geben:
die Hauptkräfte zu schützen.
Skizze 5
DIE ZWEITE SCHLACHT.
Die Vorbereitungen.
j. September.
Durch die bei der 4. Armee gefallene Entscheidung schien die gegen
Nord gerichtete Hauptoperation einstweilen siegreich beendet. Es sollte nun
der zweite Akt folgen: die feindliche Ostgruppe sollte geschlagen werden.
Grundgedanke war, daß sich die 3. Armee an der Wereszyca halten sollte,
während 4. und 2. Armee die Flügel des der 3. Armee folgenden Feindes
umfassend anzugreifen hatten (C. IV., S. 622, 623).
Infolge des plötzlichen Rückzuges der 3. Armee von Lemberg war die
Bereitstellung der 2. Armee bei Mikolajów nicht mehr gelungen. Sie mußte
den Rückzug südlich des Dnjestr fortsetzen und konnte erst auf einem großen
Umwege hinter der Sumpf zone „Wielkie Bloto" an die 3. Armee heran-
gebracht werden. Bis zum 6. Sept. sollte sie mit dem zu ihr gehörenden
IV. Korps bei Rudki bereitstehen. Eine Umfassungsmöglichkeit bot sich ihr
dort nicht mehr, weil ihre Entwicklung zum Kampfe durch den Dnjestr
wesentlich eingeschränkt war.
Schwieriger gestalteten sich die weiteren Entschließungen bezüglich der
4. Armee, denn hiebei war sowohl die Frage ihrer Rückensicherung gegen
Nord als auch die Richtung, in der sie zur 3. Armee herangeführt werden
sollte, in Erwägung zu ziehen.
Im näheren Bereiche war augenblicklich eine Rückenbedrohung der
4. Armee nicht zu erwarten, obwohl, wie so häufig, die Hoffnungen bezüglich
des Erfolges größer gewesen waren als das tatsächlich Erreichte (C. IV.,
5. 628). Dem Feinde war es, wenn auch mit schweren Einbußen, gelungen,
sich der drohenden Umklammerung zu entziehen, seine Nachhuten standen
bei Grubieszów in befestigter Stellung (A., S. 283), doch kamen Nachrichten
über größere Ab transporte von Wladimir Wolynskij nach Brest Litowsk, so
daß man vorläufig glauben konnte, der Feind werde seine Offensive zunächst
nicht wiederholen (Op.-Nr. 1524; C. IV., S. 629). Gemäß den erhaltenen
Befehlen hatte die 4. Armee nur ganz schwache Kräfte, je zwei Infanterie-
divisionen und eine Kavalleriedivision, auf der Straße Zamosc—Wojslawice
(4. und 13. ID., 9. KD.) und auf der Linie Tyszowce—Grubieszów (3. und
8. ID., 2. KD.) zurückgelassen.
Die Lage im Kampfräume der 1. Armee begann ungünstiger zu werden,
da sich auf dem offenen rechten Flügel Umfassungen des Feindes bemerkbar
machten (C. IV., S. 628). Das deutsche Landwehrkorps, welches die Weichsel
Die Vorbereitu
91
bei Solee erreicht hatte, sollte an den rechten Flügel der 1. Armee gezogen wer-
den, brauchte dazu aber wenigstens noch drei Tage. So wurden nun die zur
Rückendeckung der 4. Armee zurückgelassenen Kräfte angewiesen, vom
linken Flügel aus an eine eventuelle Unterstützung der 1. Armee zu denken.
Als Etappenlinie wurde ihnen die Straße Zamosc—Bilgoraj zugewiesen.
Das Gros der 4. Armee war im Sinne der vom AOK. schon am 1. Sept.
ergangenen Weisung (C. IV., S. 609) bis zum 3. Sept. abends in der Linie
Tomaszów—Korczmin bereitgestellt worden. Es kam nun die Frage ihrer
weiteren Verwendungsrichtung zur Entscheidung.
Die 3. Armee war von Lemberg abmarschiert. Erst nach einer längeren
Beschießung der geräumten Stellungen zog der Feind am 3. Sept. mittags
vorsichtig in Lemberg ein und schob nur Kavallerie gegen die Wereszyca vor.
Aus einigen Anzeichen war auf größere feindliche Verschiebungen über 2ol-
tance gegen 2olkiew und aus dem Räume Chodorów—Strzeliska Nowe—
Rohatyn gegen Lemberg, also in nordwestlicher Richtung, zu schließen. Leider
hatte unsere Kavallerie die Fühlung mit dem Feinde nahezu gänzlich ver-
loren. 10. und Ii. KD. waren von 2olkiew, statt in westlicher Richtung,
südlich der Waldzone zurückgegangen, so bestanden aus dem wichtigen
Räume bei 2olkiew gar keine näheren Nachrichten.
Es war nun die Frage, ob der Feind sich mit seiner Hauptkraft gegen die
4. oder gegen die 3. Armee wenden würde. Dem AOK. schien am wahr-
scheinlichsten, daß der Feind das Gros seiner Kräfte über Zolkiew und
Magierów gegen den Nordflügel der 3. Armee richten werde. Es entstand
daher die weitere Frage, ob die 3. Armee den Rückzug nicht früher fort-
setzen werde müssen, bevor die 4. Armee eingreifen könnte. Aus dieser
Erwägung entstand die Absicht, die 4. Armee möglichst rasch und gesichert
mit der 3. Armee in Verbindung zu'bringen. Dabei mußte das AOK. noch
weiters darauf Bedacht nehmen, daß im Falle eines Rückzuges der 1. Armee
die 4. Armee rechtzeitig an den San zurückgehen könne. So wünschenswert
und naheliegend vielleicht auch die Dirigierung auf 2olkiew gewesen wäre,
erhielt die 4. Armee nun den Befehl, in die Linie Niemirów—Magierów
vorzugehen.
Die größere Vorsicht war begreiflich, aber der Entschluß erwies sich
bald als unheilvoll. Anstatt den Feind zu umfassen, wurde die 4. Armee
selbst umfaßt. Anstatt den anderen Armeen zu helfen, mußte der 4. Armee
Hilfe gebracht werden. Denn mit starken Märschen griff der Feind nach
Norden aus, um die zwischen seiner 5. und 3. Armee bestandene Trennung
aufzuheben und seine Front zu schließen. Als dies bemerkt wurde, war es
schon zu spät.
Zum zweiten Male in Ostgalizien hatte der Mangel an Organisation im
Aufklärungsdienste, hier speziell die gänzliche Preisgabe der von Zolkiew
nach Rawa Ruska und Niemirów führenden Straßen, weittragende Folgen.
(Op.-Nr. 1524; C. IV., S. 629.) Im Sinne des vorstehend in großer
Linie festgehaltenen Entschlusses erhielt nun die 3. Armee die Weisung, an
der Wereszycalinie eine Sicherung mit schwächeren Kräften einzurichten und
92
Die zweite Schlacht.
ihre Hauptkraft (sechs Infanteriedivisionen) zwischen Gródek Jag. und
Jaworów derart aufzustellen, daß sie einer Umfassung aus der großen Wald-
zone entgegentreten konnte. Dazu wurden der Hauptsache nach das XI. und
III. Korps bestimmt, während das XII. Korps mit einigen anderen Heeres-
teilen an der Wereszyca südlich Lubien Wk. Aufstellung nehmen sollte.
Zwischen dem XII. Korps und dem Dnjestr sollte später die 2. Armee ein-
gesetzt werden. Die 4. Armee erhielt Direktion in die Linie Niemirów—
Magierów. Im Wortlaute des Befehles war wohl noch der Gedanke, daß die
4. Armee „den Schlag gegen den Nordflügel des Feindes mit versammelter
Kraft" führe, beibehalten worden, gleichzeitig wurde ihr aber aufgetragen,
den Westflügel so stark zu halten, daß ein Durchstoßen des Feindes zwischen
3. und 4. Armee und ein Abdrängen letzterer von ihren zum San führenden
Verbindungen verläßlich gehindert werde. Am Ostflügel sollte eine in
Staffeln folgende Gruppe dafür sorgen, daß dieser Flügel vom Feinde nicht
umfaßt werden könne. Diese einander entgegenstehenden Forderungen brach-
ten bei der 4. Armee eine nahezu gleichmäßige Kraftverteilung auf ganzer
Front, und im Staffelverhältnisse konnte lediglich eine der zur Verfolgung
gegen Nord bestimmt gewesenen Divisionen nachgezogen werden. Doch er-
wies sich diese als viel zu schwach, um einen nennenswerten Schutz gegen
Umfassung zu bieten.
4. September.
Gegenüber der Wereszycafront zeigte sich vom Feinde nur Kavallerie,
allerdings in größerer Zahl. Im Laufe des Nachmittags wurde die bei Wielko-
póle stehende 11. HKD. auf Dobrostany zurückgedrängt. Weiters befand
sich ein größerer Kavalleriekörper gegenüber dem XII. Korps. Im übrigen
schien aber der Raum westlich der Chaussee Lemberg—Mikolajów von feind-
lichen Infanteriekörpern noch nicht betreten worden zu sein. In Lemberg
selbst befanden sich starke Kräfte. In der Stadt, besonders in den Vororten,
waren zahlreiche Brände sichtbar.
Wesentlich ungeklärt blieb der Raum bei 2olkiew und die große Wald-
zone. Es hieß neuerdings, daß starke Kräfte schon am 3. von 2olkiew nörd-
lich und westlich abgerückt seien.
Der 3. Armee wurde bekanntgegeben, daß starke feindliche Kräfte
eventuell schon am 5. Sept. gegen Jaworów debouchieren könnten
(Op.-Nr. 1572; C. IV., S. 636). Dementsprechend verfügte das 3. AK. ab
5. die Verteidigungsstellung der Korps III und XI in der Linie Gródek Jag.—
Türkenhübel Trig. 371—Jaworów und der 4., 10. und 11. KD. nördlich
Jaworów.
Die 4. Armee erreichte die Linie Monastyr—Kornie—Domaszów. Die
6. KD. sollte von Rawa Ruska nach Magierów—Dobrosin vorgehen.
Von den in der Richtung Grubieszow—Wojslawice belassenen Kräften
sollte jetzt auch noch das XIV. Korps womöglich ganz der 4. Armee folgen
(C. IV., S. 634), so daß dann nur mehr das II. Korps mit 9. KD. gegen
Nord blieb. Die 2. KD. wurde sofort auf Beiz umgeschwenkt. Das II. Korps
Die Vorbereitungen.
93
wurde neuerdings angewiesen, eventuell die i. Armee, deren Lage immer
schwieriger wurde, zu unterstützen (Op.-Nr. 1568; C. IV., S. 635).
Die 2. Armee wurde gedrängt, die bei Rudki angeordnete Versammlung
möglichst zu beschleunigen. Es lag in der Absicht des AOK., südlich des
Dnjestr möglichst wenig Kräfte zu belassen.
Der Brückenkopf Mikolajów wurde am Nordufer vom Feinde an-
gegriffen.
y September.
Es lagen nur wenig Nachrichten vor, doch konnte kaum ein Zweifel
bestehen, daß sich starke feindliche Kräfte in der Waldzone zwischen Janów
und ¿ólkiew befanden und daß auch in der Gegend von Zolkiew und nörd-
lich mit einigen feindlichen Korps zu rechnen sei.
Die 4. Armee erreichte die Linie Szawary—Rawa Ruska. Das AOK.
besorgte noch immer, daß die 3. Armee am nördlichen Flügel vorzeitig an-
gegriffen werden könne. Deshalb erhielt nun die 4. Armee die Weisung, auf
baldigen Anschluß an die 3. Armee Bedacht zu nehmen (Op.-Nr. 1620;
C. IV., S. 642). Dementsprechend sollte nun der rechte Flügel am 6. vm.
zunächst in die Gegend Wierzbiany gelangen und von dort aus zur weiteren
Vorrückung in östlicher Richtung angewiesen werden. Gleichzeitig erhielt
die 3. Armee den Befehl, am 6. Sept. zum Angriffe vom linken Flügel aus
bereit zu sein (Op.-Nr. 1605; C. IV., S. 643).
Das XII. Korps wurde der 2. Armee zugewiesen, und diese erhielt
Befehl, die Truppen für den 7. Sept. angriffsbereit zu stellen. Bei Sambor
waren acht Baone. und acht Btn. des IV. Korps eingetroffen, 7. MBrig.,
102. LstBrig. wurden in Stary Sambor auswaggoniert.
Der von Teilen der 20. HID. verteidigte Brückenkopf Mikolajów wurde
heftig angegriffen. Der Feind brachte eine weit überlegene, auch schwere
Artillerie in Tätigkeit. Nachmittags gelang es ihm, in die Nordfront einzu-
brechen und sich dort festzusetzen. Ein festungsähnlicher Charakter kam diesem
provisorischen Brückenkopfe durchaus nicht zu, und so glaubte der Komman-
dant am besten zu tun, im Laufe der Abendstunden den Brückenkopf zu
räumen. Die Besatzung nahm südlich des Dnjestr Anschluß an die 38. HID.
Die Feindlage wurde am Abend wie folgt gesehen: Starke Kräfte im
Räume zwischen Janów und Zolkiew, insbesonders in den Waldungen. Von
2olkiew Richtung Rawa Ruska war ein Korps vorgerückt, in der linken
Flanke von starker Kavallerie begleitet. Von der Höhe Czarny (8 km südlich
2oikiew) war eine Infanteriedivision, andere starke Kräfte von Lemberg gegen
Janów marschiert. Man wußte das r. XXI. KK. in Kamionka Strumilowa,
das X. in Rzesna Polska. Die Orte Ml. Wiszenka, Wereszyca und Janów
waren durch starke Truppen besetzt, die westlichen Waldränder von Kurniki
bis zur Janówer Chaussee durchwegs von feindlichen Abteilungen, Infanterie
und Kavallerie, abgesperrt. Auch gegenüber der Wereszycalinie war der
Feind bis auf ca. 5 bis 8 km mit stärkeren Kräften herangerückt und hatte
94
Die zweite Schlacht.
sich in den zahlreichen kleinen Waldungen in der Linie Zaluze—Stawczany
und gegenüber Lubien Wk.—Humieniec und auch weiter südlich festgesetzt.
Er trieb von dort kleinere und größere Détachements zur Rekognoszierung
an die Wereszycalinie heran. Bei Szczerzec befand sich ein feindlicher
Kavalleriekörper, südlich letzteren Ortes war anscheinend kein Feind, bei
Mikolajów ca. eine Infanterie- und eine Kavalleriedivision.
Am 6. Sept. begann die Schlacht.
Die Russen bis September.
(D., S. 247, und L. gr. gu., S. 241—252.) Die Stawka dachte an eine
eventuelle Abziehung von Kräften aus Ostgalizien zur »Unterstützung der
bei Tannenberg geschlagenen r. 2. Armee. Das Kommando der Südwestfront
stellte sich jedoch dagegen und drängte zu engstem Zusammenschluß ihrer
Armeen gegen den rechten Flügel, an welchem wesentliche Verstärkungen
eingetroffen waren. Im Räume zwischen Weichsel und Bystrzyca wurde die
9. Armee mit drei Korps gebildet, östlich davon erhielt die 4. Armee (drei
Korps) die Direktion über Bychawa—Krasnik. Die 5. Armee sollte sich im
Staffel vom rechten Flügel dem Angriff anschließen und zunächst die Linie
Turobin—Krasnobród erreichen. Die 3. Armee erhielt Direktion Tomaszow—
Bilgoraj, linker Flügel Jaroslau. Das XII. Korps wurde der 3. Armee am
linken Flügel angeschlossen. Die 8. Armee hatte die Sicherung des linken
Heeresflügels zu übernehmen und sich nach den anderen Armeen zu richten.
In Durchführung dieser Absicht entwickelte sich nun der Vormarsch der
3. und 8. Armee, die bis zum 5. Sept. folgende Situation erreichten:
3. Armee
9. KD.
Ii. KD.
XXI. Korps
XI. Korps
IX. Korps
X. Korps
XII. Korps
3. kauk. KD.
10. KD.
Ì; Armee
gegen Tyszowce
gegen Rawa Ruska
Warez—Beiz
Butyny—Lubela—Zameczek
Dobrosin—Kunin—Krechów
W alddorf—D^browica
Janów—Stradcz—Kozice
über Janów gegen Niemirow
gegen Gródek Jag.
VII. Korps Szczerzec—Nawarya
VIII. Korps bei Mikolajów
XXIV. Korps Rozdól
12. KD. Szczerzec. •
Aus zwei getrennten Operationen war nunmehr bei den Russen der
Plan eines einheitlichen Angriffes mit starkem rechten Flügel entstanden, mit
der Absicht, unsere Armeen von der Weichsel abzudrängen.
Der Beginn der Schlacht,ft.
95
Der Beginn der Schlacht, 6. und 7. September.
4. Armee.
6. September.
Mit Rücksicht auf die Unsicherheit der Lage wurden die Korps am
6. vm. zunächst in die Linie Wierzbiany—Rawa Ruska dirigiert, von wo
aus sie nachmittags die Vorrückung fortsetzen sollten, und zwar:
XVII. Korps von Rawa Ruska gegen 2ólkiew, VI. Korps aus der Linie
Szczerzec—Kamienna Ga. in die Linie Magierów—Wiszenka Ml., IX. Korps
aus der Linie Wierzbiany—Troscianiec—Raby, rechter Flügel Direktion
Starzyska, linker Flügel Wiszenka Ml.
Das XVII. Korps traf schon vormittags knapp östlich Rawa Ruska auf
den Feind, und der Kampf entbrannte mit voller Heftigkeit. Die 41. HID.
ging über die Höhen südlich der Stadt, mit dem rechten Flügel Direktion
Magierów vor. Nachmittags nahm sie die Trig.-Höhe 283 Komanicka im
Anschluß an das VI. Korps.
Die 19. ID. gelangte erst gegen 9 Uhr vm. auf das Gefechtsfeld und
ging längs der Chaussee vor. Bei Pomlynów und nördlich stieß sie auf
den Feind.
Mittlerweile erhielt das XVII. Korps Befehl, im Staffel links, seit-
und rückwärts des VI. Korps vorzugehen und bereit zu sein, entweder einem
Flankenangriffe von Ost her zu begegnen oder selbst gegen den nördlichen
Flügel des Feindes einzuschwenken. Dieser Befehl war aber illusorisch. Bald
kamen Nachrichten, die eine Gefährdung von Ost und Nordost her erkennen
ließen. Doch war das Korps bereits größtenteils schon engagiert, so daß sich
an der eingetretenen Lage nicht viel ändern ließ.
Das VI. K o r p s kam in der Linie Wiszenka Ml.—Magierów an stärkeren
Feind. Zeit zu einem entscheidenden Angriffe blieb an diesem Tage nicht
mehr. Bei Magierów ging die Gefechtslinie bis ca. 1000 Schritte an den Feind
heran, doch verhinderte die feindliche schwere Artillerie einen entscheidenden
Angriff.
Das IX. Korps traf nur auf verhältnismäßig schwache feindliche Vor-
truppen, die es vertrieb. Wegen Ermüdung kamen die Divisionen nur bis in
die Linie Turaszowa—Kurniki—Kruszyny.
Mittags erreichte eine feindliche Infanteriedivision von Butyny her den
Ort Grzeda. Zur Abwehr wurden die bei Rawa Ruska eingetroffenen Teile
der 2. und 9. MBrig., dann Marschformationen der 41. HID. und Teile
der bei Rawa Ruska befindlichen 6. KD. in der Linie Senkowice—Höhe
Trig. 271 nördlich Czarna eingesetzt.
Weiter nördlich war die 3. ID. im Anmärsche gegen den Flügel des
XVII. Korps. Sie war am 5. von Zabcze nach Beiz marschiert, dort auf
Feind getroffen und, um nicht isoliert in Kämpfe verwickelt zu werden, nach
Korzmin ausgewichen. Auch die 2. KD. war bei Beiz auf Feind gestoßen,
96
Die zweite Schlacht.
und es hieß, daß eine feindliehe Infanteriedivision an diesem Tage von Sokal
gegen Beiz vorgerückt sei.
Am 6. hatte die 3. ID. den schwierigen Übergang über die Solokija
durchgeführt und gelangte mittags nach Karow. Neuerdings kam von Ost
her der Feind an sie heran. Nachmittags wurde sie bei Karow durch die 2. KD.
abgelöst und rückte über Michalówka, um noch am Abend oder in der Nacht
Zabórze zu erreichen. Bei ihrem Durchzuge durch den Wald wurde sie von
weit überlegenen feindlichen Kräften angegriffen, wobei das 2. Rgt. unserer
Tiroler Kaiserjäger nahezu gänzlich vernichtet wurde. Die Division mußte
auf Michalówka zurückgehen (A., S. 308—310).
Viel weiter nördlich bei Telatyn stieß unsere 8. ID. gleichfalls auf Feind,
der von Beiz in nordöstlicher Richtung marschierte (r. XXI.). Der Zusammen-
stoß erfolgte für den Feind überraschend, und er wurde am 6. abends zurück-
geworfen (A., S. 297).
Unser II. Korps stand auf den Höhen nördlich Tyszowce und Komarów,
die 9. KD. am linken Flügel (A., S. 330). Flieger meldeten, daß der Feind
Zamosc wieder besetzt habe (C. IV., S. 654). Das war höchst überraschend
und unangenehm, so hatte also die r. 5. Armee doch wieder die Offensive
ergriffen.
7. September.
Mit Rücksicht auf die immer größer werdende Bedrohung am westlichen
Flügel mußte das II. Korps auf die Höhen südlich Komarów und Tyszowce
zurückgehen. Die Russen bedrängten das Korps in der Front nicht, hingegen
rückten stärkere feindliche Kräfte auf der Chaussee gegen Tomaszów und
es kam nachmittags zu einem lebhaften Kampfe bei Tarnawatka, wo die Russen
abgewiesen wurden. Trotzdem konnte die isolierte Stellung nicht beibehalten
werden, und im Laufe der Nacht ging das II. Korps in eine Stellung nördlich
Tomaszów (A., S. 331).
Die 8. ID. wollte am 7. früh den am Vorabend erzielten Erfolg er-
weitern und setzte den Angriff fort. Jetzt wendeten sich aber von allen
Seiten weit überlegene Kräfte gegen unsere ohnehin schon sehr geschwächten
Truppen. Das Gefecht mußte noch vormittags abgebrochen und der Rückzug
nach Laszczów angeordnet werden. Das Abbrechen des Gefechtes in dem durch-
wegs offenen Terrain verursachte schwere Verluste, so daß der Abmarsch
von Laszczów, Richtung Wierzbica, noch im Laufe der Nacht angetreten
wurde, um die isolierte Division zum Anschluß an andere Heeresteile zu
bringen (A., S. 298—300).
Die 3. ID. hatte sich im Laufe der Nacht bei Michalówka gesammelt
und wurde vormittags aus östlicher Richtung abermals vom Feind angegriffen.
Nun wurde der Rückmarsch auf der Straße nach Rzyczki durchgeführt
(A., S. 310).
Mittlerweile war beim XVII. Korps der Kampf schon zeitlich morgens
auf ganzer Linie entbrannt. Der Angriff der 41. und 19. ID. war außer-
ordentlich mühsam, dem linken Flügel der 19. ID. gelang es, gegen Pulce
Der Beginn der Schlacht,
97
Raum zu gewinnen. Vormittags kam es jedoch bei Senkowice zu rückgängigen
Bewegungen, worauf die Reserve der 19. ID. dort eingriff. Gleichzeitig war
aber auch die Artillerie der 3. ID. bei Rzyczki eingetroffen, ebenso auch Teile
der 4. KD. So gelang es, den Feind bei Senkowice zurückzuwerfen.
4., 10. und Ii. KD. waren am 6., nachdem die Flügel der 3. und 4. Armee
zusammengeschlossen waren, auf den nördlichen Flügel der 4. Armee dirigiert
worden. Sie hatten in Radruz genächtigt und trafen mittags bei Rawa Ruska
ein. Wenn auch die Reiterregimenter in den Ständen vollkommen herab-
gekommen waren, so bildete doch die Artillerie eine nennenswerte Unter-
stützung.
Auf dem rechten Flügel des XVII. Korps hatte nachmittags unter dem
schweren und konzentrischen feindlichen Artilleriefeuer die Trig.-Höhe 283
Komanicka aufgegeben werden müssen. Die Gefechtslinie stand am Abend in
der Linie Dumycze—-Senkowice—Rzyczki.
Das VI. Korps setzte gleichfalls den Angriff schon zeitlich früh fort.
Der 27. ID. gelang es trotz heftiger Gegenwirkung, nach vorwärts etwas
Raum zu gewinnen. Doch mußten dann infolge der Lage bei der 41. HID.
Teile der Reserve der 27. ID. und der Korpsreserve dort unterstützend
eingreifen. Von Magierów her machte sich eine enfilierende Artilleriewirkung
geltend, so daß die Komanickahöhe nicht zurückgenommen werden konnte.
Auch in der Front der 27. ID. gelang es nicht, den Feind zurückzuwerfen.
Ein Teil der 15. ID. war als Korpsreserve hinter die 27. ID. nach
Kamienna Gora gestellt worden. Das Gros kämpfte einen wechselvollen
harten Kampf beiderseits Biala Piaskowa.
Südlich davon war der Angriff der 39. HID. bei Wiszenka Ml. gut vor-
wärts gekommen. Im Laufe des Nachmittags machte sich aber von der Höhe
Wywszana Trig. 387 (aus dem Vorrückungsraum des IX. Korps) eine
flankierende Wirkung geltend, die den rechten Flügel der 39. HID. zum Zurück-
gehen brachte. In dem harten Kampfe, den die Truppen führten, übertrug
sich dieser Rückzug allmählich auch auf die anderen Teile, die dann am
Waldrande südlich Haraj Trig. 391 und auf den Höhen bei Zagórze Stellung
nahmen.
Beim IX. Korps ging die 26. LID. gegen Wiszenka Ml., die 19. ID.
gegen Wereszyca, die 25. ID. über Starzyska Richtung Lelechówka vor. Die
Vorrückung im durchschnittenen Waldterrain mit dichtem Unterholze ge-
staltete sich äußerst schwierig, der Feind hatte an der ganzen Front kleine
Vortruppen aufgestellt, die überall erst lokale Kämpfe nötig machten, wobei
die Verbindung zwischen den Gefechtsgruppen häufig verlorenging. Es war
dies in gleicher Weise bei den anschließenden Teilen der 3. Armee der Fall.
Die Russen verteidigten zähe jeden Schritt Boden und verstanden es, in diesem
schwierigen Waldterrain größere und kleinere Artilleriegruppen sehr geschickt
zur Verwendung zu bringen. Sie hatten in ihrem abwartenden Verhältnisse
die Artilleriebeobachtung überall einrichten können, während unsere Artillerie
in diesem Waldterrain überhaupt zu keiner Wirkung gelangte.
Pi tr ei ch.
7
98
Die zweite Schlacht.
Die 26. LID. war in den Vormittagsstunden nahe bis Wiszenka Ml. ge-
langt, mußte aber dann infolge einer flankierenden Wirkung nachmittags auf
Kruszyny zurückgehen.
Die 10. ID. war an den Ort Wereszyca herangekommen, ihr südlicher
Flügel nahm nachmittags, unterstützt durch Teile der 25. ID., den Ort Slobody.
Das Gros letzterer stand in schwerem Waldkampfe südlich davon. *
Nachmittags wurde der 10. ID. befohlen, die 26. LID. zu unterstützen, doch
gelang es dem linken Flügel nicht, die Höhe Wywszana zu nehmen. Einzelne
Teile der auseinandergekommenen Gefechtsgruppen wurden umfaßt und
gingen auf Kurniki zurück. Der rechte Flügel der 10. ID. und die 25. ID.
hielten sich in den erreichten Räumen, der Ort Wereszyca konnte aber an
diesem Tage nicht mehr genommen werden.
3. Armee.
6. und 7. September.
Gegenüber der Wereszycafront hatte der Feind die Waldränder süd-
lich Zaluze, gegenüber Lubien Wk. und auch weiter südlich besetzt. Von
dort aus hatte er kleine Détachements vorgetrieben. In Janow und
Stawczany schienen starke Kräfte zu sein. Ottenhausen, Cuniow und
Kiernica waren besetzt. Nördlich waren Patrouillen bis an den Westrand
des Waldes südlich Starzyska vorgeschoben. Aus der Gegend von Mikolajów
marschierten starke Kolonnen in nördlicher und nordöstlicher Richtung. Hin-
gegen war der Raum südlich der Linie Reichenbach—Komarno nahezu vom
Feinde frei.
Die 3. Armee hatte den Auftrag, schon am 6. Sept., sobald der rechte
Flügel der 4. Armee von Wierzbiany gegen Starzyska vorrücken würde, sich
der Offensive vom linken Flügel aus anzuschließen. Dazu sollte zuerst die
23. HID. und 88. LschBrig. nördlich der Janówer Chaussee, die 30. ID.
südlich davon über die Höhe Hrada vorgehen. Zur Ausführung kam es
aber am 6. nicht mehr, die Vorrückung begann erst am 7. früh, als die
25. ID. über Starzyska vorging.
Am Waldrande bei Zablota standen kleine feindliche Abteilungen, die
vertrieben werden mußten, und so mußte der Wald größtenteils bereits in
Gefechtsformation betreten werden. Das außerordentlich dichte Gestrüpp
erschwerte die Bewegung und das Einhalten der Verbindung zwischen den
Gefechtsgruppen. Unwillkürlich drängten die Truppen immer wieder gegen
die wenigen Kommunikationen und Walddurchschläge, besonders gegen die
Chaussee, wo die Flügel der 23. HID. und 30. ID. knapp nebeneinander,
enggepreßt, vorrückten. Auf dem höchsten Punkte der Straße, bei
Kote 356 westlich Janow, hatten die Russen eine kleine Schanze errichtet,
von der aus sie die gerade Straße überblickten. Mit einzelnen kleinen Ge-
schützgruppen waren sie auf die Kreuzungspunkte der Wege, speziell auf
J. H. Jaryna, eingeschossen und brachten damit in unsere massierten Truppen
viel Unordnung. Nur langsam kamen unsere Truppen vorwärts, sie gelangten
Der Beginn der Schlacht, 7.
99
bis halbwegs Jaryna—Janów. Bei einbrechender Dunkelheit gerieten Teile
beider Divisionen in Unordnung und gingen wieder bis in die Gegend Jaryna
zurück. Andere Teile nächtigten weiter vorne im Walde. Die Verbindung
innerhalb der Divisionen war nahezu verlorengegangen. Im Laufe der Nacht
wurde die Schanze durch einige selbständig vorgegangene Kompagnien den
Russen weggenommen und damit war die Vorrückung am nächsten Tag er-
leichtert.
Die 44. LID. war um 7 h nm. von Moloszkowice bis knapp über die
Teichlinie vorgegangen. Das III. Korps hatte sich am 7. gleichfalls in den
Besitz der Übergänge an der Wereszyca gesetzt und erwartete die Aufnahme
der Vorrückung für den 8. früh.
2. Armee.
6. und 7. September.
Die 2. Armee vollzog ihren Aufmarsch im Räume Lubien Wk.—
Komarno—Rudki. Die Wereszycaübergänge wurden überall gesichert. Das
XII. Korps wurde nördlich, das VII. Korps südlich der Bahnlinie bei Buczaly
aufgestellt. Das IV. Korps, von dem zehn Baone. und sieben Btn. ein-
getroffen waren, sollte staffelweise nach Rudki vorgezogen werden.
Die 43. LID., die am 6. bei Dorozów gerastet hatte, wurde am 7. über
Dublany dem VII. Korps nachgezogen.
Südlich des Dnjestr waren nur schwache feindliche Kräfte gemeldet.
Deshalb sollte auch die 2. Armee möglichst wenig Kräfte südlich des Dnjestr
belassen. 38. HID. und 40. LstBrig. wurden bei Medenice zusammengezogen,
um gegebenenfalls bei Terszaków über den Dnjestr vorzustoßen. Südlich
des Dnjestr sollten nur 103. LstBrig., 1. und 5. KD. bleiben. Die 35. LstBrig.
hatte Delatyn erreicht und sollte weiterhin den Karpathenübergang bei
Körösmezö sichern.
Die Russen am 6. und 7. September.
(D., S. 243, 248; L. gr. gu., S. 253, 254.) Am 6. setzte die 3. Armee
den Marsch fort:
XXI. Korps Direktion Telatyn—Dolgobyczew
XI. Korps Richtung Uhnów
IX. Korps auf Rawa Ruska
X. Korps südlich anschließend auf Magierów und Wiszenka Ml.
XII. Korps blieb in der Gegend von Janów.
Nach dem Falle von Mikolajów wurde die 8. Armee mit Nachtmarsch
nördlich verschoben und es gelangten am 6. Sept.:
VII. Korps nach Zimnawóda— Basiówka
VIII. Korps nach Solonka—Zagórze
XXIV. Korps Mikolajów.
7*
100
Die zweite Schlacht.
Vom 6. Sept. an entwickelten sich die bereits geschilderten Kämpfe, und
schon an diesem Tage wurden die Angriffe unserer Truppen dem r. IX. und
X. Korps sehr empfindlich.
Bis 7. Sept. mittags machten unsere Angriffe bei Rawa Ruska, Magierów
und Wiszenka den Befehl an die r. 5. Armee nötig, möglichst bald der
r. 3. Armee zu Hilfe zu kommen. Nachmittags meldete die 3. Armee, daß
die Kämpfe äußerst hart werden, besonders bei Rawa Ruska. Ebenso wurden
auch bereits nachmittags die Angriffe unserer Truppen bei Lelechówka und
südlich für die Russen äußerst unangenehm. Alle r. Armeen erhielten nun
den Befehl, ihre Aktionen intensiver zu gestalten.
Bis zum 7. abends hatten die r. 9. und 4. Armee gegenüber unserer
i. Armee einige kleine Fortschritte gemacht, doch waren sie im allgemeinen
nicht über die Linie Chodel—Wilkolaz—2olkiewka hinausgekommen, öst-
lich anschließend stand die r. 5. Armee beiderseits Zamosc, hatte aber mit
dem Angriffe noch nicht begonnen.
Die Lage am 7. September abends.
In zwei Schlachttagen hatte sich das Bild der Lage bei uns wesentlich
geändert. Wenn vor 48 Stunden noch der Gedanke vorwaltete, daß der
Feind den Angriff zunächst gegen die 3. Armee fortsetzen würde, zeigte sich
nun, daß er seine Kräfte in nordwestlicher Richtung verschoben hatte. Aller-
dings wußte man auch jetzt noch nicht, wie weit der Gegner mit seinem
XXI. und XI. Korps nördlich ausgriff.
Ursprünglich war gedacht, daß die 4. Armee in den Kampf der 3. Armee
eingreifen sollte. Man hatte dabei gehofft, daß es der 4. Armee vielleicht
gelingen würde, den Flügel des Feindes zu umfassen. Dies war aber nicht
zustande gekommen. Die 4. Armee war auf eine starke Front getroffen, und
schon machten sich Anzeichen einer Umfassung ihres Nordflügels durch den
Feind geltend. Ganz unklar jedoch war die Lage im Rücken der 4. Armee
bei Zamosc. Unser II. Korps sollte den Gegner dort zurücktreiben und wo-
möglich auch der 1. Armee Hilfe bringen; es hatte aber selbst bereits einen
schweren Stand.
Somit war es schon ziemlich klar, daß am Nordflügel der Schlacht auf
eine siegreiche Entscheidung nicht mehr gerechnet werden konnte. Die
4. Armee erhielt daher am 7. abends den Befehl (Op.-Nr. 1712; C. IV., S. 665,
und A, S. 315), dem von Lemberg nordwestlich geführten feindlichen An-
griffe frontal entgegenzutreten, den linken Flügel möglichst zu verstärken
und zähesten Widerstand zu leisten, wenn sie selbst nicht vorwärts kommen
könne. Die 3. Armee sollte in den Kampf der 4. Armee flankierend ein-
greifen und womöglich gegen Nord einschwenken. Die 2. Armee hatte am
8. Sept. den Angriff aus der Wereszycalinie vom südlichen Flügel zu be-
ginnen und mindestens die Linie Stawczany—Mostki—Dornfeld zu erreichen.
Damit hatte der Grundgedanke der Operation vollkommen gewechselt,
aber der neue Gedanke konnte ebensowenig zum Durchbruche gelangen wie
Der Beginn der Schlacht, 6. und 7. September.
IOI
der frühere. Denn unserer 3. Armee stand gleichfalls eine geschlossene Front
gegenüber, und die 2. Armee fand nicht den nötigen Entwicklungsraum, um
den Flügel des Feindes umfassen zu können. Auch an der Kraftverteilung
ließ sich nichts mehr ändern.
Die Fortsetzung der Schlacht am 8. und 9. September.
2. Armee.
8. September.
Der Aufmarsch an der Wereszyca war noch nicht vollendet, als die
Armee schon den Angriffsbefehl erhielt. Das VII. Korps war, wie bekannt,
seit der Auswaggonierung nicht einen Augenblick zur Ruhe gekommen. Am
6. war es an der Wereszyca eingetroffen, am 7. hatte es bereits die jen-
seitigen Höhen in Besitz zu nehmen. Das IV. Korps war erst bei Rudki
in Versammlung. Aus diesen Gründen bat das 2. AK., den Angriff auf den
9. zu verschieben, doch beließ das AOK. den schon gegebenen Befehl. Die
Folgen dieser Eile traten sofort ein.
Das VII. Korps sollte mit dem Angriffe beginnen, das XII. sich sodann
anschließen. Infolge der Raschheit in der Durchführung fehlte es von An-
fang an Einheitlichkeit und an der nötigen Verbindung zwischen den Ge-
fechtsgruppen. Das IV. Korps konnte erst nachmittags auf dem Gefechts-
felde eintreffen und, um nicht von Haus aus umfaßt zu werden, mußte sich
das VII. Korps weit gegen Süd ausdehnen und konnte nur eine lockere
Formation annehmen.
Die 17. ID. ging über Czulowice—Einsiedel, die 34. ID. über Komarno—
Humieniec, die halbe 20. HID. über Andryanów—Horozanna Wk. vor. Der
Feind stand in der Linie Einsiedel—Sroki—Rumno—Horozanna Wk.
Im Laufe des Vormittags rückte das IV. Korps bis in die Linie Ko-
marno—Lowczyce und sollte nachmittags auf dem Gefechtsfeld eintreffen.
Gleichzeitig wurde das Vorgehen der verstärkten 38. HID. von Terszaków
über den Dnjestr Richtung Ryczychów erwartet. Bevor aber noch das
IV. Korps eingreifen konnte, wurde die dünne, unzusammenhängende Ge-
fechtslinie des VII. Korps vom Feinde durchbrochen und umfaßt, die 17. ID.
ging nach Czulowice, die 34. nach Komarno, die 20. HID. nach Podzwierzy-
niec zurück, und auch beim XII. Korps erfolgte ein Rückschlag.
Dieses hatte erst spät den Befehl erhalten, über die Wereszyca vor-
zugehen. In der Nacht erreichten die Truppen die Marschziele jenseits des
Flusses. Als in den Morgenstunden die Vorrückung der 17. ID. gegen Ein-
siedel erfolgte, wurde der Angriff aufgenommen. Infolge der raschen Bereit-
stellung fehlte es auch hier an Einheitlichkeit und Zusammenhang. Die
16. ID. ging nördlich, die 35. ID. südlich Lubien Wk. vor. Der Feind
hatte sich am Waldrande eingegraben und mußte erst vertrieben werden.
Die 16. ID. hatte für den linken Flügel Angriffsdirektion Trig. 315
Stawczany, also etwas weit nördlich, wodurch in der Vorrückung ein Aus-
102
Die zweite Schlacht.
einanderziehen erfolgen mußte. Auch blieb die 35. ID. in den Waldungen*
bei Burcze zurück. Dadurch trat eine Lücke ein, in die mittags Teile der
Ii. ID. eingesetzt wurden. Teile der 35. ID. erreichten um ca. 4h 11m. die
Linie Karolówka—Dçbianka. Aber der Feind, der von Serdyca zum Gegen-
angriffe vorging, brachte 11. und 35. ID. zum Rückzüge. Sie gingen nach
Burcze und Lubien Wk., Teile auch auf das westliche Wereszycaufer zurück.
Die 16. ID., welche im Anschluß an das III. Korps die Gegend von
Ferdynandówka erreicht hatte, mußte nach Kiernica und Trig. 296 zurück-
gehen.
So stand also nun am 8. abends das IV. Korps allein, und zwar auf
den Höhen östlich Komarno und Lowczycze, den rechten Flügel zur Um-
fassung südlich Tartarynów ausgreifend. Die 38. HID. hatte zwar den
Dnjestr überschritten, war aber über Powerchów—Kolodruby nicht hinaus-
gekommen.
9. September.
Das IV. Korps ging zum Angriffe vor, die 32. ID. beiderseits Rumno,
31. ID. und Teile der 20. HID. auf Horozanna Wk., 43. LID. südlich aus-
greifend über Powerchów, wo der Feind erst aus den Waldungen vertrieben
werden mußte. Der Feind verteidigte überall zähe seine Positionen, und
erst in den Nachmittagsstunden gelang es, eine Umfassung gegen Horo-
zanna Wk. geltend zu machen.
Die 38. HID., verstärkt durch die bei ihr befindlichen Teile der 20. HID.
und 40. LstBrig., führte den Angriff gegen Ryczychów, welcher Ort aber
nicht genommen werden konnte. Am rechten Flügel nahm die 40. LstBrig.
Trig. Höhe 288, verlor sie aber wieder. Sie hielt sich am Waldrande west-
lich davon.
Mittlerweile waren auch VII. und XII. Korps wieder zum Angriffe
vorgegangen.
Beim VII. Korps hatte die neuerliche Bereitstellung der Truppen bei
Czulowice und bei Jakimczyce lange gedauert. Die 17. ID. erreichte mittags
den östlichen Rand des Waldes bei Czulowice. Die 34. ID. kam nicht weit
über Trig. 286 hinaus.
Hingegen war die Vorrückung des XII. Korps glatt und mit geringen
Kämpfen vor sich gegangen. Die 16. ID. erreichte die Linie Trig. 315
Stawczany-Waldrand westlich Polanka, die 11. ID. den Waldrand bei
Karolówka und Dçbianka, in welcher Linie von beiden Divisionen nach-
mittags starke Feindangriffe abgewiesen wurden. Die 35. ID. war zwischen
Ii. und 17. ID. etwas zurückgeblieben und die Verbindung zwischen den
Divisionen dortselbst nur notdürftig hergestellt.
Endlich in den späten Nachmittagsstunden gelang es dem IV. Korps
nach schweren und verlustreichen Kämpfen, den Feind aus Humieniec, Ost-
teil Rumno und Horozanna Wk. endgültig zu werfen, und damit war ein
wichtiger Schritt nach vorwärts getan.
Die Fortsetzung der Schlacht am 8. und 9. September.
103
Noch am Abend erfolgte ein Rückschlag beim XII. Korps, wo neuer-
dings von Serdyca aus der Feind zwischen 11. und 35. ID. in den Wald ein-
drang und Teile beider Divisionen zum Rückzug auf Lubien Wk. und Ml.
brachte. Nördlich Karolówka hielt sich die Front des Korps unverändert.
Eine wesentliche Störung trat nicht ein.
3. Armee.
8. September.
Das III. Korps nahm die Vorrückung mit cier 28. ID. längs der Bahn,
mit der 6. ID. längs der Chaussee auf. 22. LID. war vorläufig Armee-
reserve bei Gródek Jag. Südlich der Chaussee vertrieb die 11. Brig, den
Feind aus Kiernica und von den nördlichen Höhen. Die 12. Brig, nahm
Gródecka Ga. Trig. 313. Der Versuch, nachmittags über diese Höhe noch
weiter vorzudringen, mißlang. Überall stand der Feind in vorbereiteten
Stellungen, die frontal angegriffen werden mußten. Die 28. ID. nahm nach
hartem, wechselvollem und verlustreichem Kampfe, in welchen auch drei
Baone. und die Artillerie der 22. LID. eingesetzt wurden, die Orte Zuszycze,
Powitno und den Wald südöstlich. Nachmittags wurde die 22. LID. dem
III. Korps zur Verfügung gestellt und sollte am südlichen Flügel in Ver-
bindung mit der 6. und 16. ID. eingesetzt werden. Der Angriff mußte aber
auf den nächsten Tag verschoben werden.
Vom XI. Korps hatte die 44. LID. vormittags den Feind aus Otten-
hausen vertrieben und dann in schwerem Kampfe um 5 h nm. Wielkopóle
genommen. Sie setzte den Angriff unentwegt fort, drang abends sogar noch
in Rottenhan ein, mußte aber diesen Ort wieder aufgeben. Die 30. ID.
konnte die Vorrückung im dichten Wald und bei fortgesetztem feindlichen
Widerstande nur langsam durchführen. Speziell die Mitte und der rechte
Flügel konnten nur äußerst langsam Raum gewinnen, während der linke
Flügel bereits vormittags Zalesie erreichte. Ca. 5 h nm. erreichte auch das
Gros der Division den östlichen Waldrand und befand sich dort einer
festungsartigen Stellung des Feindes bei Stradcz gegenüber. Teile der
93. LstBrig. wurden zur Herstellung der verlorengegangenen Verbindung
zwischen 44. LID. und 30. ID. eingesetzt. Die 11. MBrig. blieb Korps-
reserve und erreichte Wielkopóle.
Die 23. HID. hatte die Vorrückung ebenso wie der linke Flügel der
30. ID. rascher durchführen können und griff bereits mittags die feindlichen
Stellungen bei Janów an, unterstützt durch ein Baon. der 88. LschBrig. Nach
hartem Kampfe wurde Janów genommen, in den Abendstunden aber wieder
verloren.
Die 88. LschBrig. hatte in schwerem Kampfe vormittags Lelechówka
genommen und setzte den Angriff Richtung Walddorf unter Sicherung gegen
Stawki fort. Sie stand in Fühlung mit der 25. ID., deren rechter Flügel über
Höhe Kubyn Trig. 394 Richtung Majdan anzugreifen hatte. Der gemein-
same Ansturm unserer Wiener und Tiroler Regimenter zerriß die Linie des
1.04
Die zweite Schlacht.
Feindes an einem empfindlichen Punkte, nämlich an der Grenze zwischen
r. 3. und 8. Armee. Leider aber waren unsere Truppen in dem nahezu 10 km
breiten Räume kaum mehr als zusammen eine Infanteriedivision stark, in
dem schwierigen Waldgelände nicht ausreichend, um den weiteren, allerdings
nur mehr partiellen Widerstand rasch genug zu überwinden. Nennenswerte
Reserven standen nicht zur Verfügung, Artillerieunterstützung konnte nicht
stattfinden, und so mußten die mühsam gewonnenen Vorteile ungenützt
vorübergehen.
9. S ep t ember.
Vom III. Korps nahm die 22. LID. bereits in den Morgenstunden
die Trig. Höhe 315 Stawczany. Es wurde ihr die 108. LstBrig. zugewiesen,
eine weitere Vorrückung gelang aber nicht mehr, weil auch die Truppen
rechts und links nicht vorwärtskamen. Die 6. ID. hatte sich langsam auf
gleiche Höhe vorgearbeitet, erreichte eine Linie von der Höhe Trig. 315
gegen Nord und stand den starken feindlichen Stellungen bei Bartatów
gegenüber. Nördlich von ihr hatte die 28. ID. gemeinsam mit der 44. LID.
den Ort Zaluze genommen. Ein Versuch, den Ort Bojana zu nehmen, war
gescheitert, ebensowenig war an diesem Tage eine Vorrückung südlich der
Bahn gelungen.
XI. Korps. Der rechte Flügel der 44. LID. hatte gemeinsam mit der
28. ID. mittags Zaluze genommen und sollte dann gegen Mszana vor-
dringen. Dies gelang aber nicht. Der linke Flügel hätte zusammen mit
Teilen der 30. ID. Rottenhan nehmen sollen. Auch dies wurde nicht möglich.
Die 44. LID. mit den bei ihr eingesetzten Teilen der 14. MBrig. war durch
die vorangegangenen schweren Kämpfe schon nahezu ausgeblutet.
Die 30. ID. hatte eine mächtige feindliche Artilleriewirkung gegen sich,
die jeden Versuch einer Vorbewegung niederhielt. Die Artillerie war bei
Wielkopóle zusammengezogen, doch konnten die feindlichen Batterien nicht
erkundet und daher auch nicht niedergehalten werden. Die 23. HID. war
in Janów wieder eingedrungen, konnte aber infolge der überwältigenden
feindlichen Artilleriewirkung den Ort nicht gänzlich von den Russen säubern.
Ihre Artillerie hatte zu wenig Entwicklungsraum und fand gleichfalls nicht
die zu bekämpfenden Ziele. Die 88. LschBrig. hatte in Fühlung mit der
25. ID. Bulawa genommen, doch gelang es ihr nicht, bis Walddorf vorzu-
dringen. Der Feind hatte bereits Reserven in diesem gefährdeten Räume
zusammenzubringen vermocht.
4. Armee.
8. September.
Vom IX. Korps war der rechte Flügel der 25. ID., wie schon erwähnt,
in erfolgreichem Angriffe Richtung Kubyn, der linke Flügel zur Unter-
stützung der 10. ID. im Angriffe gegen Wereszyca, welcher Ort mittags ge-
nommen wurde. Weiter erhielt dieser Teil der 25. ID. die Direktion auf
Wiszenka Wk., während die 10. ID. den Befehl hatte, die Höhe Wywszana
Die Fortsetzimg der Schlacht am 8. und 9. September.
105
zu nehmen. Die Angriffe gelangen aber mangels irgendeiner Artillerieunter-
stützung nicht, die Kämpfe wogten hin und her, im Waldterrain zerrissen
die Verbände immer wieder. Die 26. LID., welche Wiszenka Ml. und die
Höhe Wywszana von West her angreifen sollte, kam nicht vorwärts, mittags
ging sie wieder auf Kruszyny zurück. Die Truppen waren schon durch die
vorhergegangene lange Kampfperiode und die anstrengenden Märsche außer-
ordentlich erschöpft.
Nördlich hatte auch das VI. Korps, und zwar der rechte Flügel der
39. HID., sich dem beabsichtigten Angriff e gegen Wiszenka Ml. angeschlossen.
Nach dem Rückschläge bei der 26. LID. mußte der Flügel der 39. HID. zurück-
gebogen werden. In der Front des VI. Korps hatten sich wechselvolle Kämpfe
abgespielt, der linke Flügel der 39. HID. war durch schweres Artilleriefeuer
etwas zurückgedrückt worden, auch die 15. ID. hatte Biala Piaskowa auf-
geben müssen, doch wurden die Stellungen gehalten. Bei der 27. ID. war
gemeinsam mit der 41. HID. der Angriff befohlen worden, doch kam dieser
nicht vorwärts. Aus der Gegend von Magierów machte sich eine mächtige
Artilleriewirkung geltend. Nachdem alle Angriffsversuche gescheitert waren,
erhielt die Division nachmittags den Befehl, sich zu langdauerndem Wider-
stand einzurichten. Heftige feindliche Angriffe, die sich bei Magierów ent-
wickelten, wurden zurückgewiesen.
Vom XVII. Korps hatte die 41. HID. den Angriffsbefehl erhalten,
konnte aber die Höhe Komanicka Trig. 283 nicht nehmen. Am nördlichen
Flügel bei Pogorzelisko war eine Lücke zur 19. ID. entstanden. Am Abend
gelang es dem Feinde, sich dort einzuschieben. Im übrigen behaupteten
41. und 19. ID. ihre Stellungen. Weiter nördlich bei Senkowice und Rzyczki
wurde gleichfalls schwer und mit wechselndem Erfolge gekämpft. Es standen
dort Marschbataillone, Teile der 4. und 6. KD. und Teile der 3. ID. ver-
mengt im Kampfe. Nachmittags hatten unsere Truppen Richtung Zabórze
einen größeren Angriff versucht, doch war dieser im massigen Artilleriefeuer
des Feindes zusammengebrochen, unsere Truppen gingen in ihre früheren
Stellungen zurück. Nun versuchte der Feind einen starken Gegenangriff von
Hujcze her, wurde aber gleichfalls abgewiesen. Von Michalówka kam der
Feind nahe an Rzyczki heran. Dort war unsere Stellung scharf nach West
zurückgebogen. Sechs Baone. der 3. ID. standen in Hrebenne als Korps-
reserve.
Die 8. ID. war im Rückmärsche von Laszczów und erreichte die Gegend
von Wierzbica. Das II. Korps war in eine Stellung nördlich Tomaszów
zurückgegangen.
9. September.
Das II. Korps wurde bei Tomaszów heftig angegriffen und zum
Rückzug in die Linie Narol m.—Lubycza Królewska genötigt.
Die 8. ID. wurde bei Machnow angegriffen und ging nach schwerem
Kampfe auf Lubycza Królewska zurück. Bei Teniatyska hielten die 10. und
io 6
Die zweite Schlacht.
il. KD., anschließend bei Kornie und Hrebenne die als Korpsreserve aus-
geschiedenen Teile der 3. ID.
XVII. Korps : Bei Rzyczki, Czarna und Senkowice, dann auch weiter
südlich von der 19. ID. bis Lipnik wurden die Stellungen gehalten. Zwischen
19. und 41. ID. war aber der Feind weiter vorgegangen und es begann eine
Umfassung der 41. HID. Die Lage wurde zeitweise kritisch, doch wurden
die Feindangriffe trotzdem restlos abgewiesen. Auch die Angriffskraft des
Feindes war schon zu Ende.
Vom VI. Korps hatte die 27. ID. die 41. HID. mit Reserven und
Artillerie unterstützt. Starke russische Angriffe richteten sich gegen die 15.
und 39. ID., wurden jedoch gleichfalls abgewiesen. Der rechte Flügel der
39. HID., welcher das IX. Korps hätte unterstützen sollen, kam nicht
vorwärts.
Das IX. Korps wiederholte seine Angriffsversuche gegen Wiszenka
Mi. und Wywszana. Die 26. LID. konnte aber aus dem Räume bei Kruszyny
nicht vorkommen. Der 10. ID. gelang es, von Süd her, unterstützt durch
Teile der 25. ID., bis nahe an Wiszenka Wk. heranzukommen, doch ver-
mochten sich die Truppen dort nicht zu behaupten und gingen wieder um
einiges zurück.
Die Russen am 8. und 9. September.
(D., S. 249; L. gr. gu., S. 257—260.) Am 8. Sept. konnten r. 9. und
4. Armee in der Front zwar einige kleine Fortschritte erzielen, gelangten
aber trotz großer Anstrengungen nicht über die Linie Höhen südlich Opole—
Bychawa hinaus. Beide Armeen meldeten, daß trotz der schweren Verluste
ihrer Truppen ein Erfolg nicht zu erzielen sei. Hierauf erhielten beide den
Befehl, am 9. Sept. ihre Stellungen zu halten, Teile der 4. Armee sollten zur
Unterstützung der 5. Armee gegen Zamosc eingreifen. Am 9. gelang es aber
der r. 4. Armee mit Teilen der 5. Armee, den offenen Flügel der Haupt-
gruppe Unserer 1. Armee bei Dragany zu umfassen und ihm eine Niederlage
zuzufügen. Auf den Höhen südlich Turobin kam der Angriff des rechten
Flügels der 5. Armee vor unserem X. Korps zum Stehen.
Der linke Flügel der 5. Armee, V. und XVII. Korps, ging Richtung
Tomaszów vor und drängte unser II. Korps, welches kaum mehr 10.000
Mann stark war, zurück.
Die r. 3. Armee kam in der Front nicht vorwärts und ihre Lage wurde
zwischen Wiszenka und Lelechówka äußerst kritisch. Nur der rechte Flügel
der 3. Armee (XXI. Korps) konnte von Telatyn über Uhnów Direktion
Lubycza Królewska vordringen. Die am 9. Sept. wiederholten Angriffe der
3. Armee reüssierten nicht, zwischen 3. und 8. Armee entstand mittags die
Gefahr eines Durchbruches, der durch Einsatz von drei Kavalleriedivisionen,
später auch durch andere, der Front entnommene Reserven abgedämmt
wurde. Die Situation der 3. Armee wurde immer schwieriger, es bestanden
nur noch Hoffnungen auf Fortschritte im Räume nördlich Rawa Ruska.
Die Fortsetzimg der Schlacht am 8. und 9. September. IO 7
Die r. 8. Armee gelangte durch unsere heftigen Angriffe in der Front
und ganz besonders am linken Flügel in eine äußerst kritische Lage. Beson-
ders machte sich die Gefahr einer Umfassung durch unser IV. Korps mit
gleichzeitiger Bedrohung durch unsere 38. HID. vom Dnjestr her geltend.
Das XXIV. Korps wurde kräftig zurückgeworfen und mußte in eine Stellung
bei Szczerzec zurückgenommen werden. Gleichzeitig machte sich die Gefahr
einer Trennung von der 3. Armee höchst empfindlich geltend. Die Russen
betrachteten die Lage der 8. Armee am 9. Sept. abends als äußerst gefährdet.
Die Lage am 9. September abends.
Auf unserer Seite war es nun klar, daß der Feind alles darangesetzt
hatte, um seine Kräfte von der früheren Ostfront an die Nordgruppe anzu-
schließen. Durch eine aufgefangene Radiodepesche wußte man jetzt sogar,
daß das 1*. XXI. Korps von Steniatyn die Direktion auf Lubycza Królewska
in den Rücken unserer 4. Armee erhalten hatte.
Unsere 1. Armee mußte am 9. abends in die Linie Annopol—Polichna—
Frampol zurückgenommen werden. Trotzdem blieb unser AOK. in Anbe-
tracht eines am Südflügel vielleicht doch noch möglich werdenden Erfolges
bei dem Entschlüsse, daß unsere 4., 3. und 2. Armee den Angriff in der
allgemeinen Richtung Lemberg konzentrisch weiterführen sollten.
Es hatte sich nun alles auf die Frage zugespitzt, ob ein Erfolg am Süd-
flügel noch zu einer Zeit zustande kommen könnte, bevor unsere 1. und
4. Armee zum weiteren Rückzüge genötigt sein würden. Diese Frage mußte
sich aber zu unseren Ungunsten entscheiden, weil unser linker Heeresflügel
zwischen Tomaszów und Annopol keine Geschlossenheit aufwies und der
Feind demnach die Freiheit hatte, sich zwischen unserer 1. und 4. Armee
einzuschieben.
Das Ende der Schlacht. 10. und 11. September.
2. Armee.
10. September.
Nachdem der südliche Flügel des Feindes nun geworfen war, sollten
die Korps in die Linie Obroszyn—Nawarya—Wolków vorrücken, unter
Sicherung rechts. Mikolajów war angeblich vom Feinde frei, doch war eine
feindliche Kolonne von Stryj dorthin im Marsche gemeldet.
Das IV. Korps sollte mit der Vorrückung beginnen, und zwar hatte
die 31. ID. in die Linie Rosenberg—Piaski, die 43. LID. nach Dornfeld zu
gelangen. Die 32. ID. sollte zuerst die vom Feinde noch besetzt vermuteten
Orte Sroki und Humieniec nehmen und sodann dem Korps folgen. Die bei
ihr und bei der 31. ID. befindlichen Teile der 20. HID. sollten bei Krasów,
also am rechten Flügel der 43. LID., zusammengeführt werden.
Bei Piaski und Dornfeld stellte sich eine russische Schützenbrigade der
Vorrückung entgegen, so daß 32. und 43. LID. nachmittags angreifen muß-
io8
Die zweite Schlacht.
ten. Abends wurde der Feind zurückgeworfen und das IV. Korps erreichte
die Linie Szczerzec—Dornfeld, in welch letzteren Ort der linke Flügel der
43. LID. eindrang. Die 32. ID., die Sroki und Humieniec geräumt fand,
kam an diesem Tage überhaupt nicht ins Gefecht. Nachmittags mußte sie
zum Schutze gegen eine drohende Umfassung an den rechten Flügel der
31. ID. gezogen werden. Die 38. HID. war nachmittags im Angriffe gegen
Trig. Höhe 280 bei Demnia. Aus Mikolajów machte sich eine Gegen-
wirkung geltend.
Dem VII. Korps war die Vorrückung zunächst in die Linie Mali-
nówka—Trig. Höhe 300 und südöstlich davon anbefohlen. Noch im Laufe
der Nacht zum 10. hatte die 17. ID. die Orte Einsiedel und Serdyca
genommen. Die 34. ID. erreichte vormittags Nikonkowice. Nachmittags
wurde die Vorrückung fortgesetzt und gegen 6 h nm. die Linie Malinówka—
Trig. 300 erreicht, wo sich bereits heftiges Artilleriefeuer von Pustomyty
her geltend machte. Für die Durchführung eines Angriffes blieb an diesem
Tage nicht mehr Zeit, auch war der linke Flügel des IV. Korps, in dessen
Kampf nordwestlich Piaski die 34. ID. eingriff, noch zurückgeblieben.
Beim XII. Korps hatte die 16. ID. in den Morgenstunden die Vor-
bewegung aufgenommen und drang trotz heftigen feindlichen Artillerie-
feuers unaufhaltsam vor und in den Ort Stawczany ein. Ganz konnte aber
dieser Ort dem Feinde nicht weggenommen werden, nachdem das III. Korps
etwas zurückgeblieben war.
Gleichzeitig hatte die 11. ID. Polanka und Mostki genommen. Die
35. ID. war anschließend in die Linie Malinówka—Trig. 300 gekommen,
wo sie mit der 17. ID. vermischt stand. Bei der 11. ID. machte sich, ebenso
wie bei der 35., das Artilleriefeuer von Glinna und Pustomyty her geltend.
Um 9h abends erhielt die 35. ID. noch Befehl, Lesniowice zu nehmen, doch
gelang dies erst am nächsten Vormittag.
Ii. September.
Der Angriff sollte Richtung Lemberg fortgesetzt werden. Die Vor-
rückung sollte wieder seitens des IV. Korps beginnen und die anderen Teile
sich nach Maßgabe der Vorbewegung anschließen. Der Kampf entbrannte
aber schon zeitlich früh auf ganzer Linie.
XII. Korps: Der südliche Flügel der 16. ID. hatte den Angriff fort-
gesetzt, die Lage wurde aber immer schwieriger und im Laufe des Nach-
mittags ging dieser Flügel wieder zurück. Die 11. ID. war bis an die ver-
sumpften Niederungen vorwärts Glinna herangekommen. Als sich nach-
mittags starke feindliche Gegenangriffe an der Bahn geltend machten, wurde
mit dem Südflügel der 16. ID. auch der Nordflügel der 11. ID. etwas zurück-
gedrückt. Schon um die Mittagszeit war an alle Divisionen der Befehl er-
gangen, die erreichten Stellungen zu halten und keine Vorstöße mehr zu'
unternehmen. Der bei E.-St. Stawczany vorgedrungene Feind wurde noch
zurückgeworfen, die Stellungen sodann gehalten.
Das Ende der Schlacht. 10. und 11. September. 109
Die 35. ID. hatte vormittags Lesniowice genommen und Teile waren
sogar in Pustomyty eingedrungen. Dann wurde sie aber hart bedrängt und
zurückgeworfen. Dem initiativen Eingreifen der Korpsreserve gelang es,
Lesniowice zu halten, aber das Gros der Division ging bis auf die Höhe
Trig. 300 zurück. Inzwischen hatte aber die 17. ID. des VII. Korps erfolg-
reich eingegriffen und dem Feinde ein Vordringen über die Bahn südlich
Pustomyty verwehrt. Die Stellungen wurden auch hier gehalten. Anschlie-
ßend an die 17. ID. war die 34. ID. bis Za Grobla vorgedrungen und stand
im Anschluß an das IV. Korps.
Das IV. Korps hätte aus der erreichten Linie Piaski—Dornfeld um
7 h früh gegen Lemberg vorgehen sollen. Im Laufe der Nacht war aber eine
Wendung eingetreten. Die 43. LID. hatte Dornfeld verloren, und aus dem
Räume Dornfeld—Lindenfeld und südlich machte sich jetzt ein starker Druck
des Feindes fühlbar. Deshalb mußte Front gegen Ost genommen werden,
die beiläufig in der Linie Ostteil Piaski—Trig. 280 bei Demnia und südlich
davon verlief. Die 32. ID. wurde über Czerkasy am rechten Flügel der
43. LID. eingesetzt, Direktion Krasów. Es kam zu erbitterten Kämpfen
östlich Horbacze und auf Höhe Trig. 280, welch letztere von der 20. HID.
allen Anstürmen des Feindes gegenüber behauptet wurde.
Von der 38. HID. griffen ein Hon ved- und ein Landsturmregiment Miko-
lajów an, wurden aber zurückgeworfen. Sie setzten sich dann auf Trig.
Höhe 288 bei Nowosiólki Oparskie fest. Andere Teile, die weiter nördlich
vorgingen, wurden durch einen Reiter angriff zum Zurückgehen bis zur Bahn
veranlaßt. Der Kosakenangriff brach dann im Artilleriefeuer zusammen.
So war also der Angriff bei den dem IV. Korps unterstellten Truppen
trotz heißen Bemühens und schwerer Verluste am 11. Sept. nicht durch-
gedrungen. Im Laufe des Nachmittags erhielten die Truppen den Befehl,
ihre Stellungen vorläufig zu halten und sich zu einem Nachtangriffe vorzu-
bereiten. Da kam überraschend der Befehl für den allgemeinen Rückzug.
j. Armee.
10. September.
Das III. Korps hatte D^brówka und Bartatów zu nehmen, die
44. LID. im Anschluße daran Mszana. Die 22. LID. ging auf D^brówka
vor, kam nur langsam vorwärts, weil die 16. ID. angeblich zurückgeblieben
war. Im Laufe des Nachmittags war der Befehl gekommen, den Angriff
rücksichtslos durchzuführen, und es gelang auch Teilen, den Feind aus D^-
brówka zu vertreiben. Der Ort konnte aber nicht behauptet werden und
die Division ging wieder ca. 1000 Schritte zurück. Die 6. ID. ging auf
Bartatów vor, doch kam der Angriff nur sehr schwer vorwärts, weil jener
der 22. nicht vom Flecke kam.
Immer war der Nachbar schuld, wenn ein Angriff nicht gelang. Das
VI. Korps hätte leicht vorwärts kommen können, wenn das IX. vorwärts
gekommen und das III., wenn das XII. durchgedrungen wäre und umgekehrt
no
Die zweite Schlacht.
war es ebenso. Auch bei den anderen Korps war die Lage ähnlich. Überall waren
die Angriffe frontal und gleich schwierig. Der größte Nachteil lag aber nicht im
Widerstande des Feindes, sondern im Mangel ian Einheitlichkeit unserer Angriffs-
aktionen. Nahezu überall wurde brigade- und gruppenweise vorgestürmt und
zurückgegangen. Auf unseren breiten Angriffsfronten zersplitterte sich die
Wirkung unserer Artillerie, niemals blieb Zeit für eine einheitliche und groß-
angelegte Artilleriemassenwirkung, wie Angriffe gegen geschlossene Fronten
dies erfordern. Immer waren die Angriffe sofort durchzuführen, immer
waren die Nachbarn mitbeteiligt und keine Zwischenstelle hätte die Ver-
antwortung für eine Verzögerung übernehmen können. Wenn auch die große
Idee dahin ging, den Angriff vom südlichen Flügel aus geltend werden zu
lassen, so brachten doch die zahlreichen Schwankungen auf den ausgedehnten
Kampffronten auch die unausgesetzte Notwendigkeit zu Angriffen und
Gegenangriffen in allen Abschnitten.
Die 6. ID. behauptete sich nach wechselvollem Kampfe bei Wola Bar-
tatówska. Die 28. ID. hatte starke Feindangriffe abzuwehren und führte
weiterhin einen stehenden Kampf bis Nachmittag. Dann sollte sie die
44. LID. im Angriff auf Mszana unterstützen. Der Versuch scheiterte, und
mit schweren Verlusten kehrten die Truppen in ihre Ausgangsstellungen
zurück.
XI. Korps: Die 44. LID. war im Laufe der Nacht zum 10. durch
einen feindlichen Angriff aus Mszana bis Zaluze zurückgedrängt worden.
Von Tagesanbruch an richteten sich starke Feindangriffe gegen die 44. LID.
und das III. Korps, nach Abweisung sollte Mszana genommen werden. Der
Angriff kam aber nicht über Bojana hinaus. Angriffe gegen Rottenhan ge-
langen nicht.
Bei der 30. ID. waren keine Fortschritte erzielt worden. Die 23. HID.
war mehrmals in Janów eingedrungen, hatte aber den Ort wegen des feind-
lichen Artilleriefeuers immer wieder aufgegeben. Im allgemeinen wurde ei/i
stehender Kampf geführt, der rechte Flügel bei Janów, der linke bei Stawki,
und außerdem wurde auch noch die 88. LschBrig. bei Bulawa unterstützt.
Diese kämpfte im Anschluß an die 25. ID. des IX. Korps; der Feind hatte
an diesem gefährdeten Punkte nunmehr schon starke Reserven zusammen-
geführt und unsere Schützen hatten einen schweren Stand.
Ii. September.
Die 4. Armee hatte die Unterstützung der Angriffe ihres rechten Flügels
erbeten, es standen aber der 3. Armee keine Kräfte mehr zur Verfügung.
Die 88. LschBrig. sollte den Angriff gegen Majdan und Walddorf fort-
setzen, unterstützt durch Teile der 23. HID. Sie konnte aber keine wesent-
lichen Fortschritte mehr erzielen.
Dasselbe war auch an der übrigen Front der 3. Armee der Fall. Die
23. HID. blieb unverändert, ein bei der 30. ID. (XI. Korps) unternom-
mener Angriffsversuch scheiterte im mächtigen feindlichen Artilleriefeuer.
Das Ende der Schlacht. 10. und i /. September.
III
Die 44. LID. hatte den Angriff auf Mszana wiederholt und hiebei abermals
schwere Verluste erlitten. Die 11. MBrig. mußte bei ihr eingesetzt werden.
Vom III. Korps hatte die 28. ID. gemeinsam mit der 44. LID. den
Angriff wiederholt, stellenweise war er gelungen, dann aber wurden die
Truppen wieder geworfen. Mittags wurde der Befehl bei der 3. Armee
ausgegeben, die erreichten Linien zu halten und die Angriffe einzustellen.
Beim III. Korps und bei der 44. LID. waren die Stände bereits auf einen
kleinen Bruchteil zusammengeschmolzen. Die 6. ID. hielt Wola Bartatówska,
der weiter vorn befindliche rechte Flügel mußte etwas zurückgehen. Die
22. LID. hatte abermals vergeblich einen Angriff versucht, im Laufe des
Vormittags war ihr linker Flügel gemeinsam mit Teilen der 6. ID. zurück-
gegangen. Befehlsgemäß wurden auch hier mittags die weiteren Angriffs-
versuche eingestellt und die erreichten Linien gehalten.
4. Armee.
10. September.
Die bisher bei Tag geführten Angriffe waren nicht gelungen, so wollte
man es jetzt mit einem Überfall in der Dunkelheit versuchen. VI., IX. Korps
und der rechte Flügel des XVII. Korps sollten zwischen 3 und 4 h morgens
den Überfall ausführen.
Die 39. HID. gewann bei Zagórze Raum, doch blieb abermals die
26. LID. zurück. Trotzdem wurde die Fortführung des Angriffes befohlen,
er gelang aber nicht, es wurden die erreichten Linien bei Zagórze behauptet.
Die Stände waren auf die Hälfte zusammengeschmolzen. Südlich davon war
die 26. LID. des IX. Korps im Angriffe nicht vorwärts gekommen und
nachmittags wieder in die Stellungen bei Kruszyny zurückgegangen. Hin-
gegen war der 10. ID. ein wichtiger Erfolg geglückt, Sie hatte um 5 h früh
die Höhe Wywszana genommen. In den Wäldern dortselbst setzten sich aber
die Kämpfe mit großer Heftigkeit fort. Rechts von ihr standen Teile der
25. ID. in schwerem Kampf, und die 10. ID. sollte ihnen helfen. In wechsel-
vollem Ringen gelang es aber nicht mehr, entscheidende Fortschritte zu
machen. Auch der linke Flügel konnte nicht vorwärts kommen.
Die nördlichen Teile des VI. Korps, 15. und 27. ID., waren im An-
griffe nahe an die feindlichen Stellungen herangekommen, doch hinderte die
Artilleriewirkung des Feindes, speziell aus der Gegend von Magierów, ein
Eindringen in die russischen Stellungen. Mittags erhielten die Divisionen den
Befehl, die erreichten Stellungen zu halten. Nachmittags versuchte die 15. ID.
nochmals einen Angriff, doch gelang auch dieser nicht. So war also auch hier
der Kampf vollkommen zum Stehen gekommen.
Die 41. HID. des XVII. Korps hätte die Höhe Trig. 283 zurück-
nehmen sollen, doch gelang dies nicht. Aber auch der Feind erzielte keine
Fortschritte gegenüber dem XVII. Korps. Der nördliche Teil der Stellungen
bei Señkowice und Rzyczki wurde von unseren Truppen restlos behauptet.
II 2
Die zweite Schlacht.
Die 8. ID. war auf die Höhen südlich Lubycza Królewska zurückgegan-
gen und hatte sich dort eingegraben. Die Lücke zwischen dieser und dem
linken Flügel des XVII. Korps war nur mehr notdürftig durch Kavallerie
und Teile der 3. ID. gesichert. Westlich der 8. ID. hatte das II. Korps
zwischen Lubycza Królewska und Narol m. Stellung genommen. Der Feind
entwickelte sich zum Angriff und holte zu einer Umfassung aus. Daraufhin
war das II. Korps genötigt, im Laufe des Tages hinter die Bahn zurück-
zugehen. Damit schien für die 8. ID. und für den linken Flügel des
XVII. Korps das weitere Halten unmöglich. Im Laufe des Nachmittags
kam auch noch Meldung, daß feindliche Kavallerie von Narol m. Richtung
Jaroslau vorgehe. Der linke Flügel der 4. Armee sollte nun in der Nacht
zum Ii. zurückgenommen werden.
Ii. September.
XVII. Korps. Die Befehle für den Rückzug des linken Flügels kamen
erst in den Morgenstunden zu den Truppen und es schien nicht ratsam,
angesichts des Feindes bei Tag aus den Stellungen zurückzugehen. So hielt
das XVII. Korps auch noch den ganzen 11. Sept. in der innehabenden Linie
aus und wies mehrere feindliche Angriffe ab. In den Abendstunden wurde
der Rückzug, vom linken Flügel beginnend, in den Raum beiderseits Poty-
licz ohne Störung durchgeführt (A., S. 327 und 350).
Für den rechten Flügel der 4. Armee wurde auch noch am 11. der An-
griff anbefohlen, um endlich den vorspringenden Teil der feindlichen Front
bei Wiszenka Ml. zu nehmen. Der 10. ID. und Teilen der 25. gelang es, bis
an die Ränder der "Waldungen südlich Wiszenka Ml. und Wk. heranzu-
kommen, doch wurden die Orte vom Feinde zähe gehalten und von unseren
Truppen weiterhin keine Fortschritte mehr erzielt. Ein Gegenangriff des
Feindes gegen die 26. LID. wurde abgewiesen.
Vom VI. Korps versuchte der rechte Flügel der 39. HID. abermals,
die 26. LID. im Angriffe zu unterstützen, doch kam dieser Angriff nicht
vorwärts.
In den Morgenstunden war zur Unterstützung des IX. Korps auch
den übrigen Teilen des VI. Korps der Angriff befohlen worden, doch konn-
ten wegen der Ermüdung der Truppen und der eingetretenen schweren Ver-
luste keine Erfolge mehr erzielt werden. Die Stellungen wurden gehalten,
und im Laufe des Nachmittags kamen bereits die einleitenden Befehle für
den in der Nacht auszuführenden Rückzug.
Skizze 3 ' Die Russen am 10. und 11. September.
(D., S. 250—253, und L. gr. gu., S. 262—265.) Nachdem am 9. Sept.
unsere 1. Armee bei Dragany umfaßt und zum Rückzüge genötigt war,
erreichten die 9. und 4. r. Armee am 10. die Linie Zawichost—Zaklików—
Janów—Frampol. Dort hatten von der 5. r. Armee die Korps XXV und
Das Ende der Schlacht.
113
XIX angeschlossen. Ihnen gegenüber befanden sich unsererseits nahezu keine
Kräfte, so daß dem Feinde der Weg über Bilgoraj offenstand.
Die anderen Teile der 5. r. Armee, Kavalleriekorps, V. und XVII. Korps
hatten am 9. Sept. unser II. Korps bei Tomaszow umfaßt und zum Rück-
züge genötigt. Am 10. hatte unser II. Korps bei Narol Miasto neuerdings
Stellung bezogen, wurde auch dort umgangen und mußte hinter die Bahn-
linie östlich Lubaczów zurückgehen. Vom Feinde erreichte das V. Korps
Cieszanów, das XVII. Korps Brusno Stare. Dadurch standen die Russen
bereits am 10. nahezu im Rücken unserer 4. Armee. Trotzdem blieb die
Lage ihrer 3. und 8. Armee, wie die Russen selbst betonen, unverändert
schwierig. An vielen Stellen der Front versuchten sie unsere Stellungen zu
nehmen, doch wurden ihre sehr harten Angriffe durchwegs abgewiesen. Am
südlichen Flügel konnte sich die r. 8. Armee nur mit Aufbietung ihrer
letzten Kräfte behaupten. Unseren Truppen war aber leider nicht beschieden,
den endgültigen Erfolg zu erreichen, denn die Entscheidung hatte sich bereits
den Russen zugeneigt.
Der Rückzug.
Unsere 2. und 3. Armee hatten bisher keinen durchschlagenden Erfolg
erzielen können, dagegen war der linke Flügel der 4. Armee schwer bedroht.
Unser II. und XIV. Korps erhielten wohl vom AOK. immer wieder Befehl,
den ihnen gegenüber befindlichen Feind zurückzuwerfen. Aber die Stände der
Truppen waren auf weniger als ein Drittel der ursprünglichen Ziffern herab-
gesunken, die Truppen durch die nahezu drei Wochen dauernden unaus-
gesetzten Bewegungen und durch die Mängel unseres Kampfverfahrens viel
zu sehr hergenommen, als daß ein Angriff dort noch in Betracht gekommen
wäre. So erwiesen sich die Hoffnungen, die das AOK. vielleicht noch auf
eine Degagierung des linken Flügels setzte, vergeblich, und es trat die Gefahr,
die aus einem Durchstoß des Feindes zwischen unserer 1. und 4. Armee
erwuchs, scharf hervor. Man konnte es nicht darauf ankommen lassen, daß
unsere Hauptkräfte von Westgalizien und weiterhin von einem Zusammen-
wirken mit den Deutschen abgeschnitten werden würden. Reserven standen
nicht mehr zur Verfügung, und so blieb dem AOK. nichts anderes übrig, als
am Ii. Sept. die Weisungen für den Rückzug auszugeben (C. IV., S. 701 und
702; spez. Op.-Nr. 1877).
Unsere 1. Armee sollte an den unteren San zurückgehen, Lezajsk, e
Sieniawa und Jaroslau sichern; die 4. Armee sollte an den Sanabschnitt
Jaroslau bis nördlich Przemysl, die 3. Armee in den Abschnitt Nowe
Miasto—Stary Sambor zurückgehen. In weiterer Folge war dann gedacht,
dem Feinde in der Linie Jaroslau—Przemysl und südlich einen direkten
Widerstand entgegenzusetzen,; während die Hauptkräfte unserer 1. und
4. Armee hinter dem San zu einem Gegenstoß aufgestellt werden sollten,
um den Feind anzugreifen, sobald er den Unterlauf des Flusses-überschreiten
würde (Op.-Nr. 1925; C. IV., S. 726).
Pitreich.
8
114
Die zweite Schlacht.
Noch im Laufe des n. hatte man gehofft, die 4. Armee in südwest-
licher Richtung geordnet zurücknehmen zu können. Die Verbindung Rawa
Ruska—Niemirów war beiläufig als Leitlinie und dabei als Rückmarschrich-
tung für das XVII. Korps gedacht. Dazu hätten aber die nördlich Rawa
Ruska befindlichen Teile der 4. Armee schon am 10. abends in die Gegend
von Potylicz zurückgenommen und aus der Front heraus Kräfte in die
Gegend von Lubaczów geschoben werden müssen. Das war nicht geschehen,
und die Folgen machten sich rasch geltend.
Am Abend des 11. Sept. erfolgte das Loslösen unserer Truppen vom
Feinde, doch mußten sich II. und XIV. Korps nahezu gleichzeitig der
ihnen drohenden Umklammerung entziehen. Durch die aus der Richtung
Cieszanów drohende Gefahr wurde nun die 4. Armee aus der beabsich-
tigten Rückzugsrichtung derart abgedrängt, daß der ganze linke Flügel eine
südliche Richtung einschlug. Die Marschkolonnen wurden dadurch voll-
kommen zusammengedrängt. Zwei andere Umstände kamen dazu und ver-
wickelten unsere, Armeen, speziell die 4., in eine Krise, die leicht zu einer
vollständigen Katastrophe hätte führen können. Es waren die Trains und
das am 12. mittags eintretende Regenwetter, die den Rückzug außerordent-
lich kritisch, gestalteten.
Unsere Trains waren fast durchwegs aus leichten, aus Galizien und
Ungarn stammenden Landesfuhrwerken formiert. Es war dies mit Rück-
sicht auf den häufig aufgeweichten tiefen Boden des Kriegsschauplatzes nötig,
die geringe Tragfähigkeit der einzelnen Fuhrwerke mußte durch ihre große
Zahl eingebracht werden. So standen hinter jeder unserer Divisionen über
1000, hinter jeder Armee insgesamt ca. 10.000 Fuhrwerke. Bei unserer,
stets nur auf Offensive gerichteten Ausbildung bestand allgemein die Neigung,
die Trains nahe^ an der Kampffront zu halten. Um einen geordneten Rück-
zug zustande zu bringen, hätte der Rückmarsch der Trains schon früher
eingeleitet werden müssen. Für die Divisionen und Korps, die über die Lage
nicht im geringsten orientiert waren, kam der Rückzugsbefehl vollkommen
überraschend. Höhererseits hatte man vielleicht bis zum letzten Moment ver-
meiden wollen, die Kampfkraft der Truppen durch vorzeitige Rückzugs-
andeutungen zu beinträchtigen. Doch erweisen sich derlei Besorgnisse niemals
am Platze. Denn immer müssen die Verhältnisse derart geregelt sein, wie
die operative Lage dies erfordert, und man muß in Mut und Ausdauer der
Truppen Vertrauen haben. Die rechtzeitige Zurückstellung eines großen
Teiles der Trains hätte sich schon auch mit anderer Begründung regeln
lassen. Die Nachteile, welche diese Unterlassung jetzt zeitigten, waren
geradezu furchtbar.
Durch das Zusammendrängen der Kolonnen, speziell bei der 4. Armee,
erfolgte ein Zusammenströmen aller Trains auf den wenigen verfügbaren
Straßen. Gleichzeitig marschierten aber auch noch überall zahlreiche Train-
teile, Verpflegs- und Munitionsfuhrwerke, die den Abmarschbefehl noch
nicht erhalten hatten, in entgegengesetzter Richtung zu den Truppen, und
in Nacht und Dunkelheit kam es natürlich überall zu den schwersten Stockun-
Ta m o pol
O
Grubieszow q
QZámasc
Qwtâdimir Wotynshij
tuck
lubaczów
O
/
Ja wo row
O LEMBERG
r. 8. A.
^Nowe M usto
Lage am 11. S
u.Rückzug unser
Maßstab 1 -2 Millionen.
Za wichost
r.A.A.
Fra m pol
O
Komarno
Miholajów
o
ûrohobycz
Ii 6
Die zweite Schlacht.
gen. Aus den Stellungen kamen die Truppenfuhrwerke in kleinen Gruppen,
die Munitionskolonnen der Artillerie und schließlich auch die Batterien.
Mittendurch drängten sich Autokolonnen und Autofahrer, letztere stets unter
Berufung auf die Überbringung höherer Befehle, zumeist rücksichtslos sich den
Weg durch die Fuhrwerkskolonnen erzwingend.
Die großen Trainverstopf ungen hatten sich schon am 12. Sept. vor-
mittags in Niemirów geltend gemacht, so daß die Truppen des
XVII. Korps nördlich des Ortes Stellungen beziehen mußten, um den Ab-
fluß der Trains zu decken. Im Laufe des Nachmittags zeigten sich feindliche
Détachements, auch Artillerie, und es entstanden kleine Nachhutkämpfe.
Glücklicherweise war der Feind nur schwach, so daß weiter keine Nachteile
eintraten.
Von einem geordneten Rückmärsche bei der 4. Armee war nicht mehr
die Rede. Langsam rollten die Fuhrw'erkskolonnen gegen Süd, um die große,
von Jaworów gegen Radymno führende Chaussee zu erreichen. Teilweise
untermischt, teilweise neben den Straßen oder auf schlechten Fahrwegen
marschierte die Infanterie, während die Artillerie der Divisionen mitten in
den Trainkolonnen steckte.
Die Truppen des IX. und VI. Korps erreichten am 12. abends den
Raum Szklo—Jazów Str. Mit Einschaltung nur unbedingt nötiger Rasten
marschierten die Korps des linken Flügels die ganze Nacht hindurch und
gelangten am 13. früh hinter die Zawadowka. II. und XIV. Korps mar-
schierten über Hruszów, das XVII. Korps über Poruby. Die 3. Armee war
hinter die Gródeker Teichlinie zurückgegangen, die 2. Armee hatte die
Wereszyca erreicht, der Gegner war nicht gefolgt.
Im Laufe des 13. wurde der Rückzug fortgesetzt, so gut es ging. Vom
Feinde machte sich eine Bedrohung aus der Richtung von Lubaczów her
gegen Süd geltend, und es bestand noch immer die Gefahr, daß er den
Rückmarsch ernstlich gefährden könne. Um dem Feinde wenigstens das
Überschreiten des versumpften Szklobaches zu verwehren, wurden aus den
bei Jaworów nächtigenden Truppen Détachements entnommen und in Auto-
trains nach Krakowiec, Zaleska Wola und Lazy gebracht. Sie trafen gerade
rechtzeitig ein, um die von Kosaken unternommenen Versuche, die Szklo--
linie zu überschreiten, abzuweisen. In der Gegend nördlich Lazy befanden
sich unsere 2. und 9. KD.
Am 13. abends erreichten die Korps II und XIV über Drohomysl die
Gegend bei Krakowiec. Bei Swidnica hatten sie ein Nachhutgefecht gegen
feindliche Kavallerie zu bestehen, der Feind wurde durch unseren Gegen-
angriff geworfen. Das XVII. Korps erreichte im Marsch über Czernilawa—
Porudenko am Abend Morance. Das VI. Korps ging auf der Linie Jawo-
rów—Porudno—Bonów—Malnów, das IX. Korps über Bruchnal—Rogózno
—Sokola zurück. Die Mehrzahl der Truppen war den größten Teil der
Nacht hindurch in Bewegung.
Wohl marschierten die Divisionen der Hauptsache nach in sich ge-
schlossen, hauptsächlich die Infanterie, während die Artillerie über die
Der Rück
ll7
schlechten Feldwege nicht überall folgen konnte, ihr eigenes Marschtempo
einhalten mußte, teilweise auch zwischen den Trainkolonnen stak. Einzelne
Truppenteile, die ihren Anschluß nicht rechtzeitig gefunden hatten, auch
zahlreiche Trainkolonnen, waren abgekommen, zogen gegen Süd auf die
große, von Gródek Jag. nach Przemysl führende Chaussee und verursach-
ten dort viele Unordnung.
Die 3. Armee hatte die günstigsten Verhältnisse, weil sie die große
Chaussee zur Verfügung hatte. Auch bei ihr ergaben sich vielfache Störun-
gen, immerhin waren die Divisionen bis zum 13. abends in die Gegend von
Mosciska zurückgelangt. Nachhuten blieben bei S^dowa Wisznia, wo sich
ein kleines Rückzugsgefecht entwickelte.
Wesentlich schwieriger waren die Verhältnisse bei der 2. Armee, die
ohne gute Straßenverbindung im Berglande marschierte. Auf den bereits
tief aufgeweichten Wegen mußte die Infanterie häufig eingreifen, um die
Trains und Geschütze vorwärts zu bringen.
Alle Teile strebten dem San zu, und glücklicherweise störte der Feind
den Rückmarsch nicht. So verliefen die Märsche ohne nennenswerte Einbuße.
Bei der 4. Armee dauerte die Krise noch am 14. an. Äußerst mühsam
nur schoben sich die Trainkolonnen nach vorwärts. In den Ortschaften und
an den Brücken entstanden Stockungen gefährlichster Art, die sich weit
nach rückwärts auswirkten. Immer wieder hielten einzelne Trainteile auf
den Straßen wegen Ermüdung der Pferde oder wegen der notwendigen
Fütterung, andere Teile versuchten vorzufahren und schließlich marschierten
überall die Trains in drei bis vier Reihen nebeneinander. Die organisa-
torischen Verbände der Trains hörten nahezu vollkommen auf. Im Regen-
wetter wurden die Straßen tief aufgerissen, besonders durch die Munitions-
fuhrwerke und Geschütze, wodurch der Marsch gleichfalls sehr erschwert
und verzögert wurde. Schließlich sah sich das 4. AK. genötigt, den Truppen
den Befehl zu geben, unbekümmert um eventuelle Trainverluste den Rück-
marsch hinter den San möglichst unaufhaltsam fortzusetzen. Es war dies
eine gewiß bedauerliche, aber unabweisliche Maßnahme, um die Truppen
hinter dem San zur baldigen Verwendung bereitzustellen. Die Folge war
allerdings, daß zahlreiche Trains dem Feind in die Hände fielen, andere
südlich auswichen und in Przemysl die größte Unordnung hervorriefen.
Auch am linken Sanufer waren Trains der 4. Armee anstatt gegen Jaroslatf
nach Przemysl marschiert und stießen dort mit. den Fuhrwerkskolonnen der
3. Armee zusammen.
Schon am 14. abends war in Przemysl ein unentwirrbarer Knäuel von
Fuhrwerken entstanden. In den breiteren Gassen und Plätzen standen die
Fuhrwerke sechs bis acht Reihen nebeneinander, durch die Autofahrer viel-
fach durcheinander geworfen, viele Fuhrwerke der Quere nach, und nie-
mand konnte sich rühren. Auf der Chaussee bis gegen Mosciska befanden
sich dichtgedrängte Fuhrwerkskolonnen und konnten nicht über den San
in Sicherheit gebracht werden. Zwei Tage lang dauerte diese gefährliche
Stockung in Przemysl, bis sich dieser Knäuel endlich langsam löste. Glück-
118
Die zweite Schlacht.
licherweise war gegenüber der 3. Armee der Feind nicht unmittelbar gefolgt
und so kamen auch die Trains allmählich in Sicherheit.
Im Laufe des 14. und in der Nacht zum 15. Sept. gelangten die Trup-
pen unserer 4. und 3. Armee ziemlich vollzählig hinter den San. Die
2. Armee erreichte die befohlenen Marschziele im Abschnitte Nowe Miasto
und südlich größtenteils erst am 15. nm. und in der Nacht zum 16.
Mittlerweile war das AOK. von dem früheren Plan einer mit Gegen-
angriff verbundenen Sanverteidigung (Op.-Nr. 1925; C. IV., S. 726) abge-
kommen. Deutscherseits sollten stärkere Kräfte (8. deutsche Armee) nach
Krakau gelangen und mit diesen sollten unsere Armeen vereinigt werden.
Daher wurde nun der Rückmarsch an den Dunajec und an die Biala fort-
gesetzt. Nach einer kurzen Retablierungszeit sollte dann gemeinsam mit
der 8. deutschen Armee die Offensive von neuem aufgenommen werden.
Mühsam und unter gleich ungünstigen Verhältnissen erfolgte nun auch
der weitere Rückzug. Bei unausgesetzt strömendem Regen marschierten die
Truppen täglich von der Dunkelheit bis in die Dunkelheit, stets durch die
Trainkolonnen auf das Schwerste gestört, und diese wieder schoben sich
langsam auf den schlechten Wegen vorwärts. Erst nach achttägigem Marsch
erreichten die Divisionen ihre Ziele am Dunajec und an der Biala: die
i. Armee zwischen Weichsel bis südlich Tarnów, die 4. Armee zwischen
Tuchów bis nördlich Gorlice, die 3. Armee zwischen Gorlice und südlich
Zmigrod, die 2. Armee den Karpathenrand südlich Dukla. Damit hatte
der Rückzug endlich sein Ende erreicht. Allen, die ihn mitgemacht haben,
wird er in trübster Erinnerung bleiben. Anfangs Oktober wurde von dort
aus neuerdings die Offensive ergriffen.
Der Feind hatte den Rückzug nirgends gestört. Durch die vollständige
Trennung, die seit dem 10. zwischen unserer 1. und 4. Armee eingetreten
war, hätte der Feind nunmehr den Großteil seiner 5. Armee zum end-
gültigen Durchbruch unserer Heeresfront verwenden können. Aber der
schwere Stand, den seine Truppen zwischen Dnjestr und Rawa Ruska damals
noch hatten, ließ einen solchen Entschluß nicht zu. Die bei Frampol befind-
lichen Kräfte der r. 5. Armee (XXV. und XIX. Korps) wurden anstatt in
der Richtung Sieniawa—Jaroslau auf Cieszanów dirigiert.
Als sich am 12. Sept. der Rückzug unserer Truppen aussprach, wurde
den russischen Armeen zunächst die Linie San Unterlauf—Tanew—Ciesza-
nów—Niem'irów—Jaworów—Mikolajów als Ziel gegeben. Zwei Tage
später wurden diese Ziele noch etwas vorverlegt, für die 9. Armee in die
Linie Tarnobrzeg—Nisko, für die 4. Armee anschließend bis Lezajsk, für
die 5. Armee in den Raum Wala Rozaniecka bisLubaczow, 3. Armee von dort
bis in die Gegend von Gródek Jag., für die 8. Armee an die Wereszyca
mit Vorhuten in der Linie S^dowa Wisznia—Koniuszkie Siemianowskie.
Der Ausgang dieser Kampf période veranlaßte auf Feindesseite zunächst
den Glauben, daß unser Heer vernichtend geschlagen worden sei, und diese
Der Rück
II9
Meinung findet sich merkwürdigerweise auch in den russischen Darstellungen
wieder. Auch in der Öffentlichkeit hat sich diese Meinung leider nur allzu
sehr festgesetzt, und- dies ist hauptsächlich durch den bis nach Westgalizien
erfolgten Rückzug veranlaßt worden. Wohl war durch die Lage die Ver-
einigung unserer getrennten Heereskräfte hinter dem San notwendig ge-
worden, der Rückzug an den Dunajec aber war lediglich durch den Wunsch
diktiert, die Vereinigung mit den deutschen Kräften rasch herbeizuführen.
Schon die Darstellung der Kämpfe dürfte ausreichend gezeigt haben,
daß auch nicht ein einziger unserer Heeresteile vernichtend geschlagen wor-
den war. Es haben in der zweiten Schlacht unsererseits ca. 420 Baone. mit
ca. 1400 Geschützen gegen ca. 430 r. Baone. mit ca. 1600 Geschützen ge-
kämpft, wobei der Unterschied in den Geschützzahlen durch die später dar-
gestellten Methoden der Verwendung sich sehr bedeutend zugunsten des
Feindes geltend machte (vgl. auch D., S. 252). Die beiderseitige Kräfte-
verteilung in der Schlachtfront war sehr verschieden. In der Mitte war das
Verhältnis beiderseits ca. 1:1, am südlichen Flügel kämpften unsere Trup-
pen im Verhältnisse ca. 2:1, am nördlichen Flügel hingegen 1:2. Während
aber der Feind schon infolge der Gunst der Anfangskriegslage imstande war,
unseren Nordflügel zu umfassen, beinahe im Rücken zu nehmen, war an
unserem Südflügel wegen des Dnjestr eine Umfassung unsererseits unmöglich.
Erfolge sind dem Feinde nur zugefallen, wo ihm die Umfassung unserer
Truppen möglich wurde. Während es unseren Truppen trotz der viel ge-
ringeren und viel weniger wirkungsvollen Artillerievorbereitung an vielen
Stellen gelang, den Feind im frontalen Anstürme zu werfen, ist dies den
Russen auch nicht an einem einzigen Punkte der Kampffront gelungen. Man
sollte meinen, daß schon diese Tatsache allein genügen könnte, um die da-
malige ungeheure Kampfkraft unserer Truppen vollständig klarzulegen. Es
berührt eigentümlich, wenn man trotzdem im Zusammenhange mit diesen
Schlachten absprechende Urteile über unsere Truppen hört.
Noch wesentlich ungünstiger für uns stellte sich das Kräfteverhältnis
auf dem ganzen Kriegsschauplatze. Es standen unsererseits ca. 680 Baone.
mit ca. 2250 Geschützen (ein großer Teil der in C. IV., Anlage 21, ange-
führten Marschbrigaden war zu diesem Zeitpunkte schon aufgelöst, einige
Landsturmbrigaden nicht mehr verwendet, andere westlich der Weichsel und
südlich des Dnjestr; 39 Baone. des preußischen Landwehrkorps sind einge-
rechnet) gegen ca. 820 r. Baone. mit ca. 3000 Geschützen. Es hat also auf
Feindesseite ein Übergewicht von ca. 140 Baonen. und 750 Geschützen be-
standen, wobei der Mangel an Zusammenhang in unserer Heeresfront dem
Feinde die Möglichkeit eines Durchstoßes eröffnete.
In den Reihen unseres Heeres haben über 100 Landsturmbaone. mit-
gekämpft, also vollkommene Neuformationen, und bei diesen haben tat-
sächlich im Laufe des Rückzuges, und zwar in der Gegend an der Weichsel,
gewisse Auflösungserscheinungen Platz gegriffen. Vielleicht haben dann auch
noch die Trainverluste bei der 4. Armee beim Feinde den Eindruck geweckt,
als ob unser Heer eine schwere Niederlage erlitten hätte.
120
Die zweite Schlacht.
Wie wenig unsere Truppen moralisch gelitten hatten, geht wohl am
besten aus der Ende Oktober vom russischen Südwestfront-Kommando er-
statteten Meldung hervor: „Die österreichischen Truppen bewiesen eine
Standhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit wie während der Anfangsperiode
des Krieges." (D., S. 326.)
Trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit und aller Vorteile, die ihnen
die Anfangskriegslage geboten hat, haben die Russen in dieser ganzen Feld-
zugsperiode nichts anderes erreicht, als unsere Armeen zum Rückzüge hinter
den San zu bringen und auch dies nur deshalb, weil in unserer Front kein
Zusammenhang bestand. Wie der Sieg der Russen in Wirklichkeit aussah,
zeigt sich wohl am besten daraus, daß die Russen nahezu an Ort und Stelle
liegen blieben und nicht einmal bis an den San verfolgen konnten. „Die
furchtbaren Erschöpfungen und die schweren Verluste, die die russischen
Armeen davongetragen hatten, setzten leider der Verfolgung des geschla-
genen Feindes ein Ziel." (D., S. 250.)
Vielleicht konnte diese Schilderung mithelfen, nicht zutreffende Urteile
zu berichtigen und klarzustellen, was unsere Truppen auf den galizischen
Schlachtfeldern geleistet haben. Wenn man später einmal den Leidensweg
genauer kennen wird, den unsere Truppen vier Jahre im Kriege gegangen
sind, allen voran die mühseligsten und beladensten unter ihnen, unsere brave
Infanterie, dann wird man erst sehen, welcher Heldenmut und fester innerer
Kern in unserem Heere lebte.
DIE GRUNDPROBLEME DES KRIEGES.-
Starke, schon auf den Schlachtfeldern geweckte Eindrücke drängten
dazu, den für den Ablauf der Begebenheiten maßgebenden Zusammenhängen
nachzugehen. Man sucht die Gründe auf militärischem Gebiete, doch liegt
ihre Wurzel außerhalb desselben.
Es ist damit nicht nur gemeint, daß die Kräfte, welche selbsttätig immer
wieder zum Kampfe drängen, niemals militärischen Ursprunges sind. Auch
die Grundlagen, auf denen sich die höheren Bedingungen des Kampfes ent-
wickeln, kommen aus naturgegebenen Verhältnissen und haben ursprünglich
nichts Militärisches an sich.
Man muß alle völkerrechtlichen und militärischen Begriffe beiseite
lassen, um in Schlachten nichts anderes zu sehen als die höchst gesteigerte
Form der Auseinandersetzungen, die zwischen Menschen zeitweilig ent-
stehen. Der explosive Charakter, der sich dabei geltend macht, kommt sicher
nur aus der Stauung der Kräfte, aus den zeitweiligen Einschränkungen,
denen Staaten und Gruppen genau so unterworfen sind wie einzelne Menschen.
Der Begriff der Schlachten verbindet sich allzu leicht mit den Begriffen
Krieg und Staat, und doch hängen diese nicht unbedingt zusammen. Ihr
Zusammenhang ist nur ein zeitweiliger, er besteht nur deshalb, weil die
Staaten als die stärksten Organisationen die Gewalt für sich in Anspruch
nehmen, und auch nur so lange, als die Staaten hiezu die Macht besitzen.
Aus den staatlichen Einrichtungen heraus hat sich allmählich der orga-
nisierte Krieg entwickelt und dieser ist für die Form, in der Schlachten ge-
schlagen werden, von größter Bedeutung. Das Wesentliche liegt nicht an
ihm. Es handelt sich um selbstwirkende Gewalten, die die Menschen aus
dem natürlichen Prozesse des Lebens in den Kampf reißen, unbekümmert
um staatliche und militärische Organisationen. Die Formen sind wichtig,
in erster Linie geht es jedoch um die innere Zusammenfassung der Kräfte>
um die Frage der Organisation auf geistigem Gebiet, um die Werbekraft
der Ideen, in deren Dienst die Menschen treten oder treten müssen.
In der Zusammenfassung der Kräfte, in der Einheitlichkeit und Ge-
schlossenheit, mit der sie auftreten, und in der Stoßkraft, die sie besitzen,
liegt das große Grundprinzip des Kampfes, die Voraussetzung für den Sieg.
In gleicher Weise gilt dies, ob der Kampf auf geistigem Gebiet oder mit
physischen Mitteln geführt wird: eine Norm, die aus natürlichen Voraus-
setzungen herrührt, und man kann nicht sagen, daß sie militärischen Ur-
sprunges sei.
122
Die Grundprobleme des Krieges.
Der Grundsatz der Zusammenfassung der Kräfte und des Stoßes be-
herrscht den Krieg durch alle Jahrhunderte. Die Idee der Kraft Vereinigung
ist wohl theoretisch stets anerkannt, doch praktisch nicht immer angewendet
worden. Die Abweichungen waren allerdings durch eigenartige Verhältnisse
zeitweilig bedingt.
So sind auch die militärischen Auffassungen vor dem Kriege, nicht nur
bei uns, sondern in allen Staaten, von dem erwähnten Grundsatz abgekom-
men. Aber genau so, wie stets vorher, hat die große und natürliche Gewalt
des Krieges Handlungen und Gegenhandlungen so lange berichtigt, bis sich
über alle Auffassungen und Anschauungen hinweg die natürlichen Gesetze
des Krieges wieder in voller Reinheit zeigten. Das Bild entwickelt sich aus
kriegsgeschichtlichem Rahmen zu großer, allgemein historischer Bedeutung
und zeigt das beinahe schicksalhafte Walten zwingender Gesetze.
Ein kurzer Rückblick in die historische Entwicklung militärischer Ideen
soll die große Linie hervortreten lassen, auf der sich die Gedankengänge
durch alle Zeiten bewegten. Wenn hiebei auf viel Bekanntes hingewiesen
wird, möge dies als unvermeidlich hingenommen werden. Sobald die große
Linie klarliegt, zeigen sich auch die Abweichungen deutlich und ebenso wird
der Weg erkennbar, auf dem die geistige Entwicklung wieder zu den Grund-
regeln zurückgefunden hat.
Es dürfte im folgenden zweckmäßig sein, die Probleme des Kampf-
verfahrens von anderen Fragen der Krieg- und Schlachtenführung in der
Darstellung zu trennen. Letztere folgt dem allgemeinen historischen Ent-
wicklungsgange aller europäischen Heere, betont aber die speziellen Ver-
hältnisse unseres Heeres, besonders betreffend der letzten Jahrzehnte vor
dem Kriege. Ähnliche Erscheinungen zeigten sich aber auch sonst überall. So
werden denn die Urteile, die mit dieser Darstellung zusammenhängen, über
unsere speziellen Verhältnisse hinausgehen müssen.
Das Kampfverfahren.
Die Infanterie.
(Dlb.) Die Formen, in denen die Streiter in den Kampf treten, sind ur-
sprünglich durch'den Gedanken an den Stoß beherrscht, denn der Stoß ist das
natürliche Mittel des Kampfes. Der Wunsch, die Kraft des Stoßes zu stei-
gern und die Widerstandsfähigkeit gegen feindliche Stöße zu erhöhen, führt
aus der natürlichen Zusammenballung allmählich zu enggeschlossenen For-
men. Von hier ausgehend, zeigen sich gewisse Unterschiede in der An-
wendung lockerer und dichter Formationen.
Lockere Formationen sind von der Gestaltung und Bedeckung des
Bodens unabhängiger, doch machen sie es schwierig, einheitliche Gefechts-
akte zustande zu bringen und auf diese kommt es an.
Dem Stoße der geschlossenen, tiefgegliederten Masse können die in
lockerer oder zerstreuter Form auftretenden Kämpfer nicht standhalten.
Das Kampfverfahren.
123
Diese Erscheinung zieht sich durch alle Jahrhunderte. Tiefere Gliederung,
engere Geschlossenheit und festerer Zusammenhalt werden zu entscheiden-
den Faktoren des Kampfes.
Die Anwendung des Massenstoßes repräsentiert schon in ihren An-
fängen das große, in der Kampfführung unvergängliche Prinzip der Kraft-
vereinigung an einem Punkte. Gleichzeitig damit beginnt auch jede höhere
Entwicklung des Kriegswesens, weil sowohl in der Organisation der Heere
als auch in ihrer Verwendung weitgehende Rücksichten unvermeidlich
werden.
Schon bei kleinen geschlossenen Heeren macht die Schwerfälligkeit in
der Bewegung eine hohe Durchbildung der Truppen nötig. Geschlossene
Formen sind der Hauptsache nach nur auf offenen, hindernislosen Schlacht-
feldern anwendbar, und dies wirkt auf die gesamte Kriegführung zurück.
Im Kampfe wird der Schutz der Flügel durch Reiter, leichte Truppen,
Anlehnung an natürliche oder künstliche Hindernisse, Befestigungen oder
dergleichen nötig. Aber auch in der Front besteht eine große Empfindlichkeit
gegen Fernkämpfer, Schützen, Schleuderer und dergleichen. Nur allzu leicht
können geschlossene Truppen von ihrem Angriffsziele abgelenkt oder vor-
zeitig in Unordnung gebracht werden. Gleichartige Gegenmaßregeln waren
daher unvermeidlich. Die Anwendung der geschlossenen Massenformation
geht somit in der Schlacht Hand in Hand mit einer gleichzeitigen, zumeist
allerdings beschränkten Verwendung von Teilen, die in zerstreuter Fechtart
auftreten.
Die Schwerfälligkeit in der Bewegung wurde bei zunehmenden Heeres-
stärken noch fühlbarer. Bald wurde ein Zerlegen der Formation nach Breite
und Tiefe nötig, allerdings zunächst in der Weise, daß im letzten Moment
vor dem Kampfe ein enges Zusammenschließen stattfinden konnte (römische
Legion, spanische Brigade). Damit gewann die Führung bereits eine größere
Anpassungsfähigkeit der eigenen Kampfform an diejenige des Feindes. Noch
mehr steigerte sich aber der Einfluß der Führung, als bei weiterer Vergröße-
rung der Heere die Bildung mehrerer Treffen möglich wurde. Jetzt konnte
der Stoß in seiner Kraft genährt werden, und es wurde auch möglich, den
Wechselfällen des Kampfes zu begegnen.
Wie natürlich sich diese allmähliche Entwicklung vollzog, zeigt sich
darin, daß sie gleichartig im Altertum und in der Neuzeit vor sich ging.
Von der einfachen und primitiven Anwendung der Masse schritt die ange-
deutete Entwicklung geradlinig fort, ohne daß sich an dem Grundsatze des
geschlossenen Massenstoßes auch nur das Geringste änderte. Die zeitweilige
Teilung der Truppen in leichte und schwere, die Verbesserung ihrer Bewaff-
nung, die Vielfältigkeit in Gliederung und Anlage des Kampfes waren nur
Begleiterscheinungen, eine Folge der zunehmenden' Heeresstärken und der
besseren Durchbildung der Streitkräfte.
In der Mitte und gegen Ende des 17. Jahrhunderts beginnt der Einfluß
der Feuerwaffen auf die Kampfführung deutlich hervorzutreten, Feuer-
schnelligkeit und Tragweite der Gewehre sind so weit entwickelt, daß auch
124
Die Grundprobleme
die Abwehr rasch anrollender feindlicher Stöße, also auch der Kavallerie,
durch Feuer günstiger erscheint als durch Nahkampf. Daher verschwinden
die Spieße aus den Reihen der Infanterie, und es beginnt die einheitliche Be-
waffnung mit Bajonettgewehren. Der Wunsch wird rege, zur Vorbereitung
des eigenen Stoßes oder zur Abwehr feindlicher Stöße möglichst viele Ge-
wehre zur Geltung zu bringen, die Breitenentwicklung der Truppen im
Kampfe wird größer, es entwickelt sich die Lineartaktik des 18. Jahrhunderts.
Gleichzeitig mit dieser Wandlung der Formen beginnt auch ein Unter-
schied in defensivem und offensivem Kampfverfahren, weil zeitweilig schon
das Feuer ausreicht, den Feind so weit zu erschüttern, daß er den entschei-
denden Stoß nicht mehr führen kann oder, umgekehrt, dem Stoße nicht mehr
standzuhalten vermag.
So kommt dem ersten Akte des Kampfes, der Vorbereitung des Stoßes,
allmählich eine viel größere Bedeutung zu als früher. Doch der Gedanke an
den Stoß mit geschlossenen Formen und Treffengliederung bleibt trotzdem
bestehen.
Die französische Revolution zerbrach das Heerwesen in Frankreich.
Schlachten mußten aber trotzdem geschlagen werden, und da mußte jedes
Mittel recht sein. Die frühere Taktik mit ihrer enggeschlossenen Kampf-
weise in Linienformationen hatte eine besonders gründliche Durchbildung
und Disziplinierung der Truppen zur Voraussetzung gehabt. Das neue
Frankreich konnte aber im Augenblicke weder Durchbildung noch Disziplin
in die Truppen hineinbringen, es vermochte lediglich große Streiterzahlen
ins Feld zu stellen. Erfahrungen aus dem amerikanischen Freiheitskriege
führten, allerdings nur notgedrungen, zu einer überwiegenden Anwendung
der zerstreuten Gefechtsart. Das, was den Truppen an innerem Halt und
Fähigkeit zum Stoße mangelte, wurde teilweise durch die Geschicklichkeit in
der Anwendung des Tirailleurgefechtes wettgemacht. Besonders in den kul-
tivierten und daher hindernisreichen Gegenden der Niederlande und Italiens
erwies sich die zerstreute Gefechtsart als eine durchaus brauchbare, manchmal
sogar überlegene Kampfmethode. Entscheidungen konnten allerdings damit
zumeist nicht herbeigeführt werden. Deshalb folgten den Tirailleuren bald
wieder geschlossene Truppen, jetzt aber nicht mehr in schwerfälligen Linien,
sondern in leicht beweglichen Kolonnenformationen.
In der damaligen gesteigerten Anwendung des Tirailleurgefechtes lag
durchaus kein neuer Gedanke, nichts anderes als der von altersher bestandene
Wunsch, die feindlichen Angriffsmassen noch vor dem entscheidenden Akte
zu erschüttern und ihnen damit die Kraft für den Stoß zu nehmen. Die zer-
streute Gefechtsart, die durch Jahrhunderte hindurch beinahe unverändert
und nur selten unterbrochen als Begleiterscheinung der geschlossenen Form
auftrat, war in den Heeren des Siebenjährigen Krieges immer mehr in den
Hintergrund getreten, und dies war auch der Grund, warum am Anfange
der Revolutionskriege die einseitige Anwendung der zerstreuten Gefechtsart
den Franzosen manche Vorteile bot. Nichts Künstliches, nichts Gewolltes lag
Das Kampfverfa
125
in der damaligen Abwandlung der Taktik, lediglich ein Ausweg und nichts
weiter. Diese Änderung der Taktik war jedoch in der damaligen Waffen-
wirkung noch nicht genug begründet, sie konnte sich daher auch nicht er-
halten. Noch während der Napoleonischen Kriege trat eine bemerkenswerte
Rückbildung ein.
Das auf reicher Kriegserfahrung beruhende Reglement des Erzherzogs
Karl vom Jahre 1807/08 kennt im Angriffe nur die tiefgegliederte Masse, in
der Verteidigung nur die geschlossene Linie, für den Entscheidungskampf in
allen Fällen nur den Stoß. So gibt das Reglement der Überzeugung Aus-
druck, daß eine geschlossen vorgehende Truppe jede feindliche Schützenkette
durchbricht, und es betont, daß mit Hilfe der zerstreuten Gefechtsordnung
zwar der Gang eines Gefechtes vorbereitet und erleichtert, aber nie ent-
schieden werden kann. Man sieht also, daß die Grundsätze für die An-
wendung der geschlossenen und der zerstreuten Gefechtsart sowie bezüglich
des entscheidenden Stoßes damals beinahe noch dieselben waren wie im
Altertum. An den Formen hatte sich allerdings unter dem Einflüsse der
Feuerwaffen viel geändert.
Die Forderung nach Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit an das
Terrain stand jetzt obenan. Wenn früher Flügel und Treffen einer Schlacht-
formation schon von Anfang an einheitlich auftraten, wurde jetzt durch den
Einsatz zahlreicher kleinerer Heereskörper nebeneinander der Aufmarsch zur
Schlacht freier und dadurch nahm die gesamte Kriegführung eine andere
Gestalt an. An dem Grundsatze der Kampfführung änderte jedoch auch dies
nichts. Denn das Prinzip des geschlossenen Massenstoßes bestand nahezu
unverändert weiter. Es war nicht nur für die einzelnen nebeneinander auf-
tretenden Heereskörper in sich maßgebend, sondern es blieb auch das Streben
der Führung, durch Massierung an einzelnen Punkten den Stoß einheitlich
zu gestalten.
Napoleon hat wohl gesagt, daß die Schlachten durch Feuer entschieden
werden und nicht mehr durch Stoß. Er hat aber damit von den Resultaten
des Kampfes gesprochen und nicht von der Taktik. Es war nicht ausschlag-
gebend, ob der Stoß auch tatsächlich geführt wurde oder ob schon der vor-
bereitende Akt, das Feuer, den Feind zu erschüttern vermochte. Im Hinter-
grunde steht der Stoß als letztes und entscheidendes Mittel (B. Kr.). Deshalb
war auch, unbekümmert um den Ausspruch des Kaisers, die Taktik seiner
Divisionen vorwiegend auf dem Gedanken des Stoßes mit geschlossenen und
tiefen Formen aufgebaut.
Nach den Napoleonischen Kriegen änderten sich die taktischen Anschau-
ungen beinahe durch ein halbes Jahrhundert überhaupt nicht. Das Haupt-
gewicht blieb bei der Kampfweise in geschlossener Ordnung. Die Plänkler-
kette diente nur dazu, die geschlossene Truppe zu schützen oder ihren Kampf
einzuleiten, sie mußte sich daher in ihren Bewegungen ganz nach dieser rich-
ten. In einer strengen, jahrzehntelangen Friedensexerzierschule wurden die
Bewegungen immer schematischer, starrer und unbeholfener.
126
Die Grundprobleme des Krieges.
Doch weil eine überlegene Führung gewisse technische Mängel in der
Kampfweise manchmal auszugleichen vermag, kam es, daß die Starrheit, die
eine Folge des damaligen Systems war, in den glorreichen Feldzügen des
Jahres 1848/49 sich nicht störend geltend machte. Dagegen trat sie im Jahre
1859 um so deutlicher hervor.
Genau so wie zur Zeit der Revolutionskriege erwies sich auch hier
wieder im Gelände der oberitalienischen Ebene die größere Beweglichkeit
überlegen. Die französischen Tirailleurketten waren stärker und beweglicher
als unsere Plänkler. Diese wurden daher ungemein rasch auf die geschlossenen
Truppen zurückgeworfen, um so mehr, als durch die dichte Bodenbedeckung
längere Feuerkämpfe bei dem zumeist überraschenden Zusammenprall auf
kaum hundert Schritte Entfernung sich nicht entwickeln konnten und schon
im Kampfe der Plänkler sofort der Stoß entschied. Gleich hinter den
Tirailleuren stießen die französischen Truppen in zahlreichen kleinen und
daher beweglichen Kolonnen auf unsere weniger beweglichen Schlachthaufen
und brachten sie verhältnismäßig rasch in Unordnung.
Der Kampf wogte einige Zeit lang mit Gegenstößen hin und her, bis
endlich der Einsatz einer letzten Reserve, der letzte Offensivstoß, die Ent-
scheidung brachte (Streffl., 1881).
Der Feldzug vom Jahre 1859 bildet: den Ausklang einer Epoche der
Infanterietaktik, die beiläufig eineinhalb bis zwei Jahrhunderte gedauert
und trotz tiefgehenden Wechsels der Formen eine gewisse Übereinstimmung
in der Wertung von Feuer und Stoß gezeigt hat. Diese Epoche ist fast
durchwegs von der geschlossenen Form beherrscht, was beweist, daß die
Taktik die ganze Zeit hindurch auf den Stoß berechnet war. Denn gleich-
gültig, ob Linien oder Kolonnen, der einzige Zweck und Sinn jeder ge-
schlossenen Form im Kampf ist nur der Stoß.
Im Wesen der Taktik hatte sich also nichts geändert. Lediglich der Ein-
leitungsakt, das vorbereitende Feuer, war wirkungsvoller geworden und da-
mit auch die gewollte Breitenausdehnung der Kampffronten. Auffallend
ist, wie am Ausgange dieser Epoche die Auffassungen über die Anwendung
des Feuers zurücktraten und der Stoß fast als einziges Mittel des Kampfes
angesehen wurde. Dies zu einer Zeit, wo die Hinteriadgewehre mit ihrer
wesentlich gesteigerten Feuergeschwindigkeit in einem der europäischen
Heere bereits eingeführt waren.
Die Reglements vom Jahre 1863 betonten zwar stark die Anwen-
dung des Feuers, doch befaßte sich die Truppenausbildung fast ausschließ-
lich nur mehr mit dem Stoß, und dies in einer immer mehr schabionisieren-
den Weise (H). Diese Tatsache ist in allgemein historischer Perspektive
gewiß ebenso interessant wie in militärischer Betrachtung, weil sie wieder
einmal zeigt, wie bestimmte Beweggründe der geistigen Entwicklung
periodenweise eine starre Richtung geben, bis neue zwingende Umstände eine
Wandlung herbeiführen.
Das Kampfverfahren.
Auf den Schlachtfeldern 1866 in Böhmen wurde der Glaube an die
Stoßtaktik schwer erschüttert. Der Krieg von 1870/71 brachte schließlich
die große und entscheidende Wendung.
Von diesem Zeitpunkt an lag das Schwergewicht des Kampfes in der
Schwarmlinie, als der Trägerin des Infanteriekampfes. Die Trennung zwi-
schen zerstreuter und geschlossener Kampfordnung hörte auf.
Die neue Kampfweise sollte ein Niederringen durch immer zunehmende
Steigerung des Feuers sein. Womöglich sollte der Feind schon durch das
Feuer kampfunfähig gemacht werden. Eine Folge dieser Auffassung war
das immer mehr hervortretende Bestreben, alle disponiblen Kräfte schon
im Feuerkampfe zu verwenden, also überhaupt nur wenig Reserven zurück-
zubehalten und selbst die letzte Reserve noch vor der Entscheidung einzu-
setzen. Der Anlauf wrar als letzter, leichter Schlußakt gedacht. Auf keinen
Fall sollte die frühere Stoßtaktik wieder die Oberhand gewinnen (Mx.).
Die Schlachten bei Metz hatten eine hohe Widerstandskraft des Feuers
gezeigt und die Entscheidung war dort schließlich durch Umfassung zustande
gekommen. Daher gründeten sich auch die taktischen Anschauungen jetzt
auf Feuer und Umfassung, frontale Angriffe wurden als sehr schwierig und
verlustreich angesehen. Die Erfahrungen des Krieges 1877/78 schienen dies
alles noch besonders zu bestätigen.
Die Reglements betonten zwar die Notwendigkeit des Bajonettangriffes.
Unter dem Eindrucke der immer breiter und lockerer werdenden Forma-
tionen schwand jedoch die Klarheit, daß der Stoß den wesentlichsten Grunal-
satz jeder Infanterietaktik ausmachen muß und dieser etwas mehr ist als
lediglich „Bajonettangriff".
Bei den Truppen blieb trotz allem etwas von der früheren Stoßtaktik
bestehen. Die von den Reglements geforderte Schulung im Vorwärtstragen
des Feuers führte bei den Angriffsübungen immer wieder zu einem Hasten
und Drängen der Truppen. So sehr dies auch mit den taktischen Auffassun-
gen in Widerspruch stand, wurde dem doch zur Erhaltung des Angriffs-
geistes eine wohlwollende Duldung zuteil.
Gegen Ende des Jahrhunderts steigerte sich die Feuerwirkung durch
Einführung der Repetiergewehre. Die Formen wurden noch breiter, die
Frontalangriffe erschienen noch schwieriger. Dementsprechend steigerte sich
auch das Streben, die Entscheidung durch Umfassung herbeizuführen.
Das neue Reglement vom Jahre 1901 hob die früher bestandene Tren-
nung zwischen Einleitungskämpfen, Gefechtsaufmarsch und Durchführung des
Angriffes auf. Es wurde ein großer Unterschied gemacht, ob der Zusammen-
stoß im Renkontre erfolgen würde, wobei nahezu ein Fiineinmarschieren
in den Kampf stattfinden sollte, um schon durch die Raschheit des Gefechts-
aufmarsches in Vorteil zu kommen; oder ob der Feind in der Entwicklung
voraus war, in welchem Falle größere Vorsicht nötig schien. Schließlich
wurde auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß der Feind den Angriff
in günstiger Stellung abwarten könnte. In dieser Lage mußte der Angriff
128
Die Grundprobleme des Krieges.
den Charakter eines mühsamen Heranarbeitens tragen, wobei der Weg nach
vorwärts zunächst durch die Artillerie gebahnt werden sollte.
Während das Reglement sehr richtig diese verschiedenen Eventualitäten
in Erwägung zog, ging jedoch die praktische Truppenausbildung beinahe
ausschließlich in der Richtung der für das Renkontregefecht geltenden Be-
stimmungen. Dabei wurde immer größeres Gewicht auf eine geschickte An-
marschgruppierung zur raschen Umfassung des Feindes gelegt.
Die angestrebten Umfassungen konnten nicht Sache der Truppen sein.
Sie mußten durch die Führung zustande gebracht werden und hatten not-
wendigerweise einen Kampf auf verhältnismäßig engen Fronten zur Vor-
aussetzung. Solche enge Fronten basieren aber auf dem taktischen Grund-
prinzip des Massenstoßes. Dieser erschien uns jedoch immer mehr und mehr
aussichtslos. Es ergab sich dadurch ein gewisser innerer Widerspruch in den
taktischen Anschauungen, der leider zu sehr verborgen blieb.
Das neue Manöversystem, welches durch unseren verewigten Feldmar-
schall im Jahre 1907 eingeführt wurde, legte gleichfalls das größte Gewicht
auf die Schulung im Renkontregefechte. Die größere Freiheit, die der Füh-
rung gegeben war, steigerte das Streben, die Kolonnen schon im Anmärsche
zu zerlegen, und so wurden die Gefechtsausdehnungen immer größer. Die
Sucht, den Feind zu überflügeln, war begreiflich, denn ein Bataillon zur
Umfassung schien mehr wert als eine dichte Feuerlinie in der Front. Der
Erzherzog-Thronfolger, als Generalinspektor des Heeres, sah sich veranlaßt,
in seinen Bemerkungen zu den größeren Manövern 1909 gegen die großen
Gefechtsausdehnungen anzukämpfen. Sie waren bei diesen Manövern durch-
schnittlich 5—6 km, bei einzelnen Divisionen auch noch größer. Der Erz-
herzog betonte, daß für Divisionen im Verbände in der Regel ein Gefechts-
raum von etwa 3 km die oberste Grenze bilden müsse.
Der Entwicklungstendenz, welche unser Angriff s verfahren genommen
hatte, konnte natürlich durch Zahlen nicht beigekommen werden. Im Ver-
bande großer Armeen kann die Entwicklungsbreite der Angriffsdivisionen
durch das Marschechiquier einigermaßen geregelt werden. Bei dem selbstän-
digen Auftreten verhältnismäßig weniger Divisionen geht dies aber viel
schwerer, weil die Emtwicklungsbreite durchaus nicht nur von den Absichten
der eigenen Führung allein abhängt, sondern viel mehr vom Feinde. Bei
der Entwicklungsbreite eines selbständigen Korps mit 9—10 km hätte der
Feind nur 11 km breit sein müssen, um das Korps von beiden Flügeln her
einzuwickeln.
Als Gegenmittel gegen breite Fronten kann nur der frontale Stoß in
Betracht kommen. Aus dem schon früher erwähnten Hasten und Drängen
unserer Infanterie im Angriffe kam es wohl bei den Manövern immer wieder
zu solchen Frontalangriffen und Stößen; manchmal auch auf Grund von
Befehlen, wenn die angestrebten Umfassungen nicht gelangen. Aber eine
überzeugende Kraft lag nicht in ihnen. Das Streben nach Umfassungen blieb
und mußte bleiben, solange unsere taktischen Auffassungen in einer etwas
Das Kampfverfahren.
I29
widerspruchsvollen Weise trotz der anwachsenden Feuerkraft mit verhält-
nismäßig engen Kampffronten rechneten.
Mittlerweile hatten sich auch einige Erfahrungen, welche Russen und
Japaner im Mandschurischen Kriege machten, Eingang verschafft.
Die zahlreichen Kämpfe um Feldstellungen wurden vornehmlich auf
die dortigen schwierigen Bewegungsverhältnisse und auf die beiderseits
äußerst langsame Entwicklung der Streitkräfte zurückgeführt, und das Aus-
bleiben der erwarteten Kämpfe um Feuerüberlegenheit wurde wieder mit
den Feldstellungen begründet. Höchst ungeklärt blieben die Meinungen be-
züglich der Frontausdehnungen.
Bei den siegreichen Japanern waren Frontausdehnungen und der Man-
gel an Reserven ebenso wahrnehmbar gewesen wie bei uns. Hingegen hatten
die Russen immer starke Kräfte zurückgehalten, oft mehr als die Hälfte,
und dennoch waren sie fortwährend zurückgedrängt worden. Wiederholte
Massenstöße waren fast ausnahmslos gescheitert. Einer unserer auf dem
Kriegsschauplatze gewesenen Militär-Attaches legte die Notwendigkeit großer
Frontbreiten dar, der Generalinpektor des Heeres trat dem aber mit der
Bemerkung entgegen, daß nur mißverstandene Kriegserfahrung aus außer-
europäischen Kriegen eine solche Ausdehnung im Kampfe rechtfertigen
könne. Es ist eben stets schwer, Erscheinungen kurzer Kriege richtig zu
werten, bèsonders dann, wenn man letztere nicht selbst mitgemacht hat.
Unseren taktischen Anschauungen fehlte der feste Boden. Frontale
Angriffe mußten, so wie wir sie übten, wohl als recht aussichtslos betrachtet
werden. Diesem Eindrucke konnte sich niemand entziehen, und so war schon
längst auch in den reglementarischen Bestimmungen gegenüber den erkann-
ten Schwierigkeiten frontaler Angriffe ein Ausweichen in der Richtung auf
angestrebte Umfassungen entstanden.
Grundsätze für die Kampfführung der Truppen haben nur dann einen
Sinn, wenn mit feindlichem Widerstande gerechnet wird. Daher kann auch
eine Infanterietaktik berechtigterweise nur den frontalen Kampf in Er-
wägung ziehen.
Als im Jahre 1911 auf Grund der Einführung mehrfacher technischer
Hilfsmittel und mit Rücksicht auf die Erfahrungen des Mandschurischen
Krieges eine Neubearbeitung des Reglements vorgenommen wurde, erhielten
die Bestimmungen über den Frontalangriff einen wesentlichen Ausbau. Dies
fußte auf der richtigen Anschauung, daß in größeren Verhältnissen die
Infanterie vorwiegend frontal angreifen muß. Doch ebenso wie früher wurde
der frontale Angriff durch zähes Heranarbeiten an den Feind charakterisiert,
und der Grundgedanke, die Entscheidung im Feuerkampfe von Infanterie
zu Infanterie herbeizuführen, blieb unverändert. Der Reglemententwurf trat
sogar der Ansicht entgegen, daß ein Infanterieangriff ohne vorherigen
Artilleriekampf unüberwindliche Schwierigkeiten biete. Die Infanterie wurde
darauf verwiesen, daß die Durchführung des Angriffes nie ausschließlich von
der Wirkung der Artillerie abhängig gemacht werden dürfe (Streffl., 1911).
Wie wenig die Bedeutung des Artilleriefeuers im Frieden erkannt wurde,
Fit rei ch.
13-Q
Die Gmndprobleme des Krieges.
zeigt auch die Manöverbesprechung-1909: Auch heuer wurde immer wieder
der schwere Fehler wahrgenommen, daß die Truppen noch außerhalb des
wirksamen Geschützertrages sich zum Gefecht entwickeln.
So war unsere Taktik von richtigen und unrichtigen Vorstellungen be-
herrscht.
Bei den Truppenübungen ließ iman in den letzten Jahren vor dem
Kriege Frontalangriffe vielleicht öfter gelten als früher, eine überzeugende
Kraft lag aber bei ihnen nicht. So blieb auch das Streben nach Umfassungen
und die damit verbundene Eile in Gefechtsentwicklung und Angriff, und die
Frage der Artillerieunterstützung wurde wenig beachtet.
Überall, wo unsere Truppen das erstemal an den Feind trafen, haben
sich dieselben Erscheinungen gezeigt: Große Frontiausdehnungen und, da-
durch bedingt, ein Mangel an Einheitlichkeit im Kampf; ein zeitliches An-
nehmen der Gefechtsformation; ein scharfes Losdrängen auf den Feind, ohne
auch nur im geringsten auf die Mitwirkung der eigenen Artillerie Bedacht
zu nehmen; ebenso auch gleiche Gesichtspunkte für das anfängliche Zurück-
halten und spätere Einsetzen der Reserven.
Diese charakteristischen Merkmale traten so gleichmäßig hervor, daß
man wohl von einem einheitlichen Kampf verfahren sprechen kann. Um
hierauf näher einzugehen, soll als Beispiel der Angriff unseres III. und
XII.. Korps am 26. August im Räume südlich der Zloczówer Chaussee kurz
besprochen werden.
Der Frontraum von Lackie Wk. bis Potoczany beträgt 25 km Luftlinie,
mit Einrechnung der Terrainunebenheiten 26 km. In diesem Räume haben
vier Divisionen angegriffen mit annähernd folgenden Frontbreiten:
6. ID. ca. 8 km, 22. LID. oa. 5 km, 16. ID. ca. 5 km, 35. ID. ca. 8 km.
Die Frage der Frontausdehnung steht mit der Frage der Waffen-
wirkung in engster Relation. Napoleon hat im Jahre 1806 vor Jena
150.000 Mann auf 25 km Frontbreite aufgestellt und dachte sie im Kampfe
noch wesentlich enger zusammenzuführen. Den Wunsch, breit zu sein, um
den Feind leichter umfassen zu können, hatten napoleonische Armeen genau
so wie die heutigen. Aber die Waffenwirkung war damals geringer. Vor
hundert Jahren glaubte man, 10 Mann per Meter im Kampfe rechnen zu
müssen, im Jahre 1914 begnügte man sich mit 1V2 bis 2, weil man bei der
gesteigerten Feuerwirkung die Festigkeit in der Front für ausreichend hielt,
bis die Entscheidung durch Umfassung zustande kam.
Bei allen unseren Divisionen bestand der gleiche Wunsch, in der An-
griffsentwicklung rascher zu sein als der Feind. Alle Divisionen marschierten
in mehreren Kolonnen in den Kampf. 6. und 35. ID. in je drei, 22. und
16. ID. in je zwei Kolonnen. Wäre eine unserer Kolonnen irgendwo auf
einen Flügel des Feindes oder auf eine Lücke in seiner Front gestoßen, so
hätte diese Art des Anmarsches sehr rasch große Vorteile gezeigt. Nachdem
unsere Truppen aber überall auf Feind trafen und die einzige 35. ID., die
vielleicht die Möglichkeit zu einer Umfassung gehabt hätte, erst nach-
Das Kampfverfahren.
mittags angriff, blieb dieser Vorteil 'aus. Infolge der großen Trennung
unserer Angriffskolonnen zerfiel nun das Gefecht in einen gruppenweisen
Kampf.
Folgende zahlenmäßige Übersicht kann ein Bild über die Kräftevertei-
lung im Angriffsraume geben (C. IV., Anlage 21): 6. ID. 13 Bataillone,
22. LID. Ii Bataillone, 16. ID. 14 Bataillone, 35. ID. 9 Bataillone (3 bei
der Ii. ID. in Narajow), zusammen also 47 Bataillone.
Per Bataillon konnten ca. 850 Gewehre effektiv in Tätigkeit gebracht
werden. Dies ergibt rund 40.000 Gewehre auf 26 km Frontbreite.
Man wird nicht sehr fehlgehen, wenn man die Kräfteentwicklung mit
der Hälfte nach der Breite und mit der anderen Hälfte nach der Tiefe an-
nimmt (wobei allerdings bei der ersten Gefechtsentwicklung nur ein Viertel
bis ein Drittel in Schwarmlinie gelangt sein dürfte; doch hat mit Rücksicht
auf den mangelnden Zusammenhang allmählich bei allen Gruppen eine
Verbreiterung stattgefunden). Es sind also ca. 20.000 Feuergewehre mit
einem Abstand von dreiviertel bis einen Meter für die Frontausdehnungen
zu rechnen, was einer Entwicklungsbreite von 15 bis 20 km, im Mittel
ca. 18 km, entspricht und gegenüber dem 26 km breiten Angriffsraum eine
Differenz von ca. 8 km ergibt. Die andere Hälfte der Mannschaften, die
anfänglich tief gruppiert war, dürfte dann später zur Verdichtung der
Linien eingesetzt worden sein.
Diese Rechnung mag der Wirklichkeit ziemlich nahe kommen. Auf
Grund der vorliegenden D/aten über den Gefechts verlauf kann man bei-
läufig auf folgende Intervalle schätzen: innerhalb der 6. ID. 1 — i^km,
von der 6. zur 22. LID. 1—2 km, von der 22. zur 16. ID. ca. 2 km, von der
16. zur 35. ID. ca. 1 km, innerhalb der 35. ID. 2—3 km, was im Durch-
schnitte gleichfalls ca. 8 km ergibt.
Man sieht also, wie locker unsere Angriffsfront gegenüber der geschlos-
senen Front des Feindes war und wieviel Gelegenheit zu Umfassungen und
Flankierungen unserer Gefechtsgruppen in diesem durchschnittenen Terrain
bestand. Hätten die Russen, so wie ihr Bericht sagt, tatsächlich angegriffen,
so wäre es hier unseren Truppen ähnlich ergangen wie am 29. August
unserer 20. HID. und am 30. August der 17. ID.
Beinahe ohne Nachrichten über den Feind wurde die Gefechtsentwick-
lung bei allen. Kolonnen sehr zeitlich durchgeführt, noch außerhalb des feind-
lichen Geschützertrages, und dies war jedenfalls gut, denn einige Artillerie-
geschosse bringen jede geschlossene Abteilung in wenigen Minuten aus-
einander.
Auffallend war der beinahe gänzliche Entfall von Divisions- und
Korpsreserven, weil unsere Anschauungen dahin gingen, durch einen raschen
Einsatz aller Truppen dem Feinde gegenüber in Vorteil zu kommen. Im
Augenblicke der Krise hatte keines unserer höherer Kommanden noch eine
Reserve zur Verfügung.
Nach Annahme der ersten Gefechtsgruppierung begann allseits das
scharfe Losgehen auf den Feind. Im Frieden war dies stets hingenommen
9*
Die Grundprobleme des Krieges.
worden, weil ja der einer Truppe innewohnende Drang nach vorwärts doch
ein wesentliches Element des Angriffes ausmacht. Man hatte erwartet, daß
das feindliche Feuer regulierend wirken würde, daß auf ca. 1200 oder
1000 Schritte der Feuerkampf von selbst beginnen würde, daß sich die
Schwarmlinie dann teilweise aus eigener Kraft, teilweise durch immer neue
Impulse von rückwärts sprungweise vorarbeiten würde bis auf Distanzen
von annähernd 500 bis 600 Schritte vom Feinde, und man glaubte, daß es
dort von selbst zu einem längerdauernden Feuerkampf kommen würde.
Es kam aber anders. Artillerie- und Infanteriefeuer des Feindes er-
wiesen sich anfangs nur wenig wirksam, so daß die Vorrückung bis nahe an
die feindlichen Stellungen unaufhaltsam durchgeführt werden konnte. Für
die Aufnahme des Feuerkampfes waren auch gar keine Ziele vorhanden. Als
auf nahe Distanzen die Russen auch ihre Maschinengewehre in Tätigkeit
brachten und die Verluste zunahmen, wurden die Angriffe stockend, und es
begann das Einsetzen der Reserven, die unsere Linien dichter und die Ziele
für den Feind massiger machten. Man braucht die begonnene Rechnung nur*
fortzusetzen, um zu erkennen, daß sich im Kern jeder Angriffsgruppe ganz
dicht geschlossene Linien ergeben mußten.
Überall hatte der Feind vorgeschobene Stellungen. Diese wurden durch-
wegs genommen, dann mußten die nächsten Stellungen angegriffen werden.
Jetzt wuchs das feindliche Artilleriefeuer bis zu großer Heftigkeit und hatte
verheerende Wirkung. Die Angriffe wurden immer schwieriger und stocken-
der, bis endlich unsere Truppen auf nahe Entfernungen vom Feinde ohne
Deckung liegen blieben. In dieser Lage machte sich selbst das feindliche
Infanterie- und Maschinengewehrfeuer außerordentlich empfindlich geltend.
Wenn aber gegen dieses durch Niederlegen noch einiger Schutz zu erzielen
war, so machte das feindliche Artilleriefeuer die Situation unserer Truppen
bald äußerst schwierig. Niemand unter uns hatte diese Artilleriewirkung,
diese Präzision auch nur geahnt. Mit einer Erbarmungslosigkeit ohnegleichen
saß eine Lage nach der anderen in den Schwarmlinien. Selbstverständlich
steigerte sich dort, wo die Gefechtslinien am dichtesten waren, wie z. B. bei
der 22. LID., auch die moralische Wirkung unverhältnismäßig. Dazu kam,
daß sich bei allen Gefechtsgruppen allmählich eine höchst empfindliche en-
filierende Wirkung geltend machte.
Anfangs versuchten die Truppen noch, sich durch weitere Vorbewegung
der feindlichen Artilleriewirkung zu entziehen, aber dies half nicht. Nach
einigen Stunden vergeblichen Ausharrens begannen rückgängige Bewegun-
gen. Anfänglich gingen nur Verwundete zurück oder wurden zurückgeführt,
später aber steigerte sich das Bedürfnis Unverwundeter, ihren Kameraden zu
helfen. So sehr dies stellenweise auch begreiflich sein mag, so macht es doch
von einiger Entfernung aus gesehen stark den Eindruck des Abbröckeins,
und in solchen kritischen Situationen greift rasch der Gedanke um sich:
Was der eine kann, das kann auch ich. So kam allmählich Unruhe in die
Gefechtslinie, die wohl lange Zeit durch Offiziere, Unteroffiziere und tapfere
Mannschaften niedergehalten wurde. Doch wurde die Unruhe größer, und
Das Kampfverfahren.
133
es begannen einzelne Teile zurückzugehen. Sie wurden aufgehalten und
wieder zurückgeführt. Das feindliche Artilleriefeuer blieb aber mit unver-
minderter Heftigkeit in den Linien sitzen, so daß mit der Zeit das Zurück-
weichen und damit die Schwankungen des Gefechtes immer größere Dimen-
sionen annahmen. Es verbreiteten sich auch unbestimmte Nachrichten, daß
Nachbargruppen schon zurückgegangen seien, besonders dort, wo sich das
feindliche Artilleriefeuer flankierend geltend machte. Die Folge war, daß
einige Teile mit der Zeit gänzlich zurückwichen. Dadurch wurde auch bei
anderen Teilen der Rückzug unvermeidlich und mußte befohlen werden.
Aber auch der Rückzug schützte nicht vor der feindlichen Artillerie. Lage
um Lage schlug in die Truppen und führte stellenweise, wo die Massen am
dichtesten waren, sogar zur Auflösung.
Es wäre interessant, hier verschiedene Schilderungen aus Truppen-
kreisen einzuschalten.
„Der Angriff unserer Bataillone erfolgte zusammenhanglos; anfangs
waren die Verluste nicht sehr groß... . Die Vorrückung war nicht sprung-
weise erfolgt, sondern im Geschwindschritt, ohne irgendeine Pause, und
die Truppen machten erst Halt, als das Feuer und der gegnerische Angriff
auf ganz nahe Distanzen es gebot---- Der rechte Flügel und das Zentrum
der Brigade lagen unter einem unbeschreiblich heftigen Doppelfeuer. Die
Verluste mehrten sich, und bald wurden wir, die wir geglaubt hatten, zu
flankieren, selbst flankiert____ Der Gegner, welcher sich bis dahin platt auf
den Boden gelegt hatte und von dem nichts sichtbar war als die Schirme der
Kopfbedeckungen, überschüttete mit einem verheerenden Feuer die dies-
seitigen Abteilungen auf der deckungslosen Fläche. Auf 80 bis 100 m machte
unsere Linie Halt und den Versuch, das Feuer zu erwidern. Damit stockte
der Angriff, die Leute legten sich auf den Boden, auch da fanden sie keinen
Schutz, zwei Drittel der Offiziere waren bereits außer Gefecht gesetzt, der
Körper, seiner Seele beraubt, brach zusammen. Man hielt noch eine Weile
aus, dann trat das Unvermeidliche ein, es ging zurück---- Erst jetzt auf dem
Rückzüge steigerten sich die Verluste bis zur Auflösung---- Trieben sich die
Truppen, nachdem sie gewichen waren, auch noch zur Verteidigung, zur
Selbstverteidigung an? Nein! ... Ich scheue mich nicht zu bekennen, daß
mir das Feuer noch Monate nachher in den Nerven steckte---- Unser Ab-
gang im Angriffe war zwar groß, aber nicht so groß, daß wir eines längeren
Widerstandes absolut unfähig gewesen wären. Warum leisteten wir ihn nicht?
Weil wir im vollsten Sinne überrascht wurden, so sehr, daß die Truppe,
welche zum größten Teile schon ohne Offiziere war, den Kopf verlor. Der
Truppe waren zu große Anstrengungen zugemutet worden, physische und
psychische Erschöpfung waren die Folge----cc
Diese Schilderung könnte auf unseren Angriff Bezug haben. Der mili-
tärische Leser weiß, daß Fritz Hoenig mit diesen und ähnlichen Worten
schon vor 50 Jahren den Angriff der 38. preußischen Brigade bei Mars la
Tour beschrieben hat (Hoe., S. 75—117). Man hat damals den geschilderten
134
Die Grundprobleme
Vorfall als Ausnahme angesehen, und doch waren es selbstverständliche und
natürliche Erscheinungen, die immer wiederkehren, wenn der Feuerkamjjf
auf nahe Distanzen geführt wird. In solchen Fällen wächst die Spannung
so sehr, daß es bald nur mehr ein Vorwärts oder Zurück gibt. Zumeist
waren die dichten deutschen Linien 1870 nicht imstande gewesen, nahe an
den Feind heranzukommen. Es hatte sich dann der Feuerkampf auf aus-
gedehnten Linien stabilisiert, und man hatte schon in Anbetracht der eigenen,
schweren Verluste angenommen, daß er schließlich zu einem allmählichen
Übergewicht auf einer Seite hätte führen müssen, sofern die Entscheidung
nicht schon früher durch andere Ursachen fiel, wie dies in diesem Kriege
zumeist der Fall war.
Die Frontbreite im Angriffe betrug 1870 ca. 1 bis 2 km per Division,
1914 durchschnittlich 6 km und auch mehr. Daher waren 1914 die Linien
dünner und konnten näher an den Feind herankommen. Deshalb ist das, was
früher nur ein Ausnahmsfall war, zur Allgemeinerscheinung geworden.
Auf dem Schkchtfelde von St. Privat wurde der Glaube an den Kampf
um Feuerüberlegenheit in seiner modernen Form geboren, er hätte aber dort
begraben werden sollen. Das Gegenmittel war zu einfach. Seitdem die
Infanterie sich eingräbt, gibt es keinen Kampf um ¥ euer Überlegenheit mehr.
Der Glaube daran war der große Irrtum unserer Zeit gewesen. Denn der
Irrtum, daß man Infanterie durch Infanteriefeuer niederringen kann, hat
dahin geführt, daß man viel zu wenig Wert auf Artillerievorbereitung ge-
legt hat. Erst nach schweren und dauernden Verlusten entstand allmählich,
jedoch viel zu langsam, das Bewußtsein, daß nur die Artillerie den Weg in
die feindliche Stellung frei machen könne. Damit änderte sich das Bild der
Taktik wesentlich. Es zeigte sich, daß der ganze Feuerkampf mit Heran-
arbeiten und Herantragen des Feuers und mit allem, was darüber gesprochen
und geschrieben wurde, nichts anderes war als der vorbereitende Akt, dem
genau so wie vor Jahrhunderten der Stoß im Nahkampfe folgen mußte.
Die ungeheure Entwicklung der Handfeuerwaffen hat an dem tiefsten
Wesen des Infanteriekampfes auch nicht das geringste zu ändern vermocht.
Von dem Augenblick an, in welchem der Infanterie der Weg in den Nah-
kampf offen war, entstand auch wieder der Angriffsstoß in seiner vollen
Reinheit.
Nicht um den Bajonettkampf in dünnen Angriffslinien handelte es sich
mehr, sondern um den Nahkampf mit Gewehr, Revolver und Handgranaten
und um das Hin und Her von Stößen und Gegenstößen, Einsetzen von
Unterstützungen und Reserven, so lange, bis schließlich die letzte Reserve und
der letzte Stoß die Entscheidung brachten.
So stellte der Krieg die Infanterietaktik wieder auf ihre frühere Grund-
lage zurück: auf den Stoß der Masse mit allen damit zusammenhängenden
Forderungen. Der zum Nahkampf vorgehenden Truppe mußte wieder eine
Unterstützung folgen, dem ersten Treffen ein zweites, eventuell ein drittes
und viertes. Wieder zeigte sich, daß die Führung nicht genug Reserven
haben könne, um den Stoß zu nähren und zu erweitern. Wenn dabei nicht
Das Kampfverfa
135
mehr wie früher eng geschlossene Linien oder Kolonnen angewendet wurden,
sondern Linien und Wellen geöffnet folgten, so liegt darin kein prinzipieller
Unterschied. Das waren nur Rücksichten auf die Feuerwirkung, die sich
auch noch im Nahkampfe geltend machte. Der Begriff der Geschlossenheit
ist über den früheren engen Rahmen hinausgewachsen und mit den Dimen-
sionen der Kampffelder in neue Relation getreten.
Der Krieg brachte dann noch manche Steigerung. Tanks, Gas und
Flieger mußten zu Hilfe gerufen werden, um der Infanterie den Weg zu
erleichtern, das Bedürfnis nach Artillerieunterstützung wuchs ins Riesen-
hafte, und nicht nur Stellungen, sondern tiefe Zonen mußten mit Feuer
bedeckt werden. Aber an dem "Wesen der Taktik hat dies nichts mehr ge-
ändert.
Artillerie.
Die Taktik der Artillerie ist einfacher als jene der Infanterie, aber
organisatorische und technische Fragen komplizieren zeitweilig die Artillerie-
führung.
Das Geschütz verdankt seine Entstehung genau so wie die Handfeuer-
waffe dem Wunsche, den Angriffsstoß der Infanterie vorzubereiten und zu
erleichtern. Während aber die Handfeuerwaffen bald ein wesentlicher Be-
standteil der Infanterieausrüstung wurden und sich auf die ganze Kampf-
front verteilten, konnten Geschütze lange Zeit wegen ihrer Schwerfälligkeit
nur in geringer Zahl und daher nur gegen einzelne Punkte Verwendung
finden. Das Prinzip der Vereinigung des Artilleriefeuers zur Massenwirkung
auf entscheidende Stellen steht am Eingange der Artillerietaktik.
Schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts begann die Artillerie einen
merkbaren Einfluß auszuüben. Ihre Mitwirkung war damals bereits so
wichtig, daß man es vorzog, sich in der Angriffsbewegung nach ihr zu richten,
um nicht Gefahr zu laufen, ohne sie kämpfen zu müssen.
Der Dreißigjährige Krieg brachte ein Anwachsen der Heeresstärken, und
infolge gleichzeitiger Verbesserung der Handfeuerwaffen kamen immer mehr
Infanteriegewehre zur Verwendung. Die Schlachtfronten begannen sich
wesentlich in die Breite zu dehnen. Der an ganzer Front angreifenden
Infanterie genügte jetzt die vereinigte Artilleriewirkung gegen einzelne
Punkte nicht mehr. Obwohl die Idee des einheitlichen Stoßes und der
Übermacht auf einem Punkte blieb, so wurde es doch notwendig, auch den
anderen Frontabschnitten eine Artillerieunterstützung zuteil werden zu
lassen, wenn auch in beschränktem Maße. Von dieser Zeit an standen sich
nun zwei Grundsätze in der Artillerietaktik gegenüber: Feuervereinigung
und Feuerverteilung.
Neben diesen taktischen Gesichtspunkten machten sich technische und
organisatorische Fragen geltend. Bereits im 17. Jahrhundert gelang es, kleine
und leichtbewegliche Flachbahngeschütze (Kanonen) herzustellen, die für die
Unterstützung der Infanterie im offenen Nahkampfe -ausreichten. Sie wurden
als Regimentsgeschütze der Infanterie beigegeben, und dies blieb das ganze
v
136
Die Grundprobleme des Krieges.
18. Jahrhundert hindurch. Zur großen und einheitlichen Vorbereitung des
Stoßes wurden größere Kaliber verwendet, für den Kampf gegen Befesti-
gungen mußte der schwere Schuß bleiben (Haubitzen, Mörser). Allmählich
wurde die Feldartillerie einheitlicher und beweglicher organisiert und von
der weniger beweglichen schweren Artillerie (Festungsartillerie) getrennt.
Nicht taktische Gesichtspunkte waren dafür maßgebend, sondern der all-
gemeine Wunsch, die Heere beweglicher zu machen.
Die Zeit der Napoleonischen Kriege brachte keine wesentlichen Ände-
rungen im Geschützmaterial, wohl aber in der Artillerieorganisation im
Zusammenhange mit der Gliederung der Heere in Divisionen und Korps.
Der Forderung nach Feuerverteilung wurde dadurch Rechnung getragen, daß
jede der nebeneinander kämpfenden Divisionen ihre eigene Artillerie erhielt.
Die Regimentsgeschütze wurden eingezogen und die Gefahr einer vollen Zer-
splitterung des Feuers eingedämmt. Eine Feuervereinigung war jetzt schon
innerhalb jeder Division möglich. Um aber diesem wichtigsten Grundsatze
der Kampfführung noch stärkeren Ausdruck geben zu können, wurden den
Korps und Armeen eigene Reserven an schwerer Artillerie zugewiesen.
Alles wurde auf Beweglichkeit eingerichtet, auch die Artillerie. Schon
zur Feuereröffnung sollte sie nahe an den Feind herangehen (1000 bis
1200 Schritte), um sofort die feindliche Artillerie bekämpfen zu können.
Dann hatte sie den Infanterieangriff bis auf Kartätschdistanz (300 bis
400 Schritte) nach vorwärts zu begleiten. Diese Forderungen blieben bis zu
unserem Kriegsbeginne bestehen.
Nach den Franzosenkriegen erhielten sich die organisatorischen und
technischen Fragen der Artillerie lange Zeit unverändert. In einzelnen
späteren Schlachten ist das Einsetzen der Artilleriereserven zu langsam er-
folgt, und der Zug der späteren Zeit ging allmählich dahin, die Artillerie
ganz oder wenigstens größtenteils den Divisionen zu unterstellen.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Geschütztypen ver-
bessert, Tragweite und Wirkungsfähigkeit erhöht. Der Krieg von 1870/71
brachte dann die Ansicht, daß alle Aufgaben im Feldkriege durch Flachbahn-
geschütze gelöst werden könnten. Dementsprechend wurde bei uns die
9-cm-Feldkanone M 75 als Einheitsgeschütz eingeführt.
Der russisch-türkische Krieg 1877/78 bewies, daß die Wirkung leichter
Geschütze gegen Ziele hinter Deckung zu gering ist, worauf Rußland seine
Feldmörser einführte. So entstand auch in den anderen Armeen immer
mehr der Wunsch, neben den Feldkanonen auch noch Haubitzen in Ver-
wendung zu bringen. Bei uns wurde um die Jahrhundertwende die Feld-
haubitze M 99 eingeführt und gleichzeitig auch eine schwere 15-cm-Haubitz-
type hergestellt. Beide Geschütze hatten eine Tragweite von 5 bis 6 km,
was jedoch im Kriege nicht mehr genügte.
Die Zeit um 1900 wurde für die Entwicklung der Waffentechnik außer-
ordentlich entscheidend in bezug auf Hebung der Tragweite, Feuerschnellig-
keit und Wirkung des Einzelschusses.
Das Kampfverfahren.
13 7
Zuerst versuchte man die Feuerschnelligkeit unserer Feldkanonen M 75
durch Einführung des Federspornes und die Wirkung durch verbesserte
Geschoßkonstruktion zu heben. Aber die Fortschritte in der Waffenkonstruk-
tion wurden immer lebhafter. Bei gleicher oder sogar gesteigerter Wirkung
des Einzelschusses vermochte man mit dem Kaliber herabzugehen. Es ge-
langte schließlich die Féldkanone M 1905, Kaliber y 6 5 cm, zur Einführung.
Dieses Geschütz hatte eine Tragweite von 7 km und hat sich im Kriege
bewährt. Am schwierigsten war hiebei die Lafettenkonstruktion gewesen,
weil sich die Rohrrücklaufsysteme erst um diese Zeit zur vollen Höhe ent-
wickelt hatten. Dazu kam dann auch noch die Einführung von Schutz-
schilden, die aber weit weniger von Belang waren, als man angenommen
hatte.
Neben der Frage der Geschützkonstruktion entstanden auch wichtige
Fragen bezüglich der Organisation der Artillerie. Selbstverständlich standen
diese im Zusammenhange mit den taktischen Anschauungen, welche die Zeit
uns brachte. Die Entwicklungstendenz unserer Auffassungen ging immer
mehr nach breiten Fronten, zerlegtem Anmärsche, rascher Gefechtsentwick-
lung. In breiter Ausdehnung trat bei den Manövern Division neben Division
in den Kampf, beinahe nirgends eine zusammengehaltene Kraft, weil über-
all Umfassungen angestrebt wurden. Dieses beinahe blinde Streben nach
Umfassungen weckte den Glauben an rasche Abwicklung der Kämpfe. Damit
die Artillerie nur gewiß rasch genug sei, wurde sie schließlich beinahe ganz
auf die Divisionen aufgeteilt und innerhalb der Divisionen wieder auf die
Kolonnen und Gefechtsgruppen. Dies führte immer mehr zur Feuerzer-
splitterung auf den ausgedehnten Fronten, und für eine Feuervereinigung
blieb nahezu nichts übrig als acht Haubitzen bei jedem Korps, die aber
auch noch häufig schon am Beginne geteilt wurden.
Aber auch Präzision und Wirkung des Artilleriefeuers waren wesent-
lich unterschätzt worden. Dies hatte mehrfache Ursachen. Bei den Schieß-
übungen wurde aus Sparsamkeitsrücksichten zumeist nicht weit über das
Einschießen hinausgegangen, und man lernte die Wirkung daher nur in ein-
geschränktem Maße kennen. Aber selbst dann, wenn sich eindrucksvolle
Resultate zeigten, schätzte man, daß solche auf dem Schießplatze erzielten
Leistungen unter den psychischen und sonstigen Eindrücken und Erscheinun-
gen im Kampfe wohl kaum zustande kommen würden.
Bei den Gefechtsübungen zeigten sich die Ziele doch immer kleiner,
beweglicher und schwerer zu erfassen als auf dem Schießplatze, wo die Er-
mittlung der Distanzen wesentlich leichter war. Dazu kam, daß innerhalb
des kurzen Gefechtsverlaufes bei unseren Friedensübungen von der Artillerie
auch noch ein mehrfacher Zielwechsel, zuerst die Bekämpfung feindlicher
Artillerie, dann Beschießung der Einbruchsstellen und schließlich Begleiten
des Infanterieangriffes verlangt wurde und dies auch noch verbunden mit
ein- bis zweimaligem Stellungswechsel, der von der verfügbaren Zeit auch
noch einiges verschlang. Rechnet man hinzu die unvermeidlichen Schwierig-
keiten in der Zusammenarbeit bei rasch ablaufenden Aktionen, so erscheint
i38
Die Grundprobleme des Krieges.
es wohl begreiflich, daß man glaubte, sich nicht lediglich auf die Mitwirkung
der Artillerie verlassen zu sollen, sondern es vorzog, der Infanterie zu
empfehlen, auch ohne Artillerieunterstützung anzugreifen.
Dazu kamen natürlich auch noch jene Schwierigkeiten, die der Artillerie,
auch der feindlichen, aus der Gegenwirkung erwachsen mußten, solange
wenigstens, als Bewegungen und Aufstellung der Artillerie in offener Sicht
des Feindes erfolgten. So waren also nach unserer damaligen Meinung die
beiderseitigen Artillerien genau so den Gefahren des Kampfes ausgesetzt wie
die Infanterien.
Der Gedanke an verdeckte Kampfstellungen war durch den Man-
dschurischen Krieg angeregt worden, erst die Einführung der Truppen-
telephone hat sie in größerem Umfange möglich gemacht. Doch verschaffte
sich der Gedanke nur langsam Eingang. Bei den Manövern konnten be-
züglich der notwendigen Telephoneinrichtungen für Schußbeobachtung und
Verbindung mit der Infanterie keine rechten Erfahrungen verzeichnet wer-
den, weil der rasche Gefechtsverlauf dies unmöglich machte. Man dachte
an eine Herabminderung der Wirkung, auch an einen Ausfall moralischer
Unterstützung der Infanterie. So hieß es z. B. in den Bemerkungen zu
den Manövern 1909, daß die Artillerie schon zu sehr von verdeckten
Kampfstellungen Gebrauch mache. Daß sie unbedingt notwendig seien,
wußte man nicht, der Krieg hat dies aber sofort mit unwiderlegbarer Deut-
lichkeit bewiesen.
Schon früher wurde geschildert, wie unsere Infanterie am 26. August
auf den Feind losging, genau so wie sie es gelernt hatte, ohne an eine
Artillerieunterstützung zu denken. Auch die Artillerie tat das, was ihr an-
erzogen war. Gleich am Beginne des Kampfes ging sie in Stellung, sandte
ihre Aufklärer aus, richtete Beobachter und Telephone ein und eröffnete
dann das Feuer auf jene wenigen Ziele, die sich zeigten. Ob dies gerade
jene Stellen waren, an denen unsere Infanterie die Artillerieunterstützung
am notwendigsten gebraucht hätte, war natürlich mangels einer Verbindung
mit der Infanterie nicht zu entscheiden. Die Infanterie kümmerte sich auch
die längste Zeit nicht um den feindlichen Widerstand, sondern drängte vor-
wärts so gut sie konnte. Von einem Zusammenwirken war nicht die ge-
ringste Spur.
Die Infanterie kam immer weiter, und nun begann auch die Artillerie
ihre Stellungen nach vorwärts zu wechseln. Damit ging natürlich mitten
im Infanterieangriff viel Zeit verloren, um so mehr, als die Bodengestaltung
die Bewegungen der Artillerie sehr erschwerte. In den neuen Stellungen
brauchte es natürlich Zeit, bis die Artillerie ihre Beobachtung zum zweiten-
mal eingerichtet hatte, auch diesmal unabhängig von der Infanterie, und
dann begann sie abermals auf jene Ziele zu schießen, die ihre Beobachter
sahen. Auch jetzt waren es am wenigsten die Ziele, deren Bekämpfung die
Infanterie gebraucht und gewünscht hätte. An vielen Stellen der Infanterie-
linie wurde bereits der Ruf nach Artillerieunterstützung laut, doch bestand
Das Kampfverfahren.
139
kein Mittel, dies der Artillerie bekanntzugeben. Denn weder die Beobachter
noch die Batterien standen in telephonischer Verbindung mit der Infanterie.
Von der feindlichen Artillerie, die in den Reihen unserer Fußtruppen ver-
heerend wirkte, war nichts zu sehen. Unsererseits hingegen standen zahl-
reiche Batterien offen, Offiziere und Mannschaften wie auf dem Schießplatz
auf dem reglemenitarisch vorgeschriebenen Platze, von den Schutzschilden
wurde nahezu kein Gebrauch gemacht. Die Bespannungen standen wenige
hundert Schritte abseits, häufig gleichfalls ungedeckt, dem Feinde ein günstiges
Ziel bietend. So wurden unsere Batterien bald zugedeckt, die Bespannungen
auseinander getrieben, und die Artillerie erlitt schwere Verluste, ohne der
Infanterie auch nur im geringsten helfen zu können. Die Angriffe waren
viel zu rasch gewesen, das Terrain zu wenig übersichtlich, als daß bei so
breiten Fronten eine nützliche Artilleriewirkung hätte zustande kommen
können.
Als es dann bei einzelnen Gefechtsgruppen zu rückgängigen Bewegungen
kam, wurde unsere Artillerie genötigt, noch während des andauernden
Kampfes wieder, und zwar nach rückwärts Stellung zu wechseln. In dieser
kritischen Zeit entfiel die Artilleriewirkung gänzlich, was bei Darstellung
der Kämpfe schon geschildert wurde.
Die Verteidigungskämpfe am 29. und 30. August brachten wesentlich
günstigere Verhältnisse für unsere Artillerie. Bei der Mehrzahl der Divisio-
nen des III. und XII. Korps bestand genügend Überblick, und die Artillerie
hatte somit Gelegenheit, bei der Abweisung der russischen Angriffe, die
größtenteils gut zu sehen waren, initiativ mitzuwirken.
Auch in unserer zweiten Angriffsschlacht an der Wereszyca war die
Artilleriewirkung besser. Ausreichend war sie auch dort und noch lange Zeit
nicht. Besonders mangelte es an der so notwendigen innigen Verbindung
zwischen Infanterie und Artillerie. Die behindernden Ursachen waren aber
durchaus nicht so leicht zu finden, als dies jetzt nachträglich vielleicht den
Anschein haben mag, denn sie standen in tiefem und ursächlichem Zu-
sammenhang mit unseren grundlegenden Anschauungen über Kampffiihrung.
Der Begriff der Raschheit, der obenan stand, war aus den Auffassungen
über einen Bewegungskrieg abgeleitet, den man sich im Frieden gedacht
hatte und den es im Kriege nicht gab. Immer hoffte man irgendein Loch
in der feindlichen Front oder einen Flügel zu finden, Punkte, von denen
aus man den Feind aufrollen und vernichten zu können hoffte. Deshalb
glaubte man auch nicht rasch genug sein zu können. Aber überall stießen
unsere Truppen auf geschlossene Fronten.
"Wenn man von der Artillerie eine Wirkung verlangt, dann muß man
ihr Zeit lassen, sich vorzubereiten. Der Plan für den Angriff muß zwischen
Infanterie und Artillerie geregelt werden. Erst dann können die Batterien
ihre Stellungen zugewiesen erhalten und die Beobachtung in Verbindung mit
der Infanterie einrichten. Zumeist ist das Beziehen der Stellungen im Feuer-
bereiche des Feindes bei Tag unmöglich, und daher braucht die Artillerie
fast immer eine ganze Nacht zur Vorbereitung. Wenn man ihr nachmittags
140
Die Grundprobleme des Krieges.
sagt, was man am nächsten Tage von ihr haben will, dann wird sie am
Morgen bereit sein. Doch bei uns sollten die Angriffe immer sofort be-
ginnen, niemals blieb Zeit, um über eine Vorbereitung auch nur nachzudenken.
Diese Art von Erwägungen war uns vollkommen fremd.
Unsere Angriffe waren so angelegt, daß sie von vornherein eine ein-
heitliche Artilleriewirkung unmöglich machten. In breiter Front griffen alle
Truppen gleichzeitig an, überall war der Angriff gleich schwer, überall die
feindliche Artilleriewirkung gleich heftig. So war auch der Bedarf nach
Artillerieunterstützung überall gleich groß. Genau so wie die Infanterie war
auch die Artillerie in breiter Front verteilt. Eine Feuervereinigung konnte
höchstens partiell in geringem Ausmaße zustande kommen. Kaum hatte eine
kleine Zusammenfassung des Feuers Platz gegriffen, so riefen schon alle
anderen Teile um Unterstützung. Es war ein ewiges Hin und Her, in dem
es zu einer einheitlichen und planvollen Wirkung nicht kommen konnte.
Solange im Infanteriekampfe der Gedanke an den Stoß vorgeherrscht
hatte, war bezüglich der Artillerie das Streben nach Feuervereinigung im
Übergewichte geblieben. Der Gedanke an den Stoß verblaßte, und die
Artilleriewirkung verlor sich in einer an Zersplitterung grenzenden Feuerver-
teilung.
Der Krieg zeigte, daß zwischen beiden Extremen: Feuervereinigung und
Feuerverteilung erstere wichtiger ist.
Die Kampffiihrung des Feindes.
Die militärischen Gedankengänge sind in den verschiedenen Heeren zu-
meist ähnlich, weil sie doch alle auf den Ergebnissen der letzten Kriege und
Schlachten fußen. Doch ergeben sich stets gewisse Unterschiede, die haupt-
sächlich davon herrühren, ob Erfahrungen selbst gemacht oder von auswärts
übernommen wurden.
Die bösen Lehren von Königgrätz hatten bei uns vielleicht noch mehr
als anderswo dazu geführt, den Gedanken an den Stoß auszuschalten. Und
vielleicht noch williger als andere Heere waren wir den Lehrmeinungen, die
von St. Privat und Sedan ausgingen, gefolgt. Die Russen hatten in den
letzten 40 Jahren zwei große Kriege geführt. Schon die Erscheinungen
1877/78 standen in einem gewissen Widerspruche zu jenen von Metz. Es
hatte keine Umfassungen, sondern nur ein mühevolles, verlustreiches Ab-
ringen gegeben. Der Glaube an Umfassungen war dadurch in den anderen
Heeren nicht wankend geworden. Denn wenn Umfassungen am Balkan
nicht zustande gekommen waren, so wurde dies hauptsächlich auf die Beson-
derheiten des Kriegsschauplatzes zurückgeführt. Weiters wurden die Kämpfe
um Plewna mit jenen von Metz in Vergleich gestellt und man meinte, daß,
wenn die Russen nicht so sehr losgestürmt, sondern sich mit Feuer langsam
vorgearbeitet hätten, die Angriffe wahrscheinlich gelungen wären. Ähnlich
war dies auch mit dem Kriege gegen die Japaner gewesen. Wieder machten
die Russen die Erfahrung frontaler Kämpfe, während die anderen haupt-
Das Kampfverfahren,
sächlich den Mangel an Bewegungsfähigkeit infolge der Eigentümlichkeit des
Kriegsschauplatzes sahen. Gewiß hatte der Zug der Zeit, der auf Umfassun-
gen und breite Fronten losging, seine Rückwirkungen auch im russischen
Heere. Doch war dieses dem Gedanken an den Stoß mit seiner tiefen Glie-
derung und vorbereitenden Artilleriewirkung um einen guten Schritt näher
geblieben als wir. Solche Unterschiede sind im Krieg oft von großer Be-
deutung.
Ais unsere Truppen am 26. August mit den Russen zusammentrafen,
waren die Russen auf ganzer Linie in der Offensive. Auch ihre Berichte
sprechen durchwegs von Angriff und Renkontre, und doch trafen unsere
Truppen beinahe überall nur auf eingegrabenen Feind und rannten an seine
Stellungen an. Die vor der feindlichen Front befindlichen und zumeist durch
Infanterie unterstützten Kavalleriedivisionen standen nicht nur im Auf-
klärungsdienste, sondern übernahmen gleichzeitig den Dienst der Vorhuten.
So war also das Kampf terrain noch vor dem Beginne der Schlacht bereits
in den Händen des Feindes und dieser ging augenblicklich daran, seine
Artillerie auf dem Kampfplatz einzurichten.
Es ist notwendig, neben diesem Umstand im einleitenden Kampf ver-
fahren auch noch die Geschützzahl in Vergleich zu stellen. Es standen
unserer 6., 22. und 16. ID. mit 144 Geschützen vier russische Infanterie-
divisionen und zwei Kavalleriedivisionen mit zusammen rund 200—220 Ge-
schützen gegenüber (C. IV., Fußnote S. 227 und Anlage 21). Die Gegen-
überstellung dieser Zahlen und des Kampfverfahrens zeigen eindringlich die
Nachteile, denen unsere Truppen ausgesetzt waren. Erst nach Festsetzung
im Angriffsraum und Einrichtung der Artillerie stellten die Russen ihre
Kräfte zum Angriffe bereit. Dies geschah langsam und, wie ihre eigenen
Berichte sagen, schwerfällig. Deshalb kamen am 26., ausgenommen am nörd-
lichen Flügel bei Spas und Derewlany, wo sie gleich anfangs umfassend
auftreten konnten, ihre Angriffe nirgends zur Geltung. Erst am 27. haben
Angriffe gegen unser XII. Korps stattgefunden, die zu harten, oft hin- und
herwogenden Kämpfen führten. Mit Rücksicht auf das am 26. erfolgte
Zurückgehen unserer 35. ID. sei hier aus dem Tagebuch eines später gefan-
genen russischen Offiziers nachfolgende Stelle angeführt, die sich gleichfalls
auf die Kämpfe in diesem Räume bezieht (9. r. ID., 27. Aug.): „3h früh
Abmarsch, erreichen Kote 410 statt um Morgengrauen erst um 11 h vm.
Durch Wald mit Zügen auf gleicher Höhe, bei MH. Buzi Schwarmlinie. Im
Wald erhielten wir Artilleriefeuer, doch überflogen uns die Geschosse. Wo
Feind, unbekannt, nicht zu ermitteln. Wir gelangten an jenseitigen Wald-
rand, Feind war schon zurück. Umgekehrt, weil Verbindung verloren-
gegangen, auch ein zweitesmal. Keine Nachricht, kein Befehl." Man sieht,
wie der Mangel an Verbindung und Geschlossenheit im Angriff auf allen
Seiten Schwankungen hervorruft.
Dort, wo die Russen angriffen, wie am 29. und 30. Aug., später bei
Rawa Ruska und südlich davon, ist dies stets eng massiert, tief gegliedert
und mit großer örtlicher Überlegenheit geschehen. Die Grundsätze ihres
í
142 Die Grimdpróbleme des Krieges.
Infanterieangriffes waren gut, auch ihre Artillerievorbereitung war kräftig,
schon durch die Überlegenheit an Geschützen und besonders durch einen
geradezu unerhörten Aufwand an Munition in den Anfangsschlachten.
Dann allerdings waren ihre Munitionsbestände zu Ende, leider haben sie
diese Schlachten überdauert. Trotz ihrer mächtigen Artilleriewirkung haben
die Russen die Konzentrierung des Artilleriefeuers auch nicht in ausreichen-
dem Maße zur Anwendung gebracht. Der Gedanke daran war bei ihnen
gleichfalls verblaßt.
Abgesehen von dem großen inneren Gehalt unserer Truppen, waren
unsere Divisionen auch beweglicher, und es hat gewiß nur an den äußeren
Bedingungen gefehlt, wenn die Kämpfe in ihrem Endresultate für uns un-
günstig waren. Einen Erfolg im frontalen Kampfe haben die Russen trotz
ihrer Überlegenheit lediglich an einer einzigen Stelle zu erzielen vermocht,
nämlich am 30. Aug. gegenüber unserer zermürbten, vorwiegend aus ruthe-
nischer Mannschaft bestandenen 11. ID. Alle ihre anderen Erfolge hatten
sie nur dem Umstände zuzuschreiben, daß unsere Truppen in Umfassungen
gerieten.
Mit Ende dieser ersten Kriegsperiode hörten alle Möglichkeiten zu
Umfassungen auf und dies war begreiflich. Umfassungen bedeuten den billi-
geren Sieg, wirkungsvoller, als es der Stoß jemals sein kann. Deswegen
s-uchen sie alle, aber alle trachten auch, sich dagegen zu schützen. Wenn
Umfassungen mehr wären als ein Ergebnis zufälliger Vorteile, wenn der
Kampf auf diese Weise dauernd zur Entscheidung gebracht werden könnte,
dann würde es nicht so viel Kopfzerbrechen, nicht ein so lebhaftes Suchen
nach Hilfsmitteln auf dem Gebiete der Waffentechnik geben.
Das große Gesetz des Lebens zwingt die Menschen in den Kampf, und
Brust an Brust muß dieser ausgetragen werden. Für den gefallenen Kame-
raden muß der Hintermann aus dem zweiten Gliede vortreten, dann
kommt das dritte Glied daran, so ein Kämpfer nach dem anderen. Dort,
wo das erste Treffen wankend wird, greift das zweite ein und immer wieder
kommen neue Kräfte vor. So war es zu Landsknechtszeiten, so ist es heute
und auch bei Tanks und Fliegergeschwadern wird es nicht anders sein.
Krieg- und Schlachtenführung.
(Dlb.) Das Streben nach Überlegenheit nimmt seinen natürlichen Ausgangs-
punkt in der Anwendung der stärkeren Form und diese wird damit für
alle anderen Probleme der Krieg- und Schlachtenführung maßgebend. Es
hat sich in der kriegshistorischen Entwicklung niemals um etwas anderes
gehandelt, als um eine Anpassung des grundlegenden Prinzips des Massen-
stoßes an gewisse 2 eiter scheinungen, und letztere waren wieder abhängig
von der allmählichen Zunahme der Streiterzahlen und dem technischen Ent-
wicklungsstand, auf dem sich die Hilfsmittel des Krieges jeweils befanden.
Die Anwendung der enggeschlossenen Kampfform zum frontalen Stoß
war niemals eine freiwillige. Niemand, der den Feind an einem seiner
ti
Krieg- und Schlachtenführung.
143
Flügel überlegen zu treffen vermochte, hat jemals die Entscheidung in der
Front gesucht. Deshalb haben sich auch im Kampfe seit jeher immer wieder
Versuche zur Umfassung gezeigt. Manchmal sind sie gelungen, zumeist
haben sich diese Bestrebungen gegenseitig aufgehoben.
Immer und ewig bestand der Wunsch, breiter zu sein als der Feind.
Aber Breitenausdehnung und Tiefengliederung sind Forderungen, die ein-
ander entgegenstehen. Die Tiefe ist für den Stoß die Hauptsache, auch für
die Abwehr des Stoßes, sie kann daher nicht groß genug sein. Die Breiten-
ausdehnung entsteht in Wechselwirkung mit jener des Feindes, die eigene
Front darf nicht schmäler sein, um nicht umfaßt zu werden; sie kann aber
auch nicht wesentlich breiter werden, wenn nicht eine ausgesprochene Über-
legenheit in der Zahl der Kämpfer besteht, weil sonst die Kraft des Stoßes
sinkt. Kleine Kampffronten bieten alle Chancen zur Umfassung und den-
noch ist es unvermeidlich, die Kräfte zusammenzuhalten. Daher kommt es,
daß bei zunehmenden Streiterzahlen die Entwicklung der Schlachtenformen
eher in die Tiefe geht als in die Breite.
Von der einfachen Zusammenballung der Kräfte bis zum Auftreten
eng geschlossener Massen im Kampf ist ein großer und entscheidender
Schritt. Die Geschlossenheit wird von strengster Ordnung abhängig, weil
sonst die Beweglichkeit herabsinkt. Die Ordnung wird zum zwingenden
Gesetz des Krieges.
Wer mit dem geschlossenen Stoß einen noch unfertigen Feind trifft, ist
im Vorteile. Raschheit wird zum natürlichen Bestreben jeder Führung, aber
die Notwendigkeit der Ordnung ist stärker. Durch Jahrhunderte zog es die
Führung vor, auf ein rasches und überraschendes Eindringen auf den Feind
zu verzichten, wenn dies nicht in vollkommen geschlossener Ordnung er-
folgen konnte.
Das stete Streben nach zunehmender Raschheit steigerte allmählich die
Beweglichkeit der Heere, aber sie hielt sich auch zumeist gegenseitig die
Waage. So zeigt der Krieg Jahrhunderte 'hindurch das nahezu unveränder-
liche Bild, daß die Heere nahe gegenüber zur Schlacht antreten und erst
nach Annahme der Schlachtenform zum Stoße vorgehen.
In seiner Gesamtheit ist die Anwendung des Massenstoßes, welcher als
das stärkere Mittel erscheint, begrenzt. An Beweglichkeit können die Mas-
sen erst allmählich gewinnen; aber selbst wenn diese bereits wesentlich ge-
steigert ist, bleibt die Durchführbarkeit des Stoßes noch von hindernislosen
Schlachtfeldern abhängig, und diese müssen gesucht werden. Auch ist der
Schutz der Flügel nötig, und den Vorteil hat derjenige, dem es gelingt, den
Kampf in vorbereiteten Stellungen mit Flügelanlehnung und günstigen Ver-
hältnissen für den Stoß abzuwarten. Während die Kampfform unter allen
Umständen lediglich auf den offensiven Stoß ausgeht, erhält die gesamte
Kriegführung damit eine mehr defensive Tendenz.
Aus natürlichen Voraussetzungen, welche die Verwertung der stärkeren
Form mit sich bringt, wachsen von selbst die Bedingungen, unter denen
Schlachten geschlagen werden. Zwischen dem Wunsche nach breiten Fronten
144
Die Grundprobleme des Krieges.
und der Forderung nach tiefer Gliederung, zwischen dem Streben nach Um-
fassung und der Anwendung des frontalen Stoßes, in dem Einklänge zwi-
schen Raschheit und der gebotenen Ordnung, in der Ausnützung offensiver
und defensiver Tendenzen entwickelt sich der Krieg in seiner durchgebil-
deten Form.
Der organisierte Kampf erweist sich stärker als der unorganisierte, und
deshalb ist es unvermeidlich, zu den Mitteln der Organisation zu greifen.
Aber die Mittel zu Organisationen sind beinahe stets geringer, als es die
Erreichung der Ziele erfordern würde, und darin liegt der Grund, warum aus
dem einfacheren Begriffe des Kampfes und der Schlachten der kompliziertere
Begriff des Krieges entsteht.
Weil Schlachten, die mit beschränkten Mitteln geschlagen werden, nicht
das große Ziel des Kampfes erreichen, muß der Krieg auf die Quellen
losgehen, aus denen neue Organisationen und neue Widerstände erwachsen
können. Die Schlachten selbst erhalten damit in der Form des organisierten
Krieges zeitweilig einen anderen Aspekt. Der Widerstand des Feindes er-
scheint als Hindernis, und Schlachten werden geschlagen, um die Bewegungs-
freiheit, auf die es schließlich ankommt, zu erreichen.
Der Bewegungsfreiheit steht aber die Forderung nach Geschlossenheit
hindernd oder erschwerend gegenüber. Wird die Geschlossenheit gelockert,
so sinkt die Kampfkraft, und selbst nach einem Siege entsteht daraus un-
mittelbar die Gefahr eines Rückschlages. Diejenige Form, die sich im
Kampfe stärker erweist, macht den Krieg in seiner Gesamtheit unbeweg-
licher und erschwert die Erreichung der letzten und großen Ziele des Krieges.
Es ist, als ob natürliche Bedingungen die Kräfte einschränken, damit keine
der anderen dauernd überlegen werden kann.
Große und durchschlagende Erfolge hat es zeitweilig immer dort ge-
geben, wo eine augenblickliche Widerstandsfähigkeit sich unverhältnismäßig
gering erwiesen hat. Aber immer wieder ringen sich die Bestrebungen zu
einem gewissen Gleichgewicht empor und zwingen dazu, den Kampf in
neuen Formen, in neuen Kriegen weiterzuführen. Man muß von den ein-
zelnen Kriegszügen und ihren momentanen Erfolgen gänzlich absehen und
sie im Rahmen der Jahrhunderte zusammenfassend betrachten, um zu er-
kennen, wie langsam nur die feindlichen Kräfte sich abreiben können, wie
sie sich über alle Zufälligkeiten hinweg auf die Dauer beinahe die Waage
halten und wie sich nur die Energien des Kampfes schrittweise und beinahe
gleichmäßig steigern, so lange, bis vielleicht einmal die letzte Grenze hiefür
erreicht sein wird,»nämlich die vollkommene und stärkste Organisation, die
gänzliche Zusammenfassung aller Kräfte und Mittel für den entscheidenden
Kampf. Dann wird der Krieg auch tatsächlich nichts anderes mehr sein als
das, was er immer sein will, nämlich eine einzige große Schlacht.
Aus primitiven Anfängen entwickelte sich die Kriegführung seit der
Renaissancezeit, die auch im Kriegswesen ein Wiederaufleben bereits höher
entwickelter Formen brachte.
Krieg- und Schlac
145
Seither waren Sinnen und Trachten auf das große Ziel gerichtet, die
Schlachten zu einem weiterreichenden Werkzeuge des Krieges zu machen.
Die Vermehrung der Streiterzahlen und ihre innere Festigung, ihre bessere
Bewaffnung und die Erhöhung der Beweglichkeit auf dem Kampfplatze
kennzeichnen die Richtung, in der dieses Ziel zu erreichen gesucht wurde.
Der Dreißigjährige Krieg mit seinem unausgesetzten Zwange, die
Energien zu steigern, brachte bereits Ansätze zu stehenden Heeren, zu einer
hohen Disziplinierung der Truppen und zu gesteigerter Beweglichkeit.
Mit der Zunahme der Streiterzahlen beginnt eine wichtige Erscheinung
deutlicher zu werden: Der Krieg auf breiten Fronten. Die Frage der Teilung
der Kraft wird zu einem selbständigen Problem und tritt dem großen
Grundsatze der Kraftvereinigung entgegen.
Neben dem offensiven Streben, welches auf den Kampf ausgeht, machen
sich im Kriege, und zwar auf jeder Seite, auch defensive Tendenzen unver-
meidlich geltend. Der Krieg geht letzten Endes auf die Quellen der Kraft
los und daher muß jeder Teil dafür sorgen, jene Räume zu schützen, aus
denen die Widerstandskraft der Heere erwächst.
Manchmal treten aber auch die großen Linien, auf denen Schlachten
gesucht werden müssen, nicht eindeutig genug hervor. In manchen Kriegen
gibt es zwei oder mehr solcher Linien, und sie vervielfältigen sich besonders
dann, wenn mehrere Staaten gleichzeitig im Kriege stehen. In solchen
Fällen weiß man nicht im voraus, wo der Feind seine stärkeren Kräfte haben
wird, und daraus entsteht die Notwendigkeit, Kräfte zu teilen oder ihre
Trennung zu erhalten. Das Bild des Krieges wird komplizierter und für die
Führung wird es schwerer, zum Stoß anzusetzen, wenn mit Bedrohung von
anderer Seite her zu rechnen ist. Aber das Wesen des Krieges wird dadurch
nicht berührt, denn für die Art, wie man Schlachten sucht und schlägt,
bleibt es dasselbe, ob man dies auf einer Linie tut oder auf mehreren.
Der Gegensatz zwischen offensiven und defensiven Tendenzen, zwi-
schen breiten Fronten und tiefer Gliederung, zwischen lockerer Form und
Geschlossenheit, beherrscht den Krieg in» allen seinen Teilen. Immer sind
die Gründe, welche die große Kraftvereinigung beeinträchtigen, lauter, ein-
dringlicher und zahlreicher. Wie ein Bleigewicht legen sie sich auf die
Führung. Die große Kraftvereinigung im Kriege wäre nicht so selten, wenn
sie nicht so schwierig wäre. Nur der Gedanke an Schlachten und Stoß kann
sie herbeiführen.
Der Ausgang der Schlachten ist immer ungewiß und noch fraglicher
die Wirkung, die der Sieg hat. Denn nicht das Resultat auf dem Schlacht-
feld entscheidet, sondern die Wirkung, welche die Schlachten über das
Schlachtfeld hinaus gewinnen. Es handelt sich um die Tiefenwirkung der
Schlachten, und diese ist bei Heeren, die immer eng geschlossen gehalten
werden müssen, verhältnismäßig nur gering.
So wächst teils das Streben, an breiten Fronten die Hilfsquellen des
Feindes abzugraben, teils die Notwendigkeit, sich dagegen zu schützen. Das
war auch im Dreißigjährigen Kriege so. Anfangs wurden entscheidende
Pit rei ch.
IO
146
Die Grundprobleme des Krieges.
Schlachten gesucht. Nachdem aber die Schlachten den Krieg nicht zur Ent-
scheidung brachten, nahm die zerstreute Form des Krieges allmählich zu, so
lange, bis die Geschlossenheit beinahe ganz aufhörte.
Die furchtbaren Verwüstungen im Dreißigjährigen Kriege weckten den
Wunsch, die Schäden für die vom Kriege betroffenen Länder einzuschränken.
Der Krieg wurde fast ausschließlich tauf den Nachschub eingerichtet und
damit die Bewegungsfähigkeit der Heere noch geringer. Unverhältnismäßig
mehr als früher hingen sie nun an Fuhrwerkskolonnen und Magazinen.
Die Operationen konnten zumeist nur schrittweise vorwärts getragen wer-
den, der Krieg war somit auf enge Räume beschränkt. Und wie immer,
wenn sich die Bewegungsfreiheit einengt, stiegen auch damals die Chancen
für die defensive Kriegführung.
Die gesteigerte, abhaltende Kraft des Feuers erhöhte gleichzeitig die
Vorteile des defensiven Verfahrens im Kampfe. Trotzdem wurde unent-
wegt an dem Gedanken des Stoßes mit der geschlossenen Masse festgehalten.
Um in feindliche Linien eindringen zu können, mußte der Angreifer rascher
schießen als der Verteidiger. Im preußischen Heere unter König Friedrich
Wilhelm I. wurde die Verbindung zwischen Feuer und Bewegung zur Per-
fektion durchgebildet und in den Schlachten Friedrich des Großen trat sie
entscheidend hervor. Die Angriffe erforderten eine nur in jahrelanger
Schulung erreichbare drillmäßige Durchbildung und strengste Disziplin. Für
die Verluste im Kampfe war aber kein gleichwertiger Ersatz vorhanden
und so wurde das frontale Angriffsverfahren immer mehr gemieden.
Das Streben nach Umfassungen wuchs, aber nach wie vor wurde ge-
trachtet, die Flügel der Heere durch Anlehnung an Hindernisse zu schützen.
Ergab sich Gelegenheit, dann mußten kurz vor dem Kampfe die Heere in
Schlachtformation gegen den anzugreifenden feindlichen Flügel verschoben
werden. Auch hier wurde die präzisere Durchbildung der Truppen häufig
zu einem entscheidenden Mittel für den Sieg. Friedrich der Große war darin
Meister, Gelegenheiten zu solchen .Umfassungen zu erspähen. Den anderen
Feldherren gelang dies nicht in gleichem Maße. Daher sind die Fälle, in
denen Umfassungen zustande kamen, nur selten geblieben.
Unter diesen Umständen wurde immer mehr getrachtet, durch Um-
gehung und Druck auf die Nachschublinien den Feind aus seinen Stellungen
herauszumanövrieren, um dann vielleicht günstigere Verhältnisse für den
Angriff zu finden. Auf einen Renkontrekampf wollte es dabei niemand
recht ankommen lassen, weil Ordnung und Geschlossenheit im Kampfe
wichtiger schienen als Raschheit des Angriffes. Zwar ist es mitunter zu
Renkontrekämpfen gekommen, doch nur dann, wenn ein Teil nach rasche-
rem Aufmarsch in Schlachtordnung zum Angriff überging, bevor noch der
andere vollständig kampfbereit war. Im übrigen wurden aber die Heere
auch bei Ausführung solcher Manöver zumeist nur von Stellung zu Stellung
geführt, vorwiegend in der Absicht, dem Feinde den Vortritt im Angriffe
zu lassen.
Krieg- und Schlachtenführung.
M 7
Es mag vielleicht sonderbar erscheinen, daß alle diese Übel und Nach-
teile in Kauf genommen wurden, und nicht schon damals der Weg zu einer
Lockerung der Formen beschritten wurde. Bereits die nächste Kriegsepoche
hat diese Änderung gebracht, allerdings durch besondere Umstände hervor-
gerufen. Ohne zwingendste Notwendigkeit wäre wahrscheinlich niemand
von den aufs engste geschlossenen Formen abgegangen. Durch alle Zeiten
hindurch war der Gedanke an den Stoß der Masse der unveränderliche
Richtpunkt der Schlachten- und Kriegführung gewesen und an ihm hing
auch der Gedanke an die geschlossenen Schlachtformen.
Es ist dies bemerkenswert, weil der Weg jeder historischen Entwick-
lung von der lockeren Form zur geschlossenen und von der geschlossenen
eher zur Starrheit führt, als daß er freiwillig zur lockeren Form zurück-
kehren würde. Es zeigt sich dies auf dem Wege der sozialen Entwicklung
genau so, weil an der Geschlossenheit der Begriff der Macht, der Leitung
und der Ordnung hängt. Nur die große und zwingende Gewalt der Tat-
sachen vermag Formen, die historisch geworden sind, zu zerschlagen.
Auch auf dem Gebiete des Krieges steht das Prinzip der Geschlossen-
heit und Ordnung obenan, weil es die Wucht im Kampf erhöht. Wenn die
geschlossene Form aufhört, so wird der Wille der höchsten Führung von der
Mitwirkung zahlreicher Unterführer abhängig, und wie ungünstig dies ist,
hatte sich schon gelegentlich der Trefïengliederung der Heere gezeigt, noch
mehr aber zu dem Zeitpunkt, als die Infanterietaktik einen Unterschied
zwischen Angriff und Verteidigung erkennen ließ. Kein kriegserprobter
Feldherr hätte die geschlossene Form ohne zwingendste Gründe jemals frei-
willig aufgegeben. In der Geschlossenheit liegt die Disziplin, die militärische
Kraft der Heere. Die parademäßige Geschlossenheit ist ihr stärkster Aus-
druck, und wie groß das Bedürfnis hiezu ist, zeigen die gegenwärtigen Nach-
kriegsverhältnisse in allen Staaten. Selbst der Griff zum Präsentieren des
Gewehres, den abzuschaffen man sich vor dem Kriege durch Jahrzehnte
hindurch bemühte, ist jetzt beinahe überall wiedergekehrt.
So kam es auch damals, daß man sogar eher daran ging, dem immer
schwieriger werdenden Stoß auszuweichen, als daß man von der eng ge-
schlossenen Form abgegangen wäre, und der Krieg behielt seine starr und
schematisch anmutenden Formen.
In dieser Epoche haben wohl alle Umstände zusammengewirkt, um
die defensiven Tendenzen des Krieges hervortreten zu lassen. Nebst der
natürlichen Erschwerung der Beweglichkeit, die bei geschlossenen Heeren
selbstverständlich ist, machte sich eine Abhängigkeit vom Nachschübe geltend
wie niemals zuvor. Die Wirkung der Feuerwaffen war groß geworden und
hatte die taktische Verteidigung begünstigt. Die geschlossene Form hatte
dennoch beibehalten werden müssen, weil in ihr die Kraft der Heere noch
immer besser zur Geltung kam.
Die defensiven Tendenzen wurden dann in der dem Siebenjährigen
Kriege folgenden Friedensepoche noch mehr gesteigert.
d io *
148
Die Grundprobleme des Krieges.
In einer Zeit, die es vorzog und gewiß nicht gänzlich mit Unrecht vor-
zog, Schlachten womöglich in Defensivstellungen abzuwarten, wo die Wir-
kung eines Sieges kaum über das Schlachtfeld hinausreichte, die Tiefen-
wirkung der Schlachten also äußerst gering war, in einer Zeit, in der sich das
Bestreben zu Umgehungen immer mehr geltend machte, war es wohl selbst-
verständlich, daß die Entwicklung des Krieges in die Breite ging und sich
schließlich zu einem Kordonsystem ausbildete. Letzteres wurde allerdings
durch die Napoleonischen Kriege rasch über den Haufen geworfen, und doch
war diese Entwicklung begreiflich und natürlich. Sie ist deshalb besonders
interessant, weil unsere Zeit ganz ähnliche Erscheinungen brachte. Die Ent-
wicklung des Krieges in die Breite erfolgt unvermeidlich, wenn das militäri-
sche Denken an dem Grundsatze des Massenstoßes nicht festhält.
Durch Napoleon und seinen großen Schüler Moltke war das Losgehen
auf Schlachten und die Überlegenheit des Angriffes so sehr wieder in den
Vordergrund getreten, daß unsere Zeit ganz von dem Gedanken des raschen
Losgehens auf den Feind beherrscht war. Aber gleichzeitig war unter der
zunehmenden Widerstandskraft der Feuerwaffen die Idee des entscheiden-
den Stoßes immer mehr abhanden gekommen und das Streben nach Um-
fassungen und Umgehungen brachte eine Tendenz zu immer größer werden-
der Breitenentwicklung der Fronten.
Obzwar also das militärische Denken unserer Zeit gegenüber jenem am
Ende des 18. Jahrhunderts gerade von dem entgegengesetzten Pole, dem-
jenigen des Angriffes und nicht der Verteidigung, ausging, war das Resultat
doch nahezu dasselbe. Angriff und Verteidigung sind, von größeren Ver-
hältnissen des Krieges aus gesehen, nur verschiedene Hilfsmittel, den Stoß
zur Anwendung zu bringen. Die Tendenz zur Ausbreitung der Fronten
war und ist zu allen Zeiten vorhanden, und nur durch den Gedanken an den
Stoß kann sie in Grenzen gehalten werden.
Nebstbei sind die angedeuteten Erscheinungen auch deshalb bemerkens-
wert, weil sich hier wieder zeigt, wie sehr die allgemeine Geistesrichtung
bestimmter Epochen durchaus nicht so sehr an den Menschen liegt als an der
Zeit. Der geistige Charakter historischer Perioden entspringt immer nur aus
einzelnen, bestimmten Voraussetzungen, ist daher schon an seiner "Wurzel
gebunden und besitzt nur wenig Freiheit zur Abweichung aus der vorgezeich-
neten Linie. Nicht einmal der große Friedrich, Heros seiner Zeit und abso-
luter König, vermochte die erkannten Mängel zu beheben und die Krieg-
führung vor der Gefahr der Versandung zu bewahren. Erst die große soziale
Umwälzung in Frankreich konnte die Fesseln sprengen und neuen Methoden
den Weg öffnen.
Die Revolutionskriege brachten zunächst keine Änderung. Die mili-
tärischen Anschauungen waren durch die Theorie festgelegt, und die Praxis
des Krieges vermag bestehende Anschauungen nur allmählich zu ändern.
Der Krieg ist ein guter, aber ein langsamer Lehrmeister.
Krieg- und Schlachtenführung.
149
Theoretische Erwägungen hatten den Krieg immer mehr und mehr in
die Breite entwickelt. Auch die seitens der Franzosen neu aufgekommene
Kampfweise entwickelte sich in die Breite. Nur langsam, ganz allmählich
und nur äußerst sachte wiesen die Erfahrungen des Krieges auf die Bedeu-
tung der Kräftevereinigung im Kampfe hin, so lange, bis nach mehreren
Jahren der Krieg wieder gewaltigere Formen annahm. Während diese Ent-
wicklung auf dem deutschen Kriegsschauplatze noch langsam vor sich ging,
faßte plötzlich ein beinahe unbekannter französischer General sein kleines,
an der Riviera stehendes Heer zusammen, durchstieß die Front der Öster-
reicher und Sarden im Gebirge westlich Genua und stand kaum einen Monat
später in Mailand. Auf einmal hatte der Krieg eine Tiefenwirkung, wie
kaum jemals früher. Allerdings waren auch die Voraussetzungen hiefür ganz
andere geworden.
Als Frankreich nach der Revolution ein neues Heerwesen schuf, hatten
die alten Formen, welche eine jahrelange Durchbildung der Truppen zur
Voraussetzung hatten, nicht mehr angewendet werden können. Die großen
und geschlossenen Schlachtenkörper wurden notgedrungen in kleinere
Schlachthaufen zerlegt. Allmählich im Laufe der Kriege bildete sich daraus
im französischen Heere die Organisation der Divisionen, durch Verbindung
aller Waffen (Infanterie, Artillerie, Kavallerie) in kleineren Körpern, von
denen jeder, unabhängig vom anderen, bewegt und in den Kampf geführt
werden konnte. Und dies war wohl die tiefgreifendste Änderung, die es
jemals im Kriegswesen gegeben hatte.
Bis dahin waren die einzelnen Treffen eng geschlossen und scharf aus-
gerichtet hintereinander in den Kampf getreten. Die Gliederung des ganzen
Heeres in Flügel und Treffen war auch während der Märsche eingehalten
worden, und in Feindesnähe erfolgten die Märsche von Stellung zu Stellung
stets in einer Weise, daß die Schlachtformation nahezu in jedem Augen-
blicke herstellbar war. Dies hatte die Bewegung der Heere schwerfällig und
langsam gemacht.
In der neuen Kampfgliederung traten die Divisionen zumeist neben-
einander in den Kampf. Die vorderste Gefechtslinie wurde jetzt durch be-
weglichere Schützen- (Tirailleur-) Ketten gebildet. Die in zerlegten Kolon-
nen folgenden Truppen gingen, wenn überhaupt, so erst knapp am Feind
in Linienformation über. Nach vollendetem Aufmarsche, der von dieser
Zeit an innerhalb jeder Division für sich und daher viel rascher vor sich
ging, war die Schlachtformation nicht viel anders als früher, nur wurde
nicht mehr so sehr auf die strenge Einhaltung der Richtung gesehen. Die
gesamte Schlachtformation war lockerer und beweglicher und daher auch
viel besser geeignet, Hindernisse im Gelände zu überwinden.
Für die Märsche und Bewegungen war eine Trennung entstanden, im
Kampfe bemühte man sich, ebenso enge zusammenzuschließen wie früher.
Die Lockerung im Kampfe war nur gering und doch war sie für die ge-
samte Kriegführung ausschlaggebend (B. Kr.).
150
Die Grundprobleme des Krieges.
Die Trennung während des Anmarsches zu einer Schlacht hat auch
dann, wenn sie nur geringfügig ist, eine gewisse Widerstandskraft der ein-
zelnen Teile zur Voraussetzung, damit nicht die Gefahr entsteht, daß die
Teile einzeln überrannt werden. Schon am Anfange des 18. Jahrhunderts
war die Widerstandskraft des Feuers annähernd ebenso groß, und daher
haben sich schon unter Prinz Eugen gewisse Ansätze zu einer Lockerung und
zu stärkerer Anwendung des Schützengefechtes gezeigt. Dies war aber mehr
von einem genial-praktischen Sinn als von grundsätzlichen Erwägungen
diktiert. Unverändert, wie von altersher, wurde der Stoß als das große
Mittel des Kampfes angesehen und angewendet. An dem großen Grund-
prinzipe rührte niemand, weder Prinz Eugen noch Friedrich der Große
hätten jemals gewagt, durch ein Aufgeben der Geschlossenheit die Stoßkraft
ihrer Heere in Frage zu stellen. Nur die gänzliche Unmöglichkeit, nach der
Revolution wieder zu früheren Formen zurückzukehren, hatte diese Ände-
rung im französischen Heere vermocht und von dort aus übertrug sich dann
manches auf die anderen Heere. Man sieht, um wieviel stärker die Bedin-
gungen sein müssen, aus denen heraus sich die großen Formen bilden, als
der menschliche Geist selbst in seinen stärksten Potenzen jemals sein kann.
Die größere Rücksichtslosigkeit, welche die französische Revolution in
allen Belangen hervorbrachte, vermochte auch die Grundsätze über die Er-
haltung der Heere im Felde durchgehende zu ändern, der Krieg begann
wieder vom Lande zu leben. Die Ausnützung der Hilfsquellen der von den
Divisionen durchzogenen Gebiete ermöglichte eine andauernde Raschheit der
Bewegung. Wenn früher die kleinen Heere umeinander herummanövrierten,
um ausnahmsweise, wenn es beiden Teilen günstig schien, eine Schlacht zu
schlagen, waren jetzt die an Zahl weit größeren Heere nicht mehr durch
Magazine und Festungen beeinflußt, sondern in ihren Bewegungen freier
und unabhängiger.
Die Heereseinrichtungen wurden ganz auf Beweglichkeit eingestellt, auf
Bewegungsfreiheit im Marsch, auf eine rasche Annahme der Kampfgliede-
rung, unabhängig vom Terrain, und überdies war auch Freiheit für beliebige
Massierung der Kräfte auf den geeignetsten Punkten der Schlachtfelder ge-
geben. Der kühne Feuergeist des Generals Bonaparte fügte daran noch das
Letzte, aber auch Höchste und Schwerste: Die Kraftvereinigung und den
Stoß.
Die Änderungen, die der Krieg allmählich hervorrief, gingen wohl
auch nicht an den anderen Heeren spurlos vorüber. Aber hier war die
Wandlung schwieriger durchzusetzen, denn an den Formen und Gewohn-
heiten der Heere hängt immer mit Zentnergewichten die Tradition, ein
kostbares Gut, weil sich an ihr die moralischen Kräfte emporranken. Da-
mals war dies besonders der Fall, denn die Richtung des militärischen Den-
kens war bis dahin auf größte Geschlossenheit eingestellt und hatte die
Formen selbst bis zur Starrheit entwickelt. Die neue Richtung, welche eine
Lockerung der Formen herbeiführen mußte, trat damit in schärfsten Gegen-
satz und rief große Widerstände hervor.
Krieg- und Schlacktenfühmng.
MI
Solange sich nicht die neuen Einrichtungen in der Meisterhand Napoleons
zu einem weit überlegenen Instrumente vereinigten, waren ihre Vorteile auch
durchaus nicht so überzeugend gewesen. Jahrelang war der Krieg in den
Grenzräumen mit abwechselndem Glücke geführt worden, und selbst die An-
fangserfolge Napoleons hatten viel zu sehr episodenhaften Charakter, als daß
der Anbruch einer neuen Periode der Kriegführung zu erkennen gewesen
wäre.
Immerhin begann aber schon damals im österreichischen Heere ein ge-
wisses Streben nach Änderungen. Insbesondere drängte der Genius des Erz-
herzogs Karl hiezu. Aber weder im Staate noch im Heere waren bis dahin
die Erfahrungen des Krieges tiefgreifend genug, als daß die Zeit für große
Änderungen schon reif gewesen wäre.
Erst die Kriegszüge vom Jahre 1805, 1806 und 1807, in welchen der
Kaiser, zuerst Österreich und dann Preußen entscheidend schlug und schließ-
lich auch noch die Russen besiegte, vermochten eine weitgehende Änderung
der Auffassungen herbeizuführen. Erst zu einem Zeitpunkte, wo Heerwesen
und Heerführung durch den Kaiser bereits zu höchster Vollendung gelangt
waren, begannen seine Feinde ihre Heere durchgreifend zu reorganisieren.
Aber selbst jetzt noch boten sich viele Hindernisse und. ließen diese Änderun-
gen nur langsam vor sich gehen.
Jedenfalls haben die Franzosenkriege einige Erscheinungen besonders
hervortreten lassen. Neben dem Anwachsen der Heeresstärken war es haupt-
sächlich die Steigerung der Bewegungsfreiheit, die das Bild des Krieges so
sehr veränderte. Das Streben nach Schlachten stand wieder im Vordergrunde.
Weniger deutlich, aber doch beherrschend war auch das große Mittel der
Schlachtenführung, der entscheidende Massenstoß. Neu aber und noch nie-
mals dagewesen war die Möglichkeit der Auswirkung erfochtener Siege.
Dadurch wurden die Staaten von den militärischen Operationen unvergleich-
lich mehr getroffen, und dies erhöhte die Energien allmählich so sehr, daß
es schließlich gelang, den Kaiser zu besiegen. Sein Ende zeigt, wie wenig
ein Mensch, und sei es auch der stärkste und größte, gegenüber einer histori-
schen Entwicklung gilt. Solange neue Formen im Werden waren, hatte der
Kaiser sie mit Geist und Willen zu erfüllen vermocht, aber schließlich mußte
er dem Systeme, das er durchgebildet hatte, unterliegen.
Die Meinung der Welt kümmert sich nur wenig um die Durchforschung
historischer Ereignisse. Stets nimmt sie ein Urteil vorweg, bevor noch eine
Prüfung auf Stichhältigkeit erfolgt ist. So ist es auch gekommen, daß nicht
so sehr der Glaube an den Stoß, als vielmehr der Glaube an die Offensive
als Erbe der Napoleonischen Kriege auf die Nachwelt überging.
Der Krieg war in Bewegung gekommen wie niemals zuvor. In sechs
Wochen waren die Franzosen vom Rhein bis nach Wien marschiert, in acht
Wochen von Süddeutschland bis nach Warschau, so rasch, als Truppen über-
haupt nur dauernd marschieren können. Die Schlachten hatten kaum einen
Aufenthalt bewirkt.
152
Die Grundprobleme des Krieges.
Schon dieser rasche und glatte Ablauf der Operationen mit dem An-
scheine beinahe vollständiger Friktionslosigkeit hatte den Eindruck erweckt,
als ob der Erfolg beinahe lediglich einem vorbedachten Willen zuzuschreiben
gewesen wäre. Besonders aber erregten die zeitweiligen Umfassungen und
Umgehungen mit ihren verblüffenden Resultaten die Aufmerksamkeit der
Welt. Die Verschiedenartigkeit im äußeren Verlaufe der Feldzüge lenkte
zu sehr die Aufmerksamkeit auf Probleme der Strategie und verdunkelte die
einfachen, beinahe primitiven Grundgedanken des Kaisers über Art und
Weise, auf Schlachten und Stoß loszugehen.
Die Raschheit in der Offensive Napoleons hatte auf seine Gegner immer
wieder verwirrend gewirkt und zeitweise eine Rat- und Hilflosigkeit her-
vorgerufen, die dann schon den Keim der Niederlage in sich trug. So sind
aus den Napoleonischen Kriegen die großen Lehrsätze unserer Zeit, das
Streben nach Raschheit in der Offensive, der Gedanke, dem Feind im Handeln
zuvorzukommen, die Initiative an sich zu reißen, und wie sie sonst geheißen
haben mögen, entstanden. Langsam sind sie bis zur Allgemeingültigkeit
emporgewachsen und haben den Krieg von der Grundidee, die in ihm leben
muß, abgezogen.
Der Gedanke an Offensive war gewiß nicht neu. Er hatte immer be-
standen, weil ja die großen positiven Ziele des Krieges anders als durch
aktives Flandeln nicht zu erreichen sind. Wenn man früher zeitweilig vor-
gezogen hatte, den Kampf in Verteidigungsstellungen abzuwarten, so war
dies zumeist unter der Voraussetzung geschehen, daß der Zwang des Krieges
den Feind zum Angriffe bringen würde.
Bei den großen Operationsräumen, die jetzt in Frage kamen, konnte
man niemals wissen, wo sich der Feind befand und wie er seine Kräfte ver-
teilt hatte. Der Überraschung war ein viel größeres Feld eröffnet. Unter
so unsicheren Verhältnissen entsteht ein großer Vorteil für denjenigen, der
einem bestimmten Ziele nachgeht, weil örtliche Erfolge, die man dabei ge-
winnt, häufig in ihrer Wirkung über den Kampfplatz hinausreichen, die
feindliche Führung beeinträchtigen und, wie zahlreiche Beispiele zeigen, sogar
lähmen können.
Gerade die Unsicherheit, die der Kaiser immer wieder in der feind-
lichen Führung hervorrief, wurde ihm zu einem entscheidenden Hilfsmittel,
und dies ließ den Gedanken an Initiative immer mehr mit dem Begriff der
Offensive verschmelzen, als ob es niemals einen König Friedrich und eine
initiativ geführte, groß angelegte defensive Kriegführung gegeben hätte.
Allerdings hatte sich in der Schlachtenführung vieles geändert, und hier
zeigte sich jetzt der Angriff eindeutig überlegen.
Die Widerstandskraft der geschlossenen Kampffronten war wohl un-
verändert geblieben. Wenn aber früher schon verhältnismäßig geringfügige
Hindernisse die Flügel geschützt hatten, so war dies jetzt infolge der be-
weglichen Gliederung nicht mehr der Fall. Stellungen, die früher nur frontal
hätten angegriffen werden können, konnten jetzt ganz leicht umfaßt werden.
Krieg- und Schlachtenführung.
153
Auch die frühere, beinahe kommandomäßige Führung der Heere hatte
aufgehört, und an ihre Stelle war notgedrungen eine ganz andere Art von
Führung getreten. Die nebeneinander in den Kampf eingesetzten Heeres-
körper erhielten örtliche Ziele, denen sie, jeder für sich, mit voller Ent-
schlossenheit zuzustreben hatten. Diese Art der Führung aber ist im An-
griffe leichter als in der Verteidigung, bei welcher sich der Stoß nach der
Handlung des Feindes richten muß. Durch Zunahme der Streiterzahlen
wuchsen die Kampffronten und es wurde immer schwieriger, aus der Ver-
teidigung heraus den Stoß nach Richtung und Zeit der Handlung des Feindes
anzupassen.
In größeren Verhältnissen, in welchen der Überblick über den Kampf
aufhört, gewinnt der Angriff ein entscheidendes Übergewicht. Es sind nicht
nur moralische Momente, die zumeist entscheidend für den Angriff sprechen,
die Bewegung ist auch ein Koeffizient der lebendigen Kraft im Kampfe. So,
als ob das physikalische Gesetz der Trägheit auch unter Menschen Geltung
hätte, müssen die Heere in Bewegung gebracht werden, damit sie im Kampf
in Bewegung wirken. Eine Einheitlichkeit in der Handlung ist leichter zu
erzielen, wenn das Streben der Führung und Truppen von allem Anfang an
gleichmäßig nach vorwärts gerichtet ist. Je größer die Heere werden, um so
überlegener wird diese Art der Führung, und nur eine Kraft steht ihr ent-
gegen: das feindliche Feuer. Dieses aber war damals noch lange nicht so
groß wie heute.
So waren also alle Umstände zusammengekommen, um den Gedanken
an Offensive und Angriff zu entwickeln. Über den Stoß aber war nicht
mehr viel geredet worden. Und auch dies hatte seine Ursache.
Seit allgemeiner Einführung der Feuerwaffen hatte sich der Gedanke
an den Stoß allmählich in eine gewisse Verborgenheit zurückgezogen. Mit
der Zeit hatte man sogar schon vermieden, auf dem Schlachtfelde davon
Gebrauch zu machen. Und doch war der Gedanke herrschend geblieben,
weniger vielleicht, weil man selbst den Stoß anwenden wollte, als deshalb,
weil der Feind günstige Ghancen gefunden hätte, wenn man nicht geschlossen
geblieben wäre. Nun war der äußere Eindruck in mancher Hinsicht anders
geworden. Die Geschlossenheit der Heere wurde erst auf dem Kampfplatze
nötig. Sogar die äußere Form der Geschlossenheit im Kampfe hatte einige
Abwandlungen erfahren. Die Gliederung war jetzt nicht mehr linear und
gleichmäßig. Aber auch die Forderung nach Geschlossenheit trat zeitweise
etwas zurück, wenn die Geschlossenheit des Feindes, wie es mitunter vorkam,
noch geringer war oder wenn Umfassungen möglich wurden. So trat der
Gedanke an den Stoß noch weiter in den Hintergrund.
Wohl hatte der Kaiser manchmal vom Stoße Gebrauch gemacht. Aber
es schien, als ob dies nur Ausnahmsfälle gewesen wären, nur deshalb ge-
schehen, weil er oder seine Feinde Fehler begangen hatten. Und die Ge-
schichte meint, daß man Fehler nicht begehen soll. Die Nachwelt schöpft ihr
Urteil gern aus blendenden Erfolgen. Aber die Geschichte sollte gerade
dort am meisten gelesen werden, wo große Pläne und Hoffnungen zusammen-
154
Die Grundprobleme des Krieges.
brachen. Nur von Fehlern kann man lernen und nie vom Siege, denn dieser
nährt sich stark von Fehlern anderer.
Um aus den Begebenheiten herauszulesen, wie sehr der Kaiser sich an
die Grundgesetze des Krieges gebunden fühlte, wäre es schon vor hundert
Jahren notwendig gewesen, seine beiden großen Kriegsperioden auseinander-
zuhalten: die Zeit, in der die Heere der Feinde Frankreichs noch in Um-
bildung, ihre Führung durch überkommene Fesseln gebunden waren, die
offensiven Tendenzen des Krieges daher auf Seite des Kaisers einseitig zum
Durchbruche kommen konnten, und die zweite Periode, wo der Kaiser durch
defensive Tendenzen viel mehr gebunden war als früher.
Jeder Krieg, und mag er noch so überlegen geführt werden, ist immer
von offensiven und defensiven T endenzen gleichzeitig beherrscht, und wech-
selnd ist nur das Maß, in dem diese .sich geltend machen. Während die
offensiven Tendenzen zur Kraftvereinigung drängen, nötigen die defensiven
immer wieder zur Teilung der Kraft. Während der Krieg offensiv darauf
ausgeht, den Feind zu schlagen, ist es anderseits notwendig, den Feind in
seiner Trennung zu erhalten und ihn abzuwehren. Die Grundbedingungen
liegen nicht in der Hand der Führung, sondern sind der Führung stets
zwangsmäßig gestellt. Man braucht nur an den Kriegsbeginn von 1914
zurückzudenken, wo der theoretische Vernichtungswille und das Streben nach
Offensive überall gleich groß war, um zu sehen, wie die Bedingungen für
Offensive und Defensive auf jedem Kriegsschauplatz anders waren. Die
großen geistigen Strömungen aber sind nicht leicht geneigt, solche Bedingungen
gelten zu lassen und glauben allzusehr, daß es sich nur um Führerwillen
handelt. Und doch geht es zuerst darum, die verschiedenen Tendenzen, die
sich geltend machen, zu erkennen. Die Frage, wie man ihnen Rechnung trägt,
findet dann leicht eine Lösung.
Aus den Napoleonischen Kriegen war das einseitige Streben nach Offen-
sive mächtig emporgewachsen, und die Kriege des 19. Jahrhunderts sind
durchwegs davon beherrscht. Wenn unter größeren Verhältnissen zeitweilig
eine defensive Kriegführung in Erscheinung trat, war sie nichts anderes als
eine gehemmte oder gar niedergebrochene Offensive. Und das hat die Defen-
sive immer mehr in Verruf gebracht.
Die stoßweise Entwicklung in Heeresstärken und Bewaffnung im
19. Jahrhundert gestaltete die Bedingungen für Sieg und Niederlage zeit-
weilig sehr ungleich, und dies hatte immer weitere Kriegsrüstungen zur
Folge. Besonders entscheidend wirkte der Krieg von 1870/71.
Deutlich hatte sich gezeigt, wie maßgebend die Kriegsvorbereitungen
für den raschen Beginn der Offensive sind, und seither wurden die preußi-
schen Vorsorgen für Mobilisierung und Aufmarsch zur allgemeinen Richt-
schnur. Aber auch die äußeren Erscheinungen der Schlachten hatten eine weit-
gehende Nachwirkung. Das allgemeine Streben richtete sich seither beinahe
ausschließlich nur mehr auf Umfassungen. Der Gedanke an den Stoß, der
bis dahin wenigstens noch im Hintergrunde gelebt hatte, verschwand beinahe
Krieg- und Schlachtenführung.
155
gänzlich. Trotzdem wurde aber doch noch theoretisch an dem Prinzip der
Kraftvereinigung festgehalten. Es hatte sich in den Kriegen Napoleons so
deutlich abgehoben, und man hatte es nun bei Moltke eben so klar wieder
gefunden. Den hiefür maßgebenden Gedanken kannte man kaum mehr, und
so neigte man dazu, in der Kraftvereinigung den Ausdruck eines "Willens
zu sehen.
Neben der Kraftvereinigung hatten die Napoleonischen Kriege auch die
Bedeutung von Umfassungen eindrucksvoll gezeigt, und auch der Deutsch-
französische Krieg hatte mächtig darauf verwiesen. So waren seit 1870 das
Streben nach Kraftvereinigung und das Streben nach Umfassungen neben-
einander vorhanden. Diese Bestrebungen stehen jedoch in einem unerschütter-
lichen Gegensatz, und deshalb mußte schließlich einer der beiden Gedanken
unterliegen.
Kraftvereinigung kann nur dann zustande kommen, wenn der Gedanke
des Krieges vom Stoß ausgeht. Bewußt oder unbewußt, das ist gleichviel.
Napoleon und seine Marschälle haben oft von Umfassungen Gebrauch ge-
macht, aber niemals haben sie sich im vorhinein von diesem Gedanken führen
lassen. Immer war der Krieg des Kaisers ein Losgehen auf den Stoß gewesen,
bis in die Schlachten hinein, und von Umfassungen ist nur Gebrauch gemacht
worden, wenn sich zufällig die Gelegenheit dazu bot. Genau dasselbe war
im Kriege 1870 geschehen, der noch ganz von dem Gedanken an den Stoß
beherrscht war. Daß die entscheidenden Anfangsschlachten Umfassungs-
schlachten wurden, lag auch hier nur an der Gelegenheit. Geschlossene Heere
müssen immer auf frontale Kämpfe rechnen, und im frontalen Kampfe kann
schließlich nur die tiefe Gliederung und der Stoß den Sieg bringen, wenn
nicht der Zufall mithilft.
Der Wille spielt im Kriege gewiß immer eine große Rolle. Aber so
einfach, wie man dieses Problem gesehen hat und mitunter auch jetzt noch
sieht, ist es denn doch nicht. Wir haben im Kriege oft genug erfahren, daß
die Zusammenfassung von Geschützen zumeist wichtiger ist als der eiserne
Siegeswille verschiedener Führerstellen. Und daher wissen wir auch, daß hier
zwei Begriffe in einen verschmolzen wurden. Der bis zur extremsten Selbst-
entäußerung gehende Wille der Truppen zum Kampfe hat seine Wurzel im
Gehorsam, in anerzogenen Eigenschaften des Charakters. Der Wille, den
die Führung braucht, ist vorwiegend geistiger Natur, er wurzelt in festem
Glauben und in Überzeugung. Wenn die Bedingungen für den Sieg nicht
geschaffen werden, so nützt auch der stärkste Wille nichts. Schon längst ist
der Krieg nicht mehr in früherem Sinne eine Frage von Wille und Tapfer-
keit allein, sondern der Sieg ist stets an die Voraussetzung geknüpft, daß
physische und moralische Kräfte in überlegener Weise zur Geltung gebracht
werden. Überlegenheit ist nur durch Kraftvereinigung zu erzielen, und des-
halb hätte dieses Prinzip die Oberhand behalten müssen, doch hat das
Streben nach Umfassung das Übergewicht bekommen.
Genau so wie im 18. Jahrhundert ist die Umfassung nicht mehr ledig-
lich ein Ausnützen momentaner Situationen geblieben, sondern es ist daraus
156
Die Gmndprobleme des Krieges.
immer mehr ein Ausweichen gegenüber dem Gedanken an den Stoß ge-
worden.
Es hat eben nichts zu sagen gehabt, daß vor hundertfünfzig Jahren die .
defensiven Tendenzen des Krieges stärker betont wurden und zu unserer
Zeit die offensiven. Mit dem Ausschalten des Stoßes beginnt unaufhaltsam
die Breitenentwicklung der Fronten des Krieges und der Schlachten, und
dies war auch in unserer Zeit der Fall.
Schließlich hat sich noch ein zweiter Umstand geltend gemacht, die
Kriegsfronten zu verbreitern. Es waren dies die Eisenbahnaufmärsche, in
der Art, wie sie tatsächlich in Erscheinung traten. In keinem Staate war
es möglich, ein Eisenbahnnetz lediglich nach militärischen Gesichtspunkten
zu entwickeln. Die Frage nach Rentabilität zwingt überall zum Auseinander-
halten der großen Linien. Im Zusammenhange mit dem Streben nach größter
Raschheit im Aufmarsche, nach gleichzeitiger äußerster Ausnützung aller
Bahnen, war daher noch ein weiterer Grund für die lineare Entwicklung der
Heere auf allen Kriegsschauplätzen gegeben.
So hat also der Krieg von 1914 in seiner besonderen Art begonnen:
mit einem allgemeinen Streben nach Initiative und Offensive, einem allseiti-
gen Drängen, dem Feinde zuvorzukommen, mit dem Rest eines Gedankens
an Kraftvereinigung, aber dennoch überwiegend mit breiten und dünnen
Fronten im Aufmarsche, breiten und dünnen Fronten im Kampfe und mit
selbständigen Armeeoperationen. Es bestand ein allgemeines Streben nach
Angriff und gleichzeitig ein Wettlauf nach Umfassungen. Das Resultat war
kein anderes als immer breiter werdende Fronten und ein gänzlicher Mangel
an Kraft, den Krieg zur Entscheidung zu bringen.
Unser Kriegsbeginn gegen Rußland zeigt besondere Merkmale. Wegen
der räumlichen Ausdehnung konnte Rußland kaum jemals zentral getroffen
werden. Die russischen Heere waren zahlenmäßig so sehr überlegen, daß
von uns an einen Krieg nur mehr in Verbindung mit dem Deutschen Reiche
gedacht worden war, und es ist schon eingangs erwähnt worden, in welcher
Weise die Kriegsvorbereitungen dadurch festgelegt wurden.
Die Deutschen suchten aber die Hauptentscheidung in Frankreich, und
damit entfiel der große Plan einer gemeinsamen und zangenförmigen Offen-
sive. Dies änderte die Voraussetzungen wesentlich.
Es ist selbstverständlich, daß bei großer zahlenmäßiger Überlegenheit
des Feindes die defensiven Forderungen des Krieges merkbar hervortreten.
In solchen Fällen ist es gewiß am wünschenswertesten, eine Aufstellung zu
beziehen, auf welche der Feind im Vormarsch unvermeidlich stoßen muß,
also am besten quer über die voraussichtlichen Bewegungslinien des Feindes.
Wenn dies unmöglich ist, dann bleibt nichts übrig, als die Kräfte möglichst
beisammenzuhalten, um auf diese Weise den Feind entweder auf sich zu
ziehen oder ihn anzugreifen, wenn er vorüberzugehen versucht.
Krieg- und Schlac
15 7
Drei Richtungen gab es, in denen der Feind offensiv werden konnte:
nach Ostpreußen, nach Schlesien und nach Ungarn. Sie lagen weit aus-
einander und konnten durch eine Querstellung nicht einheitlich geschützt
werden. Ebensowenig konnte infolge der Ausdehnung des Kriegsschauplatzes
und des Grenzverlaufes eine Zentralstellung bezogen werden. Man mußte
sich also teilen und das Beste, was man tun konnte, war, auf zwei Linien
schwach zu bleiben, um wenigstens auf der dritten stark zu sein.
Ostpreußen blieb für unsere Versammlung außer Frage. Schlesien lag
infolge der Grenzkonfiguration weit zurück und hatte für eine spätere Offen-
sive die Weichsel vor der Front. So blieb nur Galizien übrig. Jedenfalls
war es leichter, von dort aus den Feind zu hindern, nach Schlesien zu
gehen als umgekehrt. So blieb es trotz wesentlicher Verschiebungen in der
Anfangskriegslage bei unserem Aufmarsch in Galizien.
Was der Feind tun würde, wußte man nicht. Vielleicht lag ihm der
Wunsch nahe, jetzt erst recht seine stärkeren Kräfte gegen das Deutsche Reich
vorgehen zu lassen, und tatsächlich hat die Entente dies auch sehr eindringlich
verlangt. Andererseits war aber doch nicht leicht anzunehmen, daß die
Russen sich dazu entschließen würden, ohne gleichzeitig den Kampf mit
unserem Heere zu suchen.
Der Gedanke an den Kampf gegen uns konnte die Russen aber auch
dazu bringen, sich zuerst mit Übermacht gegen Galizien zu wenden, wobei
allerdings unsicher blieb, wie groß diese Übermacht sein würde. Jedenfalls
aber war auf Kampf zu rechnen. Und wenn dieser einmal unvermeidlich
wird, dann bleibt wohl nichts anderes übrig, als die stärkste Form hiefür zu
wählen. Dies ist im defensiven Verhältnisse ebenso notwendig wie dann,
wenn der Krieg vorwiegend auf offensive Ziele losgeht. Es bleibt nur die
Frage offen, welche Form man jeweils als die stärkste ansieht.
Die großen Pläne, die der Führung eines Krieges zugrunde liegeai,
können niemals lediglich einem einzigen Grundgedanken Rechnung tragen.
Das Streben, „die Initiative an sich zu reißen", „dem Feinde das Gesetz zu
diktieren", mag noch so groß sein, es mischt sich in die Handlung des Krieges
auch die Gegenhandlung des Feindes ein. Defensive Tendenzen machen sich
geltend und beeinflussen die offensive Führung selbst dann, wenn die Chancen
für die eigenen Aktionen am günstigsten scheinen. Im späteren Verlaufe
kann es mitunter vorkommen, daß durch siegreiche Schlachten einer der
kämpfenden Gegner derart das Übergewicht erlangt, daß auf seiner Seite die
defensiven Tendenzen in den Hintergrund treten. Aus solchen Erscheinun-
gen sind auch die Eindrücke über die großen Offensivkriege entstanden und
haben sehr wesentlich dazu beigetragen, den Gedanken an die Offensive
immer erstrebenswerter zu gestalten. Am Anfang eines Krieges stehen aber
die Rücksichten, die aus den defensiven Forderungen des Krieges kommen,
unweigerlich neben dem Streben nach Offensive und beeinflussen diese. Den
Erwägungen über das Verhalten des Feindes kommt daher eine große
Rolle zu. In diesem Falle waren sie wie folgt:
i58
Die Grundprobleme des Krieges.
Nach der Friedensverteilung der russischen Truppen und der Laufrich-
tung der Eisenbahnen wurde angenommen, daß die Truppen der Militär-
bezirke Warschau, Wilna, Moskau und Petersburg (ca. 17 Korps), also gleich
anfangs die Hauptkräfte, im nördlichen Bewegungsraume Verwendung fin-
den würden, ein kleinerer Teil gegen Deutschland, die Mehrzahl gegen uns.
Ebenso wurde mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf gerechnet, daß die
Truppen aus dem Militärbezirke Kiew, wahrscheinlich auch jene von Odessa
und Kasan, zusammen ca. 8 bis 10 Korps, im südlichen Bewegungsraum ein-
gesetzt würden. Sonach wurde mit zwei getrennten Gruppen des Feindes
gerechnet: die eine nördlich, die andere östlich Galiziens. Es standen den
Russen dann noch Reserven zur Verfügung, aus denen die eine oder andere
Gruppe, vielleicht auch beide, verstärkt werden konnten.
Ein Angriff des Feindes nach Galizien herein war für seine Haupt-
gruppe ziemlich unverrückbar an den Raum zwischen Bug und Weichsel ge-
bunden. Dementsprechend wurde auch die Versammlung dieser Kräfte im
allgemeinen in der Linie Lublin—Kowel erwartet. Fraglicher war, wie die
Russen ihre andere Gruppe nach der Hauptgruppe richten würde, ob sie
mehr auf Anschluß oder mehr auf konzentrischen, von Nord und Ost gleich-
er zeitigen Druck halten würden. Letzteres konnte nur dann geschehen, wenn
speziell die Ostgruppe stark gehalten war.
Eine scharf von Ost her gegen Lemberg geführte Offensive geht parallel
mit dem Dnjestr. Hätte der Einmarsch des Feindes vielleicht zu einem Zeit-
punkte stattgefunden, wo unsere Armeen noch hinter dem Dnjestr standen,
so hätten die Russen eine Frontveränderung dorthin ausführen müssen, um
nicht eventuell in der Flanke angegriffen zu werden. Damit wäre der Vor-
teil des konzentrischen Einmarsches verlorengegangen und nur der Nachteil
der Trennung geblieben. Von diesem Gesichtspunkte aus war bei uns der
Gedanke an eine Offensive mit starkem rechten Flügel vom Dnjestr aus stets
als einer der möglichen Kriegsfälle in Erwägung gezogen worden. Aus diesen
Erwägungen heraus war es durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß die
Russen eventuell ihre Kräfte viel weiter gegen die Mitte, also gegen den
Raum Kowel—Luck, zusammenschieben würden, und unser AOK. hat anfangs
damit stark gerechnet. (Man vergleiche C. IV., S. 333, 334, 372, 388, 391,
392, 394, 395, und D., S. 134, 135. Weiters AOK., Op.-Nr. 520; C. IV.,
S. 368: Bedeutung der Konstatierung des feindlichen Südflügels wegen
eventueller Rückschlüsse auf Aufmarschgruppierung, Stärkeverhältnisse und
weitere Absichten des Feindes.)
Um den sich daraus ergebenden Unsicherheiten auszuweichen, war man
unsererseits seit jeher bestrebt, das Äußerste aufzubieten, um den Russen in
der Offensive zuvorzukommen. Die Offensive unserer Hauptkräfte war
dabei schon durch das Bundesverhältnis mit dem Deutschen Reich an die
Richtung gegen Nord gewiesen. Dazu hatte man sogar die längste Zeit be-
absichtigt, die Bereitstellung unseres Heeres im vorgeschobenen Teil Ost-
galiziens durchzuführen (C. IV., Anlage 12). Solange auf den gleichzeitigen
Angriff starker deutscher Kräfte aus Ostpreußen gerechnet werden konnte,
Krieg- und Schlacbtenführmg.
159
war der Wunsch begreiflich, die Zangenhebel möglichst tief in das feindliche
Gebiet wirken zu lassen. Aber die Gefahr, welche dieser Offensive von Ost
her drohte, war groß. Sie konnte nur in Kauf genommen werden, solange
auch gleichzeitig auf die Mithilfe Rumäniens gerechnet werden konnte.
Am Kriegsbeginne war aber weder auf eine gleichzeitige Offensive aus
Ostpreußen noch auf eine Mithilfe Rumäniens zu rechnen. An dem früheren,
doch sehr riskanten Plane konnte daher nicht mehr festgehalten werden. Es
entstand nun die Idee, die Hauptkräfte am linken Flügel an der Weichsel
zusammenzuhalten, und dies war nach der Gesamtkriegslage sehr begreif-
lich. Im Zusammenhange damit war der Gedanke eines Aufmarsches im
vorgeschobenen Teil Ostgaliziens gänzlich aufgegeben worden, und am
Kriegsbeginne gingen die großen Eisenbahntransporte nur bis an den San
und Dnjestr. Gegenüber dem Wunsche nach Raschheit in der Offensive hatte
das Verlangen nach Sicherheit in der ersten Bereitstellung das Übergewicht
bekommen, und es war gewiß gut, daß es so geschehen ist.
Dieser Aufmarsch hinter San und Dnjestr hat später vielfach die Frage
geweckt, ob nicht eine Verteidigung hinter diesen Flüssen einer offensiven
Kriegführung vorzuziehen gewesen wäre. Wie die Kämpfe in Ostpreußen
bewiesen haben, wäre diese Frage nicht einmal dann am Platze gewesen,
wenn von uns anfangs nur schwächere Kräfte nach Galizien gelangt wären.
Wenn vielleicht auch auf Seite der Verbündeten Österreich und Deutsch-
land das russische Kriegstheater als Nebenschauplatz anzusehen war, so
blieb es doch für den Feind der Hauptschauplatz, und es war mit großer
Wahrscheinlichkeit darauf zu rechnen, daß die Russen zuerst in Galizien auf
eine Entscheidung losgehen würden.
Man kommt dem großen Problem unseres Kriegsbeginnes in Galizien
nicht bei, wenn man gleich eingangs die Frage stellt, Offensive oder Defensive.
Alle Erwägungen im Kriege müssen lediglich von dem großen Prinzip der
Kraftvereinigung ausgehen. Dieser Grundsatz hat aber auch eine Reversseite:
man läßt den Feind nicht zusammenkommen, wenn er geteilt ist, sondern
versucht, einen Teil abzuhalten und geht auf den anderen los. Um das hat
es sich hier gehandelt, und es spielt die weitere Frage, wie man abzuhalten
versucht und wann man kämpfen will, ob man dem Feind auf größere Ent-
fernung entgegengeht oder ihn näher herankommen läßt, in solchen Fällen
nur eine Rolle zweiten Ranges. Grundvoraussetzung ist, daß die Ausgangs-
stellung dem maßgebenden Grundgedanken des Kampfes in zwei Fronten
Rechnung tragen muß. Dies wurde jedoch durch den Eisenbahnaufmarsch
nicht erreicht, und es mußten daher auch bald Änderungen eintreten.
Es war eine stark eingelebte Gewohnheit, die Anfangserscheinungen des
Krieges nach Eisenbahnversammlung, Operationsmärschen und Kampf zu
gliedern. Diese vielleicht nicht sehr scharfe Unterscheidung könnte gerade
in bezug auf den Kriegsbeginn in Ostgalizien gewisse Mißverständnisse her-
vorrufen. Die Ausgangsstellung eines Heeres muß notgedrungen den Keim
i6o
Die Grundprobleme des Krieges.
für jede spätere Entwicklung in sich tragen. Eisenbahntransporte sind aber
nur ein Hilfsmittel, um eine solche Situation rascher zu erreichen.
Der operative Grundgedanke forderte jedenfalls eine bogenförmige Auf-
stellung vorwärts der Flüsse mit Flügelanlehnung an denselben. Durch den
früher geplant gewesenen Aufmarsch in der Linie Sieniawa—Kamionka Stru-
milowa—Zloczów—Buczacz und südlich wären unsere Truppen direkt in
eine solche Aufstellung gelangt. Jetzt mußten sich an den Eisenbahntransport
Fußmärsche anschließen, um eine solche Situation zu erreichen.
Durch den Befehl Op.-Nr. 1004 (22. August, C. IV., S. 472) wurde die
notwendige Ausgangsstellung eingeleitet:
Die i. Armee setzt sich auf der Höhenlinie nördlich der Tanew-Wald-
region zwischen der Weichsel und Frampol fest;
die 4. Armee gelangt in die Linie Tereszpol—Rawa Ruska;
die 3. Armee in den Raum 2olkiew—Lemberg;
von der 2. Armee sechs Divisionen knapp südöstlich Lemberg; vier bis
fünf Divisionen wurden noch bei Stanislau und Stryj erwartet.
Bevor noch die durch diesen Befehl angestrebte Lage erreicht wurde,
war sie schon in wesentlichen Teilen abgeändert. Deshalb könnte es sein,
daß auch diese beabsichtigte Gruppierung nicht anders angesehen wird als
andere Durchgangsgruppierungen, welche in Bewegung befindliche Armeen
durchmachen. Und doch ist sie in höherem Maße beachtenswert, denn sie
gibt das Bild einer Ausgangsstellung, wie die Kriegslage sie forderte. Aller-
dings fehlte die ursprünglich geplant gewesene Kraftvereinigung am linken
Flügel, und es hingen die später eintreffenden Truppen am rechten Flügel
nach. Das war jedoch eine Folge des vorangegangenen Aufmarsches der
2. Armee gegen Serbien und dessen, daß bei Anlage der Eisenbahntransporte
hauptsächlich auf Raschheit und weniger auf die Endgruppierung Rücksicht
genommen worden war. Allerdings hatte man bei Entscheidung hierüber
gehofft, rascher zu sein als der Feind und die nötige Zeit für Änderungen
in der Gruppierung zu finden. Darin hatte man geirrt. Infolge der ein-
getretenen Verspätung in Mobilisierung und Aufmarsch waren solche Ände-
rungen jetzt nicht mehr möglich. Die angegebene Gruppierung sollte am 23.
erreicht werden, die weiteren Bewegungen waren erst für später in Aus-
sicht genommen. Der Gedanke an Zusammenschluß der Armeen war zu
diesem Zeitpunkte noch vorherrschend. Bis zum 23. war nichts anderes ge-
schehen als das, was die Kriegslage, ob defensiv oder offensiv aufgefaßt,
gleichmäßig forderte. Erst von diesem Zeitpunkt an begannen sich neue
Gesichtspunkte einzuschieben, und das Streben nach Offensive und Rasch-
heit zersprengte die Fesseln, die durch die Gesamtlage gegeben waren und
überwog auch dort, wo der Krieg von rein defensiven Gesichtspunkten aus
geführt werden mußte.
Die i. Armee war am 23. auf den Feind gestoßen und sofort zum
Angriff übergegangen. Dies lag ganz im Sinn unserer Ansichten, der Angriff
wurde fortgesetzt und die 1. Armee gelangte rasch über Krasnik hinaus.
Krieg- und Schlachtenführung.
Die 4. Armee hätte bereit sein sollen, der 1. Armee zu helfen. Diese
bedurfte aber vorläufig keiner Unterstützung, hingegen zeigten sich in der
Gegend bei Komarów ca. vier feindliche Infanteriedivisionen, und daraufhin
drängte nun auch die 4. Armee zum Angriffe, rechter Flügel längs der
Huczwa, linker Flügel Direktion Zamosc. Dadurch entstand eine Trennung
gegenüber der 1. Armee, und Teile dieser (X. Korps) wurden stark rechts
gezogen. Trotz Zusammenschiebens der 4. Armee blieb eine Gefahr gegen
Ost bestehen, und dem rechten Flügel der 4. Armee mußten weitere Kräfte
folgen (XIV. Korps).
Beide Heeresleitungen, die russische ebenso wie unsere, hatten ursprüng-
lich die Absicht gehabt, den Gegner von der Weichsel abzudrängen. Es
geschah aber das, was bei dem nahezu gleichzeitigen Losgehen wohl unaus-
bleiblich geschehen mußte, nämlich der große, entscheidungsuchende Kampf
sprang auf die durch die Ausgangsstellung der beiderseitigen Hauptkräfte
gegebene Schwerlinie Jaroslau—Kowel über, und trotz der großen beider-
seitigen Umfassungsbestrebungen ging schon jetzt der" Kampf im großen
darum, die feindliche Front zu durchbrechen. Die durch das beiderseits lockere
Auftreten später stellenweise zustande gekommenen Umfassungen ändern an
diesem Gedanken nichts.
Gleichzeitig mit der Offensive der 1. und 4. Armee ging auch die
3. Armee zur Offensive über. Zwar lag hier ursprünglich nur der Gedanke
zugrunde, den von Ost kommenden Feind abzuhalten, und dementsprechend
sollte auch diese Offensive räumlich und zeitlich begrenzt bleiben. Sie machte
sich aber sehr rasch von den durch die Kriegslage geforderten defensiven
Bindungen los und ging in der Durchführung lediglich darauf aus, den
Feind zu schlagen. Der Angriff kam in eine Richtung, die auf den Grund-
gedanken, nämlich Schutz der Hauptoffensive, keine Rücksicht mehr nahm.
So waren also in der Zeit vom 23. bis 25. August aus der erst in
Durchführung begriffenen Bereitstellung, die 1. Armee Richtung Nord, die
4. Armee Richtung Nordost und die 3. Armee Richtung Ost, zum Angriff
übergegangen. Von dem Gedanken einer einheitlichen, geschlossenen Ope-
ration war nicht mehr viel übriggeblieben, es waren selbständige Armee-
operationen entstanden. Das Streben nach Raschheit hatte auf der ganzen
Linie gegenüber der Forderung nach Geschlossenheit gesiegt.
Was aus diesen Operationen wurde, ist schon bekannt. Bis zum 1. Sep-
tember war unsere 1. Armee an den Ghodelbach gelangt, doch nicht darüber
hinausgekommen. Ihr rechter Flügel hätte zwischen der r. 4. und 5. Armee
bedeutende Erfolge erzielen können, war aber isoliert und nicht stark genug,
um den Angriff fortzusetzen. Unsere 4. Armee hatte bei Komarów und
Tyszowce den Feind geschlagen und damit schien in der bisherigen Haupt-
richtung ein entscheidender Erfolg erreicht zu sein. Es sollte nun der von
Ost gekommene Feind geschlagen werden.
Die defensiven Forderungen, welche die Kriegslage stellte, waren durch
die Erfolge bei Komarów nicht überwunden. Noch immer handelte es sich
Pi tr ei ch. IX
162
Die Grundprobleme des Krieges,
darum, den Feind auf einer Seite zu schlagen, auf der anderen abzuhalten.
Diese letztere Absicht kam aber jetzt auf der nördlichen Front reiner zur
Geltung als früher an der Ostfront.
Indem der Offensivgedanke nun seine Richtung wechselte und die
4. Armee zur 3. und 2. herangeführt werden sollte, trat eine neue Frage
hervor, nämlich die Art des Zusammenschlusses der Kräfte zur Schlacht.
Es ist über diese Frage, Vereinigung vor der Schlacht oder Zusammen-
führung der Kräfte auf dem Schlachtfeld, in der Vorkriegszeit viel debat-
tiert worden. Am trefflichsten hat hiezu General Alfred Kraus in seinem
Buche „Moltke, Benedek und Napoleon I." Stellung genommen.
Solange Kriege geführt werden, hat es, um Schlachten herbeizuführen,
kein anderes Mittel gegeben, als sie durch Druck auf den großen Leitlinien
zu suchen, und unvermeidlich muß damit der Gedanke an den Stoß im
Kampfe verbunden sein.
Solange die Schlachtenführung noch in einfacher und primitiver Weise
lediglich durch den Stoß gekennzeichnet war, d. h. solange die Menschen
noch mit Spießen, Hellebarden oder Piken geradewegs aufeinander los-
gingen, also beinahe bis in den Dreißigjährigen Krieg, stand der Begriff des
Stoßes so einfach und unverrückbar vor aller Augen, daß der enge Zu-
sammenschluß vor dem Kampf etwas ganz Selbstverständliches war.
Später haben die Feuerwaffen den Stoß in eine vorbereitete Aufstellung,
in eine geschlossene Front hinein, schwieriger gemacht. Daher konnte auch
im" 18. Jahrhundert das Losgehen auf die Schlachten nicht mehr so einfach
vor sich gehen wie früher. Aber unverändert bildete das Prinzip des Stoßes
auch in den damaligen Kriegen und Schlachten das Grundelement der Taktik
und daher ist auch das einheitliche Auftreten im Kampfe, der Zusammen-
schluß vor dem Kampfe, selbstverständlich geblieben.
Dann kamen die Revolutions- und Napoleonischen Kriege. Genau so
wie früher mußten die Schlachten auf den großen Leitlinien gesucht werden.
Die Fieere waren aber beweglicher und die Stellungen hatten nicht mehr
denselben Wert. Diese beiden Umstände, verbunden mit der Unsicherheit,
wann, wo und wie ein Zusammentreffen mit dem Feinde zu erwarten war,
führten dazu, die Fieeresbewegungen elastischer zu halten durch breitere
Fronten und möglichst spätes Zusammenschließen der Kräfte. Es schien
dies mit dem großen Grundprinzip nicht ganz im Einklänge zu stehen.
Wer aber in dem Stoße das große Mittel des Kampfes sieht, weiß, daß
Geschlossenheit dazu gehört. Und Napoleon hat den Stoß nicht anders ge-
sehen als Gustav Adolf, Prinz Eugen und Friedrich der Große. Enge Ge-
schlossenheit in der Schlacht war immer die Grundforderung gewesen und
auch für Napoleon war es nicht anders. Daher war bei ihm die enge Ver-
einigung der Kraft vor dem Kampf ebenso selbstverständlich, wie sie es
früher immer war.
Mit der Steigerung der Waffenwirkung hat sich dann in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts die Widerstandskraft der Heeresfronten wesent-
lich erhöht und dadurch konnte es eher möglich scheinen, die Gefahren der
Krieg- und Scblacktenfübrung.
Trennung durchzuhalten, also auch eine möglichst späte Vereinigung ge-
trennter Teile auf dem Schlachtfeld auf sich zu nehmen.
Aber noch niemals hat sich jemand, der auf eine Schlacht losgehen
mußte, freiwillig geteilt, um auf dem Schlachtfelde zusammenschließen zu
können. Die Teilung der Kraft hat immer einen anderen Ursprung und die
späte Vereinigung heißt nichts anderes, als aus der Not eine Tugend zu
machen.
Der Gedanke, die Zusammenführung der Kräfte erst am Kampfplatze
durchzuführen, ist in der Vorkriegszeit durch das allgemeine Streben nach
Umfassungen stark unterstützt worden. Er hat auch bei dem Antrage der
4. Armee vom 1. September, die verfügbaren Kräfte in der Linie Beiz—
Uhnów bereitzustellen (C. IV., S. 609), Einfluß gehabt.
Unser Chef des Generalstabes hat schon im Frieden bei allen opera-
tiven Übungs- und Prüfungsarbeiten dem Grundsatze der Kraftvereinigung
vor dem Kampf Ausdruck gegeben. Er hat ihn auch in dieser Situation
beibehalten und demnach wurde die Bereitstellung in der Linie Uhnów—
Belzec, also 20—25 km weiter westlich, angeordnet und der Anschluß von
diesem Gesichtspunkt aus durchgeführt. Der Chef des Generalstabes hatte
das tiefe Wesen des Krieges, welches vornehmlich den Zusammenschluß der
Kraft fordert, sehr klar erkannt. Leider mangelte aber unserer Zeit der
Begriff des großen taktischen Stoßes, wie die moderne Wafïenwirkung ihn
fordert. Neben dem "Wunsche nach Zusammenschluß blieb deshalb auch ein
Streben nach Umfassungen, aber nicht mehr stark genug, diese auch tatsäch-
lich zustande zu bringen. So entging die feindliche Ostgruppe zum zweiten-
mal der Gefahr, in ihrer noch bestehenden Isolierung umfaßt zu werden,
und unsere Angriffe mühten sich frontal ab, ohne rechtzeitig zu einem Er-
folge zu gelangen. Fünf bis sechs Divisionen mit 300 Geschützen an der
Gródek Jag.—Lemberger Chaussee einheitlich zusammengefaßt, hätten nach
entsprechender Artillerievorbereitung die Front des Feindes glatt durch-
schlagen können. Aber man hat diese Methode damals noch nicht gekannt.
Die Frage der Zusammenführung der Kräfte hat auch auf Seite des
Feindes eine große Rolle gespielt, sie war am Kriegsbeginne dort sogar das
entscheidende Problem.
Entsprechend dem großen Ziele des Krieges versammelten die Russen
ihre Hauptkräfte im nördlichen Bewegungsraume. Die Entente drängte
immer wieder zur raschen Offensive gegen Deutschland. Dieser Offensiv-
gedanke konnte sich nicht entwickeln, denn auf der einen Seite hatten die
Russen mit deutschen Kräften in Ostpreußen, auf der anderen mit dem
Großteil unseres Heeres in Galizien zu rechnen.
Die Russen hatten zutreffenderweise den Hauptaufmarsch der Deut-
schen gegen Frankreich erwartet und hielten es daher für nötig, zuerst ihren
Hauptangriff gegen Galizien zu richten. Dazu wurde die Hälfte aller am
Kriegsbeginne verfügbaren Kräfte bestimmt, während schwächere Kräfte
gleichzeitig gegen Ostpreußen vorgehen sollten. Es blieben dann noch die
11 *
164
Die Grundprobleme des Krieges.
erst gegen Monatsende im Kriegsgebiet eintreffenden Kräfte. Ursprünglich
waren sie für eine selbständige Offensive von Warschau gegen Schlesien
in Aussicht genommen, doch wurden sie dann hauptsächlich zur Verstärkung
gegen uns eingesetzt.
Bedingt durch die Truppenverteilung im Frieden und durch die Lauf-
richtung der Eisenbahnen, versammelten die Russen, wie vermutet, die gegen
Galizien bestimmten Kräfte in zwei Gruppen: Die Nordgruppe, 4. und
5. Armee, in der Linie Lublin—Cholm—Kowel, die Ostgruppe, 3. und
8. Armee, in der Linie Luck—Dubno—Proskurow und südlich. Beide
Gruppen waren einheitlich unter das Kommando der „Südwestfront" ge-
stellt. Durch einen gemeinsamen Druck aller dieser vier Armeen sollte unser
Heer aus dem Felde geschlagen und damit die nötige Bewegungsfreiheit
gegen Deutschland erreicht werden. Beeinflußt war dieser Angriffsplan
durch den Gedanken, daß nicht ein Stoß unsererseits aus Galizien heraus in
der Richtung gegen Brest Litowsk, also in den Hauptversammlungraum der
russischen Heere, durchdringe. Dementsprechend wurde der Hauptangriff
durch die geschlossene Kraft der 3. und 8. Armee aus östlicher Richtung ge-
plant und möglichst zeitlich angesetzt. Die 3. Armee erhielt die Direktion
auf Lemberg, die 8. Armee hatte die 3. zu unterstützen und gegen den
Dnjestr zu sichern. Der Hauptangriff sollte auch durch die 5. Armee von
Nord her unterstützt werden. Diese erhielt den Auftrag, die Offensive in
die Linie Cieszanów—Rawa Ruska aufzunehmen. Weiter westlich hatte
die 4. Armee über den unteren San vorzugehen, linker Flügel Direktion
Lezajsk—Rzeszów. Alle diese Absichten ruhten auf der Voraussetzung
unseres früheren, in Ostgalizien geplanten Aufmarsches, der den Russen
scheinbar bekannt war. Nach diesem hätten unsere Hauptkräfte aus der
Linie Sieniawa—Kamionka Strumilowa Richtung Nord vorgehen sollen.
Um dies hintanzuhalten, war russischerseits gedacht, den entscheidenden
Druck von Ost her möglichst bald zu beginnen. Der Aufmarsch der Ost-
gruppe war derart eingerichtet, daß 20 Divisionen am 22. (8. Armee), bzw.
am 23. (3. Armee) die Grenze überschreiten konnten, während die Nord-
gruppe zu dieser Zeit erst den Vormarsch aus der Linie Lublin—Kowel
antrat.
Gleichzeitig mit dem Vormarsche der Ostgruppe hatte zu deren indirek-
ter Unterstützung die Nordgruppe mehrere Divisionen in die Linie Wil-
kolaz—Wladimir Wolynskij vorgeschoben, und so entwickelten sich die
Kämpfe bei unserer 1. und 4. Armee bereits zwischen 23. und 25. August.
Der Einmarsch der Ostgruppe in Galizien erfolgte in geschlossenem
Echiquier. Die Russen hatten erwartet, bereits in der Linie Zloczow—Trem-
bowla auf starke Kräfte zu treffen und diese und vielleicht auch noch andere
Kräfte in Ostgalizien zu binden, während die 5. Armee durch ihren Druck
in den Raum westlich Lemberg mithelfen sollte, eine Entscheidung herbei-
zuführen. Gleichzeitig sollte die 4. Armee unsere Streitkräfte von West-
galizien abschneiden. An diesem Plane war jedenfalls bemerkenswert, wie
bei der 3. und 8. Armee der Grundsatz der Geschlossenheit deutlich zum
Krieg- und Sdì lachtenfiih rung.
165
Ausdrucke kam, während im Gegensatze dazu bei der 4. und 5. Armee der
Gedanke an selbständige Armeeoperationen und Umfassungen überwog.
Bis zum 25. August gelangten die Russen zur Erkenntnis, daß sich unser
Hauptangriff gegen ihre 4. und 5. Armee richte, während in Ostgalizien
nur geringe Kräfte angetroffen wurden. Jetzt erschien plötzlich die große
Trennung zwischen 4. und 5. Armee und ihre weite Entfernung von der
Ostgruppe äußerst gefährlich, und von diesem Augenblick an war das ganze
Streben der Führung dahin gerichtet, die getrennten Heeresteile zum Zu-
sammenschlüsse zu bringen, und zwar in der Richtung gegen die am meisten
gefährdete 5. Armee. Schon am 25. erhielt die Ostgruppe den Auftrag, die
weitere Vorrückung in allgemein geänderter Richtung, die 3. Armee nicht
mehr auf Lemberg, sondern weiter nördlich, mit dem rechten Flügel über
Mosty Wielkie, durchzuführen. Die Ostgruppe hatte aber damals Feind
vor sich und mußte auf den bevorstehenden Kampf Bedacht nehmen. Sie
blieb auch weiterhin noch bis zum 2. September durch unsere 3. Armee in
der Gegend bei Lemberg gebunden, und bis zu diesem Zeitpunkte hatten nur
Teile des XXI. Korps in die Gegend von Mosty Wielkie gelangen können.
Mittlerweile war die Verbindung zwischen r. 4. und 5. Armee durch
unser X. Korps unterbrochen worden. Dadurch entstand für die r. 4. Armee
die Gefahr, gänzlich isoliert zu werden. Gleichzeitig mußte sich die 5. Ar-
mee von Komarow und Tyszowce zurückziehen, und so entstand für die
Russen eine schwere Krise, die aber überwunden werden konnte, weil einer-
seits auf unserer Seite die Kräfte fehlten, den durch Trennung der 4. und
5. Armee schwer erkämpften Vorteil auszunützen, andererseits die Russen
dort ihre Reserven heranbrachten (XVIII., Garde-, III. Kauk. Korps). So
konnten sie nun gegen unsere isoliert bleibende 1. Armee allmählich ein
Übergewicht erzielen.
Nach dem Rückzug unserer Truppen von Lemberg begann dann der
Nordwestabmarsch der russischen Ostgruppe, wobei die r. 3. Armee die
Direktion über 2olkiew auf Rawa Ruska einschlug, ihr rechter Flügel über
Beiz Richtung Tyszowce ausgriff und dadurch eine direkte Verbindung mit
der r. 5. Armee hergestellt wurde. Damit hatten die Russen noch vor der
zweiten Schlacht den Zusammenschluß erreicht und blieben im Vorteile.
Der Krieg wirft immer dieselben Probleme auf, doch jedesmal muß in
anderer Weise dazu Stellung genommen werden. Die Absicht, den Feind
zu schlagen, bildet den Ausgangspunkt aller Erwägungen, der große Offen-
sivgedanke steht im Vordergrund. Aber in seiner Ausführung wird er von
mancherlei Bedingungen abhängig.
Die Absicht, den Feind zu schlagen, erfordert ein Zusammenhalten der
Kraft. Aber so eng, als der Offensivgedanke es fordern würde, können die
Fronten gar nicht sein. Immer muß sich die eigene Frontbreite nach der-
jenigen des Feindes richten. Immer besteht die Absicht zu umfassen, Ver-
166
Die Grundpróbleme des Krieges.
bindungen zu bedrohen, aber man muß sich auch selbst an den Flügeln
schützen und die Räume sichern, aus denen die Kraft der eigenen Heere
kommt. Unvermeidlich werden die Fronten breiter, defensive Gesichtspunkte
machen sich geltend und beeinträchtigen die offensiven Entschlüsse in ihrer
Ausführung. Wie stark sie sich geltend machen, hängt von der vermuteten
Stärke und der jeweiligen Ausgangsstellung der feindlichen Heere ab.
Aus den breiten Fronten entspringt der immer gleichbleibende Gedanke,
den Feind an einer Stelle zu schlagen und ihn auf den anderen abzuhalten.
Dieser Gedanke besteht schon dann, wenn sich die Heere in geraden Fronten
gegenübertreten. Er wird eindrucksvoller, wenn ein Heer, wie unseres in
Ostgalizien, auf die inneren Linien gestellt ist.
Immer wird die Kriegslage für offensive und defensive Tendenzen
entscheidend, und sie gibt auch Vor- und Nachteile in verschiedener Weise
an die Hand. Wer den Druck aus verschiedenen Richtungen konzentrisch
zu führen vermag, kann den Offensivgedanken auf alle Teile gleichmäßig
übertragen, und die Führung wird leichter, wenn alle Teile einem gemein-
samen Ziele zustreben. Wenn aber dieses allgemein nach vorwärts gerichtete
Streben nicht stark genug zur Geltung kommt, so kann man in der Tren-
nung geschlagen werden, wie dies ja auch bei Tannenberg und an den Masu-
rischen Seen geschehen ist.
Im umgekehrten Falle mag es, wenn man seine Kräfte auf engerem
Räume versammelt hat, leichter möglich sein, die große Kraftvereinigung
zum Schlage zustande zu bringen. Aber diese Kraftvereinigung ist zeitlich
eingeschränkt und auch durch die Frage beeinträchtigt, welche Tiefen-
wirkung die Schlachten annehmen können, wenn eine Bedrohung von zwei-
ter Seite stattfindet. Die Bindungen, die sich aus der umfassenden Stellung
des Feindes geltend machen, werden zur Fessel und es entsteht der Wunsch,
sich davon zu befreien. Der Defensivgedanke leitet in den Offensivgedanken
über. Aus der Notwendigkeit, den Feind abzuhalten, entsteht der Wunsch,
den Feind zu schlagen. Es führt dies aber zur Teilung der Kraft, man muß
gleichzeitig zwei Schlachten schlagen statt eine, und es ist schon genug schwer,
in einer Schlacht siegreich zu bleiben.
Genau so wie auf den Hauptfronten können auch auf den Neben-
fronten siegreiche Kämpfe die defensiven Forderungen überwinden. Aber
sie melden sich mit doppelter Schärfe wieder, wenn man im Kampfe nicht
durchzudringen vermag. Deshalb kann sich der Offensivgedanke auf den
Defensivfronten nicht so frei und ungehindert entfalten wie dort, wo auf
den großen, entscheidungsuchenden Kampf ausgegangen wird. Denn letzten
Endes handelt es sich auf den Nebenfronten nicht darum, den Feind zu
schlagen, sondern es gilt, Räume zu sichern, die für die Hauptkräfte wichtig
sind. Man ist vom Feinde abhängiger, man muß sich nach ihm richten.
Daher kommt auch den Nachrichten über den Feind an den Defensivfronten
immer noch größere Bedeutung zu als im Angriffsraume. So ist auch die
Frage, wann, wo und wie stark der Feind von Osten nach Galizien ein-
rücken würde, am Kriegsbeginne von größter Bedeutung gewesen.
Krìegr . und Schlac
167
Wie die Lage bei unserem AOK. beurteilt wurde, geht am besten aus
dem Schreiben unseres Feldmarschalls, Op.-Nr. 710 vom 15. Aug., hervor
(C. IV., S. 391; man vgl. ferner auch S. 210, 324, 333, 334, 362, 372, 388,
394 und 395). Man sieht daraus, daß nicht nur mit der Versammlung starker
Kräfte gegenüber der Ostgrenze Galiziens von Haus aus gerechnet wurde,
sondern auch damit, daß die Ostgruppe den entscheidenden Druck beginnen
würde. Es kamen dann sich öfter wiederholende Kundschafternachrichten
über den Transport der Kasaner Korps (XVI. und XXIV.) und der
Odessaer Korps (VII. und VIII.) in den Raum Brest Litowsk—Warschau—
Iwangorod. Es hat später geheißen, daß diese Nachrichten von Feindesseite
lanciert worden seien. Obwohl bereits am 21. Aug. die r. 15. ID. (VIII.
Korps) am Zbrucz konstatiert wurde, scheint das AOK. den sich noch später
wiederholenden Kundschafternachrichten bezüglich der angegebenen Trans-
porte geglaubt zu haben. Immerhin wäre die Differenz bezüglich der Stärke,
die sich daraus ergab, der eintretenden Wirklichkeit gegenüber wohl groß,
aber nicht ausschlaggebend gewesen.
Maßgebender war der Unterschied in der Vermutung bezüglich des
Zeitpunktes der erwarteten feindlichen Offensive.
Der Beginn der russischen Teilmobilisierung am 30. Juli und der all-
gemeinen Mobilisierung am 31. war feststehend. Schon bald waren Nach-
richten über den Beginn der feindlichen Transporte gekommen (C. IV., wie
oben). Es war aber doch angenommen worden, daß der feindliche Auf-
marsch länger dauern würde. Hierüber kamen auch verschiedene Nach-
richten, die sich jedoch widersprachen. Eine Kundschaftermeldung vom 16.
gab an, daß via Zmerinka nur mehr Verpflegs- und Sanitätszüge liefen und
andere ließen auf eine bald bevorstehende Offensive schließen. Demgegen-
über wurden noch am 23. Transporte von Odessa gegen Warschau gemeldet.
Eine Grundlage für die Überprüfung dieser verschiedenen Nachrichten
bestand in dem Kalkül unseres Generalstabes (C. IV., S. 308), und dieser
sei dem tatsächlichen Feindaufmarsche gegenübergestellt (D., S. 136). Nach
dem feindlichen Plane konnten bei der Ostgruppe 22 Divisionen am
19. Mobilisierungstage den Vormarsch beginnen. Nach unserem Kalkül war
die Bereitstellung so starker Kräfte erst für den 22. Mobilisierungstag er-
wartet worden.
Bei der russischen Nordgruppe war die Bereitstellung von 22 Divi-
sionen am 24. Mobilisierungstage vorgesehen, nach unserem Kalkül aber
erst für den 28. Mobilisierungstag erwartet.
Am 23. sagte ein gefangener russischer Offizier aus, daß die 8. Armee
im Räume zwischen Proskurow und Dnjestr in Offensive begriffen sei. Alles
in allem bestand am 24. der Eindruck, daß wenigstens zehn feindliche Infan-
teriedivisionen von Ost her in Galizien einrückten. Wie sehr dabei der
Mangel an Nachrichten aus dem Räume Zloczów—Tarnopol an der Täu-
schung über die Feindstärke mitwirkte, ist schon früher erwähnt worden.
Aber auch diese Täuschung war nicht so sehr ausschlaggebend.
i68
Die Grundprobleme
Am entscheidendsten war, daß man sich auf einen Fall, der früher oder
später unbedingt eintreten mußte, nicht in jener Weise eingerichtet hatte,
wie die operative Lage dies verlangte. Zwei Bedingungen waren in Ost-
galizien zu erfüllen: die Einrichtung und Erhaltung einer Widerstands-
linie, wenn auch nur durch punktweise Besetzung, und die Verwendung
einer stärkeren Kraft dort, wo der Feind die Hauptoperation am raschesten
gefährden konnte, also im Räume nördlich Lemberg.
Am Anfang des Krieges hatte eine "Widerstandslinie an der Grenz-
absperrung bestanden, und solange diese vorhanden war, hat der Krieg in
Ostgalizien seine defensiven Aufgaben zu erfüllen vermocht. In dem Augen-
blick, wo diese Widerstandslinie aufhörte, verlor auch die Führung den
Überblick, auf dem sich die Entschlüsse hätten aufbauen können. Der Grund-
gedanke jeder Handlung in Ostgalizien war vom Anfang bis zum Ende
einzig und allein der, den Feind von der Hauptoperation abzuhalten. Dieser
Grundgedanke ist aber nicht ein einzigesmal ausgesprochen worden, und so
war die Verteidigung, auf die es ankam, nicht organisiert. Es waren keine
Vorkehrungen getroffen, die bestandene Widerstandslinie, dem Drucke des
Feindes entsprechend, allmählich zurückzunehmen. Die Grenzabsperrung
wurde vom Feinde zerrissen, und man ließ die Landsturmleute laufen, wohin
sie wollten. Der Widerstand war nicht, wie erforderlich, eingerichtet, weil
stets nur an Offensive gedacht worden war. Aus dem gleichen Grunde fehlte
auch die Kraft dort, wo sie nach der Gesamtlage am nötigsten gewesen wäre.
Es war eben die Krankheit unserer 'Zeit, daß sie von Defensive nichts
wissen wollte, und daß sie diese nur als ein Übel betrachtete, welches nicht
rasch genug überwunden werden konnte. Baldige Erfahrungen haben ge-
zeigt, daß auch die Defensive ein unerläßliches und wertvolles Element des
Krieges ausmacht. Schon bei Einleitung der zweiten Schlacht erwies sich die
notwendige Verbindung zwischen Offensive und Defensive klarer und un-
getrübter als am Anfang. An der nördlichen Front zwischen Weichsel und
Bug war die Aufgabe rein defensiv geworden, und der Offensivgedanke,
der jetzt an die Ostfront übersprang, trat dort nur in enger Verbindung
mit dem Defensivgedanken hervor.
Jetzt sollten sich die 2. und 3. Armee in der Linie Mikolajów—Lemberg
(später an der Wereszyca) halten, bis der Großteil der 4. Armee herankam.
Das war jetzt anders als früher, wo alles gleichzeitig auf den Feind los-
gegangen war. Es war dies eben eine jener Lagen, wo offensive und defen-
sive Forderungen sich so nahe kommen, daß sie nicht mehr getrennt, sondern
nur gemeinsam und einheitlich auftreten können. Diese Erscheinung hat sich
schon oft gezeigt. Nur eines der erlauchtesten Beispiele sei aus der Ver-
gangenheit herausgegriffen:
Nach der Kapitulation von Ulm 1805 hatte Napoleon die Absicht, die
Russen zu schlagen. Der Krieg war also von rein offensiven Gedanken be-
herrscht und führte den Kaiser über Wien bis Brünn. Hier aber hatten da-
durch, daß der Feind Verstärkungen erhielt, der Kaiser hingegen immer
Krieg- und Schlachtenführung.
169
mehr zu Detachierungen gezwungen war, defensive Tendenzen das Über-
gewicht erlangt. Als die Russen von Olmiitz heranrückten, blieb der Kaiser
stehen und zog abgetrennte Teile an sich. Er blieb stehen, er hätte es viel-
leicht sogar vorgezogen, noch weiter zurückzugehen, um die Kraftvereini-
gung noch vor der Schlacht durchzuführen.
Man sieht, der offensive Gedanke an die Schlacht bleibt unverändert,
aber das Prinzip der Kraftvereinigung steht im Vorder gründe, von offen-
siven Bewegungen ist keine Spur. In dem Augenblick aber, wo die Feinde
den Angriff durchführen wollen, geht der Kaiser selbst zum Stoß über.
In dieser Art sind schon viele, vielleicht die meisten Schlachten ge-
schlagen worden und sie kehrt auch immer wieder, wenn defensive und
offensive Tendenzen sich die Waage halten, wenn man zwar auf den ent-
scheidungsuchenden Kampf ausgeht, aber die defensiven Forderungen der
Lage so groß sind, daß sie ausgreifende Offensivbewegungen .unmöglich
machen. Solche Fälle sind in den meisten Kriegen wiedergekehrt, und auch
die Schlachten unseres Krieges sind fast durchwegs von dieser Art beherrscht.
Jedenfalls war es merkwürdig, daß sich aus dem vielfältigen Bilde ver-
gangener Kriege und Schlachten beinahe ausschließlich nur zwei arme und
trockene Begriffe herausgehoben haben: Angriff und Verteidigung.
Nur für die Truppen tragen diese Begriffe ein klares Merkmal, nur
hinsichtlich des Verfahrens im Kampfe bezeichnen sie einen scharf um-
rissenen Unterschied. Die großen Fragen des Krieges lassen sich nicht so
einfach abtun.
Der große, entscheidungsuchende Akt muß immer in Form des An-
griffes erfolgen, weil man sonst den Feind nicht schlagen kann. Deshalb ist
wohl hiezu unter allen Verhältnissen Bewegung in der Schlacht nötig, aber
nicht unbedingt auch Bewegung vor der Schlacht.
Allerdings drängen die großen allgemeinen Energien des Krieges häufig
dazu, Schlachten möglichst rasch zu suchen. Es mögen dann viele Gründe
dafür sprechen, dem Feinde rasch und weit entgegenzugehen. Aber dennoch
soll die Grundvoraussetzung jeder Offensive in der Kraftvereinigung und
nicht in der Bewegung gesehen werden. Denn diese bleibt immer lediglich
ein Hilfsmittel, Ausgangsstellungen zu erreichen, aus denen heraus man in
Schlachten eintreten will.
Die Frage der Bewegung steht übrigens nicht allein im offensiven Teile
des Krieges, sondern auch dort, wo defensive Aufgaben gestellt sind. Man
gewinnt Zeit, wenn man den Widerstand früher beginnt, wenn man dem
Feind entgegengeht, so weit man kann.
Der offensive Gedanke des Krieges geht darauf aus, den Feind zu
schlagen und dazu kann man nicht stark genug sein.
Den defensiven Aufgaben hingegen liegt die Notwendigkeit zugrunde,
Räume zu decken. Der Gedanke daran nimmt seinen Ausgangspunkt an
Wider Standslinien und breiten Fronten.
Diese Unterscheidung ist wichtig, denn sie zeigt, daß Offensive und
Defensive durch das große Problem der Kraftverwendung auseinander-
17°
Die Grundprobleme des Krieges.
gehalten werden. Daher läßt sich auch Defensive nicht willkürlich durch
Offensive ersetzen.
Der Begriff der Widerstandslinie ist für das defensive Verhältnis un-
erläßlich, schon der Aufklärung wegen, die im abwartenden Verhältnisse
zumeist nicht anders zu erreichen ist als durch Kampf und Widerstand.
Die rechtzeitige Aufklärung wird sogar noch wichtiger, wenn im defen-
siven Verhältnisse angegriffen werden soll. Denn aus dem defensiven Ver-
hältnisse selbst entsteht eine Gebundenheit in der KraftverWendung, die der
Krieg in seinem offensiven Teil nicht in gleichem Maße kennt. Dort, wo es
gilt, die große und vereinigte Kraft, die auf Schlacht und Sieg losgeht, zu
schützen, ihr Zeit zu geben, den Kampf durchzukämpfen und ihren Sieg
wirksam zu machen, ist die Forderung nach Deckung von Linien und
Räumen eine unbedingte. Die zur Deckung bestimmten Kräfte dürfen davon
nicht abkommen, weil sonst alles in Frage gestellt wird.
So müssen defensive Aufgaben von dem Gedanken an die Wider-
standslinie ausgehen und sie werden immer Schaden leiden, wenn sie es
nicht tun.
Man kann mit Defensive allein keinen Krieg führen, weil man damit
nicht zum Ziele kommt. Aber als Hilfsmittel im Krieg ist die Defensive
wertvoll und zumeist unerläßlich, schon deshalb, weil damit für offensive
Zwecke Kräfte gespart werden können. Dies stand in unserem Reglement,
aber niemand hat davon Gebrauch machen wollen. Zu sehr haben die großen
Offensivkriege des 19. Jahrhunderts geblendet und die Meinung geweckt,
als ob Kriege ausschließlich offensiv geführt werden könnten. Auch dies
kann nicht geschehen, weil die defensiven Tendenzen zu stark sind, als daß
sie gänzlich beiseite geschoben werden könnten. Sie können nur zeitweilig
durch siegreiche Schlachten in den Hintergrund gedrängt werden.
Um siegreiche Schlachten handelt es sich und um Mittel, sie zu er-
reichen. Raschheit ist gut, wenn der Feind langsamer ist. Aber sie wird
wertlos, wenn beide Teile sich eilen. Dann kommt eben das Problem der
Schlachten wieder auf Kr aftver einigung und Geschlossenheit zurück.
Unsere Zeit aber hat den Wunsch nach Raschheit höher gestellt. Doch
weil dies auf allen Seiten der Fall war, hat es nichts genützt und mangels
Kraftvereinigung und Geschlossenheit konnte der Krieg zu keiner Entschei-
dung kommen.
Um überall anzugreifen, haben schließlich die Kräfte nicht gereicht und
so griff nach kurzen Anfangserscheinungen der Krieg auf allen Schauplätzen
von selbst wieder zum Hilfsmittel der Defensive. Er hat immer mehr und
mehr davon Gebrauch gemacht, bis die Offensiven von selbst seltener und
begrenzter wurden.
Dies alles hat aber nur deshalb geschehen können, weil der Stoß, die
einzige Voraussetzung, Kraftvereinigung auch tatsächlich zustande zu brin-
gen, dem allgemeinen militärischen Denken unseres Zeitalters fremd gewor-
den war. Und doch erstand dieser Gedanke gleich am Anfange des Krieges
groß und bedeutungsvoll, wie die Ahnung eines überragenden Geistes. Es
Krieg- und Sehl achte nfii b m ng.
171
bedurfte aber eines langen Weges, bis die Bedingungen erkannt wurden,
die der Krieg zu erfüllen aufgab, um den geschlossenen Massenstoß auf dem
Schlachtfelde wieder erstehen zu lassen.
Schlußbetrachtung.
Die Schilderung der stattgefundenen Begebenheiten wäre vielleicht wenig
verständlich, wenn man nicht gleichzeitig versuchen würde, auf die großen
Ursachen hinzuweisen, welche für die Abwicklung maßgebend waren. Es
handelt sich dabei wohl kaum um die Frage, ob etwas anders hätte ge-
schehen können, als vielmehr darum, den Krieg in seinem Wesen zu er-
kennen. Und dazu ist es hauptsächlich nötig, diejenigen Momente zu er-
fassen, welche die Führung in der Einhaltung ihrer großen Ziele beeinträch-
tigen.
Die Probleme der Führung sind keine Prinzipienfragen, hier handelt
es sich um die Anwendung von Prinzipien auf konkrete Verhältnisse. Dies
ist der Grund, warum die Führung unter allen Umständen so unendlich
schwierig ist. Der Grundsatz der Kraftvereinigung steht voran, aber gleich-
zeitig besteht das Streben nach Umfassungen. So tritt der Wunsch nach
Breitenentwicklung der Forderung nach Zusammenschluß und tiefer Glie-
derung entgegen, und die Führung muß sich im Rahmen dieser Gegensätze
zurechtfinden.
Alle Ideen über Krieg- und Schlachtenführung haben ihren Ausgangs-
punkt in der primitiven Absicht der feindlichen Massen, aufeinander los-
zugehen. Solange die Geschlossenheit auf den Hauptlinien des Krieges vor-
herrscht, ist der Krieg einfach und leicht verständlich. Er wird komplizier-
ter von dem Augenblick an, in welchem durch Anwachsen der Streiterzahlen
und durch gesteigerte Wafïenwirkung die Kriegsfronten sich in die Breite
entwickeln.
Von da ab beginnen die Begriffe Offensive und Defensive ihre natür-
liche, lediglich auf den Kampf berechnete Einfachheit zu verlieren, und aus
ihnen werden strategische, den ganzen Krieg berührende Probleme. Immer
handelt es sich dann um die gleiche Absicht, den Feind an einer Stelle an-
zugreifen, an den anderen abzuhalten. Hiebei spielt das Maß der Kraft-
vereinigung, die Art und Richtung, in der sie angestrebt wird, eine ent-
scheidende Rolle. Damit gelangen die Probleme der Strategie auf ein Gebiet,
auf welchem psychologische Momente von Einfluß sind.
Wenn der Krieg auf breiten Fronten geführt wird, so treten gegenüber,
den großen offensiven Bestrebungen, die auf Schlachten und Entscheidungen
ausgehen, stets defensive Forderungen auf, für deren Ausgleich seelische und
geistige Faktoren entscheidend werden. Es handelt sich darum, Kraftver-
einigung in einer Richtung zustande zu bringen, während aus anderer Rich-
tung Gefahren drohen. Die Lösung ist von seelischem Mut und innerer
Überzeugung abhängig, vornehmlich von Fragen des Taktes. Gewiß hat
jedes Empfinden seine Wurzel in der Seele, in der Anlage führender Männer.
*7*
Die Grundprobleme des Krieges.
Aber diese Empfindungen wachsen und entwickeln sich unter Einflüssen,
welche die Zeitperiode gibt. Deshalb mischen sich auch stets in alle großen
Entschließungen Anschauungen, die als ein Vermächtnis der Vergangenheit
erscheinen. Dies ist sogar in höherem Maße der Fall, als nachträglich zumeist
geglaubt wird.
Um Kraftvereinigung handelt es sich und um die Richtung, in der
sie zustande kommt. Je größer und unbestimmter die Verhältnisse des Krieges
sind, desto mehr werden geographische Einflüsse für die Richtungen ent-
scheidend, in denen Schlachten gesucht werden müssen. Nach sonstigen
operativen Gesichtspunkten kann dies nur in beschränktem Rahmen ge-
schehen. Wenn es gelingt, den Feind in einer überraschenden Richtung zu
treffen, so zwingt man ihn, unter ungeklärten Verhältnissen seine Front
zu ändern, eine neue Schlachtform anzunehmen. So wie vor Jahrhunderten
kann dadurch auch jetzt noch derjenige in Vorteil kommen, der mit ge-
schlossener Kraft die unfertige Formation des Feindes trifft. Aus dieser
Absicht ist auch das immerwährende Streben zu verstehen, auf Flügel und
Verbindungen des Feindes loszugehen, Umgehungs- und „Vemichtungs-
schlachtenfC zu schlagen. Dies gelingt aber nur dann, wenn man weiß oder
vermuten kann, wo Flügel und Verbindungen des Feindes sind.
Das Prinzip der Geschlossenheit ist heute nur mehr relativ zu werten.
Infolge der hohen Widerstandskraft des Feuers vermögen schon geringe
Kräfte zähen Widerstand zu leisten und dem. Feinde Zeit zu geben, die
Zusammenführung von Kräften in neuer Front zu bewerkstelligen. Auch
in unserem Krieg ist es auf allen Fronten immer wieder gelungen, den
Zusammenhang herzustellen, wenn er zeitweilig zerrissen war. Weil die
Kraft zum endgültigen Durchstoßen der Fronten nirgends zustande gebracht
wurde, hat der Krieg erst durch innere Zermürbung unserer Staaten zur
Entscheidung kommen können.
Es ist selbstverständlich, daß der Krieg in allen Sphären Ausschau halten
muß, um die Überlegenheit auf dem Schlachtfelde zu erzielen. Jedes Hilfs-
mittel muß ergriffen werden, jede überlegene Waffe, die höchste Spannung
des Geistes und der Seele. Doch unabänderlich durch alle Zeiten bleiben
Schlachten Akte reiner und brutaler Gewalt, aufgebaut auf der natürlichen
Grundlage physischer Stärke. Alles Geistige und Seelische, auch alle sonsti-
gen Hilfsmittel sind nur Begleiterscheinungen, welche dazu dienen, die Kraft
zu steigern oder sie nutzbringender zu verwerten. Mit dem Auftreten von
Massen, welche die persönliche Kraft durch zahlenmäßige Stärke ersetzen,
können geistige Probleme wohl einen stärkeren Einfluß auf den Gang der
Schlachten ausüben, sie vermögen aber auch bei äußerster Steigerung nicht,
das große und ursprüngliche Prinzip, daß Gewaltsamkeit entscheidet, aus-
zuschalten, weil sie sich immer wieder gegenseitig aufheben. Deshalb muß
der Krieg auch immer wieder auf seine grundlegende und natürliche Form
zurückkehren, er muß zu einem harten und mühevollen Abreiben führen,
in dem der stärkere und letzte Stoß entscheidet. Hier zeigen sich mächtige
Schlußbetrachtung.
I73
Einflüsse, die stärker sind als jeder Führerwille und ihre Wirkung auch über
Schlachtfelder hinaus behalten.
Man wird den Krieg nicht verstehen, wenn man ihn lediglich von mili-
tärischen Gesichtspunkten aus betrachtet. In seinem tiefsten Wesen hat der
Krieg überhaupt nichts Militärisches an sich. Die großen Gewalten, die
sich in ihm äußern und die sich in dem harten Zwange zum Kampfe geltend
machen, haben ihren Ursprung nicht in militärischen Motiven, sie wachsen
schicksalhaft aus dem Leben heraus.
Die Kräfte, die in den Kampf drängen, liegen nicht immer an der
Oberfläche und sind nicht immer wahrnehmbar. Aber deutlich zeigt sich,
wie schon dort, wo die Menschen zusammenschließen, sich schicksalhafte
Einflüsse bilden, denen das Leben unterworfen ist.
Die Menschen sammeln sich nicht um tote Punkte, sondern um lebendig
wirkende Ideen, die, wenn sie einmal ausgesprochen sind und werbend auf-
treten, schon eine bestimmte Richtung haben, aus der sie nicht mehr los-
kommen können. Alle menschlichen Organisationen sind daher von einer
bestimmten Geistesrichtung erfüllt, die für ihre Lebensäußerungen maß-
gebend ist. In Staaten, als höheren organisatorischen Einheiten, mag diese
Erscheinung komplizierter auftreten. Aber so, wie nach physikalischen Ge-
setzen verschiedene Komponenten die resultierende Kraft in eine bestimmte
Richtung drängen, wirken auch innerhalb der menschlichen Gemeinschaften
verschiedene Kräfte zu einem einheitlichen Resultate zusammen. Daher sind
auch die Staaten an bestimmte Bestrebungen gebunden. Unvermeidlich müssen
sie den Kampf aufnehmen, wenn andere Gewalten sich ihnen entgegen-
stellen.
Der Wunsch mag naheliegen, die Auseinandersetzungen zu begrenzen,
doch um den Kampf auf geistiges Gebiet zu beschränken, sind starke, von
außen kommende Bindungen nötig. In den Gewalten, die sich hier äußern,
lebt die natürliche Tendenz, die Austragungen in ihrer Wucht zu steigern,
und so greifen die Staaten immer wieder zum Mittel des physischen Kampfes,
wenn sie die Kraft aufbringen, die gezogenen Schranken zu durchbrechen.
Die Voraussetzungen, welche dazu führen, sind ganz natürlich, aber die
damit verbundenen Erscheinungen wirken mitunter verwirrend.
Die Art, mit welcher der Kampf aus geistiger Region zumeist sehr
plötzlich auf den Boden harter Tatsachen überspringt, erweckt den Ein-
druck, als ob dies lediglich auf freie Willensäußerungen zurückzuführen
wäre. Gesteigert wird diese Meinung auch noch durch die Formen, in denen
der physische Kampf auftritt.
Diese Formen aber haben mit dem Wesen nichts zu tun, sie hängen
lediglich von Organisationen ab. Zu diesen wird gegriffen, weil sich der
organisierte Kampf stärker erweist als der unorganisierte. Der Kampf, der
auf dieser Welt geführt wird, ist nicht von Organisationen und auch nicht
von militärischen Einrichtungen abhängig. Wohl machen sich dabei per-
sönliche Einflüsse fühlbar, doch geht es vor allem um die große Linie, auf
174
Die Grundprobleme des Krieges.
der sich jede Willensäußerung bewegen muß, um zur Geltung zu kommen.
Auf ihr wächst die schicksalhafte Macht, die den Krieg beherrscht und die
wir auf den Schlachtfeldern so deutlich empfunden haben.
Niemals tritt diese Macht so unverhüllt hervor, als dann, wenn es
gilt, Schlachten zu schlagen. Mit hartem Zugriff erfassen die staatlichen
Organisationen die Menschen und zwingen sie, mit ihrem Leben für große,
der Gemeinschaft dienende Ziele einzutreten. Der Zwang, Schlachten zu
schlagen, besteht, noch bevor der Krieg militärisch beginnt, noch bevor der
erste Führerentschluß gefaßt wird. Bestünde keine eiserne Notwendigkeit,
so wären die Staaten gar nicht in der Lage, die für den Kampf nötigen
Energien aufzubringen.
Menschen, die gewöhnt sind, in den Formen des zivilisierten Zusammen-
lebens hauptsächlich den Schutz ihrer eigenen Interessen zu sehen, können
sich mit der Gewaltsamkeit und Grausamkeit, die hier in Erscheinung tritt,
nicht abfinden. Primitive Völker haben erkannt, wie der Gang des Ge-
schehens über die Einzelschicksale hinwegführt, unbekümmert um Schmerzen
und Leiden, welche für die Menschen zeitweilig daraus entstehen. Sie haben
die Gottheit mit dem doppelten Antlitz zum Symbol des Krieges erhoben,
als Sinnbild jener zweifachen Wirkung, die der Krieg ausübt. Denn die
Rolle des Krieges ist verschieden in bezug auf die Menschen, die den Kampf
durchkämpfen müssen und gegenüber dem Zuge des Lebens, dem die Völker
in ihrer Gesamtheit unterworfen sind.
Die Gewalt, mit der das Leben in seinen großen Formen über die
Menschen hinweggeht, könnte nie so heftig wirken, wenn es sich nur um
Augenblicksziele handeln würde. Die Leitmotive überleben die Menschen,
aus denen sie entstanden sind, ihr Einfluß vererbt sich von Generation zu
Generation. Als lebendige Kraft wirkt die Vergangenheit weiter und auf
ihrer Seite steht alles, was an eingelebten Gewohnheiten und geregelten Ver-
hältnissen den Menschen wertvoll erscheint. Das gibt ihr ein großes Gewicht,
gegen welches alles Neue nur schwer aufkommen kann. So wirkt die Ver-
gangenheit, indem sie den bestehenden Zusammenschluß der Menschen stärkt
und ihnen gleichzeitig den Weg bereitet.
Aus dem tiefen inneren Zusammenhange, welcher zwischen bewegenden
Ideen und Organisationen besteht, aus den Gegensätzen, in welche Kräfte,
die auf neue Ziele losgehen, mit bestehenden Gewalten treten, wächst dunkel
und unbestimmt das Schicksal, welches die Menschen immer wieder nötigt,
in den physischen Kampf zu treten. Doch Schlachten werden geschlagen,
und unentwegt geht der Kampf weiter. Wie im Rahmen der Kriege die
einzelnen Schlachten oft nur als Episoden erscheinen, so behalten schließlich
auch die Kriege in dem Jahrhunderte umspannenden Ringen der Völker und
Staaten nur episodenhaften Charakter. Im Großen wiederholt sich, was
der Krieg im Kleinen zeigt, daß über alle Bestrebungen hinweg der große
Kampf mühselig, hart und aufreibend, Schritt um Schritt geführt wer-
den muß.
Schlußbetrachtung.
175
In dieser Weise geht der Kampf von Generation zu Generation, von
Jahrhundert zu Jahrhundert, und immer sind es Ideen und Organisationen,
welche die Menschen zusammenhalten, ihnen die Kraft geben, den Kampf
weiterzuführen. Aber auch sie reiben sich ab, wie die Menschen sich abreiben.
Mit neuen Menschen wachsen neue Kräfte aus dem Boden, und auch Ideen
und Organisationen kehren in anderer Gestalt wieder und führen den Zu-
sammenschluß in neuer Form herbei.
Der Kampf ist ewig, und die Menschen sind nicht in der Lage, die
Mittel zu begrenzen, mit denen er geführt wird. Mit ihrem Leben müssen
sie eintreten, wenn das Schicksal ruft, und nur im Zusammenhalte vermögen
sie ihre Kraft zur Geltung zu bringen. Deshalb können die Menschen ihre
große Aufgabe nicht in der Freiheit des Geistes sehen, sondern lediglich in
der Treue, mit der sie bei ihrer Gemeinschaft ausharren.
Aus großen, durch Jahrhunderte gehenden Zusammenhängen erwachsen
die Bindungen, denen die Menschen unterworfen sind, und die Ziele, denen
sie, selbst über Kampf und Tod hinweg, zustreben. Die großen Gesetze des
Lebens bestätigen sich gerade dann, wenn der Kampf am stärksten wird,
wenn die Menschen in die Schlacht ziehen:
Ihnen voran flattert eine Fahne> und mit ihnen geht die Vergangenheit.
REGISTER.
Österreich-Ungarn.
Kommanden.
A OK.: 8, 9, IO, II, 12, 20, 24, 25, 26, 27,
28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 3j, 37, 39,
43. 48» 49. 5°> Ji> 53> 59.66, 68, 70,
73, 74, 78, 85, 86, 87, 89, 90, 91, 92,
93, 100, 101, 107, 113, 118, 158, 160,
161, 167.
Chef des Generalstabes: 5, 34, 163, 167.
2. AK.: 32, 70, 74, 7J, 77, 78, 79, 80,
81, 101.
3. AK.: 10, Ii, 12, 24, 26, 27, 28, 30,
31» 32» 33» 34» 35» 3¿» 38, 4°» 43» 47»
49» 5°» Si, 53» 54» 5¿> 59» 60, 75,
78, 85, 86, 87, 92.
AGK. Stanislau: 12, 14, 15, 24, 25, 27, 32.
XI. KK.: 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 18, 19, 24,
28, 48, 52, 53, 60.
Festungskommando Halicz: 75, 77.
Armeen.
1. Armee: 26, 27, 28, 29, 32, 33, 50, 58,
84, 90, 91, 93, 100, 106, 107, 112, 113,
115, 118, 160, 161, 164, 165.
2. Armee: 26, 33, 50, 57, 59, 60, 65, 69,
74» 75» 76» 78, 83, 84, 85, 86, 87, 90,
92> 93» 99» I0°» I01» 102, 107, 108,
109, 113, 115, 116, 117, 118, 160, 162,
168.
3. Armee: 12, 26, 27, 29, 32, 33, 34, 35,
41, 42, 49, 50, 51, 53, 57, 58, 59, 60,
61, 62, 65, 69, 70, 74, 75, 76, 77, 79,
82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 91, 92,
93» 97» 98» I0°» 101» i°3» 104» 107»
109, 110, in, 113, 115, 116, 117, 118,
160, 161, 162, 165, 168.
4. Armee: 18, 26, 27, 28, 29, 31, 33, 50,
51» 53» 57» 58, 59» ¿o» 84, 85, 86, 87,
90, 91, 92, 93, 97, 98, 100, 104, 105,
106, 107, 110, in, 112, 113, 114, 115,
116, 117, 118, 119, 160, 161, 162, 163,
164, 168.
AG. Stanislau: 12, 27.
Landsturmgruppe: 26, 33.
Deutsche 8. Armee: 118.
Korps.
I. Korps: 4, 58, 63.
II. Korps: 63, 90, 92, 96, 100, 105, 106,
112, 113, 114, 116.
III. Korps: 27, 29, 30, 31, 32, 35, 36, 37,
38, 39, 40, 41, 43, 44, 45, 46, 47, 48,
49. 5°> 51. 52» S3. 54. 56. Í9. 62,
63> 85, 87, 92, 99, 102, 103, 104, 108,
IO9, HO, III, I30, I39.
IV. Korps: 86, 90, 93, 99, 101, 102, 107,
108, 109.
V. Korps: 58, 63.
VI. Korps: 63, 95, 97, 105, 106, 109, in,
112, 116.
VII. Korps: 59, 61, 63, 74, 75, 76, 77, 78,
79, 80, 83, 84, 99, 101, 102, 108, 109.
IX. Korps: 63, 95, 97, 104, 106, 109, 110,
in, 112, 116.
X. Korps: 4, 9, 19, 58, 63, 84, 106, 161, 165.
XI. Korps: 4, 5, 6, 10, 11, 27, 31, 32,
37» 41» 43» 47» 48, 49» 5*» 52» 53» 58>
59» 63» 85, 86, 87, 92, 103, 104, 110.
XII. Korps: 27, 29, 30, 31, 32, 35, 36, 37,
38, 39, 40, 43, 46, 47, 49, 52, 54, 55,
56» 57» 58, 59» 6l> 63» 65» 78, 80,
83» 85, 86, 92, 93, 99, 101, 102, 103,
108, 109, 130, 139, 141.
XIV. Korps: 30, 31, 33, 50, 51, 53, 58,
63, 84, 92, 113, 114, 116, 161,
XVII. Korps: 63, 95, 96, 97, 105, 106, in,
112, 114, 116.
Gruppe Halicz: 78, 80, 81, 83.
Deutsches Landwehrkorps: 26, 33, 90, 119.
Kavalleriedivisionen.
i. KD.: 7, 9, 12, 13, 20, 22, 28, 29, 30,
32, 50, 66, 67, 69, 70, 71, 73, 74, 82, 99.
Register.
177
2. KD.: 7, 8, 9, 12, 18, 19, 20, 22, 28,
33, 6o, 90, 92, 95, 96, 116.
4. KD.: 4, 7, 8, 9, 12, 15, 16, 17, 22,
24, 28, 31, 32, 34, 36, 42, 48, 55, 58,
9*> 97» 105.
5. HKD.: 9, 12, 13, 14, 15, 20, 22, 28,
29, 30, 32, 50, 66, 67, 68, 70, 71, 72,
73> 99-
6. KD.: 18, 60, 92, 95, 105.
8. KD: 4, 8, 12, 13, 14, 15, 16, 20, 22,
24, 29, 30, 31, 32, 38, 39, 40, 42, 47,
49, 50, 58, 66, 67, 68, 70, 72, 73, 75,
76, 77» 78, 79» 80.
9. KD.: 90, 92, 96, 116.
10. KD.: 57, 85, 91, 92, 97, 105.
11. HKD.: 9, 28, 32, 34, 41, 48, 53, 56,
57, 85, 86, 92, 97, 106.
Infanteriedivisionen.
3. ID.: 33, 90, 95, 96, 97, 105, 106, 112.
4. ID.: 90.
6. ID.: 35, 36, 37, 43, 44, 45, 52, 54, 56,
58, 59, 61, 62, 103, 104, 109, HO, III,
130, 131.
8. ID.: 33, 90, 96, 105, 112, 141.
10. ID.: 98, 104, 106, in, 112.
11. ID.: 4, 5, 7, 10, Ii, 13, 14, 15, 16, 24,
25, 27, 29, 30, 31, 32, 33, 36, 38, 39,
40, 42, 43, 46, 47, 49, 52, 54, 55, 56,
58, 59, 60, 61, 62, 66, 67, 68, 70, 72,
73, 85, 86, 91, 102, 103, 108, 131, 147.
13. ID.: 90.
15. ID.: 97, 105, 106, in.
16. ID.: 37, 38, 39, 46, 47, 49, j2, 54, 55,
56> 57> 59> 6l> Ó2> 65> I0I> I02> I03>
IO8, IO9, I3O, I3I, I4I.
17. ID.: 50, 74, 77, 78, 79, 8o, 83, 86,
101, 102, 108, 109, 131.
19. ID.: 95, 96, 97, 105, 106.
20.. HID.: 50, 70, 74, 75, 76, 77, 78, 79,
80, 81, 82, 86, 93, 101, 102, 107, 109,
131.
22. LID.: 35, 36, 37, 44, 45, 52, 54, 56,
58, 59, 61, 62, 103, 104, 109, in, 130,.
131, 132, 141.
23. HID.: 33, 50, 54, 57, 59, 60, 61, 63,
65, 85, 86, 87, 98, 103, 104, 110.
25. ID.: 97, 98, 103, 104, 106, 110, in,
112.
26. LID.: 97, 98, 105, 106, in, 112.
27. ID.: 97, 105, 106, in.
Pitreich.
28. ID.: 3$, 36, 37, 44, 48, 49, 51, J2, 54,
56, 58, 59, 6l, 62, IO3, IO4, HO, III.
30. ID.: 4, 5, Ii, 25, 27, 28, 29, 30, 32,
41, 47» 48, 52» 53» S6» 57» 5^, 60, 61,
64, 98, 103, 104, 110.
31. ID.: 102, 107, 108.
32. ID.: 102, 107, 108, 109.
34. ID.: 50, 74, 77, 78, 79, 80, 83, 86,
101, 102, 108, 109.
35. ID.: 37, 38, 39, 40, 46, 47, 49, 52, 54,
55» 56» 58» 59» 6°» 61» 65, 101» 102,
103, 108, 109, 130, 131, 141.
38. HID.: 32, 37, 50, 63, 69, 70, 71, 72,
73» 74» 75» 76» 77» 7^» 80, 81, 82, 83,
93» 99» 101, 102, 107, 108, 109.
39. HID.: 97, 105, 106, HI, 112.
41. HID.: 33, 95, 96, 97, 105, 106, ni.
43. LID.: 4, 5, 6, 9, 10, 25, 27, 28, 32,
43» 5°» 63» 66» 68, 69, 73, 74, 75, 76,
77, 78, 81, 82, 83, 99, 102, 107, 108,
109.
44. LID.: 33, 48, 50, 53, 57, 58, 59, 61,
62, 63, 64, 85, 99, 103, 104, 109, 110,
in.
Komb. ID.: 41, 48, 52, 54, 56, 58.
Kavalleriebrigaden.
15. KBrig.: 12, 13, 15.
19. HKBrig.: 13.
23. HKBrig.: 13.
24. HKBrig.: 9, 12, 17, 18, 19, 22, 24, 28.
Infanteriebrigaden.
11. IBrig.: 43, 44, 103.
12. IBrig.: 43, 103.
59. IBrig.: 69.
69. IBrig.: 55.
75. IBrig.: 70.
88. LschBrig.: 33, 49, 53, 55, 58, 98, 103,
104, IIO.
Landsturmbrigaden.
35. LstBrig.: 4, 5, 6, 9, 68, 69, 82, 99.
40. LstBrig.: 50, 70, 74, 82, 99, 102.
93. LstBrig.: 4, 5, 11, 28, 41, 52, 85, 103.
97. LstBrig.: 33, 50, 54, 57, 59, 60, 65,
85, 86.
102. LstBrig.: 86, 93.
103. LstBrig.: 50, 74, 81, 82, 99.
105. LstBrig.: 50, 58, 60, 62, 75, 76, 80,
82, 85, 86.
108. LstBrig.: 33, 50, 53, 58, 104.
12
178
Register.
Marschbrigaden.
2. MBrig.: 95.
3. MBrig.: 33, 58.
7. MBrig.: 86, 93.
9. MBrig.: 95.
11. MBrig.: 4, 5, 11, 28, 41, 52, 53, 103,
in.
12. MBrig.: 50, 70, 74, 75, 76, 77, 79, So.
14. MBrig.: 33, 58, 63, 104.
Truppenkörper und Truppen-
teile.
IR. 15: 13.
IR. 17: 44.
IR. 30: 18.
IR. 41: 10, 68, 69.
IR. 55: 7> 8-
IR. 80: 19.
IR. 89: 9.
IR. 95: 8, 9, 10, 19, 66, 67.
2. Rgt. Tiroler Kaiserjäger: 96.
JgBaon. 7: 48, 56. -
JgBaon. 30: 18.
JgBaon. 32: 13, 67.
DR. 9: 15.
DR. 15: 7, 8, 15.
UR. 13: 17.
HusR. 12: 67, 68.
HusR. 14: 67, 68.
LIR. 19: 18.
LIR. 35: 7, 8, 16, 27.
LIR. 36: 10, 12, 13, 68, 69.
HMRgt. 9: 81, 82.
LstlR. 10: 58.
LstlR. 35: 7.
Grenzgendarmerie und Landsturmposten: 4,
7, 8, 10, 25, 67, 69, 73, 85, 168.
Russen.
Militärbezirke: 158.
Stawka: 94, 161.
Kommando der Südwestfront: 94, 120, 164.
Armeen.
2. Armee: 94.
3. Armee: 23, 42, 56, 64, 82, 88, 91, 94,
99, 100, 104, 106, 107, 113, 115, 118,
164, 165.
4. Armee: 23, 41, 42, 84, 94, 100, 106,
112, 115, 118, 161, 164, 165.
5. Armee: 23, 41, 42, 64, 65, 84, 88, 91,
94, 96, 100, 106, 112, 113, 115, 118,
161, 164, 165.
8. Armee: 23, 42, 57, 64, 72, 73, 82, 83,
88, 94, 104, 106, 107, 113, 115, 118,
164, 167.
9. Armee: 94, 100, 106, 112, 115, 118.
Korps.
V. Korps: 63, 106, 113.
VII. Korps: 42, 57, 63, 64, 82, 83, 84,
88, 94, 99, 167.
VIII. Korps: 42, 63, 66, 68, 73, 82, 83,
84, 88, 94, 99, 167.
IX. Korps: 42, 56, 57, 63, 64, 88, 94, 99,
100.
X. Korps: 42, 56, 57, 63, 64, 88, 93, 94,
99, 100.
XI. Korps: 22, 42, 56, 57, 63, 64, 65, 88,
94, 99, 100.
XII. Korps: 22, 42, 63, 73, 82, 83, 84, 88,
94> 99-
XVI. Korps: 167.
XVII. Korps: 63, 106, 113.
XVIII. Korps: 165.
XIX. Korps: 22, 63, 113, 118.
XXI. Korps: 42, 56, 63, 64, 65, 88, 93,
94, 96, 99, 100, 106, 107, 165.
XXIV. Korps: 63, 73, 76, 80, 82, 84, 88,
94, 99, 107, 167.
XXV. Korps: 112, 118.
Gardekorps: 165.
III. Kauk. Korps: 165.
Kavalleriekorps: 113.
Kavalleriedivisionen
(russisch).
1. komb. KosD.: 23.
2. komb. KosD.: 23, 73, 82, 83, 88.
3. kauk. KosD.: 64, 88, 94.
7. KD.: 22, 23.
9. KD.: 22, 23, 24, 64, 88, 94.
10. KD.: 22, 23, 24, 64, 88, 94.
11. KD.: 22, 23, 56, 64, 88, 94.
12. KD.: 22, 23, 64, 72, 73, 82, 88, 94.
Infanteriedivisionen
(russisch).
9. ID.: 56, 141.
Ii. ID.: 64.
Register.
179
12. ID. 73> 82.
14. ID. 82.
15- ID. 66, 82,
I9- ID. 82.
31- ID. 56.
33- ID. 5 6.
44. ID. 5 6.
48. ID. 82, 83
49- ID. 82.
60. ResID.: 5 6.
69. ResID.: 56.
3. SchBrig.: 73, 82, 83, 84.
4. SchBrig.: 73, 82, 84.
Grenzwachbrigaden : 6, 7, 8.
Grundprobleme des Krieges.
Gustav Adolf: 162.
Karl XII.: 1.
Prinz Eugen: 150, 162.
Friedrich Wilhelm I.: 146.
Friedrich der Große: 146, 148, 150, 162.
Napoleon: 130, 148, 152, 155, 162, 168, 169,
Erzherzog Karl: 151.
Moltke: 148, 155.
Altertum: 122, 123, 125, 142, 143, 162.
15. und 16. Jahrhundert: 122, 123, 135,
142, 143, 144, 162.
17. Jahrhundert: 123, 135, 146.
18. Jahrhundert: 124, 136, 146, 147, 148,
155, 162.
19. Jahrhundert: 2, 125, 136, 154, 162.
20. Jahrhundert: 2, 127, 128, 137, 138, 155,
156.
Dreißigjähriger Krieg: 135, 145, 146, 162.
Siebenjähriger Krieg: 1, 147.
Revolutionskriege: 124, 148, 149, 162.
Napoleonische Kriege: 1, 125, 130, 136,
151, 152, 153, 154, 155, 162, 168, 169.
Krieg 1848/49: 126.
Krieg 1859: 126.
Krieg 1866: 127, 140.
Krieg 1870/71: 127, 133, 136, 140, 154, 155.
Krieg 1877/78: 127, 136, 140.
Mandschurischer Krieg: 129, 140.
Krieg 1914: 130—133, 138—142, 154—156,
158—160, 161 —171.
12*
;
Xowel
B.Armee
Lubh
und Operationsbeginn
Chcrtm
Legende-.
ÖU. )-* bis 25.Äug. 1914
Russen]—" 23. « »
i
Bewegungen der eig. KD. Js}-
II. - Korps
5 3. = Division
Chodel
JDominopo/
ßychawa
rtraSnosfaw
Wiikolaz
Wojsiawice
i ma di mir - Wo tyñskj
UsH+ug
Ta mogo ra
ZÓikiawka
okrasnik
Uragani
luck
Lu kowiczy
Rowno
iokaczy
Ànnopol
Turobin
o Markos haw
ofwerbkowice
o Polichna
-ßeszkowice
Zawichosh
¡Grybowica
o Czarukow
Szklin
Poryck°
iu _
Zaklikow
Tereszkowieg»*'
° Wgôwka*
V -•*
Ja now
3.Armee
ryszowce
Komarów
Gor chow
Sucho ivo/al
Dubno
Ochlepow
'iva re z
S o ka!
tarnawahka
rDruszkopo/
tfrasnobrói
o Bifgoraj
Tarnobrzeg
N is ko0
józefow
Korczmin
• ^Krystynopo!
1JlanovY'
i zczurow/ce
oUhnów
Radziechów
Witkowtfowy
o Machnow
Karow
0tubyczB
Kroie ws ka
/ * ■ 0
leszniow
tukowa
Rudnia
Narol-o
Mia s lo
Tarnogrod
OMichalowka
Trnyhrow Q
\ow \ topahyn^
O h la do w fydan Story í
Szumsk
Hujcze
ty Wielkie
"N Strzemieñ
tVola Rozamecka
Butyny
wilcza Mola
B rus no S Ir. o^erehrata
Kremieniec
0
ORadziwiiQw
'Raw a Rus ka
'Cieszanow
Lu beta
Kupiczwola
)J3z/ko w
.ßrody
Joporow
Lezajsk,
3ojaniec
oTurynka
Kamionka-
¿Slrumi-fowa
Miikow
S o ko low
SmoHn
Dobrostn•
Oleszyce
Kolbuszowi
Nw.Poczajew
.w ». "«a»-
r %
Sucho^'of^
Boharycze,
Lubaczow
o Sie nia wa
Mag ' S™ (¡j£> Kun/nl
A.1 ""otti
Grodnsko0
fV/emirow
Jablonówka
Hruszow
Oiesko
Podkam'en í
AUemiacz
>M'v 6* OV.
O-Smerekow
Jakt mów
Teofipol
Busk
*Po'dhorce
Zolhance
c>Kuhko\
' oPrzeworsk
^ Jar osta u
*Remenów
tancuf O
ßiafyKamien
ìajsow
laryczów Nowy
Markowa
ìksiniec
Rzeszow
Wyszgorodok
o Zydahycze
oSkwabzawa
° Debica
Janów
oBortków
Radymno O
o Zioczow
Qliniany
fy^Olszanica
)obro&ha.ny
.Kamienobrod
I LEMBERG
i - v ^-^'Winniki
S ¡enachowka
Olejow1
tPtuhów
'ruchnik
Wyzniany0 28
Ñikolajew
Gotogory
Sokolniki
mee
Blazowa o
'Groc/ek Jag
Nawarya H.M.Brig
Zborow
wismowa0
Wankowce
Sadovva -wisinia
M osciska
o Csernyi Oshrow
Hiuboczek Wk.
Jezierm
Pomorzany
Przemysl
° Lu bien Wk-
O Lipniki
'rzemyslany
Podwoloczysl
Domaradi
Proskurow
Husakow
Bóbrka
Jüunajow
koszany
, o Bork i Wk
o/zdebki
Tau row
Rudki
8-Armee
Dörnfeld
J as ho
Ko marno Humiemec
. Koniusikr
siemianowkii
ChodaczkowWk.
Piotycza &
Narajów m-
Myszkowici
<3 Skalah
Oßakowce
NoweMiasho
Felszhyn
iFirlejow
Luka Mt
Kupczynce
Striehska Nw\
f J Ruda
Wk.B+ol-o
Sorocko
%ikolajów
i Rozdó/ Choderkï
Shrahyn 0
U obro miI
i Miku lirici
\Kozowa
O %L0Szn¡ow*%*%
Uublany
Kuzmin
Rohahyn
Pukow
¿¿^\Trembowla °
'¡hodororf
0 L llynia
> V* -
Sara now
-Dorozów
Mieczyszczow
Jarmohrie q
fen/ce
'Lisko
• • • • • \
'¿•••••¿£odok¡
Skotyniany \
^Burkanáw
yvisniowczyk
í U obropole
S ta ry Sam bori
o Choros hkow
Podhajce
Drohobycz
Burszhyn L
^(\Marh'no{
J\\ shr.
Zawatów
Zu raw no ç?
Budzanów
Krogulec,
Borysiaw
icrfszowce
Wasylkowce
Kopyczynce
Husiatyn
Skorodym
Toustobaby
oMedwedowce
Ttushenkie
JHalicz
KrylóvP
Smolrycz
Czorhków
Jezupol
Dunajewcy-
Turka o
Mariani pol
Katusz
Guazty^
Nizmow q
y. Zwanczyk
rr'V'r
Rachnowka•
S ko le
Stanis lau o
rmee
Tysmienica
rn/n i
•••••s
Tfumacz
Uácieczko
0Korotówks
Komiemec-
» Podo!ski
Horodenka
Zaleszczyki
Chohn
Maßstab 1 -750.000
Nadworna
Ko lo mea.
JJelahyn
Sniahyn
Toporouf-z
Rakitna
I. B Q. Rarancze
■—o Maha/a
® Czernowihz ßgjan
'Slobodzia
[lach Koros mezo
Beiderseitige Situation
am 26./B.ca Annm., 28./8.abds. u.5./9.abd s.
O CieszarÓM
Gefechts Fe Id der 4. KD. am 21.8.1914.
Màryamonl
38.1
(Ciros)