Die Emanzipation in Österreich-Ungarn 394 Perücke, in der Synagoge erscheint, dem Fanatismus der Menge zum Opfer, was dem Verfasser Anlaß bietet, sich in Klagen über das Ge schick des Volkes zu ergehen, dem zwar die strenge rituelle Zucht einst als Schutzwall gegen die äußeren Feinde gedient habe, das aber diesen Schutz wall nun, nachdem es im Westen Tag geworden und keine An griffe mehr zu befürchten seien, längst hätte schleifen sollen. Jeder im Ghetto auf tauchende Freigeist, jeder Leidensgenosse des Uriel da Costa, wie überhaupt alle diejenigen, die die Trümmer des alten Ju dentums verließen, um sich der „Menschheit“, richtiger, der christ lichen Umwelt anzuschließen, erscheinen bei Franzos von einem poeti schen Nimbus umgeben. Die Flucht aus dem geistigen „Halb-Asien“, wie Franzos Galizien nannte, in die Freiheit und das Licht der euro päischen Kultur — dies war das den Dichter erfüllende Ideal. Wie schematisch diese Verteilung von Licht und Schatten, diese Gegenüber stellung der nationalen Absonderung und der vermeintlichen Ver schmelzung mit der Menschheit auch sein mochte, der ersten Gene ration der emanzipierten Juden erschien sie dennoch als Offenbarung einer tiefen geschichtlichen Wahrheit.